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11. Ueber die freie OlierfEache hewegter 3WissigJceit; e h Beitrag xur l'heorie der discontinzcirtichen ~~si~~eitsbewegzc.ngen; won A. 0 berlreck. 1. Fur die freie Oberfliiche einer gleichmassig sich be- wegenden Flussigkeit von massiger Ausdehnung gilt be- kanntlich dieselbe Bedingung, wie far die ,,Trennungsfliichen", welche sich im Innern einer Flussigkeit bilden konnen, die Bedingung, dass der Druck Uberall denselben Werth be. sitzen muss. Bei Ausschluss von Reibung und bei Beschrankung auf stationllre Bewegungen ist der Druck p durch die Gleichung bestimmt: 2-= C-Jv2f v, e wo v die Geschwindigkeit, V das Potential der Krhfte und C eine Constante ist. Die Berechnung solcher Grenzflkchen l) wurde bisher nu fur den Fall ausgefiihrt, dass Keine leschleunigenden Krufte auf die Flussigkeit wirken, sodass also die Geschwindigkeit in der ganzen Ausdehnung der Grenzflache denselben Werth hat. Aber auch bei dieser Annahme konnte das Problem nur fiir die Stromung in einer Ebene gelost werden. Fur eine Reihe einfacher, auch dem Versuch leicht zu- ganglicher Fiille habe ich die freie Oberfliiche von Flussig- keiten berechnet, welche sich unter dem Einfiuss der Schwere bewegen, wobei auch die Annahme, dass die Bewegung aus- schliesslich in einer Ebene erfolgt, nicht mehr festgehalten wird. Dabei zeigte sich, dass in der Feststellung der Bedin- gungen fur die freie Oberflgche noch eine bisher nicht her- vorgehobene Eigenthumlichkeit zu beachten ist. 1) H. YOU Helmholtz, Berl. Monateber. p. 215. 1868. G. Kirch- hoff, Vorlesungen iiber math. Physik p, 291. 1877. M. Planck, Wied. Ann. 21. p. 499. 1884. W. Voigt, Gott. Nach. Nr. 13. p. 347. 1888. P. Molenbroek, Wied. Ann. 35. p. 62. 1889.

Ueber die freie Oberfläche bewegter Flüssigkeit; ein Beitrag zur Theorie der discontinuirlichen Flüssigkeitsbewegungen

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11. Ueber die f re ie OlierfEache hewegter 3WissigJceit; e h Beitrag xur l'heorie der discontinzcirtichen

~ ~ s i ~ ~ e i t s b e w e g z c . n g e n ; won A. 0 berlreck.

1. Fur die freie Oberfliiche einer gleichmassig sich be- wegenden Flussigkeit von massiger Ausdehnung gilt be- kanntlich dieselbe Bedingung, wie far die ,,Trennungsfliichen", welche sich im Innern einer Flussigkeit bilden konnen, die Bedingung, dass der Druck Uberall denselben Werth be. sitzen muss.

Bei Ausschluss von Reibung und bei Beschrankung auf stationllre Bewegungen ist der Druck p durch die Gleichung bestimmt:

2-= C - J v 2 f v, e wo v die Geschwindigkeit, V das Potential der Krhfte und C eine Constante ist.

Die Berechnung solcher Grenzflkchen l) wurde bisher n u fur den Fall ausgefiihrt, dass Keine leschleunigenden Krufte auf die Flussigkeit wirken, sodass also die Geschwindigkeit in der ganzen Ausdehnung der Grenzflache denselben Werth hat. Aber auch bei dieser Annahme konnte das Problem nur fiir die Stromung in einer Ebene gelost werden.

Fur eine Reihe einfacher, auch dem Versuch leicht zu- ganglicher Fiille habe ich die freie Oberfliiche von Flussig- keiten berechnet, welche sich unter dem Einfiuss der Schwere bewegen, wobei auch die Annahme, dass die Bewegung aus- schliesslich in einer Ebene erfolgt, nicht mehr festgehalten wird.

