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ASTRONOMISCHE NACHRICHTEN. Nr. 4286. Band 179. ~~ ober die Bessel-Bredichinsche Theorie der Rometenschaeife. Von A. Kops Die Bessel-Bredichinsche Theorie der Kometenschweife hat sich unter allen Theorien deshalb so allgemeiner Aner- kennung zu erfreuen gehabt, weil sie jede, auch die kompli- zierteste Schweifform darzustellen imstande ist. Dies ist bei der Art der Untersuchung ohne weiteres zu erwarten. Zuniichst projiziert man eine Anzahl von Schweifpunkten auf die Ebene der Kometenbahn, die den Verlauf der be- obachteten Schweifkurven ergeben. Die Konstruktion der damit zu vergleichenden theoretischen Kurven geschieht unter der Voraussetzung, da13 die Schweifteilchen in der Ebene der Kometenbahn gegen die Sonne hin ausgestr6mt sind und durch eine von dieser ausgehende Repulsivkraft in den Schweif zurtickgetrieben werden. Man erhillt dadurch in den dem verliingerten Radiusvektor benachbarten Teilen der Bahnebene eine dreifache Mannigfaltigkeit von Kurven durch Variation der abstobenden Kraft p der Sonne, sowie der Richtung und Geschwindigkeit der Ausstr6mung. L a t sich unter diesen Kurven bei Annahme konstanter Anfangsbe- dingungen und einer konstanten Gr6De p keine mit der beobachteten Schweifform einigermaeen tibereinstimmende finden - was bei den Kometenschweifen hiiufig der Fall ist - so kann man durch passende h d e r u n g dieser Gr6ben ftir verschiedene AusstrOmungsmomente jede beliebige andere Kurvenform konstruieren. Die Obereinstimmung der beob- achteten Schweifgestalt mit der aus der Theorie sich er- gebenden ist also noch kein Beweis fir .deren Richtigkeit. l) Es mug vielmehr m6glich sein, aus der zu irgend einer Zeit beobachteten Schweifform auf Grund der Voraussetzungen die Gestalt des Schweifes in irgend einem anderen, nicht allzuweit entfernt liegenden Beobachtungsmoment zu kon- struieren. Die Anwendung dieses Kriteriums auf die beim Ko- meten I 907 d (Daniel) photographierten Schweifstrahlen hat zu dem Resultat geftthrt, dab diese sich der Bessel-Bredichin- schen Theorie nicht einmgen lassen. 2) Dasselbe gilt, soweit es sich bis jetzt tibersehen l u t , auch ftir die Strahlen in den Schweifen anderer photographierter Kometen. Entweder m[iDte man, um die Theorie zur Darstellung der allgemeinen Schweifform beibehalten zu kBnnen, die Strahlen als Leuchterscheinungen in der Schweifmaterie auf- fassen; dann kijnnte sich aber die Materie nicht in den Strahlen selbst fortbewegen, sondern mtibte dieselben bei ihrem Wegstromen rom Kometen kreuzen. Oder man ist gezwungen anzunehmen, dab die Materie der Schweifstrahlen den Kometenkopf in einer der Sonne entgegengesetzten Richtung verliibt, und daD diesem - und nicht der Sonne - der Hauptanteil bei der Gestaltung der Schweifstrahlen, wenigstens in der Nilhe des Kopfes, zukommt. Eine sichere Entscheidung im einen oder anderen Sinne konnte durch den Kometen Daniel nicht gegeben werden. Zugleich zeigte sich, dd zwischen den beim Kometen Daniel beobachteten AusstrBmungserscheinungen und dem Schweif der von der Bessel-BredichinschenTheorie geforderte Zusammenhang nicht besteht. Es sol1 nun das oben angegebene Kriterium auch auf das beim Kometen 1905 IV am 24. Juli 1903 beobachtete Schweifstttck angewendet werden, das sich im Laufe mehrerer Stunden vom Kopf des Kometen mit zunehmender Ge- schwindigkeit entfernte. Die &ter des nachfolgenden Schweifendes am 24. Juli konnten durch die Annahme einer von der Sonne ausgehenden Repulsivkraft gut dargestellt werden. 8) Nach der Bahn von Jaegermann befand sich dieses am 23. Juli fttr die Aufnahmen von Barnard und Curtiss in einer Entfernung von 10' bis 11' vom Kern, also noch vollstilndig innerhalb der Nebelhtllle des Kometenkopfes auf den ver6ffentlichten Reproduktionen. Dasselbe gilt auch fur die von mir a. a. 0. hergeleitete Bahn im Raum. 4) Berechnet man ftir verschiedene Zeitmomente die Distanz 4 des nachfolgenden Schweifendes vom Kern an der Sphiire, so erhillt man fir: M. Z. Berlin 5 3 23.60083 595 1903 Juli 23.50083 441" B 23.70083 570 ' 23.8407 5 255 ' 23.94015 341 Das Schweifende bewegt sich also wiihrend der ganzen Zeit innerhalb der Koma des Kometenkopfes und kann auf den Reproduktionen von Barnard und Curtiss (Durchmesser der Nebelhtille = 40' bezw. 46') nicht sichtbar sein. Auf den Originalaufnahmen mit dem Bruceteleskop ist um diese I) Ebensogut konnte man z. B. die verschiedenen Schweifformen auch, wie 'Kiaer gezeigt hat, unter der Annahme konstruieren, dab Materie unter groBer Anfangsgeschwindigkeit in einer der Sonne entgegengesetzten Richtung ausstromt (.ktr. Nachr. Bd. I 26 Nr. 3018). ?) Vergl. eine demniichst erscheinende Arbeit, Publ. des Astrophys. lnstituts Konigstuhl-Heidelberg. Bd. 111 Nr. 7. 3, Astr. Nachr. Bd. 176, Nr. 4210. Siehe auch die iibrigen dort angegebenen Nachweise. ') Die dort gegebenen Anfangsbedingungen sind durch einen Rechenfehler entstellt. Es ist log It, = 0.336652 (statt 0.386652) woraus sich 8 = 0.7752 = 23.07 km, G = -56O37'55", G' = +13"37'38" ergibt. '5

