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ObeP die Existenz des Fluoroniumpemhlorats Von G. BRAUER umd H. DISTLER Inhaltsubersicht Vereuche zur Darstellung yon Fluoroniumperchlorat, FH, - ClO,, durch Vereinigung von absoluter uberchlorsaure und wasserfreiem Fluorwasserstoff blieben erfolglm. Ee muS bezweifelt werden, daS diem Verbindung existiert. Von A. HANTZSCH wurde 1930 dariiber berichtetx), dal3 aus abso- luter Oberchlorsaure und wasserfreiem Fluorwasserstoff eine kristalli- sierte Verbindung FH, CIO,, Fluoroniumperchlorat, als stabiles Salz mit einem Schmelzpunkt von 56-58' erhalten werden konne, welche Glas nicht angreift. Diese Verbindung stellt einen theoretisch sehr wichtigen Analogiefall zu Ammonium- und Hydroniumsalzen dar und hat als solcher auch Eingang in die gesamte Literatur gefunden. Ange- sichts der grundsatzlichen Bedeutung der Verbindung und in der Hoff- nung, vielleicht noch weitere Fluoroniumsalze aufzufinden, versuchten wir, die Darstellungsvorschrift von HANTZSCH zu reproduzieren. Dies ist uns jedoch trotz vielfacher Variation der Versuchsbedingungen durch- aus nicht gelungen. Es erscheint uns aber zweckmiil3ig, auch uber den negativen Auqpng der Untersuchungen hier kurz zu berichten. Versuchsdurchfiihrung Wasserfreie uberchlorsaure wurde nach BERQER~) durch Destillation yon 7oproz. HClO, mit der fiinffachen Menge 95,9 proz. H,SO,im Vakuum aus einem Schwefel- saure-Heizbad hergestellt. Die rohe uberchlorsaure destillierte bei 20 mm Druck und einer Badtemperatur yon 90-160" C fiber. Eine daran angeschlossene Feindestillation, wieder im Vakuum, erfolgte aus einem Wasserbad yon 35" C. Zur Schmierung der Schliffe iliente dabei ein Gemisch aua entwasserter Phosphorsaure und Talkum, das sich durch Variation der Mengenverhaltnisse in beliebiger Viskositat herstellen lieS. Gegen Wasser- dlmpfe aus der Wasserstrahlpumpe war ein P,O,-Rohr, und, zur Bindung entweichender l) A. HANTZSCH, Ber. dtsch. chem. Ges. 63, 1789 (1930). *) K. BEROER, Dissert. Leipzig 1928.

Über die Existenz des Fluoroniumperchlorats

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Page 1: Über die Existenz des Fluoroniumperchlorats

ObeP die Existenz des Fluoroniumpemhlorats

Von G . BRAUER umd H. DISTLER

Inhaltsubersicht Vereuche zur Darstellung yon Fluoroniumperchlorat, FH, - ClO,, durch Vereinigung

von absoluter uberchlorsaure und wasserfreiem Fluorwasserstoff blieben erfolglm. Ee muS bezweifelt werden, daS diem Verbindung existiert.

Von A. HANTZSCH wurde 1930 dariiber berichtetx), dal3 aus abso- luter Oberchlorsaure und wasserfreiem Fluorwasserstoff eine kristalli- sierte Verbindung FH, CIO,, Fluoroniumperchlorat, als stabiles Salz mit einem Schmelzpunkt von 56-58' erhalten werden konne, welche Glas nicht angreift. Diese Verbindung stellt einen theoretisch sehr wichtigen Analogiefall zu Ammonium- und Hydroniumsalzen dar und hat als solcher auch Eingang in die gesamte Literatur gefunden. Ange- sichts der grundsatzlichen Bedeutung der Verbindung und in der Hoff- nung, vielleicht noch weitere Fluoroniumsalze aufzufinden, versuchten wir, die Darstellungsvorschrift von HANTZSCH zu reproduzieren. Dies ist uns jedoch trotz vielfacher Variation der Versuchsbedingungen durch- aus nicht gelungen. Es erscheint uns aber zweckmiil3ig, auch uber den negativen Auqpng der Untersuchungen hier kurz zu berichten.

