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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 279 ~~ Juni 1955 Heft 3-4, S. 129-240 Uber die Oxyde des Cers. 111 Von G. BRAUER und U. HOLTSCHMIDT Mit 2 Abbildungen Inhaltsubersicht Die Geschwindigkeit der Reduktion von Cerdioxyd zu Cersesquioxyd wird erhoht, wenn dem Ceroxyd kleine Mengen an Lanthanoxyd, Neodymoxyd, Uranoxyd oder Ter- biumoxyd homogen zugemischt werden. Aus dem verschiedenen AusmaB der Reaktions- beschleuuigung bei den einzelnen Zusatzen konnen Ruckschlusse auf den Reduktions- mechanismus gezogen werden. Darin mussen die mit dem Wertigkeitswechsel der be- teiligten Metallionen verbundenen Elektronenubergange eine entscheidende Rolle spielen. Die Reaktionsschichten haften wahrscheinlich fest auf dem Ausgangsmaterial. In unseren fruhereri Untersuchungen l) war festgestellt worden, daB sich die Geschwindigkeit der Reduktion von Cerdioxyd zu Cersesqui- oxyd mittels stromenden Wasserstoffs betrachtlich steigert, wenn unter sonst gleichen Reaktionsbedingungen Spuren von Praseodymoxyd im Ceroxyd enthalten sind. Zumischungen von 1 % Praseodymoxyd z. B. erhohen die Reduktionsgeschcvindigbit auf mehr als das Dreifache. In einer Bemerkung 2, zu unserer Veroffentlichung haben HAUFFE und PETERS unsere MeBergebnisse und die auffallige Reaktionsbeschleu- nigung mit Hilfe der SCHOTTKY-WAGNERSChen Fehlordnungstheorie auszudeuten versucht. Sie gelangten dabei au der Auffassung, daB jedes Oxyd eines 3wertigen Metalls, das auf Grund seines gunstigen Ionenradius in das Kristallgitter von CeO, eingebaut wird, infolge einer Erhohung der Zahl der Sauerstoff-Leerstellen die Reduktion in gleicher Weise be- ganstigen musse. Diese Ansicht entsprach unserer Deutung der Er- scheinungen nur teilweise. Wir waren der Meinung, daB bei Praseodym- Zumischungen vie1 mehr die sehr ausgepragte Variabilitat der Ladungs- stufe von Praseodymionen (324) fur seine reduktionsbegunstigende G. BRAUER u. U. HOLTSCHMIDT, I. Mitteilung, Z. anorg. allg. Chem. 265, 105 (1951). 11. Mitteilung dieser Reihe: G. BRAUER u. H. GRADINQER, Z. anorg. allg. Chem. 277, 89 (1954). 2, K. HAUFFE u. H. PETERS, Z. anorg. allg. Chem. 266, 345 (1951). Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 279. 9

Über die Oxyde des Cers. III

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 279

~~

Juni 1955 Heft 3-4, S. 129-240

Uber die Oxyde des Cers. 111

Von G. BRAUER und U. HOLTSCHMIDT

Mit 2 Abbildungen

Inhaltsubersicht Die Geschwindigkeit der Reduktion von Cerdioxyd zu Cersesquioxyd wird erhoht,

wenn dem Ceroxyd kleine Mengen an Lanthanoxyd, Neodymoxyd, Uranoxyd oder Ter- biumoxyd homogen zugemischt werden. Aus dem verschiedenen AusmaB der Reaktions- beschleuuigung bei den einzelnen Zusatzen konnen Ruckschlusse auf den Reduktions- mechanismus gezogen werden. Darin mussen die mit dem Wertigkeitswechsel der be- teiligten Metallionen verbundenen Elektronenubergange eine entscheidende Rolle spielen. Die Reaktionsschichten haften wahrscheinlich fest auf dem Ausgangsmaterial.

