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265 Ueber die Vertheilung der ‘Atome in der Molekel; von W. Lossett. (Eingelaufen den 6. Juli 1880.) Bei Betrachtung der gegenwhrtig herrschenden Lehren *on der Constitution der chemischen Verbindunqen schienen mir manche derselben einer strengen Kritik gegeniiher weniger stichhaltiq zu sein, 81s man nach ihrer ziemlich tlllgemeinen Annahme erwarten sollte. Im nrchstehenden habe ich cu- nachst versucht, denjenigen Theil der Lehre von der Con- etitution , dessen Annahme mir unbederrklich erscheint , in Kiirze zusammenhiingend darzulegen ; darauf folgt die Aus- einandersetzung einiger Bedenken gegen andere Theile dieser Lehre. Wenn ich diese rein speculativen Betrachtungen ver- iiffentliche, so geschieht diefs, uui dem Gegenstand derselben die Aufmerksamkeit der Fachgerrossen zuzuwenden, damit die chemischen Theorieen, welche durch genieinsme Arbeit vieler aufgestellt worden sind, durch dasselbe Mittel vervollkommnet werden koonen. Nichts lag mir ferner, als eine Geschichte der geltenden Anschauungen zu entwickeln. Wenn ich die Worte eines Autors als Beweis dafiir anfiihre, dafs eine bestimmte Ansicht susgesprochen worden ist, so will ich damit nicht behaupten, dafs gerade dieser Autor diese Ansicht allein oder zuerst ausgesprochen hat. Ich kann auch nicht wissen, ob ein Autor eine vor einigen oder mehreren Jahren ausgesprochene An- sicht noch heute vertritt , glaubte aber immerhin Kritik an solchen Ansichten iiben zu diirfen, von welchen es nicht feststeht oder rnindestens hiichst wahrscheinlich ist , dafs sie heute verlassen sind. Annblen der Chemie 204. Rd. 18

Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

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Page 1: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

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Ueber die Vertheilung der ‘Atome in der Molekel;

von W. Lossett.

(Eingelaufen den 6. Juli 1880.)

Bei Betrachtung der gegenwhrtig herrschenden Lehren *on der Constitution der chemischen Verbindunqen schienen mir manche derselben einer strengen Kritik gegeniiher weniger stichhaltiq zu sein, 81s man nach ihrer ziemlich tlllgemeinen Annahme erwarten sollte. Im nrchstehenden habe ich cu- nachst versucht, denjenigen Theil der Lehre von der Con- etitution , dessen Annahme mir unbederrklich erscheint , in Kiirze zusammenhiingend darzulegen ; darauf folgt die Aus- einandersetzung einiger Bedenken gegen andere Theile dieser Lehre. Wenn ich diese rein speculativen Betrachtungen ver- iiffentliche, so geschieht diefs, uui dem Gegenstand derselben die Aufmerksamkeit der Fachgerrossen zuzuwenden, damit die chemischen Theorieen, welche durch genieinsme Arbeit vieler aufgestellt worden sind, durch dasselbe Mittel vervollkommnet werden koonen.

Nichts lag mir ferner, als eine Geschichte der geltenden Anschauungen zu entwickeln. Wenn ich die Worte eines Autors als Beweis dafiir anfiihre, dafs eine bestimmte Ansicht susgesprochen worden ist, so will ich damit nicht behaupten, dafs gerade dieser Autor diese Ansicht allein oder zuerst ausgesprochen hat. Ich kann auch nicht wissen, ob ein Autor eine vor einigen oder mehreren Jahren ausgesprochene An- sicht noch heute vertritt , glaubte aber immerhin Kritik an solchen Ansichten iiben zu diirfen, von welchen es nicht feststeht oder rnindestens hiichst wahrscheinlich ist , dafs sie heute verlassen sind.

Annblen der Chemie 204. Rd. 18

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2 66 L o s 3 6 n, aer dic VertAeiZung

Uei Erhebung meiner Bedenken gegen herrschende An- schauungen kniipfe ich an die theoretischen barlegungen einzelner an, weil gerade einzelne solche Darlegungen aus- fiihrlicher yegeben haben. Diene Anschauungen selbst siod aber in der Mehrzahl der Falle keineswegs nur diejenigen jener einzelnen, sondern vielmehr in weiten Kreisen , icb mochte sagen allgemein getheilt ; ebenso wie aiidere hebe auch ich sie gelernt, gebilligt und gelehrt, bis mir Bedenken gegen die Berechtigung derselben aufgestiegen sind.

- - _ ~ -

Als Atomgewichte der Elemente habe ich diejenigen an- genomrnen, welche jetzt von nahezrr allen Chemikern ange- nommen werden. Das Moleculargewicht betrachtc ich nur dann als festgestellt , wenn es aus der Dampfdichte abgeleitet werden kann.

I. Ueber die Vertheilnng der Atome in der lo lekel § i . Die in einer aus mehreren Atomen beslebenden

Molekel enllialtenen Atome ilben gagenseitig eine Anziehung auf einaiider RUS.

Diese Annahine ist nothwendig. In einein gegehenen Volum Wasserstoffgas sind nicht die einzelnen Atorne , son- dern die einzelnen Molekeln gleichmlfsig im R w m vertheilt. Die Ursache, welche die Wasserstoffatome veraiilafst, sich zu aus zwei Atomen bestehenden Molekeln zu vereinigen , kann nur in den Wasserstoffatomen selbst vorhanden sein.

§ 2. Die Lage der Atome *) im Raum der Molekel ist bedingt **) durch dic Aiiziehung, welche die Atome auf eiu- nnder arrsulmi.

*) Oder die Lage der von den Atomeu irinerhslh der Molekel be- schriebenon Rahnen.

**) Selbstvor8tYndlich wird hier wie im folgendon die Molakel immer unter don n#mlichen Bufsoren Dcdingungen stohond geda'cht.

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5 3. 0. E. Meyer hat nus den beobachieren ‘rrans- epirationsoefficienten mehrerer Gase Schliisse auf die Gestalt der Molekel dieser Gust: gezogen, welche natiirtich VOII der riiumlichen Lage der dieselben zusammensetzenden Atome abhiingig ist. Er kommt zu der Annahme, dafs die Atome in den Molekein Hs, CI,, 08, Ns, HCI, NO, H 8 0 , HgS und SOP eine geradlinige Ordnung inne halten; defs die Atoitie in den Molrkelrt CO, , N 2 0 , CsNp nnd NHS zwar nicht in einer pe- raden Linie, nohl aber in einer Ebene liegen. Die Molekei CH, kann men sich als nahezu kugelfiirmig, die Molekeln CH&l, CPHI, C2H5Cl, CsHBO als abgeplattete Sphlroide vor- stellen *). - Nach dieser Anschauung hhgt die Rm-m dw Jfole.kel der Hauptsactie naeh von der Anzahl der dtorne in der blolekel ab. Die geradlinig gestaIteten Molekeln ent- halten 2 oder 3 , diejenigen, deren Atorne in einer Bbene liegen, 3 bis 4 , die k6rperEch gestalteten Molekeln 5 oder mehr Atorne.

Andere Hypothesen uber die absolute Lage der Atorne in der Molekel sind hier und da beiliiufig aufgestelil worden, ohne dafs ihnen eine erhebliche 5edeutung beigelegt oder ein nennenswerther Einflufs auf allgemeiner angewandte An- scheuungen eingcriiumt worden ware. Es fehlt zur Zeit noch an der Kenntnifs solcher Thatsachen, BUS w e l c h ein Schlufs anf die absolute Lage der Atorne in der Molekel gezogen werden kann.

3 4. Wohl aber sind Thetsachen bekannt, welche nicht nur gestatten, sondern dazu n6thigen, sich eine Vorstellung iiber die relative Lage der Atome in der Molekel zu tnachen. Es giebt mehmere Iiarper, d. h. Kdrper, welcbe versciiieden von einnnder sind, obwohl ihre Molekeln dit: nlmliche Zusani- mensetzuirg besitzen. Wkrcn mit einer bestitrimten Molecular-

*) Pic kinetijche Tbcorie dor G339, 8. 214 ff 18 *

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268 Lo 8 8 en, sber die Vcrthet’lung

cusammensetzung stels die niimlichen Eigenschanen verbu nden, so miifsle man annehmen, dafs die rgumliche Vertheilung der A t o m innerhalb der Molekel ohne Einllufs auf die Eigen- schafien derselben oei, oder wehl logischer, d a b die niim- !ichen Atome nur auf ea’ne Art sich zu einer Molekel ver- einigen khnen; denn es ist doch wohl nicht denkber, dafs die Lage der Atorne, d. h. riiumlich getrennter, meis& ver- schieden schwerer Massen innerhalb der Molekel ohne Ein- flufs aof die Gestalt, den Schwerpunkt, die Bewegung u. s. w. der Molekel sein sollte.

Die Exisienz metamerer Verbindungen ist nur zu er- kliiren durch die Annahme, dafs die nlmlichen Alome inner- halb der Molekel verschieden vertheilt sein kcinnen, und dars von der Vertheilung derselben ihre Einwirkung auf einander abhiingt.

§ 5. Eine verschiedenartige Vertheilung der aimlichen Atome innerhalb der Molekel kann in zweifacher Weise ge- dacht werden :

i) In nictsrneren Molekeln ist die relative Lage der Atome zu einander die namliche, der Abetand der Atome van einander aber vsrschieden. Meta- inert: Molekeln hltten dann die nam&he Oestalt, aber verechiedene Gr6he.

2 ) Die relatike Lage der Atome in metameren Mole- keln ist verschieden.

8 6. Wolhe man die erste Vorstellung von der Ursache der Metamerie als zuliissig betrachten , SO erschienen Meta- merieen in beliebiger Anzabl m6glich bei allen Molekeln, welche inehr als ein Atom enthalten. Wenn schon man diese Vorstellung nicht als eine widersinnige bezeichnen kann , so giebt dieselbe doch nicht geniigende Rechenschaft von den beobachteten Thatsachen; z. B. von der Thatsache, dafs bei sehr vielen mehratornigeri Molekeln Metamerieen nie beob-

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der Atorne in der Molekel. 269

achtet , nach allen vorliegenden Beobachtungen auch hbchst unwahrscheinlich ’sind ; Jars einer Molecularzusammensetzung, fur welche Dberhaupt Metamerieen beobachtet sind, doch eine beschrankte Anzahl derselben entspricht , welche nach den zahlreichsten Beobachtungen niemals uberschritten wird.

Die aufgestelite Hypothese kann einer Priifung durch das Experiment unterzogen werden, denn Schliisse auf die Gestalt und rlumliche Ausdehnung der Molekeln kann man aus ihren physikalischen Eigenscbaften ziehen , wie 0. E. M e ye r das gethan hat. Man kann aber schcn jetzt mit ziemlicher Wabr- scheinlichkeit sagen, dafs eine experimentelle Priifung die Nichthaltbarkeit derselben darthun wird. Beobschtungen iiber die Molecularvolumina metamerer KBrper irii Gasaustand liegen bis jetzt nicht vor; aus Kopp’s Untersuchungen ergiebt sich aber, d a b metamere Verbindungen im JEiisszgen Zustand ewar nicht immer, wohl aber in lufserst zahlreichen Fillen gZ&b Molecularvolumina besitten. L o s c h m i d t 9) und besonders L o t h a r M ey e r **) haben bereits darauf aufmerksam ge- macht, dafs die Werthe der fur den Gaszustand ermittelten Molecularvolumina mit den von K o p p fiir den fliissigen Zu- stand ermittelten soviel zu erwarten ist iibcreiastimmcn. Es ist darum zu eraarten, dafs Untersucliungen gasfbrmiger Kbrper ebenfalls far zahlreiche metamere Molekeh weseritlich gleiche Volumina nachweisen werden.

Icli hltte es kaurri fiir n6thig gehalten, diesen Erklaruogs- versuch der Metamerie zu besprechen, wenn nicht von ein- zelnen Chemikern die Moglichkeit angenommen wiirde, dafs auch bei Molekeln, welche aus nur zwei Atomen bestehen, Metainerieen vorkominen. Auch in diesem Fall konnte dtir Grund der Metamerie nur eine verschiedene Lage der Atorne ---

*j Wiener Siteungaber. 1865, Bd. &B A’lth. 2, S. 395.

**) Diem hnalen Boppl. 6, 129.

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270 L o 5 o m , i i b die VertAeiZung

in der Molekel sem; die Lag8 der Atome k6nnte d a m aber nicht ausschiefalich ron der Substanz und Masse der Atome ahhangen, miifste vielniehr noch durch irgend etwas arideres, etwa durch die Gestalt der A b m e hedingt win.

§ 7. Die bis jetzt beohchteten Metamerieen finden eine ungezwungene Erklaruog durch die Annrhme, dafs die relative Lage der Atome innerhalb metamerer Molekeln eine verschie- dene ist. Von der relativen Luge eines bestimmten Atom$ hiingt die Einzcidiuny desselben auf die tibrigen in derselben Nolekel enlhaltenen Atom ab , von der Einw.irktrng allw einselnen Atome auf einander die Eiyenschaften und das chemische Verhnlten. Deshalb kinnen ynfraglich Bus den Eigcnwhaften und d m Vwhalten eiiies Kitrpers Schlusse auf die geganseitige Einwivkung der in seiner Molekel! ent- haltenen A t m e und Schliisse auf die relative Luge dar Atoms an einander gezogen werden:

§ 8. Die Chemiker sind zu folgenden Annahmen uber die geyenseilige Einwirkung der Atome innerhalb der Molekel gekomaien :

I] Die V e r b h d m g dw Atome innerhat6 dw MoEeksl mi6 einnnder iet entweder e k e direct8 oder sine indiracte.

In Molekeln , welche nur zwei Atome mthalten, W S z t

selhstverslandlich jedes direct auf das andere. Enthalt eine hl~lekel drei A t o m , a, b, c , so geniigt es cum Zusemmen- ?ialt der Molekel, dafs a gleichzeitig b urid c anzieht, ohne dab b oothwendiger Weise von c angezogen werden mufs. a ist dann direct r i b b und mit c , b und c sirld aber n u t indirect, nur durd a mi! einander rerbunden. Jedes der drei Atome kann aber such direct von den beiden andern angezogen werden. A.nalog verhalten sich Molekeln , die mtihr als drei h o m e snthalten.

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der Atome in der MolekeE. 271

2) Auch in den atmreichsten Molekeln eteht dan ehzezne Atom nur rnd drier s d r beachriznkn AnzaAl anderer Atome in direoter Verbindung.

Ich will die in direcler Verbiudung mit einem Atom stehenden Atome afs in der Bindungezone *> dcsselben be- findlich bezeichnen. Die grbfste Zahl von Atomen, welche sich in der Bindungszone eines Atoms befinden kann, ist fur die A t o m verschiedener Elemente verschieden , steigt eber nech unseren jetaigen Erfahrungen nicht iiber sechs.

3 ) Nach den his jetzt gmachten Erfahmngm sand identisch alle gleich zusammengaetsten Holekeln, in welchen die namlichen Atome in der narnlichen Weise mit einander verbunden sind.

Sol1 diefs der Fall sein, so miissen zwei Uedingungen erfijllt sein :

I . Jedem rnehrwerthigen Atom der Molekel a mufs ein gleiches Atom der Molekel b entsprechen, mit welchem die

*) L o t h a r M e y e r mi5ge gestatten, dafs ich das Wort Bindwnga- m e anstatt des von ihm im ngmlichen Sinn gebrauchten Wortes W'bkwng8aphtire (Mod. Theor. d . Chem. 8. Ad. , 9 79 , 8. 159) vorschlage. Dam veranlafat mich nur nebenbsi eine gewisse Unbequemlichkoit , welche man beim Aussprachen des Wortes Wirkungssphtire ompfindet, vonugsweise ahor dor Umtand, dafs die Wirkimy eines Atoms 8ioh auch auf solche Atome erstreckf die mit demselben nicht direct verbunkn sind. Von vielen did8 beweisendan Beispielen erwghne ich nur die zahlreichen Amid- verbindungen , welche die Atomgruppirung i C-NH, enthalten. A21e diem Verbindungen enthalten 1 At. Stickstoff in diracter Verbindung mit 1 At. Kohlenstoff und 2 At. WaSSGI'StOff, 2 At. Wssseretotf in directer Verbindung mit 1 At Stickstoff. Allein des Verhalton des Btickstoffetoms und der Wamrstoffatome' hllngt h i den vemchiedenen Verbindungen werrenttich ab von deu- jenl'gen Atomen, welche mit dem an das Stickstoffatom direct gebundensn Kohlenstoffatom direct uder auch nur indirect ver- bunden Find. Dieee ewtrechen also ihre Wirkumg lruch auf d e ~ Stickstoffatom und die Wasserstoffatome, mit welchen sie nicht diroct verbuuden sind.

