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Ober die Abhangigkeit der Kraftempfindungen von del' zu bewegenden Masse und derBewegungsgeschwindigkeit.' Von Yrjo Renqvist und Atle Malin. (Aus dem Physiologischen Institut del' Universitat Helsingfors.) In einer friiheren Arbeit hat del' eine von uns gezeigt", daB zwei Bewegungen mit verschieden groBen tragen Masson dann als gleich schwer empfunden werden, wenn die Grolie Kraft mal Zeit, die Spannungszeit, del' Bewegungen gleich grof sind. Wenn von den zu vergleichenden Be- wegungen die eine willkiirlich, die andere abel' elektrisch ausgelost wird, gilt dasselbe. Auch dann beruht die Schwereaquivalenz auf del' Aqui- valenz del' Spannungszeiten." Die Bewegung in diesen mit dem Hi 11- schen Inertieergometer ausgefiihrten Versuchen waren Hin- und Her- bewegungen des Unterarms im Ellbogengelenk. Die zwei zu vergleichenden Bewegungen bestanden beide aus drei gleichmaliigen Beugungen und Streckungen, und die Dauer del' ganzen Bewegung war ungefahr 3 bis 4 Sek., also ungefahr 1-1· 3 Sek. fur eine einzige Hin- und Herbewegungs- phase. In einer eben an die Offentlichkeit gelangenden Arbeit von K. Wac h- holder und H. Altenburger4, von welcher wir durch die Liebens- wiirdigkeit eines del' Autoren die Korrektur bekommen haben, wofiir wir auch hier unsere Dankbarkeit bezeigen wollen, wird die Kraftent- wicklung del' Muskeln bei verschieden schnellen Hin- und Herbewegungen in verschiedenen Gelenken, auch im Ellbogengelenk, untersucht. Durch gleichzeitige Aufzeichnung del' Bewegung und del' Aktionsstrome konnten 1 Del' Redaktion am 29. November 1926 zugegangen. 2 Y. Re nq vist, Dies Archiv. 1926. Bd. L. 3 Y. Re nq v is t undA. Malin, Ebenda. 1927. Bd. LI. S.136. 4 K. Wachholder und H. Altenburger, P£liigers Archiv. 1926.

Über die Abhängigkeit der Kraftempfindungen von der zu bewegenden Masse und der Bewegungsgeschwindigkeit

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Page 1: Über die Abhängigkeit der Kraftempfindungen von der zu bewegenden Masse und der Bewegungsgeschwindigkeit

Ober die Abhangigkeit der Kraftempfindungen von del'zubewegendenMasse und derBewegungsgeschwindigkeit.'

Von

Yrjo Renqvist und Atle Malin.

(Aus dem Physiologischen Institut del' Universitat Helsingfors.)

In einer friiheren Arbeit hat del' eine von uns gezeigt", daB zweiBewegungen mit verschieden groBen tragen Masson dann als gleich schwerempfunden werden, wenn die Grolie Kraft mal Zeit, die Spannungszeit,del' Bewegungen gleich grof sind. Wenn von den zu vergleichenden Be­wegungen die eine willkiirlich, die andere abel' elektrisch ausgelost wird,gilt dasselbe. Auch dann beruht die Schwereaquivalenz auf del' Aqui­valenz del' Spannungszeiten." Die Bewegung in diesen mit dem Hi11­schen Inertieergometer ausgefiihrten Versuchen waren Hin- und Her­bewegungen des Unterarms im Ellbogengelenk. Die zwei zu vergleichendenBewegungen bestanden beide aus drei gleichmaliigen Beugungen undStreckungen, und die Dauer del' ganzen Bewegung war ungefahr 3 bis4 Sek., also ungefahr 1-1· 3 Sek. fur eine einzige Hin- und Herbewegungs­phase.

In einer eben an die Offentlichkeit gelangenden Arbeit von K. Wach­holder und H. Altenburger4, von welcher wir durch die Liebens­wiirdigkeit eines del' Autoren die Korrektur bekommen haben, wofiirwir auch hier unsere Dankbarkeit bezeigen wollen, wird die Kraftent­wicklung del' Muskeln bei verschieden schnellen Hin- und Herbewegungenin verschiedenen Gelenken, auch im Ellbogengelenk, untersucht. Durchgleichzeitige Aufzeichnung del' Bewegung und del' Aktionsstrome konnten

1 Del' Redaktion am 29. November 1926 zugegangen.2 Y. Re n q vist, Dies Archiv. 1926. Bd. L.3 Y. Renqv is t undA. Malin, Ebenda. 1927. Bd. LI. S.136.4 K. Wachholder und H. Altenburger, P£liigers Archiv. 1926.