Über die Bessel-Bredichinsche Theorie der Kometenschweife

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ASTRONOMISCHE NACHRICHTEN. Nr. 4286.

Band 179. ~~

ober die Bessel-Bredichinsche Theorie der Rometenschaeife. Von A. Kops

Die Bessel-Bredichinsche Theorie der Kometenschweife hat sich unter allen Theorien deshalb so allgemeiner Aner- kennung zu erfreuen gehabt, weil sie jede, auch die kompli- zierteste Schweifform darzustellen imstande ist. Dies ist bei der Art der Untersuchung ohne weiteres zu erwarten.

Zuniichst projiziert man eine Anzahl von Schweifpunkten auf die Ebene der Kometenbahn, die den Verlauf der be- obachteten Schweifkurven ergeben. Die Konstruktion der damit zu vergleichenden theoretischen Kurven geschieht unter der Voraussetzung, da13 die Schweifteilchen in der Ebene der Kometenbahn gegen die Sonne hin ausgestr6mt sind und durch eine von dieser ausgehende Repulsivkraft in den Schweif zurtickgetrieben werden. Man erhillt dadurch in den dem verliingerten Radiusvektor benachbarten Teilen der Bahnebene eine dreifache Mannigfaltigkeit von Kurven durch Variation der abstobenden Kraft p der Sonne, sowie der Richtung und Geschwindigkeit der Ausstr6mung. L a t sich unter diesen Kurven bei Annahme konstanter Anfangsbe- dingungen und einer konstanten Gr6De p keine mit der beobachteten Schweifform einigermaeen tibereinstimmende finden - was bei den Kometenschweifen hiiufig der Fall ist - so kann man durch passende hderung dieser Gr6ben ftir verschiedene AusstrOmungsmomente jede beliebige andere Kurvenform konstruieren. Die Obereinstimmung der beob- achteten Schweifgestalt mit der aus der Theorie sich er- gebenden ist also noch kein Beweis f i r .deren Richtigkeit. l)

Es mug vielmehr m6glich sein, aus der zu irgend einer Zeit beobachteten Schweifform auf Grund der Voraussetzungen die Gestalt des Schweifes in irgend einem anderen, nicht allzuweit entfernt liegenden Beobachtungsmoment zu kon- struieren.