~-

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272 L o ss c n, ilber die Vertheilung

aiimlichen Alome in der niimliohen Anzahl direct verbunden sind, welche mit dem entsprechenden Atom der Molekel a direct verbunden sind.

2. Die Reihenfolge, in welcher die mit den gleichen Atomen direct verbundenen mehrwerthigen Atome unter ein- ander verbunden sind, mufs in identischen Moiekeln die nlm- liche seiii +).

1 s t ilr gl&hzusammengesetzten Molekeln eine dieser bei- dtn Bedingungen nicht erfullt, so sind dieeelben metamer **I.

Der Gang des Beweises fur die aufgestellten SIlze kann hier nicht vollstindig ausgefiihrt, sondern niir sngedeutet werden.

S 9.

Er ist wesentlich folgender :

*) DaL die allcinige Erf'iillung der ersten Bedingung nicht genugt, zeigen Fdlle wie CH,-CH,-CHJ-CO,H und CH8-CHJ-CIJ,-COsH.

**) In Widerspmch mit diesem Satz stehen die Beobachtungen, welche ich an Hydroxplaminderivaten gemacht babe (dime Ann. 186, 1 ff.j. Bei diesen kommt Metamerie auch bei solchen Molekeln vor, fiir welche nach obigem Satz Identitlt voraus- znsetzen wlre. b u s versahiedenen Qriinden hnlte ich letzteren trotzdem wenigstene vorlPnfig aufrecht ; einmal sind die in Bede stehenden Verbindungen nicht ohne Z b e t z u n g fliichtig , ihr Moleculargewioht 18fe.t sich also nicht rnit aller Sicherheit fest- stellen. Sodann Illfat sich fiir dieselben doch allenfalls ver- schiedenartige Atombindung annehmen, weun auch nach umeren iibrigen Erfahrnngen nur in gezwungener Weise. Diefs geniigt, um der vereinzelten Beobaahtung einstweilen nur die Bedeutung beizulegen, dafs dieselbe auf ein aehr wichtigen , in der Ilaupt- sache sber erst noch zu bearbeitendes Versuchsgehiet aufmerk- Sam macht.

Andere dem aufgeste!lten Satz widersprechende Thatsachen sind mir nicht bekannt. SelbstverstBndlicb IPfst sich derselbe nicht a priori aufstellen, nnr Vereuche konnen iiber die Allge- meingtiltigbit desselben entscheiden. Die durch nichts bewie- Rene Hypothese, darn auch bei Molekdn mit vollig gleicher Atom- bindung Metamerieen vorkommen konnen , wird mehrfach ge- macht. Ich komme auf einzelne Falle weiter unten zu sprechen.

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der Atom in der iYolekel. 273

i) Die Molekeln , welche nur die Eleniente Wasserstof, Fluor, Chlor, Brom, Jod und Thallium enthalten, sind folgende :

H,, Cis, Bre, J,, HF, HCI, HBr, HJ, JCI, TICI. Alle Molekeln, welche nur diese Elemelite enthalten, be-

stehen aus ewei Atoinen *). Keines dieser Atome ist dem- nach fahig , gZ&hza'tig zraei Atome der ninilichen Kategorie zu binden, keines kann die indirecte Verbindung zwischen zwei solchen Atomen vermitteln. - Man nennt diese Atom einwerthige Atme **).

2) Die Molckel des gewdhnlicheri Sauerstoffs ist Os, die des Ozons 09. Die Sauerstoffatome haben die Flhigkeit, sich zu aus drei Atomen bestehenden Molekeln zu vereinigen, eine Fahigkeit, welche den einwerthigen Atomen abgeht.

Die Verbindung von drei Atomen Sauerstoff kann in zweierlei Art gedacht werden. Entweder wirkt jedes Seuer- stoffatom anziehend auf die beiden andern, oder eines der drei Sauerstoffatom:: zieht die beiden andern an, ohne dafs diese gegenseitig einander anziehen. Die erste Vorstellung kann

durch das Schema A, die zweite durch das Schema 0-0-0

versinnbildlicht werden ; ein Strich, welcher zwei Atomzeichen mit einander verbindet , sol1 die gegenseitige Andehung der beiden Atome darstellen. - Eine dieser beiden Vorstellungen ist nothwendig, urn die Vereinigung der drei Atome zu einer Molekel zu erkliren. Beide Vorstellungen fiihren aber zu

0 0-0

*) Vielleicht werden die neueren von V. M o y e r (Beriohte der dentschen chemischen Gesellschaft 18, lOlO), sowio yon Fr. Me i e r und J. M. C r a f t s (daselbst 1 8 , 851) aosgefUhrten Dampfdichtebestimmungen zu der h s h m e fUhren., dab die MolekeI der Halogene in hohen Temperaturen 611s c h Atom besteht.

**) Die Synonyme des Wortes Werth - Valem, Qnantivalenk, Atomigkeit u. 8. w. - sind bekannt.

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274 Lo 8 s en , ilber die VeTtheiZung

dem Sdtofs, dafs ein Atom Sauerstoff gleichzeitig anziehend aul zwei in der niimlichen Molekel enthaltene Sauerstoffatome wirken kann. Ein Atom, welches diese Fabigkeit besitzt, nennt man aoeizoetthg.

3) Eben. so direct wie BUS der Zosanimensetzung des Ozons die Zweiwerthigkeit des SnuerstofTatome folgt , ergiebt sich nus der Existenz der Molekeln P,, As,, S,, dafs das Phoe- phor-, Arsen- und Schwefelatom rnindeetena zwveiwerthig sind ; die Molekel C,,N, beaeist das niimliche entweder fur das Kohlensto5atom, oder fur das Stickstoffatom.

4) Der Zusammenbalt der Atonie in den Molekeln N,O und NOp kann erklart werden aus der ohnehin bereits bewiesenen Zweiwerthigkeit des Sauerstoffetorns ; es kann auch angenom- men werden, dafs das Stickstoffatorn i n diesen Molekeln zwei- werthig ist, oder dafs das Stickstoffatom und das Sauerstoff- atom es sind.

Welche Annahme man aber auch mschen will, unter rllen Umstinden beweised diese Molekeln , d a b ein zwei- werthiges Atom nicht nur zwei Atome des namlichen Ele- ments, sondern auch zwei Atome verschiederier Element0 direct zu binden vermag.

5 ) In der Molekel OCls ist ein Atom Sauerstoff mit zwei Atomen Chlor verbunden. Man nimmt an, d a b das Sauer- stoffatom direct mil beiden Chloratomen verbunden ist, dafs dagegen die beiden Chloratome nicht direct mit einander, son- dern nur durch Vermittlung des Sauerstoffs rnit einander ver- bunden sind. Man betrachtet also auch in dieser Molekel das dauerstoffatom als zweiwetthig, dus Chloratom als einwerthig.

Unbedingt nothwendig ist diese Annahme nicht , denn daraus, dafs ein Atom Chlor sich niemals mit mehr als einem Atom Chlor oder mit rnehr als einem Atom eines andern ein- werthigen Elements verbindet, folgt noch nicht, d a t ein Atom Chlor aucb nicht gleichzeitig ein Atom Sauerstoff und ein

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Atom Chlor rnaiehen kann. Ebenso forgt aus der nothwen- digen Annahme , d a b ein Atom Sauerstoff direcl mi: zwei andern Siwerstoffatomen vcrbunden sein kann, nicht mit Noth- wendigkeit, dafs ein Atom Sauerstoff direct mit awei Atomen Chlor verbunden sein kann. Gteichwohl bleibt die Annehrnq dafs in der Molekel CloO die beiden Chloretome indirect durch d8.s Sauerstoffatom mit einnnder verbunden sind, die cinfachets, insofern R I S sie pur die eine neue Hypothese einfilhrt, daf" das Sauerstoffatom die Fdihigkeit, gleichzeitig mit zwei sndern Atomen direct verbunden zu sein, welche ihrn nach 2) urrd 4) Sauerstoff- und Stickstoffatomen gegeniiber nachweisbar zukommt, auch Chloratomen gcgeniiber hat.

Suuerstoff und Chlor verbinden sich mit einander auch w der Molekel O&ts. Die Annahme, dafs das Sauerstoffatom sowohl Sauerstoff- als Cliloratomen gegeniiber zweiwerthig ist, geniigt auch zur Erklarung des Zusarnmenlialts der Amme in dieser Molekel, wie das Schema CI-0-0-0-C1 andeutet. Dagegen wiirde man die Existenz der lliolekel nicht erkliren konnen mil der allsinigen Annahme, dal's das Chloratom zwei- werthig ist ; entweder miifste inan annehrrietr, d d s die Maiekel neben zweiwerthigen Chlorrtonren wenigstens cin zweiwerthiges Saukrstofl'atorn enthielte , oder dak das Ch)oratom dreiwer- thig ist.

6) Dle Mehrwerthigkeit des Kohlemtofatorno Iitlst sich nicht so direct wie die des Sauerstoffatoms, deswegen aber doch kauin minder scharf beweisen. Die zahlreichen Molekeln, welche aufsscr einem Kohlenstoffatom nur einwerthige Elemente enthelten , enthalten ausnahmslos w i e r Atome der letzleren. Sokhe Molekelii sind : CHI, CHSCI, CHzClg, CHCls , CClc, CH&, Cli2Br,, CHBra, CBr,, CHsJ, CH4Js, CHJ,, CJ, *), Map, CHJClp, CHJBrt. c_-

*) Es ist ziemlich glcicbgiiltig, ob die Dnmpfdichte siner oder dor sndern sngefiihrtea Yerbindyngen nicht bestimmt oder n k h t be- stimmbar ist.

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Man nimmt an, dqfs die in diesen Molekeln enthaltenea eitiwerthigen Atorie nicht direct mit einander verbunden sind, dafs vielmehr das Kohlenstoffatom als vierzoerlhigee Atom direct auf jedes der einwerthigen Atome wirkt und diese also indirect mi1 einander verbindet.

Es ist diefs zmichst deshalb die ainfachste Hypothese, weil das Kohlenstoffatom die Vereinigung der betreffenden Atome zu einer Molekel jedenfallp in irgend ciner Weise be- dingt. Aus der Zusammensetwng der angefiihrten Verbin- dungen ersieht man, d a h die rnit einem Atom Kohlenstoff verbundenen einwerthigen Atome in der mannigfachsten Weise wechseln kbnnen, ohne dafs deshalb dss Zahlenverhaltnifs von einem Atom Kohlenstoff auf vier einwerthige Atorne wechselt. Man kann wenn nicbt alle, so doch jedenfalls die Mehrzahl der angefiihrten Verbindungen in einander iiberfchren , kann z. B. die vier Wasserstoffatome der Molekel CHI theilweise oder ganz durch Chloratome, die vier Chloratome der Xolekel CC14 theilweise oder ganz durch WasserstoffRtome ersetzen ; stets resiiltiren Molekeln, welche vier einwerthige Atome auf ein Atom Kohlenotoff enthalten.

Dagegen bleiben bei Reactionen, bei welchen das Kohlen- stoffatom selbst durch andere Atome ersetzt wird, in der Regel die vier einwerthigen Atome nicht rnit einander eu einer Molekel verbundon. Wird z. B. ein Gemisch von i Yol. Sumpfgas mit 2 Vol. Chlor entziindet, so erfolgt Zersetzung nach der Gleichung

Die vor der Zersetzung mi& &ern Kohlsnstofatom verbun- denen vier Wasserstoffatome sind nach der Zersetzung rnit vie7 Chlmatomen verbunden; wahrend sie aber rnit &em Kohlenstofatorn zu einer Molekcl verbunden waren, sind sie mit vier Chlmatomen zu vier Molekeln verbunden. Ein C7ilorutom bindet immer nur ah Wasscrstoffatom.

CHI -+ 2 CIS C + 4HCI.

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der Atome in d0r Molekel. 217

Verbreniit Sumpfgas nach der Gleichung CHc + 2 0 s COs + 2 HsO,

so sind die vier Wasserstoffatome, welche vor der Reaction mit &em Kohlenstofatom zu einer Molekel vereinigt waren, nach derselben mit zwai Sauerstofatomen zu mei Molekeln vereinigt; jedes Sauerstoffstom bindet direct zwei Wasszrstoff- atome, aber nicht mehr.

Es giebt einige andere Elemente, von welchen ah Atom sich mit vier einwerthigen Atomen zu einer Molekel ver- einigt, z. B. Silicium, Titan, Zirkonium, Vanadin, Zinn. Ver- gleicht man die Verbindungen SiH4 und Sic4 mit den Verbin- dungen CHI und CCI,, so kann man srgen, in den ersteren sei das Kohlenstoffatom der letzteren durch ein Atom Silicium ersetzt. Diese, aber aach nur dime Atome, welche man gleich den1 Kohlenstoffatom als vierwerthig betrachtet, kiinnen das Kohlenstoffatom vertreten.

Mit wenigen Worten : Wenn in einer aus f h f Atomen bestehenden Molekel vier einwerthige Atome enthnlten sind, so ist das fiinfte Atom immer Kohlenstoff odcr Silicium, Titan, Zirkonium, Vanadin, Zinn. Ein Atom der letzteren Elemente ist nothwendig zum Zustandekommen einer in gedachter Weise zusammengesetzten Molekel. Die einfachste Annahme ist daher die, dafs dieses Atom die dlrecte Ursache des Zu- sammenhangs aller Atome ist, dafs dasselhe in directer Ver- bindung mit den iibrigen vier Atomen steht.

Ein weiterer Beweis fiir die Vierwerthigkeit des Kohlen- stoffatoms ergiebt sich aus dem Urnstand, dafs bei allen den aufgeziihlten kohlenstoff haltigen Molekeln Metamerieen niemals beobachtet sind. Darauf komme ich noch zuruck.

7) Dafs mit n Kohlenstoffatomen sich niemals mehr als 2 n + 2 einwerthige Atome zu einer Molekel vereinigen, ist oine durch die zahlreichsten Beobaehtungen festgestellte That- sache. Die Reihe der Kohlenwasserstoffe

CHr, C,H,, CSHs * . . . . . . C,HB, + a

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218 L O B B C R , iibw die Verthdung

umfahl diejenigen Verbindungen, welche auf eine gegebene Anzahl von Kohlenstoffatornen die grofsk Anzahl von Wasser- stoffatomen enthalten. Man hat diese Kohlt!nwassersto!Te Grenzkohlenwasserstoffe genannt. Zahlreiche Substitutions- producte derselben, in welchen der Waserstoff theilweise ader ganz durch andere ein werthige Elsmente vertreten ist, existiren; in keiner von alien diesen Verbindungen sirid niit n Kohlen- stoffatomen niehr als 2 n + 2 einwerthige Atoma verbunden.

Der Zusarnmenhang der Atome in alien diesen Molekeln W s t sich erkliiren durch die Hypothese, daf; in allen Grenz- kohlenwasserstoffen und dertm Halogensubstitutioosproducten jedes einzelne Kohlenstoffatom mit vier andern Atomen direct verbunden ist, also mit eben so vie1 Atomen, HIS ein Kohlen- stoffatom in dem Kohlenwaseerstoff CH4 und Jessen Substi- tulionsprodueten bind& Man hat die Schemata

tl’l!I‘H 8) Erscheint diese Hypothese zunacbst nur zdissig , SO

erfahrt sie nach unseren Erfahrungen eine sehr gewichtige Bestiitigung durcli die Anzahl der beobachteten Sletameriefalle. Macht man dieselbe namlich, so Gt die Maximnlzahl der be- obachteten Metamerieen gleich der Anzahl der mbglichen Falle verschiedenartiger Verbindung Jcr Atome untw sin- ander.

Bei lo lekeln , welche aus einern Atom KohienstoK und ’inwerthipen AtGrnen bestehen, sind IMeLanierieen nicht be-

ob,rchtel.

