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200 H. R. Kriiyt und K. C. Winkler. Uber den EinfluR hydratierter Kolloide auf die Gefrierpunktserniedrigung. Von H. R. KRUYT uiicl K. C. WiiiImm. 12. A. GOXTNER~) list init scinen Mitarbeitern Untersuchungeii verdffentlicht, in dencn es sich darnin handelt, die Hydratation von l\lolloiilcn zu ermitteln, indeni er die Uefrierpunldserniedrigung eincr Losung bestimrnt in baw. mBcr Ahwesenheit des bulrcffenden Kolloids. Im, t nian in derselbcn Menge Wasser e i i i i d eine gewisse Menge irgcndeiiies Stoffes, z. 13. liohrzuclier, cin anderes Ma1 dieselbe Mengo untl dam ein hydrophiles Kolloid, so sind die Gefrierpunktserniedri- gnngm dieser beiden Ldsungen verschieden, auch nachdem inan aine eventuelle Korrelition fiir die Erizieclriguig, ivelche von dem Kolloid (bxw. scinen molekularloslichen Verunreinigungen) herstammt , mit in Iiechnung getragen hat. GORTNER schreibt die groBere Erniedrigung der Bolloidhaltigen Losung der Tatsache zu, claB ein Teil des Wassers voni Kolloid beansprucht ist, daB deshalb die zur LBsung des Rohr- zuckers verfiigbare Wassermenge verringert, die aktive Zucker- lionzentration folglich gesteigert und die Gefrierpunktserniedrigung darum groBer ist. Aus der Differenz der beiden Gefrierpunkts- erniedrigungen l5Bt sich nun die Menge des gebunclenen Wassers burechncn. Angesichts der grol3en Bedeutung, welche wir der Hydratation hilegen fiir die Stabilitkit der lyophilen Kolloide2)),war ex wichtig, die GORTNER’YChPn Versnche und dercn Deutung nachzuprufen. Die letzterc ist ja im voraus gar niclit aicher; cs konntc die Aktivitats- anderung cles Bohrzuckars auch anderen Ursaclien zugeschrieben werden 111s einer Konzentrationsiinderung des freien Wassers. AuBer- den schlieBt die von GORTNER gegebene Deutung die Voraussetznng ein, daB der 73ohrsucker sich nicht in das Hydratationsmasser lost. l) R. NEWTON u. R. A. GORTNER, Botanical Gazette 74 (1922), 442; R. A. GORTNER, Coll. Symp. 1 (1923), 392; W. ROBINSON, J. econom. Ento- mology 20 (1927), 80. 2, Vgl. H. R. KRIJYT u. Mitarbeiter: Zur Kenntnis der lyophilen KolIoide, I-VII in Kolloidchem. Beih. 28 u. 29 (1928/29).

Über den Einfluß hydratierter Kolloide auf die Gefrierpunktserniedrigung

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200 H. R. Kriiyt und K. C. Winkler.

Uber den EinfluR hydratierter Kolloide auf die Gefrierpunktserniedrigung.

Von H. R. KRUYT uiicl K. C. WiiiImm.

12. A. G O X T N E R ~ ) list init scinen Mitarbeitern Untersuchungeii verdffentlicht, in dencn es sich darnin handelt, die Hydratation von l\lolloiilcn zu ermitteln, indeni er die Uefrierpunldserniedrigung eincr Losung bestimrnt in baw. mBcr Ahwesenheit des bulrcffenden Kolloids. Im, t nian in derselbcn Menge Wasser e i i i i d eine gewisse Menge irgcndeiiies Stoffes, z. 13. liohrzuclier, cin anderes Ma1 dieselbe Mengo untl d a m ein hydrophiles Kolloid, so sind die Gefrierpunktserniedri- gnngm dieser beiden Ldsungen verschieden, auch nachdem inan aine eventuelle Korrelition fiir die Erizieclriguig, ivelche von dem Kolloid (bxw. scinen molekularloslichen Verunreinigungen) herstammt , mit in Iiechnung getragen hat. GORTNER schreibt die groBere Erniedrigung der Bolloidhaltigen Losung der Tatsache zu, claB ein Teil des Wassers voni Kolloid beansprucht ist, daB deshalb die zur LBsung des Rohr- zuckers verfiigbare Wassermenge verringert, die aktive Zucker- lionzentration folglich gesteigert und die Gefrierpunktserniedrigung darum groBer ist. Aus der Differenz der beiden Gefrierpunkts- erniedrigungen l5Bt sich nun die Menge des gebunclenen Wassers burechncn.