Dabei zeigte sich, dass in der Feststellung der Bedin- gungen fur die freie Oberflgche noch eine bisher nicht her- vorgehobene Eigenthumlichkeit zu beachten ist.

1) H. Y O U Helmholtz , Berl. Monateber. p. 215. 1868. G. Kirch- hoff, Vorlesungen iiber math. Physik p, 291. 1877. M. Planck, Wied. Ann. 21. p. 499. 1884. W. Voigt , Gott. Nach. Nr. 13. p. 347. 1888. P. Molenbroek, Wied. Ann. 35. p. 62. 1889.

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Die oben angefuhrte Gleichung fur die freie Oberflache kann auch geschrieben werden:

d. h. die Gesammtenergie der Volumeneinheit der an der freien Oberjache sich beweyenden Fliissigkeit besitrt uberall u'enselben Werth.

Dieser Satz ist aber nicht allgemein richtig. Bei vielen in der Natur vorkommenden Fliissigkeitsbewegungen gibt es Stellen ihrer Bahn, in welchen ihre Energie eine Verande- rung erfahrt. Der eben besprochene Satz kann deshalb auch nur auf solche Theile der freien Oberflache angewandt wer- den, welche nicht durch Orte unstitiger Energieanderung getrennt sin& Verfolgt man aber die Fliissigkeit von einem derartigen Gebiet durch eine Curve discontinuirlicher Energie- anderung auf ein anderes, so muss sich die Constante E sprungweise andern.

Als ein naheliegendes Beispiel kann man einen Wasser- fall nnsehen.

Die freie Oberflache des Oberstromes und des Wasser- falls selbst wlirden mit Benutzung derselben Constanten zu berechnen sein. Am Fuss des Falles findet aber ein bedeu- tender Energieverlust statt. Fur die freie Oberflache des unteren Stromes ist eine andere Energieconstante zu be- nutzen. Es handelt sich hier um eine Erscheinung, welche der Energieanderung ahnlich ist, die ein Massenpunkt er- fahren muss, wenn derselbe auf einer vorgeschriebenen, aber an gewissen Stellen unstetig sich andernden Bahn blei- ben soll.

Bei dem oben angefuhrten Beispiel vollzieht sich die Energiebderung in einem zwischen zwei Querschnitten der Fliissigkeit befindlichen Raum. Es gibt auch Fliissigkeits- bewegungen, bei denen die Energieanderung in einer so dlinnen Schicht stattfindet, dass man dafur annllhernd einen einzigen Querschnitt annehmen kann.

Die Erscheinungen, um welche es sich dabei handelt,, werden vielen schon gelegentlich aufgefallen sein.

Nichtsdestoweniger scheinen mir dieselben als einfache Beispiele fur die soeben angestellten Betrachtungen von einigem Interesse. Nach einer kurzen Beschreibung dieser

E = ~ v ' - V ,

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Bewegungen in dem zweiten Abschnitt folgt eine Berech- nung derselben in dem letzten Abschnitt, aus welcher die Gestalt der freien Oberflliche, insbesondere auch die discon- tinuirliche Aenderung derselben sich ergibt.

2. L h s t man einen verticalen Wasserstrahl von massiger Geschwindigkeit auf eine horizontale Platte fallen, so breitet sich die Fltissigkeit vom Mittelpunkt des Strahles aus in einer sehr dtinnen Schicht nach allen Seiten aus. I n einer Zntfernung von einigen Centimetern erhebt sich die freie Oberflache zu einer Hohe von einigen Millimetern. Von dort strSmt die Fliissigkeit mit erheblich geringerer Geschwindig- keit nach dem Rande der Platte ab. War die Platte hori- zontal und nicht zu klein, so erfolgt die Niveauanderung in einem Kreise um dea Mittelpunkt des Strahls. Die bei- stehende Figur gibt einen Durchschnitt der beschrie. benen Erscheinung. Der Versuch lilsst sich auch mit einem Alkoholstrahl anstellen. Das Material der Platte ist von geringem Einfluss. Es wurden Glasplatten, Metallplatten und Holzplatten benutzt. Hiernach wird man annehmen diirfen, dass die Fltissigkeit fast ohne Reibung iiber die Platte gleitet.

