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UBER DEN FEINBAU DES S~UGETIERHAARES UND DIE ALLWORDENSCHE REAKTION. Von CU~T Mf~L~.~, Hamburg. Mit 16 Textabbildungen (31 Einzelbfldern). (Eingeganger~ am 9. Dezember 193~) Inhaltsiibersieht. seite Einleitung .............................. 1 I. Die Ausbildung der ALLwSRD~.~schen Bl~schen ........... 4 a) Die Entstehung der Blasen ................... 4 b) Die Ausgestaltung der Blasen .................. 6 c) Regionale Unterschiede in der Ausbildung der Blasen ....... 15 II. ])as Verhalten der Bl~sehen gegentiber der Einwirkung chemischer und mechaniseher Agenzien ..................... 18 a) Fortgesetzte Behandlung mit Wasser und Chlorwasser ...... 18 b) I)as Verhalten gegen vorwiegend physil~liseh wirkende Faktoren . . 22 c) Das Verhalten gegen vorwiegend ehemiseh wirkende Faktoren . . . 28 III. ]:)er Einflul~ der Vorbehandlung des Haares auf die Entstehung des ALLWS~DE~sehen Ph~nomens .................. 32 a) Die mechanische Isolierung der Sehiippchen ........... 33 b) Die Mazeration mittels Trypsins ................. 36 Zusammenfassung ........................... 42 Literatur ............................... 43 Einleitung. Die erfolgreiche Anwendung r6ntgenographischer Methoden bei der Analyse des Keratinaufbaus hat w~hrend der letzten Jahre zu einem so wesentlichen Fortschritt unserer Kenntnis vom Feinbau der WoU- laser gefiihrt, dal~ es heute bereits mSglieh ist, die wichtigsten mecha- n~sehen und elastischen Eigenschaften des Haares auf Grund dieser neuen Vorstellungen hinreichend zu erkl~ren. Trotzdem bleibt zu betonen, dab sich die Ergebnisse haupts~ehlich nur auf die Form und die An- ordnung der Keratinkristallite der Hauptmasse des Haares, n~mlieh der Rindenzellen, beziehen. ~ber die allgemeinere Bedeutung des Kristallisationsvorgangs und seine Beziehungen zur organisierten Struk- tur anderer sich keratinisierender Zellen, wie z.B. denen des Ober- h~utchens, liegen erst Vermutungen vor (AsTBU~Y und SIssoN), und was den Aufbau und die biologische Bedeutung sonstiger intracellul~rer Bildungen, etwa den Nachweis eines submikroskopischen Kapillaren- systems (FI~EY-WYsSLING)oder die Aufkl~rung des Sehieksals eventueller nicht verhornter Derivate des Zellkerns betrifft, so sind unsere Erfah- rungen noch kaum fiber die Anf~nge einer systematischen Erforsehung hinausgekommen. Z. f. Zellforschung u. mikr. Anatomie. 29. Bd. 1

Über den Feinbau des Säugetierhaares und die Allwördensche Reaktion

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Page 1: Über den Feinbau des Säugetierhaares und die Allwördensche Reaktion

UBER DEN FEINBAU DES S ~ U G E T I E R H A A R E S UND DIE ALLWORDENSCHE REAKTION.

V o n

CU~T Mf~L~.~, Hamburg.

Mit 16 Textabbildungen (31 Einzelbfldern).

(Eingeganger~ am 9. Dezember 193~)

Inhaltsiibersieht. seite Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

I. Die Ausbildung der ALLwSRD~.~schen Bl~schen . . . . . . . . . . . 4 a) Die Entstehung der Blasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 b) Die Ausgestaltung der Blasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 c) Regionale Unterschiede in der Ausbildung der Blasen . . . . . . . 15

II. ])as Verhalten der Bl~sehen gegentiber der Einwirkung chemischer und mechaniseher Agenzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

a) Fortgesetzte Behandlung mit Wasser und Chlorwasser . . . . . . 18 b) I)as Verhalten gegen vorwiegend physil~liseh wirkende Faktoren . . 22 c) Das Verhalten gegen vorwiegend ehemiseh wirkende Faktoren . . . 28

III. ]:)er Einflul~ der Vorbehandlung des Haares auf die Entstehung des ALLWS~DE~sehen Ph~nomens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

a) Die mechanische Isolierung der Sehiippchen . . . . . . . . . . . 33 b) Die Mazeration mittels Trypsins . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Einleitung. Die erfolgreiche Anwendung r6ntgenographischer Methoden bei der

Analyse des Keratinaufbaus hat w~hrend der letzten Jahre zu einem so wesentlichen Fortschritt unserer Kenntnis vom Feinbau der WoU- laser gefiihrt, dal~ es heute bereits mSglieh ist, die wichtigsten mecha- n~sehen und elastischen Eigenschaften des Haares auf Grund dieser neuen Vorstellungen hinreichend zu erkl~ren. Trotzdem bleibt zu betonen, dab sich die Ergebnisse haupts~ehlich nur auf die Form und die An- ordnung der Keratinkristallite der Hauptmasse des Haares, n~mlieh der Rindenzellen, beziehen. ~ber die allgemeinere Bedeutung des Kristallisationsvorgangs und seine Beziehungen zur organisierten Struk- tur anderer sich keratinisierender Zellen, wie z.B. denen des Ober- h~utchens, liegen erst Vermutungen vor (AsTBU~Y und SIssoN), und was den Aufbau und die biologische Bedeutung sonstiger intracellul~rer Bildungen, etwa den Nachweis eines submikroskopischen Kapillaren- systems (FI~EY-WYsSLING) oder die Aufkl~rung des Sehieksals eventueller nicht verhornter Derivate des Zellkerns betrifft, so sind unsere Erfah- rungen noch kaum fiber die Anf~nge einer systematischen Erforsehung hinausgekommen.

Z. f. Z e l l f o r s c h u n g u. mik r . A n a t o m i e . 29. Bd . 1

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Curt Mfiller:

Dasselbe gi l t such fiir die exak te re Untersuchung der noch immer recht hypo the t i schen Ki t t - oder In terce l lu larsubs tanzen. I h r Vorhanden- sein wird durch verschiedene physiologisch-chemische wie such ana to- mische Ta t sachen nahegelegt , und die Chemiker gehen berei ts dazu fiber, sie yon den kera t inSsen Bes tand te i l en des Haares zu sondern und zu analys ieren (HxLL]~ und HOLL, STACH~J~wA-KAw~SN~.WA und GAv~mow); die wirkl iche Exis tenz solcher Stoffe im Haa r , ihre An- ordnung, En t s t ehung und F u n k t i o n is t dabei bisher aber le ider noch in keiner Weise klargestel l t . I n morphologischer Beziehung da f t wohl das schwerwiegendste Ind iz ium ffir ihr ta ts~chliches Vorhandensein in j enen e igenar t igen Ersche inungen gesehen werden, die bei der scg. ALLWS~D]~Nschen R e a k t i o n zur Beobach tung kommen, e inem aufschluB- reichen Ph/~nomen, das aber unve rd ien te rma0en in den Diskussionen der eigentl iehen ana tomischen und physiologischen L i t e r a t u r nur sel ten die gebi ihrende Beach tung gefunden hat .

Die durch vo~ ALLW~iRDEN (1916) bei textilchemischen Untersuehungen fiber den Einflul3 von Chlor auf Schafwolle entdeckte Reaktion besteht in dem Auf- treten zarter, bl/tschenartiger Gebilde an der Aul3enseite der Epidermicula infolge yon Behandlung mit Chlor- oder, wie sich sp/iter zeigte (HERBm), auch Brom- wasser, vo~r ALLW()RDE~r fiihrt dieses Ph~tnomen auf das Hervorbreehen eines Reaktionsproduktes einer zwischen Schuppen- und Faserzellen befindlichen Schicht zurfiek, Diese soll aus einem K/)rper bestehen, den er Elasticum nennt und als ein Osazon bestimmen zu k6nnen glaubt, und der durch die VolumvergrS/]erung der Faserze|len, hervorgerufen durch die Bildung einer frliher (yon ALLWf~D~.~r, 1913} nachgewiesenen Chloreiweil~verbindung, naeh aul~en verdri~ngt wird.

KRAIS und WX~TI~ best~tigen dieses Hervorquellen yon Blasehen zwisehen den Epidermieulaschfippehen, nehmen aber als Ursache nieht das Vorhandeusein einer Elasticumsehicht, sondern die starke Quellungsfahigkeit eines Derivates des oberflaehlieh chlorierten Faserzellenkeratins an, wobei K_RAm an anderer Stelle sehon besonders darauf hiuweist, dal3 die Gestalt der Blasen weitgehend der Form der ffeien Epithe/zellenoberfl/~ehe entspricht, die R/~nder dieser Zellen den Tr6pfehen also offensiehtlich als Ansatzfl/~che dienen. Ebenso ist M-A~K der Ansieh$, dal~ die blasenfSrmigen Ausstiilpungen dadurch zustande kommen, dal] das im Irmeren entstehende Chlorkeratin, vermOge seines Quellungsdruekes, die Sehuppensehicht an den Often des geringsten Widerstandes, n~mlich an den Kittungen, zu durch- breehen vermag.

Im Gegensatz zu diesen Deutungen vertritt SI"STT~L die Meinung, dal] das Her- vorquellen der Trfpfchen fiberhaupt nur ein scheinbares sei und dal] die ALL- wSRD~.rrschen B1/~sehen gar nichts anderes darstellen als die sieh abl6senden und mehr oder weniger verquollenen Epithelzellen selber.

K-RO~AC~ER und SAXINGE~ polemisieren gegen diese Auffassung mit den Argumenten, dab sowohl die Quellungsgeschwindigkeit als such die QuellungsgrOl3e der Epithelsehfippehen wesentlieh betr/tchtlicher sein mfiBten, als es sonst bei Eiweil]k6rpern der Fall ist, dab bei diesen in gequoUenem Zustande so starre ~ber- g~nge und schaffe Begrenzungen gegen das Medium, wie sie die Bliischen zeigen, ganz allgemein fehlen und dab es nieht verst~ndlich wi~re, wamm die ~berlagerungs- stellen der Oberhitutehenzellen nieht an der Quellung teilnehmen, da hier doch gerade eine doppelstarke Volumvermehrung zu erwarten w&re.

Dagegen stellen diese Autoren lest, dab es sieh bei den ALLWSm~.~schen Gebflden um echte Blaseu handelt, die naeh ZerstOrung (dureh leichten Druck

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l~ber den Feinbau des S~ugetierhaares und die AllwOrdensche Reaktion. 3

auf das Deckglas und durch Anstechen mit der Mikromanipulatornadel) kollabieren, wobei ein feines flottierendes H~utchen zuriickbleibt, und dai3 die Kongruenz der Blasenbfldungen und der Oberhautzellen eine so weitgehende ist, dab die Bl~schen nicht aus einer unorganisierten, zwischen den Schfippchen hervorbrechen- den Substanz bestehen kSnnen, sondern auf das innigste mit den Oberhautzellen zusammenh~ngen miissen. So ergibt sich, ,,dal~ die Erscheinung der v. ALLWSI~- D~.~schen oder Elastikumreaktion dadurch zustande kommt, dal3 unter dem Ein- flu~ des Chlorwassers ein unter der Cuticula (viellcicht in der Rinde) liegender Stoff stark aufquillt und verfliissigt wird, und. daI3 das Oberh~utchen, welches ebenfalls wcich wird, dutch den Druck yon innen heraus blasig aufgetrieben wird" (KI~o- ~ACHER und LODEMA~N, S. 148).

:Nun ergeben sich aber auch bei der konsequenten Durchfiihrung dieses Deutungs- versuches mindestens zwei Hauptschwierigkeiten. Erstens kann die KRo~Ac~Easche Hypothese ebenfalls nicht erklaren, warum die Gestalt der Blasen nicht der GrSBe der ganzen Oberh~utchenzellen, sondern nur jencr der frcien Teile der sich iiber- lagernden Schiippchen kongruent ist, und zweitens sollte man doch wohl erwarten, dab der verfliissigte ,,Elasticum"-Stoff, da er ja eben nicht das Oberhautchen als Ganzes abhebt, sondern zwischen die Epithelzellen zu dringen vermag, auch an den freien Ritndern unter diesen hervorbrechen miil3te, wollte man nicht die Hilfs- hypothese einer spezifischen, nur an den Schiippchenrandern bestehenden und undurchdringlichen Verkittung einftihren, welche Annabme aber sowohl aller weiteren Anhaltspunkte entbehren, als auch noch zu verschiedenen anderen Tat- sachen in direktem Widerspruch stehen wtirde.

Da bekann t ist, dal~ die ALLWS•DE•sche Reakt ion nicht nu r eine fiir Schafwolle charakteristische Erscheinung darstellt , sondern wohl bei allen S~ugetierhaaren erzielt werden k a n n (KRAIS und W)i~Tm, K~O~ACHER und SAXINGER, BIEDERMANN), muBte es aussichtsreich er- seheinen, dureh Wahl geeigneterer Untersuchungsobjekte die Frage nach der Herkunf t des blasenbi ldenden Stoffes ihrer endgiilt igen LSsung n~herzuffihren und auBerdem auf diese Weise vielleicht neue Aufschliisse fiber die Fe ins t ruk tu r der Haarelemente, besonders fiber das eventuelle Vorhandensein und die Anordnung yon Intercel lu larsubstanzen erlangen zu kSnnen.

Den Ergebnissen liegt die Untersuchung verschiedener Haartypen haupts~chlich folgender Arten zugrunde:

Polyprotodontla: Phascologale ]lavipes WATE~H. ; Insectivora: Talpa europaea L., Hylomys suiUus S. MiiLL~, Blarina brevicauda SAY; Chiroptera: Cynopterus brachyotis S. • iiLL~a~, Taphozous mauritianus E. G~OFFR., Lavia /rons E. GEOFFm, Hipposideros armiger I-IODGS., H. diadema E. GEOF~., Phyllostoma hastatum PALL., Glossophaga soricina PALL., Hemiderma perspicillatum L., Artibeus iamaicensis LEACH, Myotis nigricans W~ED, Nyctalus noctula SCHR~.B., Kerivoula hardwickii HORSF., Molossus cerastes THOMXS; Rodent~: Capromys pilorides SAY, Lepus europaeus PALL., Oryctolagus cuniculus L. (Russenkaninchen), Carla cobaya MA~C(~R., Mus musculus L. ; Car~ivo~,a: Canis /amiliari~ L. (Terrier), Ursus arctos L., Fells leo L., F. domestica BRISS., Putorlus lutreola L.; ~n~u~ata: Tapirus terrestris L., Equus cabaUus L., Hippopotamus amphibius L., Camelus bactrianus L., Cervus elaphus L., Cayra hireus L. (Hausziege), Ovis aries L. (Heidsehnucke), Bos taurus L. (Ost- friesisch-Oldenburger Rasse und Watussi-Rind); P~mate~: Simia rhexus AVD~B., Papio hamadryas L., MandriUus sphinx L., Homo sapiens L.

]:)as Material wurde grO8tenteils yon lebenden oder frisch getOteten Tieren gezupft. Bei nur mittels schwacher Alkohol- oder Formolbehandlung konservierten

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4 Curt Miiller:

H/iuten erwies sieh auch Museumsmaterial noch als recht brauchbar. Ebenso ergaben vorsichtig und leicht gegerbte Felle noch immer eine gute Reaktion. Die schwer sichtbaren Bl~schen wurden aul3er mit einigen anderen Farbstoffen vor allem mit Methylenblau, Methylviolett, S/iurefuchsin oder einem PreBsaft aus Heidelbeeren gef~rbt, der sich fiir die Erlangung klarer, nicht iiberfarbter Pr/i- parate als besonders geeignet erwies.

I. Die Ausbildung der ALLW01~DENSChen Bliisehen.

a) Die Entstehung der Blasen. Als erstes Stadium der Blasenbildung stellte SP6TTV, L ein sch/~rferes

Hervortreten der R~nder der Oberhautzellen lest. Diese bei Wollhaaren yon Schafen beobachtete Erscheinung kann ganz allgemein fiir alle Haartypen der S~ugetiere best~tigt werden. Sie beruht zum Teil darauf, dab die Randpartie der Epithelschuppe bei der Quellung eine Lage- ver/inderung zur Ebene des Gesichtsfeldes erf~ihrt, die zu einem anderen Lichtbrechungsverh~ltnis als in den zentraleren Teilen fiihren mul~, auBerdem aber oftmals auch noch auf der Tatsache, dab die Quellung ihren Ursprung h~ufig iiberhaupt vom Rande der Schuppe her nimmt.

Im optischen Sagittalschnitt entspricht diesem Stadium ebenfalls ein sch/irferes Hervortreten der Epidermiculastruktur, hervorgerufen durch die klarere Erkennbarkeit der Abgrenzungen der Schiippchen gegeneinander und die sehr betriichtliche Erh6hung der Transparenz der ganzen Oberh~utchenzelle.

Von der eigentlicben Entstehung der Blasen 1/iBt sich bei Einstellung auf den Rand des Haares nur erkennen, dab das Hervorbrechen dieser Gebilde keineswegs ein absolut gleichm~fliges ist, sondern dab die erste bl~schen~hnliche Auftreibung meist an der Spitze des Schiippchens erscheint (Abb. 1), nicht selten und vorzugsweise bei bestimmten Haaren aber auch an zentraleren Partien, an mehreren Stellen zugleich oder sogar als eine mehr allgemeine Quellung der ganzen Zelle (Abb. 2) be- ginnen kann.