Versuchsdurchfiihrung Wasser f re ie u b e r c h l o r s a u r e wurde nach BERQER~) durch Destillation yon

7oproz. HClO, mit der fiinffachen Menge 95,9 proz. H,SO,im Vakuum aus einem Schwefel- saure-Heizbad hergestellt. Die rohe uberchlorsaure destillierte bei 20 mm Druck und einer Badtemperatur yon 90-160" C fiber. Eine daran angeschlossene Feindestillation, wieder im Vakuum, erfolgte aus einem Wasserbad yon 35" C. Zur Schmierung der Schliffe iliente dabei ein Gemisch aua entwasserter Phosphorsaure und Talkum, das sich durch Variation der Mengenverhaltnisse in beliebiger Viskositat herstellen lieS. Gegen Wasser- dlmpfe aus der Wasserstrahlpumpe war ein P,O,-Rohr, und, zur Bindung entweichender

l) A. HANTZSCH, Ber. dtsch. chem. Ges. 63, 1789 (1930). *) K. BEROER, Dissert. Leipzig 1928.

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HCIO,-Dampfe, ein Natronkalk-Rohr vorgeschaltet. Die Schliffvorlage wurde &us Sicher- heitsgrunden nicht mit Aceton-Trockeneis, sondern mit Trichlorathylen-Trockeneis ( -78O C) gekuhlt. Aus 20 g 70proz. HCIO, und 100 g 95,9 proz. H,SO, wurden 11 g wasser- freie Uberchlorsaure erhalten (80% d. Th.). Im Kaltebad bei -78" C blieb diese Saure fliissig, zeigte keinerlei Krmtallausscheidungen und konnte daher als praktisch waaserfrei angesprochen werden.

W a s s e r f r e i e r F l u o r w a s s e r s t o f f wurde einer Bombe entnommen, die uns leihweise voni Bayerwerk Leverkusen uberlassen worden war. E r besaB nach Angabe des Werkes einen Gehalt yon 99,7% HF. Wir leiteten ihn durzh eine silberne Kapil- lare in die uberchlorsaure ein. Auf die Silberkapillare war ein durchbohrtet Normal- schllff-Konus N S 12 aus Messing mit Picein aufgekittet. Mit Hilfe dieses Schliffes konnte die KapXare an den gleichen Kolben angeschlovsen werden, in den die Uber- chlorsaure vorher destilliert worden war.

Zur Darstellung der gesuchten Verbindung wurde unmittelbar nach der Destil- lation der uberschlorsaure der Dest:llat:onste:l der Apparatur vorn Vorlagekolben ge- trennt und rasch die Vorrichtung zur Einlehng des Fluorwasserstoffs angeschlossen. Das Ende der EinleitungskapXare taushte in die uber:hlorsaure e h .

In 6 Versuchen wurde die Art der Kuhlung und diirch die Dauer des Einleitens von Fluorwasserstoff das Verhaltnis von HC10,: HF variiert. Bei fiinf Versuchen war nach einiger Zeit das Auftreten eines geringen kristallinen, weil3en Niederschlages zu beobachten, nie jedoch das Erstarren des gesamten Kolbeninhaltes, wie dies von HANTZSCH geschildert wird. Gleichzeitig begann der Fluorwasserstoff auf den aus dem Kaltebad herausragenden Teil des Kolbens einzuwirken. Der ge- kuhlte Teil des Kolbens wurde nicht angegriffen. Dagegen wurden die Gefarje beim Stehen unter Normaltemperatur rasch zerstort.

Der Niederschlag wurde auf einer mit Gummi verschlierjbaren Glasfritte G 2 rasch abgesaugt. Er enthielt nur Spuren Fluorid und erwies sich in allen Fellen analytisch und im Rontgenpulverdiagramm aIs Hydroniumperchlorat H,O . CIO,.

-78' -78" -78" -15"

0"

Nr.

gering anfanglich gering

gering etwas vermehrt

Kolben rasch zerst6rt

1 2 3 4 5 6

~~

HC10, : H F

1:l uberschuS HF OberschuS HCIO, tfberschuI3 HC10,

1:1 1:1

I _______ -___ .

