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Zeitschri~t ffir vergleiehende Physiologie, Bd. 41, S. 364--372 (1958) Aus dem Institut fiir Hygiene und Medizinische Mikrobiologieder Freien Universitgt Berlin (Direktor: Prof. Dr. reed. B~R~HA~D SC~mDT) UBER DIE EIGNUNG DE~ SPI~NE ARANEUS FOLIATUS FOUI~CI%OY ZUR DURCHF~ttl%UNG VON l%0UTINEUNl:ERSUCHUNGE~ NEUROTROPER SUBSTANZEN Von BEICNttAI~D SCI-IMIDT u n d CItAI%LOTTE PEI~SCKMAI~IN Mit 15 Textabbildungen (Eingegangen am 23. Juli 1958) Einleitung Im Jahre 1948 und in der folgenden Zeit erprobten WITT 2-~ pETEnS 1, WOLFF und HEliCaL 9 die Wirkung neurotroper Substanzen bei der Kreuzspinne Zilla-x-notata CL.. Sic stellten hierbei lest, daI3 sich die Netze der Spinnen naeh Gabe solcher Stoffe in eharakteristiseher Weise /inderten. Der Netzbau ist eine Instinkthandlung, die yore Zentralnerven- system gesteuert wird und in verschiedenen Phasen verls Greift nun eine Substanz am Nervensystem an, so ~indert sich sein Funktions- zustand und spiegelt sieh im l~etzbau wieder. Die einzelnen Phasen des Netzbaues kSnnen durch neurotrope Stoffe getrennt beeinflu~t werden; hierdureh kann yon einer Substanz zur anderen ein untersehiedliehes Wirkungsspektrum zustande kommen. Nach WITT 7 mfii3te es daher m6glich sein, mit Hilfe der Spinnen unbekannte Stoffe zu testen. Durch Variation der Versuehsbedingungen sollte es diese Methode weiterhin erm6gliehen, die Wirkungsweise neurotroper Substanzen zu differen- zieren. An Hand eigener Untersuchungen und yon Hinweisen in der Literatur versuehten wit zu ermitteln, ob sich dieser ,,Spinnentest" zur I)urch- fiihrung routinem~l~iger Untersuchangen eignet. Material und Methodik Die Durehfiihrung der Versuche erfolgte nach den Angaben von WITT 7, wobei einige Modifikationen vorgenommen wurden. Als Versuehstier diente Araneus /oliatus FovRc~oY, 9, das sich yon der bisher verwendeten Zilla-x-notata CL. vor allem dadureh unterscheidet, dab es ein Netz ohne freien Sektor baut. Prfifsubstanz war Pervitin, das in w~il]riger LSsung mittels Rekordspritze einem Beutetier (Musca domestica) injiziert wurde; die vorbehandelte l~liege wurde anschliel~end an die Spinne verfiittert. In den in der Literatur besehriebenen Versuchen wurde das Medik~ment dureh Inhalation den Spinnen zugefiihrt oder in ausgedriickte

Über die Eignung der Spinne Araneus Foliatus fourcroy zur Durchführung von Routineuntersuchungen neurotroper Substanzen

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Zeitschri~t ffir vergleiehende Physiologie, Bd. 41, S. 364--372 (1958)

Aus dem Institut fiir Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Freien Universitgt Berlin (Direktor: Prof. Dr. reed. B~R~HA~D SC~mDT)

UBER DIE EIGNUNG D E ~ S P I ~ N E A R A N E U S F O L I A T U S FOUI~CI%OY ZUR DURCHF~ttl%UNG

VON l%0UTINEUNl:ERSUCHUNGE~ NEUROTROPER SUBSTANZEN

Von BEICNttAI~D SCI-IMIDT und CItAI%LOTTE PEI~SCKMAI~IN

Mit 15 Textabbildungen

(Eingegangen am 23. Juli 1958)

Einleitung

Im Jahre 1948 und in der folgenden Zeit erprobten WITT 2-~ pETEnS 1, WOLFF und HEliCaL 9 die Wirkung neurotroper Substanzen bei der Kreuzspinne Zilla-x-notata CL.. Sic stellten hierbei lest, daI3 sich die Netze der Spinnen naeh Gabe solcher Stoffe in eharakteristiseher Weise /inderten.