Bessere Einblicke in das Zustandekommen des Ph/i, nomens erhiilt man, wenn man die Entwicklung auf friihzeitigem Stadium unterbricht, das Pr/iparat schwach anf~rbt und die Schtippchenzellen v o n d e r Fl~che betrachtet. Je tz t l~Bt sich erkennen, daft fiir das erste wahrnehmbare Stadium der Blasenbildung ein meist ziemlich gleichzeitiges Auftreten kleinster, anscheinend kreisf6rmiger und isolierter Herde charakteristisch ist, die sich dann weiter rasch vergr613ern, zusammenflieBen und so gewissermaflen Blasenkeime h5herer Ordnung ergeben, welche sich vor allem durch ihre unregelm/iBigere Gestalt und die aus mehr oder weniger groBen, nach auBen gerichteten Teilkreisen bestehende Begrenzung aus- zeichnen (Abb. 13). Die eigentliche Blase dagegen beginnt im aUge- meinen erst dann hervorzubrechen, wenn die Konfluenz dieser poly- zyldisch begrenzten Herde ihr ungef/ihres natiirliches Ende erreicht

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hat, d.h. die Kontinuits der Blasenanlagen sich bereits auf fast jenes ganze durch die allgemeine Gestalt und die (unten n~her zu er6rternden) besonderen Bedingungen begrenzte Areal der Oberh~utchenschuppe ausdehnt, das eben sp~ter den GrundriB des fertigen Blasengebildes darstellt.

In einigen F~llen jedoch und vor allem bei bestimmten Haaren (z. B. der Nagetiere und Raubtiere) kommt es dagegen auch h~ufiger vor, da~ die Abhebung yon blasenartigen Gebilden schon vor dem hier

Abb.1. Lepus europaeus. Gramaenhaa r (unter- ha lb de r Mitte) . Beginn de r Blasenbi ldung

a m f re ien Rande der Schuppen. 620fach.

Abb. 2. Homo sapiens, F l a u m h a a r yore Hand" riicken. Quellung und Erek t ion der Schuppen

v o r Beginn de r Blasenbildung. 620fach.

gekennzeichneten Zeitpunkt beginnt, die endgiiltige Blase also aus dem ZusammenflieBen mehrerer, ffir gew6hnlich verschieden starker Partial- blasen resultiert. Findet aus irgendwelchen Grfinden (Sch~digungen chemischer Art, frfihzeitige Unterbrechung der Reaktion u.a.) keine vollst~ndige Vereinigung aller Blasenherde oder Teilbl~,schen start, dann kommt es zur Ausbildung mehr oder weniger groBer, aber typisch ge- bauter Zwergbl~schen, die voneinander isoliert zu ein bis mehreren der Oberfl~che der Epidermiculaschuppe aufsitzen (Abb. 13). Gr6Be und GrundriB der A~w61~DE~schen Bl~schen mfissen somit also keineswegs immer und unbedingt der spezifischen Form der Oberh~utehenzellen kongruent sein.

Bereits aus diesen Beobachtungen fiber die Entstehung der Blasen lassen sich einige Sehlfisse ableiten, die die hypothetischen M6glichkeiten der Deutung des Ursprungs und der Herkunft der blasenbildenden Substanz bedeutend einschr~nken. Zun~chst ist es evident, dab - - wie es auf indirektem Wege ja bereits K~o~AcHm~ und SAXIl~G~tt zeigen konnten - - die Blasen nicht etwa Tr6pfchen oder verquollene M~ssen

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6 Curt Mfiller:

darstellen, die unter den Schfippchen hervorbrechen und sich diesen erst sekund~r auflagern. Die oben beschriebenen Beobachtungen sind vielmehr nur so zu deuten, dal3 es sich bei der Entstehung der Ursprungs- herde der Blasen um die Abhebung einer wirklichen Membran yon einer Unterlage handelt, mit der die Membran vorher lest verbunden war.

:Der Stoff, welcher diese Abhebung bewirkt, kann aber weder aus der Rindenzellschicht stammen, noch kann er etwa eine einheitliche Lage bilden, die sich unter der Epidermicula ausbreitet. Gegen die erste Annahme spricht schon die l~ngst bekannte Tatsache, dab es ffir die Form und GrSl3e der Blasen gleichgiiltig bleibt, wieweit das ganze Haar durchchloriert wird; denn es w~re ja nicht verst~ndlich, warum eine weitergehende Verquellung und Verflfissigung der hypothetischen Substanz im Innern des Haares nicht auch eine zus~tzliche Auftreibung der Blasen im Gefolge haben mfil3te. Ebenso widerspricht dem ersten, abet auch dem zweiten Deutungsversuch, dal3 die Entstehung der Blasen- herde eine vollkommen isolierte und dazu auch noch meist distale ist. Wfirde der hypothetische blasenbildende Stoff unter der Epidermicula gelegen sein und erst bei seiner Verflfissigung zwischen die Schfippchen drin~en - - dal3 es anderenfalls nur zu einer Abhebung des ganzen Ober- h~utchens kommen k5nnte und nicht zu einer Ausbildung einzelner Blasen, haben wir bereits frfiher erw~hnt - - , dann mfiBte die Abhebung der Membran kontinuierlich, etwa in Form einer breiten Zunge, und yore proximalen Ende der Schuppe her beginnend erfolgen. Da dem abet nicht so ist, bleibt nur die Annahme, da~ sich unsere Substanz zwischen den einzelnen sich fiberlagernden EpitheIschfippchen ausbreitet, w i r e s also wahrscheinlich mit einer wirklichen :Intercellular- oder Kittsubstanz der Epidermicula zu tun haben, oder dab es sich bei den Blasen, wie SPSTT]~L meint, tatsiichlich um die gequollenen Oberh~utchenzellen selber handelt, in welchem Falle die Einwendungen KRONACHERs und SAXZ~GE~s noch einer besonderen ])iskussion bediirften.

b) Die Ausgestaltung der JBlasen. Von dem Gedanken ausgehend, dab die Entscheidung zwischen

den beiden genannten Alternativen am eindeutigsten dann gef~llt wet- den k6nnte, wenn es gel~nge, ein Objekt aufzufinden, das auf Grund seines anatomischen Baues schon yon vornherein die eine der beiden )I6glichkeiten ausschl6sse, wurde die Aufmerksamkeit zun~chst haupt- s~chlich auf solche Haar typen gerichtet, bei denen wenigstens der distale Tell der Epidermiculaschiippchen frei fiber die Oberfl~che des Haares hinausragt, also eine Verkittung mit der fiberlagerten Schuppe an dieser Stelle zweifellos nicht besteht.

Das giinstigste Material vermochten im Hinblick hierauf die Haare einiger Fledermausarten zu ]iefern. Wie meist beginnt die Blase auch bei diesen Formen am apikalen Ende der Schuppe hervorzubrechen,

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]~ber den Feinbau des S~iugetierhaares und die AllwSrdenschc Reaktion. 7

erstreckt sich dann aber ffir gew5hnlich nicht bis zum Rande der n~chsten Schuppe, sondern bleibt auf ein Gebiet der Zelle beschrs das yon den benachbarten Schuppen zum grSBten Teil, oftmals sogar vollkommen isoliert ist, so dab die unterbrochene Anordnung der Bl~schen schon

Abb. 3 a - -e . B lasen typen : a Glossophaya soricina. I so l i e r t s t ehende Einze lb lasen u n t e r h a l b t ier H a a r m i t t e . 620fach. b Oryctola~us cuniculus . Riesenb lasen d i c h t u n t e r h a l b de r Sp i t ze eines WoUhaares . 620fach. c Blar ina brevicauda. Grol~e, s ich n i c h t beengende Einzelb lasen yon de r Umbiegungss t e l l e u n t e r h a l b de r Granne . 530fach. d Camelus bactrianus. Dich t be- n a c h b a r t e , a b e r s i ch n i ch t t tber lagernde Blasen (h~uf igs te r T y p u s de r ALLW(iRDENschen Reak t i on ) . 175la th . e M u s musculus . Sich s t a r k beengende und n u f g e r i c h t e t e Blasen an der

Bas i s e ines Sp i i rhaa res . 175fach.

beim ersten Anblick als Charakteristikum der Fledermaushaare allen anderen Typen gegenfiber auff~llt (Abb. 3a).

I m allgemeinen l~Bt sich nun bei fast allen Blasenindividuen ein- wandfrei erkennen, dab nicht eine unter der Zelle gelegene Substanz die Schuppe emporgew61bt hat, sondern daB die Blase nichts anderes

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8 Curt Mtiller:

darstellt als eine lokal begrenzte Auftreibung der Schuppe selbst (Abb. 4) ; eine einfaehe Beobachtung, die sich durch die Nichtentfernung der meist starken Fettablagerung unter den freien Schuppenpartien und ihre F/~rbung mit Sudan III noch besonders sichern 1/~Bt.

Interessant ist hierbei, dab die Blase niemals nach innen hervor- bricht. Sie umgibt stets nur die AuBenseite der Zelle, und zwar bei typischer Ausbildung als mehr oder weniger breiter Kragen, der etwa gegenriber der seitlichen 0ffnung der wie eine geschlitzte Trite gestal- teten Schuppe eine schmalste Stelle besitzt (Abb. 5). Bei schw/~cherer

Abb. 4. Phyl los toma hastatum. 1200fach. Abb. 5. Kerivoula hardwickiL 1700fach.

Ausbildung nimmt die Blase daher fast hantelf6rmige Gestalt an, und oftmals kommt es riberhaupt nur zur Entstehung zweier, meist verschieden groBer, seitlich, aber symmetrisch gelegener, halbkugeliger Einzelblasen.

Bei kr/~ftiger Ausbildung der Blasen wird allerdings nicht selten ein betr/~chtlicher Teil des zarten Schrippehenrandes durch den Druck des Blaseninhaltes nach auBen umgekrempelt, so dab das ganze Gebilde mehr mit der Gestalt einer einseitig und ungleichm~Big abgeflaehten Kugel bzw. gebogenen Walze vergleichbar scheint; die gr6Bere Starrheit, Dicke und Formbest/~ndigkeit der Blasengrundfl/~che, die sich aueh durch eine deutlich st~rkere Tingierbarkeit hervorhebt, lassen jedoch keinen Zweifel darfiber aufkommen, dab die eigentliche Blase der Hauptmasse der Zelle nur dorsal aufsitzt. Die besondere Lage der fast nicht ver- quellenden Z/~hnchen mancher Schuppenformen (z. B. yon Molossus und Taphozous) vermag die Konstatierung dieser Tatsache auch nOch weiterhin zu erh/~rten (Abb. l ld).

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Uber den Feinbau des S/~ugetierhaares und die AllwSrdensche Reaktion. 9

Die Entstehung solcher ganz charakteristischer Formgebilde bei der ALr.wSlcDE~schen Reaktion kann natiirlich nicht, wie ja schon K ~ o ~ A c r ~ und SAXI~OE~ betonen, durch die einfache Quellung einer unorganisierten Substanz erkl/irt werden; vor allem w/ire die scharfe Begrenzung der Blase gegen das Auflenmedium vollkommen unver- st/~ndlich, wenn wir es nur mit der allm/~hlichen Aufl5sung und Ver- fliissigung einer homogenen ChlorciweiBverbindung zu tun h/itten. Der Blaseninhalt muB also durch eine spezifisch verschiedene Blasenwan- dung wesentlich vom AuBenmedium isoliert sein.

:Die somit hypothetisch geforderte Blasenmembran daft nach unseren Beobachtungen aber auch nicht im Sinne K~O~ACHE~s und SAXI~rGE~s mit der ganzen aufgetriebenen Oberh/iutchenzelle identifiziert werden. Die Blasenwand ist vielmehr nur als ein besonderes, sich teilweise vort der Schuppe ablSsendes, aber einen Bestandteil dieser selbst bildendes Struk- turelement zu deuten.

Da es nun wegen der Entstehung der Blasen aus sich vergrSBernden und zusammenflieBenden Herden und wegen der verh/~ltnism~Big groBen Verschiedenheit der endgtiltigen Ausgestaltungsm5glichkeiten nicht sehr wahrscheinlich ist, dab der Grundrifl der Blase durch die natfirlichen Grenzen der urspriinglichen, noch nicht gedehnten Membran bestimmt wird, dtirfen wir uns wohl weiterhin vorstellen, dab die Blasenhaut nur den vorgewSlbten Teil einer allgemeineren Zellwand darstellt, die viel- leicht die ganze Dorsalfl/~che der Schuppe fiberzieht. E s ist deshalb naheliegend, anzunehmen, dab diese Zellwand identisch ist mit jener dfinnen, st/~rker tingierbaren Membran, die sich als verhornte AuBenschicht deutlich yon dem zart gef/~rbten Plasma der werdenden Epidermicula- zelle abheben soll (FaIBOES, SCHMIDT) ; wenn diese Membran auch gerade beim Menschen, fiir den die Feststellungen getroffen worden sind, noch eine sp/~tere Verdickung erf/ihrt, so spricht doch nichts dagegen, dab bei anderen Formen die Verhornung zur Hauptsache in den ventralen Teflen der Schuppenzellen vor sich geht und die dorsalen sich diesen nur als diinne Lamelle auflegen. Die auf Grund dieser Vorstellung zu erwar- tende besondere Ausbildung der Blasen des menschlichen Haares (und anderer) ist nun tats/~chlich gegeben und kann somit unsere Vermutung nur best/~tigen.

Die typische Gestalt der Bl~schen sowie ihre dorsale Lage w~ren dann, yon einer eventuellen strukturellen Inhomogenit~t der Zellwand ab- gesehen, auf die besondere r~umliche Verteilung und Anordnung jener Stoffe in der Zelle zurfickzufiihren, deren Chlorierung wir als die eigent- liche Ursache des AI~WSI~DENschen Ph~nomens anzusehen haben.

:Der Einwand KI~O~ACHEI~s und SAXI~OERs, dal~ bei einer Quellung der Schiippchen an den ~berlagerungsstellen eine doppelt starke Volum- vermehrung zu erwarten w~re, setzt voraus, dal~ wir es nur mit einer homogenen unorganisierten Substanz zu tun haben; unsere Auffassung,

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]0 Curt Mfiller:

welche die Ausgestaltung der Blasen durch die anatomische Struktur der Zelle zu erkl~ren versucht, wird hiervon also nicht betroffen. Trotzdem muB es eigenartig erscheinen, dab die Bl~schen bei dem verbreitetsten Typus der ALLWS~D]~schen Reaktion, n~tmlich jenem hauptsiLchlich an Schafwolle beobachteten, bei maximaler Ausbildung eine Ausdehnung haben, die gerade der freien, nicht fiberlagerten Fl~che der Schfippchen kongruent ist (Abb. 3d).

Zuni~chst ist es offensichtlich, dab auch bei dieser Art yon Haaren (haupts~chlich der Ungulaten) die Schfippchen nicht etwa ballonartig

aufgetrieben werden, sondern die Blase der Hauptmasse der Schuppe dorsal aufsitzt. Zu einer Abhebung oder Verbiegung auch nur der Schfippchenr~nder kommt es niemals. Die eigentliche Schuppe ver~ndert vielmehr in keiner Weise ihre Form, bleibt der l~inden- schicht eng anliegend und entzieht sich so wegen ihrer Diinne fiberhaupt leicht der un- mittelbaren Beobachtung, weshalb sich eben dieser bisher meist untersuchte Haar typ fiir die Beantwortung der Frage nach der Her- kunft der blasenbildenden Substanz yon vornherein als ungeeignet erweist.

Daffir legt nun aber die Tatsache, dab Abb. 6. Lepus euro2aaeus, die Starrheit und Deformationsunf~higkeit

G r a n n e n w o l l h a a r ( subap ika l ) mit Riesenblase. ]000fach. dieser Schiippchenart wenigstens die der

apikalen Teile der Chiropterenzelle noch zu iibertreffen scheinen, den Gedanken nahe, dab die Beschr~nkung der Blase auf die freien Partien der Schuppe nicht nur durch die innere An- ordnung der blasenbildenden Stoffe, sondern wesentlich auch durch eine ~uBere Behinderung der fiberlagerten Schuppenbezirke bedingt sein kSnnte.

Wenn das der Fall ist, dann sollte man aber doch wohl erwarten, dab sich wenigstens gelegentlich auch solche Formen f~nden, bei denen aus irgendeinem Grunde die tiberlagernde Zelle nicht imstande w~,re, das Hervorbrechen einer unter ihr gelegenen Blase zu unterdriicken. Ein derartiges Verhalten, welches zeigt, da[~ die Ausdehnung der Blase auf das ganze Areal der Schuppe keineswegs unmSglich ist, kommt nun tats~ehlich nicht nur ausnahmsweise bei vielen Typen zur Beobachtung, sondern ist sogar geradezu eharakteristisch fiir die Epidermicula der meisten untersuchten Nagetierhaare.

Hier finden wir unter den Blasen stets zahlreiche Exemplare - - nicht selten bis zu 10% aller Blasenindividuen iiberhaupt - - , die sofort durch ihren ganz ungewShnlichen Umfang auffallen und bei n~herer Betrach- tung wie yon Reifen umspannt aussehen (Abb. 6). Man kann daher zun~chst den Eindruck haben, dab es sich um eine Gruppe yon besonders

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~ber den Feinbau des S~ugetierhaares und die AllwSrdensche Reaktion. 11

stark aufgetriebenen Blasen handele, die sich gegenseitig derartig beengen, dal] nur ein Teil ihrer Oberflache frei bleibt, wahrend die Masse der Membranen so dicht aneinandergedrangt worden ist, dab sie nur noch wie einfache Scheidewande eines einheitlichen, segmentierten Gebildes erscheinen. Vergleicht man solche Formen, die bei anderen Objekten gelegentlich auch anzutreffen sind (Abb. 7), aber genauer mit dem Auf- bau des zusammengesetzten Blasentypus der Nagetierhaare, dann zeigt sich, dab der vorliegenden Erscheinung im wesentlichen doch nur eine einzige Riesenblase zugrunde liegt.