In unseren fruhereri Untersuchungen l) war festgestellt worden, daB sich die Geschwindigkeit der Reduktion von Cerdioxyd zu Cersesqui- oxyd mittels stromenden Wasserstoffs betrachtlich steigert, wenn unter sonst gleichen Reaktionsbedingungen Spuren von Praseodymoxyd im Ceroxyd enthalten sind. Zumischungen von 1 % Praseodymoxyd z. B. erhohen die Reduktionsgeschcvindigbit auf mehr als das Dreifache.

In einer Bemerkung 2, zu unserer Veroffentlichung haben HAUFFE und PETERS unsere MeBergebnisse und die auffallige Reaktionsbeschleu- nigung mit Hilfe der SCHOTTKY-WAGNERSChen Fehlordnungstheorie auszudeuten versucht. Sie gelangten dabei au der Auffassung, daB jedes Oxyd eines 3wertigen Metalls, das auf Grund seines gunstigen Ionenradius in das Kristallgitter von CeO, eingebaut wird, infolge einer Erhohung der Zahl der Sauerstoff-Leerstellen die Reduktion in gleicher Weise be- ganstigen musse. Diese Ansicht entsprach unserer Deutung der Er- scheinungen nur teilweise. Wir waren der Meinung, daB bei Praseodym- Zumischungen vie1 mehr die sehr ausgepragte Variabilitat der Ladungs- stufe von Praseodymionen (324) fur seine reduktionsbegunstigende

G. BRAUER u. U. HOLTSCHMIDT, I. Mitteilung, Z. anorg. allg. Chem. 265, 105 (1951). 11. Mitteilung dieser Reihe: G. BRAUER u. H. GRADINQER, Z. anorg. allg. Chem. 277, 89 (1954).

2, K. HAUFFE u. H. PETERS, Z. anorg. allg. Chem. 266, 345 (1951).

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Wirkung auf das Ceroxyd verantwortlich zu machen sei. Hinzu kame naturlich auch die Vermehrung der Sauerstoff-Fehlstellen im Sinne von HAUFFE und PETERS, allerdings nur in dem Falle, daB Praseodymoxyd als Pr203 ins Ceroxydgitter eingebaut wird. Zwar wird Praseodymoxyd nach den Beobachtungen von MCCULLOUGH beim Gluhen a,n Luft vierwertig in einem UberschuB von CeO, aufgenonimen 3), und dies trifft auch fur die Herstellung unserer Praparate zu, doch glauben HAUFFE und PETERS, daB in dem stark reduzierenden Medium unserer Versuche mit einem raschen ubergang in die stabilere Stufe .Pr3+ gerechnet werden muB. Wir sind allerdings der Auffassung, da13 gerade ein solcher Uber- gang Pr4+ -+ Pr3+ nicht als vorgelagerter ProzeB minderer Bedeutung, sondern bereits als wesentlicher An teil des Hauptreduktionsvorga.nges Ce4+ + Ce3+ und als mit geschwindigkeitsbestimmend anzusehen sei.

Um nun zu entscheiden, welcher EinfluB fur die Reduktionsbe- gunstigung bevorzugt maBgebend ist, muBte die Wirkung a,nderer ge- eigneter, dem Praseodym verwandter Zusatze zu reinstem Ceroxyd studiert werden. Wir wahlten hierfur

1. ein Oxyd eines d r e i w e r t i g e n Metalls o h n e Wertigkeitsvaria.nz

2. ein Oxyd eines Metalls, das zwar leicht Wertigkeitswechsel er- leiden kann, dabei aber n i c h t d r e i w e r t i g , sondern nur in hoheren Stufen auftritt (UO,);

3. ein Oxyd, in welchem wie bei Praseodymoxyd das Metallion so- wohl bevorzugt dreiwertig vorliegt, als auch leieht einen Wertigkejts- wechsel erleiden kann (Tb,03).

Alle diese Oxyde wurden so ausgesucht,, daI3 sie in den geringen Mengen, in denen sie zugemischt wurden, sich nach dem Raumbedarf ihrer Metallionen zweifellos leicht ins Ce0,-Gitter einfugen lassen 4).

