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ARCHIV DER PHARMACIE, 5. Band, 6. Heft. A. Originalmfttheilungen. Ueber das Ocl der Iriswarzcl. Von F. A. Fliiokiger. Bei Gelegenheit einiger Bemerkungen uber Pharmacopoea Germanica hatte ich*) hervorgehoben , dass die dort angege- bene Abstammung der Veilchenwurzel von I r i s f 1 or e n - tina L. unrichtig ist, indem gerade diese Art in der Umge- bung von Florenz sehr wenig angebaut wird, auch wohl uberhaupt in Italien nicht ursprunglich einheimisch war. Die am weitesten verbreitete, namlich von Nordindien durch Vor- derasien und die Mittelmeerlander bis Xarocco wachsende Iris germanica L. liefert, nebst Iris pallida Lam., weitaus die meiste Veilchenwurzel. Diese drei Arten sind mit Sicherheit zu unterscheiden , doch war es mir unmoglich, ihre Wurzelstocke auseinanderzuhalten , als ich frische Ex- emplare verglich , welche in dem fur Veilchenwurzel classi- schen Platze, Pontasieve unweit Florenz, gezogen worden wa- ren. Man mag also mit Recht einwenden, dass es practisch gesprochen gleichgultig ist, welche der drei Arten als Stamm- pflanzen genannt werden. Es liegt mir auch heute mehr daran, einen chemischen Punkt in Betreff dieser Wurzelstiocke klar zu legen. Dieselben verdanken ihre Anwendung seit mehr als zwei Jahrtausenden hauptsachlich dem feinen Wohlgeruche, welcher merkwiirdiger Weise der lebenden Wurzel durchaus nicht *) Archiv der Pharmacie 204 (1874) p. 107. Arch. d. Pbarm. VIII. Bds. 6. Heft. 31

Ueber das Oel der Iriswurzel

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ARCHIV DER PHARMACIE,

5. Band, 6. Heft.

A. Originalmfttheilungen.

Ueber das Ocl der Iriswarzcl. Von F. A. Fli iokiger.

Bei Gelegenheit einiger Bemerkungen uber Pharmacopoea Germanica hatte ich*) hervorgehoben , dass die dort angege- bene Abstammung der Veilchenwurzel von I r i s f 1 o r e n - t i n a L. unrichtig ist, indem gerade diese Art in der Umge- bung von Florenz sehr wenig angebaut wird, auch wohl uberhaupt in Italien nicht ursprunglich einheimisch war. Die am weitesten verbreitete, namlich von Nordindien durch Vor- derasien und die Mittelmeerlander bis Xarocco wachsende I r i s g e r m a n i c a L. liefert, nebst I r i s p a l l i d a Lam., weitaus die meiste Veilchenwurzel. Diese drei Arten sind mit Sicherheit zu unterscheiden , doch war es mir unmoglich, ihre Wurzelstocke auseinanderzuhalten , als ich frische Ex- emplare verglich , welche in dem fur Veilchenwurzel classi- schen Platze, Pontasieve unweit Florenz, gezogen worden wa- ren. Man mag also mit Recht einwenden, dass es practisch gesprochen gleichgultig ist, welche der drei Arten als Stamm- pflanzen genannt werden. Es liegt mir auch heute mehr daran, einen chemischen Punkt in Betreff dieser Wurzelstiocke klar zu legen.

Dieselben verdanken ihre Anwendung seit mehr als zwei Jahrtausenden hauptsachlich dem feinen Wohlgeruche, welcher merkwiirdiger Weise der lebenden Wurzel durchaus nicht

*) Archiv der Pharmacie 204 (1874) p. 107.

Arch. d. Pbarm. VIII. Bds. 6. Heft. 31

482 F. A. Fliickiger, Ueber das Oel der Iriswurzel. . zukommt. Ihr ganz unbedeutender und nichts weniger als aromatischer Geruch entwickelt sich erst nach dem Trocknen zo dem beliebten Parfum, ohne Zweifel in Folge son Vorgiin- gen chemischer Natur, uber welche una noch jede Kenntniss abgeht. Wird die getrocknete Wurzel der Destillation mit TVasser unterworfen , so erscheint zuletzt auf dem Wasser ein krydallinisch erstarrender Riechstoff, welcher in der Par- fumerie mit Recht sehr beliebt ist und von einigen grossen Destillationsgeschaften darges!ellt wird. Als solche sind mir bekannt gemorden die Herren H e r r i n g s 8: C 0. in London und S c h i m m e l & Co. in Leipzig. Bei der geringen Aus- beute und 'der auch wohl nicht sehr erlieblichen Nachfrage ist vermuthlich die Herstellung dicses Luxusartikels , den die lebatere Firma z. B. mit A. 2400 das Kilog. notirt, uberhaupt nur aaf wenige Fabriken beschrankt.