Am eindrucksvollsten laBt sich diese Feststellung in einigen Fallen treffen, in denen die Blase eine Anzahl kleiner ge- formter Bestandteile enthalt. Diese im fltissigen Blaseninhalte flottierenden Par- tikelchen bewegen sich in allen Rich- tungen und unbehindert durch irgend- welche Scheidewande im ganzen Lumen der Blase umher. Durch leichten Druck auf das Deckglas des Praparates zum Platzen gebracht, entleeren die Blaschen ihren Inhal t fast explosionsartig, wobei deutlich zu erkennen ist, wie die fiberall Abb. 7a und b. Phascologale/lavipes. verteilten KSrnchen yon der StrSmung ~be r l age r t e Blasen yon der Spitze

eines ~Vollhaares (Marks t rang fort- mitgerissen und als einheitlicher Schwarm gelassen), a Optischer Sagittalschnitt durch den entstandenen Rift in der Zell- durch die b gegeniiberliegende Seite.

1200fach. membran herausgeschleudert werden.

Die zu beobachtenden reifenartigen Bildungen stellen in Wirklichkeit die schwach verquollenen Rander der die Riesenblase fiberlagernden und stark gedehnten Schiippchenzellen dar; denn bei diesen kommt es interessanterweise niemals zu blasenfSrmigen AufwSlbungen, sondern stets nur zu einer geringen Auftreibung des Randes, die im optischen Sagittalschnitt das ffir das Anfangsstadium der ALLW6RDENschen Reaktion typische Bild ergibt, wahrend in der Aufsicht die Randzone sich ihres grSBeren LichtbrechungsvermSgens bzw. der starkeren Tingier- barkeit wegen als ein die Blase umspannendes Band hervorhebt. Die starke I)ehnung und Aneinanderdrangung der fiberlagernden Schuppen- zellen laBt die Mehrschichtigkeit der Blasendecke dagegen nur in beson- ders giinstigen Fallen erkennen, so dal~ das ganze zusammengesetzte Gebilde im allgemeinen einen sehr einheitlichen Eindruck macht (Abb. 3 b).

Die Riesenblase kann sich sowohl fiber einen noch immer ziemlich beschr~,nkten Tell als auch fiber die ganze Lange der Oberhautchen- zelle erstrecken. Die Begrenzung wird dabei meist yon dem Rande einer fiberlagernden und in diesem Falle fiir gewShnlich gequollenen Schuppe bedingt (Abb. 8b); zwischen zwei Blasen kSnnen somit ein bis

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12 Curt Miiller:

mehrere (maximal wurden 6 gez~hlt) nicht aufgetriebene Schfippchen liegen, deren basale, von einer Blase fiberlagerten Partien der Rinden- schicht lest angeprel3t sind, w~hrend die spitzenw~rts gelegenen Teile die apikale Blase in einer mehr oder weniger groflen Ausdehnung schalen- fSrmig umhfillen. Da die Epidermiculazellen sich nicht nur in der L~,ngs- achse, sondern auch in der Querachse fiberdecken, entstehen hier ~hn- liche Verh~ltnisse, d .h . die Blase braucht auch nicht die ganze Breite der Schuppe einzunehmen, sondern kann hier ebenfalls, ohne den Rand zu erreichen, eine vorzeitige Begrenzung finden.

Infolgedessen kommen nicht selten F~lle vor, bei denen eine Reihe Schuppen in einzelnen Teilen die normale beschr~nkte Blasenbildung zeigen, w~hrend die direkt benachbarten Partien, die als Decke einer Riesenblase dienen, jede eigene EmporwSlbung vermissen lassen.

Dieses ffir alle durch eine Blase emporgehobene Schfippchen typische Verhalten wurde nur bei den Wollhaaren eines Po]yprotodontiers (Phas- coIogale) dahingehend modifiziert gefunden, dal3 auch die eine Riesenblase fiberlagernden Zellen mitunter an der Quellung teilnehmen (Abb. 7). Da sonst aber zwei sich fiberschneidende B1/~schen, mit anderen Worten die nach K~ONACH~.~ und SAXZNG~ zu erwartenden doppelt starken Auftreibungen der Epidermicula an den l~berlagerungsstellen, niemals zur Beobachtung kommen, mfissen wir annehmen, dal3 es die besonderen statischen und dynamischen Bedingungen der Nachbarzellen sind, welche das Hervorbrechen der Bl~,schen bei den angrenzenden Schuppen zu unterdriicken vermSgen. Trit t aus irgendeinem Grunde das AI~wS~- DENsche Ph~,nomen bei der fiberdeckenden Zelle nicht ein oder kommt es hier nur zeitlich sehr versp~,tet zu der Reaktion, dann kann sich die Blasenbildung auch auf das entsprechende Areal der fiberlagerten Schuppe ausdehnen (Riesenblase); bei dem Oberh~utchen anderer For- men dagegen besitzen die Schfippchen yon vornherein eine Starrheit, die es auch in dem Falle des Nichtauftretens von Blasen auf ihnen fast stets unmSglich macht, dal3 es bei der fiberlagerten Zelle zum Hervor- brechen einer Riesenblase kommt. Wenn solche Beziehungen die Ursache der so oft zu konstatierenden Kongruenz von Blase und freier Zellober. fl~che sind, werden wir uns nicht wundern, dab auf der stark gedehnten Riesenblasendecke keine weiteren Blasenbildungen mehr entstehen, denn einmal w~,ren diese Schiippchen nach unserer Erkl~rung yon vorn. herein, was die F~higkeit der Blasenbildung anbetrifft, benachteiligt, und zum anderen dfiffte durch die Spannungsverh~ltnisse, welche die Riesenblase schafft, die Kraft der fiberlagerden Zelle einfach nieht mehr ausreichen, u m b e i ihrer Quellung mit der Riesenblase konkurrieren zu kSnnen.

Diese Vorstellungen fiber das Zustandekommen der verschiedenen Blasenformen linden eine gewisse Best~,tigung durch das Verhalten einiger weiterer Haarsorten (z. B. yore Menschen und Tapir), bei denen

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l~ber den Feinbau des Siiugetierhaares und die AllwSrdensche Reaktion. 13

die Zellen des Oberh/iutchens weniger eigentliche Blasen bilden als viel- mehr im ganzen sackartig aufgebl/~ht werden (Abb. 9). Wir kSnnen daher annehmen, dab die Starrheit oder Dicke der Schfippchen hier eine ganz besonders geringe ist, so dab die Blasenbasis ebenso stark durchgebogen bzw. aufgetrieben werden kann wie die die Blase iiberziehende Membran, und praktisch li~Bt sich meist auch kein Unterschied zwischen den Struk- turen der Ober- und der Unterseite solcher Blasen nachweisen. Im Gegen- tell, bei maximaler Ausbildung des Ph/~nomens nimmt die ganze Zelle

Abb. 8a ~nd b. Homo sapiens. F l a u m h a a r v o m U n t e r a r m , a Opt i scher Sag i t t a l schn i t t du tch schwach ausgebi ldete , e twas eregier te Blasen arts de r ]~taarmit te (sp~teres S t ad ium yon

Abb. 2). b Riesenblasen yon de r Basis desselben Haa res , 860fach.

Abb. 9 a und b. Tap i rus terrestris. Blasenbi ldung bei s t a r k au fge r i ch t e t en Schuppen. a Opt ischer Sag i t t a l s chn i t t du rch die b gegenliberl iegende Seite. 560fach.

eine fast ei- bis kugelfSrmige Gestalt an, bei der selbst der ehemals apikale Rand nur in den seltensten F/~llen noch einigermailen einwandfrei zu beobachten ist.

Trotzdem wird auch unter diesen Bedingungen die Forderung nach einer doppelt starken Auftreibung der l~berlagerungsstellen nicht erfiillt ; denn obgleich hier die fiberlagerten Partien oftmals in gleichem Ausmal]e an der Quellung teilnehmen, kann es nicht zu einer Schichtung blasiger Gebilde kommen, well wegen der Fixierung der Schiippchenbasis an der Rindenschicht bei der Aufblahung der Zelle eine ganz andere Folge resultieren muir, n~,mlich eine Erektion der wurst- bis ballonfSrmig anschwellenden Schfippchen und somit eine mehr oder weniger steile Aufrichtung der gesamten Oberhs (Abb. 8a).

Dabei zeigt sich, dab sich die langen und dicht stehenden Schiippchen gegenseitig auBerordentlich beengen und dab die Entstehung einer Blase es schon rein r/~umlich fiir die Nachbarzellen oft unmSglich macht, in gleichem Umfange aufzuquellen (Abb. 3e). W/~hrend es sonst meist die apikalen Teile sind, welche als erstes aufgetr'eben werden, findet

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14 Curt Mtiller:

man bei diesem Typus besonders im Anfangsstadium zahlreiche Schup- pen, die nur in mittleren oder gar basalen Partien eine Schwellung auf- weisen. Fast immer ist dann aber die dem nicht gequollenen Tell benach- barte Stelle der unter- oder fiberlagernden Schuppe blasig verdickt, so dab man wohl annehmen daft, dal3 es vor allem zeitliche Unterschiede in der Ausbildung der Blasen sind, die darfiber bestimmen, w o u n d an welchen Stellen der Schuppen solche hervorzubrechen verm6gen. Selbst- verst/indlich werden wir uns dabei bewul~t bleiben, dab auch derartige zeitliche Faktoren letzten Endes immer nur der Ausdruck fiir irgend- we]che strukturellen Differenzen sein k6nnen. Dal~ als eigentliche Ur- sache ffir diese besondere Blasenform die zentrale Lage der blasen- bildenden Substanz, d. h. die dorso-ventral symmetrische Ausgestaltung der verhornten Ws angesehen werden muB, haben wir gelegentlich der Diskussion fiber die Herkunft der Blasenmembran bereits angedeutet.

Neben /~uBeren Bedingungen, die ffir die Ausgestaltung der jeweils typischen Blasenform verantwortlich zu machen sind, haben wir somit auch innere Faktoren anzunehmen, die als Ursache ffir die Verschieden- heit der Ausbildung des ALLW6~D~.Nschen Ph/inomens in Betracht kommen. AuBer der spezifischen Lagerung der blasenbildenden Sub- stanz dfirften hier aber auch noch eventuelle Inhomogenit/iten der Membran eine Rolle spielen; denn da der Btaseninhalt vollkommen strukturlos und dfinnfliissig ist, mfil~ten die Blasenw~nde beim Fehlen /~uBerer Behinderungen stets zu einer Art Halbkugelschale aufgew61bt werden, was jedoch keineswegs immer der Fall ist.

Besonders deutlich zeigt sich das, wenn solche Erscheinungen bei einer Zelle beobachtet werden k6nnen, bei der die freie Oberfl/i, che ein ungew6hnlich groBes Areal einnimmt. Derartige auBerordentlich lange Schuppen linden sich z.B. an den tordierten Abbiegungsstellen der Grannenhaare des Maulwurfes (TOLDT). Die hier aus mehreren lokalen Herden entstehende Blase macht h/~ufig nieht einmal den Eindruck eines einheitlichen Gebildes, sondern seheint aus verschiedenen, hintereinander gelegenen Einzelblasen zu bestehen, und erst die genauere Beobachtung erweist, dal3 diese Blasen eine gemeinsame Membran haben, dab die Sehuppe aueh an der Grenze zweier Teilblasen wenigstens etwas gequollen ist und dab die seheinbar isolierten Blasen fiberhaupt ein und derselben Zelle angehSren (Abb. 14). Die besonders groBe Starrheit dieser zungen- fSrmigen Sehuppenart l~llt es dabei fast niemals zu einer Emporhebung der iiberlagernden Zellen kommen, obgleieh diese wegen des oftmals reeht betr/~ehtlichen Vorspringens ihrer freien R~nder hierffir eigentlich pr/idestiniert seheinen.

Die besondere Form der Blase resultiert aus ihrer Entstehung aus zahlreichen Partialblasen, die erst sekund/~r zusammenflieBen. Das Mil~verh/~ltnis, welches zwischen Volumen und Oberfl~che bestehen wiirde, wenn es bei diesen Riesenschuppen zu einer Ausbildung der

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typischen Blasengestalt kommen wiirde, mit anderen Worten der un- zureichende Innendruck, diirfte es sein, was es verhindert, dab mehr als Partialblasen entstehen; die verschiedene Struktur und Dehnungs- f~,higkeit der Zellwand aber scheinen dartiber zu bestimmen, an welchen Stellen diese Einzelblasen emporgetrieben werden k6nnen. Kommt es dabei aber doch einmat zu einer totalen Aufw61bung der Membran, dann wird diese meist tiberaus rasch riickg~ngig gemacht und die Blase zeigt bald nur noch eine vielfach gef~ltelte und eingesunkene Ge- stalt (Abb. 10).

Bei den entsprechenden, aber im allgemeinen kleineren Schuppenformen anderer Insektenfresser- arten lassen sich die fiir den Maulwurf charakteri- stischen Gebilde nicht beobachten. Wohl zeigt auch hier die Blasenmembran nicht immer eine gleich- m~iBige Dehnung, sondern weist oft apikal eine grSl~ere, sich zum Grunde der Schuppe hia all- m~blich abflachende W61bung auf (Abb. 3c), die fiir eine Ungleichartigkeit der inneren Bedingungen spricht, eine regelm~Bige Zusammensetzung aus Partialblasen jedoch ist bei diesen Arten niemals angetroffen worden. Was dagegen ganz allgemein ftir die Schuppen der Insektenfresserhaare gilt, ist ihre verh~ltnism~Big freistehende Anordnung, die es erlaubt, hier oft fast ebenso eindeutig wie bei den Fledermaushaaren zu erkennen, dab die Blasen un- abhs yon irgendwelchen Intercellularsubstanzen und nur als autochthone Gebilde der Schuppen .~.bb. 10. Talpa euro- selber entstehen. •aea. Umbiegungs-

stel le u n t e r h a l b t ier c) Regionale Unterschiede in der Ausbildun 9 der Blasen. Granne. zungenf~r-

mige S c h u p p e n m i t Wie sehon die wenigen er6rterten Beispiele zeigen, stark gefaltelten un4

entspricht die Ausgestaltung der Blasen durchaus kleine Schup!aen m i t p r a l l gef i i l l t en Blasen .

den spezifischen Strukturverh~ltnissen der Ober- 770fach.

h~utchen und dem besonderen Aufbau ihrer Schiipp- chen. Ftir unser allgemeineres Problem ist es daher von geringerem In- teresse, die genauere Zuordnung der mannigialtigen Blasentypen zu den systematischen Gruppen, den Haarformen und den regionalen Unter- sehieden eines Haarindividuums nun auch im einzelnen noch n~her zu be- stimmen. Es mag somit geniigen, wenn wir hinzuffigen, dab auch an ein und demselben Haar die verschiedensten der oben diskutierten Blasen- formen auftreten k6nnen, dal3 diese Unterschiede um so gr6Ber sein miissen, je versehiedenartiger die einzelnen Regionen eines Haarschaftes gestaltet sind, und dab folglich auch bei differenter Ausbildung der Schiippehen eines bestimmten Abschnittes eng benachbarte Blasen so betr~ehtliche

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16 Curt Mfiller:

Unterschiede aufweisen werden, dab sich mitunter recht komplizierte Bilder ergeben kSnnen.

Von grSBerem allgemeinen Interesse sind dagegen jene besonderen Verh~ltnisse, welche an der Basis und der ~uBersten Spitze eines Haares vorherrschen. Schon NAUMAN~, K~AIS und WX~Tm und E~(~]:LE~ machen darauf aufmerksam, dab die ALLWSRD]~Nsche Reaktion an der Spitze yon Wollhaaren des Schafes auf mehr oder weniger langen Strecken ausbleibt. Sie fiihren das auf die Wirkung yon Hautsekreten

b c d A b b . 11 a - - d . ALLWClRDENSche R e a k t i o n a n d e n A p i k a l z e l l e n d e r H a a r e yon a Capromys pilorides, 260fach . b Fells leo, 520fach. c Hipposideros armiger, 860fach. d 2llolossus cerastes,

950fach ,

und Atmosph~rilien zuriick, deren Angriffen die Haarspitzen ja am intensivsten und zeitlich auch am ]~ngsten ausgesetzt sind. Dieses unter- schiedliche Verhalten der Spitzen ist auch bei den Haaren anderer Arten o~tmals festzustellen; ftir gewShnlich findet man daneben jedoch wenigstens einzelne Exemplare, bei denen auch die apikalen Teile der Faser eine ebenso gute Blasenbildung ergeben wie die anderen Partien des Schaftes. Die Beeintr~chtigung der Reaktion wird somit zweifeUos durch guBere Sch~digungen bedingt und nicht etwa dutch besondere innere Verh~ltnisse verursacht sein.

