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Z. anorg. allg. Chem. 590 (1990) 127-136 J. A. Barth, Leipzig Uber Chalkogenolate. 197 [I] Untersuchungen uber Polythiocuprate( I) [Cu(S,)]- 1. Eigenschaften und Reaktionen von Ammoniumtetra- thiocuprat ( I ) G. GATTOW" und T. DINGELDEIN Mainz , Institut fiir Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Universitat Inhaltsiibersicht. Die Eigenschaften von NH,[Cu(S,)] wurden untersucht. In wail3rig-alkali- schem Medium zcrsetzt es sich inCuS und S ; in Gegenwart von Kohlenstoffdisulfid werden vorwiegend CuS, Sx2- und CSZ2- neben CSt2- und S2C02-gebildet. Die in der Literatur beschriebene Verbindung (NH,)2[Cu,CS,] konnte nicht isoliert werden. In Dimethylformamid gelostes NH,[Cu(S,)] zersetzt sieh unter primarer Bildung des Radikal- anions S3-, das dann weiter zerfallt. NH,[Cu(S,)] reagiert mit n-Butylchlorid zu den substituierten Sulfanen (C4H9)2S, mit x = 1, 2 und 3. On Chalcogenolates. 197. Studies on Polythiocuprates(1) [Cu(S,)] -. 1. Properties and Reactions of Ammonium Tetrathiocuprate(1) Abstract. The properties of NH,[Cu(S,)] have been studied. In watery alkaline media it de- composes into CuS and S; in the presence of carbon disulfide CuS, Sx2-, and CS,2- besides CS,2- and S2C02- are formed. The compound (NH,),[Cu,CS,], described in literature, does not exist. I n dimethylformamide dissolved NH,[Cu(S,)] decomposes via the radical anion S3-. NH,[Cu(S,)] reacts with n-butyl chloride to yield the substitutedsulfanes (C,H,),S, with x = I, Bereits 1964 haben wir uber Tetrathiocuprate(1) des Typs M'CuS, mit MI = NH,, K, Rb, Cs berichtet [2]. Anhand der Ammoniumverbindung konnte mit rontgenographischen und spektroskopischen Methoden gezeigt werden, dalj in dieser kristallinen Verbindung S42--Ketten vorhanden sind (vgl. auch [3]), daB Cu+ tetraedrisch von 4 S-Atomen koordiniert ist und dalj keine isolierten [CuS4]-- Ionen vorliegen. Eine genaue Festlegung der Atomparameter war jedoch wegen des Vorliegens einer , ,order-disorder"-Struktur nicht moglich (Filmtechnik, Verfeine- rung bis zu einem R-Wert von etwa 0,20). 1980 wurde die Struktur von NH,CuS4 (andere Modifikation 2) von BURSCHKA [4] und 1989 die von a- und P-KCuS, von KANATZIDIS u. PARK [5] aufgeklart; die Autoren konnten unsere friiheren Be- funde [ 21 bestiitigen. Aufgrund dieser Kenntnisse mussen die Tetrathiocuprate(1) folgendermaBen formuliert werden : M'[Cu(S,)]. 2, and 3.

Über Chalkogenolate. 197. Untersuchungen über Polythiocuprate(I) [Cu(Sx)]− 1. Eigenschaften und Reaktionen von Ammoniumtetrathiocuprat(I)

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Z. anorg. allg. Chem. 590 (1990) 127-136 J. A. Barth, Leipzig

Uber Chalkogenolate. 197 [I]

Untersuchungen uber Polythiocuprate( I) [Cu(S,)]- 1. Eigenschaften und Reaktionen von Ammoniumtetra- thiocuprat ( I )

G. GATTOW" und T. DINGELDEIN

Mainz , Institut fiir Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Universitat

Inha l t s i ibers ich t . Die Eigenschaften von NH,[Cu(S,)] wurden untersucht. I n wail3rig-alkali- schem Medium zcrsetzt es sich inCuS und S ; in Gegenwart von Kohlenstoffdisulfid werden vorwiegend CuS, Sx2- und CSZ2- neben CSt2- und S2C02- gebildet. Die in der Literatur beschriebene Verbindung (NH,)2[Cu,CS,] konnte nicht isoliert werden.

