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Über die Anwendung des “Mittelwertvergleichs” von P. Lorenz

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Page 1: Über die Anwendung des “Mittelwertvergleichs” von P. Lorenz

AUB der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Forschungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen,

technischen und medizinischen Institute Institut fur Angewandte Mathematik und Mechmik

(Direktor: Prof. Dr. K. SCHRODER)

Uber die Anwendung des ,,Mittelwertvergleichs" von P. Lorenzt

G. REISSI~

In der Praxis taueht haufig das Problem auf, ein Beobachtungsmaterial in verschiedene Gruppen - nach der GroBe, dem Lebensalter, dem Geburts- monat usw. - einzuteilen und diese Gruppen miteinander zu vergleichen. Oft ist das Material nicht ausreichend oder geeignet fur die Durchfiihrung einer Varianzanalyse. Fur solche Falle hat P. LORENZ ein Verfahren zum Mittelwertvergleich [3], [4] angegeben, das er gelegentlich auch als ,,Gruppen- analyse" oder ,,Probenvergleich" bezeichnet hat. Mit Hilfe der von P. LORENZ berechneten Tabellen laBt sich dieses Verfahren leicht anwenden. Im folgenden sol1 an Hand von Beispielen gezejgt werden, in welcher Weise dieses Verfahren dem Praktiker helfen kann, seine Ergebnisse zu ordnen und einen oberblick zu gewinnen.

Beispiel 1 : Geburtsgewichte der Neugeborenen des Jahrgangs 1959 der DDR [6 ]

Mutungsbereiche des mifleren Gtburfspichles u d ? - Knoben ---Mdchen - Ras tock

Neubmndenburg

Mwertn potsdam

c----3. - c__I - -

, - kfirl

Dresden c----L P - Karl- Mom-Stadf -

1 I , I I

D 14 16 kp Abb. 1

1 Herrn Professor Dr. PAUL LORENZ zur.Vollendung des 80. Lebensjahres am 8.3. 1967 gewidmet

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ifber die Anwendung des ,,Mittelwertvergleichs" von P. LORENZ 107

Aus den Bezirlien der DDR haben wir sieben herausgegriffen. In Tabelle 1 sind die Anzahlen n der neugeborenen Knaben und Madchen angegeben, die arithmetischen Mittel der Geburtsgewichte, die zugehorigen Streuungen und die mit Hilfe der Tabellen von P. LORENZ berechneten unteren und oberen Mutungsgrenzen. Als z-Wert haben wir den fur = 1000 angege- benen Wert vemendet, obgleich unsere Anzahlen wesentlich groDer sind, d. h. die Mutungsbereiche sind in Wirklichkeit noch kleiner. Als ffberhangs- wahrscheinlichkeit haben wir 0 , O l gewahlt. In Abb. 1 sind die Mutungs- bereiche aufgezeichnet. Man erkennt deutlich :

Knaben und Miidchen unterscheiden sich hinsichtlich des Geburts- gewichtes. Die Geburtsgewichte hangen von der geographischen Lage des Geburts- ortes ab. Von Sudeh nach Norden nimmt das Geburtsgewicht zu.

Tabel le 1

Berechnung der Mutungsgrenzen zu Beispiel 1 Oberhangswahrscheinlichkeit ii = 0,Ot

a) Knaben

Bezirk

Rostock Neubrandenburg Schwerin Potsdam Erfurt Dresden Karl-Marx- Stadt

b) Miidchen

Bezirk

9 171 7 606 6211

11 093 11 628 14996 15560

n

3,518 3,514 3,498 3,462 3,441 3,430 3,406

M

0,5801 0,5888 0,5939 0,5951 0,5881 0,5727 0,5703

s

0,074 0,074 0,074 0,074 0,074 0,074 0,074

t

0,0429 0,0436 0,0439 0,0440 0,0435 0,0424 0,0422

S T

3,475 3,470 3,454 3,418 3,398 3,388 3,364

3,561 3,558 3,542 3,506 3,485 3,472 3,448

~

Rostock 8613 3,381 0,5643 0,074 0,0418 3,339 Neubrandenburg 7230 3,376 0,5648 0,074 0,0418 3,334 Schwerin 6024 3,363 0,5613 0,074 0,0415 3,322 Potsdam 10284 3,330 0,5648 0,074 0,0418 3,288 Erfurt 11071 3,318 0,5559 0,074 0,0411 3,277 Dresden 14213 3,298 0,5478 0,074 0,0405 3,258 Karl-Marx- Stadt 14635 3,274 0,5349 0,074 0,0396 3,234