Nicht aber kann diese ]~eststellung fiir jenen apikalen Tell des Haares Giiltigkeit haben, der den AbschluB bildet, also die eigentliche ~uBerste Spitze im engeren Sinne des Wortes; denn hier wird regelm~Big die A~w6~aD]~Nsche Reaktion auch dann vermiBt, wenn sie bei den n~chst benachbarten Schfippchen noch gut ausgebildet ist. Bei verschiedenen Haaren, vor allem solchen mit breiter Spitze und sehr kleinen Schuppen- zellen k6nnte man im Zweifel sein, ob die beobachtete Erscheinung wirklich durch das spezifisch unterschiedliche Verhalten der SpitzenzeUen

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~ber den Feinbau des Saugetierhaares und die AllwSrdensche Reaktion. 17

oder doch nur durch ihre besondere Lage und Anordnung, also durch die allgemeine Form der Faserendigung hervorgerufen wird (Abb. l l a ) ; in den F/~llen dagegen, wo das Haar in eine dfinne Spitze auslauft und mit einer einzigen Apikalzelle endet, 1/~$t sieh ganz eindeutig beobachten, wie diese Apikalzelle niemals an der Quellung teilnimmt und selbst die ersten Stadien der Membranabhebung v611ig unterbleiben, w~hrend bereits die zweite Apikalzelle, auch bei ~hnlicher Gestaltung, eine mehr oder weniger gro$e typische Blasenbildung aufweist (Abb. 11b, c, d).

Daf~ bei der Ausnahmslosigkeit dieses Verhaltens wenigstens in den letztgenannten F/~llen nicht irgendwelehe /~uBeren Seh/idigungen der Spitzenzelle verantwortlich gemacht werden dfirfen, ist wohl evident. Leider wissen wir aber fiber die Entstehung und Entwicklung der /iugersten Zelle des Haares so wenig, dab auch eine Diskussion der mSglichen inneren Ursachen des negativen Ausfalls unserer Reaktion kaum sehr fruchtbar sein wfirde. Ffir die weitere Aufkl/~rung der Genese der Apikalzelle und ihre histologische Zuordmmg mag die Konstatierung des Ph/s neben den rein anatomischen Kriterien aber yon einigem Interesse werden.

Eine etwas giinstigere Aussicht auf Erfolg bietet dagegen der Ver- such, das besondere Verhalten der basalen Endigung des Haares zu deuten; denn auch hier kSnnen wir beobachten, dab sich die Blasen- bildung nicht vollkommen bis in die Wurzel des Haares hinein erstreckt, sondern regelm/~llig bereits in mehr oder weniger g-roller Entfernung. jedoch nicht plStzlich, sondern meist ziemlich allms erlischt (Abb. 12). Auch ENGI~LV~R beobachtete bereits, dab in der n/~chsten N/ihe der Haarwurzel, allerdings yon Gerberwolle, im allgemeinen die A~LWS~- DENsche Reaktion unterbleibt.

Diese Feststellung gilt sowohl fiir das frisch gezupfte, ffir das 1/~ngere Zeit der Luft ausgesetzte, wie auch fiir das ausgewachsene und bereits ausgefallene Haar. Eine fiir den negativen Ausfall der Reaktion verant- wortlieh zu maehende Sch/~digung ist bei dem auf natfirliehe Weise abgestollenen ,,Kolbenhaar" yon vornherein nieht sehr wahrseheinlieh. Aber auch an den vorsichtig gezupften, gereinigten und vor allem gut entfetteten Haaren war mikroskopisch meist nicht die geringste Seh/i- digung zu bemerken. Die beiden Wurzelscheiden folgten fiir gewShnlich dem Zuge nur unvollkommen. Wurden ihre Reste welter fiber das Haar gestreift, so unterdrfickten sie die EmporwSlbung der Blasen an den betreffenden Stellen (durch die mechanische Behinderung) allerdings vollst/~ndig; dagegen waren sie aber andererseits auch sehr leicht zu entfernen und diese Entfernung mit Sicherheit zu konstatieren. Dall durch den Widerstand des Wurzelscheidenoberh~utehens die Schuppen- zellen beim Ausreillen des Haares nach abw/~rts umgeschlagen werden, wie :[fir das menschliehe Haar oft angegeben wird, konnte ffir unsere Objekte nur in den seltensten F/~llen best/~tigt werden.

Z. f. Zellforschmag u. mtkr . Ana tomic . 29. Bd. 2

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18 Curt Mtiller:

Wir miissen somit wohl vermuten, dal~ die Epidermiculazellen des nicht mehr reagierenden basalen Teiles des Haarschaftes, obgleich sie bereits ziemlich ihre definitive Gestalt erreicht haben, doch mindestens etwa so lange, wie sie mit der Scheidencuticula in Iosem Zusammenhang stehen, noeh gewisse Ver/~nderungen erleiden, ftir deren Ablauf nach der Isolierung nieht mehr die n6tigen physiologischen Bedingungen

a b c d e A b b . 1 2 a - - e . ALLW~RDE.~'sche R e a k t i o n a n d e n H a a r w u r z e l n y o n a Equus caballus, g e z n p f t e s P a p i l l e n h a a r , 1 7 0 f a c h . b HyZomys suillus, g e z u p f t e s K o l b e n h a a r m i t W u r z e l s c h e i d e , 360 fach . c D a s s e l b e o h n e W u r z e l s c h e i d e . d Cavia cobaya, g e z u p f t e s K o l b e n h a a r , 100 fach . e Fells

domestica, a u s g e f a ] l e n e s W o l l h a a r , 140 fach .

gegeben sind, Bedingungen, die auch die letzten Oberh/~utchenzellen des abgestoflenen Haares entbehren, so da~ sie ihre endgiiltige Entwicklungs- stufe nieht mehr erreichen kSnnen.

II. Das Verhalten der BHischen gegeniiber der Einwirkung ehemiseher und mechaniseher Agenzien.

a) Fortgesetzte Behandlung mit Wasser und Chlorwasser. Die /~ul~eren Faktoren, welehe die Gestalt einer Blase bestimmen,

sind, wie wit gesehen haben, gegeben durch die r/~umlichen Beschr~n- kungen, die aus dem eventuellen Vorhandensein beengender Nachbar- blasen oder -schiippchen resultieren. Bei dem Fehlen solcher Beschr/~n- kungen und der Begrenzung durch ein geeignetes fliissiges Medium wiirde

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~ber den Feinbau des S~tugetierhaares und die AUwSrdensche Reaktion. 19

somit die Membran im Idealfalle zu einer Kugelhaube aufgetrieben werden, deren Radius bei bestimmtem Innendruck eine Funktion der der Membran eigenen Elastizit~tskr~fte ist; denn da wegen der Homo- genit~t und der Strukturlosigkeit des Blaseninhaltes der Innendruck an allen Stellen der Wandung als gleich groB angesehen werden daft, muB die Membran - - ebenfalls eine gewisse Homogenit~t vorausgesetzt - - das Bestreben haben, bei ihrer Dehnung stets solche Formen anzu- nehmen, die dem Prinzip der kleinsten Oberfl~che entsprechen.

Die Richtigkeit der hier zugrunde gelegten Annahmen ergibt sieh aus der Erfahrung, dab tats~chlich alle frei in das Medium vorragenden Blasen, sower sich solche Verh~ltnisse iiberhaupt sch~tzen lassen, mindestens ann~hernd eine Gestalt aufweisen, deren Oberfl~che bei gegebenem Inhalt und GrundriB die kleinste m6gliche ist, was auch durch die Angaben der meisten Autoren, welche die regelm~0ige halb- kugelige Form der Bl~chen hervorheben, best~tigt wird. Eine Ausnahme in dieser Beziehung bilden nur die Beobachtungen SP6TTELs, der aus- drficklich betont und durch Abbildungen belegt, dab in seinen Pr/~- paraten nut Bl~schen yon mehr oder weniger ,,unregelm/~Biger und eckiger Gestaltung" auftraten, und zwar ,,vor allem auch dann, wenn das Medium 1/~ngere Zeit eingewirkt hat te" (S. 362).

In diesem Nachsatz nun glaube ich den Schlfissel ffir die Erkl/~rung des auffallenden Widerspruches, der zwischen den Ergebnissen SP6TTI~Ls und den Resultaten der iibrigen Autoren einschlieBlich unserer eigenen besteht, erblicken zu diirfen; denn solche Blasengestalten, wie sie SP6TTF~Z~ beschreibt und abbildet, sind typisch bei gewissen I)eformationen, die immer dann auftreten, wenn man die Behandlung mit Chlorwasser 1/~ngere Zeit, d. h. wenigstens ein bis mehrere Stunden hindurch fortsetzt.

Es treten dann, wie es auch SP6TTEL selber /~hnlich yon den End- stadien der Blasenbildung angibt, verschiedene Schrumpfungen auf, die den UmriB der Blase bei sagittaler Projektion nicht mehr als ann/~hernd kreisbogenf6rmig, sondern als unregelm/~Big und eckig erseheinen lassen. Zun/~chst bilden sich auf der Blasenoberfl/iehe ein bis mehrere Ab- flachungen, die weiterhin zu dellenartigen Einbuchtungen werden, an Gr6Be zunehmen und schlieBlich ein solches AusmaB erreichen, dab die ganze.Membran nur noch ein Gewirr yon in allen m6glichen Rich- tungen verlaufenden Falten darstellt.

unsere Vorstellung yon der Struktur der Blasen bedeutet diese Erscheinung, dab wir es bei der Blasenwandung mit einer wirkliehen Membran zu tun haben, dab diese Membran aber nicht ideal semi- permeabel ist, sondern wenigstens nach einiger Zeit einen Bau aufweist, der auch den Druehtri t t bestimmter Stoffe yon innen nach auflen er- laubt, und dab die I)ehnung der urspriinglieh elastischen Membran yon einer reversiblen in eine irreversible Phase iibergeht, kolloidchemisch

2*

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vielleieht wie der ~?bergang der reversiblen Dehnbarkeit in die tempor~re bzw. permanente Festigung bei der Dehnung der ganzen Haarfaser durch die LSsung urspriinglicher und die Ausbildung neuer Seitenketten- bindungen des Keratinmolekiils zu erkl~ren.

DaB auger dieser Art der Schrumpfung allerdings auch noch eine geringe elastisehe Kontraktion der Blasenwand eine RoUe spielt, ist schon deshalb nicht yon der Hand zu weisen, weil in einigen F~llen, wenn auch nicht h~ufig, tats~chlich eine Verringerung des Volumens zu beobachten ist, die yon einer deutliehen Verkleinerung der Blasen- oberfl~che begleitet wird, so dab trotz der bedeutenden Sehrumpfung das ganze Gebilde noch immer leidlich prall gefiillt erscheint. Es handelt sich hierbei zwar meist um frei vorspringende Schuppen, die sich bei der Blasenbildung oft nach au~en durchgebogen haben und bei der Ent- quellung wieder etwas strecken, insofern also der Faltenbildung direkt entgegenwirken; doch ist diese ~ul~erliche Streckung, die ja die schrump- fende Membran auch nur in einer Richtung ar~ugreffen vermag, un- geniigend, um damit das g~nzliche Unterbleiben der Faltenbildung erkl~ren zu kSnnen. W~hrend die Zeiten, nach denen eine deutliche Volumenverringerung festzustellen ist, bei beiden Blasentypen einander einigermai~en entsprechen, verschwindet die Elastizit~t der Blasenwand in den letzten FAllen (meist Fledermaushaare), wenn iiberhaupt, erst wesentlich sp~,ter als bei den unter Faltenbildung schrumpfenden Blasen. Eine wirkliche elastische Kontraktion kann somit auch noch dann statt- linden, wenn bereits betr~chtliche Mengen Blaseninhalt die Wand passiert haben, was gegen die immerhin naheliegende Annahme spricht, dab der Austritt des Blaseninhalts erst die Folge einer Permeabiliti~ts- ~nderung ist, die urs~chlich mit dem l~bergang der reversiblen in die irreversible I)ehnungsphase zusammenh~ngt.

Weiterhin yon Interesse ist, dab sich diese Verh~ltnisse auch dann nicht ~ndern, werm man die Chlorwasserbehandlung nach Ausbildung der Blasen, also etwa nach einigen Minuten, unterbricht und das Prii- parat jetzt nur in dest. Wasser aufbewahrt; nur erfordern die oben beschriebenen Vorg~nge dann etwa das 3--4fache der Zeit, n~mlich start 2 -4 jetzt etwa 3--12 Stunden, wobei weniger die eigentliehen Schrumpfungsphasen verls als vielmehr der Sehrumpfungsbeginn wesentlieh hinausgezSgert zu sein scheinen. Es muB also 'einerseits mindestens bereits zur Zeit der Ausbildung der Blasen die Chlorierung zu einem Zustand gef/ihrt haben, aus dem alle folgenden Ver~nderungen resultieren, andererseits aber aueh noch weiterhin das Chlor Wirkungen auszuiiben vermSgen, durch die die spezifischen Schrumpfungsprozesse bedeutend beschleunigt werden.

I)eutlicher wird die Fortdauer des Chlorangriffs bei einer anderen Erscheinung, die man gewissermaBen als das Endstadium der AI~- WS~DV.Nsehen Reaktion ansprechen kann, und hier besteht nun aueh

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Ober den Feinbau des Saugetierhaares und die Allw6rdenschc Reaktion. 21

ein ausgesprochener Unterschied in den Ergebnissen, je nachdem man das Haar fortgesetzt mit Chlorwasser oder nur nach kurzer Chlorierung weiterhin mit reinem Wasser behandelt. Bei diesen wie auch den vorigen Versuchen wurde die Behandlung stets auf dem Objekttr~ger vor- genommen, einzelne Blasenindividuen unter dem Mikroskop beobachtet und das Medium von Zeit zu Zeit durch frisehes ersetzt.

Schon v. ALLW6~D~, dam1 aber auch vor allem SP6TTFJ~ und TXNZE~ berichten, dab l~nger dauernde Chlorierung schlieBlieh zu einer AblSsung der Epidermicula und einer Isolation der einzelnen Schfippchen fiihrt. Allerdings betont T~zm~, daB ,,sich noch nach 2stiindiger Behandlung mit Chlorwasser Haare mit mikroskopisch unver~nderter Haarmor- phologie" linden (1930b, S. 311), und ich kann hinzufiigen, dab man solche sogar noch nach 24 Stunden und l~nger anzutreffen vermag; es genfigt dann aber meist schon ein einfaches Hinundherbewegen des Haares, um das Oberh~utchen zum Zerfall zu bringen. In der Regel hat sich bereits nach einigen Stunden ein Zustand herausgebildet, welcher es ermSglicht, dureh Druck auf das Deckglas und HinundherroUen des leicht gepreBten Haares die Oberh~utchenzellen loszul5sen und zu isolieren. Sie erweisen sich dann, je nach der Dauer der Chloreinwirkung, als mehr oder weniger erweicht, leicht zerreiBbar, deformiert und wohl auch im ganzen etwas gequollen. Nicht aber ist das der Fall, wenn man die Haare nach kurzer Chlorierung in Wasser bel~Bt. Unter diesen Umst~nden behalten die Schiippchen auch lange nach AbschluB der Blasenschrumpfung noch immer ihre verh~ltnismiiBig groBe Widerstands- f~higkeit bei und sind vor allem durch keinerlei meehanisehe Manipu- lationen voneinander und v o n d e r Rindenscbicht abzutrennen, ohne trotz der hSheren StabilitKt zu zerreiBen.

Obgleich dieses Verhalten den SchluB nahelegt, dab die Mazeratiou eine Folge des Abbaus yon Kittsubstanzen durch l~,ngere Chlorein- wirkung sei, kann unser Ergebnis doeh nicht als beweisend hierfiir gelten, da ja auch das Oberh~,utchenkeratin nach Ablauf der fiir die eigentliche A~wO~D:~:~sehe Reaktion typischen Phasen bei fortgesetzter Chlorwasserbehandlung noch eine weitere ZerstSrung erf~hrt, was nun aber auch die Erkli~rung zulassen wiirde, dab es sich bei der Lockerung und Iso]ierung der Schiippchen um die allm~hliehe ZerstSrung etwa vorhandener keratinSser Intereellularbrficken handeln kSnnte, deren wirkliche Existenz zwar als bisher nicht nachgewiesen, aber auch keines- wegs als ausgeschlossen anzusehen ist.

Ohne diese Alternative entseheiden zu miissen, kSnnen wir hin- gegen in der Feststellung, dab der Verlauf des Isolierungseffektes zeit- lich nieht mit der Ausbildung des A~wSl~D]~schen Ph~nomens parallel geht, eine indirekte Best~,tigung daftir erblicken, dab die AuflSsung eventueller Intereellularsubstanzen auch nicht die Ursache fiir die Ent- stehung der Blasengebilde sein wird, diese also urs~ehlich unabh~ngi~

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yon den iibrigen Strukturelementen des Haares und nur durch den Schtippehen eigene, in ihnen selbst stattfindende Prozesse zur Aus- bildung gelangen, t~ber das Wesen dieser Vorg~nge werden uns daher einige Untersuchungen fiber das Verhalten der Blasen gegen verschiedene mechanische und chemische Einwirkungen noch weitere Auskiinfte geben k6nnen.

b) Das Verhalten gegen vorwiegend physikalisch wirkende Fa~oren. Seit den Versuchen von K~ONACm~ und SAXI~GE~ ist bekannt,

dab die Ax~w61~DV.Nschen Bl~schen durch Druck oder Anstechen mit der Mikromanipulatornadel zum Kollabieren gebracht werden k6nnen, wobei der flfissige Blaseninhalt fast momentan entleert wird und nur zerfetzte flottierende H~utchen an den Ansatzr~ndern zuriickbleiben. Entsprechend ihrer Hypothese, dab die Blasenws nichts anderes darstellen als emporgew61bte Oberh~utchenschuppen, deuten diese Autoren die zerrissenen und mehr oder weniger frei flottierenden H~utchen auch als ~berreste von zerst6rten Schiippchen. Die Nachprfifung ergibt, dab die Identifizierung der auf den Abbildungen der Autoren (1925, Abb. 10 und 11) gut erkennbaren lamell6sen Fetzen mit den zerquetschten Resten ganzer Oberh~utehenzellen zweifellos zu Reeht besteht. Gerade das aber maeht es naeh unseren jetzigen Erfahrungen yon vornherein sehr unwahrseheinlich, dal] wir in den zerst6rten tI~utchen auch wirk- lieh die l~berreste der ehemaligen Blasenwandungen vor uns haben, und wie sieh eindeutig zeigte, ist dem in der Tat auch nicht so.