(La,O3, Nd20,) ;

Experimentelles

Die zu den Experimenten verwendete Apparatur und ihre Hand- habung ist in unserer fruheren Veroffentlichung l) beschrieben. Lediglich das Reaktionsrohr aus Quarz wurde neuerdings so verbessert, daB es

3) J. D. MCCULLOUGH, J. Amer. chern. SOC. 72, 1386 (1950). Auch in Tho, ein- gebaut ist Praseodym leicht zu Proa oxydierbar; vgl. J , K. MARSH, J. chern. Soc. [London] 1946, 15.

4 ) Das Ce0,-Gitter ist in dieeer Hinsicht ziemlich tolerant; es vermag z. I<. auch kleine Mengen von A1,03 einzubauen, obgleich der Radius Ton A3+ wesentlich kleiner als derjenige der dreiwertigen Lanthaniden ist. Versuche, die wir an solchen CeO, . Al- Praparaten ausfuhrten, lieferbn Ergebnisse, die den mit La,O, als Zusatz erhaltenem sehr ahnlich waren.

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G . BRAUER u. U. HOLTSCHMIDT, Uber die Oxyde des Cers. I11 131

angeschmolzene Normalschliffe besalj und daher nicht besonderer Kittungen bedurfte, um mit den ubrigen Glasteilen der Apparatur ver- bunden zu werden. Die Untersuchungen erfolgten wie fruher bei 1000" C init einem konstant geha(1tenen Wasserstoffstrom von 2,5 Liter pro Stunde ; alle Wagungen fuhrten wir in Stickstoffatmosphare aus.

Die Praparate stellten wir aus den? fruher beschriebenen, extrem gereinigten Cerdioxyd rnit Zumischungen der Fremdoxyde La203, Nd,O,, Tb,O,, UO, in Konzentratiouen von 1,0, 0,1, 0,Ol und 0,005 Gewichtsprozent dar.

Lanthan-, Neodym- und Terbiumoxyd wurden als reinste Produkte von der Firma Dr. W. Franke, Frankfurt a.M., bezogen. Das Lanthanoxyd erwies sich bei unseren Untersuchungen als frei von Praseodym; das Neodymoxyd enthielt 0,30 0,03% Pr,OS5). Das verwendete Uranylacetat war reinste gewohnliche Handelsware. Um vergleichbare Bedingungen zu schaffen, fallten wir wie fruher die gemischten Nitratlosungen rnit Oxal- saure und vergliihten die Oxalate zu den beschriebenen blattchenformigen Oxydpseudo- morphosen. Lediglich bei den Praparaten mit Uranzusatz muBte anders verfahren werden, da fur eine Oxalatfallung das Uran erst in die Ladungsstufe 4 iiberzufuhren ist. Na.ch einer Vorschrift aus ,,Inorganic Syntheses"'j) wurde die salzsaure Losung der gemischten Chloride unter Ruhren mit kleinen Anteilen uberschussigen festen Natriumdithionits ver- setzt. Unter weiterem Znsatz von konz. Salzsaure wurde 10 Minuten auf einem Wasser- bade erwarmt, yon ausgeschiedenem Schwefel abfiltriert und durch Eintropfenlassen in Oxalsaurelosung gefallt.

Die Farbe der Mischoxyde war bei Uranzusatz in niederen Konzentrationen grun- stichig, bei 1% blaulichgrau. Die Praparate rnit Lanthangehalt und mit niedrigem Neodym- gehalt waren alle rein gelblichweiB wie reinstes CeO, gefarbt. Bei den hoherprozentigen Neodyrnrnischoxyden (0,l und 1%) trat jedoch die typische Rosafarbung auf, die Ceroxyd mit geringem Praseodymgehalt eigen ist. Aus dem Vergleich mit den Mischpraparaten aus Ceroxyd und reinern Praseodyrnoxyd lieB sich abschiitzen, da13 das von uns verwen- dere Neodymoxyd etwa 0,5% Praseodym enthalten mudte: Mit dem spater chemisch- analytisch erhaltenen Wert 0,30% Pr,O, stimmt diese Farbschatzung, die ohne Kenntnis des analytischen Befundes ausgefuhrt worden war, bemerkenswert gut uberein. Die Farbungen der Ceroxyde mit Terbiumgehalt waren ungleich vie1 intensiver als die der ubrigen Praparate und ubertrafen noch die bei den Praseodymmischungen beobachteten. Sie steigerten sich von braunlichen Farbtonen bei geringem Terbiumgehalt bis zu Bronze- farbe bei 1% Tb.

