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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 209, S. 389--393 (1950). Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Miinster i. Westf. (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. phil. A. LousY, R). •ber die Beeinflussung des Blutes durch Aminothiouraeile. Von LENA FISCHER und GERDA MEYER. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 21. August 1949.) Vor einiger Zeit wiesen KO]~F, LOESER und BIELIG 1 auf die im Rattenversuch deutlich stoffwechselsenkende Wirkung von Amino- verbindungen des Thiouracil hin. W~hrend aber nach Einwirkung yon Thiouracil und seinen Alkylderivaten die Schilddriise der Versuchstiere (Ratte) an GrSBe und Gewicht zunimmt und in ihrer zelligen Struktur das Bild einer Aktivierung bietet, bleiben unter dem EinfluB der Amino- verbindungen derartige Ver~inderungen aus: die Schilddriisen sind yon normaler GrSBe, yon normalem Gewicht, und ihre feingewebliche Struktur light eher den Schlu~ auf eine Beruhigung als auf eine Akti- vierung zu. Gerade dieser Umstand war bestimmend ffir verschiedene amerikanische Autoren (AsTWOOD 8, J~,~sE~ 3 u. a.), eine antithyreoidale Aktivit~t der Aminothiouracile abzulehnen. B]ELIO, KOPF, LOESER und ME¥]~R 4 hielten demgegenfiber auf Grund ihrer Untersuchungen die Aminothiouracile fiir gut antithyreoidal wirksam und sahen im Ausbleiben des Schilddriisenwachstums sogar einen gewissen Vorteil dieser Verbindungen, da gerade durch die SchilddrfisenvergrSBerung eine ganze Anzah] yon in der Klinik unerwiinschten oder gefiirchteten Komplikationen bedingt wird. Es erschien yon Interesse, ob eine andere klinisch stSrende Neben- wirkung des Thiouracil und seiner Alkylderivate, n~mlich ihre Wirkung auf das Blutbild, bei den Aminothiouracilen fehlt. Nach den Unter- suchungen yon FISCHER, KOP~ und LOESER 5 ist es beiln Thiouracil so, dab im Rattenblut nach Verabtblgung yon 0,1 g 2-Thiouracil bzw. 0,1 g 4-Methyl-2-thiouracil/kg KSrpergewicht ein deutlicher Anstieg jugendlicher Zellen der myeloischen Reihe im strSmenden Blur festzu- stellen ist, w~hrend nach 0,5 g der gleichen Substanzen je Kilogramm K6rpergewicht diese Ver~nderungen bei gleichzeitigem Absinken der Leukozytengesamtzahl einzelner Ratten ausgepr~gter werden. Methodil~. Wir verwandten in unseren Versuchen das 4-Amino-2-thiouracil sowie das 4-Amino-5-methyl-2-thiouracil. Die Grundwirkungen beider Verbindungen sind 26*

Über die Beeinflussung des Blutes durch Aminothiouracile

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Page 1: Über die Beeinflussung des Blutes durch Aminothiouracile

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 209, S. 389--393 (1950).

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Miinster i. Westf. (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. phil. A. LousY, R).

•ber die Beeinflussung des Blutes durch Aminothiouraeile. Von

LENA FISCHER und GERDA MEYER.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 21. August 1949.)

Vor einiger Zeit wiesen KO]~F, LOESER und BIELIG 1 auf die im Rattenversuch deutlich stoffwechselsenkende Wirkung von Amino- verbindungen des Thiouracil hin. W~hrend aber nach Einwirkung yon Thiouracil und seinen Alkylderivaten die Schilddriise der Versuchstiere (Ratte) an GrSBe und Gewicht zunimmt und in ihrer zelligen Struktur das Bild einer Aktivierung bietet, bleiben unter dem EinfluB der Amino- verbindungen derartige Ver~inderungen aus: die Schilddriisen sind yon normaler GrSBe, yon normalem Gewicht, und ihre feingewebliche Struktur light eher den Schlu~ auf eine Beruhigung als auf eine Akti- vierung zu. Gerade dieser Umstand war bestimmend ffir verschiedene amerikanische Autoren (AsTWOOD 8, J~,~sE~ 3 u. a.), eine antithyreoidale Aktivit~t der Aminothiouracile abzulehnen. B]ELIO, KOPF, LOESER und ME¥]~R 4 hielten demgegenfiber auf Grund ihrer Untersuchungen die Aminothiouracile fiir gut antithyreoidal wirksam und sahen im Ausbleiben des Schilddriisenwachstums sogar einen gewissen Vorteil dieser Verbindungen, da gerade durch die SchilddrfisenvergrSBerung eine ganze Anzah] yon in der Klinik unerwiinschten oder gefiirchteten Komplikationen bedingt wird.

