8
6 88 Der Gegenstand vorstehender Mittheilung ist ausfihrlicher behan- delt in einer unter dem Titel: Ueber die blaue Jodstlrke und die blaue Jodcholsaure in der Zeitschrift fir physiologische Che- mie Band XI, Seite 306 erachienenen Abhundlung. Breiburg i/Br., den 3. Mirz 1887. Laboratorium des Professor Baum ann. 146. F. Mylius: Ueber die blaue Jodstiirke. (Eingogangen am S. M.'irz; mitgetlieilt in ddr Sitznng von Hw. A. Pinner.) Wenn sich Jod an fnrblose Substanzen addirt, welche Kohlen- stoff, Wasserstoff und Sauerstoff enthalten , so sind die entetehenden Verbindungen entweder farblos oder gelb geErbt. Die Jodstiirke macht von dieser Regel eine Ausnahme. Gewohnlich siod die blauen Farbstoffe Verbindungen von complicirtem chemischen Bau. Dies gilt auch von den jodhaltigen Fnrbstoffen, wie dem Cyanin, zu dessen Bildung Chinolin , Lepidin und Jodamyl erforderlich ist, sowie von den analog zusammengesetzten chinddinhaltigen Korpern, welche in H o f m a n n ' s Laboratorium Spa I t e h o I z vor einigen Jahren beschrieb.') Man glaubte, dass jenen Suljstanzen gegeniiber die Jodstiirke ein cinfaches Additionsproduct sei ; die blaue Farbe schien aber anzudeuten, dass es doch mit diesem Kiirper eine eigene Rewandtniss habeo miisse. Merkwiirdigerweise hat sich im Laufe der Zeit die Anschauung verbreitet, die Jodstarke sei iiberhaupt keine chemische Verbindung, sondern ein Gemenge von Starke und Jod; diese Annahme, welche sich zum Theil auf die sich widersprechenden analytischen Ergebnisse verschiedener Forscher stiitzt, ist in viele Lehrbiicher ubergegangen; von den umfangreicheren seien hier diejenigen von Kolbe, von Roscoe-Schorlemmer und von Beilstein erwahnt. Wenn die Jod- etarke schon zur Widerlegung dieser irrigen Anaicht einer Untersuchung bediirftig war, so schien ihre Analyse um so lohnender, als man hoffen durfte, durch dieselbe einigen Aufschluss iiber die Grosse des Starke- molekiils zu erhalten. Bekanntlich gehen dariiber die Aneichten der Chemiker weit auseinander. Das Starkemolekiil wird ausgedriickt durch die Formel: ._ 9 Spalteholz, diese Berichte XVI, 1547.

Ueber die blaue Jodstärke

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ueber die blaue Jodstärke

6 88

Der Gegenstand vorstehender Mittheilung is t ausfihrlicher behan- delt in einer unter dem Titel: U e b e r d i e b l a u e J o d s t l r k e u n d d i e b l a u e J o d c h o l s a u r e in der Zeitschrift fir physiologische Che- mie Band XI, Seite 306 erachienenen Abhundlung.

B r e i b u r g i/Br., den 3. Mirz 1887. Laboratorium des Professor B a u m a n n .

146. F. Mylius: U e b e r die blaue Jodstiirke. (Eingogangen am S. M.'irz; mitgetlieilt in ddr Sitznng von Hw. A. Pinner.)

Wenn sich Jod an fnrblose Substanzen addirt, welche Kohlen- stoff, Wasserstoff und Sauerstoff enthalten , so sind die entetehenden Verbindungen entweder farblos oder gelb geErbt. Die Jodstiirke macht von dieser Regel eine Ausnahme. Gewohnlich siod die blauen Farbstoffe Verbindungen von complicirtem chemischen Bau. Dies gilt auch von den j o d h a l t i g e n Fnrbstoffen, wie dem C y a n i n , zu dessen Bildung Chinolin , Lepidin und Jodamyl erforderlich ist, sowie von den analog zusammengesetzten chinddinhaltigen Korpern, welche in H o f m a n n ' s Laboratorium S p a I t e h o I z vor einigen Jahren beschrieb.')

