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218 Ueber die Structur des Pyrens; von Gdo Goldschniedt. (Aus dem chemischen Institute der k. k. deutschen Universimt in Prag.) (Eingelaufen beim Redactions-Comite der Lieben-Festschrift aiii 27. Mai 1906.) Durcli die ansgezeichnete Untersucliung von Bam b e r g e r und Philip') ist die Structnr des Pyrens, dem bekanntlicli die Yolekularformel C,,,Hlo znkommt, unserer Erkenntniss nLher geriickt worden ; es kann hiernach keinem Zweifel unterliegen, dnss das Kohlenstoffgeriiste des genannten Kolilenwasserstoffes durch das nachsteliende Fomelbild, in einer allen bekannten Umsetzungen, insbesondere auch dem so griindlicli studirten oxydativen Abbau desselben, vollkommen Rechnung tragenden Weise zum -1usdruck gebracht wird : /'\ A/\ I. (A/ Bamberger und Philip haben auf Grund dieser Er- kenntniss zwei Structurformeln fir Pyren in Vorschlag ge -. . - I) Diese Annalen 840, 147 (188i).

Ueber die Structur des Pyrens

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Page 1: Ueber die Structur des Pyrens

218

Ueber die Structur des Pyrens; von G d o Goldschniedt.

(Aus dem chemischen Institute der k. k. deutschen Universimt in Prag.)

(Eingelaufen beim Redactions-Comite der Lieben-Festschrift aiii 27. Mai 1906.)

Durcli die ansgezeichnete Untersucliung von B a m b e r g e r und P h i l i p ' ) ist die Structnr des Pyrens, dem bekanntlicli die Yolekularformel C,,,Hlo znkommt, unserer Erkenntniss nLher geriickt worden ; es kann hiernach keinem Zweifel unterliegen, dnss das Kohlenstoffgeriiste des genannten Kolilenwasserstoffes durch das nachsteliende Fomelbild, in einer allen bekannten Umsetzungen, insbesondere auch dem so griindlicli studirten oxydativen Abbau desselben, vollkommen Rechnung tragenden Weise zum -1usdruck gebracht wird :

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A/\ I.

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B a m b e r g e r und P h i l i p haben a u f Grund dieser Er- kenntniss zwei Structurformeln f i r Pyren in Vorschlag ge -. . -

I) Diese Annalen 840, 147 (188i).

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braclit, und die Frage unentschieden gelassen, welche von den beiden ihm wirklich zukommt.

Die ,zwei Formeln sind folgende: ?)

I I /

B

Als sichergestellt erscheine, sagen die Autoren: .dass das Pyren eine Combination eines Naphtalinkernes init zwei Beitzol- kevaen darstellt, welche so wie es nachstehendes Schema ver- sinnlicht, in jenes eingefugt sind".

/\

2 ) In dem rorziiglichcn Werke Xunz ' ..Untersuchungen Uber Phenanthren", Berlin 1902, Seitc 14, wird eine andere Forniel fur Pyren gegeben; da dieselbe durch Versuchc nicht gestittzt ist, sol1 auf dkselbe nicht weiter eingegangen werden. Auf- fallend ist, dass der Autor dieselbe als ,,heicte wohl unbestrit- tene" bezeichnet. Sach ihm enthalten ..Pyreiz, Chsgseii. Picen whit ihrei, Abk6mmliqen den Phenaiitlisenkern". Dies trifft zwar fiir die beiden zuletzt genannten Kohlenwasseratofe zu, nicht aber fiir das Pysen, was aus dessen Verhalten bei der Oxydation mit Sicherheit geschlossen wcrden kaon. Die von K u n z gegebenen Structurformeln aller drei Kohlenwasserstoffe stehen aber im Widerspruche mit der Behauptung des Textes, (la keine derselben einen wirkliehen Phenanthrenkern enthiilt.

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220 G o l t l s c k n ~ i e d t , Ueber die S tmct i i r des Pyrens .