Die Anwendung dieses Kriteriums auf die beim Ko- meten I 907 d (Daniel) photographierten Schweifstrahlen hat zu dem Resultat geftthrt, dab diese sich der Bessel-Bredichin- schen Theorie nicht einmgen lassen. 2) Dasselbe gilt, soweit es sich bis jetzt tibersehen l u t , auch ftir die Strahlen in den Schweifen anderer photographierter Kometen.

Entweder m[iDte man, um die Theorie zur Darstellung der allgemeinen Schweifform beibehalten zu kBnnen, die Strahlen als Leuchterscheinungen in der Schweifmaterie auf- fassen; dann kijnnte sich aber die Materie nicht in den

Strahlen selbst fortbewegen, sondern mtibte dieselben bei ihrem Wegstromen rom Kometen kreuzen. Oder man ist gezwungen anzunehmen, dab die Materie der Schweifstrahlen den Kometenkopf in einer der Sonne entgegengesetzten Richtung verliibt, und daD diesem - und nicht der Sonne - der Hauptanteil bei der Gestaltung der Schweifstrahlen, wenigstens in der Nilhe des Kopfes, zukommt. Eine sichere Entscheidung im einen oder anderen Sinne konnte durch den Kometen Daniel nicht gegeben werden.

Zugleich zeigte sich, d d zwischen den beim Kometen Daniel beobachteten AusstrBmungserscheinungen und dem Schweif der von der Bessel-Bredichinschen Theorie geforderte Zusammenhang nicht besteht.

Es sol1 nun das oben angegebene Kriterium auch auf das beim Kometen 1905 IV am 24. Juli 1903 beobachtete Schweifstttck angewendet werden, das sich im Laufe mehrerer Stunden vom Kopf des Kometen mit zunehmender Ge- schwindigkeit entfernte.

Die &ter des nachfolgenden Schweifendes am 24. Juli konnten durch die Annahme einer von der Sonne ausgehenden Repulsivkraft gut dargestellt werden. 8) Nach der Bahn von Jaegermann befand sich dieses am 23. Juli fttr die Aufnahmen von Barnard und Curtiss in einer Entfernung von 10' bis 11' vom Kern, also noch vollstilndig innerhalb der Nebelhtllle des Kometenkopfes auf den ver6ffentlichten Reproduktionen. Dasselbe gilt auch fur die von mir a. a. 0. hergeleitete Bahn im Raum. 4) Berechnet man ftir verschiedene Zeitmomente die Distanz 4 des nachfolgenden Schweifendes vom Kern an der Sphiire, so erhillt man fir:

M. Z. Berlin 5

3 23.60083 595 1903 Juli 23.50083 441"

B 23.70083 5 7 0 ' 23.8407 5 255 ' 23.9401 5 341

Das Schweifende bewegt sich also wiihrend der ganzen Zeit innerhalb der Koma des Kometenkopfes und kann auf den Reproduktionen von Barnard und Curtiss (Durchmesser der Nebelhtille = 40' bezw. 46') nicht sichtbar sein. Auf den Originalaufnahmen mit dem Bruceteleskop ist um diese

I) Ebensogut konnte man z. B. die verschiedenen Schweifformen auch, wie 'Kiaer gezeigt hat, unter der Annahme konstruieren, dab Materie unter groBer Anfangsgeschwindigkeit in einer der Sonne entgegengesetzten Richtung ausstromt (.ktr. Nachr. Bd. I 26 Nr. 3018).

?) Vergl. eine demniichst erscheinende Arbeit, Publ. des Astrophys. lnstituts Konigstuhl-Heidelberg. Bd. 111 Nr. 7. 3, Astr. Nachr. Bd. 176, Nr. 4210. Siehe auch die iibrigen dort angegebenen Nachweise. ') Die dort gegebenen Anfangsbedingungen sind durch einen Rechenfehler entstellt. Es ist log It, = 0.336652 (statt 0.386652) woraus

sich 8 = 0.7752 = 23.07 km, G = -56O37'55", G' = +13"37'38" ergibt. ' 5

2 1 5 4286 2 16

Zeit freilich der Durchmesser der tief schwarzeo inoeren Koma our a', der des Bu8eren Halos etwa 6', so da8 man auf den Originalplatteo vom 23. Juli das Schweifende seheo rntiote. Eioe Aufnahme mit dem Bruceteleskop ist von diesem Tage nicht vorhandeo.