Man glaubte, dass jenen Suljstanzen gegeniiber die Jodstiirke ein cinfaches Additionsproduct sei ; die blaue Farbe schien aber anzudeuten, dass es doch mit diesem Kiirper eine eigene Rewandtniss habeo miisse.

Merkwiirdigerweise hat sich im Laufe der Zeit die Anschauung verbreitet, die Jodstarke sei iiberhaupt keine chemische Verbindung, sondern ein Gemenge von Starke und Jod; diese Annahme, welche sich zum Theil auf die sich widersprechenden analytischen Ergebnisse verschiedener Forscher stiitzt, ist in viele Lehrbiicher ubergegangen; von den umfangreicheren seien hier diejenigen von K o l b e , von R o s c o e - S c h o r l e m m e r und von B e i l s t e i n erwahnt. Wenn die Jod- etarke schon zur Widerlegung dieser irrigen Anaicht einer Untersuchung bediirftig war, so schien ihre Analyse um so lohnender, als man hoffen durfte, durch dieselbe einigen Aufschluss iiber die Grosse des Starke- molekiils zu erhalten. Bekanntlich gehen dariiber die Aneichten der Chemiker weit auseinander. Das Starkemolekiil wird ausgedriickt durch die Formel:

._

9 S p a l t e h o l z , diese Berichte XVI, 1547.

Page 2: Ueber die blaue Jodstärke

689

CS Hlo 0s nach friiheren Autoren. Cia Ha0 0 1 0 nach jetzt vielfach verbreiteter Ansicht. Cl~H30015 nach O ’ S u l l i v a n . C24H40020 nach P f e i f f e r und Tol lens . ’ ) c3.5 He2 0 3 1 nach N a e g e l .

(cl2H20031)5-6 nach M u s c u l u s und G r u b e r . 2 ) (Cla Ha0 0 1 0 ) l o nach B r o w n und H e r o n . s, (c36 Hso 030)5 nach B r o w n und M o r r i ~ . ~ )

Man neigt also vielfach der Ansicht zu, dass die Stffrke ein ausserordentlich umfangreiches Molekiil besitzt. Vielleicht ist diese Meinung durch den geringen Jodgehalt der Jodstarke unterstiitzt worden, welcher nach fraheren Untersuchungen 3-7 pCt. betriigt. Der hohe Jodgehalt von 42 pCt., welcher von L a s s a i g n e einmal gefunden worden ist, wurde bereits von L i e b i g auf eine grobe Ver- unreinigung mit J o d zuruckgefiihrt. Wenn die Jodstarke eine Mole- cularverbindnng von dern Typus (C, Hlo O , ) , . J 2 darstellt, dann muss allerdings das Starkemolekiil ein hohes Gewicht besitzen, selbst fiir den Fall, dass die Jodstarke, wie B o n d o n n e a u 5 ) gefunden hat, gegen 14 pCt. J o d enthalt.

Die Auffindung der blauen J o d c h o l s a u r e , G ) welche in allen ihren Eigenschaften der Jodstarke so ahnlich ist, liess die Gelegenheit zu einer erneuteri Untersuchung der Jodstiirke giinstig erscheinen.

Q u a l i t a t i v e A n a1 y s e. Da man aus Starke mit Hilfe von Jodliisung blaue Jodstiirke zu

erzeugen vermag, so bat Niemand damn gezweifelt, dass diese aus- schliesslich aus Starke und Jod bestehe, und die Ansicht von G u i c h a r d , ’ ? dass darin das J o d mit einer farblosen jodhaltigen Snbstanz, der sfarblosen Jodstarkec verbunden sei, bat nicht vie1 Anhanger gefunden.