Es erschien yon Interesse, ob eine andere klinisch stSrende Neben- wirkung des Thiouracil und seiner Alkylderivate, n~mlich ihre Wirkung auf das Blutbild, bei den Aminothiouracilen fehlt. Nach den Unter- suchungen yon FISCHER, KOP~ und LOESER 5 ist es beiln Thiouracil so, dab im Rattenblut nach Verabtblgung yon 0,1 g 2-Thiouracil bzw. 0,1 g 4-Methyl-2-thiouracil/kg KSrpergewicht ein deutlicher Anstieg jugendlicher Zellen der myeloischen Reihe im strSmenden Blur festzu- stellen ist, w~hrend nach 0,5 g der gleichen Substanzen je Kilogramm K6rpergewicht diese Ver~nderungen bei gleichzeitigem Absinken der Leukozytengesamtzahl einzelner Ratten ausgepr~gter werden.

Methodil~. Wir verwandten in unseren Versuchen das 4-Amino-2-thiouracil sowie das

4-Amino-5-methyl-2-thiouracil. Die Grundwirkungen beider Verbindungen sind

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390 LENA FlSCEER und GERDA MEYER:

in den oben angefiihrten Arbeiten 1, 4 beschrieben worden. Zur Kl~rung der Frage ihrer Wirkung auf das Blutbild gaben wir Gruppen yon je 10 mannlichen Albinoratten im Gewicht yon 80--120 g fiir die Dauer yon 21 Tagen 0,1 g 4- Amino-2-thiouracil bzw. 0,1 g 4-Amino-5-methyl-2-thiouracil/kg KSrpergewicht - - eine Dosis, die nach KoPF, LOESER und BIELIO 1 den Stoffwechsel sicher herab- setzt, und bei der sich die Gewichtszunahme der Versuchstiere normal verhi~lt - - t~glich mit der Schlundsonde per os. Die zur Fiitterung verwandten Substanzen wurden t~glich vor der Sondierung in Wasser aufgeschwemmt, wobei die Fliissig- kcitsmenge so bemessen wurde, dal3 0,01 g der Substanz in 1 cm a w~sseriger Aufschwemmung enthalten war. Als Vergleichstiere dienten 10 mannliche Albinoratten yon gleichem Gewicht, denen taglich 1,0 cm 3 Wasser/100 g I(Srper- gewicht mit der Schlundsonde zugefiihrt wurde. Samtliche Tiere wurden mit Ktichenabf~llen und Ilafer gefiittert. Die Versuche wurden in den Monaten Juni bis Juli 1948 durchgefiihrt.

Die Untersuchungen des Blutes erfolgten in Abstanden yon 3 Tagen; das Blut wurde in iiblicher Weise aus der Schwanzvene entnommen. Es wurden die in der Klinik gebr~uchlichen Methoden - - Bestimmung des ttamoglobin nach SAlT.I, Zahlung der Erythrozyten und Leukozyten mittels der fiblichen Pipetten in der THoMA-Zi~hlkammer - - verwendet. Die luftgetrockneten Ausstriche wurden in der von PAPPEN~EIM angegebenen Weise gefarbt und nach dem H/~mo- gramm v o n SCttILLINO ausgewertet.