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Van den Molekeln von der Zusarnmensetzung Cs&, GH5CI, CpH'CI,, CpH3CIs, CpH,CI,, CoHC16 und C&lB kommea nur die drei mittleren in zwei metamemn Formen vor. Die- selben lassen sich interpretiren durch Annahme einer ver- schiedenartigen Verbindung der Wasserstof- und Chloratome mit den Kohleristoffatomen, darstellhar durch die Schemtita :

C&Cl CHCIp CHJl CCIS bHs ' LHCI, und AH3'

kH&I

I und CH&l

CHCI, ccI8 und

bHClp Bei den vier iibrigen Verhindnngen ist eine solche verschie- densrtige Vertheilung der Wasserstoff- und Chloratoine auf die Kohlenstoffatome nicht m6glich; d m entsprechend sind meta- mere Molekeln von deren Zusammensetzung nicht beobachtet.

Man kennt nur einen Kohlenwasserstoff CBH8, aber zwel metamere Chloride C8H7CI :

H3C-CH2-CH, ; CIH,CCHp-CHS und H8CCHCl-CH3. Man kennt zwei Kohlenwabserstoffe C4Hlo , vier Chloride CdHgCl:

CHs

'CHS H8C-CHB-CH~-CH8 und H&H3 ;

CIH,CC&-CH&H8, HBC-CHCI-CH&H3, CH8 CHpCl

C l d C H 8 und H d c H 8 U. S. W. 'CH, 'CH,

9) Die Zusammensetzung der atomreichsten Molekeln, welche aufser Kohlenstoff Sauerstoff, Stickstoff und andere Elemente enthalten, liifst sich ebenfalls erklaren mit der fiypo- these, dsfs jedes einzelne Atom nur so viele Atome direct bindet, als einwerthige Atome sich mit dernselben zu einer Molekel vereinigen. Das Maximum der Metameriefille ent- spricht auch bei diesen Verbindungen der Zahl der maglichen Fille verschicdenartiger Verbindung der Atome mit einander.

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280 L o s 8 en, uh die Vertheiltcng

Man kennt z. B. drei metamere Verbindungen CRH80 :

vier metamere Verbindungen NC,H, :

N - C H ~ , NFCH~ , N ~ H und d H CH/CHS

\CHs ,CHS CHa-CHB CHa-CHy CHs

'CHs 'H 'H \ H 10) Nach allen unseren Erfahrungen iiber vorkommende

Yetamerieen haben wir niemals Veranlwsung, zur Erkliirung derselben die Hypothese zu machen, dafs ein Atom Wasser- stoff oder ein Atom eines Halogens gleichzeitig mit zwei oder mehreren andern Atomen direct verbunden ist. Konnte diefs der Fall sein, so waren auch fiir die Molekeln H20 und CHpCll Metamerieffillc denkbar, denen folgende oder ahnfiche Schemata entsprechen kiinnten :

H-CI H-H-0 und H-0-H; C:H-cI und C$!:' U. S. W.

Das Nichtvorkommen solcher und ahnlicher Metamerieen ist ein weiterer Grund f i r die Annahme, dars in den Molekeln OHs und CHpCls nur das Sauerstoffatom und Kohlenstoffatom direct mit mehreren Atomen verbunden sind.

§ 10. Es kann keinem Zweifel unterliegen , dafs die verschiedenartige Bindung der Atome innerhalb der Molekel bedingt ist durch die verschiedenartige Lage derselben im Raum. Deshalb kann auch aus der A r t der Bindung auf die Lage in1 Rlrum geschlossen werden, freilich zunachst nicht auf die ab- solute Lage, auf die Gestalt der Molekel oder einzelner Theile derselben. Die Annahnre aber, dafs diejenigen Atome, welche rnit einem gegebenen Atom direct varbunden s ind, irn allge- meinen demselben auch rlumlich n l h e r stehen als andere Atome iii der nzimlichen Molekel, kann meines Erachtens ohne alle Bedenken gemacht werden. Denn die entgegengesetzte Annahme, d a b die rufserhalb der Bindungszone eines Atoms

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der Atome in der Molekel. 281

befindlichen Atome demselben riiurnlich naher gelegen seien als die innerhalb seiner Bindurigszone be6ndlichen , erscheint nach allem, was wir Gber die grgenseitige Einwirkung von Yassen wissen, weniper wahrscheinlich.

Gesetzt aber auch die Frage nach der relativen Entfernung der Atome von eiriander bleibe ganz uner ik te r t , so ist docb die Annahnie unabweisbar , dafs in identischen Molekeln die Atome in gleicher Weise im Raum vertheilt sind. Daraus folgt aber ungezwungen, urn nicht zu sagen nothwendig, dafs die r iumliche Lage der Atone in von einander versctliedenen Molekeln um so mehr iibereinstimmen wird, je mehr die Mo- lekeln selbst in ihrer Zusanimensetzung und in ihrem ver- halten iibereinstimmen. Aus analogem Verhalten darf auf anafoge Vertheilung der Atome in der Molekel geschlossen werden.

Die Ansicht, die Lage der Atorne im R a w k6nne nicht

durch das Studium der chemischen Metamorphosen , sondern n u r durch ein vergleichendes Studium der physikalischen Eigenschaften der bestehenden Verbindungen ermittelt wer- den *>, scheint mir nur theilweise richtig zu sein. Ueber die absolute Lage der Atonae wird allerdings zuriiichst das Stu- dium der physikalischen EigenschaRen Aufschlufs geben. Die mit der gegenseitigen Bindung der Atolne in unmittelbarstem Zusammerihang stehende relative Lage der Atome kann auch aus den chemischen Metamorphosen erkannt werden, da letz- te re von derselben abhiingen. Hat inan ftir einzelne Verbin- dungen die ahsolute Lage der Atome im Raum erniittelt, so wird man for Verhinduiigen von analogem chemischen Ver- haltcn auf analoge Lagerung schliefsen diirfen. Neben dem Studium der physikalischen Eigenschaften dient also jedenfalls

*) Kekuld, Lehrbuch der organischen Chemie I, g a61, S. 158. - Man vergleiche auch B u t l e r o w , Zeitsch. f. Chemie 1863, 504.

Annaleo der Chemir 204. Bd. 19

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Y-82 L or s L 11 , a c t . die Vei-thsilrcng

aucn dos Studium der chemischen Metamorphosen zut Er- kenotnifs d e r Lsgerung der Atome im Raume*).

Die Aneahl der Atome, welche niit einem Atom eines Elements direct verbunden sein k a n n , ist fur tin- werthige Atonie constant, ftir mebrwerthige Atome dagepen wechselnd. Sie steigt fur letztere bis zu eiiier Meximelzahl, nsch unseren jetzigen Erfahrungen hhchstens bis sechs, bleibt aber oft unter dieser. Bei solchen Elementen, von welchen man xaltlreiche und mannigfaltige Verbindungen kennt, kom- men e l k Zahlenverhaltnisse von eins bis zu der Maximalzahl vor **).

Ein Atom Sauerstoff ist direct verbunden mit ein oder zwei Atomen ; mit zwei Atomen beispielsweise in den Molekeln H20, NJO, CHIOH, H8CO-CHa u. s. w.; mil einem Atom in den Molekeln Os, NO, CO, COCIp, CHsCOH U.S.W. In der Bindungszone eines Stickstoffatoms befinden sich drei Atome in den Molekeln NHs, N(CHs)I, CHSCONHp O. S. w.; zwei Atome in den Molekeln CN-CHI, C6H,N0, C&H&NC&j u. s. w.; ein Atom in den Molekeln Ns, NO, N-C-CHa u. s. w.; In der Bindungszone eines Kohlenstoffatoms befiriden sich vier Atome in den Molekeln CH,, CCI, u. s. w.; drei Atome in den Molekeln COCls, HCO.OH, HpCCHp u. s. w.; zwei Atome in den Molekeln COS, CO,, HCCH, N-C-CHI; ein Atom in den Molekeln CO, C-N-CHS U. S. w.***).

8 11.

Manche metamere Verbindungen, deren Yerschiedenheit dmch chemische Metamorphosen sehr leicht zu erweisen ist und des- halb sehr friihzeitig erkanut wurde, seigen keine oder nur sehr geringe Unterschiede der phyriikalischen Eigenschaften, z. B. die aus normalen FettsBurcn und normalen Fettalkoholen entstehep- den Eater. Bei Cadmium und Quecksilber knnn man w e n yon Null bis zum Maximalwerth. Den hior und im folgcuden beispielsweise angefiihrten Verbin- dungen sind die ihneii gomiihnlich zugeschrisbenen Canstitutions- foimoln bcigeleat. Es Itommt. wenig darauf an, ob die eiite odnr diu andere doiselben allanfalls angefochten wurden kann.

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dtr Adome in der Molekel. 283

d 12. Der Werth der niit eineni mehrwerthigen Atom direct verbundenen Atome ist in der mannigfachrten Weise wechselnd. In der Rindungszone eines vierwerthigen Ifohlen- stoffatoms befinden sich vier einwerthige Atome in der Mo- lekel CH4, vier eweiwerlhige Atome in der Molekel C(OCLH5)4, vier vierwerthige Atorne in der Molekel C(CH&, xwri ein- werthige, ein dreiwerthiges und ein vierwerthiges Atom in der Molekel H,C\NH8 /CH u. s. w.

Der Werth eines Atoms x kann tlaher euch ails der Anzehl der direct mit demselben verbtindenen Atome ahgeleitet wer- den, ganz unabhangig von .dem Werth der letzteren. Die- selben kiinnen einwerthig oder mehrwerthig sein, konnen selbstverstiindlich im latzteren Fall aufser mit dem Atom x auch noch mit einem oder melireren andern Atomen direct verbunden sein.

Q 13. Der zuletzt ausgesprochene Satz beriihrt den- jenigen Theil der gegenwerthig herrschenden Ansichten, welcher meiries Erachtens einer kritischen Beleuchtung und Abiinderung bedarf. Nach den herrschenden Ansichten kann man nur sagrn, dafs der Werth eines Atoms mindatens so grofs ist als die Anzahl der direct mit demselben verbundenen Atome; derselbe wird aher sebr oft gr6fser angenonlmen, indem man ihn nicht allein aus der Anzahl der direct ver- bundeaen Atome ableitet, sondern gleichzeitig aus deren Werth. Ein Atom wird nicht nur dann fur n-werthig ge- halten, wenn rnit demselben n Atome direct verbunden sind, sondern ouch dann, wenn mit demselben weniger als n Atome verhnnden siiid, wenn aber die Summe, welche man durch Addition der Werthe dieser Atome erhiilt, = n ist. Man be- stimmt mit andern Worten den Werth nach sogenannten Affnitatseinheiten oder Vnlenzen. Btii diesar Werthhezlim- mungsrnethode betrachtet. man nicltt mehr otler weniystens

2

199

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L o s e e n , ilbw die Verthdung

nicht ausschliefslich mehr die Wirkung eines Atoms auf an- dere Atome , d. h. die Wechselwirkung der Massentheilchen, welchen wir eine reale Exislenz zuschreiben miissen, wenn wir iiberhaupt die atomistische Hypolhese annehmen, sondern die Wirkung der sogenannten Affinititseinheiten auf einander.

Bedenken gegen diese Betrachtungsweise sollen im zwei- ten Theil dieser Abhandlung begrundet werden. Zuniichst will ich versuchen darzuthuo, dafs man den Begriff der Affi- nitiitseinheit entbehren kann, dafs man eine Yorsleilung von dcr Vereinigung der Atorne zu der Molekel, oder - was dasselbe ist - von der Vertheilung der Atome in der Molekel gewinnen kann, welche nur die Wectrselwirk ung der Atome in Betraclrt zieht und doch den bezeglich der Zusammen- setzung der Melekeln erkannten Gesetsrniifsigkeiten Rechnung trPgt. - Man kann diefs, wenn men die nachfolgenden, einst- weiien vorschlagsweise aufgestellten Satze gelten Iafst.

S 14. Der Wmth ekes A t m 8 b.9 e k e z a k l , welchs ausdriickt, wieviel Atome &h in der Bindungszone des8elbsn befinden. Da die Zahl der mit dem namlichen mehrwerthigen Atom direct verbundenen Atome in verschiedenen Molekeln wechselt, SO ist auch der Wmth dee namlichen mekwerthz'gen Atoms 20 echselnd.

S 15. Piir jedes rnehrwerthige Atom ergiebt die Erfah- rung einen diichten We& oder Qremwerth, d. h. die Er- fahrurrg lehrt uns die griXste Anzahl von Atomen kennen, welche als direct mit einem Atom des betreffenden Elements verbunden angenommen werden kann. Dieser Grenzwerth ist selbstverstiindlich constant. Um die wechselnden Werthe, welche ein Atom eines mehrwerthigen Elements in ver- schiedenen Yolekeln haben kann, zu kennen, geniigt es den Grenzwerth zu kennen, denn diese Werthe sind entweder gieich dem Grenzwerth oder kleiner als derseibe. Die- Kenntnifs des Grenzwerths bat deshelb eine gewisse Wich-

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tigkeit *) ; man bezeichnet denselben deshalb auch wohl schlechthin als den Werth des betreffenden Elements **).

*) Die man meines Erachtens allerdings zuweilen iibertreibt; ob z. B. die Verbindung JCl, die Dreiwerthigkeit dee Jode bewe& oder nicht, halte ich fiir ziemlich gleichgultig, so lange man doah nicht die Folgernng zieht, dafs in den tibrigen, nach vielen Hunderten zlhlenden Jodveibindungen oin Atom Jod mohr ah ein snderes Atom direct bindet.

**) Der Gebrauch des nlmlichen Wortes Werth fiir zwei versohie- dene BegriEe, den des Girenzwerths und den des wechselnden Werths in verschiedenen Molekeln, IMst sich als sinnstiirend be- anstanden. Wor es damit sehr genau nimnd, mag des Wort Cfrenzwerth (- oder ein synonymes, Maxivalenz u. s. w. -) gebrauchen. Moines Erachtens ist das in der Mehrzahl der Flllle kauni nothwendig; mir sprechen oft deutlich ganug, ohne streng logisch zu ~prechen. Nach der gegebenen Definition vom Werth eines Atomr iut es logisch nicht ziilDssig zu Ragen .das Kohlen- stoffatom ist zweiwerthig, ist dreiwerthig u. s. w."; noch vie1 weniger kann man sagen "der Kohlenstoff ist aweiwerthigY n. s. w. Denn das heiht, .in der Bindungaeone desKohlomtoff- atoms (- oder gar des Kohlenstoffs -) befinden sich zwei, be- findan sich drei Atome." Das hat keinen Sinn, wenn nicht hin- eugefiigt wird ,,in dieser oder jener bestimmten Molekel.Y Sagt man schlochthin, das Kolrlenpoffatom oder der Kohlenstoff sei vierwerthig, so kann das kaum etwas anderes heifsen, als hbkh- atma vierwertbig; es ist kaum mifmuverstehen, dnfs hier "Werth" nbgekiint ftir "Grenzwerth" gebraucht wird.

Dafiir dare dae Wort Werth nicht allein die h;ichste Zahl von Atomen, welche mit ehem Atom direct verbunden sein knnn, sondern auch die wechselnde Zahl von Atomen, welche in beetimmten Molekeln mit demselben verbundon sind, bezeichne, spricht nicht UUT dtw Umstand, dnfs der Qobrauch dus Wortes in diesem 6im sich bereits eingebtirgert hat , sondern auch be- Bonders, d& dieser Gebrauch sehr beqnem ist. Die Atombin- dung in der Molekel des Acetylens HC-CH ist vollsttlndig er- klilrt, wenn man segt, dieselbe enthalte zwei sweiwerthige Kohlenstoffatome: ebenso die. des Benzols durah die Angnbe, dnsselbe enthalte sechs dreiwerthige Kohlenstoffntome, von wel- chen jedee mit einem Atom Warnerstoff verbunden iet In dem kurzen Gatz, das Phoaphoratom sei h Phosphoroxyohiorid drei- werthig, 1st ausgedriickt, dsrs man die Atombindung in der be-

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286 L o s s e n , a6er die Vertheilung

Der Werth des Elments i n diemn Sann i.gt natWlich con-

stant *).

/O-CI

'c1 treffenden Jiolekel als der Formel P-CI entspreohend an-

nimmt.