MeBergebnisse In Tabelle 1 sind die MeBergebnisse uber den Verlauf der Reduktion

bei den verschiedenen Praparaten nach Reduktionszeit und jeweils er- reichtem Reduktionsgrad zusammengestellt. Die Gruppe der Mes- sungen fur e in e n bestimmten Zusatz zum Cerdioxyd wird graphisch

5, Fur die spektralphotometrische Durchfuhrung dieser exakten Gehaltsbestirnmung danken wir Herrn Dr. B. RODEWALD, Leiter des analytischen Laboratoriums der Th. Goldschmidt A.-G., Essen.

6, L. F. AUDRIETH, Inorganic Syntheses 111, 166 (1950). 9*

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132 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 279. 1955

Zei t Stdn)

2 12 24 47 62

Tabelle 1 Zeit l icher R e d u k t i o n s v e r l a u f v o n CeO, m i t Zusa txen von La,O,, Nd,O,, UO,

o d e r Tb,O,. S u b s t a n z m e n g e s t e t s 1,0000 g ; T e m p e r a t u r 1000" C

-__.___

52,8 68,7 79,l 92,9 98,7

0,005%

11 25 47 58 65

69,O 81,9 94,4 98,3 99,8

2 8

24 45 49

2 10

55,3 69,5 88,l 98.8

100,o

57,8 78,2

1%

Red.-% Red.-% Zei t

(Stdn) Zeit

(Stdn) Zeit Stdn Red.-%

52,U 65,5 80,7 94,8 98,1

100,2

2 10 25 50 66 72

51,2 64,4 78,4 93,9 99,0

100,o

2 9

25 50 65 70

52,5 64,6 80,l 94,3 99,o

100,o

2 9

25 50 58 68

2 10 25 50 58 70 73

48,7 63,l 77,9 92,8 96,2 99,o

100,o

2 10 25 46 55 60 70

2 10 30 52 58

____

~-

2 10 25 40 48

2 9

25 50 53

52,2 65,8 79,8 91,9 96,4 98,4

100,o

54,9 70,4 90,6 98,6

100,o

.54,9 71,s 87,O 96,5

100,o

54,1 67,8 84,6 98,7

100,0

57,5 76,0 87,2 94,9 98,2

100,2

59,8 78,9 96,6

100,0

2 11 21 44 54 6.5

2 10 25 50 55

___.

2 10 20 30 36 41

2 8

20 24

__

533 69,5 80,l 94,l 97,5

100,o

54,O 70,4 853 98,3

100,o

Th203

durch eine Kurvenschar dargestellt, wi6 ,vir sie fur CeO, - Pr bereits fruherl) abgebildet haben und hier in Abb. 1 als Beispiel nochmals fur CeO, * Tb wiedergeben.

Wie man leicht sieht, wird die Reduktion des Grundstoffs Cerdioxyd bei allen hier gepruften Mischungen beschleunigt. Die Reduktionsbe- - - - - giinstigung ist jedoch graduell recht versehieden, Diese Abstufung geht besonders deutlich aus der Abb. 2 hervor, in welcher die zur vollstandigen Reduktion jederi Praparats zu Ce,O, (100 Red.- %) erforderliche Zeit uber dem Prozentgehalt der Zusatzstoffe graphisch aufgetragen wurde. Man erkennt die geringe Reduktionsbegiinstigung durch Lanthan (Kurve CeO, - La), die wesentlich starkere von Uran (Kurve CeO, * U) und die

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sehr starke von Terbium (Kurve CeO, - Tb), die fast genau derjenigen von Praseodym (Kurve CeO, * Pr) entspricht.