In Dimethylformamid gelostes NH,[Cu(S,)] zersetzt sieh unter primarer Bildung des Radikal- anions S3-, das dann weiter zerfallt.

NH,[Cu(S,)] reagiert mit n-Butylchlorid zu den substituierten Sulfanen (C4H9)2S, mit x = 1, 2 und 3.

On Chalcogenolates. 197. Studies on Polythiocuprates(1) [Cu(S,)] -. 1. Properties and Reactions of Ammonium Tetrathiocuprate(1)

A b s t r a c t . The properties of NH,[Cu(S,)] have been studied. In watery alkaline media it de- composes into CuS and S; in the presence of carbon disulfide CuS, Sx2-, and CS,2- besides CS,2- and S2C02- are formed. The compound (NH,),[Cu,CS,], described in literature, does not exist.

I n dimethylformamide dissolved NH,[Cu(S,)] decomposes via the radical anion S3-. NH,[Cu(S,)] reacts with n-butyl chloride to yield the substitutedsulfanes (C,H,),S, with x = I,

Bereits 1964 haben wir uber Tetrathiocuprate(1) des Typs M'CuS, mit MI =

NH,, K, Rb, Cs berichtet [2]. Anhand der Ammoniumverbindung konnte mit rontgenographischen und spektroskopischen Methoden gezeigt werden, dalj in dieser kristallinen Verbindung S42--Ketten vorhanden sind (vgl. auch [3]), daB Cu+ tetraedrisch von 4 S-Atomen koordiniert ist und dalj keine isolierten [CuS4]-- Ionen vorliegen. Eine genaue Festlegung der Atomparameter war jedoch wegen des Vorliegens einer , ,order-disorder"-Struktur nicht moglich (Filmtechnik, Verfeine- rung bis zu einem R-Wert von etwa 0,20). 1980 wurde die Struktur von NH,CuS4 (andere Modifikation 2) von BURSCHKA [4] und 1989 die von a- und P-KCuS, von KANATZIDIS u. PARK [5] aufgeklart; die Autoren konnten unsere friiheren Be- funde [ 21 bestiitigen. Aufgrund dieser Kenntnisse mussen die Tetrathiocuprate(1) folgendermaBen formuliert werden : M'[Cu(S,)].

2 , and 3.

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1961 wiesen PEYRONEL u. Mitarb. [6] auf die Existenz eines Pentathiocup- rat(1)-Ions hin, das in den letzten Jahren von MULLER u. Mitarb. 17-11], wie auch andere Polythiocuprate(1) , strukturell gesichert werden konnte. Hier sind jedoch die Cu+-Ionen trigonal-planar von 3 S-Atomen umgeben ; vgl. auch [12]. Es sind auch Thiocuprate(1) bekannt, bei denen das Cu+-Ion verzerrt linear von 2 S-Atomen koordiniert ist, z. R. [13].

Wir haben das Problem der Polythiocuprate(1) MI[Cu(S,)] erneut aufgegriffen und versucht, u. a. folgende Fragen zu klaren :

1. Wic wirkt sich die GroBe des Kations M' auf die LBnge der S,-Kette RUS ?

2 . Welchen EinfluB haben die GroRe des Kations MI und die Lange der S,-Kett'e auf die Koor- dimtion um das Cu+- Ion ?

3 . Warum losen sich die Polythiocuprate(1) im wPLIrigen Medium praktisch nnr in verdunnt.en Lsagen ? Was liegt in Losung vor ?

4. I n z. B. Dimethylformmiid liisen sich die roten Polythiocuprate(1) mit blaugriiner Warbe, die nacli einiger Zeit in Gelb umschlagt. Wiis fur ein Vorgsng findet statt ?

,5. Welche Reaktion findet mit Kohlenstoffdisulfid st,at.t ? Existiert das von PEYRONEL u. Mib arb. rl4, 151 mit Hilfe von Molekulargewichtsbestimmungen, pH-Wert- und Leitfahigkeitsmessungen nachgewiesene, eigenstandige [Cu,CS,12--Ion ? Wie ist cs anfgebaut ?