*) Dor Streit urn Conatam oder Wtcbsel &Y Worths, wie e r bisher gefifhrt wurde, ist meines Ernchtenli recht eigontlich ein Streit run ein Wort Wosentlich aus der Tyyenthrorie entwickelte sich der Begriff des Werthe, iind zwnr zunhchst des Werths der typischen Atornt, Wiseerstoff, S~~ncrstoff mil Stickstoff. Wurdo ruch gleichzsitig der Worth dcr Errdicale in Betracht gezogen, so wurde xuniichbt doch nicht u a s h doin Werth der in den Ra- dicalen enthaltenan Atome yefragt. Der Werth der typibcheu Atome wur fur ein Atom der vorschiadcom typisciien Elernante vtuachieden, fur ein Atom dus nlildichen Elembnta aber con.'ttmt. Dor typischo Seueretoff war imrqcr zwoiwerthig, der typische Stickstoff imnicr dreiwerthig ; dar Werth in jeder ciuzelncn Ver- bindung war immer der Granzwert,h, die Leidon Bogriffe clockten einaurler. - Erst als man die I'rage nach dtxn Wertb aller in der Molekel enthalteneo Atome aufworf, nshm man an , d a k das nlmliche Atom in verecbiedenen Verbiiidungen mit einer ver- sohiedenen Anzahl vou Affinitittsoinheiten wirkt, und unter- sohied den Begriff des Greuzwertha von dem des Wirkungs- werthw in verschiedenen Vorbiudungen. Das Wort Worth ( - oder dessen Synosyme . Ilssicitlt, .itomigkait, Quantivalenz u. 6. w. -.) wdr far beide Begriffe gebraucht worden, 80 lange eiu Untcrwchied zwiachen beiden Begrisen uberhaupt nicht go- macbt wurde; ooll dieses Wort in Zukiinft den einan odar den anderu dor boidon nun nicht mehr airunder dackenden Begriffe bedcuten, das ist der Kern dor Streitfmge, welcho mweilen mi$ einer Lebhnftigkeit er6rtert wurde, uber die mau iich wundern kann, nenn man beachtet, d d s die den Streit varanlaasenden Thatsachen auf beiden Seiten heinahe genru in dur nllmlichen Weise aufgefrht warden. K o k u l d giobt t u , dafs das nach aeiner Ansohouung constant vierwerthigc? Kohlenstoffatom im Kohlwoxyd nur mit zwei Affinitiitaainhaiten nuf die beiden hffinitritsainheiten des Sa~erstoffatoms wirkt. K o 1 b 8, welcher sich w c h vor kurzem gegen dae .Dogma von der constanten v61tm der alxnrntaren Atume" ausgeeprochen hat (Joarn. fur prakt. Chemia, N. F. 18, 486), ssgt, nachdem er hervorgehoben hot,

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der Atome in der Molukd. 287

s 16. Eine Tcrtionelle Formel einer chembchen Verbin- dung (- Structurforrnel, Constitutionsforniel -) ist eine FmcZ, welche die VertheiZung der Atome in der MoZ& ausdruckt, wdche ccho angiebt, mit pelchen andsrn Atmen jedes einzelnc: in der lllolekel entliultene Atom direct ver-

bv,nden bt. In dersrlben wird das Zeichen eines jeden Atoms rnit den Zeichen derjenigen Atome, welche sich in seiner Bindungszone befinden, durch einen Strich verbunden.

Im folpendrn sind dic rationellen Forlneln einer Anzahl yon Molekeln neben dcren empirische Fornieln gestellt :

rationelle Furmel 1. Sahsituro JICl H-CI

H 2. Wassar H,O H-0-11 uder O(H

/H 2. .tmmoni~k NII, N-H

‘..I*

d s h man den Kohlenstoff in der Kohlenstlure a16 rierwerthiges Element hezeichnnt, tiber das Kohlenoxyd folgendes : ,,Derselbe Kohlenstoff fungirt im Kohlunoxyd nls zweiwerthigrs Element; die Hnlfte der Affinitrten des nonst viernerthigen Kohlenstoffs befindat sich ini Kohlenoxyd anfner Thxtigkeit, dieselben schlum- mern, bis sie durch den Eiutlufs gilnstiger Verbaltninse gleich- falls mr Function kommon.” (Das. 11, 146.) - Was nicht ist, das schlummert auch nicht, und XIIS schlummert, das ist auch da - ich seho keinen Untereohied in den beiden h s c h a u - nngswuisen. Dznn ob man aaoi gebundene nnd ewoi h i e , oder zwoi fungirende und zwei scblummemde zuanmmanaddirt, zwei und zwei geben doch immer vier. - Dem ontspricht auch Kolba’s eigene Meinung, wenn er aagt : ,,Jades Element hat e k e bestimmte hac?wte StittigungecapciUt” (Kurzes Lehrbuch der anorganischen Chemie, 57). Diem hachste nennt ebon K e k n l 6 Ctie Valens des Eloments, und da jedes Elament doch nur e k e hochste fiEttigungscapacititt haben ham, no glaubt K o l b a selber an das Dogma von der constanten Valenz der elementaren A t m e in Kekuld’s S h e . - Me Lebhaftigkeit des Streitee fiber Constanz oder Wechsel der Valenz erklErt sich meines Er- achtens daraus, dafs der Be@ ainer AffiniULtseinheit ein garla nnklarer ist, wie ich spitter aeigen werde.

Page 24: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

288 L 08 8 e n , iiber dh Vwtheahng

rationulle Formel

4. Chlorofwm CHCll

5. Alkohol C,&O

6. Siliciumsesquichlorid Bi,Cl,,

9. Aethylenchlorid CICl,U,

8. Aethylidenchlorid CaC1,H,

9. Sauerstoff 0, 10. Stickstoff N,

11. Aethyleu CIHI

=\ P - H K-c-C-H H/ \H c1, /c1 Cl.-Si-Si -C1 c1/ \c1 c1\ /Cl H -C-C-H

0-0 N-N

H, \ C-d , "

*) Zwischen den f i r die acht vorausgehendon Verbindungen aufge- stellten Formeln und den denselben gewohnlich beigelegten An- det kein Unterschied statt. Ein solcher wird iiberhaupt nicht vorhanden seiu, wenn eine gegebeue Molekel 80 vide einwerthigr Atome enthUlt, als tiberhanpt von den in derselben enthaltenm mehrwerthigen Atomen gebunden werden kbnnen (vgl. L. Me y e r, Mod. Theor., Q 54, S 164; ich citire, wenn nicht das Glegentheil ausdriicklich bemerkt ist, stets nach der 3. Buff. dieses Buchs). Nur fiir aolche Molekeln sollte meines Erachtens der Name .gesEttigte Molekeln" gebraucht werden. Boll eine solche Mo- lekei noch weitere Atome aufnehmen, ohne dal's ein Bestandtheil derselben austritt, so kann dieh nnr dadurch geschehen, dare die bmtehende direote Verbindung swischen eimelnen in der- selben enthaltene? Atomen geitst wird. Denkt man sich sber h derselben den zusammenhang Gwiechen nur zwei beliebigen direct verbundenen Atomen gelost, so zerall t die Molekel in zwei nicht mehr ausammenhlhgende Theile. SOU Rie demnach noch weitere Atome anfnehmen, ohne etwas yon ihrem Bestand za verlieren, 80 mussen unter den aufgenommeuen Atomen mehr- werthige sein, welche die durch die Trennung vorher direct mit einander verbuudener Atome eutstehenden Bruchstiioke wieder mit einander verbinden.

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dew Atome in der b l o l d d .

rationelle Formel 19. Acetylen C,H, H-C-C-H

c,

0 13. Kohlendioxyd CO, 0-C-0; vielleicht c( 1 *)

14. Bidehyd -0 H-C-C(H 0 H/

H f l H I l l

I t H H

16. Cyanallyl C,&N N-CC-C-C **)

289

*) Vgl. Q 31, Anmerk. **) Die sub Nr. 9 bie 15 gegebenen Formeln unterscheiden sich r o n

den gewohnlich gebrauchton Formeln zwar wenig in der Form, wohl aber bis zu einam gewissen Grad in dor Bedeutung. Die Formel des Sauerstoffs wird meietens 0=0 geschrieben; die Be- deutung dieser Formel ist, dafs die Molokel des Sauerstoffs a m zwei durch zwei Aflinitlltseinheiten mit einander verbundenen Sauerstoffatomen besteht. Wenn icb 0-0 schreibe, so sol1 das nur bedeuten, dnfs die Molekel aus zwei sich gegenseitig an- ziehenden Banerstoffatomen besteht ; der Bindestrich ist hien (- und ebenso in don Formeln anderer zwoiatomiger Molekeln -) eigentlich ganz aberfliissig, da die gegenseitige Audehung aioh ganz von selbst versteht. Die aufgestellte Formel sol1 a b e reder bedeuten, d d s die beiden Sauerstoffatome mit & eitaef Afflniutaeinheit, nooh dab sie mit Je zwei Afflnitllteeinheitsn mit einander verbunden sind, denn ioh will iiberhaupt keinen Ausgleich von Af'finitlltseinheiten versinnbildliohen, eondern a m die Vertheilung der Atame in der Molekel. - Die Formel das Acetylene drtickt d e m g e d e nur aus, dab jedes der beiden Kohlenatoffatome direct mit einem Kohlenatoffatom nnd einm Warnerstoffatom verbnnden iet; das wird snch durch dle ge- hrluchliche Formel HCZCH ausgeddckt; den weitemn Gedan- ken, welchen diem letatere ausdriickt, dds nUmlich die beiden Kohlenstoffatome j e drei Affinitlitseinheiten ausgleichen, will ich nicht ansdriicken. Meine Formeln driicken also weniger SUB & die gebrluchlichen.

Analoges gilt fiir die Formeln sehr vieler Molekeln, in WOE cben der Werth mehrwerthiger Atome hinter dem Qrenewerth zuriickbleibt. - Solche Molekeln konnen no& Atome aufnehmen, ohne dnfs irgend ein in ihnen enthaltenes Atom aue der Bindnngp

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290 L 0 8 s e n , iiber die Vwtheilung

rationelle Formel H H

zone derjenigen Atome, mi t welchen CR vor der Aufnahme wei- terer Atome in dio Molekel direct verbiinden war, horaustritt. Fiir aolche Molekeln scheint mir der Name unge&tigt:: Xclt-keln passend.

*) Die Formel des Aethylanoxyds Mllt zusammtrn mit der g,~.-,iihn- lich gebrauchten. Dieselbe snt,hlllt eiue soganannte higftirmiga Bindung dreier Atome : C--C. Dar Aufidruck rtnyfiimzg ,,be-

, /

0 zeichnet n u , dare die den Zummmenhmg der Molokel he- wirkenden, yon Atom eu Atom thLtigen Anziehungen rioe in sich ruriicklaitfende Reiho bilden", wia L. 31 e y e I gaua richtig heirorhebt (Nod. Theor. 5 72, S. 153, A m . ) . 0. E. h l c y c r v e r W t daher in einen kleiimn I d h u m , wenn er annimmt, die b i c h t der Chernikor, dafa die in der Malokul C,N, euchaltenen Atome e&e geschlossene Kette, einen Xing bilden, schiieho den Qedanken ein, d a h dicsalhen wirklich zu eirier ebawn Figur vereinigt seisn (Kinet. Theor. d. Gase, § 97, 8. 212.t. J)iese vier Atome k8me.u eben so gut in den Ecken einw 'l'c:rzLders liegen.

Xn eine Nolekel mit einer ringforluigan Bindung k;;!inen ao- dere Atome, ohne d& dieselhon mehrwerthig Wdren, aufgcnom- men werden, insofern a h die directe VerhinJung sVrispl:w zwei im Ring hefindlichen mehrwerthigeu Atomen g e l i d ~ t * I d e : i kann, ohne dafs dadurch die blolekel in zwei Theile zcrfkl!t, weil die beiden mchrwerthigen Atome , deran difecto Verbiadung aufgc- lBst wird , aufserdem noch indirect mit cinander verbu1:dcn sind. Den unguakttigten Molekeln gleichen die Mole!teln mit ringformiger Bindung iusofern als sie uoc.k ei~iwerthige Atorne aufnehmen kijnnen, ohne d a b etwav aus der hloleki?! austritt. Den geslttigten Molekeln gleichen aie, ineoferu SIS dime Auf- n&me nur m6glich ist nach Aufhebung ciuer vorher bastehandon directon Vertindung zwiechen zwei mohrwerthigau Atomen. -

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dw Alome in der Motekel. 29i

Diese Formeln driicken alles aus, was wir iibrr die Ver- theilung der Alome innerhatb der Molekel als leidlich sicher festgestellt annehmen konnen. Man ersieht RUS denselben den Werth jedes eineelnen Atoms innerhalb der gewbenen Moiekel, folglich such wie weil derselbe hinter dern afs bekennt voraus- gesetaten Grenawertli des betreffenden Blenients zururkbleibt.

ti, 0 So komrnt z. 'B. in der Forniel des Aldehyds H,C-qH ein tl'

einwerthiges Sauerstofatorn und ein dreiwerthiges Kohlen- stoffatorn vor; man ersieht aus der Forrnel, dafs unler ge- eigneten Urnstinden in die Bindungszone eines jeden dieser Atome rioch ein Alom treten k a n n , wie diefs bei den be- kannten zahlreichen directen Vereinigungen drr Aldehyd- molekel mit andern Molekeln geschieht. Noeh deutlicher tritt das hervor, wenn man dun Zeichen der einzelnen Atonie eine Anzahl von Stricheri oder eine rdmische Zahl beifiigt, welche

deren Grenzwerth ausdrcckt, z. B. i h C < o Nothig ist

das iiur dann, wenn inan den eiriern Atom beigelegten Grenz- werth ausdrlcklich hervorheben will, ineistrms kann derselbe als bekannt voreusgesetzt werden. Prektisch ist die Beifilgung einw Werthigkeitscodhienten auch n u r dann, wenn der an- genomrnene Grenzwerth einigerrnafsen sicher festgestellt ist *).

IV IV I1

11' ti *

SelbstverstiLndlich kiinnen in der n h l i c h e n Molekel mehrere ringfirmige Biudungon vwkommen. Auch ko,men im King be- flndlicho mt?hnvrrt,hige Atome einen hinter ihrem Grenzwerth zurtickbleibendon Werth haben. Dann ist die bfolekel gleich- zeitig ungossttigt (Benaol).

*) EB i6t sellmtverstiiudlich, dab man in der Praxis nicbt immer &ndk Formeln schreibt; forner dafs man hgufig ahgekfirete rationeUe Formeln gebrauoht , welche die Verthehw ekes Theiles der iu der Molekel enthaltenen Atome direct ansdriioken, fGr andere empirisch geschriebene Atomcomplexe dagagen die gegenseitige Bindung als bekannt voraussetzen.

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292 L o s s e n , iiber die VertJdung

Q 17. Ein Radical ist a'za in ea'ner Molekel enthahener Atolncomplea:, desssn eainmtlkhe Becrtandthde entweder

direct oder indirect mit einandet varbundm mhd. Jeder so beschnffene Theil einer Molekel kann als ein in derseloen enthaltenes Radical bezeichnet werden *); in der Regel wird der N a m Radical nur fur diejenigen Atomcomplexe von der angegebenen Beschafferrheit gebraucht , welche in einer gr6- fssren Anzahl von Molekeln vorkommen.

8 18. Dcr Werth eines Radicals ist eine Zahl, welche ausdriickt, wie viele nicht zum Radical geh8rende Atorne mit den das Radical zusemmensetzenden Atoriren direct ver- bunden sind. Wie bei den Atomerr, so kenn man. bei den Radicden xwischen dern Crenzwerth und dern Werth in einer bestimmten D.loleltel oder einer bestimmten G ~ ~ i p p e von Mole- kelti unterschriden. Der Grenzwerth oder Werth schlechthin bezeichnet die hirchste Anzahl von Atonten, welche sich rnit

+) Dafs man in der Molekel der Essigsnure C,H,O, die Radicale C,H,O,, C,H,O, CO, CH,, OH annehmen knnn, bedarf keiner Erllluterung. Man kann aber auch in dereelbon die Radicsle H&-CO,H, HC-COnH und C-COIH annehmen. Wonn man z. B. die Essigsllure mit dem Sumpfgae C H I vergleichs, so erscheint dieselbe a h carboxylirtes Sumpfgcrs H8C-COlH. Wio man nuu . in den Molekeln CH,Cl, CH,CI, und CHCI, die Radicale CH,, CH, und CH annimmt, no konnen in der b'ono-, Di- und Tri- chloressigsllure die entsprechenden carboxylirton Radicale H,C-COIH, HC-CO*H und C-C0,H angenommen werden. Wie das Gumpfgas ale die Wasserstoffverbindung der Radicale CH, CHI uud CH betrachtet werden kann, deren entsprecbende Chlor- verbilldungen die Molekeln CH,CI, CHIC1, und CHCl, sind, so kann die Essigsliure als die Wasserstoffverbindung der Radicale HoC-COnU, HC-CO,H uud C-COIH betrachtet werden , deren Chlorverbindungen die drei Chloressigsiiuren sind. - Die Gruppen O,, OIH, C&, CH& nimmt man degegen niemah in der Essig- sllure als Radicale an, weil unter sieh ZussmrnenhPngende Atom. oomplexe r o n dieser Zusammensetzung in der Molekel der Eseig- skure nicht enthalton sind.