Nach gefdligen Mittheilungen, welche ich der Gute der genannten beiden Hauser verdanke, betragt die Ausbeute bei vollstandigster Ausnutzung der Triewurzel nur ungefahr 1 per Mille. Das Product ist von hellbriiunlicher Farbe, fester Sal- benconsistenz und sehr lieblichem Veilchengeruche.

Heinr. August V o g e l , damals in Paris, war wohl der erste Chemiker, yelcher sich mit dem Irisole oder Irisstearop- ten beschiiftigte , doch sind seine diirftigen Andeutungen *) ganz unerheblich.

Hierauf theilte D u m a s 1835 der Pariser Academie Fol- gendes mit: ") , ,La racine d I r i s de Florence soumise A la distillation avec de l'eau , donne un produit nacrd , cristallin e t lamelleux , insoluble dans l'eau, e t susceptible d'ibtre re- cueilli en filtrant l'eau distillde. Ce produit renfeme:

Carbone hydrogene oxigene 21,3

:;$ } Formule Cs HSO.

,,La formule de ce corps est fort remarquable. On se rappelle en effet que dans l'essence de Roses il esiste un pro-

*) Gmelin, Organische Chemie VI. 338. **) Journal de Pharmacie 21 (1835) 192; auch Gmelin 1. c.

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duit cristallin dont la formule est la mkme que celle de l’hp- d roghe bicarbon6. La matiere de 1’Iris de Florence pourrait donc 6tre un oxide de la matiere de l’essence de roses; mais la petite quantit6 que j’en ai eue B ma digposition ne m’a permis aucune experience propre B verifier cette

Von der schon genannten Londoner Firma dargestelltes Irisol habe ich nach wiederholtem Umkrystahiren aus Wein- geist mit Hulfe von Thierkohle in farblosen Krystallblattchen erhalten, deren Form trotz aller hierauf ganz besonders ge- richteter Bemiihung nicht zu ermitteln war ; selbst die micro- scopischen Blattchen sind wenig ausgebildet. Bei .dieser Rei- nigung des Oeles oder muthmasslichen Stearoptens fie1 es auf, dass der Geruch sich in der Mutterlauge concentrirta und die Krystalle mehr und mehr geruchlos wurden; schliess. lich- in der That das Aroma vollig eingebiisst hatten. Die Losung der letztern in Weingeist bot kein Rotationsvermogen dar und rothete mit Weingeist befeuchtetes Lackmuspapier energisch. Nach wiederholtem Umkrystallisiren erhob sich der Schmelzpunkt der Substanz bis gegen 52O; weniger reine Praparate schmolzen schon bei um einige Grade niedrigerer Temperatur. Auf eine noch vie1 unreinere Substanz bezieht sich die Angabe von M a r t i n u n d M a r a i s , * ) dass der Iris- Campher bei 32O schmelze; man iiberzeugt sich leicht, dass allerdings der Wohlgeruch der Wurzel in den Schwefel- kohlenstoff iibergeht, aber dieses Losungsmittel entzieht der Droge ausserdem noch ein sehr weiches Harz, Gerbstoff und wohl auch Fet t und ist ganzlich ungeeignet, ohne weiteres ein reines Product zu liefern. Die Anwendung des Schwefelkoh- lenstoffes erscheint iiberhaupt in diesem Falle, wo es sich urn so ausserst geringe Mengen atherischen Oeles handelt, kaum practisch.

analyse in Procenten : Die gereinigten Krystalle gaben mir bei der Elementar-

*) Journ. de Pharm. 11 (1870) 490.

484 F. A. Flickiger, Ueber dae Oel der Iriawurzel.

I. 11. 111. C 74,54 73,29 74,05 H 12,31 12,78 11,69

Diese Zahlen in Verbindung rnit den obigen Wahmeh- mungen lassen keinen Zweifel uber die Natur des vermeint- lichen Iris-Stearopt%s: es ist M y r i s t i n s a u r e CI4 He* Om. Diese verlangt :

Mittel msiner Anslysen: 14 c 168 73,69 73,96 28H 28 12,28 12,26 2 0 32 14,03.