Dariiber soll nachstehend und in den folgenden Publikationen berichtet werden.

I. Darstellung von NH4[Cu (&)I in Gegenwart von Kohlenstoffdisulfid Die Darstellung von Ammoniumtetrathiocuprat (I) erfolgte einerseits nach der

Vorschrift von GATTOW 11. ROSENRERG [ a ] und andererseits nach der von PEY- RONEL u. DE FILIPPO [15, 161, wobei kein evidenter Unterschied in Ausbeute und Reinheit auftrat.

d n a l y s e n m e t h o d c n . Nach AufschluGi der Substanzen in einem Br,/HNO,-Gemisch bei 100°C wurdc der Cu-Gchalt komplcxometrisch gegen Chromazurol S als Indikator bestimmt [17]. Die Be- stimmung des 8-Gehaltes erfolgte nach 0. a. AufschluB gravimetrisch als BaSO,. Die H-, X- und even- tuell C-Gchalte wurden nach den Methoden dcr organischen Mikroanalyse ermittelt.

Analyse vonNH,[Cu(S,)]. Cu 29,4 (ber. 30,3); S 60,8 ( G 1 , l ) ; N 6,9 (6,7); H 2,O (1,9)yo.

Nach PEYRONEL u. DE FILIPPO [15, 161 soll bei der Darstellung von NH,[Cu(S,) ] in Gegenwart von Kohlenstoffdisulfid (NH,),[Cu,CS,] . 3 H,O ent- stehen :

AuBerdem wurde von den Autoren die Isolierung von (NH,) ,[Cu,CS,] - xDioxan yH,O mit x = l ~ , y = 1 und x = 0,5, y = 3,5 beschrieben. Wir haben diese Versuche sowohl unter strenger Einhaltung der Versuchsbedingungen wiederholt als auch die Redingungen variiert.

V e r s u c h s d u r c l i f u h r u n g A. Nach [16, 161 wird in 100 em3 einw ?6yoigen Bmmoniukliisung 2 h lang H,S eingeleitet (Gelbfarbung). Es werden weitere 100 em3 der KH,-Losung hinzugefugt und bei 60°C 36 g Sehwefel gelost. Nnch Zugabc von 64 cmg einer I3'I nSrJrigen CuS0,-Losung bei

2 NH,[Cu(S,)] $- CS, --f (NH,),[Cu,CS,] + 3 S.

G. GATTOW u. T. DINGELDEIN, Untersuchungen iiber Polythiocuprate(1) [Cu(S,)]- 129

20°C wird schnell filtriert. Zu dieser roten Losung werden bei 20°C 2 em3 CS, gegeben (Molverhaltnis CuSO,: CS, = 1: 0,5), wobei die Farbe in Rubinrot umschlagt. Nach einigen Stunden kristdlisiert eine rote Substanz aus, die rnit Wasser, Alkohol und CS, gewaschen wird.

V e r s u c h s d u r e h f u h r u n g B. In 200 em3 der Ammoniumpolysulfidlosung (A) werden zunachst 1 em3 CS, und dann sofort bzw. nach 30 min 64 em3 einer 1 M CuS0,-Losung bei 20°C gegeben (Molvcrhaltnis CuSO,:CS, = 1: 0,25). Die auskristallisierende rote Substanz wird wie unter A be- schrieben behandelt.

V e r s u c h s d u r c h f u h r u n g C. Wie B, das lllolverhlltnis CuSO,:CS, wird auf l:l$ erhoht. Es entsteht eine rubinrote, stabile Losung, die auch nach langerem Stehen (3 Monate, 20°C) und nach Zugabe verschiedener organischer Losungsmittel stabil bleibt, eine Auskristallisation findet nicht statt. Analoges Ergebnis, wenn die Ammoniumpolysulfidlosung mit CS, ,,gesattigt" wird.