Die Untersuchung der J o d c h o l s a u r e hat bewiesen, dass es blaugefarbte Additionaverbindungen giebt, an deren Bildung sich aueser dem activen J o d noch Jodwasserstoff oder dessen Salze betheiligen. Es war festzustellen, o b zu dieser Gattung von Verbindungen auch die Jodstgrke gehort. Es hat sich ergeben, dass dies in der That der Fal l ist. Die Bildung der Jodstarke erfolgt unter Mitwirkung der Jodwaseerstoffsaure. Dies geht aus folgenden Thatsachen hervor:

I) Pfeiffer und Tol lens , Liebig’s Annalen 210, 289. a) Musculus und G r u b e r , Zeitschr. physiol. Chemie Iz, 177. 3) Brown und H e r o n , Liebig’s Annalen 199, 165. 4) Brown und Morr i s , Liebig’s Annalen 231, 72. 5) Bondonneau , Compt. rend. 85, 671. 6) Vergl. den vorhergehenden Aofsatz. ?) G u i c h a r d , Bull. soc. chim. 1863, 115.

Page 3: Ueber die blaue Jodstärke

690

1. Jodlosungen, welche Stsrke blau fmben, enthalten Jodwasser- stoffsiiure oder eines ihrer S h e .

2. Durch Anwesenheit von Stoffen, welche die Jodwaeserstoffsiiure zerstoren, wird die Bildung der Jodstlirke verhindert. Dies geschieht z. B. durch Chlor und durch grossere Mengen von Jodsiiure in saurer Mischung.

3. Silberliisung eutfarbt, wie O u i c h a r d bereits gefunden hat, eine Liisung von Jodstiirke. Eio Zusatz von J o d bewirkt eine Gelbfarbung der Mischung, auf Zusatz ron Jodkalium oder Jodwasserstoff fiirbt sich die Fliissigkeit wieder blau l).

4. Eine wasserige Losung von J o d a ) ist nicht im Stande, Stlirke- liisung blau zu fdrben, dies geschieht aber sofort, wenn der Mischung eine Spur Jodwasserstoff oder Jodkalium hinzugefiigt wird.

J o d s t i i r k e als I n d i c a t o r .

Bei der Anwendung der Stiirke als Indicator wird nach dem oben Gesagten eine Mischung van Starke und Jodwasserstoff (Jodkalium) als Reagens auf J o d benutzt. F i r die maassanalytischen Operationen ist die neue Auffassung iiber die Natur der Jodstlirke von gar keiner Bedeutung, da sowohl bei der Oxydation von Jodwasserstoff, als bei der Reduktion von J o d die Bedingungen zur Bildung der Jodet&rke gegeben kind. Auch wo Jodsaure reducirt wird, wie bei den inter-

1) Man kann sich die unter 3 aufgefiihrte Thatsache in folgender Weise erkllren. ~ Das Silbersalz entxieht der Jodstarke den Jodwasscrstoff; cs wird Jodsilber ynd frcic Siiure gcbildet: zugleich wird neben Stirkc Jod frci; diesea wirkt auf das Silbersalz, indeni Jodsilber und Jodsiiure entsteht. Ein Zusatz yon Jodw sserstoff liefcrt mit Jodsiiure wiederum freies Jod, und die Bedin- gungen zur Bildung tlcr Jodstiirke sind wieder gegeben. Die Wirkung des Silberacetats oder Sulfats ist elicnso wie die des Nitrats: tibrigens erfolgt kein Niederscblag von Jodsilber, sondern die Mischung bleibt eine Zeit lang klar. Wahrscheinlich ist irgend eine 16sliche Doppelverbindung des Jodsilbers in der Mischung enthalten.

I ) Eitie wbserige LBsung von Jod stellt man am beaten dar, indem man pulverfijrmiges Jod durch wiedcrholtes Wakchen mit Wasser vom anhangenden Jodwasserstoff befreit, etwas rerdhnnte Schwefelsiure hinzufiigt und die Mischung mit Wasser verdiinnt. Das Ansauern ist darum durchaiis noth- wendig, weil reines Wnsser aus dcni Glase Natron frei macht, welches auf Jod unter Bildung von Jodnatrium und jodsaurem Natrium reagirt. Daes dies der Fall ist, lehrt ein einfacher Versuch. Wenn man etwas gepnlvertee Jod im Reagirrohr mit Wasser bis zum Verdampfen des Jods erhitzt, so hinterbleibt eine farblose Fltissigkeit, welche auf Zusatz von Schwefeldnre sich gelb firbt; die F&rbung ist durch freies Jod bedingt. Ueber die Wirkung des Wassers auf Glas siehe W a r b u r g und I h m o r i , Annalen d. Physik und Chemie XXVII, 481.

