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272 Ober die ,,sogenannte" Isosaccharose. Eine Entgegnung ; von Alfred Georg. [Aus dem Chemischen Institut der Universitat Genf.] (Eingelaufen am 22. April 1942.) Vor kurzem haben H. H. Schlubach und R. Middel- h o f f in dieser Zeitschrift I) eine Arbeit veriiffentlicht , aus deren Ergebnissen sie den SchluD ziehen, da13 der bisher als Isosaccharose bezeichnete Zucker van Irvine, Oldham und Skinner - identisch mit ,,Sawharose D" von Pietet und Vo gel - in Wirklichkeit ein reduzierendes Disaccharid sei und als ,,lsoturanose" bezeichnet werden musse. Leider sind den Verfassern zwei Arbeiten uber die Tso- saccharose scheinbar entgangen, bei deren Kenntnis sie wohl gezogert haben wurden, aus ihren Experimentalergeb- nissen so weitgehende Schliisse zu ziehen, wie sie es getan haben. Die erste dieser beiden Arbeiten stammt von mir2), die zweite von J. C. Irvine und D. Routledge3). In meiner oben erwahnten Arbeit habe ich den Nach- weis erbracht, daO die Isosaccharose - unter der Voraus- setzung, daO sie ein Glucopyranosido-fructofuranosid sei - die Konfiguration eines j3-d-Qlucopyranosido-e-d-fructofura- nosids besitzen muB, da das nach den Hudsonschen Regeln fur diese Konfiguration berechnete Drehungsvermogen sehr genau mit dem bei der Isosaccharose beobachteten uberein- stimmt. DaO meine Voraussetzung iiber die Konstitution der Isosaccharose zutreffend ist, beweist meines Erachtens die Arbeit von Irvine und Routledge. Diese haben bei der hydrolytischen Spaltung der vollig methylierten Isosaccharose ') A. 660, 134 (1942). 7 A. Georg, Helv. 17, 1566 (1934). 3 Am. SOC. 67, 1411 (1935); vgl. Nature 134, 143 (1934).

Über die „sogenannte” Isosaccharose

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Ober die ,,sogenannte" Isosaccharose. Eine Entgegnung ;

von Alfred Georg.

[Aus dem Chemischen Institut der Universitat Genf.]

(Eingelaufen am 22. April 1942.)

Vor kurzem haben H. H. Schlubach und R. Middel- h o f f in dieser Zeitschrift I) eine Arbeit veriiffentlicht , aus deren Ergebnissen sie den SchluD ziehen, da13 der bisher als Isosaccharose bezeichnete Zucker van I r v i n e , Oldham und Skinner - identisch mit ,,Sawharose D" von P i e t e t und Vo gel - in Wirklichkeit ein reduzierendes Disaccharid sei und als ,,lsoturanose" bezeichnet werden musse.

Leider sind den Verfassern zwei Arbeiten uber die Tso- saccharose scheinbar entgangen, bei deren Kenntnis sie wohl gezogert haben wurden, aus ihren Experimentalergeb- nissen so weitgehende Schliisse zu ziehen, wie sie es getan haben. Die erste dieser beiden Arbeiten stammt von mir2), die zweite von J. C . I r v i n e und D. Routledge3).

I n meiner oben erwahnten Arbeit habe ich den Nach- weis erbracht, daO die Isosaccharose - unter der Voraus- setzung, daO sie ein Glucopyranosido-fructofuranosid sei - die Konfiguration eines j3-d-Qlucopyranosido-e-d-fructofura- nosids besitzen muB, da das nach den Hudsonschen Regeln fur diese Konfiguration berechnete Drehungsvermogen sehr genau mit dem bei der Isosaccharose beobachteten uberein- stimmt.

DaO meine Voraussetzung iiber die Konstitution der Isosaccharose zutreffend ist, beweist meines Erachtens die Arbeit von I r v i n e und Routledge. Diese haben bei der hydrolytischen Spaltung der vollig methylierten Isosaccharose

') A. 660, 134 (1942). 7 A. Georg, Helv. 17, 1566 (1934). 3 Am. SOC. 67, 1411 (1935); vgl. Nature 134, 143 (1934).

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einerseits die normale krystallisierte Tetramethyl-gluco- pyranose und andrerseits eine Tetramethyl-fructose erhalten, deren Konstanten genau mit denjenigen der aus Oktamethyl- saccharose isolierten ubereinstimmen, und die wie diese bei der Oxydation mit Salpetersaure den Dimethyl-ather der 1-Weinsaure (als krystallisiertes Uiainid identifiziert) ergibt. Die Struktur des Glucose-Anteils der Isosaccharose ist da- mit einwandfrei festgelegt, und auch fiir den Fructose-Anteil erscheint es mir zum mindesten augerst schwierig, eine andere Aiisicht zu verteidigen, als die von den Verfassern vertretene.