Man braucht sich jedoch keineswegs auf das nach- folgeode Schweifende zu beschrioken. Jaegermann hat das ganze SchweifstUck untersucht und ftir das vorangehende Ende ebenfalls eioe Bahn hergeleitet, wieder unter der Vor- aussetzuog, dab sich dasselbe in der Ebene der Kometen- bahn bewegt hat. Da es fur den vorliegendeo Zweck gleich- giiltig ist, ob man die wahren Bahoeo der Schweifteilchen oder deren Projektion auf die Ebene der Kometenbahn be- trachtet, so kann man die von Jaegermann gefundenen Re- sultate zugrunde legen.

Danach ist f i r die Aufoahmen vom 24. Juli das ganze losgeloste SchweifstUck als ein Spezialfall der Wellenform der Kometenschweife aufzufasseo. Das voraogehende Schweifeode ist 2.0 Tage vor der Aufnahme voo Quenisset mit der Anfangs- geschwindigkeit g = 0.45 unter dem Wiokel G = -4oO ausgestromt. Die Ausstromung des Kernes blieb in der fol- gendeo Zeit oicht konstant; die Anfangsgeschwindigkeit wurde etwas geringer, der Wiokel zwischeo deren Richtuog uod dem Radiusvektor kleiner. Fur das nachfolgeode Schweifende ist schlie8lich g = 0.42 uod G = -2105. Die ganze Schweif- materie stand unter der abstoflenden Kraft der Some

Daraus mu8 sich nuu die Lage des Schweifes ftir den vorhergehenden Tag berechneo lassen. Zum Vergleich der theoretischen Schweifform mit der beobachteten wurde die Lickaufnahme vorn 23. Juli gewiihlt.1) Es wurdeo drei Punkte angenommen mit folgeoden Anfangsbedingungen :

I - EL = 89.05.

Punkt Ausstrornungsmoment g G

I 1903 Juli 22.51638 M.Z.Berl. 0.450 -40°

3 ' ' 23.39930 ' 0.420 - 2 2 2 * s 22.95784 0.435 -31

Der erste Punkt entspricht dem vorangehenden Schweif- ende, der dritte nahezu dem nachfolgendeo; Punkt 2 wurde interpoliert.

Die Lage dieser drei Schweifpunkte fur die Lickauf- nahme 1903 Juli 23.84075, bezogen auf eio Koordioaten- system in der Ebene der Kometenbahn, dessen positive 6-Achse in der Richtung des verliingerten Radiusvektors liegt, ist in rechtwinkeligen sowie Polarkoordinaten die folgende :

Punkt E Ti A Q I +0 .01681 -0.00647 0.01801 - 2 1 ~ 3:7 2 +0.00543 -0.00339 0.00641 -31 59.1 3 -0.oo015 -0 .00120 0 . 0 0 1 2 1 -96 58.7

Die beobachtete Schweifform vom 23. Juli mu9 nun ebenfalls auf die Ebene der Kometenbaho projiziert werden. Da der Hauptschweif sehr nahe rnit dem verlilogerteo Radius- vektor zusammenfiillt, so ist hierftir eioe besondere Reduktion

nicht notweodig. Seitlich des Hauptschweifes befindet sich am 23. Juli ooch ein schwacher Schweif in kleinerem Positions- winkel, der besooders auf der Lickaufnahme deutlich zu er- kennen ist. Der Positionswinkel dieses geradlinig verlaufenden Strahles wurde mit Hilfe eines Sternes zu 88O59' 56" be- stimmt; seine Liioge betragt etwa 147'. Die Reduktion des Eodpuoktes auf die Ebene der Kometenbahn ergab die Ko- ordinate0 :

= -1-0.01477 7 = -0 .00280 A = 0.01503 9 = -10°43!5

Der Hauptschweif liegt in der Richtung der positiven g-Achse. Beim Auftragen der verschiedenen Punkte erkennt man, da8 die berechnete Lage des losgelasteo Schweifsttickes weder mit dem Hauptschweif ooch mit dem seitlichen Schweif zusammenf2llt. Ware die Beweguog des losgelasten Schweif- sttickes lediglich unter dem EinfluB eioer Sonoenrepulsion erfolgt, so mti9te am 23. Juli neben dem Hauptschweif ein seitlicher Schweif sichtbar sein, von ersterem etwa doppelt so weit entfernt, als der schwache Seitenschweif, und heller als das Schweifstfick am 24. Juli, da die Materie bei ihrer Entfernung vom Kern sich immer weiter ausbreitet.