In dein ,, Ausfiihrlichen Lelirbucli der organischen Chemie'( von R o s c o e und S clio r 1 em m e r , fortgesetzt von B r u h l 3), wird der Formel I11 der Vorzug gegeben, mit Riicksicht auf die Thatsache, dass J a h o d a 4 ) aus dem von mir beschriebenen Aminopyren 5, beiin Erhitzen mit Glycerin, Kitrobenzol und Schwefelslure Pyrenolin darstellen konnte. Wohl mit Ruck- sicht auf B l a r c k w a l d ' s Ausfiihrungens) meint der Verfasser, Pyren miisse deslialb die Gruppe -C=C- enthalten, welche aber nur in der Formel 111, niclit in I1 vorkommt.

So sehr die Versuclie von B a m b e r g e r und P h i l i p mit zwingender Notwendigkeit zu dern Schema, I filiren, so wenig befriedigend erschien die Vertheilung der Bindungen in den beiden Formelbildern I1 und 111; dies diirfte B a m b e r g e r selbst empfunden haben und es ist wiederholt von anderer Seite ausgesprochen worden; so heisst es zum Beispiel in dem ,lLehrbnche der organisclren Cliemie" von M e y e r - J a c o b s o n (11, 2 , 626): ), Einige Scliwierigkeiten bereitet die l'ertheilung der Bindzingen im Pyrenchinon, sowie im P y r e w L L S a c h s e i , bezeiclinet die beiden vorgeschlagenen Formeln als wenig wa1i~- scheinlicli" und a n einem anderen OrteS), wo er die bekaniite voii ihm vorgesclrlagene Configuration des Benzols und der Kolrlenwasserstoffe mit condensirten Benzoikernen begriindet, sagt er : ,,Es ergiebt sich oliite Zzoang (fiir das Pyren) eine Con- figuration, in welclier c ier vollig nomiale Benzolringe in der. durch das nebenstehende Symbol (sielie Fomnelbild I) geforderten Weise cereinigt s i d , wihrend jeder Versuclc, dieses System von Benzolkernen i n eine ge~cohnliclie Stritctzirfornzel zit zeaartgen, zu den ~riiwnli~~sclieinliclisteii Contbinationen fiilirt:'

I

Bd. 111, Seite 285. I ) Wiener Monatsh. 8, 442 (1887). 5, Wiener Monatsh. 8, 5w) (1881) u, Diese Annalen 874, 331 (1898,. i , Ber. d, deutsch. chem. Gcs. 84, 2534 (1888). H, Zeitschr. f. physik. Chem. 11, 216 (1893).

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Goldschmiedt, Ueber die Structur des Pyrens. 221

Auch E. B l o c h ausserte sich in seiner interessanten Broschiireg) an verscliiedenen Stellen in Bhnlichem Sinne, z. B. (Seite 33): ,,Schon wcnn man in diesem Kern (Formel I) die Bindurigen, ohne Rucksicht aiif die Reactionev. der Benzol- theorie gemass einzetzen will, sckeitern die meisf en Theorien. Je weiter man in der Reihe der aroniatischen liohlenwasser- stoffe emporsteigt, um so mehr Benzolformeln muss man als unbrauchbar zuriicklassen; dus Pyren lasst nur sear wenige zu und ich glaube, dass dieser Priifstein nicht ausser Acht ge- lassen werden dnrf." Werner Seite 84: ,,Bamberger fuhrt, in der Abhandlung von 1887, als mogliche Formeln die oben- stehenden (TI und IIlj an; beide bedeuteii Abweichungefi von allen Bisherigen Annahnien iiber die Kernbildung. "

Derselbe Antor fuhrt weiter ganz zntreffend aus, dass aucli die centrisclie Formel des Benzols sich auf das Schema I nicht anwenden lasse.