Damit wird aber die Auffassung der lsosaccharose als ,,Isoturanose" unhaltbar, denn eine solche miibte nach Me- thylierung und Spaltung eine Trimethyl-fructose ergeben, es sei denn, man fasse sie als Fructosederivat mit offener Kette auf. Aber selbst in diesem Fall bliebe der Zucker ein Glucopyranosid, dessen auberst leichte Spaltbarkeit allem bisher aus der Zuckerchemie Bekanntem widersprechen wurde. Der voii Schlubach und Middelhoff selbst als ungeniigend empfundene Versuch, dieses Verhalten durch das Vorliegen einer leichter hydrolysierbaren Form der Glucose zu erklaren, wird durch die Ergebnisse von l r v i n e Und It ou tl e dg e ausgeschlossen.

Dagegen erklart sich die aufierordentlich leichte Hydro- lysierbarkeit der Isosaccharose ohne weiteres, wenn mail sie, ineiner Ansicht entsprechend, als Derivat der a-Fructo- furilnose auffafit. DaB die Halbwertszeit der Saurehydrolyse noch unter derjenigen des a-Methyl-fructofuranosids liegt, kann nicht verwundern, wenn man bedenkt, daS ja gewohn- lich der Methylrest fester haftet als die meisten anderen Aglykone.

Auch die Nichtspaltbarkeit der Isosaccharose aurch die W eidenhagensche Invertase (I-Frnctofuranosidase) wird durch die von niir angenommene Konfiguration erklart ; nicht ohne weiteres dagegen die Nichtspaltbarkeit durch Emulsin. Das Verhalten dieser beiden Enzyme gegenuber der Iso- saccharose habe ich iibrigens schon 7 Jahre vor Schlubach und Mid delhoff beobachtet iind in meiner bereits zitierten

Annalen der Chemie. 661. Rand. 18

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Arbeit beschrieben. Dariiber hinaus ist es mir jedoch ge- Inngen, die enzymatische Spaltung der Isosaccharose durch einen Auszug aus Aspergillus niger festzustellen, und die Identitat des spaltenden Enzyms mit der @-Glucosidase dieses Pilzes zum mindesten wahrscheinlich zu machen. Das Versagen der p-Glucosidase des Emulsins erklarte ich mir mit einer sterischen Hinderung, iihnlich derjenigen, die die enzymatische Spaltung der oc,ct-Trehalose durch viele a-Glucosidasen verhindert. Ob diese Erklarung nach den Ergebnissen der Versuche von Sch lubach und Middel- hoff an @,@-Isotrehalose rnit Emulsin noch stichhaltig ist oder ob sie durch eine andere ersetzt werden mul3, bleibe vorlaufig dahingestellt.

Bleibt als Hauptargumeiit gegen die von mir vertretene Bnffassung iiber die Struktur der Isosaccharose nur noch deren Reduktionsvermogen. Auch ich habe dasselbe schon vor Jahren - wenn auch nur qualitativ - beobachtet. Wenn ich diese Beobachtung damals nicht publiziert habe und ihr auch keine besondere Bedeutung beimab, so hatte das folgende Griinde: Einmal trat die beobachtete Reduk- tion - entgegen dem Fall der ,,wahren" reduzierenden Zucker - beim Erhitzen der Isosaccharose oder ihres Ace- tates mit E'ehlingscher Losung nie sofort ein, sondern erst nach einiger Zeit und auch dann nur schwach; und zweitens hatte ich gelegentlich beobachtet, dab auch Sac- charose bei langerem Erhitzen rnit verdunnter F e h l i n g - scher Losung ein schwaches Reduktionsvermogen entwickelt. Ich erklarte mir den Vorgang folgendermaben: die grobe Empfindlichkeit dieser Fructofuranoside gegen hydrolytische Agenzien bewirkt bei langerem Erhitzen rnit Fehlingscher Losung trotz alkalischer Reaktion bereits eine geringfugige Hydrolyse des Disaccharids , und die entstandenen Spalt- produkte wirken dann natiirlich reduzierend auf die Kupfer- losung ein.

Auch heute noch halte ich diese Erklarung des Re- duktionsvermogens der Isosaccharose fur die wahrschein- lichste, wenn auch die Ergebnisse von Schlubach und Middelhoff zeigen, dafi die Spaltbarkeit der Isosaccharose

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in heiDer Fehl ingscher Losung dann noch bedeutencl groBer sein muB, als ich es damals angenommen hatte. Auf jeden Fall erscheint mir diese Annahme, trotz bisher un- zureichender Prazedenzfalle l), als weit weniger abwegig als diejenige eines abnorm leicht hydrolysierbaren Glucopyra- nosids, welche die Auffassung der Isosaccharose als Iso- turanose fordern wurde.