B

Page 4: Ueber die blaue Jodstärke

69 1

rssanten Versuchen von L a n d ol t I ) iiber die Zeitdauer der Reaction zwiachcn Jodsiiure und schwefliger S u r e wird neben J o d so vie1 JodwaPseretofT gebildet. dass die blaue Jodstiirke entstehen kann.

Dass zur Bildung blauer Jodstarke in der That Jodwasserstoff nothwendig ist, erkeniit man am besten aus dem Umstande, dass man h e diirch J o d gefarbte Stiirkelosung als daa empfindlichate Reagens auf Jodwasserstoffsaurr uiid ihre Salze beniitzen kann.

Mit Jodwassrrstoffsiiure, welche iin Verhaltniss vim 1 s u Million nrit W’asser reidiiiint ibt, fiirbt sich das Rragens intensiv blau. Fiir practische Zwecke cmpfiehlt es sich, der Starkelosuirg vor dem Ziraatz der .Jodliisung eine Spur Silberaeetatlosung hiiizuzufiigen ; man ist ouf diese Weiss sicher, eine gelbe Fliissigkeit zu erhalten, wenn auch die anzuwendende .Jodlosung nicht absolut reiu ist.

Es muss hier bernerkt werdeii, dass die Bildung der Jodstarkc in dt:r gelben Jodstiirkeliisung auch durch solche Substanzen veranlaeat wird, welche J o d in Jodwasserstoff iiberfuhren, also durch Rcductions- mittel wie Schwefelwasserstoff. Schweflige Sliure, Zinnchloriir. Wah- rend ein ganz geringer Ziisatz dieser Mittel eine intensive Blaufiirbung der Mischuirg hervorruft, wirkt eine etwas grossere Menge sogleich entfarbend , indem die Jodstiirke vollstandig in Jodwasserstofl und Stiirke iibergefihrt wird. Auch f i r den Nachweis dieser Subetaneen ist die Empfindlichkeit des Reagene eine ausserordentliche. Viele or- g a n i s c h e Stoffe Rrben die gelbe Mischung ebenfalls blau, z. B. Ani- h i , Phenylhydrazin , Hydroxylamin, Amidophenylmercaptan, Hydro- chinon, Hydrojuglon etc. ; durch Essigsiiure oder Alkohol findet keine Blaufarbung statt (ebenso wenig durch Eisenoxydul).

Qua n t i t a t i v e A u a l y s e. Wie aus den geschilderten Verhaltniaeen hervorgeht, geiiiigt es

nicht zur Ermittelung der Zusamruensetzung der Jodstiirke, wenn man ihren Gehalt an J o d bestimmt; es muss auch festgestellt werden, wie- vie1 Jod in der Form von Jodwssserstofl darin vorhanden ist; ich habe zunachst das gegenaeitige Verhaltniss der Mengen von J o d und Jodwasserstoff bestimmt, welche sich an der Bildung der Jodstiirke betheiligen; kennt man dann den Gesammtjodgehalt der Substanz, SO

bat man die Daten, welche zur Erkenntniss der Zusammensetzung notwendig sind.

Wenn man in eine rnit Schwefelsaure angesiiuerte Losung von J o d und Jodkalium gequollene Stiirke (Starkekleister) bringt , so erzeugt sich Jodstiirke, welche sich in der Fliissigkeit schnell absetzt. 1st der Gebalt der urspriinglichen Fliissigkeit bekannt , 80 kann man durch