Der Radius des zuvor erwahnten Kreises, welcher als Unstetigkeitskreis bezeichnet werden 8011, ist hauptsachlich von der Geschwindigkeit des zufliessenden Wassers abhangig. Bei kleinen Geschwindigkeiten ist derselbe sehr klein, sodass sich dann nur eine ringformige Vertiefung um den Mittel- punkt des Strahls bildet. Bei Geschwindigkeiten des Strahls vou 100 bis 500 cm ergaben sich Kreise von 2 bis zu 6 cm Radius. Wurde die Geschwindigkeit noch weiter gesteigert, so wurde die Erscheinung dadurch getriibt, dass das auf- schlagende Wasser zu spritzen begann.

Die Versuche wurden mit den einfachsten Mitteln an- gestellt. Ein an dem Hahn der Wasserleitung befestigter Schlauch fuhrte zu einer Glasrohre, deren innerer Durch- messer ungefiihr 4 mm betrug. Die Ausflussmenge wurde durch Verstellen des Elahnes verLndert und gemessen, indem

L

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die Zeit bestimmt wurde, in welcher ein gewisses Fliissig- keitsvolumen ausstromte. Die Geschwindigkeit konnte dann aus dem Querschnitt des Strahles bestimmt werden, welcher die Oeffnung nahezu cylindrisch verliess. Letztere befand sich stets in geringer Entfernung uber der Platte.

Der Radius des Unstetigkeitskreises hangt mit der Hohe der Niveauerhebung zusammen. Dieselbe ist dadurch be- dingt, dass sich an den Rtindern der Platte infolge der Ober- fliichenspannung eine convexe Flache bildet, welche bewirkt, dass nach dem Aufhoren des Zuflusses nuf der Platte eine Schicht von einigen Millimetern Hijhe sich erhalt. Wird die Hohe dieser Schicht dadurch vergrossert, dass die Rander der Platte mit einer verticalen Wand von geringer Hohe versehen werden, so wird die Flussigkeit tiefer und infolge dessen der Unstetigkeitskreis kleiner.

Man kann diese Versuche noch in mancherlei Weise verandern.

Lasst man den Strahl auf die horizontale Platte in schrager Richtung treffen, so entsteht eine Unstetigkeits- curve, welche bei geringer Neigung des Strahls noch nahezu kreisfijrmig ist. Doch fallt der Mittelpunkt des Strahls nicht mehr mit dem Mittelpunkt des Kreises zusammen, sondern ist nach der Seite verschoben, nach welcher der auffallende Strahl geneigt ist. Bei einem grosseren Einfallswinkel des Strahls hat die Unst'atigkeitscurve eine mehr elliptische Eorm.

1st der Strahl vertical, die Platte aber etwas geneigt aufgestellt, so ist die Unstetigkeitscurve hauptsachlich auf der oberen Seite der Platte gut ausgebildet und liegt dort dem Mittelpunkt des Strahles nahe, wiihrend sie auf der un- teren abgeflacht ist und entfernter liegt.

Zwei verticale Strahlen, welche neben einander auf die- selbe horizontale Platte fallen, beeinflussen sich fast gar nicht, so lange ihre Unstetigkeitskreise sich nicht beruhren. Decken sich dieselben aber zum Theil, so erhebt sich in ihrer gemeinsamen Sehne die Fliissigkeit in einer diinnen, verticalen Schicht, welche sich in ihrer Ebene in heftig fort- geschleuderte Tropfen auflost. Die nicht zusammenfallenden

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Theile der beiden Unstetigkeitscurven werden hierdurch wenig verandert.

