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59 X. Ueber die essbaren Vogelnester. vo n 0. J. MULDER. (Bulletin de R;t.i.rlande, No. ZZ, p., iY2.) D 6 b e r ei n e r bat bewiesen, dass die Nester der indischen Schwalben aus einer eigenthiimlichen thierischen Substanz be- stehen, welche in mehrerer Hinsicbt rnit dem Schleime oder den Knochen der Rnorpelflsche Aehnlichkeit hat. Die von die- sem Chemiker beknnnt gemachten Versuche stimmen rnit den Beobnchtungen von R a f f l e s und E. H o m e tiberein, durch welche ebenfalls bewiesen wurde, dass das Thier durch die Speiseriihre, welche mit eigenthiimlichen Abscheidungsorganen versehen ist, feste Substanzen von sich giebt. Es blieb daher hinsichllich des Ursprunges der erwiihnten Substsnn kein Zweifel mehr ubrig , obwohl mehrere Naturfor- scher den vegetabilischen Ursprung dieses eben so sonderbaren als merkwiirdigen Prodnctes zu beweisen versuchten. Indessen musste noch die chemische Natur des erwiihnten Kijrpers be- stimmt werden. B l u m e , Director des botanischen Gartens, hatte die Ge- fglligkeit, mir eine xiemlich grosse Menge dieser Schwvnlben- nester zu iiberlnssen, urn sie einer Untersuchung zu unterwer- fen. Ich benutzte diese Gelegenheit zur Auffindung folgender Thatsachen. Diese Wester haben mehrere von einnnder verschiedene For- men. Am gewiihnlichsten haben sie die Gestalt eines Liiffels ohne Stiel, der, an einer von beiden Seiten in einer geraden Linie sbgeschnitten, in zwei spitzige Enden ausgeht. Diese sind nicht so weiss wie die andcren, welche eine grossere odcr ge- ringere Verlangerung haben , vermittelst deren das eigentliche Nest an die Felsen befestigt ist. Diese abgeplattete Verlan- gerung ist eine aus derselben Substanz bestehende, aber mit Substanzen des Felsens vermengte Basis. Die zuletzt erwihn- ten Nester sind zerbrechlicher als die ersteren. Die letxteren haben einen gaud glasartigen Bruch und die innere Fliche ist mit einer Mengc erhabener Streifen versehen, als wenn sie ein netzrormiges Gewebe hltte.

Ueber die essbaren Vogelnester

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X. Ueber die e s s b a r e n Voge lnes t e r .

v o n 0. J. M U L D E R .

(Bulletin de R;t.i.rlande, No. ZZ, p., iY2.)

D 6 b e r e i n e r bat bewiesen, dass die Nester der indischen Schwalben aus einer eigenthiimlichen thierischen Substanz be- stehen, welche in mehrerer Hinsicbt rnit dem Schleime oder den Knochen der Rnorpelflsche Aehnlichkeit hat. Die von die- sem Chemiker beknnnt gemachten Versuche stimmen rnit den Beobnchtungen von R a f f l e s und E. H o m e tiberein, durch welche ebenfalls bewiesen wurde, dass das Thier durch die Speiseriihre, welche mit eigenthiimlichen Abscheidungsorganen versehen ist, feste Substanzen von sich giebt.

Es blieb daher hinsichllich des Ursprunges der erwiihnten Substsnn kein Zweifel mehr ubrig , obwohl mehrere Naturfor- scher den vegetabilischen Ursprung dieses eben so sonderbaren als merkwiirdigen Prodnctes zu beweisen versuchten. Indessen musste noch die chemische Natur des erwiihnten Kijrpers be- stimmt werden.

B l u m e , Director des botanischen Gartens, hatte die Ge- fglligkeit, mir eine xiemlich grosse Menge dieser Schwvnlben- nester zu iiberlnssen, urn sie einer Untersuchung zu unterwer- fen. Ich benutzte diese Gelegenheit zur Auffindung folgender Thatsachen.