Sind die Blasen noch sehr frisch, so lassen sic sich ziemlich schwer zerdriicken. Dies gelingt mit Erfolg erst dann, wenn man - - wie auch KI~ONAC~m~ und SAXINGEJ~ es ta ten - - d a s Deckglas auf dem Pr~parat unter Druck hin- und herbewegt. Unter diesen Umst~nden aber werden nieht nur die Blasen zerstSrt, sondern aueh das ganze Oberh~utchen zerrissen. Man kann daher yon einem chlorierten Haare, bei dem es gar nieht zu einer Blasenbildung gekommen war, bei entsprechendem Veriahren genau dieselben Bilder erhalten wie yon Material mit gut aus- gebildeter A~WSI~DENscher Reaktion. Setzt man aber die Chlorwasser- behandlung fort, um damit die Widerstandsf~higkeit der Bl~sehen- wandungen zu verringern, dann hat man jetzt auch die ZerreiBbarkeit der ganzen Schuppe meist so betr~ehtlich erhSht, dab das Resultat ein nieht viel besseres sein wird.

In einigen besonders gfinstigen F~llen gelang es trotzdem, ~ltere Blasen dureh einfaehen Druek zu sprengen, ohne dabei gleichzeitig die Sehuppe starker zu zerquetschen. Das Ergebnis sind jetzt aber keine groBen flottierenden H~utchen, sondern nur winzige ~berreste yon allerfeinsten Membranen, die sieh naeh der ZerstSrung elastisch zu- sammengezogen haben und Ms kaum erkennbare Fetzehen oder nur Unebenheiten den R~ndern der ehemaligen Blase ansitzen. Die MSg-

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lichkeit, weiterhin durch sehr vorsichtige Mazeration (mittels schwaeh erw~rmter und verdiinnter H2S04) diese Schuppen noch teilweise isolieren zu kSnnen, zeigt, dab die Blasenwandung eben nicht mit der ganzen Oberh/~utchenzelle identisch ist, sondern nur ein bestimmtes Element derselben darstellt. An solchen mazerierten Einzelschuppen l~berreste der Blasenmembran nachzuweisen, miBlingt dagegen regelm/iBig, weft diese so empfindlich ist, dal] sie stets viel fr/iher verschwindet als die Isolierung der einzelnen Schuppen mSglich wird.

Die Elastizit/~t der Blasenwand zeigt sich am augenf/~lligsten bei Dehnungsversuchen. Hierfiir wurden die beiden Enden eines Haares oder Haarabschnittes mit Siegellack an Glasnadeln befestigt, die durch eine Schraube auf dem Objekttr~ger auseinandergezogen werden konnten. Wie es MARK ffir unbehandelte Haare nachwies, so werden auch bei unserem chlorierten Material die Schiippchen bei der Dehnung des ganzen Haares nicht e t~a auf ihrer Unterlage verschoben, sondern bleiben fest mit ihr verbundSn, sich selber entsprechend in die L~nge streckend. Die Blasenwandung macht hierbei alle diese Bewegungen mit, jedoch in anderer Art, denn da das Volumen der Blase - - wenigstens zun/ichst - - unver/~ndert bleibt, nimmt sie bei der Dehnung eine flachere Gestalt an, w/~hrend sie bei der Entspannung wieder entsprechend emporgewSlbt wird. Faltenbildungen treten nicht auf, und auch dann, wenn man die Blase 1/~ngere Zeit (etwa bis zu einer Stunde) in gedehntem Zustande belassen hat, scheint die Membran noch nieht mehr von ihrer Elastizit/it verloren zu haben, als es unter normalen Verh/~ltnissen in der gleichen Zeit der Fall gewesen w/~re, wobei allerdings beachtet werden mull, dab die Bruchdehnung des chlorierten Haares wenigstens anf/~nglich erhSht ist, die Dehnungselastizit/~t dagegen eher sinkt, die beobachtete Schuppe sich also auch nach einiger Zeit nicht mehr auf ihren Anfangswert zu- sammenziehen kann. Innerhalb dieser Grenzen aber 1/iBt sich eine Deh- hung und Entspannung beliebig oft wiederholen. Das ist wichtig, well sich unter Anwendung dieses Prinzips die obigen Schwierigkeiten bei der Sicherstellung einer weiteren Tatsache vermeiden lassen. Es zeigte sich n/~mlich, dab eine Blase in gedehntem Zustande raseher an Volumen verliert als in ungedehntem. Da dies jedoch erst bei der wieder zu- sammengezogenen Blase recht deutlich wird, war es wertvoll zu er- fahren, dab der gleiche Effekt in kfirzerer Zeit auch dann zustande kommt, wenn man die Dehnungs- und Entspannungsvorgs sich mehr- faeh wiederholen 1/iBt. Faltungen der Blasenwand treten hierbei nieht ein, und weil die Volumenverringerung auch nicht als ein einfaehes Aus- pressen nur des eingedrungenen L6sungsmittels gedeutet werden kann, da dann ja unter normalen Bedingungen wieder eine sekund/ire Volumen- vergr6Berung erwartet werden mfiBte, dfirfen wir dieses Ph/~nomen wohl als einen weiteren Hinweis darauf betrachten, dab die Permeabi- liti~tsiinderung der Blasenmembran tats/~ehlieh-nieht in urs/ichliehem

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Zusammenhang mit jenen Prozessen steht, die das Umschlagen der elastischen Dehnungsphase in die irreversible bestimmen.

DaB die Volumverringerung der ALLWSRDENschen Bl~schen in ge- dehntem Zustande trotz der Erhaltung der Wandelastizit~t eine zeitlich gesteigerte ist, ~drd uns, wie fiberhaupt alle Ver~nderungen der Blasen- form, erst dann recht verst~ndlich, wmm wir hervorheben, daB es sich bei der ALLWS~DENschen Reaktion ja gar nicht um einen Quellungs- vorgang im eigentlichen Sinne handelt, sondern um Prozesse, die zu einem Eindringen des Mediums in das Innere der Schtippchen auf rein osmotischem Wege fiihren, wobei verhMtnismfi, Big geringe Mengen yon ]nhaltsstoffen oder Reaktionsprodukten des Chlors mit solchen auf- gel5st werden und das Blasenlumen nichts anderes darstellt als die betrs Erweiterung eines gewissermaBen prs Intra- cellularraumes, ohne dab dabei der Eintri t t yon Fliissigkeit zwisehen die Molekiile oder Kristallite der mikroskopisch hoi~ogenen Keratin- substanz, also eine QueUung der eigentlichen Hauptelem~nte der Schuppe, eine wesentliche formative Rolle spielt. Wenn diese Deutung richtig ist, muB sich somit die Wand der ALLW6RDENschen Blase auch gegen alle J(nderungen des Mediums wie eine echte semipermeable Membran verhalten.

Schon KaAIS und W;~NTIG heben hervor, daB dem Geschehen ,,offen- bar ein osmotischer ProzeB zugrunde liegt" (S. 69) und dab infolge- dessen mit Chlor ges~ttigte SalzlSsungen und ebensolche verdiinnte Salzs~,ure keine Reaktion geben, ferner daB SalzlSsungen einmal hervor- gerufene Blasen zum Verschwinden bringen, w~hrend dest. Wasser sie ~deder erscheinen l~Bt. Die n~here Untersuchung dieser Verh~ltnisse ergab nun eine Reihe yon Tatsachen, die unsere Auffassung im groBen und ganzen zu besti~tigen scheinen, die aber dennoch darauf hindeuten, dal~ im einzelnen recht komplizierte Bedingungen vorliegen mfissen. Ohne uns an dieser Stelle in eine n~,here kolloidchemische Diskussion einzulassen, sollen daher nur jene gesicherteren Ergebnisse kurz be- sprochen werden, die ffir unser morphologisch gestelltes Problem yon wesentlicherer Bedeutung sind.

Zun~,ehst mag als Ausgangspunkt das Verhalten der Blasen gegen )~thylalkohol (95%ig) erw~hnt werden. Schwach mit Methylviolett tingierte oder ungef~rbte Bl~schen auf Schafwolle kontrahieren sich in Alkohol sofort und stark, jedoch rScht maximal; langsamer erfolgt dann wieder eine betr~chtliche Ausdehnung, die aber meist nicht ganz das vorherige MaB erreicht. Erst im Wasser wird die Blase wieder auf ihr ursprfingliches Volumen erweitert. Die Geschwindigkeit der Kon- traktions- und Dilatationsvorgimge seheint eine Funktion der spezi- fischen Eigenarten der Blasenmembranen zu sein, denn sie wechselt yon Art zu Art. Als Extrem k6nnen die Bl~schenwandungen der Fleder- maushaare angesehen werden, bei denen Kontraktion und Dilatation

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einander so schnell folgen, dal~ das Auge oftmals nicht mehr als ein plStzliches Zucken der Blase beobachten kann. Der ganze Effekt t r i t t nur dann ein, wenn das Wasser sehr schnell yon hochprozentigem Alkohol verdr~ngt wird; niedrigere Konzentrationen oder ein allm~hliches Mischen bringen die Blasen gar nicht erst in einem erkennbaren Grade zur Zu- sammenziehung.

Prinzipiell ebenso wie gegen Alkohol ist nun auch das Verhalten gegen konz. L6sungen yon Alaun, Formalin, Glycerin u. a. : Die Kon- traktion der Blasenwand ist stets eine momentane aber meist nicht totale, und die hierauf erfolgende Wiederausdehnung verl~uft je nach der Art des Mediums mehr oder weniger rasch, niemals aber so plStzlich wie der Kontraktionsvorgang. Der ursprfingliche Dilatationsgrad wird dabei nicht immer vollkommen wieder erreicht, jedoch wurde unter den vielen besonders daraufhin gepriiften Blasen auch kein einziger Fall gefunden, bei dem die sekund/~re Emporw61bung der Membran wesent- lich unterdriickt worden w/~re.

Im Gegensatz zu den genannten Stoffen konnte bei der Mehrzahl der fibrigen verwandten L6sungen in der Regel eine pl6tzliche Zusammen- ziehung und Wiederausdehnung der Blasen nicht beobachtet werden; ihr Verhalten entsprach etwa dem gegen schwachprozentigen Alkohol, d. h. es liei~ entweder jeden deutlichen Effekt vermissen (z. B. bei Tannin, KJ , SnCl~, NaHSOa, KH~PO4 u. a.) oder ffihrte nur zu einer zwar merk- lichen, aber doch verh~ltnism~ig nicht sehr bedeutenden Verkleinerung der Blasen, die nun aber sekund~r nicht wieder kompensiert wurde (z. B. bei NaCl und Rohrzucker). Sofort riickg~ngig gemacht werden konnte dagegen eine solche geringe Dauerkontraktion oftmals, wenn man das betreffende Medium durch reines Wasser ersetzte. Die mehr- malige Wiederholung des Versuches hatte eine allgemeine Volumen- verkleinerung der Blasen im Gefolge. Ebenso wie durch mechanische Dehnungs- und Entspannungsvorg~nge kann also auch auf dem hier ausgefiihrten Wege eine vorzeitige Schrumpfung der Blasen erreicht werden, ohne dab die Wandelastizit~t bereits eine merkbare Abnahme erf~hrt.

Diese Ergebnisse scheinen sehr wenig dem zu entsprechen, was man erwarten sollte, wenn der Blasenbildung tats~chlich ein osmotischer Vorgang zugrunde l~ge, denn die Richtigkeit dieser Hypothese voraus- gesetzt, miissen wir zu einer Reihe yon SchluBfolgerungen gelangen, die recht eigenartige und zun~chst nicht ohne weiteres verst~ndliche Verhgltnisse offenbaren. So ist vor allem die Annahme n6tig, dal~ alle untersuchten Substanzen in das Innere der Blase einzudringen ver- m6gen, wobei nur in einigen F~llen die ~Iembran ffir kurze Zeit ein Hin- dernis darstellt, das dem betreffenden Medium ermSglicht, die Blase vortibergehend zum Schrumpfen zu bringen. Der im Blaseninhalt gelSste Stoff dagegen scheint die Membran so gut wie nicht passieren

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zu kSnnen, wird ferner anscheinend weder chemisch umgebaut, aus- gesalzen, denaturiert noch sonstwie ver/~ndert und mul3 nieht nur in Wasser, sondern auch in anderen Mitteln (z. B. Alkohol) gut 15slich sein. Der gewissen Stoffen eigentiimliche Effekt einer minimalen Dauer- kontraktion ware aber unter diesen Umst/~nden aus osmotischen Be- dingungen iiberhaupt nicht erkl/~rbar und kSnnte nur auf eine Spannungs- anderung der Membran selber zuriickgefiihrt werden.

Den meisten dieser Konsequenzen besonders zu widersprechen, scheint die schon oben erw/~hnte Tatsache, dal3 bei der Behandlung mit chlorges/~ttigten hypertonischen LSsungen das Hervorbrechen der Blasen so lange unterdriickt bleibt, bis das Medium durch reines Wasser ersetzt wird. Nun zeigte aber die Nachpriifung dieser Versuche, dab aueh die hier vorliegenden Verh/~ltnisse keineswegs so einfacher Art sein kSnnen, wie die Autoren bisher annehmen zu diirfen glaubten. Wohl f/~llt die ALT,W6~D~sche Reaktion bei der Verwendung von mit Chlor ges/ittigten Salzl6sungen oder organischen Fltissigkeiten stets negativ aus, aber auch bei der darauf erfolgenden Wasserbehandlung ist das Hervorbrechen der Blasen wesentlich verz6gert und quantitativ geringer, so dab im Vergleieh mit den Kontrollen die Anzahl der Blasen oftmals weniger als 10% betr/igt und ihr Volumen allgemein bedeutend kleiner ist als das normale. Interessanterweise hat dies seine Ursache aber nicht etwa in einem geringeren Fiillungsgrade, sondern darin, dal3 die Grundfl/~che der Blase nur einem Stadium entspricht, das wir eingangs als eine vorfibergehende Entwicklungsphase der maximal ausgebildeten, typisehen Blasengestalt kennengelernt haben. DaB nicht eine un- geniigende Chlorierung die Ursache dieser Hemmungserseheinung sein kann, ergibt sich schon aus der guten F/i, rbbarkeit eines so behandelten Pr/i, parates, wird aber vollkommen ausgeschlossen dadurch, dab auch nach langem Auswaschen und Nachbehandeln mit reinem Chlorwasser sich das Ergebnis nicht mehr ~ndert. Man erh/~lt daher den Eindruek, dab es der noch nicht gedehnten Membran durch die Behandlung mit hypertonischem Chlorwasser bedeutend erschwert bzw. sogar teilweise unm6glich gemacht wird, sich selbst sp/iterhin unter giinstigeren osmo- tisehen Bedingungen von ihrer Grundlage zu 16sen.

Das Verhalten der urspriinglichen, noch nicht gedehnten Membran kann somit nicht ohne weiteres mit dem einer bereits expandierten Blasen- wand verglichen werden, und die prim/i, re Unterdriickung der Blasen- bildung beweist noch nicht, dab auch die einmal emporgew61bte Blasen- wand fiir die verwendeten Agenzien impermeabel sein mul3. Allerdings ist es auch nicht gelungen, das Gegenteil auf direktem Wege nachzuweisen ; doch daft vielleicht folgende Beobachtung noch in diesem Sinne als In- dizium ffir eine weitgehende Pormeabilit/it der Membran gewertet werden.

Wie schon friiher erw/ihnt, lassen sich im Blaseninhalt mitunter kleine flottierende Partikelchen beobachten. Diese stets etwas in

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Bewegung befindlichen Teilchen fangen nun bei einem Mediumwechsel sofort an heftig umherzuwirbeln, um erst nach l/ingerer Zeit wieder allm/~h]ich in ihren friiheren Zustand zuriickzukehren. Da das aueh dann der Fall ist, wenn bei langsamem Mediumwechsel die Blase keine merkliche Kontrakt ion erf/~hrt, daft die Erscheinung wohl am besten als durch die Entstehung yon Diffusionsstr6men infolge Durchtrit ts des Mediums durch die Membran verursacht aufgefallt werden.

Ziemlich eindeutig 1/~i~t sich dagegen erkennen, dab es aueh Stoffe gibt, fiir die die Blasenwandung mindestens hochgradig undurchl/~ssig ist. Es handelt sich hier vor allem um jene Farbstoffe, die eine starke Tingierung der Rindenschieht und der Blasenw/s hervorrufen, dabei aber den Blaseninhalt v611ig ungef/~rbt lassen, was in erster Linie bei einer mechanischen Verletzung und Entleerung der Blasen deutlich wird. Da st/~rkere Farbstoffkonzentrationen die Beobachtung zu sehr er- schweren, kann fiber den eigentlichen osmotischen Effekt solcher LSsungen leider nichts Bestimmtes ausgesagt werden. Dafiir liefert aber eine andere h6chst interessante Erscheinung, die sich mit Sicherheit bei der Verwendung von Methylenblau hervorrufen 1/il~t, um so aufschlull- reichere Hinweise auf die Bedeutung des osmotischen Faktors fiir die Ausbildung der Blasen.