Da nun zur Zeit die KekuI6'schr Formel noch immer von der iiberwiegenden Mehrzalil der Forscher als der zutref- fendste Ausdruck der Structur des Benzols angesehen wird, so erscheint es erwiinscht, die Constitution des Pyrens mit Zu- grundelegnng derselben darstellen zu kiinnen.

Ein Umstand, der mir aus der Zeit, in welcher ich mich mit Pyren beschiiftigt habe (1 87 7-1 883), in Erinnerung ge- blieben ist, schien mir geeignet, den Schliissel znr endgtiltigen Losung der Frage zu liefern, d. h. die Mdgliclikeit zu bieten, eine slmmtlichen Thatsachen Rechnung tragende , dnrchaus befriedigende Structurforinel dieses interessanten Kohlen WILSSCI*-

stoffes aufzustellen.

Ich hatte midi seiner Zeit vergeblich bemiiht, f i r en in vollkommen farbloseni Zustande herzustellen; selbstverstlndlicli

@) Alfred Werner ' s Theorie des Kohlenstoffatoms und die Stereochemic der carboryklischen Verhindungen. W e n und Leipzig 1903.

-. .- __

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stand auch icli damals nnter dem suggestiven Einflusse der beinahe als Axiom geltenden Meinung, jeder Kohlenwasserstoff musse, wenn vollkommen rein, auch farblos sein. Der einzige damals bekannte farbige Kohlenwasserstoff - das Carotin - war nicht im Stande, die allgemein verbreitete Ansiclit zu er- sch iittern.

Es war mir dalier zu jener Zeit nicht zweifelhaft, dass die an meinen Praparaten beobachtete Farbe ihre Ursache in einer denselben sehr h a r t n k k i g anhaftenden fiirbendea Verun- reinigung habe, obwolil der Schmelzpunkt beim Uinkrystalli- siren constant blieb nnd die Analysen gut stimrnende Resultate ergeben hatten.

Ueber das Aussehen des Pyrens sprach ich micli damals wie folgt auslO): ,, Es wurden so rhombische Blattchen erhalten, die bei 146O schniolzen und noch zieniliclh stark gelb gefiirbt wareii, doch stieg tler Schmelzpunkt niclit mehr bei weiterem Umkrystnllisiren und die bei der Sublimatiow in kleinen, spiess-

fomnig aneinander gereihten, l as t farblosen, rkombisclten Blattchen erhaltene Substant verfliissiyte sic16 bei derselben Temperatztr. * <

SpLter I]), :LIE mir grossere Quantiaten des Kohlenwasserstoffes zur Verfugung standen, konnte icli, wie auch vorher H i n t z I e ) ( 148-14!)0), einen etwas haheren Verflussigungspunkt (149" bis 1 No) beobachten. Von diesem Prgparate, welches dainals aualysirt worden ist13)), besass ich noch eine kleine QnantitBt, mit welcher die im Folgenden beschriebenen Versuclie ansge- fuhrt worden sind. Es sind compacte, grosse, rhombische Tafeln, von hell citronengelber Farbe. Vorgreifend sei erwshnt , dass

lo) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 10, 2027 (1877). * I ) Goldschni ied t udd v. S c h m i d t , Wiener Nonatsh. 8, I

I ? ) Ber. d. deutsch. chem. Gcs. 10, 2143 (1877) und 1naug.-Diss.

I.') Gcfunden: C 94,83, H 5,12; berechnet: C Y5,05, IF 4,96.

(lb81).

Strassburg, 1878.

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es mir jetzt ebensowenig, wie vor Jahren, gelungen ist, ein nngefsrbtes P s p a r a t zu erzielen.

Von Seite anderer Forsclier sind nachstehende Angaben iiber die Farbe des Pyrens in der Literatur aufzufinden:

G r P b e 14) beschreibt den aus Alkohol umkrystallisirten Kolilenwasserstoff als ,.Bln'ttchen , die grosse Aehnlichkeit mit deln Antlrracen haben", vom Sclimelzpunkt 142O, und er sagt:

,,toie dem Anthracen, JLaftet ihnen hiiufiq eine gelblirhe Farbung energisck an; ganz rein sind sie aber fhrblos ., und spiiter15) theit e r mit, ,,die Fiirbung ldsst sich durcli Bleichen einer Benzollosung im Somenlichte ztnd nochmaliges Krystallisiren u i i s Alkohol entfernen".