I I0 20 10 40 50 60 70 80 - Stunden

Abb. 1. Zeit l icher Verlauf der Wasserstoffreduktion von CeO, m i t geringen Z u s i t z e n von Tb,O,

100 1 ear ai 05 7.0 - Yo Fremdoxyd in CeO,

Abb. 2. EinfluB verschiedener Zusiitze auf Geschwindigkeit der Wasserstoff- reduktion von CeO, zu Ce,O,

Die Eiuordnung von Neodym bedarf noch einer besonderen Bemerkung. Das ver- wendeb Neodympraparat war nicht frei von Praseodym, die beobachtete gestrichel te

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Kurve CeO, . Nd, Pr der Abb. 2 ist also auf eine gemeinsame Wirkung beider Elemente nach MaSgabe ihres Mengenanteils zuruckzufiihren. Die auBerst starke Wirkung yon Praseodym ist durch die Messungen an den Praseodympraparaten bekannt, macht sich selbst bei solchen kleinen Gehalten noch bemerkbar und mu6 in Abzug gebracht werden, um den reinen Neodymeffekt zu erkeunen. Fur das Ceroxyd mit 1% Neodymoxyd z. B., das gleichzeitig 0,003% Praseodymoxyd enthielt, kI3t sich so angenahert abschatzen, daB seine Endreduktionszeit bei vollstandiger Abwesenheit von Praseodym 73 Stunden be- tragen wiirde. Die auf reines Neodymoxyd korrigierten Werte mussen dementsprechend die in Abb. 2 ausgezogene Kurve CeO, * Nd bilden, die in unmittelbarer Nahe der Kurve fur CeO, . La verlauft.

Der Reduktionsmechanismus

Die beiden Oxyde rein dreiwertiger Metalle La,O, und Nd,O, be- gunstigen die Reduktion von Cerdioxyd zwar merklich, aber vergleichs- weise nicht besonders stark. In den Mischkristallen dieser Oxydpra- parate CeO, - La und CeO, - Nd liegt der von HAUFFE und PETERS,) diskutierte und rechnerisch abgeschatzte Fall einer Wirkung ,,kunst- Iicher'' Sauerstoffehlstellen vor. Man kann den von HAUFFE und PETERS ursprunglich fur Praseodym als Accelerator ge<gebenen Ansatz ohne weiteres auf die Falle von Lanthan und Neodym ubertragen, erhalt dann allerdings gemal3 der geringeren Reduktionsbeschleunigung fur die Konzentration der naturlichen Sauerstoffleerstellen im reinen CeO, einen anderen Wert. Auch Zuschlage von A1,0, ZLI CeO,*) verhalten sicli ganz entsprechend.

Dagegen verlauft bei den mit Uran praparierten Ceroxyden die Re- duktion wesentlich rascher. Hier ist die Anna,hme von sekunda,ren Sauerstoffehlstellen, also solchen, die durch einen stochiometriestorenden Einbau fremder Metallionen in das Grundgitter gebildet werden, uber- haupt nicht moglich, da Uran in Oxyden nur als vier- bis sechswertig bekannt ist. Unserer Auffassung nach liegt vielmehr in diesen Fallen der reine Effekt der Valenzvariabilitat des Accelerator-Metalls vor, auf den wir bereits in unserer ersten Mitteilung hinwiesen.

In den Proben mit Praseodym- oder Terbiumzusatzen schliel3lich summieren sich offenbar beide Effekte, die Bildung von Sauerstofflucken durch Stochiometriestorung und die Valenzvariabilitat, zu einer ge- meinsamen, auSerst starken Beschleunigungswirkung. Wir konnea also die Ansatze von HAUFFE und PETERS, die in ihrem besonderen Bereich zweifellos korrekt und wertvoll sind, bei den im Mittelpunkt unseres Interesses stehenden Fallen CeO, * Pr und CeO, - Tb nicht oder doch nicht allein fur zustandig ansehen.

