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Berthelot : Zuckerbildung. 371 LXIX. Ueber die Unibildung verschiedener in den Geweben der wirbellosen Thiere enthallener Korper in Zucker. Von Berthelot. (Compt. rend. 1858. t. XLVII. (No. 54 p. 227.) Das Studium der organischen Korper, welche in den verschiedenen Klassen des Thierreichs die gleichen phy- siologischen Functionen haben, verdient namentlich in der Art verfolgt zu werdm, dass man die Eigenschaften und die Zusarnmensetzung dieser StofTe mit der Rolle ver- gleicht, fur welche sie bestimmt sind. Bald scheint ein solcher Stoff wesentlich zu sein bei Vollendung einer be- stimmten physiologischen Function und findet sich dann iiberall mit denselben Fundamentaleigenschaften : solche sind die das Nervensystem bildenden Korper. Bald dage- gen wird dieselbe Function mit Hulfe von Organen ver- richtet, welche aus ganz verschiedenen organischen Grund- stoffen gebildet sind: es ist diess der Character der Sub- stanzen, welche im Verein mit den Mineralsalzen das Skelett der verschiedenen Thierklassen bilden. Der organische Theil des Skeletts der Wirbelthiere besteht wesentlich aus einer stickstoffhaltigen Substanz, welche unloslich in kaltem Wasser, aher loslich in Alkalien ist und wegen ihrer chemischen Eigenschaften dem Albu- min und den analogen Korpern sehr nahe steht. Es ist bekannt , dass durch verlangerte Einwirkung von sieden- dem Wasser aus diesen stickstoffhaltigen Korpern Leim gebildet wird. Der orgnnische Theil des Skeletts der Wirbellosen be- steht dagegen griisstentheils aus Korpern, welche ganzlich verschieden von den leimgebenden Substanzen sind. Die Natur dieser Korper ist eine verschiedene, die einen nahern 24 *

Ueber die Umbildung verschiedener in den Geweben der wirbellosen Thiere enthaltener Körper in Zucker

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Berthelot : Zuckerbildung. 371

LXIX. Ueber die Unibildung verschiedener in den Geweben der wirbellosen Thiere enthallener

Korper in Zucker. Von

Berthelot.

(Compt. rend. 1858. t . XLVII. (No. 54 p . 227.)

Das Studium der organischen Korper, welche in den verschiedenen Klassen des Thierreichs die gleichen phy- siologischen Functionen haben, verdient namentlich in der Art verfolgt zu werdm, dass man die Eigenschaften und die Zusarnmensetzung dieser StofTe mit der Rolle ver- gleicht, fur welche sie bestimmt sind. Bald scheint ein solcher Stoff wesentlich zu sein bei Vollendung einer be- stimmten physiologischen Function und findet sich dann iiberall mit denselben Fundamentaleigenschaften : solche sind die das Nervensystem bildenden Korper. Bald dage- gen wird dieselbe Function mit Hulfe von Organen ver- richtet, welche aus ganz verschiedenen organischen Grund- stoffen gebildet sind: es ist diess der Character der Sub- stanzen, welche im Verein mit den Mineralsalzen das Skelett der verschiedenen Thierklassen bilden.

Der organische Theil des Skeletts der Wirbelthiere besteht wesentlich aus einer stickstoffhaltigen Substanz, welche unloslich in kaltem Wasser, aher loslich in Alkalien ist und wegen ihrer chemischen Eigenschaften dem Albu- min und den analogen Korpern sehr nahe steht. Es ist bekannt , dass durch verlangerte Einwirkung von sieden- dem Wasser aus diesen stickstoffhaltigen Korpern Leim gebildet wird.

Der orgnnische Theil des Skeletts der Wirbellosen be- steht dagegen griisstentheils aus Korpern, welche ganzlich verschieden von den leimgebenden Substanzen sind. Die Natur dieser Korper ist eine verschiedene, die einen nahern

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sich den hornartigen Substanzen, andere zeigen eine vie1 grossere Unveranderlichkeit gegen Rengentien und sind den wesentlichen Stoffen der Pflanzengewebe auffallend ahnlich*). Solche sind z. B. das Chitin, ein Grundbestand- theil des Skeletts der Crustaceen, Arachnideii und der Insekten und der Grundstoff der Decke gewisser Tunica- ten. Diese zwei Korper besitzen im hllgemeinen folgende Eigenschaften : sie sind unloslich in kaltem und in kochen- dem Wasser, in Alkohol, Essigsiure etc., werden weder von concentrirtern und siedendem Kali noch von verdunii- ten Sauren angegriffen und zeigen keineswegs die charak- teristischen Reactionen der mit Albumin analogen Sub- stanzen. Der Stoff der Tunicaten kann stickstofffrei er- halten werden, in diesem Zustande hat er dieselbe Zu- sammensetzung wie Cellulose C12H100,0.

Das Chitin enthiilt dagegen & seines Gewichts Stick- stoff, welcher nicht durch Reagentien entfernt werden kann.

Die erwahnten Eigenschaften 6ind meist negativ und scheinen nicht auf zwei wirlrlich bestimmte Stoffe, son- dern auf zwei Gruppen von Korpern sich zu beziehen, die sich durch einen ungleichen Widerstand gegen die Einwirkung von Reagentien unterscheiden ; wahrend die einen fast absolut unangreifbar sind, werden andere ver- haltnissmassig leicht zersetzt. Wie dem auch sei , man wird darauf gefiihrt diese Stoffe an die anzuschliessen, welche das Pflanzengewehe bilden. Der aus den Tunica- ten erhaltene Korper ist isomer mit der Cellulose und das Chitin zeigt in seinen Eigenschaftcn und in seiner Zu- sammensetsung eine deutliche Analogie mit beiden Sub- stanzen.