3. Die zuerst beschriebenen Versuche, bei welchen ein rerticaler Strahl eine horizontale Platte trifft, lassen sich durch eine einfache Bechnung darstellen.

Denkt man sich urn den Mittelpunkt des Strahls einen kleinen Kreis beschrieben, so ist die Bewegung der Fliissig- keit ausserhalb dieses Kreises nahezu horizontal. Jedenfalls sind iiberall die Verticalcomponenten verschwindend klein im Vergleich zu der ziemlich bedeutenden Horizontalgeschwin- digkeit.

Dii ferner die Reibung bei dieser Bewegung keinen Ein- fluss auszuiiben scheint , so kann man die Geschwindigkeit in der ganzen, iiberall nur geringen Tiefe als gleich gross ansehen.

Da endlich die Gestalt des Plattenrandes, wenn die Platte nicht zu klein ist, die Bewegung nicht weiter beeinflusst, SO kann die horizontale Flache als unendlich gross angenommen werden.

Aus den oben angefiihrten Griinden kann man sich die Horizontalebene vor Beginn des Zuflusses mit einer Fliissig- keitsschicht von geringer H6he h bedeckt denken. Wi r nehmen an, dass dieselbe in grosser Entfernung von dem Mittelpunkte des Strahles auch wahrend des Zuflusses da- durch constant erhalten wird, dass das zustromende Wasser entfernt wird, entsprechend dern Verhaiten von Platten von endlicher Grosse, wo das iiberschiissige Wasser iiber den Rand der Platte abfliesst.

Hiernach erhalt man die folgenden Bewegungsgleichun- gen fur die Flussigkeit, mit Ausschluss des kleinen, um den Mittelpunkt des Strahles beschriebenen Kreises. Es sei r die Entfernung eines Punktes von diesein Mittelpunkt, die Tiefe der Flussigkeit sei dort x und v die radiale Geschwin- digkeit.

Bezeichnet man mit rn das in der Zeiteinheit zufliessende Volumen der Fliissigkeit, deren Dichtigkeit gleich Eins an- genommen wird, so ist: (1) m = 2 m r . x . v.

In dieser Gleichung sind x und v als Functionen von

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T anzusehen. Fur die freie Oberflache gilt ferner die Glei- chung: (2) e = v2 + 2Gx, wenn die Schwere als einzig wirkende Kraft angenommen wird. Die Grosse e ist eine Constante; doch kann dieselbe, wie fruher besprochen, yon einer Unstetigkeitscurve an einen anderen W erth annehmen.

Durch Elimination von x erhalt man zur Berechnung von v:

G m v3- e . v + - = 0. (3) rn

Diese Gleichung dritten Grades liefert nur dann positive, reelle Werthe fur v , wenn die Bedingung des irreduciblen Palles erfullt ist.

Setzt man:

(4) so muss der absolute Werth des rechts stehenden Ausdruckes kleiner als Eins sein. Der Winkel y mag so gewahlt werden, dass derselbe zwischen a und 351~12 liegt.

Fiir v erhklt man dann z.wei miigliche, positive Wurzeln:

Die dritte Wurzel wiirde fur v einen negativen Werth geben. 1st v bekannt, so ergibt sich der zugehbrige Werth von x nach G1. (1). Um zu entscheiden, welche Werthe fur v und x zu wahlen sind, ist es zweckmassig, die Veranderun- gen dieser Grbssen mit wachsendem r zu verfolgen. Durch Differentiation der Gleichungen (1) und (2 ) erhiilt man:

Es kommt hierbei hauptsachlich auf das Vorzeichen des Ausdruckes e - 2v2 an. Wenn derselbe an einer Stelle der Bahn verschwindet, so wiirden dort v und x discontinuirliche VerBnderungen erleiden.

Es mag hier noch bemerkt werden, dass S i r W i l l i a m Thorns on I) auf eine IIhnliche Formel gefuhrt wurde bei der

1) W. Thomson, Phil. Mag. ( 5 ) 22. p. 355. 1886.

