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F. L. Hahn, R. Klockmann u. R. Schulz. Endpunktsverschiebung usw. 213 Uber die Endpunktsverschiebung bei der Titration von Borsaure- und Mannit-Borsaure-Losungen Von FRIEDRICH L. HAHN, RUDOLF KLOCKMANN und RICHARD SCHULZ Titriert man Borsaure in kohlensaurehaltiger Losung, so wird bis zum Wendepunkt der Reagens-Potential-Kurve mehr als 1 Mol Na auf 1 Mol B verbraucht. Das ist nach den Starkeexponenten der beiden Sauren, 9,2 und 10,2, selbstverstandlich. Da Mannitzusatz die Borsaure starker macht, aIso ihren Sattigungspunkt nach der sauren Seite zu verschiebt, ist es ebenso begreiflich, dal3 der Mehr- verbrauch bei Mannitzusatz zuriickgeht. Er sollte bei steigenden Mannitmengen dem theoretischen Verbrauch immer &her kommen, bei sehr groBen ihn vielleicht erreichen. Unbegreiflich aber, ob- wohl vielfach kritiklos wiedergegeben , erscheint der Befund von VAN LIEMPT~), nach dem schon ein ganz geringer Mannitzusatz den Verbraueh an Lauge auf den theoretisch richtigen zuriickgehen 18l3t, wahrend VergroBerung des Mannitzusatzes keine weitere Verminde- rung des Laugenverbrauches mehr mit sich bringt. Dabei liegt, wenn inan erst einmal dieses Ergebnis als fehlerhaft empfindet, auch die Erklarung fur den Befund auf der Hand: Es war damals ein Verfahren der Endpunktsbestimmung durch Interpolation noch nicht bekannt, der Endpunkt konnte demnach von VAN LIEMPTnur auf einen MaBteil genau abgeschatzt werden, so daB auch bei tatsachlich stetiger Verschiebung des Wendepunktes doch eine unstetige Lnde- rung der Umschlagsvolumina gebucht werden mul3te. Interpoliert man nach dem inzwischen entwickelten Verfahren2) die Messungen von VAN LIEMPT so gut, wie es bei den ursprunglich nicht darauf eingestellten Angaben moglich ist, so findet man der Erwartung gemal3 ein stetiges Absinken des Verbrauches, aber sofort eine neue Schwierigkeit: Er sinkt namlich merklich unter den von VAN LIEMPT als theoretisch angegebenen Wert von 14,52 ern3. Leider fehlt nun jede Angabe, wie dieser Wert selbst gewonnen und ge- l) J. A. M. VAN LIEMPT, Z. anorg. u. allg. Chem. 111 (1919), 151. 2, FR. L. HAHN, M. FROMMER u. R. SCHULZE, Z. phys. Chem. 133 (1928), 390; Z. analyt. Chem. 87 (1932), 263.

Über die Endpunktsverschiebung bei der Titration von Borsäure- und Mannit-Borsäure-Lösungen

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F. L. Hahn, R. Klockmann u. R. Schulz. Endpunktsverschiebung usw. 213

Uber die Endpunktsverschiebung bei der Titration von Borsaure- und Mannit-Borsaure-Losungen

Von FRIEDRICH L. HAHN, RUDOLF KLOCKMANN und RICHARD SCHULZ

Titriert man Borsaure in kohlensaurehaltiger Losung, so wird bis zum Wendepunkt der Reagens-Potential-Kurve mehr als 1 Mol Na auf 1 Mol B verbraucht. Das ist nach den Starkeexponenten der beiden Sauren, 9,2 und 10,2, selbstverstandlich. Da Mannitzusatz die Borsaure starker macht, aIso ihren Sattigungspunkt nach der sauren Seite zu verschiebt, ist es ebenso begreiflich, dal3 der Mehr- verbrauch bei Mannitzusatz zuriickgeht. Er sollte bei steigenden Mannitmengen dem theoretischen Verbrauch immer &her kommen, bei sehr groBen ihn vielleicht erreichen. Unbegreiflich aber, ob- wohl vielfach kritiklos wiedergegeben , erscheint der Befund von VAN LIEMPT~), nach dem schon ein ganz geringer Mannitzusatz den Verbraueh an Lauge auf den theoretisch richtigen zuriickgehen 18l3t, wahrend VergroBerung des Mannitzusatzes keine weitere Verminde- rung des Laugenverbrauches mehr mit sich bringt. Dabei liegt, wenn inan erst einmal dieses Ergebnis als fehlerhaft empfindet, auch die Erklarung fur den Befund auf der Hand: Es war damals ein Verfahren der Endpunktsbestimmung durch Interpolation noch nicht bekannt, der Endpunkt konnte demnach von VAN LIEMPT nur auf einen MaBteil genau abgeschatzt werden, so daB auch bei tatsachlich stetiger Verschiebung des Wendepunktes doch eine unstetige Lnde- rung der Umschlagsvolumina gebucht werden mul3te.