Angesichts der grol3en Bedeutung, welche wir der Hydratation hilegen fiir die Stabilitkit der lyophilen Kolloide2)), war ex wichtig, die GORTNER’YChPn Versnche und dercn Deutung nachzuprufen. Die letzterc ist j a im voraus gar niclit aicher; cs konntc die Aktivitats- anderung cles Bohrzuckars auch anderen Ursaclien zugeschrieben werden 111s einer Konzentrationsiinderung des freien Wassers. AuBer- d e n schlieBt die von GORTNER gegebene Deutung die Voraussetznng ein, daB der 73ohrsucker sich nicht in das Hydratationsmasser lost.

l) R. NEWTON u. R. A. GORTNER, Botanical Gazette 74 (1922), 442; R. A. GORTNER, Coll. Symp. 1 (1923), 392; W. ROBINSON, J. econom. Ento- mology 20 (1927), 80.

2, Vgl. H. R. KRIJYT u. Mitarbeiter: Zur Kenntnis der lyophilen KolIoide, I-VII in Kolloidchem. Beih. 28 u. 29 (1928/29).

EinfluB hydratierter Kolloide auf die ~frierpunktseriiiedrigung. 201

Zweclr der vorliegenden Untersuchung war nun nur dies: zu priifen, ob die VergroBerung der Gefrierpunktserniedrigung (welche wir der Kiirze halber den GORTNER-Effekt nennen werden) direkt mit der Hydratation des Kolloids zusammenhangt. Solches war so zu verifizieren, dal3 untersucht werden solhe, ob der GORTNER-Effekt verschwinde, falls man dem Kolloid seine Hydratation entnimint . Bekanntlich kann man solches erzielen, indem man ein Dehydrations- mittel hinzusetzt ; die: iiblichen Mittel, Alkohol, Aceton, Eisessig, Schwefelsaure usw., waren hier aber durcliaus ungeeignet, indem man deren grol3ere Menge braucht , nni eine weitgehende Dehydratation des Kolloids herbeizufuhren uncl drmzufolge zngleich eine so liolossale Gefrierpunktserniedrigung herbeifuhrt und das ganzc l\filit.u so weit- gehend Bndert, dd3 iiian lcaurn mchr our erwiinschten SchluBfolgerung berechtigt wiire. Wir zogen es daruin vor T'annin xu verwenden, das schon in kleinen Konzentrationen weitgehende Dehydratation herbeif uhrt . ')

Als Substanx in wahrer Losung haben wir erst Mannit versucht, aber seiner geringen Loslichkeit wegen erhielten wir nur kleine Ge- frierpunlitserniedrigungen, was die Genauigkeit der Untersuchungen zu sehr beeintrachtigt ; wir haben deshalb doch wieder Rohrzucker (ebenso wie GORTNER) gewiihlt. Als Kolloid haben wir Starke be- nutzt und zwar ein sehr schones Produkt der H u r o n Mil l ing Com- pany.

Die Methodili war die gewohnhhe BECliMANN'SChe ; das Thenno- meter war in 0,0lo geteilt, mit der Lupe lie13 sich die Teinperatur auf 0,OOIo genau ablescn.

Bei den Voruntersuchungen zeigte sicli folgendes : Zuerst wieder- Iiolten wir die GoRTNER'Schen Versuche mit den genannten Stoffen und erhielten Resultate, welche mit denen GORTNER'S in Uberein- stimlnung sind. Es folgt hier ein Beispiel. Mit R wird die Rohr- nuckerkonzantration, mit 8t die Starkekonzentration und spater mit T die Tanninkonzentration angegeben. d (R + st) bedeutet die ge- fundene Gefrierpunktserniedrigung in Grad- lo3 einer Losung, die R -k St enthalt ; d (R) bzw. d ( St) die der ou vergleichenden Einzel- losungen. Es mul3 behufs richtiger Vergleichbarkeit darauf geachtet werden , daB fur die Rohrzuckerkonzentration immer genau die gleiche Totalmenge Wasser in Betracht gezogen werden soll, daD

l) Vgl. H. G. BUNQENBERU DE JONQ, Rec. "rav. Pays-Bas 42 (1923), 437; 43 (1924), 35.