Die von uns bevorzugte Modellvorstellung vom Reduktionsverlauf l&Bt sich folgendermaflen wiedergeben. Aus der Oberflache des Cer- dioxydgitters im Grundzustand lost ein Wnsserstoffmolekel (sicherlich

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in Teilschritten, die hier aber nicht erortert werden sollen) ein Sauer- stoffion heraus. Es entsteht eine Sauerstoffgitterlucke, H,O entweicht, und zwei uberzahlige Elektronen verwandeln benachbarte Ce4+-Ionen in CeS+-Ionen. Aus dem Kristallinneren diffundiert ein 02--Ion an die Oberflache in die gebildete Lucke, dafur wird an anderer, tieferer Stelle eine entsprechende Lucke aufgerissen. Zwei Elektronen wandern im entgegengesetzten Sinne von aul3en nach innen, so dal3 im Inneren einige Ce3+-Ionen entstehen, wahrend an der Kristalloberflache der reduktions- bereite ursprungliche Zustand mit Ce4+ und unversehrtem 02--Teil- gitter wieder hergestellt ist. Als geschwindigkeitsbestimmend sol1 nun nicht die Diffusion von 02--Ionen, sondern der Elektronentransport von der mit H, in Beruhrung stehenden Kristalloberflache ins Innere ange- sehen werden. Dieser Transport verlauft zwischen CeQ+ und Ces+ trage, bei Mitwirkung von P r4+2Pr3+ rascher.

Die Kurven CeO, * Pr und CeO, * Tb in Abb. 2 mussen bei einer Extrapolation auf hohere Gehalte von Pr und Tb in den Mischoxyden schliel3lich diejenigen Werte liefern, die fur die vermutlich sehr hohe Reduktionsgeschwindigkeit der reinen Oxyde Pro, und TbO, gelten. Es scheint, da13 diese Extrapolation bereits aus den gemessenen und hier mitgeteilten Zahlen moglich ist, weil die Kurven sehr flach auslaufen. Eine experimen telle Nachprufung der Reduktionsgeschwindigkeit , von Pro, und TbO, ware aber an den Besitz so extrem reiner Praparate dieser Oxyde gekniipft, wie sie uns znr Zeit noch nicht zur Verfugung stehen. Die Gefahr einer betrachtlichen Falschung gemessener Werte durch Anwesenheit minimaler Spuren dreiwertiger Lanthaniden ist auflerordentlich grols.

Fur die Betrachtung der Geschwindigkeit von Festkorperreaktionen mu13 aber au13er der verschwindenden Phase, hier CeO,, auch die ent- stehende Phase berucksichtigt werden. Dies macht im vorliegenden Falle die Verhaltnisse recht verwickelt. Wie kurzlich7) gezeigt werden konnte, laat sich der Sauerstoff aus CeO, nicht in nenneswertem AusmaRe*) reduktiv abbauen, ohne dal3 das Kristallgitter zerstort wird und sich eine neue Phase, ein ,,Zwischenoxyd'L bildet. Dies besitzt zwar einen mit dem Fluoritgitter des Diodyds sehr nahe verwandten Gittertyp (ubergang Fluorit-C-Sesquioxyd), aber einen lockeren Bau mit einer erhebliehen Zahl konstitutionsbedingter Sauerstoffliicken. Die Zwischen - oxydphase erlaubt zunachst in gewissem AusmalJe einen homogenen

7, G. BRAUER u. H. GRADIQER, Z. anorg. allg. Chern. 277, 89 (1954); U. HOLT- SCHMIDT, Dissertation Freiburg i. Br. 1952.

Nur in der GroBenordnung yon 1% der Sauerstoffdifferenz CeO, - Ce20,.

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Umsatz x (Red.-%)

37,O 56,8 84,5 90,2

Sauerstoffentzug, geht aber bei hohem Reduktionsgrad schliel3lich he- terogen in das Sesquioxyd Ce,O, mit dem Gitter voni hexagonalen A-Typ uber. Die gesamte Reduktion von CeO, bis Ce,O, durchlauft also hin- sichtlich des festen Bodenkorpers 5 Bereiehe :

1. CeO,, homogen nur mit verschwindend lileiiier Phasenbreite ; 2. heterogen : CeO, + Zwischenoxyd ; 3. Zwischenoxyd, homogen von 38-66 Redulitionsprozent ; 4. heterogen : Zwischenoxyd + Ce,O,; 5. Ce,O,, homogen von 96-100 Reduktionsprozent.