Es zeigt sich somit, dafl die Bessel-Bredichinsche Theorie nicht imstande ist, die beobachtete Schweifform am 23. und 24. Juli zu erklaren. Auch dann nicht, wenn man Leucht- erscheinungen zu Hilfe nehmen woke. Man kainnte an- nehmen, da9 sich am 23. Juli in der theoretisch berechneten Lage seitlich des Hauptschweifes Materie befunden hatte, die photographisch nicht wirksani war. Dann mti8te aber am 24. Juli seitlich (in groflerem Positionswinkel) des los- gelosten Schweifsttickes der Hauptschweif vom 23. Juli zu fioden sein. Dieser ktinnte nicht unsichtbar bleiben ; denn, wie die Aufoahmen vom 24. Juli zeigen, ist in der Richtung des verliingerten Radiusvektors eio neuer Schweif aufgetreten. In dieser Richtung wtirdeo also Leuchterscheinungen statt- fioden. Es mussen in der Zwischenzeit vielmehr andere Kriifte als die der Bessel-Bredichinschen Theorie auf die Schweifteilchen eingewirkt haben.

Ganz tihnlich liegen die Verhaltnisse beim Kometen 1893IV, eioem der vier Kometen, die Bredichin 2) selbst auf Grund photographischer Aufnahmen eingehender unter- sucht hat. Barnard 3) hat neuerdiogs darauf hingewieseo, da8 der Schweif am 3. Nov. 1893 sich in ganz anderem Positionswinkel befand als am Tage vorher, und da8 die Ursache ftir diese Erscheinung wahrscheinlich in einem au8eren Widerstaod zu sucheo sei.

Bredichin hat sich bei der Untersuchung der Aufnahme 1893 Nov. 2 auf drei Wolken (g, R und i) am Schweifende beschrankt, die am folgenden Tage nicht mehr vorhaodeo siod, und 1893 Nov. 3 auf eine seitlich gelegeoe Wolke 0, eben- falls am Schweifende, die Nov. 2 hatte sichtbar sein miissen. Ftir diese Wolken weist Bredichin nach, da8 sie in theo- retische Konoide vom I. Typus eingeschlossen werden kooneo, wenn nur die Winkel G der Ausstrbmung hin- reicheod gro8 gewiihlt werden.

l) Lick Observatory Bulletin No. 52. *) Bull. de 1'Acad. Imp. des Sc. de St. PCtersbourg, V. S6rie Tome I1 pag. 383 ; somie Jaegermann, Bredichins mechan. Lntersuchungen etc.

pag. 422. Vergl., besonders auch fur die Bezeichnung der Schweifwolken, die Tafel XI. ') Xstrophys. Journal, XXII pag. 250.

2 1 7 4286 2 1 8

Wendet man nun aber das Kriteriuiii .auf beide Auf- nahmen an, und zwar auf den ganzen Schweif, so versagt die Theorie.

Aufler den von Bredichin gewiihlten Wolken wurde noch eine Anzahl weiterer tiber den Schweif verteilter Punkte mit Hilfe der Bonner Durchmusteruog bestimmt. Die t)rter gebeo also die Schweifform our geoahert an, soweit sie sich aus den von Barnard veroffentlichteo Reproduktioneo herleiten 1Ut.

Distanz und Positionswinkel der Schweifpunkte an der SphBre sind:

Punkt I 2

3 4

h K 5 6

I

Punkt

7 8 9

I 0

I I

f 1 2

13

1893 Nov.

0' 43' S

I 32 2 37 3 2 7

3 58 4 2 2

5 1

0 49 I 31

2 .