1) 8. L a n d o l t , diese Berichte XIX, 1317. -

Rrril hte d. D #.hem Oesellschaft. Jahrp. XS. 45

Page 5: Ueber die blaue Jodstärke

692

Titration der vom blauen Niederschlage getreonten Fliissigkeit leicht die absoluten Mengen von Jod und von Jodwasserstoff bestirnmen, welcbe bei der Bildung der Jodstiirke absorbirt worden Bind. In dem einen Fall wiirtle gefiindeii, dass 0.15733 g Jod und 0.03933 g J o d - wasserstoff absorbirt wordell wareii: eiri anderer Fal l ergab 0.17408 g Jod iind 0.0461 g Jodwasserstoff. Die Menge des Jods , welches in der Form von Jodwasserstoff absorbirt worden ist. verhalt sich zu dern .Jod, welches als solches verwendet wurde, irn ersten Fall wie 1 zii 4.0. irn zwciten Fall wie 1 zii 3.8. Ein ahnliches Resultat wurde bei iifterer Wiederholung dcs Versuches gewoniien. Als Durcbschnitt aller Versuchv wurdeit Jie Zableti 1 zii 3.95 gefunden, und inan hat daraus den Schluss gexogeii, d i m das wahre Verhaltniss 1 zu 4 sei. Es korniiit rnithiii iit der Jodstiirke auf 4 Jodatorne 1 Mol. Jodwasser- stotf. D a die Zuharnnlrnsetzung der J o d c h o l s i i u r e in der Formel ( C ~ ~ H U O ~ J ) ( J H gegeben ist, so wird es irn hijchsten Grade wahr- scheinlich, dass die Jodstiirke i h r viillig analog zusarnrnengesetzt ist, iind dass man ihre wahre %usanimensetzuiig schreiben muss

wenn der Ausdruck (C~H1,O5)rt dits Molekiil der Stiirke bedeutet. Zur Bestimrnurtg der in der Substanz elithaltenen Menge des ge-

sttmmten Jods wurdc die Jodstiirkr aus klarer wgiesriger Stiirkeliisung init Hilfe einer wiissrigen jodkaliiimhaltigen Jodlasung dargestellt; die blaue Flussigkeit kann filtrirt werden, ohne dam feste Substanz abge- scbieden wird; siiuert mail die Losung aber mit Schwefelsaure stark a n , so wird die Jodstarke gefallt und kann nun leicht abfiltrirt uiid durch Waschen niit Wasser vollkornmen von den anhaftenden Verun- rcinigungen befreit werden. Die Analyse der irn Vacuum getrockneten JodstHrke hat folgende Werthe evgeben:

[(C, Hid 0 5 h JIJ, J H

Kohlenstoff 36.1 4 pCt. Wasserstoff 5.66 D

J o d 18.47 )P

B o n d o n i ~ e s u , welcher den .Jodgehalt erheblich gcriiiger, iiiimlich gegen 14 pct . gefunden hat. macht die Angabe, die Substanz rerliere beirn Trocknen Jod. Nun ist allerdiiigs die Jodstiirke dissociirbar, allein bei gew6hnlicher Temperatur in iiusserst geringem Maasse, d a man mit Hilfe von Stiirke sowohl J o d als Jodwasserstoff in ausser- ordentlichen Verdiinnungeii nachweisen kann; ich bin darum der An- sicht, dass der Jodverlust beirn Trocknen der Jodstiirke zu gering ist, ah dass er fir die Analyse in Hetracht knrnnien kknnte. Urn jedoch jedem Einwande ziivor zii kornrnen; habe ich spater die Jodstiirke irn feuchten Zustande analysirt, d. h. das Verhaltniss des darin rorhande- nen Jods zur S t l r k e bestirnrnt.

Eine mehrere Cubicceiitinreter betragende Menge des feuchten Ma- terials wurde rnit schwefliger Sgure iibergossen; es entsteht dabei eiiie

Page 6: Ueber die blaue Jodstärke

farblose Flussigkeit , welche sich im Verlaufe einer Stunde mehr und mehr triibt, indem dichte Flocken sich zu Boden senken; aus der an- fangs iibersattigten Losung scheidet sich der Ueberschuss der Starke lmgsarn ab. Die Stiirke wurde durch Zusatz von absolutem Alkohol geEllt und iiuf gewogenem Filter bei 1-200 getrocknet. Das Filtrat eiithiilt die Jodwasseratoffsliure; diese wurde nach dem Eindampfen der Fliissigkeit mit chlorfreier Natronlauge gewichtsanalytisch oder iiach dem Vrrfahreu von Vol h a r d maassarialytisch bestimmt. So warden erhnlteii :

1. Starke 0.9602g J o d 0.2345 g

2.1) Stiirke 0.5282 g Jod 0.1295g.