3,423 3,418 3,405 3,372 3,359 3,339 3,314

Beispiel 2: Bestimniung der Zeit, in der das Geburtsgewicht verdoppelt

Zur Beurteilung der Entwicklung eines Sauglings wird das Gewicht kontrolliert. Ein MaBstab fur die normale Entwicklung ist der Zeitpunkt, zu dem das Geburtsgewicht sich verdoppelt hat. Es ist selbstverstandlich,

wird [5]

S*

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108 G. RRISSI~

daI3 bei extrem leichten Kindern dieser Zeitpunkt schneller erreicht wird als bei extrem schweren. Wir haben daher nur normalgewichtige Neu- geborene (2,801-3,600 kp) in die Betrachtungen einbezogen. In Tabelle 2

sind die in den einzelnen Gruppen enthaltenen Anzahlen und die berechneten Mutungsgrenzen angegeben. Wir haben diesmal als uberhangswahrschein- lichkeit 0,05 verwendet. Fur 0,Ol ergibt sich ein entsprechendes Bild, jedoch sind dann die Mutungsbereiche groI3er. Abb. 2 zeigt, daI3 die Ver- dopplungszeiten weitgehend vom Geburtsgewicht abhangen. DaI3 Knaben und MSidchen in den einzelnen Gewichtsgruppen weit auseinanderliegen, liegt daran, daI3 die Madchen ein niedrigeres Geburtsgewicht als die Knaben haben. Um Knaben und Madchen exakt miteinander vergleichen zu konnen, miil3te man die Gruppen in Prozenten des mittleren Geburtsgewichts an- geben. Darauf haben wir jedoch in diesem Rahmen verzichtet.

Tabelle 2

Berechnung der Mutungsgrenzen zu Beispiel 2 tfberhangswahrscheinlichkeit u = 0,05

a) Knaben

Gewichtsklasse

I 3,401 * * 3,600 290 124,3 27,72 0,117 3,24 121,l 127,6 I1 3,201 - 3,400 263 115,7 26,52 0,117 3,lO 112,6 118,8

I11 3,001 - * 3,200 209 109,O 22,95 0,117 2,69 106,3 l11,7 IV 2,801 * . 3,000 200 103,l 23,90 0,117 2,80 100,3 105,9

b) Mldchen

Gewichtsklasse ~~

I 3,401 . . * 3,600 268 141,6 29,90 0,117 3,50 138,l 145,l I1 3,201 . * 3,400 285 134,6 27,75 0,117 3,25 131,3 137,8

I11 3,001 * . * 3,200 263 121,8 26,25 0,117 3,07 118,8 124,9 IV 2,801 * * * 3,000 277 112,O 23,lO 0,117 2,70 109,3 114,7

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Beispiel 3: EinfluB der Stilltatigkeit auf das Gewicht des Sauglings [5 ]

Fur die Entwicklung des Sauglings ist die Art der E n a h n g sicherlich von Bedeutung. Daher haben wir einmal untersucht, wie die Verdopplungs- zeiten liegen, wenn die Kinder voll- oder teilgestillt wurden oder wenn sie uberhaupt nicht gestillt wurden. In Tabelle 3 haben wir die Anzahlen der ehelich geborenen Kinder in den einzelnen Gruppen zusammengestellt.