P 316'16' 317 50 321 11

324 48 321 5 1 317 31 3'9 19 304 45 304 54

1893 Nov. 3.

P 301'39' 307 56 311 2

3x1 41 310 I4 305 54 320 5 2 321 10

Die Punkte 5 uod 6 bezieheo sich auf eineo seitlicheo Schweifstrahl der Aufnahme Nov. 2, der in etwa demselben Positionswinkel liegt, in welchem sich am otichsten Tage der Hauptschweif befindet. Die Punkte I 2 und 13 gehliren einem Schweifstrahl ao, dessen Positionswinkel rnit dem des Haupt- schweifes Nov. 2 nahe zusammenftillt.

Ftir die Anwendung des Kriteriums ist es wiedet hin- reichend, die Erscheioung in der Ebene der Kometeobahn zu untersuchen. Die Projektion der Punkte auf diese Ebeoe ergibt folgende rechtwinkelige und Polarkoordinaten:

Punkt I

2

3 4

h g 5 6

.. 2

e +0.0352 -1-0.0751

+O.I 240 +o.1536 +0.191 I

+ 0.23 30 +0.263 2

+ 0.047 I +0.0949

1893 Nov. 9

+0.0047 + 0.008 2 + 0.0064 -0.0029 +0.0068 +0.026 I

+0 .02 1 7 +o.o135 + 0.02 70

2.

A * 0.03 5 5 0.0756 0.1242

0.1536 0.1913 0.2345 0.2641

0.0986 0.0490

9 + 7'38' + 6 14 + a 58

1 4

+ 6 24 + 4 43 + 1 6 . o + I 5 54

- - 1 - 2 2

Punkt

7 8 9

I 0 I 1

f I 2

'3

e +0.0549 + 0. I 060 +O* I 4 1 3 +0.1970 +0.2658 +0.2660 +0.0269 +0.05 I I

1893 Nov. ul

+ 0.0 I 36 +0.0259 +0.0301 +0.0386 +0.05 7 2 + 0.07 23 +o.oo 14 +0.0025

3- A

0.0566 0.1091 0. I 504 0.2007 0.2719 0.2756 0.0269 0.05 I I

'9

+ I 3 44 + I 1 33 + I 1 5 + I 2 9 + I 5 13 + 3 5 + 2 41

+-3'55'

Nach den Angaben Bredichins gehlirt der Schweif zum I. Typus; es ist also I - p = 1 7 . 5 . Um zu zeigen, dab der Schweif der Aufnahme Nov. 3 aus dem des vorhergehenden Tages nicht durch eine Repulsivkraft der Sonoe gebildet sein kann, gentigt es, eine eiozige Syndyoame zu konstruieren mit

g = 0.2 G = +IO' und den Ausstrlimungsmomenten :

1893 Nov. 1.0, Okt. 28.0, 25.0, 23.0 (M.Z. Berl.). Daraus erhtilt man in der Ebene der Kometeobahn

folgeode Punkte fur die beiden Aufnahmen :

1893 Nov. 2 (= 3.0667 M. Z. Herl.). Punkt t 9 A 'p z a + O , O O I ~ +o.o012 0.0019 +39' 14' 2 Tage b +0.0557 +0.0069 0.0561 + 7 6 6 B

c +0.1432 +0.0200 0.1446 + 7 56 9 B d +0.2231 +0.0361 0.2260 + 9 11 1 1 B li

r893 Nov. 3 (= 4.0685 M. Z. Berl.). Punkt e 9 A 'p z a +0.0083 +0.0019 0.0085 +13'1z' 3 Tage b +0.0784 +0.0098 0.0790 + 7 8 7 P c +o.1771 +0.0261 0.1790 + 8 24 10

d +0.2639 +0.0452 0.2677 + 9 44 12 B

2 bedeutet die Zwischenzeit, die seit dem Ausstrlimungs- momeot des Schweifteilchens bis zum Beobachtungsmoment verflossen ist.