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die Autoren zeigen, daf bei langsamen Hin- und Herbowegungen del'Bewegungsablauf nicht nur durch aktive Muskeltatigkeit, sondern wesent­lich auch durch passive Ursachen, Elastizitat und Tragheit mitbedingtwird, Bei ganz langsamen Bewegungen, wo eine Hin- und Herbeweguugs­phase im Ellbogengelenk uber 1· is Sek. dauert, sind die passiven Kraftesogar die richtungsbestimmenden. Die Streckung geht in die Beugunguber, wahrend die Streckmuskeln immer noch tatig sind, und erst sparerim Verlauf der Bewegung treten die Beugemuskeln in Aktion und be­harren in dieser noch nach dem Ilbergang der Beugungsphase in diefolgende Streckung. Die Bewegungsumkehr geschieht also immer ent­gegen der Wirkungsweise der Muskelkrafte und durfte mithin \'011

elastisehen Kraiten bedingt sein.Bei etwas schnelleren Bewegungen von 1· 3 bis 1· is Sek. Dauer sind

die Muskelkrafte die richtungsbestimmenden. Die Umkehrpunkte derBeuge- bzw. der Streekbewegung fallen zusammen mit dem Kontraktions­beginn der Beuge- bzw. der Streckmuskeln. Und die Tatigkeit derMuskeln hort auf ungefahr gleichzeitig mit dem Beginn der Bewegungs­verlangsamung, welchs letztere also durch elastische Krafte bedingtsein muls.

Wenn die Bewegungsdauer noch verkurzt wird und weniger als1· 2 Sek. betragt, treten die Beuger schon vor Beginn der Bewegung inAktion, die Streckung an ihrem Ende bremsend. Und dann bleiben siein Tatigkeit uber den Umkehrpunkt hinaus, die Beugung bewirkend,bis ungefahr zu deren Halite oder ZUlU ersten Drittel derselben. Vonden Streckmuskeln gilt entsprechend ganz dasselbe. In diesem schnellenBewegungstempo sind auch die Muskelkrafte bedeutend, wie die groBenAmplituden der Aktionsstrome zeigen. Und sie setzen plotzlich einund behalten wahrend ihrer Tatigkeitsdauer cine ziemlich konstanteStarke.

Die Untersuchung von Wachholder und Altenburger hat alsogezeigt, daf nur bei schnelleren Bewegungen im Ellbogengelenk, miteiner Dauer der Hin- und Herbewegungsphase von weniger als 1· 2 Sek.,der Bewegungsablauf, die Kurve der Bewegung, einen Ausdruck derrein en Muskeltatigkeiten darstellt. Bei den etwas langsameren Be­wegungen von 1· 3 bis 1· is Sek. Dauer durften die Bewegungskurvenauch immer noch hauptsaehlich die direkten Muskelwirkungen aus­drucken. Die langsamsten Bewegungen von uber 1· is Sek. Dauer gebendagegen Kurven, bei deren Zustandekommen die passiven Kraftekompo­nenten den aktiven Komponenten uberlegen sind.

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UBEg DIE ABHANGIGKEIT DIm KHAFTE1IPFINDUXGEN l1SW. ] 3£1

Nul' aus dem Verlauf del' Kurven del' schne11en und auch wahr­scheinlich del' mittelschne11en Bewegungen kann also die GroBe del'aktiven Muskelkrafte (del' aktiven Komponenten) herausgelesen werden.

Bei unserer Untersuchung del' Kraftempfindungen war, wie gesagt.die Dauer einer Hin- und Herbewegungsphase 1 bis 1· 3 Sek. in del' erstenund 1· 2 his 1· 6 Sek. in del' spateren Arbeit. Zwei del' Zahlen entsprechendel' Gruppe del' kurzesten Dauer del' Bewegung nach Wachholder undAltenburger, die zwei anderen gehoren zu ihrer mittelschne11en bzw.langsamen Gruppe.