Diese Wester haben mehrere von einnnder verschiedene For- men. A m gewiihnlichsten haben sie die Gestalt eines Liiffels ohne Stiel, der, an einer von beiden Seiten in einer geraden Linie sbgeschnitten, in zwei spitzige Enden ausgeht. Diese sind nicht so weiss wie die andcren, welche eine grossere odcr ge- ringere Verlangerung haben , vermittelst deren das eigentliche Nest an die Felsen befestigt ist. Diese abgeplattete Verlan- gerung ist eine aus derselben Substanz bestehende, aber mit Substanzen des Felsens vermengte Basis. Die zuletzt erwihn- ten Nester sind zerbrechlicher als die ersteren. Die letxteren haben einen gaud glasartigen Bruch und die innere Fliche ist mit einer Mengc erhabener Streifen versehen, als wenn sie ein netzrormiges Gewebe hltte.

IU u 1 d e r, iib. essbare Vogelnester.

Die Bestandtheile beider Arten von Nestern sind ganz die- selben, ausgenommcn , Rass die hauptsiicblichste Subsfanz bei den liingliclien Nestern etwas reiner ist als bei den anderen. Ich werde daber nur das Resultat von der Unfersucbung der ersteren geben.

Die Dichtigkeit tlerselben bei 23,3 betrigt 1,250. nci 1000 getrocknet, verlieren sie 12,363 p. C.. Wasser. Sie sind in h6- herem Grade zerhrecblich, SO dass man sie leicht in ein feines unrl unfiihlbares Pulver verwandeln kann. Kochender Alkohol liist daraus KochsaI;r,, Chlormagncsium und eine kleine Menge cines festcn weissen Fettes auf, whhrend kochendes Wasser scbwefelsaures Natron und Spuren von kohlensaurem Xntron claraus ausxieht. Das Wasser wird nsch dein Abdampfen flockig und sefzt Ttieilctren einer eigenthiimlichen Subslanz ah, m a der ilas Nest der indischen Schwalben Past ganz besteht. Die Flocken haben gann dieselben Eigenschaften wie die Haupfsubsfanz des Nesfes und liisen sich um so mehr auP, je griisser die zum Decocfe angewendete Wassermenge war. Endlich enfhiilt das Wasser, von dem die Flocken durch Filfriren abgeschieden wor den waren, noch eine andere organische Substann aufgeliist, niiinlicti eioe mil Kalk verbundene orgsniscbe Sfure, die mit ein wcnig von der Haoptsubsfans gemengt ist ond, wenn mit dem Rochen etwas Ibnger fortgehhren wird, eine Veriinderung erleidet. Die Natur der Siiilre konnte nicht bestimmt werdcn, sie gieht aber mit neutralem easigsaurem Blcioxyd unti sclrwe- fclsaurcm Kupecroxyd liisliche Salze. Basivch - cssignaurcs Blei- oxyd erzeugt damit weisse Flocken , der Alkoliol gleichfulls. GallLpfelaufguss bewirkt damit keinen Nicderschlag.

Die eigenthumliche rind hauptsiichlicbste Subsfanz, welche i n Alkohol unliislich und fast auch im Wasser es ist, wird durch das letztere Auflosungsmittel gallerfartig. Die Gallerte ist voluminijs und gann durchsicbtig, so dass man die Falfen des Filters his aut' den Roden auI das leicbtesfe unterscheidet. Diese Gallerte ist in Essigsiiure , Salpetersiiure , Clilorwnsscr- stoffsiiure und verdiinnler Schwefelsaure so wie in schwacher Ammoniakffiissiglieit und schrvacher Kalilauqe nnliislich. Sie wird durch Aetzkali unter Aminoniak-cntwickeluog zereetxt. Starlie Salpeterdrire wandeft sie zum Theil in F o n r c r o J'Y gelhe s" awe urn uod zersetet sie in der Wiirme in Gas. Kocheirde Cblor-

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wasserstoffsiiure liist sie auf, serset;st sie aber zngleich , wobei sie eine braune Fliissigkeit gicbt, wie es bci dem animalischen Faserstoffe und dem animalischen Eiweissstoffe der Fall ist.