Tragt man die beobachteten sowie die theoretischen Puokte auf, so ergibt sich, dao die koostruierte Syndyname die Hauptschweife der beiden Aufoahmen vollsthdig von- einaoder trennt. Da durch eine Repulsivkraft der Soone die Materie sich our den Syndynamen entlang bewegen kann, so mtissen beim Kometen 1893 IV zwischen dem 2. und 3. Nov. ebenfalls andere Krafte als die der Bessel-Bredichin- schen Theorie wirksam geweseo sein.

Zuniichst findet man auch hier wieder, abgesehen von den beiden aufiergewlihnlicheo Erscheinungen bei den Ko- meten 1903 IV und 1893 IV, dafA die photographischen Auf- nahmen ganz allgemeio mit der Theorie in Widerspruch stehen. Diese erfordert stets relativ langsame Beweguog der Schweif- materie. So hat z. B. der tiufierste der oben angenommenen Schweifpunkte, d, seine Entfernung von Nov. 2 ' bis Nov. 3 our etwa urn 50' vergrlilgert; die Materie hat im ganzen 1 2 Tage gebraucht, um das Schweifende zu erreichen. Es m a t e n also von eioem Tage auf den ngchsten die Einzel-

15.

219 4286 2 2 0

heiten des Schweifes im wesentlichen erhaiten bleiben, auch dann noch, wenn die Repulsivkraft der Sonne den Wert 18 betrachtlich Ubersteigt.

Vergleicht man aber irgend zwei an aufeinander fol- genden Tagen gemachte Aufnahmen im einzelnen, so fiodet man ganzlich verschiedene Schweifbilder. Nur wenige Knoten, Verdichtungen und Wolken, also grofiere Schweifmassen, zeigen die von der Theorie geforderte Geschwindigkeit.

Die Schweifstrahlen im allgemeinen miissen eine be- deutend grofiere Geschwindigkeit besitzen. Sie lediglich als Leuchterscheinungen aufzufassen, scheint bei ihrer Form un- moglich - schliefilich kiinnte man ja die Bessel-Bredichin- sche Theorie in allen Fallen halten, wenn man annehmen wollte, dafi die Schweifmaterie bald sichtbar und bald un- sichtbar sei. Vie1 wahrscheinlicher ist es, dafi in den Strahlen Materie vom Kometenkopf in einer der Sonne entgegen- gesetzten Richtung ausgeht und sich mit grofier Geschwindig- keit und im wesentlichen unabhangig von einer Repulsivkraft der Sonne (wie aus dem Verlauf der Schweifstrahlen ge- schlossen werden mufi) den Schweif entlang bewegt. Das Eotstehen solcher Strahlen wurde beim Kometen Daniel 1907 Aug. 15 direkt beobachtet, 1) und die LHnge der Schweifstrahlen lafit auf eine mittlere Geschwindigkeit von 500 bis 600 km pro Sekunde in bezug auf den Kern des Kometen schliefien.

Ob die sich langsamer bewegenden grofieren Schweif- massen zu der Materie der Schweifstrahlen zu rechnen sind, Infit sich bis jetzt aus den Beobachtungen nicht unmittelbar

machweisen; alles spricht jedoch daflir, so dab man fiir ver- schiedene Teile der Schweifmaterie ganc verschiedene Ge- schwindigkeiten anzunehmen hitte und, wegen der bei den Schweifverdichtungen beobachteten beschleunigten Bewegung, gezwungen wHre, dem Kometenkopf eine abstofiende Kraft zuzuschreiben, die kontinuierlich wirkt und von der Some weggerichtet ist.

Bei den hier untersuchten Kometen 1903 I V und I 893 IV nun handelt es sich nicht um einzelne Schweifstrahlen, sondern um gauze Schweife. Wenn man es, wie Barnard vermutet, bei dem letzteren Kometen mit der Wirkung eines wider- stehenden Mittels zu tun hat, so l a t sich Ober die vom Kometenkopf ausgehenden Krirfte nichts aussagen. Es ware aber auch die Annahme nicht ausgeschlossen, daD die Ma- terie unter verschiedenen Positionswinkeln vom Kern aus- gestromt ist.