Es ist naturlich, daf bei einer Hin- und Herbewegung die aktivenl\luskelkriifte bei einer und derselben Dauer del' Bewegung den passivenKraften um so mehr iiberlegen sind, je groBer die zu bewegende Masseist, Das Verhaltnis del' aktiven Muskelkrafte und del' passiven Kraftewird also nicht nul' von del' Bewegungsdauer, sondern auch von del' Grofsedel' zu bewegenden Masse und wahrscheinlich auch von del' Bewegungs­amplitude abhangig sein. Die GroBe der Zeitdauern del' obenerwahntenGruppen del' schne11en, mittelschne11en und langsamen Hin- und Her­bewegungen wird also, wie auch Wachholder und Altenburger be­merken, nul' eine relative, Iur die gebrauchte trage Masse und Bewegungs­amplitude giiltige sein.

Um die Bedeutung des von Wachholder und Altenburger nach­gewiesenen Zusammenhangs von Bewegungsdauer und Wirkungsweisedel' tatigen Muskeln bei Hin- und Herbewegungen fur die Schwere­empfindungen zuuntersuchen, haben wir nun neue Versuche mit ver­schiedenen Bewegungsdauern am Hill schen Ergometer ausgefiihrt.

Die Versuche wurden in derselben Weise wie die friiheren aus­gefiihrt. Zwei dreimalige Hin- und Herbewegungen mit der gleichenAmplitude, abel' mit verschieden grolien trag-en Massen wurden so ab­gestuft, daB sie gleich schwer erschienen. Zuerst wurden die aquivalentenMassen 7·40 und 9· 59 kg, also dieselben wie in den friiheren Arbeiten,in Bewegung gesetzt.l Die Bewegungsdauer einer Hin- und Herbewegungdel' kleineren Masse war im Anfang der Versuchsserie ungefahr 1· 2 Sek.,welche Zeitdauer del' Versuchsperson durch ein Metronom angegebenwurde, Nach etwa 5 bis 9 gelungenen, d.h. als gleich schwer empfundenenBewegungspaaren wurde die Zeitdauer der Bewegungen auf ungefahr

1 Es kann experimentell und rechnerisch gezeigt werden, daB· der Unter­arm, der einen Teil der bewegten Massen bildet, die GroBe der aquivalcntcnMassen und besonders deren hier in Frage kommendes Verhaltnis so wenig be­einfluBt, daB es unterhalb der Fehlergrenzen der Bestimmung liegt.

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160 YRJO RENQVIST UND ATLE lVIALIN:

1· 3 Sek. erhoht, worauf wieder 5 bis 9 Paare gezogen wurden. Undahnliche Versuche machten wir dann mit den Zeitdauern 1· 4, 1· 5, 1· 6,1· 7 und 1· 9 Sek.

Die Resultate sind in del' TabeIle 1 zusammengesteIlt. Im erstenTeil del' TabeIle stehen die Versuche mit del' Dauer von 1· 2 Sek. einerHin- und Herbewegung, im zweiten Teil diejenigen mit del' Dauer1· 3 Sek. usw. Die erste Kolumne aIler TeiltabeIlen enthalt die relative,in del' friiher beschriebenen Weise gemessene Geschwindigkeit- del'ersten Bewegung (VH). Die zweite Kolumne enthalt das Geschwindig­keitsverhaltnis del' mit del' kleineren und mit del' groBeren Masse aus­gefiihrten Bewegungen. Und in del' dritten, breiteren Kolumne stehenschlieBlich die auch in friiher besehriebener ~Weise berechneten Ver-

Tabelle 1.

Schwereaquivalente Bewegungen mit den Massen 7·40 und 9· 59 kg.Versuchsperson M.

10·980±0·05711

6 . 93 I .60 I . 246·771·421·106 .43 I ·27 O·9806·881·341·036·90 1'3T ·05

TH = 1·3 Sek.

Il ' H I J(H' TH

VII -;;;; ](Y • 1'y

6·101'·190·9196·451·210·9346·70 I ·36 1·056·551·150·8886·601·391'076·33 I· 28 O'9886·871·311·01

116.38 I . 32 I· 021,6.781·180.9Ili6·781·240·957

[6 .47 1 .26 0 . 973,6·95 I ·38 1·0717 .58 I .35 I ·04

10·995±0.04311 10·946±0.020

10·912±0.0641

0 ' 9190·834

10· 860±0·059II10 ,841 114.67 1·19O·926 II 4·43 1·08

I .00 II 5·03 I· 09O·896 . 5·50 1·20

IG·907±0·07111 I

6.1311.305.2711.16

TH = 1·6 Sek. TH = 1·7 Sek. TH = 1·9 Sek.