V e r s u c h s d u r c h f u h r u n g D. Wie A, die Schwefelmenge, die in der Ammoniumsulfidlosung gelost wird, wird halbiert (18 g Schwefel).

V e r s u c h s d u r c h f u h r u n g E. Noch [15,16] wird die nach A hergestellt Ammoniumpolysulfid- losung rnit 20 g CuSO, . 5 H,O (als 1 M Losung) bei 20°C versetzt und nach dem Filtrieren mit CS, gesattigt (tiefrote Losung a). Nach Zugabe des doppelten Voltimens an Dioxan entstehen zwei Pha- sen. Die tiefrote dioxanhaltige Phase wird abgetrennt und bei 20°C im Rotationsverdampfer im Vakuum eingeengt. Unter diesen Bedingungen fallt zuerst Schwefel aus, der mit abnehmender Lo- sungsmittclmenge rnit schwarzem CuS verunreinigt ist. Wird dagegen die tiefrote waBrige Losung a in einen Exsikkator deponiert, der einige mit festem KOH und Dioxan gefii1lt.e Petrischalen enthalt, dann entstehen bei 20°C im Vakuum rote Nadeln. Nachdem das Volumen der Losung auf etwa 1/5 gesunken ist, wird rnit Dioxan bis zu einem Volumenverhaltnis 1: 4 aufgefullt, wobei sich die Kristalle auflosen. Nach Filtration wird die Losung bei etwa 10°C stehengelassen; nach 2 - 3 Wochen kristallisieren rote Nadeln aus.

V e r s u c h s d u r c h f u h r u n g F. NH,[Cu(S,)] wurde in wafirig-alkalischen Medien (NaOH, NH,OH, Natriumacetat) mit wechselnden Mengen an CS, in Gegenwart von Aceton als Losungsvermittler bei 20O"C umgesetzt. In allen Fallen scheiden sich bei 10-20°C primar Schwefel, dann CuS ab. Eine analoge Umsetzung findet statt, wenn NH,[Cu(S,)] direkt oder in einen Dimethylformamid/H,O- Gemisch (3: 2) gelost mit CS, zur Reaktion gebracht wird.

Wie aus Tab. 1 zu ersehen ist, entsteht bei allen Ansatzen nur NH4[Cu(S,)]. Es ist somit fraglich, ob das in der Literatur [15, 161 beschriebene CS,-Einschub- produkt (NH,) ,[Cu,CS,] wirklich existiert. Moglicherweise ist das NH4+-Ion fur das groBe Anion zu klein, um stabilisierend wirken zu konnen.

11. Eigonschaftcn von NHa[Cu(S4)]

Das Ammoniumtetrathiocuprat(1) ist eine in roten Nadeln kristallisierende Substanz. NBhere Einzelheiten uber Eigeiischaften und zum thermischen Ver- halten dieser Verbindung s. bsi [a].

Im Mnssenspektrometer werden erwartungsgemaB nur die Bruchstucke S,+ bis S,+ mit der entsprechenden Isotopenverteilung registriert. Im Infrarot- spsktrum (Bereich 4000-400 cni-l, KBr-PreBling) zeigt die Verbindung beziig- lich des [Cu(S,)]--Ions eine iiitensitatsschwache Absorption mit Maximum bei 446 em-1, die einer v (S -S) -Schwingung zugeordnet werden kann.

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1. Verha l ten i n wBl3rig-alkalischem Medium

Amoniumtetrathiocuprat(1) ist in Wasser praktisch nicht loslich, mit SBuren tritt Zersetzung ein. In verdiinnten Laugen, z. B. NaOH, ist NH,[Cu(S,)] loslich, aber auch hier findet langsamer Zerfall in CuS und Schwefel statt.

Das Elektronenabsorptionsspektrum (Spektrometer Leitz DM4) des in 0,05 N NaOH gelosten NH,[Cu(S,)] zeigt bei 2OoC ein Extinktionsmaximum bei

Tabelle 1 Analysenwerte der Reaktionsprodukte bei der Darstellung von NH,[Cu(S,)] in Gegenwart von Kohlenstoffdisulfid

Versuchsdurchfiihrunga) yo Cu % S % N % H

A 29,l 59,9 7,2 2 S B 29,7 G0,9 6 2 1,s D 29,3 59,8 61 1,s E 24,s 60,2 6 S 2 S NH,[Cu( S,)] ber. 30,3 61,l 6 7 13

") Niihere Einzelheiten s. Text.