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OherJache beweyter FZkissijkeit. 56 1

Berechnung der Tiefe eines Flusses, welcher zwischen paral- lelen Seitenwanden iiber einen unebenen Boden fliesst.

v sehr klein wird, so besitzt dort e den Werth 2 C h . Setzt man:

(7) e, = 2Gh,

so ist fur dasjenige Gebiet der Ebene, fur welches dieser Werth gilt: e, > 2v2. Hier wachst x und v nimmt ab. Fur kleine Werthe von r ist v gross und x klein. Es sei dort:

(8) ez = voz + 2 Ga,

wo 2Ga klein ist im Vergleich zu vo2. Dort ist also: e - 2 v 2 negativ. Daher nimmt x ab und v wachst mit zunehmen- dem r.

Hiernach ist fur das erste Gebiet, da y mit zunehmen- dem T wachst, die Wurzel v1 zu wahlen. Auch ist dort in der Gleichung e = el zu setzen. Fur das zweite Gebiet gilt die Wurzel vz (mit Benutzung der Constanten ez). Die Ab- grenzung des ersten Gebietes gegen das zmeite folgt durch die Erwagung, dass nach G1. (4) r nicht unter einen gewissen Werth sinken kann. Man erhalt diesen Grenzwerth Q, wenn y = rn ist,

Da fur sehr grosse Werthe von

Bezeichnet man die hierzu gehorenden Werthe von v und x mit w und E , so ist:

Diese Gleichungen geben also den Radius des Unstetig- keitskreises, die dort beginnende, kleinere G-eschwindigkeit und die plotzlich eintretende grossere Tiefe.

Der weitere Verlauf der Stromung und die Gestalt der freien Ober3ache von dort bis zu grossen Werthen von r folgt aus den Sleichungen (4) und (5). Es ist:

Fu r das zweite, innere Gebiet erhalt man: Ann. d. Phgs. u. Chem. N. F. XXXIS. 36

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Nimmt man an, dass fur einen kleinen um den Mittel- punkt des Strahles gezogenen Kreis mit dem Radius r0 die Geschwindigkeit vo von derselben Grbssenordnung wie in dem auffallenden Strahl selbst ist, so erhillt man fur cos y sehr kleine Werthe. Der Winkel y ist also nur menig klei- ner als 2w13 und niihert sich noch weiter diesem Werthe rnit wachsendem T.

Dementsprechend ist v bis an die Grenze des Unstetig- keitskreises fast constant, wilhrend die Tiefe der Fliissigkeit fortdauernd abnimmt. Ich habe diese Rechnungen auf das folgende Beispiel angewandt. Es sei die in der Zeiteinheit zufliessende Menge = 100 ccm, die Hohe in grosser Ent- fernung h = 0,4 cm. F u r den Kreis ro = 0,5 cm sei die Ge- schwindigkeit 400 cm / sec.

Dann ergibt sich fur den Unstetigkeitskreis: p = 3,69 cm, I m inneren Gebiete bleibt die Geschwindigkeit nahezu

constant auf 400 cm. Der Winkel y betrilgt schon fur r = r o 269O 51’ und nahert sich noch mehr dem Grenzwerth von 270° mit wachsendem T.

Dagegen nimmt die Tiefe rnit wachsendem r von 0,08 bis 0,Ol cm ab. Hiernach ist 2Gx sehr klein im Vergleich zu va. Die Dicke der Flusaigkeitsschicht nimmt plotzlich einen 27 fachen Werth an, wahrend die Geschwindigkeit in demselben Verhiltniss kleiner w i d .

Aus Gleichung (9) folgen ferner die bei den Versuchen auftretenden Erscheinungen: Der Radius des Unstetigkeits- kreises wiichst mit der zufliessenden Menge und nimmt ab rnit der HZihe, auf welcher die Flussigkeit in grosserer Ent- fernung gehalten wird.

