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490 XIV. Ueber die T h e rotirender Stimmgabeln; @on W, Beet#, D i e Brlider W e b e r haben in ihrer Wellenlehre’) fol- genden Versuch beschrieben : J) Wenn man eine Stimmgahel so in eine Drechselbank einspannt, dafs die Stimmgabel um die Langenaxe ilires Stiels gedreht werden kann, so bemerkt man, dafs die tanende Stimingabel aufhilrt zu tonen, wenn ihre Umdrehnngm eine gewisse Geschwindigkeit erreiclit baben, aber der Tun wieder wahrnehmbar wird, wenn man das Rad der Drerhselbank pliltzlich anhilt. Es ist diesrs nirht so zu erklaren, dafs das Gelliusch der Drechselbank die Stiiningabel iibertaube, den11 auch dann, wenn man die Oeffnung einer cylinderfilrmigen Rilhre in die Nlihe der Zinkeii halt, und an die andere Oeffiiung der Rilhre das Qhr bringt, iibeneugt man sirh davon, dab die Umdrehuiig zwar nicht die Schwingung der Gabel aufhebt, aber die Mittlieilung derselben an die Luft hindert. Wir kilnnen vo.0 dieser merkvlirdigen Erscheinung noch keine Erkla- rung gebeo.. Ich hatte schon vor langer Zeit diesen Versuch wieder- holt, war aber zu einer ganz anderen Wahrnehmang ge langt, worhber ich der physikalischen Gesellschaft zu Berlin Bericht erstattet habe ?). Ich hilrte nainlich niemals, dafs der Ton der Stimmgabel verschwand, sondern nur, daCs er geschwlcht wurde, und daneben hilrte ich deutlich einen haheren Ton und eine Reihe von StiJfsen, deren Zahl mit der Anzahl der halben Umdrehungrn der Stimmgabel zu- sammenfiel. Die Herren W. und E. H. W e b e r , deiien ich mein abweichendes Resultat mitgetheilt hatte, konnten leider die Gabel, welche sie angewandt batten, nicht mehr auffinden; Hr. W. W e b e r schrieh mir indefs, es st’y eine gew6hnliche aGabel genesen, und sprach die Vermuthung 1 ) Wellenlehre S. 610. * 2) Forlrchritte dcr Phyaik 1850-51. Bd. VIlI u. IX, S. VIII.

Ueber die Töne rotirender Stimmgabeln

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XIV. Ueber die T h e rotirender Stimmgabeln; @on W, B e e t # ,

D i e Brlider W e b e r haben in ihrer Wellenlehre’) fol- genden Versuch beschrieben : J) Wenn man eine Stimmgahel so in eine Drechselbank einspannt, dafs die Stimmgabel um die Langenaxe ilires Stiels gedreht werden kann, so bemerkt man, dafs die tanende Stimingabel aufhilrt zu tonen, wenn ihre Umdrehnngm eine gewisse Geschwindigkeit erreiclit baben, aber der Tun wieder wahrnehmbar wird, wenn man das Rad der Drerhselbank pliltzlich anhilt. Es ist diesrs nirht so zu erklaren, dafs das Gelliusch der Drechselbank die Stiiningabel iibertaube, den11 auch dann, wenn man die Oeffnung einer cylinderfilrmigen Rilhre in die Nlihe der Zinkeii halt, und an die andere Oeffiiung der Rilhre das Qhr bringt, iibeneugt man sirh davon, d a b die Umdrehuiig zwar nicht die Schwingung der Gabel aufhebt, aber die Mittlieilung derselben an die Luft hindert. Wir kilnnen vo.0 dieser merkvlirdigen Erscheinung noch keine Erkla- rung gebeo..

Ich hatte schon vor langer Zeit diesen Versuch wieder- holt, war aber zu einer ganz anderen Wahrnehmang ge langt, worhber ich der physikalischen Gesellschaft zu Berlin Bericht erstattet habe ?). Ich hilrte nainlich niemals, dafs der Ton der Stimmgabel verschwand, sondern nur, daCs er geschwlcht wurde, und daneben hilrte ich deutlich einen haheren Ton und eine Reihe von StiJfsen, deren Zahl mit der Anzahl der halben Umdrehungrn der Stimmgabel zu- sammenfiel. Die Herren W. und E. H. W e b e r , deiien ich mein abweichendes Resultat mitgetheilt hatte, konnten leider die Gabel, welche sie angewandt batten, nicht mehr auffinden; Hr. W. W e b e r schrieh mir indefs, es st’y eine gew6hnliche aGabel genesen, und sprach die Vermuthung

1 ) Wellenlehre S. 610. * 2) Forlrchritte dcr Phyaik 1850-51. Bd. VIlI u. IX, S. VIII.