VII

I

VH

IKH·TII

I

~'H

IKH'TH

~'H \~ IKH·TH

-](y. T y VH - Ky· T; Ky·TyVv vv t"v

5·47 1·11 10'857 I 4'5510' 974 0·7521

5 ' 3011 ' 14 10·880

5·70 1·21 0·934 i 4·95 I· II 0·857 15'13 1·19 0·9195·60 1·16 0·896 i 5·23 1·25 0·965 i 5·20 ],15 0·8885·63 0·966 0·746 i 4·92 1·05 0·811 4·47 0·987 0·7625·28 1·06 0·818

1

4 ' 80 1·06 0'818 4·87 1·28 0·9885·83 1·27 0·980 5·30 1·23 0·950 4·80 1·42 1·105·73 1·35 1·04 I 5·13 1·06 0·818 5·27 1·19 0·919

1 Renqvist, a. a. O. 1926, S.63 und S.78.

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UDEll DIE ABlI;\NGIGI<EIT DEll KHAFTE)c[PFINDUNGEK usw, 16]

haltnisse del' Spannungszeiten, d. h. del' GraBen Kraft mal Zeitdauordel' Bewegungen.

Dieses Verhaltnis ist, wie aus del' crstcn Teiltabelle ersichtlich, beieiner Dauer von 1· 2 Sek. del' Hin- und Herbewegung del' kleineren Masseziemlieh gleich 1 in vier von allen Iunf Fallen. Del' Mittelwert ist 1· 08 :0·072 und, den ersten starker abweichenden Fall ausgenommen,1· 04 ± O·035. Bei del' Bewegungsdauer von 1· 3 Sek. del' kleinen Massesohen wir dasselbe: Mittelwert 0·980 ± 0·057. Auch bei del' Dauer1· 4 Sek. gilt ersichtlich dasselbe mit groBer Genauigkeit. Noch beieiner Dauer von 1· 5 Sek. ist das besprochenc Verhaltnis in den meistenFallen ziernlich gleich 1, abel' wenn die kleine Masse in einem Zeitraumvon 1· 6 Sek. einer Hin- und Herbewegung gezogen wurde, sehen wir,daf in vielen Fallen das Verhaltnis mehr als 10 Proz. von 1 abweicht. Del'Mittelwert ist auch O·907 ± O·071. Und bei noch langsamerer Zugzeit(1' 7 Sek.) ist del' Mittelwert bedeutend kleiner als 1, namlich 0·860 ±O: 059. Dasselbe gilt auch bei einer Zugzeit von 1· 9 Sek., wo del' Mittel­wert allerdings hoher, 0·912 ± 0·064, abel' bei Ausschluf eines Ver­suches mit grolier Abweiehung von den anderen (Verhaltnis 1,10) O·889 +0·049 ist. Bei den zwei langsamsten Zeitdauern sind oft zwei, sagar indemselben Tempo gemachte Bewegungen gleieh schwer, was auch aus

den Kolumnen v.n (ungefahr = 1) diesel' Tabellen ersichtlieh ist.vv

Die ganze Serie zeigt also, daB bei den schnelleren Hin- und Her-bewegungen mit den Zeitdauern 1· 2 bis 1· 5 Sek, del' kleineren Masse(und auch del' Zeitdauer 1 Sek. nach den fruheren Versuohen-), und1· 6 bis 2·0 Sek. del' graBen Masse (bzw. 1· 3 Sek. del' friiheren Versuche)die berechneten Spannungszeiten bei schwereaquivalenten Ziigen gleichgrols sind, mit einer mittleren Abweichung ihrer Verhaltniszahl von 1,von 5 bis 6 Proz. Das gilt nicht mehr Iur die langsameren Bewegungenmit den Zeitdauern 1· 6 bis 1· 9 Sek, del' Bewegung del' kleineren und2·1 bis 2·5 Sek. del' grolseren Masse, wo die mittlere Abweichung del'Verhaltniszahl von 1 gleich oder mehr als 10 Proz, ist. Da die psycho­logisehe Streuung in allen Versuchsserien ersichtlich zwischen ungeiahr2 bis 7 Proz. betragt, zeigen also die Versuche del' .letzten Teiltabellen mitTH . 1· 6 bis 1· 9 eine wirkliche Abweichung des Spannungszeitverhiilt­nisses von 1.