Muiungskmthe &r mifkm k5-hpphgueiPn unkr BrWi05fgung der%/Wgkeii u405 c-----..+

c----- StiffiW&4eil - -

I I 1 I I

90 I00 I70 120 13 I40 kge

Abb. 3 Tabelle 3

Mittlere Verdopplungszeiten des Geburtsgewichtes bei ehelich Geborenen Gewichtsklasse Stilltatigkeit n M 8

I 3,401 - - * 3,600

I1 3,201 - * 3,400

I11 3,001 * * * 3,200

I V 2,801 * - - 3,000

(8 ( 0 voll

nicht 1 teil f d

voll Jd

teil I S G {: G

nicht

voll

teil

nicht

G voll

teil

nicht l 8 i o

12 22

154 140 104 83

8 12

143 154 77 93

13 10 ill 136'

65 78

6 10 85

162 81 66

131,6 160,9 125,9 142,4 121,9 134,4

144,s 147,8 116,2 134,9 109,l 131,8

11 8,5 139,9 109,9 122,9 103,4 116,9

123,7 125,7 105,3 110,9 95,9

107,3

26,3 28,1 29,2 27,9 26,4 31,8

22,3 333 27,3 26,9 20,6 26,5

19,1 33,2 21,7 25,9 23,8 25,2

46,5 11,7 19,7 223 22,1 20,7

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110 G. REISSIG

Die Anzahlen der vollgestillten Kinder sind sehr gering. Die zugehorigen Mutungsbereiche fur die mittleren Verdopplungszeiten sind demnach ssbr groB, und wir haben sie in Abb. 3 weggelassen. In allen Gruppen wurde das doppelte Geburtsgewicht im Mittel bei den teilgestillten Kindern spater erreicht als bei den nichtgestillten. DaB sich die Mutungsbereiche uber- lappen, war zu erwarten.

Beispiel 4: Tumorquoten bei verschiedenen Mausestammen [2] Es sollte festgestellt werden, ob die genetischen Unterschiede der Ver-

suchstiere sich bei Tropfversuchen mit cancerogenen Kohlenwasserstoffen auswirken. Wir haben die 40. Versuchswoche herausgegriffen und die mittleren Tumoranzahlen berechnet (Tabelle 4). Wie Abb. 4 zeigt, sind die groBten Unterschiede zwischen den Serien I (schwarze Inzuchtmause) und V (braune Inzuchtmause) festzustellen. Die weiBen Mguse (I1 Labormause,

Mufungs&ertiche der ?iunawuoten u-005 Geschwisterpaarung ; I11 nicht ingeziichtete Labormause; IV In- - I --.-.-.-.-( +.-.-.-.-.-.( I zuchtmause) unterscheiden sich

+.-.-.-.-.-.-.* m nicht signifikant voneinander. *.- lv

C.4

1 1 1 I I I I I . , ' Abb.4 0 2 4 6 8 Duote

Tabel le 4 Mutungsgrenzen der Tumorquoten zu Beispiel 4

uberhangswahrscheinlichkeit ii = 0,05 __

n iw S z 6-C MU M u ~

I 20 5,800 3,7630 0,397 1,4939 4,306 7,294 I1 7 3,143 1,8070 0,793 1,4330 1,710 4,576

I11 10 3,300 3,4073 0,611 2,0819 1,218 5,382 IV 23 1,783 1,5868 0,366 0,5808 1,202 2,364 V i t 0,909 0,8999 0,573 0,5156 0,393 1,425

Beispiel 5 : Zur Priifung der Betonfestigkeit AbschlieBend bringen wir ein Beispiel, das den Biometriker nicht un-

mittelbar betrifft, ihm aber doch einmal am Rande seiner Tatigkeit begegnen kann .

Die Prufung der Betonfestigkeit erfolgt nach gewissen Vorschriften durch Stichproben. Aus [I] habeii wir drei Bauvorhaben ausgewahlt (vgl. Tabelle 5 ) und in Abb. 5 die zugehorigen Mutungsbereiche fiir it = 0,05 und 0,01 ein- ander gegenubergestellt . Die drei Bauvorhaben unterscheiden sich wesent- lich bezuglich der Betonfestigkeit, offenbar dienen sie ganz verschiedenen Zwecken. Die Mutungsbereiche fur it = 0 , O l sind breiter als die fur ii = 0,05. P. LORENZ hat die z-Werte auch fur it = 0,2; 0,1 und 0,02 angegeben.