Man vermag aus der Gallerte keine nndere Substanz nls die erwshnten Salze und Substanzen auszuziehen. Ich belrachte die Gallerte als eine eigenthiimliche animalische Sabstanz. Beim Troeknen nimmt sie ihre vorige Gestalt wieder an, erhalt eine schiine weisse Farbe untl wird beim Zerreiben pulverig. Beim Verbrennen giebt sie die Producte animalischer Subsfanzen, bliiht sich auP, lgsst eine volumintise Kohle und einen Riiclistand von 6 p.C. einer weissen Asche mriick, welche aus phosphorsau- rem Kallre und phosphorsnurer Magnesia nebst Spuren von koh- lensaurem Kalke besteht,, der sich ohne Zweifel beim Ver- brennen bildet.

Unter den Substanzen der Sahwalbennester findet man kei- nen Schwefel und keinen freien Phosphor.

Die Analyse der Schwalbennester gab mir auF 400 Theile der bei 1000 C. gelrockneten Substanz folgende Resultate:

Eigenthiimliche Subvtanz 90,26 Ksfksalz mit animalischer Siture, liislich in Was-

ser, unliislich in Alkohol 0,53

Schwefelsaures Natron 0,77

Phosphorsauren Kalk und phosphorvaure Magnesia

Kohlensaures Natron, Spuren.

Festev weisses Fett 0,22

Chlornatrium nebst ein wenig Chlormagnesium 3,47

4,75 nebst Spuren von kohlensaurcm Kalk

Die Heinheit der Hauptsubstana und die Abwesenheit alles organischen Gewebes veranlassten mich, sie einer Analyse zu unterwerfen. Ich erhielt dabei folgende Resultate:

I. 0,295, in denen 0,280 reine Eubstanz sich befanden, gaben beim Verbrennen mit Rleioxyd und Kupferoxyd nach B e r 2; e 1 i us's Methode 0,555 Kohlensawe und 0,177 Wasser.

11. 0,231, die '0,219 reine Substanz enthielten, geben 0,436 Kohlensfiure und 0,140 Wasser.

I. 0,498, in deoen 0,473 reine Subslanz enlhalten wa- ren, gaben:

Sticlistoff bei 200 und 766, 2 M. vor dem Versuctie 100 Cubikcent.

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Stickstoff bei 23,750 ond 766,s M. nach dem Versuche

II. 0,704, welche 0,669 reine Substanz enthielten, gaben

Bei 24,250 ond 766 M. vor dem Versoche 117,s Cubikcent. Bei 26,250 und 766,5 M. nach dem Versoche 185Cubikcent. Hieraus folgt :

148 Cubikcent

Stickstoff:

I. If. Kohlenstoff 64,81 65,05 Wasserstoff 7,02 7 , i O Stickstoff 11,64 11,66 Sauerstoff 26,53 26,i9.

the Zusammensetzung der erwiihnten thierischen Substanz konnte nicht durch Bestimmung des Atomgewichles controlirt werden. Die 5 p.C. erdiger SaIze kannen durch ein iiingeres Digeriren in Essigsiiure z w a r vermindert werden , aber es ist unmoglich , die S a k e ganz auszuziehen. DHS mhwefelsaure Kupferoxyd , essigsaure Bleioxyd, schwefelsaure Eisenoxyd und saipetersaure Silberoxyd , in welche die sehr zertheilte Gallerte gebracht wurde, ziehen sie sehr zusammen, und es ist daher wahrscheinlich, dass die Oxyde Rich mit dem organischen Kijryer verbinden. Aber es ist unmijglich, hierdurch das Atom- gewicht der Substanz zu bestimmen.

Die gefundene Zusammensetznng kann durch folgende Atom- zahleo dargestellt werden.

Kohlenstoff 22 55J7 Wasserstoff 34 6,96 Stickstoff 4 13,62 Sauerstoff 8 26,25.

Es ist aber wohl maglich, dass das Atomgewicht nach dem Versuche 2 - 4mal griisser ist. Die Berechnung beweist nichts, sie giebt blos das wahrscheinlichste Verhiiltniss der Atome.

Die gallertartige Substana, welche man in den europiii- schen Schwalbennestern findet, ist vielleicht von iihnlicher Be- schaffenheit nnd verdient wohl mit der eigenthiimlichen Pub- stanz der indischen Schwalben, die man Neossin, von vm~ur&, Ncst, nennen liijnnte, verplichen z u werden.