220 nm mit kontinuierlicher Extinktionsabnahme bis 550 nm, von [2] wird noch eine schwache Schulter bei etwa 370 nm angegeben. Eine Ermittlung des molaren Extinktionskoeffizienten war &us meatechnischen Grunden nicht moglich. Bei 400 nm betragt er, um einen Vergleich mit anderen Polythiocupraten(1) zu haben, cpOO = 1,24 - l o3 1 - mol-l- cm-l (fur c = 0,4 mmol - 1-l).

Diskussion des Spektrums im Kapitel II,2.

2. Verha l ten i n waar ig-a lka l i schem Medium i n Gegenwart von Kohlenstoffdisulf id

Warum findet bei Zugabe von CS, zu einer orange gefarbten Losung von NH,[Cu(S,)] in verdunnter Natronlauge eine starke Farbvertiefung (rubinrot) statt ? Zur Klarung dieses Phiinomens wurde die zeitliche Bnderung des Elek- tronenabsorptionsspektrums (Spektrometer Shimadzu V160) bei Zugabe von CS, unter verschiedenen Bedingungen bei 20 O C untersucht.

Die Anderung der Lage der Absorptionsmaximum und der Extinktion wurden derart ermittelt, in dem in verschiedenen ZeitabstLnderi bis maximal 2,3 h jeweils das Gesamtspektrum aufgenommen und nusgewertet wurde.

1. Ansatz. In der MeBkuvette wurden 0,5 g NH,[Cu(S,)] in 3 cm3 0 , l N NaOH gelost. Hierzu wurden schnell 0,5 cm3 einer Losung aus H,O, Aceton als Losungsvermittler und CS, (Volumenverhiiltnis 10: 1 : 0,Ol) gegeben. In der Referenzkuvette befanden sich 0,5 cm3 eines Gemisches aus H,O und Aceton (Volumenverhaltnis 10: 1) in 3 cm3 0,l N NaOH. Diese Spektren geben Auskunft uber die Reaktion von NH,[Cu(S,)] mit CS, im alkalischen Bereich.

G. GATTOW u. T. DINGELDEIN, Untersuchungen uber Polythiocuprate(1) [Cu(S,)]- 131

Es werden insgesamt 4 Absorptionsbanden registriert, deren Extinktions- anderungen mit der Zeit aus Abb. 1 zu ersehen sind, es wurde jeweils das Banden- maximum vermessen.

98

20

800

730-

r)

C 660-

- I I I I

176&

C 0 d u Y c 4 x W

4

100 .- , 2000 4000 csco eooo

17$ J 0

Zeit Is)

Abb. 1 mum (1. Ansatz; s. Text). A urn 220nm; B urn 255mn; C urn 306nm; D urn 375nm.

Zeitliche Anderung der relativen Extinktionen, gemessen am jeweiligen Absorptionsmaxi-

7 2 2

644

566

u 41 7--

u C 2 332

2 5 4

132 Z. anorg. allg. Chem. 590 (1990)

Die Lagen der Absorptionsmaxims andcrn sich geringfugig mit der Zeit (Bezeichnung s. Abb. 1) :

A Lineare Abnahme von 223,5 nm bei t = 0 (extrapoliert) nach 220,5 nm (nach 2 h). B Zunahme von 262 nm bei t =: 0 (extrapoliert) nach 257 nm (nach 2 h). C Wellenllnge bleibt zeitlich konstant (306 nm). D Exponentielle Zunahnie von 373 nm ab t = 10 min nach 378 nm bei 90 min, dann konstant

bleibend.