Eine derartige auf die procentische Zusammensetzung gegrundete Vergleichung fuhrt aber zu keiner Pundamen- talahnlichkeit zwischen den chemischm Functionen und Reactionen der Pflanzenstoffe und der die Decke der Wir- bellosen bildenden Hauptstoffe ; ja die in dieser Ninsicht

*) Man vergleictie dieArbeiten Ton Schmid t , F r e m y , Schlos6- b e r g e r u. A.

Berthdot : Zuckcrbildung. 373

angestellten Versuche sind unfruchthar gewesen. IJm ei- nen bestimmteren Zusanimenhang nachzuweisen hsbe ich gesucht, ob diese letzten Stoffe die charaliteristische Urn- bildung der Pflanzencellulose erleiden; oh sie sich unter Aufnahme der Wasserelemente in gahrungsfahigen Zucker umwandeln.

Durch Herrn V a1 e n c i e n n e s erhielt ich Hullen von Ascidien (Cynthia papillata, Sai:.) Nachdem sie vom Thiere getrennt waren, liess ich sie wahrend einiger Stunden mit concentrirter Salzsaure kochen , dann mit 32 gradiger Kali- lauge ; nach dem Waschen mit destillirtem U'asser wurden sie getrocknet und analysirt. Die erhaltenen Zahlen stim- men genau rnit den schon fruher bekannten uberein und entsprechen folglich der Zusamniensetzung der Cellulose.

Da dieser Korper ganzlich verschieden von der Cellu- lose in seinen physikalischen und chemischen Eigenschaf- ten ist, so habe ich ihn zur Vermeidung Ton Irrthumern mit den Namen Tuiiiciu belegt.

Das gereinigte Tunicin wurde einer Reihe sehr ver- schiedener Versuche unterworfen urn cs in Zucker umzu- wandeln, zeigte aher gegen die Reagentien eine vie1 grossere Bestandigkeit, als die coharenteste Holzfaser. Es verandert sich z. B. nicht wesentlich durch wochenlanges Kochen rnit verdunnter Salzsaure oder Schwefelsaure. Bor- fluorid, welches die Cellulose des verschiedensten Ursprungs fast augenblicklich schwkrzt, wirkt in der ICalte nicht auf das trockne Tunicin. Die Bestandigkeit dieser Suhstnnz gegen Reagentien ist so gross, dass man fast in allen Fallen Reagentien anwenden muss, welche keinen Zucker hervorbringen konnen sondern ihn zerstoren wurden, wenn er praeexistirt.

Es ist mir jedoch diese Umbildung rnit Hulfe eines in der Praxis angewendeten Verfahrens gelungen, das darin besteht, sehr energische Verwandtschaften wahrend einer sehr kurzen Zeit wirken zu lassen. Man zerruhrt das trockne Tunicin in concentrirter kalter Schwefelsaure, WO-

bei sich die Masse nach und nach verflussigt ohne merk- lich gefarbt zu werden, giesst sic alsdann tropfenweise in ihr 1OOfaches Gewicht kochendes Wasser und lasst sie eine

374 Einwirkung der Schwcfelchloride auf Fusclol.

Stunde lang kochen. Sattigt man nun mit Kreide, ver- dampft vorsichtig die filtrirte Flussigkeit etc., so erhalt man eine syrupartige Fliissigkeit, die aus einem Gemenge yon Zucker mit einer unbestimmten Substanz besteht. Diese Fliissigkeit reducirt das weinsaure Kupferoxyd - Kali sehr energisch und s i r d durch kochendes Kali gebraunt, sie geht rnit Wasser angeruhrt und mit Hefe versetzt in GBhrung uber unter Bildung von reiner Kohlensaure und von Alkohol. Diese Eigenschaften zeigen, dass sich aus dem in den Ascidienhullen erithaltenen StofYe ein mit der Glykose analoger Zucker gebildet hat.

Dieselben Vcrsuche habe ich mit dem Chitin wieder- holt und verwandtc dazu aus dem Hummer, dem Stachel- krebs und den Canthariden dargestelltes Product. Aus der einen oder andern Quelle dargestellt und zu seiner Reinigung mit schmelzendern Kali behandelt, enthiilt es noch 5-7 p.C. Stickstoff. Die Gegenwart von Stickstoff im Chitin vermehrt das Interesse an seiner Uillbildung in Zucker. Ich konntc es trotz seiner Bestandigkeit gegen Reagentien, die noch grosser als die des Tunicins ist, doch durch das oben angegebene Verfahren in einen der Glykose analogen Zucker umwandeln, der die Z(upfer1osung stark reducirt und in Beruhrung rnit Hefe unter Bildung von Kohlensaure und Alkohol gahrt.

LXX. Einwirkung der Schwefelchloride auf

Fuselol. In Anschluss an die friihern Untersuchungen (s. dies.

Journ. LXXIV, 463) haben L. Ca r i u s und E. F r i e s (Ann. d. Chem. u. Pharm. CIX, 1) die Einwirkung der Chlorver- bindungen des Schwefels auf reinen Amylalkohol studirt.

Das Verhalten des brnunerh Chlorschwefels gegen Arnyl- alkohol ist dem auf Aethylalkohol ganz analog und be-