202 H. R. Kruyt und IC. C. Winkler.

also bei den gemischten Losungen nicht etwa einige Gramm Wasser durch ebensoviele Gramm Starke ersetzt werden, sonst wurde man diesem Sachverhalt den Unterschied der Erniedrigungen teilweise zu- schreiben mussen, Im Total anwesenden Wasser wurde daruni immer konstant behalten

..4. R: 34%l) B. R: 121/20/, St: 3O/, 3483 A (R + st) 897

A (St) 34 21 I A (St) ___ -

f1 (R) __- A (1%) 3384 I

-= I A (R f St)

3463 I 873 851

~ O R T N E i L - ~ f f e k t 78 ' UORTNER-EffekL 22

l3s wurde nun iler Versuch l3 wiederholt, nachdem 1, 2 baw. 2,66O/, Tannin in das System hineingebracht war. Setat inan zu einem Stiirkesol Tannin ou, so da13 das System 1% Tannin enthiilt, so erhalt man ein milchweifles Sol der dehydratierten Stiirke. 1st aber 121/,0/0 Rohrzucker in1 System anwesend, so beeinfluat dieser das System genau so wie Alkohol: das Tannin wird von dem Rohr- zucker verdriingt, es findet somit lieino Dehydratation statt und das Sol bleibt wasserklar. Der GORTNER-Effekt bleibt unverandert (21 in Versuch B, 22 in Versuch C) eben bei 2,66°/0 Tannin.

C. R: 121JZ0/, St: 3°/0 T: 2,66%

A (R + St 3- TI A (st -I- T) __-

d ( R 4 - T ) A (T)

900 45

880 47

855

833 ._ -

GOBTNER-EffCkt 22

Es lag iiun suf der Hand, den Verdriingungsvorgang vorteilhaft zu beeinflussen, in dem wir zu vie1 hoheren Tanninkonzentrationen ubergingen. Bei ?1/20/o Tannin gab das Aussehen der Losung der stattgefundenen Dehydratierung kund, es aeigte sich nun aber eino nndere Komplikation, dal3 nBmlich Entmischung im System auf- tritt. Nimmt man das Versuchsrohr aus der Kaltemischung, so ent- halt dasselbe nicht nur Eis, sondern es liegen olige, braune, augen- soheinlich tanninreiche Tropfen auf dem Boden. Es ist nun nicht mehr moglich, eine Rechnung, wie die obenstehende, durchzufuhren, denn die Phasenkonzentrationen sind nicht dieselben in den zum Vergleich herangezogenen Systemen.

1) Die Robrznokerprozente beziehen aioh auf 1OOg Lilsung.

EinfluS hyhtierter Kolloide mf die Gefrierpunkhrniedrigung . 203

Bei niedrigen Tanninkonzentrationen liegt also keine Dehydra- tion vor, bei hoheren wohl, wird der Versuch aber von Entmischungs- erscheinungen gestort. Gluoklicherweise liegt aber ewischen 8 und 4°/0 eine Zone, in der Dehydratierung und keine Entmischung statt- findet. Die Versuche D und E sind bei 3,25% Tannin durchgefuhrt.

Wie man sieht, ist nun der GORTNER-Effekt versuhwunden (bzw. bis an der Fehlergrenze heruntergeriickt) und wir kommen somit zu der SchluSfolgerung, daB dieser Effekt tatsachlich dem Gebundensein des Hydratationswassers zuzuschreiben ist.

Uer Hydratationsgrad des zugesetzten Kolloids 1aBt sich also aus dem GORTNER-Effekt berechnen und zwar fuhren die Daten der Tabelle B zu dem SchluB, da13 die 3 g Starke in 12l/,O/$ger Rohr- zuckerlosung 0,873 - 0,851 .

0,873 oder 2,5g Wasser gebunden halten, d. h. 0,Smal das eigene Gewioht.

Andererseits wird vielfach der Hydratationsgrad aus der Visko- sitiit berechnet und zwar naoh der EINSTEIN’SChen Gleichung

(qB Viskositiit des ganzen Systemes, qo die des Dispersionsmittels, @ das Volumen der dispersen Phase 81s Bruchteil des Gesamtvolumens). Im Falle der Losung, worauf sich Tabelle B beeieht, ist qs die Vis- lrositiit der Losung, welche lP/,o/o Rohrzucker und So/,-, Stiirke ent- halt, q,, die einer Losung mit 121/,0/,, Rohrzucker. Nennt man 9 das Trockenvolumen von 3 g StLrke, so ist der Hydratationsgrad der

trockenen Stiirke ___ @ - ’ pro Gramm. 0,03 Wir bestimmten nun die Viskosititen und rjo bei Nullgrad

zu 4,451 bzw. 1,514. Daraus la& sich fur 0 0,78 berechnen und der Hydratationsgrad zu 25 ma1 das eigene Gewicht der Starke.