Nachdem dieses festgestellt war, fie1 es leicht, dem Rohproducte die Fettsaure zu entziehen; man darf nur des- sen weingeistige Losung mit wasserfreiem Natriumcarbonat oder Bicarbonat digeriren, urn eine Seifenlosung zu erhal ten, aus welcher durch Zusatz einer stiirkeren Siiure und Verdiin- nung mit Wasser die Myristinsaure gefallt mird und sich nach Erwarmung der Flussigkeit auf 60° ale Oelschicht erhebt, welche bei einigen Graden unter 50° krystallinisch erstarrt. Wiederholt man dieses Verfahren, so gelingt es leicht, sich dem Schmelzpunkte der reinen Myristinsaure, 54O, sehr zu nahern und ihn schliesslich zu erreichen. Die ge- ringste Menge des hartniickig anhaftenden iitherischen Oeles oder eine Spur Laurinsaure C1* H24 O4 (bei etwa 44O schmel- zend) , welche ja leicht die Myristinsiiure begleiten diirfte, muss erniedrigend auf den Schmelzpunkt wirken.

Die an dem aus London erhaltenen Irisole angestellten Beobachtungen habe ich an Proben, welche Herr H. F r i t z - sche ' jun . , in Firma S c h i m m e l & Co. in Leipzig, mir in freundlichster Weise zur Verfiigung stellte, so weit wieder- holt, ale erforderlich war, urn mich von der Identitat des Parf-ums dieses Hauses mit dem der Herren H e r r in g s 8 C 0.

zu uberzeugen. Das Praparat besteht nach diesen Erfahrungen aus der

an sich vollig geruchlosen Myristinsaure , welche dessen bei weitem vorherrschenden Bestandtheil bildet, durchtrankt mit etwas atherischem Oele. Digerirt man das Rohproduct mit

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Bleioxyd in geschlossener Flasche, so gelingt es, das Oel als braunliche dickliche Flussigkeit abzuscheiden , welche sich bei - loo , wenigstens wahrend der Woche, in welcher ich sie diesem Kaltegrade aussetzen konnte, in fliissigem Zustande erhielt. Die iiusserst geringe Menge des Oeles, die ich mir hergestellt habe, erlaubt keine weiteren Untersuchungen des- selben; sein in dem Rohproducte oder besser in verdunnten Auflosungen desselben so ausserst lieblicher Geruch hat begreiflicherweise durch die damit vorgenommene Pflasterbil- dung nicht eben gewonnen.

Da >das myristinsaurehaltige Oel nur durch vollstandigst durchgefihrte Destillatiou, die bei 50 Kilog. 2 Tage bean- sprucht, in der Quantitat von 1 per Mille zu gewinnen'ist, RO ist die Menge des in der Wurzel vorkommenden Oeles selbst noch sehr viel geringer anzuschlagen und kann sich wohl kaum auf Zehntausendstel erheben. Es da t e mogli- cherweioe in die freilich noch ganz unerforschte Olasse der sogenannten Fermentole zu setzen sein, indem es in der lie- benden Wurzel nicht vorzukommen scheint, sofern wenigstens ihr Geruch wie schon erwlihnt, ein gans anderer ist.

Es fragt sich, wie es zugeht, dass die an sich nur schwer und kaum ohne Zersetzung destillirbare Myristinsaure sich mit dem Oele verfluchtigt. Der Grund dieser Verdampfung ist in den Diffusionserscheinungen zu suchen, welche ja noch viel auffallendere derartige Thatsachen bieten. Auch das Rosenol ist in iihnlicher Weise begleitet von ekem geruch- losen, fur sich schwer fluchtigen StearoptEn. Das Vor- kommen der Myristinsaure im Irisol wird wohl auf ein Fett zuruckzufuhren sein , welches in der Wunel vorhanden ist und durch die Wasserdampfe zerlegt wird. Die Menge dieses Fettes muss eine sehr geringe sein, denn 300 g. Iris- pulver , die ich mit Schwefelkohlenstoff auszog , gaben mir wohlriechendes weiches Harz von braunlicher Farbe, in wel- chem ich aber wed& freie Myristinsiiure, noch neutrales Fett nachzuweisen vermocht habe. Es ist allerdings nicht leicht, Fett oder Fettsiiuren in Haw aufzufinden, selbst die bezug-