Nacli Hintz ' " ) schinilzt Pyven bei 148-149'; es hat ,,in nicht ganz reinena Zustande eine grune E'arbe" (Seite 1 3 ) ; ,. bei weiterena Untkrystallisiren andert sick wedel, der Schmelz- punkt, noch die Farbung; die Krgstalle behalten das Aussehen, welclies an 15anglas erinnert, bei. Sziblinairt nzan das Pyren zwischen Uhvgldsern dzirch Filtirpapier, so el-halt nzan farblose Flitter, d ie bei 148O srhmelzen. Es scheint somit die Gelb- /i'irbung ganz zinwesentlich zu sein; aucii Jmbe ich yefinden, dass das Pyren in f e i n vertheiltem Zustande, wie man es aus einer Lbszcng in Eisessig durcii Wasser fallt, diese Eigenthiim- lichkeit in geringerein Grade zeigt, als icli sie sfefs bei cow pacten Krystallen beobachtete" (Seite 14 1.

M e r z und W e i t h ' q hatten das Pyren als ,,schone, grosse, indessen nocJi etwas gelbliche Tafeln, welche bei 147O his 148O schmolzenu, in Hiinden.

In den verscliiedenen AbhandIungen von B a m b e r g e r und

'9 Ber. d. deutsch. chem. Ges. 3, 742 (1870); diesc Annalen 15@, 285 (1871).

I;) loc. cit. la) 1naugur~-Dissertation. '7 Ber. d. deutsch. chem. Ges. 16, 2878 (18831.

- ._

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224 GoEdsch?nied t , Ueber die Structur des Pgrens.

P l i i l i p l S ) uber das Pyren wird der Farbe des Pyrens auf- fallender Weise iiberhaupt niclit gedacht, nur in den der letzt- citirten Arbeit beigegebenen Resnltaten der krystallographisclien Untersucliung des Kohlenwasserstoffs B r u g n a t e l l i ' s heisst es:

Ziiletzt begegnen wir den1 Pyre?$ nocli in d w Arbeit F r e u n d l s l O ) , welclier es diircli Destillation von Thebenol mit Zinkstanb nnd bei der Beliandlnng desselben Korpers mit Jod- wasserstoff und IJliosphor erhalten hat: ,,schwaclt gefiirbte Bliittchen , die mich Clem Erhitzeu niit Natrium, Aiifstreichen de\ erstari.teu Destilluteh auf Thou trnd ITmkrpstnllisiren aus .Ilkoliol, schone irisirendc Bliittc1ie)i lieferten, die bei 135n bis 140° schinolze?i.U

T'ongericl i ten .20) , der Pyren aus Thebeniia durcli Zink- staubdestillation erhalten hat, giebt lediglich die Thatsache an, ohne seiu Product zu beschreiben.

Aus diesen Citaten gelrt liervor, dass slinmtliclie Forscher, die sich mit Pyreii bescliaftigt liaben, die gelbe Farbe, die ihm angeblich so Iiartniickig anhaftet, beobachtet haben. G r a b e und F r e u i i d haben den Kohlenwasserstoff nur i l l unreinem Zustande in Hiinden gehabt; dies gelit ails den von ihnen be- obachteteu Schmelzpunkteu liervor. G r L b e giebt an, es sei ihin gelungen, durch die Sonnenbleiclie am seinein rerunreinigten Pyren farbloses zn erzieleii, ein Versnch, der inir bei Wiederliolung an meineiii reinsteii Pr lpara te ein negatives Ergebniss geliefert hat. Keiner der anderen Beobacliter behauptet ohne Einschrhknng, farbloses Pyren gesehen zu haben, wenn man von den farb- loseii Flittern absieht, die H i n t z bei der Sublimation gewonnen lint, anf welclie icli noch zuriickkominen werde.