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aus, dafs bei ibren Versuchen der h8here Ton dadurch on- merklieher geworden sey, weil sie einen gerhschvolleren und laogsatner laufendea Drehapparat angewandt hAtten ale ich. Eine geiiiigeiide Erklarung der Erscheiuung zu ge- ben, gelang damals ebenfalls nicht.

Neuerdings wurde ineiiie Aufnierksainkeit auf die fast vergessene Reobachtung durch den schtiaen Versuch von K o n i g geleitet , bei welcliem der Ton einer Stimmgabel hoher gehart wird, wenn inan sie dem Ohre niihert, so dafs die Anzahl der Scbwebungen, welche sie mit einer ande- ren Gabel in der Ruhe gegeben hat, dadurch verandert wird l). Der Gedanbe lag nahc, dars die beideii Zinken der gedrehten Stimngabel dem Obre zwei verschieden hohe Tbne zusenden, iudem sich die eine demselben nahert, die andere sich entfernt. Ich nahm deshalb meine Versuche wieder auf, die inich jetzt aber zu einer ganz anderen Auf- fassung der Erscheinung gefuhrt habeo.

Die vortrefflichen Gabeln, uber welche man jetzt v q - fiigt, erlariben den Versuch sehr entscheidend anzustellen. Ich benutzte besonders eine c, GJbel (512 Schwingungen) von L a n g e in Berlin, uud eine c,Gabel (1021. Schwingpn- gen) von K b n i g i n Paris, erstere init 153, letztere mit 100"' longen Zinken. Der Durchschnitt einer Zinke war bei beiden Gabeln, wie bei allen gebriiuchlichen, eiii Recht- eck; an der Spitze der c, Gabel 1 l m m lang, 6"" breit, an der der c,Gabel 14"" lang, 6'"" breit, so dafs die geringere Dickc. der Zinke jedesmal der Richtung entspricht, in wel- cher die Gabel, wenn sie gestrichen wird, ihre Schwingun- gen ausfiihrt. Wurden diese Gabeln in der Drehbank be- festigt zum Tonen gebracht, und dann, urn ihre Axe mit der Geschwindigkeit von etwa 12 Urndrehungen in der Se- cunde gedreht, so erhohte sich der Ton c, urn etwa t, und c, urn etwas uber einen halben Ton. Daneben wurden die frilher erwahnten Schwebungen, zwei bei jeder Umdre- hung, gehbrt. Urn die Tonerhahung auch solcheii Perso- nen, welche Tonh6hen schlecht unterscheiden, recht merk-

1) Kapig , Catalogue de6 appareile Eacouetique p . 16, No. 75."

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tich zu machen, braurbt man nur cin Resonnntgeftlfs un- mittelbar untrr die rotirende Gttbel zu stellen. 1st dicfs auf den Ton der Gahel gestiinmt, so hilrt man bei langga. iirer Drehung nur die von den Brlidern W e b e r beobach- tete Ititerfereiizerscheinung. Drcht man arhneller, so zieht sich der Toti heulend in dle Hishe; stimmt man aber das Geftifs allmahlich bfiher, so t6nt es mit der gedrebten Ga- brl itnmer Iieller mit, bis die obeti angegebene Hirbe er- reicht ist. Ebetiso liort man die Tonerhohung vortrefflich, wenu man einen H e 1 m h o 1 t z’schetr Resonator ins Ohr ateckt, dessen Tonh6he lnit der der gedrehten Gabel zusnmmm- Rlit. Diese Ersrheinuirg hat aber mit der Mittheilung drs Schalles an die Luft und mit der Fortpflanzung denselben in der Luft gar nichts zu schaffen, denn man bbrt sowohl die Tonerhbhung, als die Srhwebutigeir ganz ebenso gut, j a besset, wenn man den Kopf mit verstopften Ohten all