Dabei kann zwar grundsatzlich jede der 5 Teilreduktionen ge- schwindigkeitsbestimmend sein, wahrscheinlich ist es jedoch vorwiegend das Zwischenoxyd 3., das ja uber einen besonders groI3en Bereich ver- schiedener Reduktionsgrade der Praparate, namlich etwa bei 1-95 Reduktionsprozent anwesend ist. Dies Zwischenoxyd ist von Natur aus so reich an Sauerstofflucken, da13 seine Reduktion von einem die Stochio- metrie storenden Zusatz praktisch unabhangig sein mu13. Es ist dies ein weiterer Grund fur uns, die Ansatze von HAUFFE iind PETERS fur nicht anwendbar auf den besonderen Fall der Ceroxydreduktion zu halten.

DaB die Folgeprodukte der ersten Reduktionsstufe am weiteren Reaktionsgeschehen beteiligt sein mussen, geht wohl auch aus folgender Betrachtung sicher hervor. Die Mol- volumina aller drei beteiligten Phasen unterscheiden sich nur sehr wenig : CeO, beeitzt ein Molvolum von 23,96, das Zwischenoxyd 25,Ol an der sauerstoffreichen, 25,87 a n seiner sauerstoffarmen Phasengrenze und Ce,O, (CeO,,,) 23,94. Das bedeutet aber, daB alle Reaktionsschichten wahrend der Reduktion wahrscheinlich fest aufeinander aufwachsen und als weitgehend porenfrei angesehen werden konnen. Mit dieser Auffassung stimmt ein rechnerisches Ergebnis uberein, das man erhalt, wenn man nach FISCHBECK~) die Abhangig

keit des prozentualen Umsatzes x von der Zeit z

AbhFngigkei t d e r R e d u k t i o n s - in der Funktion (1 -- v1 - x ) j z prhft. Wenn geschwindigkei t Ceroxyd die bei der Reaktion gebildeten Schichten der vom f o r t s c h r e i t e n d e n U m s a t z neuen Phase weitgehend fur die Reaktionsgase

Tabelle 2 3-

(I - $.),/, 1 stark poros strukturiert auftreten, so sollte der genannte Ausdruck konstant sein. Beispielsweise trifft dies fur die von FISCHBECK und SCHNAIDT

11,8 untersuchte Reduktion von Cadmiumoxyd zu 4,1 Cadmium tatsachlich zu. Bei der Reduktion 3,1 von Cerdioxyd aber kann von einer solchen 1,s Konstanz nicht die Rede sein, wie Tabelle 2

__ (Stdn)

75 I---- 85 98,5 1,6 zeigt. Hier wird die Reaktion mit steigendem

7 K. FISCHBECK u. B. SCHNAIDT, Z. Elektrochem. angew. phgsik. Chem. 38. 649 (1932).

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G. BRATJER u. U. HOLTSCHMIDT, uber die Oxyde des Cers. 111 137

Nach allem ist anxunehmen, dafi die Ceroxydreduktion unter Bild ung fes t ha f ten der und ur chlassiger Deckschichten verlauf t . Zum Nachweis des geschwindigkeitsbestimmenden Vorganges sind weitere Untersuchungen in unserem Laboratorium im Gange.

Fur besondere Unterstiitzung dieser Untersuchungen haben mir dem Verband der Chemischen Industrie (Fonds der Chemie), sowie der Freiburger Wissenschaftlichen Gesell- schaft zu danken. Durch wissenschaftliche Diskussionen forderten uns in freundlichster Weise Herr Prof. Dr. W. SCHOTTKY, Pretzfeld, und Herr Dozent Dr. PETER BRAUER, Augsburg.

Freiburg i. Br., Chemisches Laboratorium der Universitat, Anorga- nische Abteilung.

Bei der Redaktion eingegangen am 22. September 1954.