Ich habe inich nun bemiiht, ails nieinem reinsten Pyren

I*) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 19, 1427 und 1995 (1886); dicee

I") Ber. d. deutsch. chem. Ges. 30, 1383 (1897). 20) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 34, 7fi7 (1901).

Farbe: rothlichgelb."

_.

Annalen %40, 147 (1887).

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(Schmelzp. 119-150°), welches, wie bereits erwtihnt, hell citroneiigelb g e h r b t ist und das eigentliiimliclie uranglasghn- liclie Anssehen besitzt, die angeblich darin enthaltene a rbende Vernnreinigung zn entfernen und zwar liabe ich:

1) Proben desselben in verschiedenen LSsungsmitteln mit guter Thierkolile in der Kalte sowohl, als in der Wgrme be- Iiandelt; die abfiltrirten Losungen zeigten nacli der Behandlung ausnahmslos nocli die charakteristisclie blaue, jener des Petro- leums Lhnliche Fluorescenz. Beim Verdnnsten der Losnngen wurcien stets glanzende, rhombische Tafeln von liellgelber Farbe erhalten, die, wie H i n t z treffend sagt, ein Aussehen haben, das an Uranglas erinnert.

2) Pyren wurde bei moglichst niederer Temperatur zwi- schen Uhrgllsern sublimirt. Das Sublimat bestelit ans Bnsserst diinnen , rhombisclien Blattchen , die manchmnl eine betrlchtliche GrSsse erreichen und in clia- rnkteristischer Weise gestielt anschiessen - etwa wie in nebensteliender Figur. Diese Bl&ttchen erscheinen, einzeln betrachtet, in der That farb- 108, aber schon, wenn man ein kleines Haufclien des Sublimates auf Papier mit einem Spate1 zu- sammendruckt, so dass eine grossere Zalil soldier Bllttclien iiber einander zu liegen kommt, ist es sehr deutlicli walirnelimbar, dass dieselben gelb geP&rbt sind, und wenn man eine Probe des sublimirten und des nicht subliinirten Pyrens neben einander aus Benzol nm- krystallisirt, so sind die beiden Krystallisationen durch nichts von einander verscliieden. Beide zeigen in gleicher Intensitst gelbe FI rbung nnd uranglasartiges Aussehen.

3 ) Reines Pyren wurde mit Natrium gekoclit, dann, ob- wolil die Sclimelze ganz fest und trocken war , auf Thon ge- striclien und schliesslich atis Alkohol umkrystallisirt; anch diese Behandlung vermoclite keine Aenderung der Farbung des Prs- parates Iierbeizufuhren.

~

h n n a l e n der Chemie 351. Bd. 15

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Einige Gramm Pyren wurden durch langere Zeit mit Katrium aufsteigend gekocht, wobei dort, wo das geschmolzene Metal1 in Beriihrung mit der von der Flamme bespiilten Wand des Retortchens kam, dunkle Schlieren sich in die Schmelze verbreiteten, diese etwas verfsrbend. Hierauf wurde abdestil- l i r t und das Destillat in vier ungefiihr gleich grossen Frac- tionen aufgefangen, von welchen die zuletzt iibergehende etwas dunkler gefsrbt war. Die ersten drei Fractionen gaben aus Benzol umkrystallisirt , grosse Krystalle von genau gleicher Beschaffenheit, wie icli sie sonst immer an reinem Pyren ge- sehen habe, wahrend die letzte etwas dunkler gelb g e a r b t war - es geniigte aber einmaliges Umkrystallisiren aus Benzol, unter Anwendung von Thierkohle, urn eineii den iibrigen durch- aus gleichen Anschuss zu erhalten.