irgend eiueii Theil der Drehbank anstenimt. Die Erschei- nung ist also durchaus objectiv, die Schwingungen der Ca- be1 werden in der That beschleunigt. Sie ist iiichts als cine andere Gestalt des F o u ca u I t ’schen Pendelversuchs. Die Schwingungen baben das Bestreben, in der Ebene, in welche sie erregt wiirden, zu verharren; sie geben also gleiclisam auf einen Stab von grufserer Dicke iiber und erzeugen des- balb einen hbheren Tun, Die Elongation der Schwingun- gen wird dabei kleiner; sie wtlcbst aber allmahlicb nieder, und erreicht jedesmal eln Minimum, wenn die Gabel wie- der ibre urspritngliche oder eine uin lSOo gtgcn diese ge- drJte Stellung einnimmt. Dadurvh entstehen die Schwe- hungen, dercn Zahl natllrlich niir halb 60 groh ist, a18 die der Stake, welche man beim M’ e b er’schen Interferenzver- stick bfirt. Wird die Gabrl nur langsam gedreht, so folgt die $cbwlngungsebene der Drehung der Masse, man hbrt nur den Grundton und keine Stbfae; bei scbnellerer Dre- hung treten bald, ouch objectiv, die Stblsc auf, dam ziebt 8lch der Ton in die HUhe, aber nie 80 weit, ddr er den S r h i n g u a g m dnes Stahes von der gt6ffi8ren DiAe der Gabelzinken etitepriiche Zum Beweiae fiir die Richtigkeit

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dieeer AuEassung experimentirte ich auf einer sehr ge- rauschlos loufendcn Rotationsmasc hiue mit zwei kleineren Gabeln, deueii ich 25 Uiadrehuugen in der Secunde geben koniite. Die Zinken der einen Gabel (gl) waren 6"" breit, lm",5 dick (die Dicke in der Kichtung genommen, iu wel- Cepr inan die Gabel anstreicht), die der anderen (cisf) 1'"",5 breit uud 6'"" dick. Der Ton der g1 Gabel gitig bei der Rotatian um eine Quart in die Hahe, der der ds,-Gabcl uui t Toil hinunter; d~uebeii harte man bei diescr Gabel noch einen dritteii, etwas haheren Ton, p- wifs dadurch erzeugt, daEs die grijfsere Dicke der Zinkcn iu dcr Richtirug der Diaganale ihrer D\Irchscbnittsfl~cben lirgt, und die Schwinqringsebene durcli diese Richtung biu- durchgelien niufs, ehe sie die der Hrcite erreicht.

Vie1 auffallender, weil einfacher, ist der Versuc h, weuu man ilin mit einem einzeliieii Stabe statt lnit einer Stimm- gabel anstellt. Ich koiinte keinen Stab finden, der an einem Ende eingespauat, hinreichend stalk und lange getiiut hqtte. Mit einem an heiden Enden freien Stab gelingt dagegen der Verswh vortrelflich. Ein Stahlstab von 1" Langa, 16'"" Breite und 8"'" Dicke wurde au eineln Ende an eiqem Fatlen aufgohlingt, der die Verlangerung der Axe des Ste- bes bildete. Fafste iah iiun irgend eincn seiner Knoten- punkte lose zwischeu zwei Finger und brachte ihu durch Anschlagen mit eineln weicheii Hammer zuin Tiinen, so er- hielt ich den seiner Uicke oder seiner Breite entsprecheu- den Ton, je iiachdclo das Ahacblagen in der einen o d e der andern Richtung geschah, 1, R bei der Schwingung init fiinf Knoten im Sinne der Dicke gl, im Sinthe der Breite g. W i r d nua der Stab im ersten Sinne angeschla- geu und d a m um 90° gedreht, so hart man deutlich und faat allein g; wird er im zweiten Sinne angeschlagen und dann urn 90' gedrebt, sg hart mau ebenso gl. Hier ist also wirkfich die Scbwiogungsebene ganz constant aeldie- beu. Wi rd der Faden gedrillt, und, nacbdem det Stab angesebhgen ht, losgelaesen, so t6nt er h i i n Rotitan e k t s wit beidea Tdnen, dazwischen noch ein Gebruinm POP ail-