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dem Radical direct verbinden kann; der Werth in bestimmten Verbindungen ist bei mehrwerthigen Radicalen hiufig kleiner als der Grenzwerth +).

S 19. Die letzten Paragraphen enthalten meines Ersch- tens einen Ausdruck derjenigen allgemein giiltigen SBtze, welche sich beziiglich der Vereinigung der Atome zu solchen Molekeln , deren Gewicht aus der Dampfdichte ableitbar ist, aufstellen lassen.

Man kennt rnanche interessante und wichtige Thatsachen, welche in den aufgestellten Siitzen keinen Ausdruck finden. So ist. z. B. in der g r o h e n Mehrzahl aller Yolekeln die An- zahl dcrjenigcn Atome, deren Grenzwertli unpaar ist , e ine p a r e , wahrend die Anzahl derjenigen Atome , deren Grenz- werth paar ist, eben so oft paar als unpaar ist. Von eioem Gesetz der paaren Aneahl unpaarwerthiger Atome in d e r Molekel kann aber gegeniiber den vorhandenen Ausnahmen keine Rede sein.

So enthalten alle Molekeln, die neben Sinen Kohlenstoff- atom nur einwerthige Atome enthalten, vier einwerthige Atome. Ferner ist es eine durch zahlreiche Beobachtungen sehr wohl begriindete Annahme, d a b sich nie mehrere Hydroxylgruppen mit einem und demselben Kohlenstoffatom direct verbinden.

Der Grund dieser und Bhnlicher Thatsachen ist uns ebea so unbekannt als der Grund der Verschiedenwerthigkeit d e r verschiedenen Elemente. SO lange wir keine Thatsachen kennen, aus welchen wir einen Schlufs auf den Grund d e r

0) Mit dem Atomcomplex CO k6nnen vier Atome in direate Vep bindung treten; er ist vierwerthig, kommt in viden Verbindungen in directer Verbindung mit vier Atomen vor, L. B. im Holzgeiet und anderen Alkokolen. ES giebt aber such aehr zahlreiche Verbindungen, in welchen der nlmliche Atomcomplex nur mit zwei andern Atomen direct verbunden ist; er ist zweirerthig in den Alrlehpden, Ketonen, S&uresmiden u. 8. w.

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294 L o s s e n , iibcr die Ye&eiZun.q

letzteren ziehen kannen , halte ioh es fiir verfriiht, Hypo- thesen zur Erklirung dieser Verschiedenheit sufzustellen, es sei denn, dafs man die Zulassigkeit dieser Hypothesen experi- mentell priifen kano und wiil.

11. Kritisrhe Bemerknngen en den herrschenden Lehren vom Werthe nnd yon der Atomverkettnng.

Q 20. In den vorstehenden Darlegungen hebe ich Uen Begriff der Affinitirtseinheit (- oder kiirzer Affinitat, Valenz, Affinivalent u. s. w. -) nicht gebmucht. Ohne mich verb

iiiufig auf die Ftage einzulassen, ob es m6glich ist diesen Begriff wissenschaftlich zu pracisiren, will icli hier n u r den Gedankengang sndeuten , welcher zur Aufstellung dieses Be- griffs fiihrt.

Man schreibt jedem Atom eine Anzahl VOL Affinitlten zu, welche gleich seinem Crenewerth ist. Das Saaerstoffatom hat zwei Affiuitiiten, das Kohlenstoffatom vier ; verbindet sich ein Atom Sauerstoff mit zwei Atomen Wasserstoff, oder eiri Atom Kohlenstoff mit vier Atom Chlor: so wird je Bine der beiden Afjwituten des Sauerstoffatoms oder j a edne der vier Afjtiitutcn des Kohlenstoffatoms yebunden odcr gauttigt durch sine Afjintttit eines Wasserstoffatoms oder Chloratoms; ein Atom der letzteren Elenienttt besitzl tine Affinitat.

Diese Anschauungsweise wiirde sich von der im vor- stehenden entwickelten nur in de7 Form unterscheiden, wenn ein Atom Sauerstoff immev mit zwei, ein Atom Kohlenstoff immw mit vier andern Atomen direct verbunden ware.

Man nimmt aber ferner a n , dafs zwei Aftinitaten eines

und desselben Kohlenstoffatoms nicht nur durch zwei Affini- taten , welcho z ~ e i Wasserstoffatomen (- oder iiberhaupt awei Atomen -) arigehiiren, gesattigt werden konnen , son- dern auch durch zwei Afthitiiten, wclche deni n@vzZichen Sauerstoffatom angehijren ; Rllgerneiner, dafs n Afinitidben

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der Atoae in der Xolekel. 295

mehrwerthiggsn Atoms gtwattigt merdtm durch n AfinitiYtm, welche einem einzigeen andern eben.fal2s mehmerthgen A t m angehiiren.

Hisr unterscheidet sich rneine Betrachtungsweise. Dlrs

Qauerstoflatom nenne ich etaeiwerthig, weii sich in der Bin- dungszone eines Sauerstoffatoins zwci Wasserstoffatome, zwef KohlenstoFatome, kura zwei Atome befinden kiinnen. &in Atorn Sauerstoff kann sich aber nicht aweCmnl in der Rin- dungszono des naznlichen Kohlenstoffalorna befinden - das an- eunchnien hat keinen Sinn. Meine Betrachtungsweise kennt keine sogenannte niehrfache Bindung mebrwerthiger Atorne.

Bhe ich meine Bedenken gegen die Annahrne von Affinitatseinheiten darlege, will ich dic Unhaltbarkeit einiger Siitze hervorheben, melcht: mit derselben in engem Zusammen- hang stehen.

Nicht haltbar ist der Satz, welchen Ke k u 1 c folgender- mafsen ausgesprochen hat :

.In jedern Bo2ecule a'nm chmischen verba'ndung w a d die Summe der chamischeri Einheiten der das Molecul rtisarnnensetmden A&ome dwch d n e pclare Zahl ausge- driickt.

,,Dabei mufs . . . . . . strerrg genornmen noch die Ein- schrilnkung gemacht werden : und zwar ist dime Summe mindatens doppelt so g r o h als die Basicitat dss hochst- atornigen E L m e n t d *). Es versteht sich von selbst, d a b diese Siitze nur dann

einen Sinn haben, wenn man den Grenzwerth eiaes Atoms als constant betraclitct.

Als K e k u 1 e dicselben v x 20 Jahren aufsteltte, waren nnr ganz vereirizelte Thatsache:, behannt, welche ihnen wider-

0 2i.

+) Lehrb. d. org. Chom., I , S 2 B i , 8. 160. Man vergleiche den grrnzan und die vorausgehenden Puregraphnu.

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L o s e e n , Ubsr CEie Vertheilung

sprechen. Man kannte eine einzige Verbindung, deren Mole- kel eine unpaare Anzahl von Affinitiiten enthllt, das Stickoxyd NO; aufserdem kannte man im Kohlenoxyd CO noch eine Verbindung, in deren Molekel die Summe der Affinitdten nicht doppelt so grofs ist als die Basicitat des hdchstatomigen Ele- mentes *). Seit j ener Zeit hat man aber eine vie1 grfifssere Zahl von Verbindungen kennen gelernt , deren Zusammensetzung d e r IS e k u I8 'schen Regel nicht entspricht.

Aufser in der Molekel NO mufs eine unpaare Anzaht von Affinitiiten und deshalb auch mindestens eine freie Affinitet avgenomrnen werden in den Molekeln

NO,, CIOo **), WCI6, in einer oder der andern d e r

*) K e k u l d hat bereits zu der Zeit, ale er die beiden Sltze auf- atellte, ausMcklich anerkannt, dafs man in den Molekeln CO und CS (- die Existenz einer Verbindung CS nahm man da- male noch an -) freie Af6niWten amunehmen hat, wenn man den Werth ale constant betrachtet (Lehrb. d. org. Chem. I, Anmerk. zu 8 270). Ebenso lassen sich spltere Aeukrungen K e k u l B 's anfiihren, nach walchen er die Amahme aogenannter ungebundener Vemandtechaften zullht (z. B. dksa Anaalen Supp1.-Bd. a, 114; Lehrb. d. org. Chem. II, 397, 5 1506; wiseen- schaftl. Ziele u. Leistungen d. Chem., S. 20; Reknle u. Zincke, diese Annalen lea, 126). - Auch andere Chemiker hielten Eeitweilig den Satz f i r richtig, dafs die Anzahl der AffiniSten in der Molekel eine paare sei (- B u t 1 t) r o w , Zeitachr. f. Chem. u. Pharm. 1861, 556ff.; Lehrb. d. org. Chem., 8. 22, $ 21. - Wurtz , Lepons de philos. chdm., 148 -). ,,Nur das Stickoxyd echeint e k e Ausnahme EU machen", schrieb E r l e n m e y e r 1862 (Zeitschr. f. Chem. u. Pharm. 1862, 29); diese Anenahme er- sahien ihm so adallend, dafs er Vemuche dariiber anatellte, ob h e e l b e wasserstoff haltig und der Formel NOH entsprechend ~usammengesetzt eei (Er l e nme y e r , Lehrb. d. org. Chem. 43, Anmork.). - Dah eine paare ZahI freier AtXnitXten in einer Molekel enthalten sein konne, gab man sehr bald IU (Bnt le - r o w , a. a. 0.; E r l e n m e y e r , a. a. 0.).

" ) P e b a l , diese Annalen 1 V 8, 30.

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d e Atome in der Molekel. 2w

beiden iffolekeln VCI4 und VCIBO, vielleicht m c h in HgCl, HgBr, HgJ+) und in J**).

Eine paare Anzahl freier AfEnititen mufs angenommen

Hg, Cd, PbClp+**), SnCI, I.), in PClB, PHB und an- dern Phosphorverbindungen und in CO.

Aus dem Verhalten anderer Kohlenstoffverbindungen schliefst man, dafs in denselben ebenfalls ein Kohlenstoffa!om mit zwei freien AfEnitiiten vorkommt, ohne dafs man diese Annahme unbedingt machen miifste; so z. B. in den Carbylarninen. Wollte man die bis je tz t von niemand gemachte Annahme zulassen, das Dlethylcarbylamin , dem man gewiihnlich die Formel =GN-CH8 beilegt , enthalte keine Methylgruppe , so kBnnte in der Molekel desselben ein Ausgleich aller Affinitaten angenonimen werden , etwa der Formel HC'N-CH, entspre- *

chendff.). - Noch in neuester Zeit hat F i t t if!+*) die friiher bereits von K e k u le angenonimene Formel der

werden in den Molekeln

d - C O p H HpbrCOSH

Maleinsiiure und Bhnliche Formeln fiir homologe

SBuren zu begriinden gesucht. Nach dern angefiihrten erscheint es nicht mehr gerecht-

fer t igt , dafs L. M e y e r den beiden K e k u l e ' s c h e n Satzen noch eine gewisse Giiltigkeit zuschreibt, indem er sagt :

*) Mnn vergleiche L. M e y e r , Mod. Theor. der Cham., 5 130.

**) V. Meper, Berichte der deutschen ohemischen Gesellschnft I?, l O l @ .

-*) Boeooe , daselbet 11, 1196.

j-) V. Meyer nud H. Ztibl in , dwelbst 18, 811 ff. i.i> TrotG Beibehsltmg dee Methylradicals im Methyl~aibylam~n

verschwinden die beiden freien AffiniUten dee Kohleustoffatome durch die Annnhme, der Stickstoff eei fiinfwerthig. Die Amah1 der Molekeln mit freien Affinititten wird durch diem Bnnshme nioht vermindert.

w) Diem k l e n 188, 96 ff. Anna1011 der Ohemfe 204. Bd. 20

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298 Losaen, i i b d& Verthdung

.Die allgemeine Regel dabei ist, drfs stets so vie1 Atome, seien sie welcher Art sie wollen, in die Molekel eintreten, dnfs alie Verwandtschaften sich gegenceitig satrigen. Es folgt hieraus, da jede VerwandtschaR eine andere voraussetzt, durch welcbe sie gesattigt wird, dafs 0% Swme a& Vwwandt- ochaftseinheiten in der Mo2eksz S#E & gerads A h 1 aein

Man kann docb hijchstens sagen, dafs es erbeblich mehr Molekeln giebt, fiir wdche diese Regel zutrim, ale solcbe, fiir welche sie nicht zutrifft. Und davon, dafs jede Verwendt schaft eine andere voraussetzt , dutch welche sie gesiittigt wird, kann keine Rede sein gegeniiber den Ausnahmen, welche L. M e y e r selbst beieits im folgenden Paragraphen und aufserdem an vielen andern Stellen seines Buches erwfhnt w).

Molekeln mit fv& Affinitaten schreibt man eine aatm etgenthiim&he Art, mit andern Holekeb, in wechid- wi7kufig m treten, ZU.

,Der irregularen Zusammensetzung dieser Stoffe ent- spricht die aubergewohiiliche Leichtigkeit, mit welcher sie Verbindungen eingehen" - sagt L. M e y e r **+). An einer andern Stelle seines Buches f ) heifst es : .Der Existenz jener zwei ungesattigten Affinititen entspricht die Leichtigkeit , mit welcher das Kohlenoxyd sich mit Chlor zu r'hosgen vereiniqt :

Dafs d i e s Bildung des Phosgens nicht unter allen Umstiinden, sondern nor onter der Einwirktlng des Lichts vor sich gehf kZlnnte dcheinbar fiir d,e Ansicht geltend gemacht werdee,

mursa +I.

Q 22.

ozcr; + GI-CI = OICZCI,.

e, Mod. Theor. d. Chem., 5 67, 8. 145.

**) Die Zahl diaser Aosnahmen wRBchst aber ins UngezPhlte, wem man mit L. M e y e r die Amahme, der Schwefel soi sechswerthig, den Chlor sei sicbeuwerthig, u~td tihnliche Annabmen zulllfst.

-*) Mod. Theor. d. Chem., 5 68, El. 146.

t) Daselbst 5 129.

Page 35: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

de t Atome in det MolelEel.

dafs die Affinitiiten nicht frei seien, sondern erst durch die Wirkung des Lichts frei gemacht wiirden. Dieses Argument ist indessen hinfiillig, da die Nothwendigkeit der Wirkung des Lichts sicli vullkommen dadurch erklSirt , dafs durch dieselbe erst die Verbindung der beiden zu einer Molekel vereinigten Chloratome gelockert oder gel6st werden mufs" u. s. w.

In ahnlichrm Sinne sprechen sich manche andere Antoren a m +).

Es ist schwer verstiindlich, wie eine solche Ansicht sich allgemeiner und dauernd Geltung verschaffen konnte, obgleich m m leicht darthun kann, d a h sie unbegrtindet ist.

Die einzige Thatsache, die ihr zu Grunde liegt , ist die, defs Jlolekeln mit freien AWnitaten a n Reactionen theilnehmen kiinnen, bei welchen die Anzahl der durch die Reaction ent- stehenden Molekeln kleiner ist als diejenige der vor der Reaction vorhandenen Molekeln , bei welchen rnit andern Worten eine Verdichlung des gesammterl in Reaction tretenden Gnsvolums stattfindet; z. B. :

CO + CIS = COC4; 2co +- 0, = 2c0,; . 2 NO + 0, = N,O, (bei niedrigen Temperatnren) ; 2 NO + 0, = 2 NO, (bei Mheren Temperatnren) ;

man giebt auch woh1.die Gleichung :

Ein einziger Blick auf diese Gleichungen zeigt, dafs eine der- artige Reaction weder Molekeln mit freien Amnitaten eigen- thumlich ist, noch sich msschliefslich Eei diesen mit aufser- gewohnlicher Leichtigkeit vollzieht.