Die ungleiche GraBe del' Spannungszeiten bei den langsameren Be­wegungen kann also eine naturliche Erklarung finden in dervon Wach-

1 Renqvist, a. a. O. 1926, S.82 und 85.Skandlnav, Archiv. LI. 11

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162 YRJO RENQVIST UND ATLE MALIN:

holder und Altenburger nachgewiesenen ziemlichen Unabhangigkeitdes Bewegungsablaufs, del' Bewegungskurve von den direkten Muskel­kraften. Nul' in dem Falle direkter Abhangigkeit del' Bewegungskurvevon den Muskelkraften, wie bei den schnelleren Bewegungen, hat dieBerechnung del' Spannungszeiten aus den Kurven einen Sinn. Wenndie Kurven, wie bei langsamen Ziigen, nicht mehr einen Ausdruck del'Wirkung del' Muskelkrafte darstellen, ist cine Berechnung del' letzterenaus den Kurven ohne jeden Sinn, und eine Gleichheit del' Spannungs­zeiten bei gleich schweren Ziigen ist gar nicht zu erwarten.

Die allmahliche Abnahmo des Verhaltnisses del' Spannungszeitenkonnte natiirlich jedoch auch eine psychologische Ursache haben. Weildie wirkenden Krafte bei den ganz langsamen Bewegungen ziemlichschwach sind, ist es nicht unmoglich, daf sie bei del' Schatzung del'Empfindungen nicht mehr in demselben Umfange wie bei den groBenKraften del' schnelleren Bewegungen in Betracht gezogen werden, sonderndaf andere Umstande, andere Reize hierbei ausschlaggebend werden.

Zu einem dem vorher besprochenen analogen Resultat Iuhrte auchdie fruher gemachte Untersuchung del' Reizgrundlage del' Schwere­aquivalenz bei Bewegungen mit derselben Masse, abel' durch verschiedengroBe Strecken. Es wurde hier gezeigt, daB bei einer Dauer von 1· 2 Sek.del' Bewegung mit del' groBeren Amplitude die Krafte bei Schwere­aquivalenz gleich sind, daf dies abel' bei einer Zeitdauer von 1· 5 Sek.nicht mehr mit derselben Genauigkeit del' Fall ist.

Wir wollten nun noch prufen, ob unser mit den aquivalenten Masson7·40 und 9· 59 kg gewonnenes Ergebnis von del' Gleichheit del' Spannungs­zeiten bei gleich schweren Bewegungen sich auch beim Bewegen andererMasson herausstellen wurde, und haben darum den vorigen ahnlicheVersuchsserien gemacht, abel' mit den Massen 7·40 und 10'3kg, sowie7· 40 und 11· 4 kg. Die Tabelle 2 enthalt eine Zusammenstellung allergleich schweren Hin- und Herbewegungen mit den Massen 7·40 und10· 3 kg. Die Dauer del' mit del' kleineren Masse ausgefuhrten Bewegungist hier ersichtlich 1· 2, 1· 4, 1· 6 und 1· 7 Sek. gewesen. Die sechs Ver­haltniszahlen del' Spannungszeiten del' Tabelle mit TH = 1· 2 Sek. gebeneinen Mittelwert von 1·13 ± 0·073; wenn abel' die zwei ersten sehrhohen Werte ausgeschlossen werden, ist del' Mittelwert 1· 08 ± 0·053.Die zweite Teiltabelle mit TH = 1· 4 Sek. zeigt Verhaltniszahlen, welchealle 1 sehr nahe stehen, und del' Mittelwert ist gleich 1· 00 ± 0·038.Wenn also die Bewegungsdauer del' kleineren Masse 1· 4 Sek. oder kurzerbzw. diejenige del' groBeren Masse hochstens 1· 9 Sek. ist, sehen wir,

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VBER DIE ABlL:\NGIGKEIT DJm KRAFTElVIPFINDUNGEN usw. 163

Tabelle 2.