Wie oben auseinander gesetzt wurde, erhalt man andere Gestalten der Unstetigkeitscurven , wenn der einfallende Wnsserstrahl die Platte in schriiger Richtung trifft, oder wenn die Platte nicht mehr horizontal ist.

w = 16,18 cmfsec, ij = 0,2667 cm.

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Oberj2ache bmegter Fliissigkeit. 563

Auf den ersten Fall lassen sich die bisherigen Ent- wickelungen ohne Schwierigkeit anwenden. Zu diesem Zweck moge urn den Mittelpunkt des Strahles ein Kreis beechrie- ben und durch denselben eine verticale Cylinderfliiche gelegt werden. Der Radius dieses Kreises sei derart gewtihlt, dass in demselben die Strtimung der Bliissigkeit nahezu als hori- zontal angesehen werden kann. Die Geschwindigkeit der durch die Cylinderflache stramenden Fliissigkeit ist dann annahernd iiberall dieselbe, nicht aber die Tiefe der Fliissig- keit. Dieselbe ist am grossten in der Richtung, in welcher der Strahl mit den horizontalen Fliissigkeitsfhden den gross- ten (stumpfen) Winkel bildet ; am kleinsten in der entgegen - gesetzten Richtung.

Bezeichnet man mit m, die in der Zeiteinheit durch den, iiber der Langeneinheit des zuvor erwahnten Kreises liegenden Theil der Cylinderfliiche hindurchgehende Fliissig- keitsmenge, so ist dieselbe als Function des Winkels anzu- sehen, welchen der betreffende Radiusvector mit der zu-vor erwahnten Richtung bildet. Diese Function wird etwa von der Form:

sein miissen. Es lassen sich dann die friiheren Betrachtungen auf ein

zwischen zwei benachbarten Radienvectoren liegendes Stuck der Ebene anwenden. Die Curve der unstetigen Niveau- anderung wiirde sich in der Form ergeben:

g = Const. { u + d cos y f , durch welche die Beobachtungen an schrlg treffenden Strah- len wiedergegeben werden.

Bei Vergleichung der auseinandergesetzten Rechnung mit den beschriebenen Versuchen mag noch erwahnt wurden, dass in Wirklichkeit die Niveauiinderung nicht ganz so schroff erfolgt, wie es die Rechnung ergibt.

Dies liegt zum Theil damn, dass der Capillardruck bei sehr starken Kriimmungen einen erheblichen Einfluss auf die Bildung der freien Oberfliiche ausiibt, wiihrend derselbe an Orten geringerer Kriimmung im allgemeinen im Ver- gleich zu dem Glied 3m2+ Gx zu vernachlassigen ist. Perner vollzieht sich der Uebergang der einen Bewegungsform in

m, = a + b cos cp

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die andere - wenigstens bei grosseren Oeschwindigkeiten - nicht ausschliesslich in einer geometrischen Flache, da der Energieverlust auf der Bildung eines Wirbelringes be- ruht.

Die eben beschriebenen Erscheinungen gestatteten eine sehr einfache Art der Berechnung, weil es sich urn die Be- wegung einer Fliissigkeit von geringer Tiefe handelte. Ich miichte jedoch zum Schluss darauf hinweisen , dass bhnliche Vorgange auch an der Oberflache tieferer Fliisse vorkom- men. Wird die Strijmung derselben an einzelnen Stellen durch ein Hinderniss gestort, so beobnchtet man in einiger Entfernung von demselben Niveauerhebungen , welche wohl als Stauung bezeichnet werden. Dieselbe ist eine fur die praktische Hydraulik nicht unwichtige Erscheinung. Es scheint mir nicht unmijglich, diese Vorgange in ahnlicher Weise zu hehandeln, wie dies hier zunachst fur die Bewegung von 0achen Strijrnungen geschehen ist.

Gre i f swa ld , den 1. Februar 1890.