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Signifikante Unterschiede sind nach P. LORENZ dann vorhanden, wenn sieh die Nutungsbereiche nicht uberlappen. Die Beispiele zeigen aber, daB das Verfahren uber Signifikanzbetrachtungen hinaus auch weitere Auf-

schlusse liefert. Wir konnten bei den Geburtsgewichten eine Reihenf olge der Bezirke aufstellen, die von Suden nach Norden fuhrte, und wir konnten feststellen, dalj man - sofern man die Verdopplungszeit als Reifezeichen des Siiuglings ansieht - unbedingt das Geburtsgewicht berucksichtigen mulj. Der Einflulj der Stilltiitigkeit ist offensichtlich, und bei den Bau- vorhaben sieht man auf den ersten Blick, an welches die groljten An- f orderungen beziiglich der Betonfestigkeit gestellt werden konnen. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dalj der Mittelwertvergleich von P. LORENZ fur den Yraktiker ein gutes Hilfsmittel ist und zumindest fur eine erste schnelle Uberpriifung entsprechender Materialien geeignet ist.

Tabelle 5

Mutungsgrenzen zum Beispiel 5 ~

n M S ii t S T MU MU __

Bl 315 341,4 61,8 0,Ol 0,132 8,16 333,2 349,5 0,05 0,095 5,87 335,5 347,3

BZ 117 309,6 51,l 0,Ol 0,216 11,05 298,5 320,6 0,05 0,152 7,77 301,8 317,3

B3 452 275,8 47,7 0,Ol 0,105 5,OO 270,8, 280,8 0,05 0,074 3,53 272,2 279,3

Zusammenf assung

Auf verschiedene Beispiele wird das Verfahren des Mittelwertvergleichs von P. LORENZ angewandt.

L i te ra tur

113 DOBREV, B., und G. REISSIG, 1959: Statistische Untersuchungen zur Priifung der Betonfestigkeit. Monatsberichte der Deutschen Akademie der Wissensch&ften zu Berlin 1.

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112 G. R.EISSIG

[2] GRAFFI, A., und G. REISSIG, 1956: Untersuchungen iiber die Abbiingigkeit der Initial- wirkung cancerogener Kohlenwasserstoffe von der genetischen Konstitution der Ver- suchstiere. Archiv fur Geschwulstforschung 10.

a) Band 11, Erster Teil, S. Hirzel Verlag Leipzig, 1959 b) Band 111, S. Hirzel Verlag Leipzig, 1961 c) Signifikant verschieden oder nicht ? Probenvergleich. S. Hirzel Verlag Leipzig, 1962.

[4] LORENZ, P. : Signifikant verschieden? Entscheidung mittels Mutungsbereichen. Dis- kussionsbeitrag zum Thema ,,Varianzanalyse" auf der Tagrtng der Deutschen Region der Internationalen Biometrischen Gesellschaft vom 31. MLrz bis 2. April 1966 in Mainz.

[5] MEYER, H. : Die Geburtsgewichtsverdopplung in den letzten 10 Jahren im Stadtkreis Eberswalde. Dissertation, eingereicht bei der Medizinischen Fakultit der Humboldt- Universitiit zu Berlin, 1966.

[6] OTTO, W'., und G. REISSIG, 1961 : Verteilung der anthropologischen Daten des Geburts- jahrganges 1959 in den Bezirken der DDR. Monatsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 3.

[3] LORENZ, P., Anschauungsunterricht in Mathematischer Statistik.

Eingang des Manuskriptes: 10. 1. 67 Ansehrift der Verfasserin: Dr. GISELA REISSIG 108 Berlin, Mohrenstr. 39