Interpoliert man nach dem inzwischen entwickelten Verfahren2) die Messungen von VAN LIEMPT so gut, wie es bei den ursprunglich nicht darauf eingestellten Angaben moglich ist, so findet man der Erwartung gemal3 ein stetiges Absinken des Verbrauches, aber sofort eine neue Schwierigkeit: Er sinkt namlich merklich unter den von VAN LIEMPT als theoretisch angegebenen Wert von 14,52 ern3. Leider fehlt nun jede Angabe, wie dieser Wert selbst gewonnen und ge-

l) J. A. M. VAN LIEMPT, Z. anorg. u. allg. Chem. 111 (1919), 151. 2, FR. L. HAHN, M. FROMMER u. R. SCHULZE, Z. phys. Chem. 133 (1928),

390; Z. analyt. Chem. 87 (1932), 263.

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sichert ist; es schien deshalb niitig, die Versuche von VAN LIEMPT rnit den inzwischen verbesserten Hilfsmitteln der potentiometrischen Analyse zu wiederholen.

Ausgangss tof fe . Ol lauge fur C0,-freie Lauge. 6 Teile Natriumhydroxyd + 5 Teile Wasser kommen in eine Flasche, uber dcren Hals ein weit gebohrter Gummistopfen geschoben ist; auf diesen pafit ein VorstoD mit abwarts gebogenem Rohr ; hieran ein Rohr mit Natronkalk. Die Flasche bleibt so lange bei 80-100° stehen, bis die Lauge klar abgesetzt hat, dann wird sie bei Zimmer- temperatur aufgehoben; das auskristallisierende ktznatron halt den Bodensatz fest.

B o r s a u r e und B o r a x fur Puffer nach SOERENSEN (MERCK). Die Borsaure war rnit Methylalkohol + HCI restlos fluchtig; uber die Priifung des Borax vgl. unten.

Mann i t reinst. Er erwies sich als saurefrei. L o sangen . Durch Verdunnen der ollauge rnit C0,-freiem

Wasser wurde eine etwa 0,5 n-NaOH hergestellt; sie wurde gegen reinste, fein zerriebene und lufttrockene Oxalssure unter Zusatz von CaCI, eingestellt und auf die Lauge eine ebenfalls rund 0,5 n-HCl. Mit diesen Losungen wurde der Borax titriert ; seine Zusammen- setzung ergab sich danach zu Na,O : B,O, : H,O = 1 : 2,011 : 10,004.l)

Bora t losung. Ein WIsLIcENus-Kolben wurde bis zu 1000 cm3 mit der Natronlauge gefullt, dann wurden 131,O g Borax zugegeben und nun wurde mit der h u g e auf 1100 em3 aufgefullt; dazu waren noch 37,7 cm3 Lauge erforderlich. Aus der Gehaltsbestimmung des Borax und der Normalitat der Lauge (0,5845 11.) errechnet sich die Zusammensetzung der Boratlosung zu: 1 cm3 Losung = 1,2531 mvalB + 1,1743 mval Na.2)

T i t r a t i o n e n o h n e Manni t . 10 30 60cm3 Borat, in Summe 100cm3

brauchen noch 1,44 4,20 8,55 ,, Lauge, in Summe 14,19 01113

auf 10 cm3 1,44 1,40 1,42, em3 Lauge

l) Wir halten es nicht fur wahrscheinlich, aber immerhin fur moglich, daB ein Teil des zu hohen Borsauregehaltes doch schon wieder durch eine Spur CO, in der Lauge vorgetiiuscht ist; auch wenn er voll vorhanden ist, wiiro der pH-Were einer mit cliesem Borax hergestellten Losung noch genau richtig. Auch fur unsere Untersuchungen liegt die Abweichung, die etwa durch eine Spur CO, bedingt sein konnte, weit unter der erstrebten Genauigkeitsgrenze.

2, Die Losung wurde rasch, aber ohne besonderen Kohlensaureschutz her- gestellt, also z. B. durch Urnfullen und nicht durch Ubersaugen aus einem GefaB ins andere gebracht; es ist deshalb anzunehmen, da13 sie den durchschnittlich iiblichen Gehalt an CO, hatte.