Der Netzbau ist eine Instinkthandlung, die yore Zentralnerven- system gesteuert wird und in verschiedenen Phasen verls Greift nun eine Substanz am Nervensystem an, so ~indert sich sein Funktions- zustand und spiegelt sieh im l~etzbau wieder. Die einzelnen Phasen des Netzbaues kSnnen durch neurotrope Stoffe getrennt beeinflu~t werden; hierdureh kann yon einer Substanz zur anderen ein untersehiedliehes Wirkungsspektrum zustande kommen. Nach WITT 7 mfii3te es daher m6glich sein, mit Hilfe der Spinnen unbekannte Stoffe zu testen. Durch Variation der Versuehsbedingungen sollte es diese Methode weiterhin erm6gliehen, die Wirkungsweise neurotroper Substanzen zu differen- zieren.

An Hand eigener Untersuchungen und yon Hinweisen in der Literatur versuehten wit zu ermitteln, ob sich dieser ,,Spinnentest" zur I)urch- fiihrung routinem~l~iger Untersuchangen eignet.

Material und Methodik Die Durehfiihrung der Versuche erfolgte nach den Angaben v o n WITT 7, wobei

einige Modifikationen vorgenommen wurden. Als Versuehstier diente Araneus /oliatus FovRc~oY, 9, das sich yon der bisher verwendeten Zilla-x-notata CL. vor allem dadureh unterscheidet, dab es ein Netz ohne freien Sektor baut. Prfifsubstanz war Pervitin, das in w~il]riger LSsung mittels Rekordspritze einem Beutetier (Musca domestica) injiziert wurde; die vorbehandelte l~liege wurde anschliel~end an die Spinne verfiittert. In den in der Literatur besehriebenen Versuchen wurde das Medik~ment dureh Inhalation den Spinnen zugefiihrt oder in ausgedriickte

Eignung der Spinne zur Durchfiihrung von Routineuntersuchungen 365

Fliegenleiber gefiillt und so den Spinnen zum Fra] ~ngeboten. Insges~mt 26m~1 applizierten wir den iSpinnen Pervitin, und zwar 0,09--0,63 7/mg K6rpergewieht.

W I ~ 7 behandelte die Netze zum Siehtb~rmachen mit S~lzs~ure- und Ammoniak- d~mpfen; wit jedoeh besprtihten die Netze mit Pepton, um einen eventuellen ungfinstigen Einflu]3 dieser Substanzen auf die Spinnen zu vermeiden. Dieses Ver- fahren hatte zudem den Vorteil, du]3 die peptonisierten Netze yon den Spinnen gefressen wurden und eine zus~tzliehe N~hrung fiir die in der Gefangenschaft unter ungewShnlichen Bedingungen lebenden Tiere darstellten. Ein Einflu~ des Peptons ~uf den Netzb~u konnte nieht festgestellt werden. - - Die Versuehe k~men in der Zeit vom April his September 1957 zur Durchfiihrung.

Das normale Verhalten der Spinnen unter Laboratoriumsverhalt- nissen. Z m ~ c h s t wurden das Verhalten der Spinnen ohne Einflul3 yon

Abb/?. und 2. Netz~nderui~gen ohne Medikamenteinflul3

Medikamenten untersucht und die Mittelwerte der NetzgrSl~e, Fangflgche, Radien usw. yon 67 normalen Netzen errechnet. Die Mittelwerte sind aus der Tabelle ersichtlich. WIT~ 7 teilte bereits mit, da~ diese Werte auch unter normalen Bedingungen, d.h. ohne MedikamenteinfluB, schwanken k6nnen. Ex t r em abgegnderte ~etze, die im Anschlul~ an den Bau normaler beobachtet wurden, zeigen die Abb. 1 trod 2.