5 ) Wabrend des verflossenen Sommers ist Pyren in Ben- zollosung durch mehrere Wochen dem Sonnenlichte ausgesetzt worden; nach Verdunstung des Losungsmittels wurden Krystalle von gelber Farbe erhalten, genau gleich dem Ausgangsmateriale, die sich auch nach mebrmaligem Umkrystallisiren nicht veranderten.

6) Es wurde versucht, durch Einwirkung von Aluminium- amalgam auf weingeistige Pyrenlosung die E n t d r b u n g des Kohlenwasserstoffes herbeizufuhren ; dieses Reductionsmittel wirkt auf Pyren niclit ein - die Fluorescenz bleibt unverandert und das Pyren wird in seiner friiheren Beschaffenheit zuriickgewonnen.

7) Die Fluorescenz verschwindet hingegen , wenn man Pyren in amylalkoholischer Lijsung einige Zeit mit Natrinm kocht, damit ist aber auch das Pyren vollstsndig verschwunden. Als Reactionsproduct konnte ich leicht das von G r a e b e durch Einwirkung von Jodwasserstoff und Phosphor bei 1 50-200° erhaltene Pyrenhezahydriir isoliren (Schmelzp. 18 7O). Daneben bilden sich noch andere niedriger schmelzende Reductionspro- ducte, die ich nicht untersucht habe. Das Hexahydriir ist farblos nnd bildet glanzende, lange Spiesse.

8) Pyren wurde in reinem A4ceton (aus der Bisulfitverbindnng)

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gelost und mit einer verdiinnten Lasung von Kaliumpermanganat i n Aceton einige Zeit am Wasserbade e rwlrmt ; es fand kanm merkliche Reduction, nur an der Verfllrbung der Fliissigkeit erkennbar, statt, ohne Abscheidung eines Niederschlages. Das iiberschiissige Permanganat wurde niin mit wlissriger schwefliger S l u r e reducirt, die Fliissigkeit in Wasser gegossen und der aus- geschiedene Kohlenwasserstoff nach dem Waschen mit Wasser aus Benzol umkrystallisirt. Es schieden sich ans der fluores- cirenden Losung beim Erkalten die bekannten grossen Tafeln von Pyren aus, die sich durch nichts, insbesondere anch nicht durch ilire Farbe, von Prlparaten unterschieden, die die Be- handlung nicht erfahren hatten.

h u f Grund obiger Versuche glaube ich berechtigt zu sein, die Ansicht anszusprechen, dass die Farbe des Pyrens nicht, wie bisher allgemein angenommen worden ist, anf eine ihm sehr hartnackig anhaftende Verunreinigung zuriickzufuhren sei, son- dern dass die gelbe Farbe eine diesem Kohlenwasserstoff zu- kommende Eigenschaft ist, eine Annahme, die angesiclits des Umstandes, dass farbige Kohlenwasserstoffe in den letzten Jahren in grosserer Zahl bekannt geworden sind, an und fur sich keiner besonderen Rechtfertigung bedarf. Der Umstand, dass G r a e be Pyren durch Bleichen einer Renzollosung im Sonnen- lichte im farblosen Zustande erhalten haben will, scheint mir nach dem Ergebnisse meiner eigenen Versoche nicht schwer- wiegend genug zu sein, nm von der Annahme abznstehen; die Angabe H i n t z ’ , betreffend die von ihm bei der Sublimation erhaltenen ,,farblosen BlattchenU , ist durch meine Beobach- tungen anf ihren wahren Wer th zuriickgefiihrt.

Immerhin bin ich im Klaren dariiber, dass es einiger- massen misslich ist, eine positive Behauptung durch negative Beftinde zu begriinden und ich mochte mir daher gestatten, dieselbe auch noch darch weitere Argumente zu stiitzen.

Als solche scheinen mir folgende Thatsachen angefihrt werden zu diirfen:

15*

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228 G o l d s c h m i e d t , lieber die Structur des Pyrens.