Schwereaquivalente Bewegungen mit den Massen 7·40 und 10·3 kg.Versuehsperson M.

](H' TH

](v·Tv

TH = 1·7 Sek.

IVII IVHVV

7'H = I .4 Sek. Ii T H = 1·6 Sek.

IVII I Xn· Tn II I VH I ICH • Tn

I'n - --- 1, VII 1-·1 ---vv s». Tv jl I Vv Ev·Tv

'.,

7'3711'7711. 27. 6: 8511.42r i 1- 'I ' I

"_0-

1·02 6·07:1·0510·775 :5.2°11.021°.7337·151'67;1·20 7·131·40 1·01 5·ll7,1.17)0.841 Ii 5·41.1 ·l6IO· 8347·051'56:1·12 6· 931I· 30 0·935 5·81!1·24IO·892 I 5·461 . 19 0·8566·88 1·44 1·04 7·37 ],47 ]·06 6·43'1·27'0·913 ,,5·67 1·25 0·8996·70 1·40 1·01 16'77 ]·37 0·985 5·2811']20· 805 11 5'30 1·08 0·7776·43 1'58 1·14 !16·85 1·34 0·963

'I1

:7·30 1·47 1·06 1Iii I

TH = 1·2 Sek.

-=-\1'J! I xn·TnVv I iCv·Tv

, 'I11·00 ::,:0.038: 10.841 =-'-,,0.0501 [0.820::0.054

daB auch bei diesen Massen die Spannungszeiten bei Schwereaquivalenzgleich groB sind.

Bei den langsameren Bewegungen, mit einer Dauer der Phase von1· 6 bzw. 1· 7 Sek., sind die berechneten Spannungszeiten nicht mehrgleich groB, die Verhaltniszahlen weichen meistens bedeutend von 1 ab,was die Mittelwerte 0·841 ± 0·050 bzw. 0·820 ± O: 054 gut dartun.Was von den Bewegungen mit den fruher gebrauchten Massen hierbeigezeigt und gesagt wurde, hat also auch bei den Bewegungen mit diesenMassen Geltung.

Die Tabelle 3 zeigt das Resultat der mit den Massen 7· 40 und 11· 4 kg

Tabelle 3.

Schwereaquivalente Bewegungen mit den Masson 7·40 und 11· 4 kg.Versuchsperson lVI.

6· 1711'44 0·9366· 10 I .36 0· 8846·33 I· 22 0·793

TH = 1·3 Sek. 11· T H = 1·4 Sek.

Z'II I VVIVI I J(H' TH -I VI! II' ~ II KIT'TnJ(v·Tv II 1 1Jy iCv.Tv_

Ii 6· 301'491°' 969 11 5 , 5311'

220· 793Ii 6·231·350· 878 115'5711'290'839Ii 6·351·430·930 11 5 ' 6711 ' 41 ° ' 917

11.54 1·00 i 6·50 1·490·969 6·131·500·975 6·10 1·25 0·8133 ]'53 0·995 i 6·17 1·44 0·936 6· 10'I . 48 ° .962 5·80 1·25 0·813, I51·67.1 ·09 5 '97,1' 36 0·884 5'5711'380. 897

f:~1·150·748

11'631·06 6'5°1 1'49 0·969 5· 701· 2710' 826 1'33'0' 86571'4410'936 6.3011.470.956 5·53 1.35\0.87871'54'1·00 II I

Tn = 1·2 Sek.

7'3°

1

11'47°'956

7·15 1 .59 I· 037·151,520·9886·87·37·36'85·86·4

!1.01±0.037 II 10.933 ±0.031il 10.896±0.057 II11'

·10.841±0·050

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164 YRJO REKQVIST UKD ATLE MALIK:

ausgefiihrten Versucho. IVenn die Bewegungsdauer 1· 2 Sek. ist, sehenwir, daf die Spannungszciten immer sehr nahe gleieh graB sind, Mittel­wert 1·01 ± 0·037. Dasselbe gilt, wenn auch nicht mit derselben Gc­nauigkeit, fiir die Bewegungen mit der Dauer 1· 3 Sek, Hier ist del'Mittelwert 0·933 ± 031. Bei diesen Bewegungsdauern gilt also dieselbeHegel, die wir auch mit den anderen Masson gefunden hatton. IVenndie Dauer auf 1· 4 Sek. steigt, ist die Abweichung der .Verhaltuiszahleuder Spannungszeiten von 1 schon groBer, Mittelwert 0·896 ± 0·057,und bei der Bewegungsdauer von ]·5 Sek. ist der Mittclwert nurnoch 0·841 ± 0·050. Bei diesen langsamen Bewegungen gilt dieRegel also nicht mohr, was die friiher dargelegte natiirliche Ursachehaben kann.