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deren Tl)ueu gebeud, welche deli schiefeu Schoittlinien der Durchschnittsfliichen entsprechen. Eiu cylindrischer Stab, gain ebenso behandelt, tante stets iiiit seiuem Grund- tone fort. LaLt man den parallelepipedischen Stab ruhig hhgen, wshrend er tbnt, und geht mit dem Ohr urn ihn herum, so hbrt iiian keine Tonveranderung; dreht man ihn dagegeii an einew gedrillten Fadcu, deli man mit den Zgb- nen halt, nachdcai inan sich die Ohren rerstopft hat, SO

hbrt man sofort den Tonncchsel uiid die Stbfse. Die Er- scheiriung ist also aucli hier VOII der Fortpflanzung des Schalles in der Luft ganz unnbhangig.

Ich versuchte die beschriebene Erscheinung mittelst eines W h ea t s t o II e 'schen Kaleidophons sichtbar zu machen, tind zwar mittelst eines sehr schiinen Exemplars von Kiiuig , das seclis St&e hat. Mit dem cylindrischeu Stabe geliiigt der Versuch aehr vollhominen, so wie ihu F o u c a u l t be- schriebeu hat '). Die in dein Knopfe gesehene Schwin- gungsfigur, sey es die gcrnde Linic, die Ellipse oder der Kreis, wird ganz stabil, zum Bcweise, daCs die Schwingungs- ebene wirklich constant blieh. Ich hoffte eine gleiche Sta- bilitat an deli Schwin~ung~figiiren der anderen Stabe zu sehen; hier traten aber so verwotrene Gestaltungen auf, dafs ich a11e andereu Figuren fallen lick, uad durch eiucn senkrecht auf die Stabflache gefiihrten StoTs immer nur die gerade Lillie entstehen liefs. Beiln Drehen des Stabes blieb diese Linie keincswegs stehen, viclinehr bildeten sich Figuren, welche zu meiiicr Ueberraschang bei allen Staben tnit deu verschiedeustcn Dickeirverhaltiiissen die gleicben, aber von der Drehungsgescliwindigkeit abhangig waren. Bei langsamer Drehung entstanden Bilder wie Figur 1, welche bei schnellerer Drehung in Fig. 2, 3 uiid endlich 4

Fig. 3.

1 ) Inrtitut No. 920, S. 260; Fortschr. der Piiysik, 1850 - 61, S. 120".

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iibergiugeu, wclcfie letzterc aus zwei concmtrischen Icuch- tenden Kreisen auf matter beleuchteter Flfiche besteht, In deu zwischcnliegenden Drehungsgeschwindigkeiten bilden sich Figureu, welche nicht in sich selbst zuriicklaufen, und daher mehr verwiscbt erscheinen. Alle diese Bilder ent- steben in folgender Weise. Bliebe die Schwingnngsebene eines Stabes constant, so wurden seine Scbwiiigungen iu der Richtung der grofsten Dicke eiiie kleinere, in der der kleinsten eiiie griifsere Elongation haben. Man miifste da- hrr einen feststehenden Lichtstreifcn sehen,, in dein sich die pis 5 Umkehrpunkte a, b, c und d, Fig. 5 als Ruhelageii der

Kugeln auszeichneten. Dem festgeklenimten kantigen Stabe ist aber diese freie Bewegung nur unvollkom- men maglich, daruin gebt die Figur heruin, langsamer als der Stab, aber schnell genug iim das Bild Fig.4 211

geben. J e langsamer die Drehung im Verh5ltnifs z b Schwingungszahl des Stabes wird, desto h'riufiger kreuzt die in ihrer Lage verrfickte Hauptschwingungsebene miihrend einer Umdrehung ihre urspriingliche Gleichgewichtslage, und es entarehen daher geschleifte Figuren, t i n t t ~ denen iiur die Fig. 3, 2, 1 und noch mebrschleifige sich besonders scharf hrrvorhebcn, meil sie in sich selbst zurucklaufen. Ihre Gestalt ist also vom Dickenverh~ltnifs gnnz unabh&ugig, sie werdeii urn so schwcrec. vielschleifig, je langsamer der Stab schwingt. Aus diesen wid den bekannten kaleidophoui- scheu Figuren sind d a m diejenigen zusammengesetzt, welche ein nicht senbrecbt zu einer Seitenflache schwingender Stab wtihrend dcr Rotation zeigt.

Erlaagen, iin Jtini 1866.