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lichen Versuche, welche B a r f o e d *) unlangst angestellt hat, haben den Weg zur Losung dieser Aufgaben kaum schon vollstiindig geebnet. Ich habe mein Augenmerk namentlich auf die Frage gerichtet , ob freie Nyristinsaure vielleicht in der Wurzel schon vorhanden sei. Zu diesem Zwecke dige- rirte ich den Schwefelkohlenstoffauszug mit kohlensaurem Na- trium und Weingeist, nm eine Losung von harzsaurem und myristinsaurem Natrium zu erhaltcn , woraus ich die Sauren durch Essigsaure abschied. W a r Myristinsaure vorhanden, s o musste dieselbe sich bei langerer Digestion der triiben sauren Flussigkeit allmahlich darans als olige Schicht erhe- ben. Dieses jedoch trat selbst nach mehreren Tagen gar nicht ein; die braune Harzsaure sank langsam als pulverige Masse zu Boden und die Fliissigkeit klarte sich nach und nach, aber ohne eine Oelschicht erkennen zu lassen. Es war mir also nicht gelungen, freie Myristinsiiure in der Wurzel selbst zu entdecken; ich lasse es dahingestellt, ob Versuche in grossem Maasstabe , mit Centnern statt Grammen ausge- fiihrt, andere Ergebnisse liefern wiirden.

Vergleicht man die Analyse von D u m a s mit meinen Ergebnissen, so fallt der grosse Unterschied auf und es ist nicht ersichtlich,-wie der Widerspruch zu losen ware, um so weniger als D u m a s in Betreff etwaiger Reinigung seiner Substanz schweigt. 1st es mehr als ein Zufall, dass die Re- sultate seiner Analyse sich auf Ca pry1 sXur e (Octylsaure) deuten Lessen? Diese verlangt :

8 C 96 66,67 16H 16 11,ll 2 0 32 22,22,

was sich den oben mitgetheilten (allerdings nach den friiheren Atomgewichten berechneten) Zahlen von D u m a s geuiigend anschliessen wiirde. Vorausgesetzt , dass derselbe eine che- misch reine Substanz analysirt hat, ware das Auftreten von Caprylsaure an sich nicht mehr und nicht weniger befremdend als dasjenige der Myristinsaure.

*) In Freaenins, Zeitschrift fur analytische Chemie 1875. 20.

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Ich habe schon die letztere auch als Begleiterin des Mus- catnussoles nachgewiesen,") wo sie wie es scheint zur An- nahme eines ,, Myristicins '' gefuhrt hatte. Vor mir aber hatte bereits B 1 a s gezeigt, "") dass das atherische Oel der Lor- beeren geringe Mengen von Laurinsaure C I B Ha4 Oe mit sich reisst. Diese ist bekanntermaassen mit Wasserdampfen leicht zu verfluchtigen, so dass es nicht so sehr auffallen kann, in dcn von niir untersuchten Fallen nun auch Myristinsaure, das nachstfolgende Glied der homologen Reihe dieser Sauren, auftreten zu sehen. ***) Kaum habe ich schliesslich nothig, noch auf die vielen Bsispiele hinzuweisen , wo das Wasser, welches mit atherischen Oelen ubergeht, durch geringe Men- gen der in Wasser loslichen Fettsauren saure Reaction er- halt. Fur Lavendelol e. B. ist das Vorkommen von Essigester sehr wahrscheinlich und dass das Oel der Romischen Karnille wirklioh Ester enthiilt, ist bewiesen. Aus der Zereetzung derarliger Verbindungen erklart sich das Auftreten freier Sauren so gut wie in Betreff der hoheren Glieder der Fett- slurereihe, z. B. Laurinsaure und Myristinsaure anzunehmen ist , dass sie von neutralen Glycerylestern, den gewohnlichen Fetten, abstammen.

*) Buchner's N. Repertor. fur Pharm. 24 (1675) 213, aus Pharm.

**) Ann. der Chemie 134 (1865) 5. ***) Bei diesem Anlasse will ich auch ausdriicklich bestiltigen, dam

das Lorbeerol, wie B1 a s richtig hervorhob, k e in Eugenol (Nelkensaure) cnthalt, welches G l a d s t o n e 1863 darin gefunden haben wollte. Die V e r m u t h u n g seines Vorkommens in Laurus lag nicht allzu weit ab, da ja S t e n h o u s e im Ocle der Blatter des Zimmtbaumes Eugenol ge- funden hat.

Journ. and Transact. 15. Aiig. 1874. p. 136.