2 . Ansatz. In der MeBkuvette befanden sich die gleiche Menge von in 0, l N NaOH gelostem NH4[Cu(S4)] wie im 1.. Ansatz, ebenfalls gleiche Mengen an H,O, Aceton und CS, (10 : 1 : 0,Ol.). Die Reverenzkuvette enthielt ebenfalls in 0 , l N NaOH gelostes N.H,[Cu(S,)] (gleiche Menge wie in MeBkuvette) und 0,5 om3 eines Gemisches aus H,O und Aceton (10: 1). Diese Spektren sollen Auskunft geben uber die Reaktion von CS, mit der Lauge in Gegenwart von Ammoniumtetrathio- cuprat (I).

Es treten 3 Absorptionen auf, deren Extinktionsanderungen am jeweiligen Bandenmaximum als Funktion der Zeit in Abb. 2 wiedergegeben sind.

Auch hier lndern sich die Lsgen der Absorptionsmaxima mit der Zeit (Bezeichnung s. Abb. 2):

A Exponentielle Zunnhme von 217 nm bei t = 0 (extrapoliert) bis auf 2 2 2 nm (bei 90 min), dann komtant bleibend.

B Zunahme von 376 nm bei t =: 0 (extrapoliert) nach 378 nm (nach 50 rnin), dann Abnahme nach 376 nm (nach 2 11).

C Exponentielle Abnahme von 318 nm bei t = 0 (extrapoliert) nach 310 nm (nach 17 rnin), dann linear abnehmend bis auf 307 nm (nach 2 h).

Diskussion. Um die komplizierten Vorgange interpretieren zu konnen,

1. Vorgange beim Losen des Tetrathiocuprats(1) in Natronlauge (8. Kapitel

Das Tetrathiocuprat(1) dissoziiert primar in NH,+ und [Cu(S,)]-, was wir bereits friiher durch die schnelle Abfangsreaktion mit Cs+-Ionen beweisen konnten [2]. Der Zerfall des [Cu(S,)]--Ions kann wie folgt beschrieben werden:

mussen drei Reaktionskomplexe betrachtet werden :

11, 1).

2[Cu(S,)]- + 2 cus + S,", s,2- + (x-1) s -1- 82-.

Die Absorption in Natronlauge bei 220 nm wird durch das [Cu(S,)]--Ion und die Polysulfidionen SX2- verursacht.

2 . Vorgange beim Losen von CS, in Natronlauge. Es finden folgende Reaktionen statt bzw. liegen folgende Gleichgewichte vor

[18, 191; vgl. auch die Ubersicht bei [20]: CS, + 2 OH-- + S,CO" + H,O, S,CO" - -1.- cs, + cs,z- + cos, szco?- + S"-- + cos,

c;s32- $. 8 + cs 2-

c3,'- -+ 1.p o2 + c s p - , s2- 4- (x-1) s $ s,2 -.

COS + 4 OH- + C0,2- + S2- + 2 H,O, ' I ,

G . GATTOW u. T. DINGELDEIN, Untersuchungen uber Polythiocuprate(Ij [c'u(S,)]- 133

Bei der Umsetzung van CS, mit Natronlauge weisen die einzelnen Spezies folgende Absorptions- maxima auf [lS-dl]: CS, bei 310 nm, S,C02- bei 228 und 272 nm, CS,,- bei 223, 336 und 500 nm, CS,3- bei 218,320 und 400 nm, CS302- bei 308 und 378 nm, Sx2- hei 228 nm (und s. weiter unten).

3. Reaktion zwischen CS,, dem [Cu(S,)]--Ion und den Zerfallsprodukten in

Bei der Vielfalt der moglichen Reaktionspartner kijnnen nur die Kauptgleich- Natronlauge.

gewichte aufgezeichnet werden (in Klammern Absorptionsmaxima) : a) Gleichgeivichte zwisclzen den einzelnen S,,--Ionen, die alle im Bereich um 220 nm absorbieren

mit zusi~tzlichen Absorptionen vorwiegend von S," (303 und 471 nm), Sa2- (303 und 365 nm) und S5%- (899 und 375 nm) [ 2 2 ] .