Wir halten daher bei Versuchen zur Ermi t t lung von Netzvergnde- rungen folgende Einschrgnkungen ffir notwendig : 1. Es d/irfen nur Netze ein und derselben Spinne zum Vergleich herangezogen werden. 2. ~ u r das Netz vor der Applik~tion eines Medikamentes und die unmit te lbar anschliel3end gebauten Netze kSnnen zur Auswertung gelangen. 3. Die zu prfifende Substanz mul~ an mehrere Spinnen verabreicht werden.

Bez~glich des Beginns der Netzbauts konnte f/Jr die yon uns untersuchten Spinnen keine fibereinstimmende Tages- bzw. Nachtzei t ermit tel t werden, so dal3 im Einzelfall kaum Aussagen darfiber mSglich waren, wie lange ein Medikament eingewirkt hatte, bis sein Einflu[3 am Netz erkennbar wurde. Die AuslSsung der Netzbaut~t igkei t soll durch einen n~chtlichen Temperaturabfal l begtinstigt werden. Da die

24*

366 ~ERN~ARD SCHMIDT und ~HAI~LOTTE ~ERSCHMAN~:

Temperatur des I%chts in unseren Laboratorien nur geringe Sehwankun- gen aufwies, ist der Beginn des Netzbaues der Spinnen m5glicherweise hierdureh ungfinstig beeinfluBt worden. Andererseits mul~ berficksichtigt

Abb. 3 Abb.

Abb. 3 - -7 . Ne t zve r~nde rungen dutch P e r v i t i n bei Araneus folialus FOURCRO:~ naeh n iedr igen Dosen

Abb. 3. Normales Ne tz

Abb. 4. Netz a m 2. Tag naeh Pe rv i t i nzu f i i h rung (16 ~ pro Tier)

Abb.5 Abb. 6 Abb. 7

Abb. 5. Normales Netz

Abb. 6. Netz a m 1. T a g naeh P e r v i t i n a p p l i k a t i o n (16 y)

Abb. 7. Netz a m 2. T a g

werden, dab auch im Freiland Spinnen zu den verschiedensten Tages- zeiten ~etze bauen. Es ist daher zumindest fiir Araneus/oliatus FouR- c•ov unerl~Blieh, die Zeit yon der Applikation eines Stoffes bis zum Beginn des ~etzbaues in jedem Versueh erneut festzustellen. Andern- falls werden jeweils verschiedene Stufen der Substanzwirkung erfM~t.

Von Bedeutung ist aueh der Ern~hrungszustand der Versuchstiere. Es besteht die MSglichkeit, dab es bei einem gut gen~hrten Tier zur Speieherung der ~pplizierten Substanz kommt, die dann nur allms

Eignung der Spinne zur Durchfiihrung yon Rou~ineuntersuchungen 367

zum Nervensystem gelangt. Auf diese Weise wgre eine langanhaltende Wirkung eines Stoffes zu erld/~ren, wahrend bei einem Ilungertier die Wirkung einer neurotropen Substanz schneiler einsetzen diirfte. In

Abb . 8 ' Abb . 9

Abb . 8 - - 1 2 . Ne t zve r /~nde rungen d u r e h P e r v i t i n be i Araneus foliatus }~OUROI~OY n~eh h o h e n Dosen

Abb . 8. N o r m M e s Ne tz

Abb . 9. Ne t z a m 4. T~g n a c h P e r v i t i n z u f i i h r u n g (55 y)

Abb . 10 Abb . 11 Abb . 12

Abb . 10. N o r m M e s Netz

Abb . ] 1. Ne t z a m 1. T a g n a c h P e r v i t i n z u f i i h r u n g ( 1 0 0 y)

Abb . 12. Ne t z a m 2. Tag"

diesem Zusammefihang sei auf Fiitterungsschwierigkeiten bei Ara~eus /oliatus hingewiesen, nahmen do& die Spinnen das Beutetier yon der Pinzette nieht immer an. Ferner ist darauf zu aehten, dab die Spinnen bei der Durehfiihrung der Versuehe ersehfitterungsfrei gehalten werden mfissen, da sie sonst den ihnen zum Netzbau angebotenen Rahmen verlassen und aul~erhalb dieses mit der Spinnt~tigkeit beginnen. Die so erhaltenen Netze sind nieht zu verwer~en.