Wenn man ein Haar nach dem Chlorieren und eventuellen Aus- waschen mit Wasser nicht zu schwach mit Methylenblau f~rbt, mull man meist feststellen, dall die Aufnahme des Farbstoffs durch die Mem- bran diese, genau wie nach der Applikation der oben angefiihrten Stoffe, in einem geringen, aber fiir gew6hnlich sicher erkennbaren Grade zur Kontrakt ion bringt. Die Naehbehandlung mit Wasser hat hier aber keine Kompensation dieses Zustandes zur Folge; erst durch ZerstSrung des Methylenblaus, etwa durch erneute Zufuhr von Chlorwasser, li~llt sich eine Wiederausdehnung erreichen. Bringt man start dessen das Pr/~parat in eines der genannten hypertonischen Medien, so zeigt sieh, dab sich eine Blasenmembran, die Methylenblau adsorbiert hat, ganz anders verh~lt als eine ungef/~rbte oder z. B. nut mit schwachem Methyl- violett vorbehandelte; denn ietzt kommen - - auller in einigen bestimmten F~llen - - alle jene Effekte zur Beobachtung, die zu erwarten w/~rerl, wenn die Blasenwand in der Tat eine nur fiir Wasser durehl~ssige Membran darstellen wtirde. Vor allem erfolgt sofort eine rasehe Kontraktion der Blase, die so lange bestehen bleibt, bis das Versuchsmedium wieder durch reines Wasser ersetzt wird.

Je nach der Art des Stoffes l/~llt sieh dieser Vorgang versehieden oft wiederholen, und zwar deshalb, weil dabei der Farbstoff je naeh der Eigenart der verwendeten Substanz mehr oder weniger sehnell, oft aber nur sehr allm/~hlieh aus der Blasenwandung ausgewasehen wird, wodureh der Kontraktionseffekt an Intensit/~t verliert, teilweise ]erie oben be- sehriebene Reversibilit/it erlangt und endlieh ganz aufh6rt, so dall die

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entf~rbte Blase in ihrem Verhalten wieder vollkommen einer unvor- behandelten entspricht. Bei einigen L6sungen, besonders erfolgreieh z. B. bei solchen yon NaC1, wird der Farbstoff so energisch und plStzlich aus der Blasenmembran ausgewaschen, dab ein osmotischer Effekt fiber- haupt unterbleibt. Denselben Effolg wie ein solches Auswaschen, dem ja zweifellos kompliziertere physikalisch-chemische Vorg~nge zugrunde liegen werden~ hat aueh die einfache Zerst6rung des ~r dureh Chlorwasser. In allen F~llen aber fiihrt erneute l~rbung wieder zu dem ursprfinglichen Zustand zurfick.

Da die einfachste Erki~rung ffir diese Erscheinungen wohl die Au- nahme sein diirfte, da~ das yon der Blasenmembran festgehaltene Me- thylenblau den Durchtri t t der gel6sten Substanzen blockiere, ohne die Permeabilit~t fiir Wasser wesentlich zu ver~ndern, scheinen mir weiter- hin auch diese Versuchsergebnisse dafiir zu sprechen, dal] ebenso bei der Entstehung des A ~ w 6 ~ D ~ s c h e n Ph~nomens osmotische Prozesse eine wesentliche Rolle spielen und dab auch die Gestalt der unbehan- delten Blasen, trotz ihrer offensichtlichen Permeabilit~t fiir die meisten Versuchsl6sungen, tats~chlich vet allem durch den ,,Turgor" der chlorier- ten Epidermiculazellen bedingt wird.

c) DaB Verhalten gegen vorwiegend chemisch wirkende Fa]ctoren. Auf Grund der aus den Osmoseversuchen abgeleiteten Vorstellungen

k5nnen wir jetzt einige Erscheinungen verstehen, die insofern eine Komplikation bedeuten, als dab sie auf der Wirkung yon Stoffen beruhen, deren Anwendung in erster Linie eine bedeutende chemische Ver~nderung des Chlorkeratins hervorzurufen vermag. Es handelt sich hier besonders um alkaliseh reagierende L6sungen, yon denen haupts~ehlich solehe yon Borax, Soda, Ammoniak und Natronlauge gepriift wurden. Das Ver- halten der A~W6~D~Nschen Bl~schen ihnen gegeniiber ist im Prinzip stets das gleiche und nur abh~ngig yon der Konzentration, so dab die zusammenfassende Darstellung der Erfahrungen mit Ammoniak hier als typisch gelten mag.

Niedrigprozentige Ammoniakl6sung fiihrt meist bei der Beriihrung mit nicht zu alten Bl~schen sofort zu einer bedeutenden Vergr50erung derselben. Ist ein bestimmtes Stadium der sehr sehnell vet sieh gehen- den Ausdehnung erreicht, dann erfolgt eine fast ebenso rasche Kontraktion der Membran, die sich meist der Oberh~utehenzelle so eng anlegt, dal3 von einer Blase nichts mehr zu sehen ist. Erst jetzt beginnt die etwas langsamere Quellung des chlorierten Rindenkeratins, wobei das Haar oftmals das mehrfache seiner Dicke erreicht. Ein eventueller nieht chlorierter Teil der Rindensehicht bleibt unver~ndert, wie schon M_~K beschreibt, oder wird (z. B. bei tier Verwendung yon NaOH) nut in der bekannten Weise angegriffen. Die Quellung der Rindensehicht ist bei Applikation adstringierender oder wasserentziehender Mittel, aber aueh

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schon bei einfacher W/~sserung ziemlich reversibel; eine erneute Hervor- rufung der Blasen dagegen gelingt auf keine Weise.

Man darf wohl sehheBen, dab der EinfluB der Alkalien auf einem Abbau der Membran beruht, der zu einer Herabsetzung ihrer dem osmo- tischen Druek des Blaseninhaltes entgegenwirkenden Kr/~fte fiihrt, so dab hierdurch zuni~ehst die Blase gewaltig aufgetrieben wird, sieh ~ehlieBlieh abet ein Zustand einstellt, bei dem die Impermeabilit/~t fiir den Inhalt schwindet, dieser auf Grund der zwar herabgesetzten, aber noch immer betr/ichtlichen Elastizit/itskr/~fte herausgepreBt wird und (lie Membran sich somit wieder maximal kontrahieren kann. DaB bei der 1)ermeabilit/its/~nderung ein chemischer EinfluB (Hydrolyse) min- destens yon wesentlieher Bedeutung sein muB, zeigt sich daran, daB selbst sehr frische Blasen bei starker Konzentration des Ammoniaks eine viel geringere Dilatation erfahren a l s bei niedriger prozentigen Lssungen. Andererseits kann die Expansion abet auch so heftig vor sich gehen, dal~ die Membran an irgendeiner Stelle zerreiBt, der Inhalt sehr plStzhch entleert wird und die Blasenwand sich entspreehend rasch, fast ruckartig wieder zusammenzieht.

Ist der osmotische Druck einer Blase dureh Alterungserseheinungen herabgesetzt und hat die Elastiziti~t der Wandung bereits betr/~chtlicher abgenommen oder hat man dieses Ziel dureh den mehrfaehen Wechsel yon Alkohol, SalzlSsungen und Wasser kfinstlich herbeigeftihrt, dann unterbleibt die weitere Expansion der Blase mehr oder weniger, ebenso erfolgt aueh keine oder nur eine geringe l~ekontraktion, so dab schlieB- lich auf dem stark gequollenen Rindenkeratin noch wohlerhaltene Blasen aufsitzen. Ihre Membran seheint etwas gequollen zu sein (sti~rker lieht- breehend), runzelt sich allm~hlich, wirft Falten, fMlt teilweise ein und wird endlich ganz aufgelSst, ohne sich vorher dem anseheinend ebenfalls starker gequollenen und in AuflSsung begriffenen Schfippehen wieder ganz angelegt zu haben. Ist die Membran versehwnnden, so 1/~Bt sich meist die Oberh/~utehenstruktur auf dem verquollenen Haar noch gut erkennen, was wieder dafiir spricht, dab die Blasenmembran keineswegs mit der ganzen Epidermieulazelle identiseh sein kann.

Behandelt man ein gequollenes Haar, bei dem die Blasen noeh gut erhalten sind, mit Wasser und Alkohol, eventuell zwisehendureh auch nochmals mit einer alkalischen LSsung, so kommt es nicht selten zu einer teilweisen Abhebung einzelner Sehiippehen, die dem bekannten Beginn des Isolationserfolges an einem nieht chlorierten Haare bei Anwendung yon S/~uren und Alkalien entsprieht. DaB bei einem solehen frei hervorragenden Sehfippehen etwa yon Sehafwolle die A~wS~Dv.~sche Blase eindeutig auf der AuBenseite aufsitzt, zeigt, dab auch bei jenen Formen, bei denen diese Verhiiltnisse normalerweise nicht eindeutig zu beobachten sind und daher zu den bisherigen Fehldeutungen AnlaB

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gegeben haben, ganz zweifellos das AI~WflCD~,~csche Ph/inomen in einer Auftreibung der Schfippchenzellen selber besteht und nicht etwa in einer Emporw61bung dieser Zellen dutch die Quellung yon aus dem ]nneren des Haares heraustretenden Substanzen.

Noch deutlicher l/~llt sich dies zeigen, wenn man das chlorierte Haar den Angriffen yon S/~uren aussetzt. Doch geniigen hierffir nicht schon verh/~ltnism~Big schwache L6sungen wie bei den alkalischen, die die geschilderten Ver/i, nderungen bereits hervorzurufen verm6gen, wenn das PH etwa 8,5 fiberschreitet. Um die folgenden, morphologisch inter- essanten Wirkungen zu erzielen, ben6tigt man vielmehr m6glichst konzentrierte L6sungen, von denen sich solche yon Salpeter-, Schwefel- und Salzs/iure am geeignetsten, Oxal- und Ameisens/i, ure im gleiehen Sinne, aber wesentlich langsamer wirkend er~iesen, w/i,hrend die Essig- s/iure eine Ausnahmestellung einnimmt.

Die Blasen reagieren zun/~chst meist mit einer geringen Kontraktion, der sogleich eine Wiederausdehnung folgt, die aber nicht immer zur Wiederherstellung der ganzen vorherigen Gr6Be ffihrt. Fast zur gleichen Zeit finder eine starke Quellung der Rindenschicht statt, soweit diese vorher chloriert worden war. Sodann werden die Rindenzellen, yon den ~uBeren zu den inneren abnehmend, langsam aufgelS"st, und der noch intakte Oberh/~utchenschlauch wird m/iChtig durch die quellenden Massen aufgetrieben. Das geschieht bei den meisten Haaren abet nicht gleichm/~Big, sondern in der Art, dab zahlreiche VorwSlbungen und tSnnchenffrmige Gebilde entstehen, die durch die Widerstandskraft stabflerer und damit die Einschnfirungen bedingender Oberh/~utchen- teile voneinander isoliert bleiben. Je nach dem Bau des Haares haben diese ,,T6nnchen" eine verschieden starke Ausdehnung; bei den Fleder- m/~usen z. B. fehlen sie ffir gewShnhch ganz und es resultiert dann nur ein langer Schlauch, in manchen anderen F/~llen entstehen mehr wurst- artige Formen, und in wieder anderen haben sie eine so geringe Aus- dehnung, dab sie auf den ersten Blick mit groBen A~wSlcD~.Nschen Blasen verwechselt werden k6nnten. Der etwas granulierte Inhalt und die st/~rkere F/~rbbarkeit lassen aber in allen F/~llen eine sichere Unter- scheidung yon den klaren, homogen erscheinenden und schw/~cher tingierbaren B1/ischen zu. Das ist wichtig, weft oftmals in gleicher H6he mit den TSnnehen auch Blasen vorhanden sind, denn der Druck der Blasen lgBt es an diesen Stellen nicht zu einer so betr~chtlichen Quel- lung der Rindenschicht kommen wie es bei eventuellen benachbarten, blasen~rmeren Partien der Fall ist, wohin der vollst~ndig erweichte Inhalt des Oberh~utchenschlauches gepre6t wird. Diese Verschiebbarkeit der verquollenen Rindensubstanz zeigt bereits, dab der Inhalt der ALL- wSm)~.~schen Blase nicht mit den inneren Schichten des I-Iaares in Kontakt stehen kann. DaI3 sich vereinzelte Btasen in guter Ausbildung aber auch noch auf den T6nnchen erhalten haben, best~tigt eindeutig

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wieder unsere Auffassung vonde r Entstehung der Blasen als autochthone Produkte der Epidermiculazellen.

L~Bt man die S~ure l~ngere Zeit einwirken oder besser, bringt man das Pr~parat zwischendurch einige Male in Wasser, wobei die Rinde mehr oder weniger entquollen und die Blasen mitunter ein wenig starker dilatiert werden, dann zeigt sich, daB auch auf das chlorierte Ober- hs bzw. die Blasenmembran die S~ure einen gewissen EinfluB auszuiiben vermag. So kommt es fiir gewShnlich zu einer Ver- grSBerung der Blasen, die teilweise auf einer st~rkeren Dehnung der Wandung beruht, teilweise aber auch dadurch entsteht, dab die Mem- bran noch weiterhin yon Teilen ihrer Unterlage abgehoben wird, mit denen sie in anderem Falle lest verbunden geblieben w~re. Die normaler- weise isolierten Blasen der Fledermaushaare legen sich unter diesen Umst~nden oft dicht aneinander, bei Formen, wo sonst Riesenblasen selten sind, entstehen jetzt solche in grSBerer Anzahl, und bei Pr~paraten, bei denen die Blasenbildung nur sp~rlich war, kommt es sekund~r mit- unter noch zur Abhebung zahlreicher vorher noch nicht voll entwickelt gewesener Bls

Von der Ss betroffen scheinen ferner auch die Permeabi- lits zu sein; denn die verschiedensten L6sungen, welche sonst keinen oder nur den oben gesehilderten pl6tzliehen und sehr schnell zuriickgehenden Kontraktionseffekt auszuiiben vermSgen, bewirken jetzt eine langsamere, aber meist starke Kontraktion der Blasen, die erst ganz allm~hlich wieder ausgeglichen wird, so dab z. B. nach der Ein- wirkung einer alkoholischen FuchsinlSsung stets mindestens 10 Min. vergingen, bis die Blasen wieder prall gefiillt waren. InWasser dagegen erfolgt nach dieser Behandlung eine sofortige maximale Auftreibung. In S~ure belassen, verlieren die Blasen erst nach verhi~ltnismi~Big langer Zeit, mitunter erst nach zwei und mehr Stunden, bedeutender an Vo- lumen; die Membran erleidet dabei kaum Schrumpfungen, sondern wird einigermaBen elastisch kontrahiert.

Nicht unerw~hnt soll bleiben, dab die Anwendung yon Essigs~ure ein ganz anderes Bild ergibt. Bei ihrer Applikation zeigen die Blasen eine sofortige und maximale Kontraktion, die absolut bestehen bleibt, g~nzlieh unabh~ngig yon der Vorbehandlung der Blasen ist und in allen F~llen durch einen Mediumweehsel, gleich welcher Art, vollkommen wieder ausgegtichen werden kann, auger dag vielleicht eine nachwirkende Permeabilit~tss in obigem Sinne wenigstens noch fiir einige Zeit bestehen bleibt. Dies letzte legt es nahe, den eigenartigen Effekt so zu deuten, dab die Blasenwand dutch die Einwirkung der Essigs~ure eine Permeabiliti~tsherabsetzung erf~hrt, die die Membran ffir die S~ure selber undurchl~ssig macht, so dab ~hnlich wie bei der Methylenblau- blockierung jetzt eine rasche Wirksamkeit des sicher stark hypertonischen Mediums resultieren kann.

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III. Der Einflufl der Vorbehandlung des Haares auf die Entstehung des ALLW6RDEN schen Phiinomens.

Bei den meis ten Autoren ha t bisher im Vordergrund des Interesses die Frage gestanden, welche praktische Bedeutung dem eventuel l nega- t iven Ausfall des A~wSRDENschen Ph~nomens als einer Sch~digungs- reakt ion zukommt, die es er laubt , in einfacher Weise Riickschliisse auf den Grad unerwiinschter chemischer oder mechanischer Beanspruchungen zu ziehen, denen die Wollfaser durch die Vorg~inge bei der Textilfabri- ka t ion ausgesetzt sein kann.

Was das Ergebnis solcher Unte1~uchungen anbetrifft, so besteht allgemein ~bereinstimmung darin, da~ Alkalien schon in ganz gcringen Mengen und beson- ders in der W/irme Ver~nderungen hervorzubringen vermSgen, die die ALLWSR- DENsche Reaktion negativ ausfaUen lassen, w~hrend S~uren eine entsprechende Wirkung erst dann zeigen, wenn die Behandlung mit ihnen bereits zu einer wesent- lichen Beeintr~chtigung der ReiBfestigkeit und Bruchdehnung des Haares geffihrt hat, also bei einer Konzentration, die vergleichsweise betr~chtlich hSher sein mul3 als die entsprechend wirkende der Alkalien (NAvMA~N, KP~AIS und W~I~Tm, ENGELS, TX~ZE~).