V ersuchsergebnisse. I n unseren Versuchen ergab sich, da2 die Mi t te lwer te ffir je 10 R a t t e n ,

denen 4-Amino-2- thiouraci l , 4 -Amino-5-methyl -2- th iourac i l oder Wasse r ve rab re i ch t worden war, nahezu i ibe re ins t immten : das gi l t sowohl fiir den H~moglobinwer t , als auch fiir die Zahl der E r y t h r o z y t e n und Leuko- zyten . Auch bei S ich tung der am Einzel t ie r gezi~hlten Leukozy ten l and sich kein Anha l t fiir eine Sch~digung des weil~en Blutbi ldes . I m Diffe- r en t i a lb lu tb i l d (Abb. 1) zeigten sich nach . Verabfolgung yon Amino- th iourac i len ke ine auffi~lligen Abweichungen gegeniiber den Kont ro l l - t ieren. Es wurde lediglich ein leichter, vor i ibergehender Anst ieg des Kernver sch iebungs index gefunden, der bed ingt war durch vermehr tes Auf t r e t en yon s tabkern igen und jugendl ichen Zellen. Ganz junge Zellen der myelo ischen Reihe - - Myeloblas ten , P romye lozy t en und Myelo- zy t en - - t r a t e n n icht ve rmehr t au f (Abb. 2 u. 2a) ; gelegentl ich s ind sie im R a t t e n b l u t im Gegensatz zum menschl ichen B lu t auch normaler- weise zu f inden. I n diesem Zusammenhang da f t da ran er inner t werden, dal~ 2-Thiouraci l und besonders 4-Methyl-2- th iouraci l berei ts in Mengen yon 0,1 g/kg KSrpergewicht eine deut l iche Linksverschiebung im weil3en B lu tb i ld verursachen. Insbesondere is t dabei nach E inwi rkung yon 4-Methyl -2- th iourac i l eine gegeniiber der Norm vermehr te Anzahl ganz junger weiI3er Blutzel len im per ipheren Blur zu erkennen.

Die normalerweise im R a t t e n b l u t p rozen tua l i iberwiegenden Lympho- zy t en werden durch alle in unseren Versuchen gepri i f ten Thiouraci le weder in ibrem prozen tua len Antei l noch in ihrer Gesamtzahl ver~tndert.

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-~ber die Beeinflussung des ]3lutes durch Aminothiouracile. 391

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392 L E N A ]FISCHER u n d GERDA M E Y E R :

Monozyten und eosinophile Leukozyten, die in friiheren Versuchen nach Gaben yon 2-Thiouracil und 4-Methyl-2-thiouracil vermehrt aufgetreten waren, bleiben nach Vcrabfolgung der Aminothiouracile in Menge und Form normal.

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Zusammenfassend li~Bt sich aus unseren Versuchen schlieBen, dab die untersuchten Aminothiouracile unter den angegebenen Bedingungen bei der Ratte keine blutsch~digende Wirkung im Gegensatz zum 4-Methyl- 2-thiouracil zeigen. Ob sie aber h~matologisch als indifferent bezeichnet werden kSnnen, miissen weitere Versuche mit hSherer Dosierung kl~ren.

Page 5: Über die Beeinflussung des Blutes durch Aminothiouracile

~ber die Beeinflussung des Blutes durch Aminothiouracile. 393

Zusammen/assung. Nach E inwi rkung yon 0,1 g 4-Amino-2-thiouraci l und 0,1 g 4-Amino-

5-methyl-2- thiouraci l /kg KSrpergewicht ist im R a t t e n b l u t keine als

pathologisch zu wer tende Ver~nderung festzustel len; der Einflui~ der Aminoth iourac i le wird im Vergleich zum 2-Thiouracil und 4-Methyl-2- th iouraci l kri t isch besprochen.

Literatur. 1 KOPF, R., A. :LoEsER, H. J. BIELIG: Klin. Wschr. 1949, 455. - - 2 ASTWOOD,

E. B. : J. of Pharmacol. 78, 79 (1943). - - 3 JENS]~, K. A., u. K. KJERULF-JENsEN : Acta pharmacol. Toxicol. 1, 280 (1945). - - ~ KOPF, R., A. LOESER, G. M~Y~R u. It. J. BIE~G: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 207~ 256 (1949). - - 5FIscHER, L., R. KOPF u. A. LOESER: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 205, 730 (1948).