368 BERNHARD SCHMIDT u n d ~HARLOTTE ~ERSCHMANN:

Somit steht fest, dab aueh ohne Beeinflussung dureh Medikamente zahlreiehe Faktoren zu ~nderungen des Netzbaues ffihren k6nnen. Bei Versuchen fiber den EinfluB von Medikamenten miissen diese Fak- toren berfieksiehtigt werden.

Tabelle. Netzver~inderungen nach der Zu/i~hrung von Pervitin

Ver- Ver* P e r v i t i n ~/I Zah l (~ber- Tier (~/mg F a n g - IAinge/ Naben - groBe Kleb faden - such suchs- K6rpe r - fl~che der Bre i te sym- Sek- regel- Nr. t a g gewicht ) in em 2 R a d i e n in em me t r i e 1 to ren mgl~igkeit

I

I I

I I I

IV

V

VI

Mittelwerte yon 67 Normalne~zen (ohne Pervitinangaben) - - 266 15 1,21 1,I5 bei43 % meist

der regelm~gig Nlze

~ ~ ] 14 1,39 0,96 regelmggig (0,10) kein Netz !

innere Kleb- fgden un-

regelmgBig regelmttBig

regelm~Big regelmgl3ig

unregelmggig regelmgl~ig

unregelmgl3ig

regelmgBig unregelmgBig regelmggig

VII regelm~gig unregelm~Big

VIII regelmi~Big

unregelm~Big

IX regelm~Big regelmi~Big

Die Versuche I IX wurden mit sechs verschiedenen Spinnen durchgeliihrt. 1) Nabensymmetrie und iibergroge Sektoren werden im folgenden Abschnitt kurz erklgrt.

Das Verhalten der Spinnen nach der Zufiihrung yon Pervitin. Die apphzierte Pervitinmenge betrug 16, 18, 55 bzw. 100 y pro Tier. Nach niedrigen Pervitingaben (16 und 18 y) /inderten sich meist die Netzpro- portionen (Abb. 3--7) ; eine Steigerung der Dosis (55 und 100 y) ffihrte in der I~egel zu einem ZerfM1 der Netzform (Abb. 8--12). Wahrscheinlich

Eignung der Spinne zur Durchfiihrung yon Routineuntersuehungen 3 69

hande l t es sieh hierbei um eine toxische W i r k u n g des Pervi t ins . Auf- fa l lend ersehien uns, dab s ta rk ver~nder te Netze teilweise sehnell dureh normale erse tz t werden.

Die vors tehende Tabelle e n t M l t einige Versuehsergebnisse. I n der ers ten Zeile f inden sich die Mit te lwer te der einzelnen Netzgr6Ben, die aus 67 Normalne tzen e rmi t t e l t wurden.

Zum besseren Verst~ndnis sollen einige Definitionen vorangestellt werden: 1. Die Nabensymmetrie des Netzes ist eharakterisiert dureh den Quotienten aus der Entfernung S ehhqofwinkel-Nabe in Zentimeter und Nabe-Netzrand in Zentimeter.

Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15

Abb. 13--15. Die ]s nach Perv i t inappl ika t ion in e inem Sonderfalle

Abb. 13. NormMes Netz

Abb. 14. Netz a m 1. Tag nach Perv i t inzuf i ihrung (16 y)

~bb . 15. Netz a m 3. Tag (am 2. Tag wurde kein Netz gebaut )

Sie kann AufsehluB geben fiber die Form des Netzes und fiber die Lage der Nabe im Netzgefi~ge. 2. Unter freier Zone wird der Abstand zwisehen Nabe und erstem inneren Klebefadenumgang verstanden. 3. Man bezeichnet einen Winkel im Netz als iibergroBen Sektor, wenn er gr6Ber ist als die Summe seiner Nachbarwinkel; er kommt durch unvollstgndigen Radienbau zustande.