Von den langst bekannten Derivaten des Pyrens sind eine gauze Reilie als gehrb te Substanzen beschrieben worden, voii welclien zu erwarten wiire, dass sie farblos sind, wenn n i c k dem Kohlenwasserstoffe selbst, vermijge seiner Structur, Farbe zukommen wiirde und zwar:

Amino4yren ?l), ,,quadratische Bliittchen, die sich zu bronze- farbigen, metallisch glanzenden Hauten zusammenlegen , dessen Chlorhydrat ,,scAzaach gelblicli gefarbte Nadeln'(, das Sulfa& ,,hell pistnziengriines, krystallinisches Pulver" .

Diaminopyren ??), ,,sehr schon gelb". Pyrencyaniir2'Y), ,,fast weiss". Pyreiidicyanur ?9)1 ,,gelbLL. Pyrendisulfosiizire ?*I: Kaliumsalz, ,, liellgelbes, aus mikro-

skopischen Prismen bestehendes Pulver; Baryumsalz, ,,schwefel- gelb", Calciumsalz, ,,gelb u.

Pyrennzonocarbonsaure24) : ,,gelbliche Warzen'L ; Baryuwi- salz, ,, krystallinisch gelblicltes Pulver" ; Calciumsalz, krystal- Ziniscker gelblicher Niederschlag"; Silbersalz, ,,gelbliclier Nie- derschlay:'.

Pyrenolin z5), ,,prachtvoll goldgelbe , gliinzende Krystall- sclruppen"; dessen Chlorhydrat ,,gelbrotlc~'; Sulfat ,, blassrotk"; Jodnlethylat ,,dun kelrothe, mikroskopische Nadeln" .

- D:k es nnn im liijchsten Grade unwalirscheinlich ist, dass eine etwil dem Pyren anliaftende drbende Verunreinigung bei dessen Verarbeitong zu den verechiedensten Derivaten, 'unter Anwendung der mannigfaltigsten Reagentien und nach viel- fgltigen Heinigungsprozessen nicli t entfernt werde, so miisseii

? I ) Goldschmiedt , Monatsh. 2, 580 (1881). ?') J a h o d a , AIonatsh. 8, 449 (1887). >3) Goldschiniedt und W e g s c h c i d e r , Nonatsh. 4, 237 (1863).

Goldschinicdt und W e g s c h e i d e r , AIonatsh. 2, 237 (1881). >-,) J a h o d a , Monatsh. 8, 442 (188i).

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die angefulirten Befunde als wesentliclie Stiitze fur die An- nahme gelten, dass das Pyren ein furbigel Kohlenwasser- d o f f ist.

Unter diaser Voraussetzung ist es aber ein Leichtes, in dem zweifellos richtigen Schema von B a i n b e r g e r und P h i l i p (Formelbild I) die Vertheilung der Bindungen derart vorzu- nelimen, dass die Farbe des Pjrens, durch seine Constitution, zu einer wolilbegrundeten , ja geradezo selbstverstandlichen Erscheinnng wird.

Die Structurformel des Pyrens gestaltet sich dann wie folgt:

Wie sofort in die Augeii ftillt, ist dies eine chinoi'de Formel, in welcher nur ein einziger wirklicher Benzolring vor- kommt, daher kann sie aucli keinen Naphtalin- und ebenso- wenig einen Phenuntkrenkern enthalten. Dass bei der Oxyda- tion des Pyrens einerseits hTnplitalinderivate entstehen , all8

Phenanthrenabkommlingen andererseits Pyren erhalten worden ist, steht keineswegs im Widerspruche mit der vorgeschlagenen Structurformel, da diese Reactionen in einfachster Weise durcli einen Bindungsweclisel erkltirt werden kijnnen.

Bei der Oxydation wird der Naphtochinonkern in den Naphtalinkern iibergelien nnd dem Pyrenchinon kommt hier- nach die zweite der von B a m b e r g e r nnd Phi l ip") aufge- stellten Structurformeln zu (VII), welche die tiefrothe Farbe dieses Korpers vie1 besser reclitfertigt, als die erste (VI):

?Oj loc. cit.