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T i t r a t i o n e n rnit Manni t . 10 em3 Borat wurden rnit 6,s g Mannit versetzt, das entspricht

3 Mol Mannit auf 1 B, und mit Lauge zum Umschlag titriert, darauf wurden noch 10 em3 Borat zugegeben (1,5 Mannit + 1 B) und wieder zum Umschlag titriert, und dies wurde rnit insgesamt 30, 60, 100 em3 Borat fortgesetzt, so daS in einem Versuch die Verhaltnisse Mannit : Bor = 3 : 1, 1,5 : 1, 1 : 1, 0,5 : 1 und 0,3 : 1 gemessen wurden. Die Zahlen waren:

Borat: 10 20 30 60 100 cm3

auf 10: 1,350 1,354 1,358 1,364 1,380cm3

Man sieht, da13 ohne Mannit bei steigendem Volumen der Laugen- verbrauch konstant bleibt, wahrend er rnit Mannit, wo steigendes Volumen geringeren MannituberschuS bedeutet, stetig zunimmt.

Rechnet man nun aus den Einstellungen fur den Endpunkt das molare Verhaltnis der insgesamt vorhandenen Bor- und Laugen- mengen, so findet man :

Mannit auf 1 Bor . . . . . . . . 3 1,5 1 0,5 0,3 Mehrverbrauch an Lauge (Promille) 0,08 0,32 0,48 0,77 1,52

Die Beobachtungen entsprechen also vollig der Erwartung. Um noch einmal den Verbrauch an kohlensaurefreier Lauge mit

und ohne Mannitausata mit dem berechenbaren au vergleichen, wurde eine Borsaurelosung hergestellt. Zur Gehaltsbestimmung wurde CaO im Platintiegel gegliiht und gewogen (0,6-1,5 g), durch mehr- stiindiges Stehen iiber Wasser hydratisiert, mit 10 em3 Borsaure versetzt, verdunstet und wieder gegluht und gewogen ; die Gewichts- zunahme ist B,O,. Gefunden: 10 em3 Losung = 148,4 &0,2 mg B,03. Die Losung ist 0,4262 n.

I. 0,488 n-NaOH. 10 em3 Borsiiure = 8,71 em3 Lauge.

- Lauge: 1,350 2,708 4,074 8,185 13,80 ,,

Mannit auf 1 Bor: 0 2 3 Lauge: 8, 72 179174 70/73/76 77/73/74 em3 Mittel: 8,75 8,73 8 3 ,, 11. 0,424 n-NaOH. 10 cm3 Borsiiure = 10,05 em3 Lauge.

Mannit auf 1 Bor: 0 3 Lauge: 10, 08/14/10/08 14/15/21/11/cm3 Mittel : 10,lO 10~15 ,,

Der Verbrauch rnit Mannit ist also nicht geringer als ohne Zusata. XJm nun festzustellen, ob der Mehrverbrauch an kohlensaure-

haltiger Lauge dem berechenbaren entspricht, wurde eine solche Lauge in der Kiilte rnit Phenolphthalein gegen genau gestellte Salz- saure titriert, weiterhin die Menge Saure sugegeben, die annahernd aum Zerlegen des Carbonats notig war (Vorversuch mit Methylrot),

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verkocht und die wicder gerotete Losung erneut entfarbt. Die Lauge war danach:

1 . 0,4210 n. fur Titrationen, die zu NaX fhhren, 2. 0,3786 n. ,, 1 , ,, ,, NaX 4- NaHCO, fuhren, 3. 0,3361,n. ,, 1 , ,, ,, NaX + Na,C03 fuhren. Da der Starkeexponent der Kohlensaure (2. Stufe) um 1 kleiner

ist als der der Borsaure, mu13 ohne Mannitzusatz nahezu der letzte Wert erreicht werden, d. h. 10 em3 Lauge = 4,262 mval mussen etwas weniger als 12,68 em3 Lauge brauchen. Verbraucht wurden:

Mit Mannit: 0 1 2 3 Lauge: 12, 62/43/67 30/27/37 11, 66/82/87 58/78/76 c1n3 Mittel : 12,57 12,32 11,78 11,71 ,,

Der gefundene Mehrverbrauch in mannitfreier Losung entspricht also dem berechneten. - Aus dem Abfall geht hervor, da13 fruhestens bei 10 Mol Mannit auf 1 Mol Bor der fur volle Ausnutzung der Lauge cinschliel3Iich des Carbonats berechenbare Verbrauch von 9,2 em3 erreicht werden konnte; mehr als 3 Mol Mannit sind aber nicht in Losung zu bringen. Wenn Carbonat und Borat in wesentlichen Mengen nebeneinander bostimmt werden sollen, verdient wegen der gr6Beren Loslichkeit Glycerin vor Mannit den Vorzug ; daB man bei Anwendung geniigend konzentrierter Losungen damit voll be- friedigende Ergebnisse erhalt und wie im einzelnen zu verfaliren ist, hat der eine von uns schon fruher angegeben.l)

I) FR. L. HAHN, 2. angew. Chemie 35 (1922), 298.

Zvamkfwrt a. X., Chenaisches Institut der Universitiit.

Bei der Rcdaktion eingegangen am 11. August 1932.