I)aD das Reduktionsvermogen der Isosaccharose tatsach- lich auf eine andere Ursache zuruckzufuhren ist als das- jenige ,,normaler" reduzierender Disaccharide, zeigt folgender halbquantitativer Versuch, den ich kurzlich zur Prufung dieser Frage ausfuhrte:

Je 5 mg der Oktacetate der p-Maltose, Lsosaccharose und Saccharose (Turanose als Vergleichsobjekt hatte ich leider nicht zur Verfugung, ebensowenig a-Methyl-fructo- furanosid, dessen Verhalten in dieser Beziehung interessant zu priifen gewesen ware), wurden in j e 0,2 ccm Aceton ge- lost und diese Losungen mit j e 2 ccm Fehl ingscher Lo- sung (nach B e r t r and) versetzt. Die Reagenzglaser mit den Losungen wurden sodann in ein auf 60° erhitztes Wasser- bad gestellt und dieses allmahlich weiter erhitzt. Nach 5 E n . (Bad 80°) war in dem Glas mit der Maltose schon eine deutliche Verfarbung zu beobachten, in den beiden anderen nicht. Nach 10 Min. (t = 96O) hatte sich im Maltose- Glas schon ein erlieblicher Niederschlag v m Kupferoxydul abgesetzt, wahrend im Isosaccharose-Glas kaum die ersten Spuren beginnender Reduktion zu bemerken waren. Nach 15 Min. (t = 99O) war auch bei der Isosaccharose ein schwacher Kederschlag von Cu,O sichtbar, aber erst nach etwa 'la Stunde hatte er schatzungsweisc dertjenigen bei

l) Vielleicht konnte jedoch die leichte Isomerisierbarkeit des a-Methyl-fructofurauosids sowie des a-Methyl-fructopyranosids und des p-Methyl-sorbopyranosids bei der alkalischen Methylierung [vgl. S c h I u- b a c h und O l t e r s , A. 650, 141 (1943)l in diesem Sinne gedeutet werdeu; aueh die alkalische Spaltung verschiedener Glucoside zu Aglykon und Lavoglucosan ( T a n r e t , Bull. [3] 11, 949 (1894); V o n g e r i c h t e n u. Miil ler , B. 39, 241 (1906)) verdient in diesem Zusanimenhang Er- wahnung.

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der Maltose grtifienordnungsrnlfiig erreicht. Im Saccharose- Glas war nach 1/2 Stunde, als das Experiment aus aufieren Grunden abgebrochen werden muBte, uoch keinerlei Re- duktion zu verzeichnen; nach dem Vergleich der Halbwerts- zeiten der Saurehydrolyse von Saccharose und Isosaccharose wLrc eine wahrnehmbare Reduktion wohl auch erst nach bedeutend langerer Erhitzungsdauer zu erwarten gewesen.

Summa summarum ist meine SchluBfolgerung die, dab auch heute noch die von mir im Jahre 1934 vorgeschlagene Konstitution der isosaccharose die wahrscheinlichste fiir diesen Zucker bleibt. Darans ergibt sich, dab auch die Einwande von Schlubach und Middelhoff gegen die Mog- lichkeit , auf dem von P i c t e t und V o gel eingeschlagenen Weg zum Rohrzucker zu gelangen, hinfallig werden.

G e o r g , Uber die ,,sogenannte" Isosaccharose.

Nachsohrift bei der Korrektur. Wahrend diese Entgegnung im Druck war, ist eine

Arbeit von H. S. ,Isbell iiber die Hydrolyse von Turanose in alkdischer Losung im Zentralblatt-Auszug l) zu meiner Kenntnis gelangt. Ihre Ergebnisse stellen eine bemerkens- werte Stutze fur meine Erklarnng des Reduktionsvermogens der Isosaccharose dar. A, G.

l) C. 1942, I, 2133.

(Abgeschlossen am 9. Juni 1942.)

Verantwortlich fur dle Redaktlon: Prof. Dr. H. Wieland, Miinchen; ftir den Anzeigenteil: Anton Burger, Berlln-Tempelhof - Verlag Chemie, G. m. b. H. (Geachilftsflihrer:

Zur Zeit imt Anzelgen-l'reisliate Nr. 3 giiltig - Printed in Germsny Druck: Metzger & Wittig, Leipcig

Senat. e. h. H. Degener), Berlin W 36, Woyrschstr. 37