4 N 0 + 0 s = 2N108.

a). 2. B. E r l e n m e y e r (Zeitschr. f. Chem. End Pharm. 1862, 0.29); A. W. H o f m a n n (Einleit. in die mod. Chom. 6. Aufl., S. 290) ; M i c h a e l i s (Graham-Ot to ' e ansfuhrl. Lehrb. der anorg. C h e s 1, 108); N a u m a n n (die Gruncilehrcn dor Cham., €3. 59).

20 *

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300 L o e e s g iiber dia VertRet'lung

Man sagt wohl, Kohlenoxyd gehe durch Aufnahme von Cblor in Chlorkohlenoxyd , Stickoxyd gehe durch Aufnahmtr ron Sauerstoff in Untersalpeterslure iiber. Man kann aber eben so gut sagen, Chlor gehe durch Aufnahme von Kohlen- oxgd in Chlorkohlenoxyd , Sauerstoff gehe durch Aufnahme von Stickoxyd in Untersalpetersiiure iiber. Reide Ausdriicke beruhen auf einer etwas einseitigen Auffassung des Vorgangs, dafs eine Molekel CO und eina Molekel CIS sich zu einm Molekel COCID, dafs zwei Molekeln NO und e k e Molekel Os sich zn einm Molekel NeOI vereinigen. Dafs dabei die Ten- denz des Chlors, sich mit dem Bohlenoxyd zu verbinden, eben so grofs i s t , als die Tendenz des Kohlenoxyds, sich init dem Chlor zu verbinden, wird niemand bestreiten.

Aufsergewiihnlich kann man die Leichtigkeit, mit wcloher Molekeln, denen freie Affinitiiten zugeschrieben werden, Ver- bindungen eingehen, nicht nennen. Denn analoge Reactionen vollziehen sich mit der namlichen und mit noch grafserer Leichtigkeit zwischen Molekeln % in welchen keine freien Amnittiten angeaommen werden. Dic der Gleichung :

CHs Br G&Br

:€?* + Ar = h , B r

entsprechende Vereinigung von Brom und Aethylen vollzieht sich, auch ohne durch die Wirkung des Sonnenlichts oder erhiihter Temperatur unterstiitzt zu werden, obwohl bei der- selben nicht allein die Verbindung der beiden zu einer Mole- kel vereiniqten Bromatome, sondern auch noch eine Bindung dar doppelt gebundenen Kohlenstoffatome ge lk t werden mufs. Eben so kennt man genug Kiirper, ip deren Molekel man freie Affinitaten nicht annimmt und die sich doch mit Saoerstoff verbinden, sobald sie mit demselben in Beriihrnng kommen, nnd zwar feste und Riissige Kcrper, bei weicben der Zutritt

Page 37: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

der Atome in der MoletcSl.

des Sauerstoffs ins Innere der Massen bei weitem nicht so leicht stattfindet, als bei dem gasfiirmigen Stickoxyd *).

Neben der Unklarheit des Begriffs der Verwandtschah- einheit scheint die Thatsache, dafs es relativ weniger Molekeln giebt, in welchen freie Verwandtschaften angenommen werden miissen , zu der aus dieser Thatsache keineswegs folgenden Annahme gefuhrt zu haben, die Besthdigkeit solcher Molekeln sei eine aufsergewijhnlich geringe, sie besiifsen die Tendenz, ihre irregulkre Zusammensetzung durch Sattigung der freien Verwandtschaften in eine regullre zu verwandeln. Dieser Aonahme widerspricht aufser dem bereits angefiibrten die Leichtigkeit, rnit welcher solche Molekeln sich bilden. Schon beim Uebergiersen eines ameisensauren Salzes mit concentrirter Schwefelsaure entwickeIt sich Kohlenoxyd ; das Stickoxyd wird zuriickgebildet durch die einfache Einwirkung von Was- ser auf diejenigen Verbindungen, welche durch Vereinigung desselben mit Sauerstoff entstehen. Wenn die Tendenz eine gesattigte Molekel zu bilden das Stickoxyd veranlafst Sauer- stoff aufmnehmen , warum bleibt die Sauerstoffaufnahme nicbt bei der Bildung einer gesattigten Molekel Ns03 stehei, warum

*) Wenn man den Ausdrtioken wgesllttigteY oder ,,unge&ttigta Mo- lekel', sowie ,ringformige Bindung" den Sinn beilegt, in welohen ich sie in der Anmerkung zu 8 16 gebraucht habe, so Iaeeen eich folgende allgemein gtiltige SBtze aufstellm :

1 ) Bei jeder Reaction, bei weloher nur gestlttigte Molekeln betheiligt sind, ist die Anzahl der durch die Beaotion entstehen- den Molekeln gleich der oder groker als die Anzahl der vor der Reaction vorhandenen Molekeln (Condensation dee cfasvolumn ist bei solohen Beactionen nnmoglich).

2) Bei jeder Reaction, bei welcher die Anzahl det duroh die Reaction entstehenden Nolekeln kleiner ist sls die der vor dor Reaction vorhandenen Molekeh (- boi wolcher mit andern Worten Verdichtnng des Gasrolums stattfindet -) , iet mindestem e&e ungesilttigte Molekel oder kne Molekel mit ringfdrdger Bindung betheiligt.

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schreitet sie (- bei hitherer Temperetur -) dartlber hinros fort bis zur Bildung der Molekel NO2, welche wieder eine ungesattigte ist ?

S 23. Tch wende mich jctzt zu der Frage : W a s ver- stehc man unter einer Afjnitatseinheib Z

Bei den gebrauchlichen theoretischen Auseinandersetzun- gen wird dieser Begriff allgeinein gebraucht. Sucht man abpr nach einer Definition desselben, so ist dlts beinahe ganz ver- geblich. Man spricht wohl von der Anzahl der Affinitats- einheiten, welche die verschiedenen Atom besitzen, VOIJ den1 Ausgleich der Affinitatseinheiten uno ahnlichem ; was aber eine Affinitatseinheit ist , das sagen die meisten Schriftsteller nicht.

Man ist daher in der Regel darauf engewiesen aus dem Zusammenbang , in welchem das Wort gebraucht wird , auf die Bedeutung , welche der eirizelne Autor demselben beilegt, xu schliefsen. Wenn ich bei Versuchen diefs zu lhun nicht in Mifsverstandnisse gerathen bin, so lassen die wichtigsten der verschiedenen Erklrirungen eiaer Affinifetseinheit sich in folgende drei Abtheilungen bringen :

Ansichten, welche &he Aflnitat als e k e 'bestimmte ~michistnenge &finitvn, oder a k e k e von einer solchen ausgehende Wirkung.

B. Ansichten, nach welchen eine Aflnitut ein Theit mhee Atoms, oder wenigstens etwas &t , was rnd e i n m sol- chen mrrammmkitngt.

Ansichten, nach welchen die A$inittiten beStim7nte?a Bewegungsfmmen der A t m e entaprechen.

A.

c.

Zeigt schon diese Uebersicht ewe grofse Verschiedenheit der mit dem Begriff einer Affinitatseinheit verbundenen Vor- stellungen, so trift eine solche noch mehr hervor bei einer eingehenderen Besprechung der einzelnen Ansichteii.

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der Atom in der Mobkel. 303

A. AnsGRten, saelche mke Af$dait als eine bcstimmtc &wichtmenge dejniren, oder ak &a von ehwr e o l c h auegehende Wirhng.

S 24. Nach E r l e n m e y e r ist ein Affinivalent eines Elements eine constante Gewichtsmenge desselben.

,,Nach allen Erfahrungen , welche wir bisher zu mechen Gelegenheit hatten, scheint es ganz zweifellos ein allgemeines Gesetz zu sein,

da fs bei a Zlen chemischen Vereinigungen imlner eine constante Quantitat einm EZmentg &e constante einea andern anzieht. Wir habeii die jedem Elemente eiqenthiimlichen constanten Anzietrungsquantitaten Affinivalente genannt und kiinnen das Gesetz aucb so ausdrucken :

Die Affinivalente der Elemente sind je constante Werthe und rnit a ' n m Affinivalent eines Elements verbindet sich niemals mehr und niemals weniger als ein mni- valent eines andern oder desselben Elements. Des ist das Gesetz der constanten AfEnivalente' 0).

Ich kann dem nicht zustimmen; nach meiner Meinung driickt der Sat2 , dafs bei allen chemischen Vereiniguogen imnier eine corrstante Quantitat eines Elements eine constante eines andern anziehl, kein allgemein gidliges Gesetz nus, son- dern cine nachweisbar irrige Behauptung.

Diesem Satz widerspricht zunachst die Existenz aller derjenigen Verbindungen, in deren Molekeln man freie Afini- taten annimmt. - Nach E r l e n m e y e r ist ein Affinivalent Kohlelstoff -= 3 Gewichtstheilen , ein Affinivalent Sauerstoff E 8 Gew.-Th. Im Kohlendioxyd sind in der That 3 Gew.-Th.

*) Erlenmeyer , Lehrb. d. org. Chem., S. 39. - E r l e n m e y e r hat ancb noch eino ganz andera Definition des Begriffs einer Affinitllt gegeben, auf welcha ich spiLter eingehe.

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504 L o ~ ~ e n , ilber die Vertheilung

Kohlenstoff rnit 8 Gew.-Th. Sauerstoff verbunden , oder 12 Gew.-Th. Kohlenstoff rnit 32 Gew.-Th. Sauerstoff, oder 15 Gew.-Th. rnit 40 Gew.-Th.; es ist ganz gleichgiiltig, mit welchen Zahlen men dieses constante Gewichtsverhiiltnifs aus- driicken will. Im Kohlenoxyd dagegen sind mit 12 Gew.-Th. Kohlenstoff nur 16 Gew,-Th. Sauerstoff verbunden , mit 3 Gew.-Th. Kohlenstoff also nur 4 Gew.-Th. Sauerstoff. Es liegt auf der Hand, dare mit 3 Gew.-Th. Kohlenstoff in ver- schiedenen Verbindungen nicht coustante, sondern wechselnde Mengen von Sauerstoff verbunden sind. Das m u b man zu- geben, wenn man ,,rnit einander verbunden winy gleichbe- deutend eetzt mit ,,Bestandtheil der namlichen Molekel sein."

E r l e n m e y e r sagt nun aber auch gar nicht, d a b in allen c h i e c h e n Verbindungen eine constante Quantitiit eines Elenients mit einer constanten Quantitat eines andero varbundrm ist, sondern dafs ba' allen chemischen Vere0'- mgungen eine codstante Quantitat eines Elements eine constante eines andern anzr'eht. Mufs er auch zugeben , dare im Kohlenoxyd auf i2 Gew.-Th. Kohlenstoff 16 Gew.-Th. Sauerstoff enthaZten sind, so glaubt er doch die Annahme machen zu diirfen , oder g a r beweisen zu kdnnen, dafs diese 16 Oew.-Th. Sauerstof nur von 6 Om.-Th. Kohlenstof angezogen werden, dafs dagegen die iibri'gen 6 Qew.-Th. Kohlenstoff kdne Ansiehung auf die 16 Gew.-Th. Sauerstoff w i t b e n .

Der in dieser Annahme enthaltene Irrthurn wird veran- Iafst durch eine gewisse Ungenauigkeit, mit welcher wir urn aaszudriicken pflegen. Wir sprechen wohl von den rslatiuer Qunntitaten, welche einander antiehen; eine relative Quantitlt iet aber nur ein Begrzr, und Begrere ziehen einander iiber- haupt nicbt a n , sondern K'arper ziehen einander an. Die Ewer, welche innerhalb der Molekel einander anziehen, sind die Atome. Die Nolekel des Kohlenoxyds besteht aus sshm Atom Kohlenstaff und einem Atom Sauerstoff. Das Atom ist

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der Atome in der Mohkel. 305

aber unthdlbar *) : daa g a w Kohlmetofatom toiPkt auf das game SametoJatom. Es wirken also Massen auf ein- ander , deren Gewichte sich verhalten wie 12 zu 16, oder wie 6 zu 8; kiirzer ausgedritckt 8 Gew.-Th. Kohlenstoff ziebeo 8 Gew.-Th. Sauerstoff an.

Es ist mir nicht verstiindlich, wie man die Annahme machen kann, dafs in dieser Verbindung 3 Gew.-Th. Kohlen- stoff auf 8 Gew.-Th. Sauerstoff wirken. Man kann nicht an- nehmen, dafs nur ein halbes KohZmstofatom wirke ; es iet widersinnig von halben Atomen, d. h. von Theilen des Un- theilbaren zu sprechen ; halbe Atom wirken nie, weil sie nicht existiren. Dafs die Hdlfts des - selbstverstandlich ungetbeilten - Atoms wirke, kann man allenfalls annehmen, jedocb n u r mit der niindestens hochst bedenklichen Hypothese, dafs e i a Atom ein zwar nicht theilbares, aber auch nicht absolut homo- genes Massentheilchen ist. E r 1 e n m e y e r macht aber gar nicht diese Annahme, sondern die , dafs die E&Zft. dm Qe- wichts des Atoms wirke, und das kann man iiberhaupt nicbt annehmen, weil die HBlfte des Gewichts kein Kiirper, sondern , n u r ein Begriff ist.

Eine Vergleichnng der Anziehung der A t o m mit d e r Anziehung , welche Ewischen grbfseren Massen stattfindet, mbge das gesagte noch kurz erllutern. Wenn man an einen Magneten, dessen Tragkraft 2 k g ist, Sin Kilogramm hhagt, so kann man nicht saget , d e r ha& Hagnet Wage dieses Ge-

*) Unmittelbar anschliefsend an die ebsn citirte Definition ehw

,Ferner klinnen wu mit grbfetmbglioher Bestimmthoit be.

d d r von j& f iment sine besthnmts tmver&v~I~liahe A d r o k k erntanten Aflnkalente zu gleiehcr Z e i t a l r bin chsmirch u n 5 e ~ l e g b o r s r Q o n z c , a l r dtomgemicht iti chmhc?ia Vwbimdmgen sinsefiihrt &dy (a. a. 0.).

Affinivalents ssgt E r l e n m e y e r aelbat :

banpten und 8s 81s allgemsine8 Qeseta auespreohen,

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306 L o s s e m , GCT dde Vertheilvng

wicht. Der Megnd ist nicht untheilbar wie des Atom; theilt man den Mapeten thatsachlich in zwei Wiilften, so knnn man die Tragkraft eines der beiden resultirenden halben Magneten bestimrnen ; sie ist selbstverstiindlich abhangig von der Art, wie die Theilung vollzogen worden ist. Man kann a t e r auch nicht sagen, die Htilfte des Magneten trage i k g ; denn ob der Magnet vie1 oder wenig triigt, immer wirkt der genze Megnet, die Wirkung geht von jedem Theil desselben aus. Wiegt endlich der betreffende Magnet 20 k g , so kann nian bei Belastung rnit i kg Eisen ganz gewifs nicht sagen, dafs 10 kg Magnet und i kg Eisen auf einander wirken.

E r l e n m e y e r ' s Satz ist also falsch. Will E r l e f i m e y e r unter 4 Aequivalent eine constante Cewichtsrnenge verstehen, so zieht t Aeq. Sauerstoff bald 1 , bald 2 Aeq. K3hlenstoff an. Im Wolframpentachlorid ziehen 6 Aeq. Wolfram 5 Aeq. Chlar, im Stickoxyd 2 Aeq. Sauerstoff 5 Aeq. Stickstoff *) an.

s 25. Wie bei Molekeln mit fraiun Afinitiiten, so fuhrt E r 1 0 n m e y e r 's Betrachtungsweise airch dann zu unannehm- baren Consequenzen, wenn inan sie airf Molekelh anwendet, in welchen alle Affinilaten gebunden angenommen werden. Die Molekel CH, enthalt 12 Gew.-Th. Kohlenstoff auf 4 Gew.-Th. Wasserstoff, die Molekel CCI, 12 Gew.-Th. Kohlenstoff auf 142 Gew.-Th. Chlor. Das Gewicht des in diesen Molekeln enthaltenen Kohlenstoffatoms verhalt sich zu dem Gewicht der von ihm angezopnen vier Wasserstoffatome wie 12 zu 4, zu dem Gewicht der von ihm angezogenen vier Chloratome wie i2 zu 112. Statt dieser Zahlen kRnn man bdiebige andere, welche das namliche Verhaltnifs ausdrucksn , setzen ; man kann auch ohne Gefahr eines Mifsverstandnisses abgekiirzt

") 1 Aeq. Gtiakstoff = 2,8 Gew.-Th. nach Erlenmeyer'8 Annahme (Lehrb. d. org. Choin., 8. 42).