Bezieht man die Menge des Jods anf die Summe von Stiirke und J o d , so erhiilt man ohne merklichen Fehler den Procentgehalt der Jodstiirke an Jod; derselbe wiwde gefunden bei Versuch 1 zu 19.65, bei Versuch 2 zu 19.G9.

Eine so vorziigliche Uebereinstimrnung der analytiRchen Versuche wurde jedoch nicht in allen Fallen gefunden: haufig fie1 der Jodgehalt iiiedriger aus und wurde zwischen 17 und 19 pCt. beooachtet. Die Ursache dieser Schwankungen im Jodgehalt ist nicht in der ~Zersetz- barkeit der Jodstiirke zu suchen, denn dieselbe wird bei gewiihnlicher Temperatur durch verdunnte Siiuren nicht im Mindesten angegriffen ; die Ursache liegt vielmehr besonders in dern Umstande, dass es sehr schwer ist, durch Filtration klare Losungen von Stiirke zu gewinnen; aiich die Zersetzbarkeit der Stiirke selbet unter dem dauernden Ein- Auss des Wassers mag sich :in diesen Schwankungen betheiligen. Der Jodstiirke kiinnen auf solche Weiee Stoffe beigemischt werden, welche sich mit J o d entweder gar nicht oder nach abweichendem Verhaltniss verbinden.

Mit Sicherheit geht aus meinen Analyseii, welche im Durchschnitt grgen 18 pCt.. ,Jod ergabeii, herror, dass die Jodstiirke mehr a h 1 7 pCt. J o d enthiilt. Wenn man bedenkt, dass in d r r Jodstarke urn so mehr J o d gefunden worden ist, je sorgf2ltiger sie untersucht wurde, so muss man geneigt seiii, den h o h e n Zahlen am meisten Zutrauen z11 schenken.

Wenn die oben erwiihnte Annahme richtig ist, dass in der Jod- stiirke auf 4 Mol. Stiirke 5 Atome Jod kommen, so enthalt das Stiirke- rnolekiil weniger ale 36 Kohlenstoffatome. . . - .

*) Die Substanz f i b Versuch 2 war aus Stirko erhaltm, welclie aua Jotl- st.iirkc durcli Reduction enriickgewonoen worden war; es ist dadurch bewia- sen, class die Stiirkesubstanz durch die Uebcrfbhruog in Jotlstiirkc nii.bt vcr- iindert wird.

4.3

Page 7: Ueber die blaue Jodstärke

Stkrke von den drei Molekulargriissen Cas H6o 0 3 1 (N sege l i ) , GO Hso 02s und C24 Hm 0 1 0 wiirde zu .Jodstiirke von folgeodem Jod- gehalt fiihren:

(CSS Hba 0 3 1 J)4. J H wiirde rnthalten 13.81 pCt. Jod

((324 h o 0 2 0 J > 4 , J H a n 19.67 3

(c30 H:,o 0 2 5 J ) 4 , vJH ') ) 16.38 3

Wie inan sieht, falleii die gefundenen Werthe zuni Thri l zu- bammeii mit denjenigen, welche sich ails der Formel c 2 4 H4o 0 2 0 ab- leiten. zum Theil liegen sie in der Mitte zwischen diesen und den ails der Formel C30H5002; berechneten. 1st man datier der Ansicht, dass das Stiirkemolekiil pin Vielfaches des Aiisdrucks CS HlOOi darstellt, so moss inan es fiir sehr wahrschrinlich li:ilten, dass demselbrn die Formel (CsHl005)4 = C 2 r H 4 o 0 2 0 zukommt. Eh ist einc fiir mich er- freuliclie Thatsache, dess dies dieselbe Foitnrl iat, welche P f e i f f e r und Tn I 1 eii s ') auf Grnnd einer sehr snrgfiiltigen Analyse der Natrium- verbindiing aus der Starke fur wahrscheinlich halten. Qoweit es mir moglich ist, den chemischen Cliarakter der Stiirke zu iiberseheo, finde ich auch keine Thatsache, welche mit der Annahme einer snlchen Molekiilargrosse im Widersprnch stiinde iind glaube vielmehr, dass die Schlussfolgerungeri, welche zu einem erheblich umfangreicbereri Moleknl gefuhrt haben, auf Vorilussetzungen gegriindet sind, deren Richtigkeit nicht ausser Zweifel steht.