Aus einem Vergleich der Lagen der moglichen Extinktionsmaxima rnit den tat- sachlich gemessenen konnen folgende Schlusse gezogen werden (vgl. Abb. 1 und 2) :

1. Beim Losen von NH,[Cu(S,)] in verdunnter Natronlauge liegen [Cu(S,)]-- neben X,,--Ionen vor (Absorption bei 220 nm).

2 . Nach Zugabe von CS, zu der alkalischen NH,[Cu(S,)]-Losung beobachtet man zunachst eine starke Extinktionserhohung im Bereich um 220 nm, die durch Reaktion mit CS, und die Zersetzung des [Cu(S,)]--Tons unter Bildung verschie- dener , ,sulfidischer" Ionen (Sx2--, S,C02-, CS,,-, CS,,-) erklart werden kann, welche gemeinsam zum Extinktionsmaximum beitragen (starke Farbvertiefung) . Spater nimmt die Extinktion dieser Absorption ab, bedingt durch die Ahnahme der Menge an SX2--Ionen durch den Ausfall von CuS und Schwefel.

Nach wenigen Minuten beginnt eine Extinktionszunahme im Bereich um 306 nm. Hier ist deutlich der Beitrag der Polysulfidionen S,,-, S,2- und Si2- sowie von CS,,- und eventuell auch vonTrithiocarbonatocuprat(1)-Ionen [Cu(CS,)]- [23, 241 zu erkennen.

Zeitlich noch etwas spater treten zwei Absorptionsmaxima im Bereich um 265und375nm auf, wobei man das erste dem S,CO,--Ion zuordnen konnte, zumal die Wellenlange steigende Tendenz besitzt. Das z weite wird durch Poly- sulfidionen und oventuell auch von CS,02- verursacht.

3. Nach Zugabe von CS, zu dem in verdunnter NaOH gelosten NH,[Cu(S,)] kommt es zu keiner neuen, im UV/Vis detektierbaren Reaktion. Die Bildung des CS,,-- und eventuell CS,2--Ions kann alleine auf die Umsetzung von CS, rnit SX2--Ionen im alkalischen Bereich zuriickgefuhrt werden.

3. Verhal ten i n Dimethyl formamid

mit blaugruner Farbe, die nach einigen Minuten nach Gelb umschkgt.

b) Reaktion zwischcn 8, SY2- und CS, zu CS,,- und eventuell weiter zu CS,,- (s. oben).

Das rote NH,[Cu(S,)] lost sich in Dimethylformamid (und Dimethylsulfoxid)

Die Substanz wurde in sauerstofffreiem Dimethylformamid unter Ar-Atmosphare bei 20 "C ver- messen.

Das Elektronenabsorptionsspektrum (Spektrometsr Leitz DM4) des in Di- methylformamid gelosten NH,[Cu(S,)] weist eine Absorption mit Maximum bei

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617 nm auf, die fur die blaugriine Farbe verantwortlich ist. Die Extinktion der Bande nimmt schnell mit der Zeit ab und eine neue mit Maximum bei 220 nm tritt auf (gelbe Farbe) ; sie zeigt eine kontinuierliche Extinktionsabnahme bis etwa 500 nm.

Die Absorption bei 617 nm wird von dem S,--Radikalanion hervorgerufen (2B, t 2A,-i)bergang nach [25, 26]), die mit Maximum bei 220 nm stammt von Polysulfidionen. Thr Entstehen in Dimethylformamid kann folgendermaBen er- kliirt werden :

LCu(S,)]- ;.' cu+ + s*2-,

2 s,2- --* 2 s,- + s,2-,

2 8,- -+ S,", sx2- + (x-1) s + s2-.

Der schnelle Zerfall des sonst recht stabilen S,--Radikalanions in Gegenwart von Tetrathiocuprat(1) ist z. R. entweder durch die Reaktion zwischen Cuf und S,- nach

mit dem Folgeprodukt CuS oder durch katalytische Wirkung von Cu+ bei der Polymerisation von S3- zu hoheren Polysulfidionen zu erklaren.

Cu+ + s,- --f Cu2+ + s32-

Nahere Einhelhciten uber die Bildung und den ZerfiiIl des 8,--Radikalanions s. z. B. bei r25--311.