Gedehnte und gedmllte Haare geben positive Reaktion; st~rkere mechanische Deformationen, wie sie bei solchen Versuchen z. B. an den Klemmstellen des Haares stattfinden, ffihren dagegen zu einem negativen Ausfall der Reaktion (T~zER), und ebenso soUen auch schon ,,durch eine reibende Bewegung der Wollfaser fiber eine rauhe Fl~che oder Kante" Ver~nderungen entstehen kSnnen, die den Ausfa]l der ALLwSm~.~schen Reaktion wesentlich beeintriichtigen, ohne dab ,,eine ein- deutig wahrnehmbare J~nderung der mikroskopischen Struktur der Faser" vor- handen zu sein braucht (E~EL~R, S. 32). W~crm konnte feststellen, dab auch nach l~ngerer Belichtung keine Blasenbfldung mehr hervorzurufen ist, ein Resultat, dem die Abnahme der Festigkeit so behandelter Wolle entsprach.

Weir weniger ~bereinstimmtmg besteht bei den verschiedenen Forschem fiber die Interpretation dieser Ergebnisse. Entsprechend der verbreitetsten Ansicht, naeh der die Entstehung des ALLwSP~DE~schen Ph~nomens auf die Quellung einer unter der Epidermicula gelegenen Substanz, des Elastikums, zuriickzufiihren sei, wird ffir den negativen Ausfall der Reaktion meist die Entfemung oder Zerst6rung eben dieses Elastikums verantwortlich gemacht. ,,Wird dieser KSrper," so meint vo~ ALLWS~DEN (1916, S. 77), ,,der in Alkalien leicht ~ 15slich ist, der WoUe vSllig entzogen, so ist die Wol le . , . verdorben." K~AIs und W;~wrm (S. 68) sehliel3en sich dem an und betonen, dal3 bei der Behandlung mit S~uren und Alkalien ,,diese Einwirkung nicht nur, wie vielleicht ausschliel~lich angenommen wurde, auf eine Abs~ttigung basischer oder saurer Gruppen im KeratineiweiB zuriickzufiihren ist, sondern dal~ bei der alkMischen Behandlung wahrscheinlich aul]erdem ein be- stimmter KSrper, eben das vermeintliche Elastikum, aus der Wolle entfernt wird". ENO~L~ (S.32) weist demgegenfiber darauf hin, dab ,,das Auftreten der B1/~schen... im wesentlichen durch die unverletzte Membran bedingt" sei und dal~ ,,eine nega- tive Reaktion nicht durch Substanzverlust verursacht sein" mull. ~ (S. 38), der im aUgemeinen mit den Auffassungen yon K ~ i s und W~NTIG fibereinstimmt, kommt im besonderen zu dem Ergebnis, da~ die blasenfSrmigen Ausstfilpungen aus gequollenem Chlorkeratin bestehen, das verm6ge seines Quellungsdruckes die noeh intakte Schuppenschicht an den Kittungen zu durchbrechen vermag; er schli~t entsprechend, dal~, wenn ,,durch ~]l~.lieinwirkung die Kittsubstanz", die er mit dem Elastikum identifiziert, ,,gelSst oder gelockert" wird, ,,so erfolgt eine

Im Original Druckfehler: ,nicht" start ,,leicht".

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allseitig gleichmitl3ige nahezu unmerkliche Verquellung des gebildeten Chlorkeratins, da in keiner Richtung mehr Widerstand vorhanden ist". SPSTTZL (S. 606), der als Wesen der Reaktion eine Verquellung der Oberhiiutchenzellen selber ansieht, glaubt, daft die Reaktion dann negativ werde, wenn schon eine vorherige Aus- quellung stattgefunden hat, und dab ,,die verschiedenartige Wirkung yon S~turen und Laugen.. . auf die schrumpfende bzw. quellende Eigenschaft dieser Medien bei Einwirkung auf die Oberhautzellen zuriickzuftihren" sei. T~,Nz~.I~ (1930b, S. 338) hebt demgegentiber hervor, daft diese Erkliirung aber nicht auf das ge- klemmte Haar anwendbar ist; man mtisse daher annehmen, ,,dab durch starke mechanische Deformationen (eventuell als thermodynamische Wirkungen) und chemische Einfliisse die Textur und die Spannungsverhaltnisse des Haares sowie die Bindung der Cuticula an die Rinde beeinfluflbar sind". K~O~ACHER und SXXZ~OER bzw. KRO~ACHEI~ und LODEMA~ (S. 148) endlich fassen ihre Resultate kurz dahingehend zusammen, dal3 das ALLWORD~Nsche Phiinomen nur dann auf- treten kann, ,,wenn der unter der Cuticula liegende Stoff noch vorhanden ist und seine charakteristischen Eigenschaften bewahrt hat, und wenn die Cuticulaschuppe unverletzt ist".

Es ist klar, daB nach unseren neuen Erkenntnissen keine der hier angefiihrten Vermutungen mehr eine befriedigende Erkl~rung fiir das Zustandekommen des Ausfalls der Reaktion abzugeben vermag. Gegen- fiber SPSTT~L ist ZU betonen, daB es sich bei dem AI~wS~DENschen Ph~nomen keineswegs um eine einfache Verquellung von Oberhs zellen handelt, sondern dad die Blasen typische geformte Gebilde dar- stellen, fiir deren Entstehung und Ausbildung ihre Membran eine wesent-

l iche Rolle spielt. Aber auch die yon anderen Autoren verantwortlich gemachte ZerstSrung der ,,Membran" kann nicht als Ursache des Reak- tionsausfalls angesehen werden, da die betreffenden Untersucher, wenn sie von ,,Membran" sprechen, dieselbe mit ganzen Epidermiculazellen gleichsetzen. Und was endlich die Betrachtung der ZerstSrung oder LSsung des hypothetischen Elastikums bzw. der Kittsubstanzen als urs~chlichen Faktor anbetrifft, so miissen solche Momente nach unseren Erfahrungen vollends ausgeschlossen sein, weil derartige Stoffe am Zu- standekommen der Reaktion ja gar nicht irgendwie beteiligt sind.

a) Die mechanische Isolierung der Schi~ppchen. Die Probe aufs Exempel zu machen, wiirde es in dem letzten Falle

natfirlich bedeuten, wenn man versuchte, das ALLWSRDv,~sche Ph~nomen auch an einzelnen, aus ihrem Verbande herausgelSsten Oberh~utchen- schuppen hervorzurufen. Leider gelang es nicht, auf mechanischem Wege wohlerhaltene Schuppenzellen zu isolieren. Dagegen lieB sich dureh eine andere Methode verh~ltnism~Big leicht eine Versuchsanordnung erzielen, die zwar auf weniger elegante Weise, aber wohl ebenfalls ein- deutig den gesuchten Beweis liefert. Es zeigte sich n~mlich, daB bei der Anfertigung yon grSberen Querschnitten besonders nach weniger guter Einbettung in Paraffin und bei Benutzung nicht allzu scharfer Messer die Haare oftmals in der Weise ,,zerbrochen" werden, daB einzelne wohlerhaltene Schuppen das abgebrochene Ende der Rindenschicht

Z. f. ZeUforschung u. m ik r . Anator~ie . 29. Bd. 3

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betr/ichtlich tiberragen. Da an solchen teilweise isolierten Zellen die gleichen typisch ausgestalteten Blasen entstehen (Abb. 13 und 14), wie es an unverletzten Stellen des Haares der Fall ist, kSnnen selbstverst/~ndlich weder Kittsubstanzen noch irgendwelche andere hypothetische, unter der Epidermicula gelegene Stoffe ffir das Zustandekomrnen bzw. ihre ZerstSrung fiir den Ausfall der Reaktion verantwortlich gemacht werden.

Durch die betreffenden Pr/~parate werden aber gleichzeitig noch weitere, teilweise schon aus der direkten Beobachtung erschlossene

Abb. 13. M u s musculus. Blasenbi ldungen an e inem S c h n i t t p r a p a r a t m i t f re ie r

Schuppe. 2100fach.

Abb. 14. Talpa europaea. Zusammenge- flossene Pa r t i a lb lasen an e inem Schni t t -

p r ~ p a r a t m i t f re ier Schuppe. 860fach.

Tatsachen bestgtigt. So zeigt sich, dab wirkhch, wie vermutet, die relative Formstabilitgt der Blasenbasis bei den meisten Haarsorten mindestens nicht nur durch die unterlagernde Rindenschicht bedingt wird, sondern vor allem dadurch zustande kommt, dab der zweifellos prgformierte Blasenraum die Schuppe nicht dorsoventra]-symmetrisch in zwei gleich starke Zellhglften zerlegt, sondern in eine dicke Innenwand und eine viel zartere AuBenmembran, deren Elastizit/itskr/tfte auch bei maximal ausgebildeten Blasen meist nicht geniigen, um den Formwiderstand der Hauptmasse der Schuppe zu iiberwinden. Andererseits jedoeh k6nnen ldeinere, zuf/tllig abgeschnittene Spitzenteile von sonst sehr stabilen Sehuppen (z. B. vom Maulwurf) eine oft gar nicht geringe Deformation aufweisen, woraus sich ergibt, dab auch die rindenw/~rts gelegene Sehup- penwand eine immerhin so betr/~chtliche Erweichung erfahren haben

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muB, dab die im normalen Zusammenhang bei vielen Haaren zu beob- achtende Emporhebung und Verbiegung dieser Innenwand durch die Blasenbildung unterlagerter Nachbarschuppen, also die Entstehung von Riesenblasen, wohl verst/~ndlich ist.

W/~hrend bei den erw/~hnten isolierten Spitzenteilen niemals die Entstehung echter Blasen beobachtet werden konnte, war das Auftreten yon solchen bei anderen angeschnittenen, aber ein grSBeres Areal dar- bietenden Zellen verschiedentlich zu konstatieren. Immer handelte es sich hier jedoch urn kleine, niemals die ganze zur Verfiigung stehende Schuppenfl/~che einnehmende Bl~schen, wie sie vor allem nach vorzeitiger Unterbrechung der Chlorierung in gleicher Weise auch an unverletzten Zellen auftreten. In der fiberwiegenden Anzahl der F~lle fehlt dagegen bei verletzten Zellen auch diese Art yon Blasengebilden, da sich im all- gemeinen die eingangs beschriebenen Blasenherde, die ja schon vor der Emporw~lbung der Membran zusammenfliellen, bis an den ,,Wundrand" ausdehnen, so dab an dieser Stelle die ,,quellende" Substanz frei zutage treten, und somit, selbst in dem Falle, dal~ an anderem Orte noch eine Aufnahme von Wasser durch die Membran stattfinden sollte, infolge des Fehlens eines Widerlagers keine Zellauftreibung resultieren kann.

Ein etwas anderes Bild ergeben nur die Haare der Fledermis bei denen die Blasen und damit auch die Blasenherde schon normalerweise nur auf den apikalen Teil der Schuppen beschr/~nkt bleiben. Hier gelingt es, auch an Zellstiicken, die nicht weit unterhalb dieses Gebietes ab- geschnitten worden sind, maximal und typisch ausgebildete Blasen hervorzurufen. Da nur dann, wenn einmal eine Blase bis ganz dicht an den Schnittrand reicht, eine zwar langsame, aber offensichtliche Ent- leerung ihres Inhaltes stattfindet, diirfen wir wohl in Verbindung mit den obengenannten F/~llen schlieBen, dal~ die Grenzschicht zwischen AuBen- und Innenwand der Zelle in typischem Zustande fiir den Blasen- inhalt ebenso undurchl~ssig ist wie die Blasenwandung selbst, und dal~ hierin erst dann eine Anderung eintritt, wenn durch Vorgiinge, wie sie z.B. eben bei der Chlorierung stattfinden, eine gewisse Auflockerung des Zellinneren erzeugt wird; denn die einfache Annahme einer an den betreffenden Stellen beginnenden Homogenit~t der Zelle konnte nicht nut schon weiter oben als unwahrscheinlich abgelehnt werden, sondern wird gerade in vorliegendem Falle dadurch ausgeschlossen, dal~ es dureh S/~urewirkung m6glich ist, ebenso wie beim unverletzten Haar noch eine weitere, sekund~re Ausbreitung der Blase zu erzielen, was bei einer eventuellen Ausdehnung bis zur Schnittfl~che selbstverst/indlich zur raschen Entleerung des Gebildes fiihrt.

Mit diesen Versuchen diirfte wohl endgiiltig gezeigt sein, dall die Entstehung des AT,LW6~D~,Nschen Phanomens auf Bedingungen beruht, die ausschlieBlich den Epidermiculazellen selber eigen sind, und dab irgendwelche hypothetischen Stoffe aus anderen Schichten des Haares

3*

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in keiner Weise am Zustandekommen der Blasen urs~chlich beteiligt sein kSnnen.

b) Die Mazeration mittels Trypsins. Nach Kenntnis dieser Ergebnisse muB es deshalb jetzt zunRchst

verwunderlich erscheinen, dab das Bemfihen, nun auch bei auf enzyma- tischem Wege isolierten Schfippchen eine Blasenbildung hervorzurufen, zu ganz anderen Resultaten ffihrte.

Allgemein wird angenommen, dab durch die Mazeration des Haares mit Hilfe yon Verdauungsfermenten eine Isolation der Zellen erreicht wird, die nur auf einem Abbau der Intercellularsubstanzen beruht, ohne dab dabei die keratinierten Zellen selber morphologisch vers oder auch nur chemisch irgendwie angegriffen werden. Dal:J auf solche Weise erhaltene Einzelschfippchen noch eine positive ALLwb~DE~sche Reak- tion zeigen wiirden, war daher als nicht unwahrscheinlich zu erwarten.

Die Versuche wurden nach den Angaben yon BURGess durchgefiihrt. Zur Hauptsache wurde Trypsin (Schering-Kahlbaum A.G.) in Konzentrationen yon 0,2, 0,5, 2 und 5% benutzt, die sieh in ihrem Erfolg nicht wesentlich voneinander unterschieden; gepuffert wurde mit einbasischem Kaliumphosphat (nach SSRENS~.N) und Borax; das PH betrug etwa 8,5, die Temperatur 35--40 ~ C. Bei 1Rnger dauernden Vemuchen, bei denen das PH nicht immer konstant blieb, wurde zu gegebener Zeit meist das ganze Medium dureh neues ersetzt. Einige Versuche mit Pepsin (PH etwa 1,5) ergaben keine Besonderheiten und werden daher in folgendem nicht weiter beriicksichtigt. Als KontroUen dienten Materialien gleicher Herkunft in reiner PufferlSsung. Ein Zusatz yon geringen Mengen yon Toluol erwies sich stets als notwendig und war zweifellos ohne nachteiligen EinfluiL Eine gute Entfettung der Haare, wofiir ~ther oder Chloroform dienten, war ffir die rasche und gleichm~6ige AngriffsmSgliehkeit des Fermentes nicht unwesentlich.

Die Dauer der Versuche mu•te unerwartet lange ausgedehnt werden, da die ffir den Mazerationserfolg notwendigen Zeiten bei den verschie- denen Haarsorten betr~chtliche Unterschiede aufwiesen. Bisher sind solche Versuche wohl fast ausschlieBlich an Schafwolle, und dazu meist noch an textiltechnisch vorbehandelter, vorgenommen worden. :Die Schafwolle (Heidschnucke, vom Rficken) lieB sich nun auch in unseren Versuchen in der fiblichen Zeit yon einigen Tagen bis zu einer Woche recht gut zerlegen, die fibrigen haupts~chlich untersuchten Materialien (Lepus europaeus.Schwanz, Talpa europaea-Rficken, Phyllostoma hasta- tum.Rficken) dagegen waren wesentlich schwerer angreifbar, so dab bei :Nachhilfe durch etwas Druck auf das Deckglas und Hinundherbewegen die Haare des Maulwurfes erst nach etwa 3 Wochen, die des Hasen friihestens nach 4 Wochen und die der F]edermaus selbst nach 6 Wochen erst an einigen Schnittenden zum Zerfall zu bringen waren. Nach dieser Zeit abet wurde der Ausfall der A~wS~DE~schen Reaktion bei den Kontrollen wesentlich negativ; eine Fortsetzung der Versuche fiber diese Zeit hinaus konnte daher ffir unser Problem nur yon geringerem Interesse sein.

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Eine merkliche Abnahme der Blasenbildung konnte bei den Kon- trollen aller Pr~parate nach etwa 4 Wochen beobachtet werden. Dieser Ausfall geschieht in typischer Weise, indem die Anzahl der entstehenden Blasen geringer wird und ihre Gr6Be eine zunehmende Einschrs erf~hrt; durch Ws und Trocknen war keine Regeneration des BlasenbildungsvermSgens mehr zu erzielen. Ganz anders dagegen ver- hielten sich die Versuchspr~,parate. Zwar kommt es auch hier zu einer Unterdriickung der Blasenbildung, diese ist aber zeitlich abh~ingig von dem Mazerationserfolg und fiihrt teilweise zu g~nzlich atypischen Formen. Da in diesen Beziehungen die verschiedenen Haararten scheinbar groBe Unterschiede aufzuweisen haben, sollen sie zun~chst kurz einzeln be- sprochen werden.

Die mit Trypsin behandelte Schafwolle zeigt nach 2 Tagen noch keine bedeutenderen Veranderungen. Wird sie chloriert, so treten fast iiberall typische Blasen auf, die nur an einigen Stellen die Form yon flachen, aber besonders gut fiirbbaren Riesenblasen zu haben scheinen (Abb. 15a). Diese Gebilde erweisen sich jedoch bei naherer Unter- suchung als lokale Abhebungen der Epidermicula, die aus einigen wenigen, flach kuppelfSrmig emporgewSlbten Schiippchen bestehen~ welche selber zwar ein wenig gequollen erscheinen, jedoch bis auf ganz wenige Aus- nahmen jede eigentliche Blasenbildung vermissen lassen. Durch HCI- Behandlung lassen sich die Schiippchen adstringieren, wobei sich die abgehobene Oberhautchenpartie oftmals wieder der (stark quellenden) Rindenschicht eng anlegt, ein Verhalten, dab so sehr im Gegensatz zu dem der Blasenmembran steht, dab es als einwandfreies Kriterium fiir den nicht blasigen Charakter der betreffenden Gebilde gelten kann.