Die Stlirke. welche aus Jodstiirke zuriickgewonnen wurde, sollte l i i s l i c h e Stiirke sein: sie loste sich aucli ziim grossten Theil in heisseni Wasser auf; stets aber wurde e;n kleinei unliislicher Riick- stand beobachtet, welcher sich bedeutend grosser zeigte, wenn die Substanz getrocknet worden war.

Die Analyse ergab fnlgerides Resultat: Versuch 9,

I. 11. Theorie

c y 4 288 44.44 44.10 44.19 pct. H40 40 6.18 6.47 6.69 3

02" 320 49.38 - - 648 100.00

Die Zusammensetznng

I c24 H40 020 J C24 H4o 020 J J H c24 H40 0 2 0 J c24 H4o 0 2 0 CJ \

welche fur die Jodstiirke wahrscheinlich ist, eiitspricht annahernd deli oben angefiihrten Werthen der Elementaranalyse:

_ _ I) Pfeiffer und T o l l e n s , Liebig's Annalen 210, PS9. 1) Die zur Analyee verwendeten Substanzmengen geh6rten verschiedener

narstollung an: f i r I wurde die Substanz im Vacuum, f i r I1 bei 120° getrocknet.

Page 8: Ueber die blaue Jodstärke

695

Verauch I. 11. Theorie

Cgs 1152 35.68 36.14 - p c t . Hi61 161 4.99 5.66

080 1280 -39.66 - - >

-

J5 635 19.67 - 18.47

3228 ioo3U Die im Vacuum getrocknete Substauz scheint wasserfrei zu sein;

sie besitzt zerrieben eine braune Farbe und wird, mit Waeser benetzt, dunkelblau; im blauen Zustande zeigt die Jodstiirke trocken einen starken kupferfarbenen Oberflachenglanz.

Die Jodstarke enthiilt ein Wasaerstoffatom, welches diirch Metalle vertretbar ist. Man erhiilt die Metallverbindungen, wenn man bei der Bereitung der Jodstarke die freie Jodwaaserstoffsaure durch Metall- jodide ersetzt. Einige dieser Verbindungen eind in Wasser 16slich, wie die Kalium- und die Natriumverbindung, andere ganz unliislich, wie die Baryum- und die Zinkverbindung. Daas die Haryumverbindung die Zusamrnensetzung (Cz4 H4,)02" J)4, J ba I) besitzt, wurde durch be- sondere Aiialyee h2;chst wahrscheinlich gemacht.

Eiu Tlieil der gegenwiirtigen Mittbeilung iat in einer in der Zeit- schrift f i r physiologische Chemie Rand XI, Seite 306 erschienenen Abhandlung i iber d i e b l a u e J o d s t a r k e u n d d i e b l a u e J a d - c h o l s a u r e ausfiihrlich beeprochen worden.

F r e i b u r g i. B., den 3. Mlirz 1887. Laboratorium dee Professor H a u m a n n .

147. Frdddric Weil: Berishtigung. (Eingcgangco am S. M h ; mitgeteilt in der Sitzunp; ron Hrn. A. ]'inner.)

In diesen Berichten (No. 1, Seite 59) bat Hr. C a r l F r i e d h e i n i meirie volumetriache Bestimmung des Schwefelwasaerstoffea in durch Salz- oder Schwefelsgure zerlegbaren Sulfiden einer Kritik unterzogen, welche icli erst heute widerlege und berichtige, da mir wegen ver- spiiteter Zusendung dieser Berichte seine Abhandlung erst vor Kurzem bekannt wurde.