Wie aus den Abb. 5 - - 1 0 u n d der Tabel le zu ersehen ist , waren die Fangf l s naeh Perv i t inzuf t ih rung meis t verkle iner t . Dies is t ~uf einen ve rminder t en An t r i eb in der ers ten Ne tzbauphase zuriiekzuffihren. Die Rahmenf~den warden in solehen F~l len n ieh t fiber den ganzed l~ahmen gespannt , wie dies im NormMfal l geschah. Die Zahl der Rad ien n a h m in der l~egel ab. Die Netzform, in unserer Arbe i t dureh das Verh~tltnis Ls eharakter is ier t , /~ndert sieh meist . E ine Ab- h~ngigkei t diesel' Anderung yon der zugefi ihr ten Perv i t indos is konnte n ieh t e rmi t t e l t werden. Aueh die Nabensymmet r i e blieb n ich t erhal ten. In den meis ten Fs rfiekte die Nabe an den Schlupfwinkel heron. Die Zahl der fibergroBen Sektoren n a h m in einigen Versuehen naeh der App l ika t ion von Perv i t in zu, in anderen blieb sie erhal ten.

370 BERNHAI~D SCItMIDT und C~AI%LOTTE PERSCI-IMANN:

Abweichend yon den bisher mitgeteilten Ergebnissen beobaehteten wir in einem FMle, da]~ die Fangfl~ehe am 1. Tag nach Pervitinzufiihrung verkleinert war, die Radien aber zugenommen hatten; der Abstand zwischen Schlupfwinkel und Nabe vergrSl]erte sich, die Klebfaden- regelm~l~igkeit b]ieb erhMten (Abb. 13--15 u. Tabelle, Versuch Nr. 9).

Aus dem bisher Mitgeteilten geht hervor, dM~ einige Netzver~nde- rungen gleichzeitig anftreten k6nnen, wie z.B. Verkleinerung der Fangfl~che und Abnahme der Radienzahl. Das AusmM~ der J~nderungen ist, wie die Tabelle zeigt, recht verschieden.

Diskussion Die yon uns zugeffihrten Pervitindosen beeinflul~ten den Netzbau

sichtbar, fiihrten aber in keinem FMle zum Tode der Versuchstiere. Die toxische Grenze im Sinne einer AbtStung war somit nicht erreicht worden; jedoch liel~en extrem abge/~nderte Netze eine toxische Wirkung auf das Nervensystem annehmen. Die yon uns festgestellten Netz- ver~nderungen nach Pervitinzufiihrung stimmen zum gr61~ten Teil mit den in der Literatur angegebenen iiberein. Das Pervitin wirkte wahr- scheinlich w~hrend verschiedener Netzbauphasen auf das I%rvensystem ein. Wie WITT 7 konnten auch wir zeigen, dal] das Wirkungsspektrum bereits bei einer Substanz variiert. In diesem Zusammenhang muI~ nochmMs darauf hingewiesen werden, dab auch im ~ormMfall die Werte der einzelnen Netzgr6•en schwanken. Es erhebt sieh nun die Frage, ob in einem Laboratorium die den Netzbau beeinflussenden Faktoren bei allen Versuchen konstant gehMten werden k5nnen. Wie bereits mitgeteilt, ist ein n~ichtlicher TemperaturabfM1 ffir die Ausl6sung der Netzbaut~tigkeit wichtig. Ferner miil~ten die Resorptionsbedingungen ffir die Medikamentaufnahme bei den Versuchstieren g]eieh sein. Auf Schwierigkeiten bei der Ftitterung unserer Versuchstiere wurde hinge- wiesen. Aul~erdem w~re zu fordern, dab in Mlen Fs die Einwirkungs. keit der zu untersuchenden Substanz bekannt ist. Da sich der Beginn des Netzbaues yon einem Tag zum anderen zeitlich verschieben kann, mfil3ten die Beobachtungen auch nachts erfo]gen.

Wir kommen zu dem SchluB, dal3 m6glicherweise bei einer geniigenden Berficksichtigung Mler den Netzbau beeinflussenden Faktoren und einer hinreichend grol~en Versuchszahl vergleichbare Ergebnisse erzielt werden kSnnen. Solche Versuchsbedingungen sind abet nut in einem eigens hierffir eingerichteten Laboratorium zu schaffen. Fiir Routineunter- suchungen beansprucht dieser Test dutch die grol]e Versuchszahl zu viel Zeit.