Nach etwa 5 Tagen hat die partielle Abhebung der Epidermicula (nach Chlorierung) so weit zugenommen, daB eine Verwechselung mit Riesenblasen ausgeschlossen ist. Dafiir zeigt die emporgehobene Schup- penschicht jetzt aber nicht mehr den einheitlichen kuppelartigen Bau, sondern besteht aus vielen solchen Einzelkuppeln, so dab das Bild an jene Praparate erinnert, die man bekanntlich erhalt, wenn man die Epi- dermicula durch starke Alkalien zu isolieren versucht. Da in nachster Nachbarschaft noch immer einige Blasen vorhanden sind, kSnnte der Eindruck entstehen, dab die ganze abgehobene Partie nur aus sekundar zusammengeflossenen Blasen bestehe, was in Zusammenhang damit, dab auf diesen Gebilden jegliche Andeutung einer wirklichen Blasen- bildung fehlt, sehr fiir jene Hypothesen sprechen wiirde, die eine Identitat der Blasenmembran mit der ganzen Epidermiculazelle annehmen. Weil ferner die EmporwSlbung des Oberhautchens nur dutch das Auftreten eines I)ruckes aus dem Inneren verstandlich ist, die Rindenzellen aber so gut wie unbeeinfluBt bleiben, scheint es tatsachlich erwiesen, dab die Quellung gewisser, wenigstens zwischen Rinden- und Schiippchenschicht gelegener Intercellularsubstanzen sehr wohl zu der Leistung fahig ware,

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die ihr bei der Entstehung des ALLWSRDENschen Ph~nomens zuge- schrieben worden ist. Erst die Feststellung, dab die Blasenbildung schon zeitlich vor der ersten Abhebung der Schfippchenschicht an der betref- fenden Stelle sistiert, schlieBt auch hier unmittelbar die angefiihrten SchluBfolgerungen aus.

Nach 10 Tagen etwa ist der MazerationsprozeB so weit fortgeschritten, dab die Epidermicula bei der Chlorierung im Verlauf des ganzen Haares wie ein mehr oder weniger gewellter Schlauch abgehoben wird (Abb. 15 b). Blasen treten in ~bereinstimmung damit jetzt nirgends mehr auf. Die

Abb. 15a und b. Schafwolle, m i t Tryps in v e r d a n t und chlor ier t , a Nach 3tfigiger Behandlung, b nach 10t~giger Behand lung . 460fach.

meisten Haare zerfallen schon vor der Chlorierung leicht in ihre Ele- mente, und durch geringe mechanische Nachhilfe ist stets eine g~nzliche Isolation der Rindenzellen zu erreichen. Die Epidermicula dagegen 15st sich meist noch in Form yon groBen, zusammenh~ngenden H~uten ab, die durch die Chlorbehandlung eine geringe Verquellung erfahren. Irgendwelche auch nur erste Anzeichen einer Blasenkeimbildung sind nicht mehr zu beobachten. L~ngeres W~ssern und Trocknen beeintr~ch- tigt den Grad der Epidermiculaabhebung, bleibt aber sonst auf das Ver- halten des Pr~parates, wie auch auf das aller folgenden, ohne EinfluB. DaB auch nach etwa 40t~giger Trypsinverdauung sich noch oft groBe, kontinuierliche Schfippchenpartien finden, zeigt, dab diese Zellart in wesentlich festerer Verbindung miteinander steht als die Elemente der Rindenschicht.

Anders verhalten sich in dieser Beziehung die mehr frei stehenden Schuppen des Hasen- und Maulwurfhaares. Bei fortgeschrittener Maze- ration kommt es hier nie zur AblSsung grSBerer Oberh~utchenteile, und selbst die Isolierung nur einiger weniger noch zusammenh~ngender

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Schiippchen ist selten; h6chstens in den basalen Teilen der Zellen besteht mitunter noch ein Konnex. Trotzdem wird auch bei diesen Formen das Oberh~utchen nach der Chlorierung, wenn aueh wenig, so doeh als Ganzes abgehoben; bei mechanischer Beanspruchung jedoeh zeff~llt es meist. Der Rtickgang der Blasenbildung erfolgt allm~hlich. Beim Hasenhaar werden die Blasen kleiner und flacher. Durch die mit der Chlorierung ver- bundene geringe Quellung eregieren sich die Schiippchen etwas, weichen dadurch aus- einander und lassen so an g~nzlich freistehen- den Stellen mitunter noch kleine Bli~sehen auf ihrer Oberfls erkennen. Zu einer Zeit, wo die Schuppenzellen bereits leicht v o n d e r Rinde abbl~ttern, ist auch bei diesem Ob- jekt die Blasenbildung v611ig verschwunden.

Die Blasen auk den Schuppen des Maul- wurfhaares zeichnen sich bei ihrem Riick- gang durch ihre besonders starke F/iltelung aus, und schliel~lich ist kaum noch zu er- kennen, ob nicht die ganze Schuppe nut un- regelm~Big verquollen ist. Mehr oder weniger scheint das auch in der Tat der Fall zu sein; denn gerade bei dieser starren Schuppenform ist es auff~llig, in wie hohem Grade schon bald nach Beginn des Verdauungsversuches eine Erweichung der Oberh/~utchenzellen statt- finder.

Eine solche Erweichung ist auch fiir alle anderen Formen charakteristisch und fiihrt Abb. 16. Phyllostomahastatum. bei den Fledermaushaaren zu ganz beson- Blasenformen nach 40t~i~clger

deren Erseheinungen. Zun~chst wird hier Behandlung mit Trypsin. 1200fach .

durch den Blasendruck die Schuppe auch nach der Innenseite etwas aufgewSlbt, und zwar besonders in der N~he des freien Randes, so dab dieser den oberen Tell der Blase fast wie ein diinner, vor- springender l~eifen umgibt. Sps aber wird oftmals aueh dieser Reifen, wenigstens teilweise, mit in die Blasenwand einbezogen, und es resultiert so ein Gebilde, das yon der urspriinglichen Schuppenform iiberhaupt nichts mehr erkennen 1M3t, da die basale Blasenwand j etzt ebenso aufge- trieben ist wie die eigentliehe Membran und fast ohne jede Abgrenzung in diese iibergeht (Abb. 16, oben). In anderen Fallen dagegen kommt es zur Entstehung einer Riesenblase, die auf einer Abhebung der Membran fiber die gewShnliche untere Grenze hinaus beruht, des.wahrscheinlich ge- ringeren Innendruckes wegen aber nieht zu einer so starken Deformation der ganzen Schuppe ffihrt wie in dem vorigen Fall (Abb. 16, Mitre).

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Am weitaus h/~ufigsten, ja geradezu charakteristisch fiir das mit Trypsin behandelte und chlorierte Fledermaushaar sind jedoch die zahlreichen, spater sogar ausschlieBlich vorhandenen, eigentiimlichen Blasentypen, die im Sagittalschnitt das Aussehen yon mehr oder weniger sehwach ausgebauchten Flaschen haben (Abb. 16, unten). Ihre Ent- stehung darf wohl so gedeutet werden, dal~ die Blasenbildung zentral beginnt, die Schuppe dann zwar wegen ihrer Erweichung auch nach innen, d .h . nach der der Membran abgekehrten Seite ausgebeutelt wird, der Blasendruck schlieBlich aber doch nicht mehr geniigt, um auch den ,,Flaschenhals" jetzt noch entsprechend aufzutreiben. Schreitet der VerdauungsprozeB weiter fort, so werden die flaschenfSrmigen Gebilde immer flacher, und endlich hSren alle Anzeichen einer Blasenbildung g/~nzlich auf; eine Isolation unverletzter Schfippchen ist aber auch dann noch nicht zu erreichen, nur die Rindenzellen lassen sich teilweise mit nicht unbetr/ichtlicher mechanischer Nachhilfe voneinander trennen.

Wenn somit die Verdauungsversuche auch nieht zu dem erhofften Resultat gefiihrt haben, so scheinen sie mir doch in anderer Weise recht aufschlullreich zu sein. Zunachst einmal ist es offensichtlich, dab die Fermentbehandlung die Keratinsubstanzen des Haares, mindestens die Zellen der Epidermicula, keineswegs so unbeeinflullt laBt, wie wohl bisher meist angenommen worden ist. Wahrscheinlich tr i t t eine hydro- lytische LSsung der Bindungen zwischen den Seitenketten des Keratin- molekiils ein, ohne dab aber die Cystinbriicken gesprengt werden; eine J~nderung des elastischen Verhaltens und wohl auch der Permeabilitat ware die Folge. Die anscheinend grSl~ere Dehnbarkeit der trypsin- behandelten Blasenmembran wiirde sich so erklaren; der Riickgang des BlasenbildungsvermSgens dagegen scheint noch eine andere Ursache zu haben als die eventuell zu vermutende Permeabilitatsanderung.

Da die Schrumpfung wie auch das Verhalten gegen Sauren, Basen und hypertonische SalzlSsungen bei den Blasen der , ,anverdauten" Schuppen selbst zeitlich kaum merkliche Unterschiede erkennen lassen, kann das allmahliche Sistieren der Blasenbildung nicht auf eine fort- schreitende Durchlassigkeitszunahme der Blasenwande zurfickgefiihrt werden. Es mug vielmehr auf dem Mangel an dem die blasigen Auf- treibungen verursachenden Material beruhen. Dieser aber kann wohl nur so verstanden werden, dab die blasenbildende Substanz durch die Wirkung des Trypsins zu Verbindungen abgebaut wird, deren Chlorierung zu Stoffen fiihrt, die entweder leicht nach auBen zu treten vermSgen oder fiberhaupt nicht mehr jenen osmotischen Effekt hervorrufen kSnnen, der eben fiir die Entstehung des ALLWSttDE~cschen Phanomens ursachlich ist. Voraussetzung hierfiir ware, dab der hypothetische Stoff EiweiB- natur hatte, was von vornherein wahrscheinlich ist, und dai~ das Ferment auch wirklich in das Innere der Schuppenzelle gelangen kSnnte. Dies letztere ware am ehesten an jenen Stellen zu erwarten, die wegen ihrer

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Feinheit und freien Lage auch sonst den Umwelteinfliissen am st~rksten ausgesetzt sind, also den freien Schuppenr/~ndern, die sich ja bekanntlich deshalb schon durch ihre leichtere Tingierbarkeit auszeichnen und auf deren Abnutzung LocaTE neuerdings sogar die Entstehung der Z/ihnelung zuriickfiihrt. Vor allem besteht ein solches GefMle in ausgepr/igtem Mal~e bei den weit vorspringenden Schuppen der Fledermaushaare; die Verlagerung des Blasenursprungs vom Rande fort und die Entstehung der eigentfimlichen flaschenfSrmigen Gebilde diirfte somit durch unsere Deutung eine hinreichende Erkliirung linden.

Ob weiter der Verlust der Blasenbildungsf~higkeit, der ja bei allen Objekten zeitlich auffallend mit dem Beginn des Isolierungseffektes der Rindenschicht zusammenfii, llt, mit diesem auch in einem urs/ichlichen Zusammenhang steht, kann auf Grund unserer Beobachtungen noch nicht entschieden werden. Es ist allerdings der Gedanke naheliegend, dal~ der natiirliche Schutz des Oberhi~utchens, der das Eindringen schi~d- licher Stoffe in das Innere des Haares weitgehend verhindert, auch der AngriffsmSglichkeit des Fermentes eine nur schwer zu fiberwindende Schranke entgegensetzt, weshalb dessen Wirksamkeit auf die Inter- cellularsubstanzen der Rindenschicht erst dann beginnen kann, wenn die Schuppenw/~nde bereits g~nzlich durchdrungen sind, wobei der leicht angreifbare und verdauliche Zellinhalt natfirlich als erstes abgebaut werden wiirde. Dal~ das Oberh/~utchen kein kontinuierlicher Schlauch ist, sondern aus lauter einzelnen Zellelementen besteht, mug zu dieser Auf- fassung noch nicht unbedingt in Widerspruch stehen, denn dab die ,,Zwischenzellsubstanzen" der Epidermicula einen Weg darbieten, auf dem das Medium in die inneren Schichten des Haares gelangen kSnnte, ohne die Schfippchenzellen selber passieren zu miissen, w/s eine An- nahme, die keineswegs bewiesen ist. Im Gegenteil, die auBerordentliche Resistenz, die diese epidermikul~ren Intercellularstoffe dem Verdauungs- ferment entgegenzusetzen verm5gen, kSnnte eher als ein Indizium gegen ihre relativ leichte Durchdringbarkeit aufgefallt werden.

Es mag deshalb an dieser Stelle noch erw/~hnt sein, dab der Ver- dauungsversuch oftmals einen wesentlich anderen Verlauf nimmt, wenn das verwendete Material einer etwas sch~digenden, besonders alkalischen Vorbehandlung unterzogen wird. In diesem Falle wird der Mazerations- vorgang nicht nur beschleunigt, sondern erf~hrt auch insofern eine ~nderung, als dal~ die Isolierung der Zellen jetzt deutlich in der peri- phersten Schicht beginnt. Zuerst findet eine Aufrichtung und Lockerung der Schuppen statt, diese bl/ittern ab und erst dann erfolgt das Aus- einanderweiehen der Rindenelemente. Diese Umkehrung der Reihenfolge kSnnte sehr wohl mit einer vorbereitenden Auflockerung, d.h. einem teflweisen Abbau der Zwischenschuppensubstanz in Zusammenhang gebracht werden, so dail diese dann fiir das Ferment sowohl leichter angreifbar als auch rascher zu durchdringen w/~re.

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Wie dem jedoch auch sein mag, den allgemeineren Schlufi, dal~ die Intereellularsubstanzen der Schuppen- und der Rindenschicht wenigstens chemisch nicht miteinander zu identifizieren sind, dfirfen wir aus dem Verhalten des anverdauten und chlorierten Haares wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit zu ziehen berechtigt sein. Ob auch histologisch ein prinzipieller Unterschied zu machen ist, d. h. die Verbindungen im Oberhgutchen gar nicht nur als sezernierte Kittsubstanzen, sondern auBerdem auch noch als wahre, vielleicht sogar teilweise keratinisierte Zellbrticken aufzufassen sind, ist dagegen eine Frage, die noch weiterer Untersuchungen bedarf, die wegen des Nachweises der auBerordent- lichen Resistenz dieser Gebilde jedoch durchaus in den Bereich der MSglichkeit gerfickt wird.

Zusammenfassung.

1. Die bei der Behandlung des Haares mit Chlorwasser entstehende Blasenbildung (ALLw51~D~Nsche Reaktion) beruht weder auf dem Her- vorbrechen einer Kittsubstanz (Elasticum) aus dem Inneren des Haares, noch auf einer Verquellung der Epidermiculazellen, noch auf deren blasiger EmporwSlbung durch den Druck sich auflSsender Intercellular- stoffe. Das ALLWS~DENsche Ph/inomen wird vielmehr ausschliel~lich verursacht durch die Wirkung einer in den Oberh/~utchenschuppen selbst befindlichen und nach Chlorierung 16s]ichen Substanz.

2. Die Gestalt der Blasen wird sowohl durch innere (Anordnung der blasenbildenden Substanz) als auch durch /~ul3ere Faktoren (Beengung (lurch die fiberlagernden Nachbarschuppen) bedingt. Die oft zu kon- statierende Kongruenz zwischen Blase und freier Schuppenfl~che ist hierdurch verst/~ndlich.

3. Besonderen Bau- und Strukturverhgltnissen des Oberh/~utchens entsprechen besondere, spezifisch zugeordnete Ausgestaltungen der Blasenform. Die Apikalzelle des Haares nimmt niemals an der AI~- W6XD~:sschen Reaktion tell.

4. Die Blase wird von einer Membran begrenzt, die mit der dorsalen ,,Zellwand" der Schuppe zu identifizieren ist und die eine bedeutende Permeabilitgt fiir hypertonische Medien, nieht aber ffir die eingeschlos- sene blasenbildende Substanz besitzt.

5. Durch Fgrbung mit Methylenblau lgl~t sich die Durchl~ssigkeit der Blasenwand ffir hypertonische LSsungen vollkommen bloekieren, so dab diese jetzt dieselben Wirkungen hervorrufen wie bei einer ideal semipermeablen Membran. Der Effekt wird reversibel nach Auswaschen oder ZerstSren des Farbstoffes.

6. Die blasenbildende Substanz ist eiweiBartiger Natur; sie wird durch Trypsin verdaut.

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~ b e r den Feinbau des Si~ugetierhaares und die Allwfrdensche Reaktion. 43

7. A u s d e r w e s e n t l i c h g r S B e r e n R e s i s t e n z d e r E p i d e r m i c u l a g e g e n d ie

E i n w i r k u n g y o n T r y p s i n w i r d gesch lossen , d a b d ie V e r b i n d u n g d e r

S c h u p p e n z e l l e n u n t e r e i n a n d e r a u f e i n e r a n d e r e n A r t y o n V e r k i t t u n g

b e r u h e n m u g a l s d ie d e r Z e l l e n d e r R i n d e n s c h i c h t .

L i t e r a t u r .

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