Die mit den lVIassepaaren 7·40 u n d 9·59; 7·40 un d 10,3,sowie 7·40 un d 11·4 kg ausgefiihrten Versuchsserien habenalso gezeigt, daB,· wenn die Hin- un d Herbewegungenschneller ausgefiihrt werden (Dauer einer Bewegungs­phase der kleineren Masse ho oh stens 1·4 b is 1·5 Sek.), dieSpannungszeiten bei gleichen Kraftempfindungen gleichgr oB sind. Bei langsameren Bewegungen (Dauer einer Be­wegungsphase d er kleineren Masse groBer al s 1·5 Sek.) sinddie berechneten Spannungszeiten b ei aqu iv a.len ten Emp­findungen nicht gleich gr oB, was seine Ursache in dem vonIVachholder und Altenburger gezeigten Verhalten derMu sk elkraf te und der Bewegungsablaufe b ei diesen lang­samen Bewegungen haben kann.

Es hatte sich, wie gesagt, in fruheren Versuchen gezeigt, daf beiBewegungen, die mit derselben Masse, dagegen aber durch verschiedenlange Strecken oder in verschiedenem Tempo ausgefuhrt wurden, nichtdie Spannungszeiten, sondern die Spannungen, die Krafte bei Schwere­aquivalenz gleich graB waren. In dem FaIle verschieden groBer Massenstiitzte sich die Kraftempfindung auf die Spannungszeit oder besser aufdie durch die ganze Zeitdauer der Bewegung integrierte Spannung, indem FaIle gleicher Masson, aber verschiedener Bewegungsstrecken oderTempi, stiitzte sich die Empfindung nur auf die Spannung oder dieKraft.

Es hat einen besonderen Reiz, die Ursachen oder besser den mog­lichen inneren Zusammenhang dieses verschiedenen Verhaltens bei ver­schiedenen aulseren Umstanden zu verstehen zu suchen. Auf dem Ge­biete des Gesichtssinnes kennen wir cine mogliehe Analogie zu diesem

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liBEl{ DIE ABII:\XGIGKEIT DER KRAFTElIIPFINDUXGEl\ usw. 16;"5

Verhalten. Bekanntlich haben Bloch 1 und Ch ar p en ti er " gezeigt,daf ganz kurzo Lichtreize, von einer Dauer von hochstens 52 bzw. 125 (J

boi der Sichtbarkeitsgrenze cin konstantes Produkt aus Lichtintensitatund Belichtnngsdauer zeigen. Bei diesen mornentanen Reizen ist alsodie Starke der Lichtempfindnng von der durch die ganze Dauer derBelichtungszeit integrierten Lichtintensitat bedingt. In dem Fallolangerer Belichtung wird das Verhalten jet ein anderes. Bei lang­dauernden Lichtreizen hangt die Starke der Lichtempfindung nur vonder Lichtintensitat ab.

Ein in gewissom Sinne ahnliches Verhaltenkonnen wir auf demGebiete des Gesichtes aueh in bezug auf die Grofie der belichtetenFlache. Bei ganz kleiuflachigcn Lichtreizen (Flacho kleiner als einemGcsichtswinkel von 2 Bogenminuten entsprechend) basiert bekanntlichnaoh Ash er" die Sichtbarkeit sowohl auf der Liohtintensitat, wie aufder GroBe der Flache ; das Produkt aus Intensi tat und Flachengrofieist bei gleicber Starke der Lichtempfindung hier konstant. Bei groBerenbelichteten Flachen ist die Intensitat .des Lichtes fur die Starke derLichtempfindung maBgebend.