Die meisten fiir Pervitin beschriebenen Netzver/~nderungen sind unspezifischer Art, d.h. sie werden auch nach der Einwirkung anderer

Eignung der Spimm zur Durchfiihrung yon Routineuntersuchungen 371

Substanzen beobaehtet, z.B. gndert sieh die NetzgrSl3e naeh der Zu- fiihrung yon Pervitin ~, 9, Veronal 1, Strychnin 9, d-Lysergsguredi/tthyl- amid, Benzopyran, Adrenochrom, Nembutal4-6 Die Zahl der fibergroBen Sektoren nimmt naeh Gaben yon Pervitin, Coffein und Nembutal zu, wie dies verschiedentlich beschrieben wurde a, 6, 9. Die Netzform kann ebenfalls als unspezifisehes Merkmal betraehtet werden. Den Zerfall der Netzform naeh der Einwirkung yon Pervitin und Coffein kSnnte man als Folge einer toxisehen Wirkung auf das Nervensystem ansehen. Die geringe Ausbildung bzw. das Ausbleiben der freien Zone wurde bisher yon keinem der genannten Autoren zur Auswertung heran- gezogen.

WITT 7 hat die Vergnderungen der Netzproportionen naeh Zuftihrung versehiedenster Substanzen tabellariseh zusammengestellt; mit tIilfe dieser Tabelle sollte es m6glieh sein: . . . . . eine unbekannte, an Spinnen wirksame Substanz einzuordnen und ihre Idengifizierung zu erleiehtern". Wit kSnnen dieser SehluBfolgerung nieht zustimmen, da die aufgef/ihrten Kriterien nieht spezifiseh genug erseheinen.

Dennoeh sind derartige Spinnenversnehe von Interesse, da mit ihrer tIilfe unter Umstgnden die spezifisehe Wirkungsweise einer neurotropen Substanz erforseh~b werden kann. Problematiseh bleibt hierbei allerdings der Vergleich Menseh-Spinne. Aneh f/it die moderne Verhalgenslehre haben diese Versuehe Bedeutung. Es besteht die MSgliehkeit, dutch Stoffe, die das NervensysCem beeinflussen, zahlreiehe fiir den Netzbau verantwortliehe Fgktoren und ihr Zusammenspiel zu erkennen.

Zusammenfassung Es wurde geprfif~, ob sieh Spinnen ~/ir routinem/il3ige Untersuchungen

neurotroper Substanzen eignen. Als Versuehstier diente Araneus/oliatus Fovnc~oY, als Testsubstanz Pervitin. Die den Spinnen zugef/ihrte Menge betrug 0,09--0,63y/mg KSrpergewieht bzw. 10--100y/Tier. Die yon WITm 7 fiir derartige Versuche besehriebene Methodik wurde modifiziert.

Die Sehwierigkeiten der Konstanthaltung der Versuehsbedingtmgen standen zur Diskussion. Die beobaehteten Netzver/tnderungen naeh Pervitinapplikation haben gezeigt, dab das Wirkungsspektrum bereits bei einer Substanz Sehwankungen unLerliegt. Ein Vergleieh unserer Ergebnisse mit denen des Sehrifttums liil3t erkennen, dab die Ver/tnde- rungen unspezifiseh sind. Daraus wird gefolgert: die f/Jr Routineunter- suehungen unerl/~gliehe Forderung nach geringer Streuung der Versuchs- ergebnisse und geringer Versuehszahl ist bei diesem ,,Spinnentest" nieht erffiIlt.

372 BERNHARD SCHMIDT und CHARLOTTE PERSCHMA~: Eignung der Spinne

Literatur 1 PETERS, I-~. M., P. ~ . WITT 11. D. WOLFF: Z. vergl. Physiol. 32, 29 (1950). - -

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Prof. Dr. BEACH. SCHMIDT U. Dr. CHARLOTTE PERSCHMANS!, Berlin N 65, FShrerstraBe 14