4. U m s e t z u n g mi t A1 k y 111 a 1 o g e n i de n

Die Alkylierung von NH,[Cu(S,)] wurde anhand der Umsetzung mit n-Butyl- bromid untersucht.

Versuchsdurchf i ihrung. Zu einer Losung von 0,42 g [2 mmol) NH,[Cu[S,)] in 10 om3 Di- mctliylformamid werden bei 20°C 0,3 g ( 2 mmol) n-Butylbromid, gelost in 6 om3 Dimethylformamid, getropft, wobei sich die Farbe von braungclb nech orange andert. Nach 30 min wird die Reaktions- mischung in 200 cm5 Wasser gegossen, mehrfilch mit Diethylether ausgeschuttelt und die etherische Phase uber CaCI, getrocknet. Die Losung wird einrotiert, wobei als Ruckstand ein zahes gelbes 0 1 mit intensiv unangenehmem Gcruch verbleibt. Wegen der geringen Ausbeute (etwa 10 mg) lie6 sich dits Produkt nicht reinigen.

Bei der Reaktion entstehen Dibutylmonosulfan, -disulfan und -trisulfan, wie 13C-NMR-spektroskopis~h und massenspektrometrisch bewiesen werden konnte.

13C-NMR-Spektrum (Bruker WP-80, Mefifrequenz 20,15 MHz, lH-breit- bandentkoppelt) . Das Reaktionsprodukt wurde in Trichlormethan-d, als Lo- sungsmittel bei 2 0 O C vermessen. Es treten folgende, auf TMS bezogene Signale auf (ehemische Versehiebungen 6, in ppm) :

Signallitge 8, Zuordnung

13,s H 3 C -CH2- CH,--CH, -- S ~-

",5 H3C- CH2-CH2-CH2-S- 30,9 H3C-CHZ- CHz-CH2-S- 38,5 H3C-CH2-CH2- CHZ-SI- 39,l H3C-CH2-CH2- CH2-S2- 39,5 H3C - CH, - CH2- CH, -Sad

G. GATTOW u. T. DINGELDEIN, Untersuchungen iiber Polythiocuprate(1) [Cu(S,)]- 135

Das Intensitatsverh&Itnia der Signale mit chemischen Verschiebungen von 38,5, 39,l und 39,5 ppm I&& schIieBen, da13 ein Gemiseh von Dibutylmonosulfan, -disulfm und -trisulfan im Ver- haltnis von etwa 3:2:1 vorliegt.

Massenspekt rum (Varian ATLAS MAT CH4, Elel AronenstoBionisation, 70 eV, Probentemperatur 2 0 "C). Das Reaktionsprodukt zeigt den Peak der je- weiligen Molekiilions (C4HJ2SX+: m/e = 146 fur x = 1 (42% Haufigkeit), m/e = 178 fur x = 2 (10%) und m/e = 210 fur x = 3 (3%).

DHAR u. CHANDRASEKARAN [32] haben bei der Umsetzung von Tetratldomolybdat [MoS4I2- mit Alkylhnlogeniden nur das entsprechende Dialkyldisulfan erhalten. Naoh COYLE u. Mitarb. [33] reagiert [MoS4]Z- mit substituierten Disulfanen in einer Redox-Reaktion zu [MO,S,]~-. Von HANE- WALD u. GATTOW [34] wurden Tetrathiowolframate [WSJ2- rnit Alkyliodiden umgesetzt, sie erhielten unter Reduktion des Wolframs(V1) zu [W3S.J- die entspreclienden DiaIkylmonosulfane und -di- sulfanc.

Dem Fonds der Chemischen Industrie gilt unser Dank fur die Bereitstellung von Hilfsmitteln.

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Bei der Redaktion eingegnngen am 26. April 1990.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. G. GATTOW nnd DipLChem. T. DINGELDEIN, Jnst. f. Anorg. Chemie u. Bnalyt. Chitmie d. Univ., Johann-Joachim-Becher-Weg 24, W-6500 Mainz