Wie sol1 man sich diesen kolossalen Untersohied, 0,8 ma1 BUS dem GORTNER-Effekt, 25 ma1 &us der ViskositBt nach EINSTEIN, erkliiren 3 Die Anwendbarkeit der EINsTEIN’schen Gleiohung und vor allern

7s = q o (1 3.3 0) ’

D. R: W/,% St: 3% T: 3,25% A (R + St + T) 929 A (St + T) 80

927 82

A (R + T) A (T)

- 549

__ __

__ E. Zusammensetzung wie bei D. d (R + S t + T) d (St 1- T)

A (R + T) 930 84

928 82

846 ~

846 A (T) ..-

__

204 H. R. Kruyt und I<. C. Winkler. EinflitR hyclratierter Kolloidc iisw.

die Konstaiite =I2 ist gewil3 nicht einwandfrei, dennoch liiBt sich in dieser Weise der Ordnungsunterschiecl nicht dent en. Augenschein- lich miat nian nach diesen zwei Methoden zwei physikalisch ver- schiedene GrbBen: die Gefrierpunktsunterschiede merden ja be- stinimt von der Hplratationshulle, in der kein Rohrzuclrer einzu- dringen vernisgl) ; die relative Viskositiit aber von einer Hpdra- tstionshiille, melche sich vie1 mi te r in der Plussigkeit (vom I<olloicl- teilchcn ails gerechnet) nusclelint. H. G. BUNGENBERG DE J o ~ a imd H. 1:. K R U Y T ~ ) haben vor liur~c111 auf Grund gaiu aridcrer i'ber- 1clguiigc.n vorgeschlagen, x~ i schen l r o n l i ~ c t rbni und diffuseiii TTjdr:r- I atioiisniantel zu nntersclir~iclen.

Iler liodirdc Jlilntd enCIdi, I I U Y ilic fiaiiz starli g~bnndt~nc~ t w t c Itcihe (haw. dic ten lloilicri) Wasscrinolelrulrn (vollst Bndig orientierto 1)il)oIen) ; tltbr diffuse Mantel erithiilt aul3crLlcni dic vie1 loclrc~-er gebnndencn liolelit~l, welchc weitcr voni Kolloidtcilchen ent- fernt sind. IGs licgt auf tler I-Tmd, anxunehnien, da13 nur in deli tarstwen Teil des lfant PIS die Rolirzuckeri?ioleliel nicht einzudringen vcrrniigen, wohl aber in d ~ n diffuscn Ted. 1)er GonTNEn-Effekt gibt uns eine bndentung nur €iir das Y'olumcn des ersteren, die relative Vislrositiit fur das cles zwciten Teiles des Hydratationsmantels. Da13 dcr Unterschied der beiden so grols ist, ist in vollkomniener Uberein- stimmung mit unseren oben zitierten Hetrachtungen iibcr Koazer- vstion.

Zusammenfassung.

1. Die von GORTNER c. s. beschriebenen und gedeulclen Ge- frierpunlitsunterschiede ewischen Losungen, die ein hydratiertes Kolloid enthalten und clencn ohne Kolloidausatz, wnrden bestatigt. Dieser G0RTn.m-Effekf verschwindet, sobalcl man dem Kolloiil seine Hydratation mittels hinzugesetzten Tannins entnimmt.

2. Der Unterschietl zwischeii dcr sus dem GORTNsR-Effekt und der iiach EINSTEIN aus der relativen Viskositat berechneten Hydra- tation wird so gedeutet, drtl3 die erstere sich auf den konkreten, clic: xweite sich auf den diffusen Wassormantel bezieht.

l) Und die nach ~ R T N E E , I.c., beini Gefrieren der Flussigkeit nicht in Eis

2, H. R. KRUYT u. H. G. BUNGENBERQ DE Jom, Proc. Kon. &ad. Wet.,

Utrecht, vam't Hoff-Laboratoriunz, 1929.

umwandelt.

Amsterdam 32 (1929), 849; ausfuhrlicher Kol1.-Ztschr. 50 (1930), 39.

Bei der Redaktion eingegmgen am 18. Dezember 1929.