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der Atome in der Molekel. 307

sagen, 3 Gew.-Th. Kohlenstoff ziehen 1 Gew.-Th. Wassersloff, 3 Gew.-Tb. Kohlenstoff aiehen 35,s Gew.-Th. Chlor an.

Die Molekel CH&I enlhiilt i At. Kohlenstoff, 3 At. Was- setstoff und 1 At. Chlar. i At. Kohlenstoff zieb! 3 At. Wesserstoff und i At. Chlor an. Auch hier kann man allen- falls sagen, 12 Gew.-Th. Kohlensto@ ziehen 3 Gew.-Th. Was- serstoff und 353 Gew.-Tb. Chlor an ; statt dessen auch 9 + 3 = 12 Gew.-Th. Bohlenstoll', letrteres aber nur mit derjenigen Berechligung, rnit welcher man sagen kenn 7 + 5 = 12 Gew.- Th. oder v i a = 12 Gew.-Th. I k i g aber ist die An- oahme, dafs in dieser Verbindung 0 cfew.-Th. K o h h s t o f 3 cfuw.-Th. Wasserstof, und 3 Oeto.-Th. Kohlenstof 36,6 Gew.- Th. Chlor anziehen. Denkt man sich das untheilbare Kohlenstoffatom absolut homogen, so wirkt das g a m e Kohlen- stoffatom auf das Chloratorn und aul jedes einzelne Wasser- stoffatom. Will man eine Wirkung von TheiZen des .4toms annehmen, so blsibt zu erklaren , wodurch sich diese Theile des Atoms von den ubrigen Theilen des namlichen Atoms nnterscheiden. Festzuhalten is; aber auch hier, dafs t?in Thed des Atoms etwas ganz anderes ist als ein Bmchtheil vom

Qewicht des Atoms. Es wird 06ne weitere Ausfiihrungen klar sein, dafs ich

die Annehrne far unzuiiissig halte, in der Molekel des Acety- tens, HC-CH, wfirden 9 Gew.-Th. Kohlenstoff von 9 Gew.-Th. Kohlenstoff afipezogen nnd zweimal je 1 Gew.-Th. Wasser- stoff yon je 3 Gew.-Th. Kohlensto@.

§ 26. 1st es auch bis jetzt im allgemeinen kaum mbg- Iich , ein zurerlassiges blab der Stiirke, init welcher zwei ktome einender enziehen, anzugeben , so scheint mir docK Er len m e y e r ' s Anschauung wenigstens in manchen Fallen zu der eigentbiimlichen Consequenz zu fuhren, dafs die gegan- seitige Anziehung gr6fserer Gewichtsmengen erbeblich schwii- cher ist als die geringerer. Die Formel der Blaustiure

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3m L o s s e n , 4ber dw Vertheilung

schreibt E r l e n m e y e r CN$I *); er nimmt also an, dafs in dieser Molekel 9 Gew.-Th. Kohlenstoff von 8,4 Cew.-Th. Stickstoff angezogen werden ; in der Methylaniinmolekcl, CHSN1,Ha **), ziehen dagegen 3 Gew.-Th. Kohlenstoff 2,8 Gew.-Th. Stickstoff an. Trotzdem trennt sich das Kohlen- stoffatom dcr Blausiiure von dem Stickstoffatom, welches mit dernselben verbunden ist, viel leichter, als das Kohlenstoffatom des Methyiamins von dem Stickstoffatom desselben, z. B. durch Einwirkung starker Basen oder Sauren. - Es ist ferner 6fier darauf hingewiesen wordcn, dafs beim Schmelzen der Sluren der Reibe C,Ha,,,O~ mit Aetzkali gerade diejeiiigen Kohleir- stoffatome sich von einander trenner,, welche nach E r I e n - m ey e r mit 2 Aequivalenten auf einander wirken.

Auf Betrachtungen der letzteren Art ist nicht zu viel Gewicht zu legen ; man kenn auch wohl Beispiele finden, daf8 zwei Atome , welche durch sogenannte mehrfache Bindung mit einander vereinlgt sirid, sich schwer von einander trennen

S 27. Die Ansichten E r 1 en m e y e r 's scheinen mir nicht wesentlich verschieden 2u sein von denjenigen einiger enderen Autoren, welche den WmtA eines Atomsabkmten ausden Vcr- haltnib des Atmgewichts zu dem Aepivalentgewicht. A. W . H o f m a n n **+) leitet die WarthigkeitscoefGcienten , welche die Werthigkeit der einzelnen Elemente ausdriicken , einer- oeits ab aus der Zahl der Wasserstoffatome, welche sich mit Sinem Atom der verschiedenen Elemente verbinden ; andrer- ssits erhllt er die namiichen Coijfficienten, iodem er die Atom- gewichte der Eiemente durch deren Aequivalentgewichte divi- dirt. -- Meines Erachtens sind diese beiden Werthbestimmungs-

*) a. a. 0. S. 139.

**) Darrelbst 8. 101.

a**) Einleit. in d. mod. Chem., Cap. XU.

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der Atme in der Molsksl,

methoden principiell von einander verschieden. Die erste fiillt wesentlich zusammen mit der Bestimmung des Werthe, welche ich nach 58 14 uiid 15 far consequent durchfiihrbar halte. Nur von der zweiten, welche auf der Division des Atomgewichts durch das Aequivalentgewicht beruht, sol1 hier die Rede sein.

Dafs die nach beiden Methoden abgeleiteten Werthigkeiten der Elemente mil einander iibereinstimmen , ist keineswegs nothwendig, sondern bedingt durch die von H o f m a n n willkiir- lich gewiihlten Aequivalentgewichte. H o f m an n selbst schreibt ein urrd demselben Element werschiedene Aequivalentgewichte zu *), giebt nlso zu, dafs das Aequivalentgewicht keine constante GewichtSnienge ist. Die Aequivalentgewichte definirt H o f - m a n n als ,,die atombindenden Minimalgewichte der Ele- mente" **); er spricht von den ,,Gewichtsmengen , welche zur Bindung mhes Atoms Wasserstoff erforderlich sind" ***). H o f m ann gebrctucht nicht den Ausdruck Affinitiitseinheit, kommt aber bei Betrachtung der verschiedenen Sauerstoff- verbindungen des Stickstoffs zu dem Schlufs, ,,es hiitten sich in dem Stickstoffoxydulmolecul zwei Bindekriifte des einen Stickstoffatoms mit zwei Bindekraften des andern ins Gleich- gewicht gesetzt' f.), und nimmt an, im Molecul des Stick- stoffoxyds und der Untersalpetersiiure bleibe ein Theil der Bindekraft des Stickstoffatoms ungesiittigt ++).

Wiihrend E r I e n m e y e r eine Affinitiit eine constante Gewichtsmenge nennt, bezeichnef H of m a n n mit einer Binde- kraft eine von einer constanten Gewichtsmenge ausgehende Kraft.

*) a. a. 0. 6. 216.

**) Daeelbst S. 273.

W*) Daselbst 8. 269.

t) Daselbst 5. 289.

It) Daeelbst 8. 290.

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910 L o 9 sen , Ubcr dis Verthet'lung

28. 8 u 1 I e r o w , dessen theoretische Betrachtangs- weise im allgemeinen derjenigeh E r I en m e ye t ' s sehr ahnlich ist, nilhert sich mehr dieser Anschauung H o f m a n n's, indem er als ,,Einheit der Affinittitsgrofse die Amnitat des Wesser- stuffs oder anderer univelenter Korper , oder , wes desselbe ist , dasjenige Affinitiitsquantum , welches iiberhaupt einem Aequivalent cukommt' *I, definirt. An einer andern Stelle sagt B u t l e r o w : ,,Nit dem Namen der Affioikitseinheit be- zeichnen wir bedingungsweise die Ursache , - die Kraft, welche - einem Atome gehiwend, - hei der Vereinigung dieses Atoms mit einem Atome solcher (einatorniger] Elemente, die mit einander nur im Verhdtnisse 4 : 1 sich verbinden - thgtig is(" **).

gin wesentlicher Unterschied awischen diesen Ansichten H o f m a nn '8 und B u t I e r o w 's und den bereits besptochenen Ansichten E r I e n m e y e r 's scheint mir nicht vorzuliegen, weshalb auch die gegen die letzteran erhobenen Einwendun- gen den ersteren geqenubrr bestehen blciben **;@).

*) Lehrb. a. org. Chcrn., 9. 29.

**) Zeitechr. f. Chem. und Pharm. 1862, 299. a**) Meinee Ersuhtens erhebt Hofmann selbst wenigetenn e h

Theil der von mir erhobenen Einwibde, wecn er (a. a. 0. 8.271) sagt : ,,In &em Gruhengasmolocul i s t das Kohienstoffstom mit nicht weniger ale 4 At. WasserRtd vorbunden. Denken nir uns die Anziehung gleichm#fsig uber des Kohlen~toffatom ver- theilt, 80 ist zur Bindung v m 1 A?. Waseerstoff nicht rnehr 31s der vierte Theil des Kohlenstoffatoms erfotderlich, wenn man iiberhaupt von Theilen eines Atoms sprechen diirfte. Lesen wir statt Atomgowicbte wioder Verbindiingsgewicbte , so diirfcn wir mit vollern Rechtc sagen : eur Rindnug von 1 Kth. Wa~serstoff

sind - = 3 Klb. Kohlcnstoff erforderlich." Wenn ich dos

richtig versteho, sr) beifst das doch, dab man nicht von einer Anziehung, die v m einem Tbeil eines Atoms ausgeht, sprechen Sann, also gewih noch vie1 wenigrr yon einor .bzirhung, wdchu von einem T h d des Gowickts des Atoms autcgeht; dafs man

19 4

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dar Atome in & Molehl. 311

Q 29. In L. M e y e r '8 Modernen Thtorien der Chmnie hshe ich verpblich naoh einer eigentlichen Definition des Begriffs einer Affinitatseinbeit gesucht. Der Werth eiries Atoms druckt die Summe der demselben mgeschriebenen Affinithten BUS, allein BUS der Kenntnirs der Anzahl voo Ein- heiten, welche in einer Summe enthalten sind , ergiebt sich nicht die Kenntnifs der einzelnen Einheit. - L. M e y e r defi- nirt den Werth folgendermafsen :

,,Ah chmischen Werth bezekchnen wir &is Verhaltnifs dea Atomgtnckhts zurn Aeguiualentgewichte ; der ohemieche W m t h &t a180 eine r a k e Zahl, und aurar, wie die Er f eh - rung gelehrt ha t , stets eine rationale Zahl. D b e l b e giebt a n , wie vielmal das Aequivalentgewicht des batrefenden Elements in Yeinem Atomgewichte enthalten id' *).

L. M e y e r betrachtet den Werth als constant, er mufs deher auch das Aequivalentgewicht als constant betrachten. Er giebt mehrfach Definitionen des Aequivalentgewichts.

,, W i r nennen gla'chwerthig odor aqudvalent jet& die Qunntdaten verschiedener E h e n t e , webhe dieeelbe Anzahl unter sich nicht verbundener Atorne eintw oder rnehrer an- derer Edsmente zu binden vemogenu **). Hier wird also ebenfalls eine Wirkung einer Quantitut auf Adme ange- nommen *M). Wenn L. M e y e r weiter sagt, man ,,bezsichnet

daher, wenn man von der Anziehung von 8 Gew.-Th. Kohlen- stoff auf 1 Gew.-Th. Wasserstoff spricht, nichts weiter sagcn will, a18 d a h das Gewicht der auf einander wirkenden Moreen sich verhalte wie droi zu eins, uud daher gar lzichta aussegt iiber die Wirkun? der Atome auf einander. - Giebt man dieb zu , 80 kann m n i die Aequivalentgezoichle nicht a!orn!k&n& Minimalgewichte ndnnen, und nicht von den Gewbhtsmengen, welche aur Bindung einus Atme erforderlich eind, sprechen.

*) Mod. Theor. Q 125, I!!. 244.

**) R. a. 0. Q 125, 8. 246.

***) Nach meiner Aufhsungsm a i m wiirde der Sata richtig sein, wenn er lautete : Wir nennen $eichwerthig diejenigen Atome ver-

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312 L o 8 s e n, iiber die Vertheilung

als AequivaEentgewicht sines Elements diejenige Quantitat dseeelben , welche einem A t m e Wa.*ser8tof g&chwerthy i s P *), so mufs es meine:. Ansicht nach heifsen, ,welche einern Gewichtstheil Wasserstoff gleichwerthig ist" ; dann sag: der Satc aber nuch nichts mehr Cber die Wirkung der Atonie auf einander aus, also aucb nichts, WRS mi: dem Werth der Atome zusarnmenhtlsgt. - SelbstverEtiindVch kann man bei Betrachtung der Wirkung der Atorne auf einander die Ge- wichte der Atome mit einander vergleichen; da aber niemals Bruchstiicke eines Atom wirken, so hat man imrner nur Ge- wichtsmengen mit einander zu vergleichen , welche die Ge- wichte ganzer Atome oder Multiplr derselben nach ganzen Zahlen reprlsentiren, nicht .4equivalentgewichte, welche mei- stens Bruchtheile der Atorngewichte sind.

As einer anderen Stelle **) sagt L. Meyer , &ah nu- solehe Quantdaten verschiedener Elemmte ale wirkZich gEeicirwerthig oder iipuivalent gelten, welche eine gleiche Anzahl von Verwandtschaftseinheiten auraern, d. h. gleiche Nengen anderer Stofe uirmittelbar und oAne Vermittlung drittw zu binden vermiigen..'

Nach dieser Definition sollte man denken, dafs nach L. M e y e r 16 Gew.-Th. Sauerstoff lquivalent sind mit 14 Gew.- Th. Stickstoff und 12 Gew.-Th. Kohlenstoff, denn 16 Gew.-Th. Sauerstoff binden 16 Gew.-Th. Sauerstoff in der Molekel 01, 14 Gew.-Th. Stickstoff in der Molekel NO, 12 Gew.-Th. Kohlenstoff in der Molekel CO, und zwar unmittelbar und ohne Vermittlung dritter. 5. Meyer nimmt aber im Stick- oxyd und Kohlenoxyd freie Verwandtschdten an, das Kohlen-

schiedener Elemente, welche diesolbe h a h l nntsr eioh oicht rerbundener Atame direct m binden rerm6gen.

*) a. 0. 0. Q 125, 8. 246.

**) a. a. 0. Q 127, 8. 849.

Page 49: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

der Atome in dar Molekel. 3i3

stoflatom in der Molekel CO uuf'ert n u r ewei Verwandtschafts- einheiten, nur die HiilRe seinEs Gewichts bindet das grnze Gewicht des Sauerstoffalonis, obwohl ein untheilbares Kohlen- stofffitom auf eiri untheilbares Sauerstoffatom wirkt.

Die zoletzt gegebene Definition aquivdenter Quantitaten schliefst iitrigens meines Ernchtens nothwendig die Annahme ein, dafs eine Verwandtschttftseiri heit eine constante Qiiantitiit, oder eine vori einer constantcn Quantitat ausgehendc Wirkugg ist ; somit fallen 1,. Me y e r's Ansichten wesentlich zusainmen mit den friiher betrachteten. Dn L. M e ye r auch die Aniiahme zulafst, dafs ein Atom ,,stirliere und schwachere AffinitiitenU 0 )

besitzt, so kbnnte man folgern, dafs er annimmt, bei der Wirkung eines Atoms auf ein oder tnehrsre andcre Alome kiinnten gleich grofse Bructitheile vom Gewicht des Atoms verschieden stark betheiligt sein. -

Die Annahme von Affinitaten , weiche cntweder con- stante Gewichtsmengen oder von constanten Gewichtsmengeo ausgehendc: Wirkuogen sind, beruht rneines Erachtens darauf, dafs wir auch noch heutzutsge die Begriffe des .&torn- gewichts und des Aequivalentgewichts nicht streng genug auseinander halten. Die chernische Wirkung der Kbrper auf einander kann entweder aufgefast werden als eine Wechsel- wirkung theilbarer Massen oder als eine Wechselwirkung untheilbarer Massen. Aepuivatent- oder H&chungsgmichte sind relative Gewichte theilbcwer Massen, Atomgewichte rela- tive Gewicht unthdharer Massen. Nehmen wir iiberhaupt die atomistische Hypothese an, so wirlien innsrhalb der Molekel nur Atome auf einander ein ; die Atomgewichte sind die rela- tiven Gewichte der auf eirrander wirkenden KGrper. Die Aequivalentgewichte - soweit sia von den Atomgewichten verschieden sind - sind nicht die rdativen Gewichte der --.