Im gewohnlichen, taglichen Leben treffen uns langer dauernde undim allgemeinen "groBflachige" Lichtreize. Dem ganz kurzen, ganzkleinen, punktfiirmigen Reize begegnen wir hauptsachlich nur im Ex­periment. Den Reiz der Empfindung der Lichtintensitat bildet alsoin der uberwiegenden Mehrzahl der vorkommenden Falle der Reizungdes Gesichtssinnes die physikalische Lichtintensitat, also die Energiedes Lichtes pro Flachen- und pro Zeiteinheit. Man mochte sagen, dafdie physikalische GroBe Lichtintensitat ein einfaches sinnesphysio­logisches oder psychologisches Fundament hat. Im auBerordentlichenFalle kurzdauernder oder punktformiger Lichtreize wird bei der Schatzungder Starke einer Lichtempfindung nicht die Intens it at des Lichtes allein,sondern auch ihre Dauer oder ihre Ausbreitung mit einbezogen. In denungewohnlicheren Fallen sind die Reize mehr zusammengesetzte Grolien.

Al1111ich mochten wir uns auch die Verhaltnisse auf dem Gebieteder Kraftempfindungen oder der Bewegungswahrnehmungen vorstellen.Die ursprunglicheren Schweresohatzungen beziehen sich nur auf den

1 Bloch, Com-pt. rend. de la Societe de Biol. 1885. T. II; nach v. Kries,Allgemeine Sinnesphysiologie. S. 147.

2 Charpentier, Archives d'ophialmoloqie. 1890. T. X. p. llO.a Asher, Zeitschr.f. Biol. 1897. N. ·F. Bd. XVII. S.394. Siehe v. Kries,

Allgemeine Sinnesphysiologie.

Page 10: Über die Abhängigkeit der Kraftempfindungen von der zu bewegenden Masse und der Bewegungsgeschwindigkeit

166 Y. RENQVIST U. A. J\fALIl'C ABH.i\NGIGKEIT D. KHAFTElVIPFIND. USW.

eigenen Karpel' und die eigenen Glieder, welche immer dieselbe Massedarstellen (Prinzipalbewegungen). Die Schiitzung der Schwere von Be­wegungen, welche mit verschiedenen Masson ausgcfuhrt werden, isteine spiitere Erwerbung (sekundiire Bewegungen), welche mit del' feinerenTiitigkeit hauptsachlich del' Hand zusammenhangt. Die gelaufige, beijeder Kerper- oder Gliederbewegung stattfindende, wenn auch im all­gemeinen sehr wenig bewulite Schwereempfindung, beruht also auf del'Kraft del' Bewegung, auf der stattfindenden Spannung oder, wegen del'linearen Abhiingigkeit von Spannungszeit und Energieproduktion desMuskels wahrend del' Kontraktion (Hill), auf del' Energieproduktionin del' Zeiteinheit. Bei dem Schatzen verschiedener Massen wird, analogdem Verhalten beim Gesichtssinn unter weniger geliiufigen Umstanden,die Grundlage, del' Reiz del' Kraft- oder Schwereempfindung mehrzusammengesetzt, die Zeitdauer del' Bewegung wird mit hineinbezogen.Man mochte mit v. Frey sagen, da13 die Empfindung auf del' Kraftberuht, abel' in die Zeit "del' Form unseres inneren Sinnes" hinein­projiziert wird.! In diesem FaIle stellt sieh die der Spannungszeit pro­portionale Energie der Muskeltatigkeit als Gnmdlage del' Empfindungdar. Die Gesamtheit der Energie wird bei diesel' schwierigeren Formdes Vergleichs als Reiz wirksam, wir basieren die Empfindung derKraft nicht nur auf die Muskelkraft, sondern die Empfindung wirdin unserem Zeitbewu13tsein zu einer Gestalt oder zu einem Gesamt­eindruck, in dessen Reize sowohl die Kraft als die Zeitdauer del'Bewegung einbezogen ist. Wir mochten uns die Sache so vorstellen,da13 wir hier in der Form einer quantitativ geltenden Regel einen Fallder von v. Kr ies" hervorgehobenen allgemeinen Tatsache haben, "da13durch gewisse Vorgiinge, also durch ein zeitlich erstrecktes Geschehenim Gebiete eines Sinnes, ein einheitlicher Erfolg hervorgerufen wird" ...

1 Siehe auch v, Kries, Allqemeine Sinnesphysiologie. 1923. Der Zeitsinn.S.168.

2 vvKr i es , Ebendrr. S. 179.