Kuhlung I Niederschlag

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G . BRAUER u. H. DISTLER, Ober die Existenz des Fluoroniumperchlorats 159

Aus dem Endprodukte von Praparation Nr. 2 wurde nach Auf- heben der Kuhlung Fluorwasserstoff mittels der Wasserstrahlpumpe wieder abgesaugt. Dabei vermehrte sich der Niederschlag im Kolben etwas. Phosphorpentoxyd und Natronkalk in den Schutxrohren er- hitzten sich sehr stark durch Reaktion mit HF. Versuch Nr. 6 unter- schied sich von den vorhergehenden dadurch, dai3 die uberchlorsaure nicht in ein GlasgefaB, sondern in einen Platintiegel destilliert, und daO die Vereinigung rnit Fluorwasserstoff auch in diesem Platintiegel durch- gefuhrt wurde. Er war zu diesem Zweck in einem groBeren SchliffgefaO von der AuBenatmosphare getrennt untergebracht worden.

Deutung der Vepuchsbeobachtungen

Das gebildete Hydroniumperchlorat entsteht offenbar aus den geringen Mengen von Wasser, die im eingeleiteten Fluorwasserstoii el16- halten sind, und gleichzeitig auch aus Wasser, welches der Reaktion von H F mit der Kieselsaure des Glaskolbens entstammt. Diase Auf- fassung wird wesentlich durch den negativen Verlauf von Versuch Nr. 6 unterstutzt, bei dem eine unmittelbare Wechselwirkung von HF und Glaswandung ausgeschlossen war.

Fur das Ausbleiben der Bildung von Fluoroniumperchlorat waren folgende Deutungen moglich: man konnte annehmen, daB das Fluoro- niumperchlorat in einem uberschulj von HClO, oder H F gelost bliebe. Doch muBte bei den wechselnden Versuchsbedingungen mit Sicherheit einmal der Punkt durchschritten und deutlich beobachtet worden sein, an dem beide Substanzen in aquimolarem Verhaltnis vorlagen. Ferner konnte daran gedacht werden, daIj durch die starke Kuhlung die Reak- tion verzogert wurde; sie hatte dann jedoch nach Aufheben der Kuhlung einsetzen mussen.

In vollkommener ubereinstimmung mit unseren Befunden stehen nach einer privaten Mitteilung 3) auch Versuche von W. KWASNIIC, in denen er im Temperaturbereich von -95 bis f20" C vollkommene Mischbarkeit der beiden reinen, flussigen Verbindungen HClO, und HF, keine Reaktion zwischen beiden und keine Warmetonung. beobachtete und feststellte, dal3 beide Stoffe hernach durch Vakuumdestillation un- verandert zuruckgewonnen werden konnten.

Wir sind Herrn Dr. W. KWASNIK, Leverkusen-Bayerwerk, fur diese Hinweise sowie fur die freundliche Uberlassung von Fluorwasserstoff sehr zu Dank ver- pflichtet.

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Aus allen diesen Befunden mu13 ,vorl&ufig geschlossen werden, daD eine Verbindung der Zusammensetzung HF - HCIO, und der Konstitu- tion FH, - C10, unter allen bisher gepriiften Versuchsbedingungen nicht existiert.'

Freiburg i. Br., Chemisches Laboratorium der Univerdat.

(Bei der Redaktion eingegangen am 6. November 1953.)

Veran twortlich for die Schriftleitung: Professor Dr. Giinther R i e n a c k e r , Berlin N 4 , Ressische Str. 1-2; fur den Anseieenteil: VEB Georg Thleme. Aneeigensbteilung, Leipzig C 1, Hainstr. 17-19, Aufg. C . Rut 21981. 2. Z . gilt Anseigenpreisliste Nr. 3: Verlag: Johann Ambrosius Barth, Lelpzig C 1 SalnmonstraBe 18 B; Fernruf: 63 105 und 63 781. Veriiffentticht unter der Lizenznummer 2R5/126i

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