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230 G o l d s c h m i e d t , Ueber die Structzir des Pgrens.

CO /'\ OC Al

/\A /\/\ VI. j /I I VII. )I

! I

I

++A// \A/ I

\/' co OC \I Das zweimalige Vorkommen der chromophoren Gruppe

-C=C-C=O in cyklisclier Anordnung a n dem Naplitalin- kern ist gewiss ein ausreichender Grund Iiierfiir.

Die Pyrensaure, OL' /\

/\/"

\/\H

, I

I

I I COOH COOH

welche diese Gruppe nur eininal enthtilt, ist nur mehr gelb g e a r b t und die bei weiterer Oxydntion entstehende iVaphtnlin- tetracarbonsiizcre ist farblos.

Erinnert man sich, dass Benzalacetoplienon gelb g e d r b t ist, so wird man mit Recht annehmen diirfen, dass eine Verbindong, die durcli doppelte Condensation von p-Diacetylbenzol mit Terephtalaldehyd gebildet werden kiinnte, eine intensivere Farbe liaben wiirde, a19 diese; die Structnr dieser Substanz w#re jener des Pyrenchinoiis sehr Bhnlicli:

CH

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G o l d s c h m i e d t , Ueber die Structul- des Pyrens. 231

doch wird, wegen der noch dicliteren Anordnung der doppelten Bindungen in letzerem, dessen Farbe doch nocli tiefer sein.

Auch der Umstand, dass der oxydative Angriff in jenen Ringen stattfindet, welche in der nenen Formel als dihydrirte Benzolkerne erscheinen, spricht fur diese Formel, welclie auch durch alle gegen die friiher verfoclitene vorgebrackten Ein- wLnde n i c k getroffen wird.

Betrachtet man die neue cirinoide Formel des Pyrens im Lichte von T hie le ’s Theorie der Partialvalenzen, so ergiebt sich fur den Uebergang von Pyren zii Pyrenchinon genau dasselbe.

Die Formel stellt sicli hiernach dar als eine geschlossene Kette von conjugirten Doppelbindungen, am 1 4 Kohlenstoff- atomen bestehend ; da in dieses System die doppeltgebundenen, centralen zwei Kohlenstoffatome unter Bildung von gekreuzten Doppelbindungen eingreifen, so sind die Partialvalenzen der geschlossenen Kette nicht in gleichem Maasse abgesgttigt; in der Darstellungsweise T Iiiele’s nimmt demnach die chino’ide Formel des Pyrens naclistehende Gestalt an (VIII) :

\Vie leicht zu iibersellen ist, sind in derselben vier Par- tialvalenzen nicht vo l l s th l ig abgessttjgt und nach dem experi- mentellen Ergebnis der Oxydation greift das Oxydationsmittel a n jenen zuerst an, welche im Schema mit * gekennzeichnet sind. Sobald aber die Ketongruppen entstehen, werden die vier zwischen den zwei Carbonylen gelegenen Doppelbindungen

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232 Goldschmied t , Ueber die Structur des Pyreus.

unter Bildung eines neuen Systems conjugirter Doppelbindungen sich umlagern, der Naphtochinonkern ist hiermit zum Naphtalin- kern geworden und die sich jetzt ergebenden Valenzreste miissen naturgemass bei weiterer Oxydation des Clrinons (1x1 zur Pyrensaure und Kaphtalintetracarbonslure fuhren.

Die neue Ytruct&formel des Pyrens giebt nach vorstelien- den Ausfuhrung einen sehr befriedigenden Ausdruck seines Ver- haltens und wenn friiher das Pyren als Argument gegen die Benzolformel KekulB’s geltend gemacht worden ist, so kann inan es nun a19 Stiitze fur dieselbe ins Feld fuhren.