Beim Kometen 1903 IV dagegen ist die Annahme eines lufieren Widerstandes schon deshalb unmtiglich, weil das losgeloste Schweifsttick in der Rewegung dem verllngerten Radiusvektor vorangeht. Zur Erkllrung der Erscheinung bleibt nur die Annahme tibrig, dafi am 23. Juli die Ausstrtimung der Schweifmaterie in der Richtung des verlgngerten Radius- vektors aufhtirte und fur kUrzere Zeit die Hauptausstromung unter einem Winkel von etwa IIO vor dem verllngerten Radiusvektor erfolgte. Unter diesem Winkel befindet sich

am 24. Juli das gauze losgeltiste SchweifstUck mit Ausnahme des nachfolgenden Endes. Zur Zeit der Aufnahmen Juli 24 hat dann diese Ausstromung wiederum aufgehort und die- ienige in der Richtung des verlangerten Radiusvektors be- gonnen. Die Geschwindigkeit der Schweifmaterie miifite dann allerdings eine sehr grofie sein. Anzeichen hiervon sind vor- handen. Zunachst zeigt die Lick-Aufnahme vom 23. Juli einen seitlichen Schweifstrahl unter dem Winkel sp = - IOO 43!5, also unter demselben Winkel, unter dem am folgenden Tage das losgeloste Schweifstiick sich befindet. Die LPnge des Strahles ist 147'. HPtte die Schweifmaterie unter der Re- pulsivkraft der Sonne I - p = 89 gestanden, so hitte das vordere Ende des Strahles bereits vor etwa 1 1 / ~ Tagen den Kern verlassen miissen. Vergleicht man aber damit die Auf- oahme Barnards 2) vom 23. Juli, die 41/2 Stunden vor der Lick-Aufnahme beendet ist, so erkennt man kaum die An- deutung eines solchen Strahles. Ferner hat der neue Schweif, der am 24. Juli in der Richtung des verllngerten Radius- vektors eotstanden ist, auf der zweiten Aufnahme Barnards bedeutend mehr an LSLnge zugenommen, als das nachfolgende Ende des SchweifstUckes sich vom Kopf des Kometen ent- fernt hat. In beiden Fallen weisen die Beobachtungen auf durchschnittliche Geschwindigkeiten der Schweifmaterie von mehr als 200 km in der Sekuode in bezug auf den Kern des Kometen hio.

Eine langsame Bewegung zeigt nur das anscheinend zur Seite geschobene, nachfolgende Schweifende, das also damit den sonst beobachteten Verdichtungen entspricht. Seine Bewegung kann zweifellos durch eine Repulsivkraft der Sonne dargestellt werden. Es ware verfrUht, die Dar- stellung durch KrHfte sonst irgendwelcher Art versuchen zu wollen.

Aus den bis jetzt vorhandenen Aufnahmen von Kometen- schweifen lirfit sich mit Sicherheit nur soviel sagen, dab die Gesamtheit der Schweiferscheinungen durch eine Repulsiv- kraft der Sonne allein nicht erkliirt werden kann. Es hat allen Anschein, dafi dern Kometenkopf bei der Schweifbildung der wesentlichste Anteil zukommt.

Die hierbei wirksamen Krlfte sind jedoch vollig un- bekannt. Es wird zuniichst notwendig sein, einen tieferen Einblick in die Gesetzmaigkeiten der Bewegung der Schweif- materie, besonders in der NHhe des Kometenkopfes, zu er- langen , wozu das gegenwmig vorhandene Beobachtungs- material nicht hinreichend ist. Dieses wird bei zukiinftigen grofien Kometen nur durch ein Zusammenarbeiten von Ob- servatorien auf verschiedenen Litngengraden gewonnen werden konnen. Es ist erforderlich, eine ununterbrochene Folge von Aufnahmen zu besitzen - wie etwa beim Kometen 1903 IV am 14. Juli 1903 - die, urn miteinander vergleichbar zu sein, m6glichst gleich lange exponiert sein mtissen unter Be- nutzung Hhnlicher Instrumente. FUr das Studium der Be- wegungsvorgange in der Nlhe des Kopfes des Kometen werden sich Reflektoraufnahmen als ganz besonders wertvoll erweisen.

Astrophysikalisches Institut Ktinigstuhl-Heidelberg, 1908 Sept. A. KO26

I) Lick Obs. Bull. No. 126 pag. 174. *) Astrophys. Journal XVIII pag. 2x0.