*) a. a. 0, 0 135, S. 261.

A n d e n der Chemle 204. Dd. 2i

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314 L o o r e n , iibar die Pstt?dung

auf einander wirkenden KGrper, sondern die relativen Ge- wichte gedaohter Summen oder Bruchtheile dieser KBrper. Xhper, deren relative Gewichte die Aequivalentgewichte when, wirken innerhalb der Molekel nkht auf einander ein.

Das wichtigste Ergebnifs der typischen Anschau- ungsweise war die Auffassnng der Wirkung der sogenann?en typisahen Atome als Wirkung untheilbarer Massen. Es war ein wichtiger Schritt vorwiirts, als K e k u l e die Wirkung eines jeden einzelnen in der Molekel enthaltenen Atoms in Betracht zog. Uad doch hat K e k u 1e meines Erachtens Gacb noch nicht vollstlndig genug unterschieden zwischcn der Wirkung theilbarer und untheilbarer Massen. Wenn er an- nimmt, dafs im Kohlendioxyd COP je zwei Affinitriten der heiden Sauerstoffatome je zwei Afinitiiten des Kohlenstoffatoms shttigen, so ist hier nicht mehr ausschliefslich van der Wir- kung der Atome, der untheilbaren Massen, die Rede, sondern daneben noch von einer Wirkung der Affinitiitseinheiten.

Hine Definition von Ahitiitseinheit finde ich in K e k u 1 gs Lehrbuch nicbt. Dafs er darunter ebenfalls einc! bestimmte Gewichtsmenge, oder eine von einer solchen ausgehende Wir- kung verstanden hat, schliebe ich aus der Erklarung, welche er von dem Aequivalent giebt; unter anderem nus den SBtzen :

,,Men spricht z. B. von Ea’nem Aequivaient Sauersto5 oder von &nem Aep&alent Schwefelslure Od8r von &nenz. Aquivakmt Phospliorsiiure. Auch dabei vergleicht man stets (in der Idee wenigstens] den in Rede stehenden KBrper mit einer andern einfacheren Subsranz, mit weicher er gewisse Aehnlichkeit hat und die bei dem Vergleich als Einbeit vorsch webt.

I Aeq. Sauerstoff ist z. B. die Menge Sauerstol?, welche mit 1 Atom H oder mit I Atom C1 iiquivalent ist; da nun i At. Sauerstoff = 0 aquivalent ist 2 At. H, oder 2 At. C1,

S 30.

Page 51: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

der Atome in der Molekel. 315

so ist At. Sauerstoff = O1JS aquivalent i At. H , oder i At. C1; d. h. O1JP ist Ein Aequivaient SauerstolP *).

bleiner Ansicht nach vergleicht man nicht die in Rede stehenden R5rpe.r mit einer einfacheren 8ubstan2, die bei dem Vergleich als Einheit vorschwebt, sondern man vergleicht eime bestimmte Gewichtsmenge eines K6rpers mit einem Be- roichtstheil eines andern. Und wenn wir nuch herkomm- licherweise das Atomgewicht des Wasserstoffs I i setzen, so sind 8 Gew.-Th. Sauerstoff doch nicht aquivalent mit e i n m Atom Wasserstoff, sondern mit ahem Qewichtstheil Wasser- etoff. Auch ist Atom Sauerstoff nicht aquivalent i Atom Wasserstoff, denn lJP Atom Sauerstoff wirkt niemals, ist also auch nicht eineni Atom Wasserstoff gleichwirkend.

31. Obwohl gerade K e k u 1 e zuerst betont hat, dafs man bei Betrachlung der Constitution der clieinischen Verbindungen bis auf die eiiizelnen Atonie zuriickgehen miisse, Enden sich in seinem Lehrbuche einzelne Ausfuhrungen, welchc die Art, wie die Atome sich zur Molekel vereinigen, in nicht ganz richtigem Licht erscheinen lassen; z. B. die bekannte Stelie, in welcher er die chemische Natur und die Vicrwerthigkeit des Kohlenstoffs darlegt **) :

.Jktrachtet man nun die einfachsten Verbindungen des Kohlenstoffs, aus welchen offenbar am chesten Schliisae itber die chemische Natur dieses Elements hergeleitet werden khnen, namlich :

Grubengas CHI

Chloroform mas Chlorkohlenstoff CCI, KohlonsBure CO,

Methylchlorid CH&l

I

"j Lehrb. d. org. Chon. I , S 185, 8. ill. - Man vergleic.ha du ganze Capitel.

*) Lehrb. d. org. Chem. I, 5 270, S. 161.

21 *

Page 52: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

316 L o s s e n , itcer die Vmthea7ung

Phosgengas COCI, Sahwefelkohlenstoff CS, Blauslure CNH Chlorayan mcl u. 8. w.,

so fallt es auf, d a b mit der Menge Kohlenstoff, welche friiher a h die geringst mbgliche, d. h. als Atom er- kennt wurde, stets wkr Atome eines eahatomigsn oder awsd Atome eines eureiatomigen Elements verbunden sind ; dafs allgemein : die Bumme der chemisehen Bin- heiten der ma3 eZ:nem Atom KohZmstof vmbundenm

Diefs fiihrt uns zu der Ansicht, dafs der Kohlen-

Der Wortlaut dieser Stelle ist offenbar geeignet, die Vorstellung zu erwecken, dafs in a l h Molekeln, welche nur eih Atom Kohlenstoff enthalten, die Summe der Afiinitiitsein- heiten aller iibrigen in der Molekel enthaltenen Atome = 4 sei, und dafs deshalb die Zusammensetzung jeder solchen Yolekel den Beweis fur die Vierwerthigkeit des Kohlenstoff- atoms liefere. Dafs die Stelle so aufgefafst wird, darf man wohl daraus schliefsen, dafs eine ganze Reihe von Autoren nach K e k u 1 c! den namiichen Cedankengang immer wieder mit wesentlich den niimlichen Beispielen erhutert **). -

Atoln0 = 4 bt.

stoff vieratonzig oder vierbasGch ist' *).

+) In einer Anmerkung hebt K e k u 18 hervor, d d s das Kohlenoxyd CO mit dieser Ansicht nicht in Uebereinstimmung stehe, wenig- stons nicht, wenn man nur geschloseene Atomgruppen annehmen wolle.

**) But l e row, Lehrb. d. org. Chem. 8.20; Gornp-Besanec, Lehrb. d. org. Ch. (4. A d . ) 8. 29. - Fittig, Unorgm. Ch. (1871), 8.183 S c h o r l e m m e r , Lehrb. d. org. Chem. (1871), S. 9; v. R i a h t e r , Lehrb. d. anorg. Chem., 2. Aufl, S. 181; N a n m a n n , Glrundlebren d. Chem. S. 42; M i c h a e l i s , G r a h a m - O t t e ' s auefUhrl.Lehrb. d. nnorg. Chem. S. 112; W u r t z , Lepons d. philos. chim. 8. 182; In seiner Th6orie atomique (2. Aufl., S. 164) ftihrt W u r t s nu? einige der von K e k u l d gegebenen Beispiele an und Mhrt dam

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der Atme in der Motdcel. 317

Streng genommen sagt K e k u l 8 das nicht ; er spricht nicht von denjenigen Molekeln, welche nur &n Atom Kohlenstoff enthalten , sondern von den einfachsten Kohlenstofverbin - dungen, ohne zu erkllren, was er unter eikfachsten Kohlen- stoffverbindungen versteht. Verbindungen , welche aufser Kohlenstoff nur noch ezh anderes Element enthalten, hat er nicht gemeint. Nach den von ihm angefiihrten Reispiclen scheint er unter den einfachstee Kohlenstoffverbindungen eben gerade diejenigen zu verstehen, in welchen die Summe der Affinititen aller mit ahem Kohlenstoffatom zur Molekel ver- einigten Atorne = 4 ist. Das kann aber kaum als zulassig gelten, da es sich ja grade erst um die Entwicklung des Wertlies des Kohlenstoffatoms handelt. Eine objectivere Fragestellung mufs dahin gerichtet sein, welche Atome iiberhaupt mit einm Atom Kolilenstoff sich zu einer Molekel vereinigen. Molekeln, deren Zusammensetzung die Beantwortung dieser Frage ge- stattet, sind z. B. die folgenden :

CO, CH,, CH,CI, CHC18, CC14, CO,, COG, C O a , Co& CNH, CNH,, CNOIH8, CS,, CSH,, CSO,Cq, CN408*).

Aus dieser Zusamrnenstellung ergiebt sich : 4 ) Die Summe der Affinitlten der mit e i n m Kohlenstofl-

atom verbundenen Atome ist eine gerade Zahl, wechselt aber Ewischen weiten Greaten. Von zwei - itn Kohlenoxyd - steigt sie bis weit iiber vier hinaus.

21 Will man annehmen, dafs in allen diesen Molekeln das Kohlenstoffatom mit vier Affinitlten wirkt, so muf' man annehmen, dafs nicht immer siimmtliche Affinitlten der neben ~-

fort : J'en paaae; Is liete des oomposb dont il s'agit eat loin d'8tre complbte, mais la ddmonatration eat trop connue pour qu'il soit ndcessaire d'insister.

*) Die Dampfdicbte des Tetranitromethans id LWU nicht beetimmt. Die Znsammendzung und der Siedepunkt 126O Mst konm be- zweifdn, defs die Formel der Molekel C(NO*), ist.

Page 54: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

3iti L 0s 8 en , iiber di6 Vertheilung

dem Kohlenstoffalorn in der Molekel enthaltenen Atome durch Afinitateii tles KohlenstolFatoms gebunden werden. - Diese Annahmz wird allgerneir. gemacht.

Es folgt &er auch : 3) Dafs man die Vierwerthigkeit des Kohlriistoffatoins

nicht aus der Zusamrnensetzung der Molekeln COP *), CNH, COClp u. s. w. ableiten kann. Man kann sich ebrn so g u t den Ausgleich der Affinitaten in den blolekelri CUP und CNH

0 etwa in der durch die Formeln : C< I und : C=N-€1 angedeu-

0 teten Weise vorstellen *+). Man macht rnit Aufstellung dieser

*) Mit 0, verbiridet sich zu einw hfolckel ein Atom der allerver- schiedensten Elemente; die Molekeln ClO,, OO,, SeOl, NO,, CO, reprbentiren die sauerstoffmichsten Verbindungen der be- treffendeu Elemeutc, deren Molecnlargewicht bestimmt ist. Wia kaun da die Verbindung mit 0% den Werth des rnit 0, verbun- denen Elements beweiseri 1

") Es lassen sich auoh Griinde fur die Aumhme dieser Fornieln

beibringon. Die Formel der Blauslure cg entspricht der

Formel der Nitrile CEf: , die Formel dcr Blauslure :C=NH

dagegen derjenig-n der Carbylamine : C=NR. Mit beiden Klaesen von Verbindungen hat die Blausliure RO grobe Aehnlichkeit, dab man kaum einer der beiden BlsusEureformeln einen Vorsug

einrltumen kana - Die Formel :C'! nimmt in der Kohlen-

dioxydmolekel eine ringformige Bindung an ; es 1st daher ein In- thum, wenn 0. E. Meyer (Kinet. Theor. d. Gase, § 97, 8. 216) meint, der cheniische Werth dor in diever Molckel edhaltenen Atom6 widerspreche dieser Annahme. Will man mit 0. E. Me y e r sich eine ebene ,. aber nicht geradlinige Ausbreitung dieser MO-

O lekel vorstellen, so entspricht meines Erachtens die Formel C'

dieeer Torstellung am besten. Nach dem chemischen Verhalten des Kohlendiuxyds haben wir keine Veranlassung zu der h- Dahmo, Cab eines der beiden Sauerstoffatome anders von dem

0

'0

\b

Page 55: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

dev Atome in der Molekel. 329

Formeln keine andern als die bereits in 1) und 2) gemach- ten, ohnehin per nicht zu uingehenden Annahmen *).

S 32. Beweisend fijr den Werth eines Elements ist die Zusammensetzung derjenigen Molekelri , in welchen ein Atom desselben nur mit einwerthigen Atomen verbunden ist,

Kohlenstoffatom angezogen wird aIs das andere. Der Annnhme, dafs die Sauerstoffatome auecichliefsslich von den Kohlenstoffatomen angeeogen warden, ohne eine b i e h u n g auf einander zu Xul'sern, enteprlicho wohl am einfachsten die Vorstellung einer linearen Ausdehnung der Molekel, wie 0. E. M e y e r sie fiir die Wasaer- molekel H-0-H anriimmt (a. a. 0. S. 214). Die Vorstellung einer nicht geradlinigen Anordnung ohne Annahme einer Ein- wirkung der beiden Sauerstoffatome auf einander v e r t r w sich achwer mit der einstweilttn noch zultlssigon oinfachsten Annahme, dals dio Gestalt der Moiekel nur durch die Pubstam uad die Mamo der drei Atome bedingt sei und wardo meines Erachtens kaum die weitorgehende Hypothese umgehen laeaen, dafs die Qe- stalt der Atome von wesentlichem Einflufs auf die Gestalt der Molekel sai.

*) Man glauEo doch nicht, dafs man noch irgend etwas fitichhaltigee gegen die Annahme von wenigstens mwei fieion Affinititten dee Kohlenstoffatomrr in einer beliebigen Aneahl yon Molekcln vor- bringen kann, sobald man dieselben einmal im Kohlenoxyd an- rrehmen muL. Dio UnmBglichkeit , ein Geuetz anzunehmen, nach wdchem ein Atom Kohlenstoff hmer mit vier Affinitlrten r i rk t , wird - wie bereits K o k u l 6 (Lehrb. d. org. Chem. I, 5 270, Anm.) hervorgehobon hat - vBUig bewiesen dnrch diem eine Anenahme, derbn Beveiskrsft gewifs nioht aus der Welt geschafn w i d durch den Ton v. R i c h t e r ausgesprochenen, mir YOU- stlrndig nnversthdlichen Sntz : .cweifellos wird abcr die Exi- stenz dieser Verbindung durch die Natnr des Sauerstoffs be- dingt" (Lehrb. d. org. Chem. (lSi'S), 9. 23). - Der hlruqg auf- gestellte Satz, in der Mehrzahl aIler Molekeln rei jede Affinitlrt durch eine andere gesllttigt, iat unrichtig. Man kann hijchstens behaup?en, d a b man diese Annahme machen kmn. Die M6g- lichkeit derselben folgt einerseits darnns, d a h der Werth eines Atoms immer nnr eine relativ kleiue Zahl ist, andremeits daraus, dafs die Amah1 der unpaarwerthigen Atome in den meisten Moleheln eine gerade ist. Daraas aber, dafs diem Annahme ge- macht werden kann, f d g t nioht, dafs sie gemacht werden mufk

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320 L o o r e n , uber die Vertheilung

da die M6glicbkeit einer neben der Verbindung mit dem mehr- werthigen A t o m stattfindenden gegenseitigen Bindung der einwerthigen Atome ausgeschlossen ist. Indessen kann dei Wer th doch auch aus cornplicirler zusammengesetzten Verbindungen abgeleitet werden ; die einwerthigen Atorne kiinnen ersetrt werden durch unzweiftdhaft ciilrverthigt: Rdicaiz . So leitet man den Wer th des Bleies a!) aus der Verbindung PbCCHa),, so sind die Verbindungeti Sri[-C2I&,h und Si(OC2H5)4 vollgiiltige Beweise fur die Vierwerthigkeit des Zinns u i i l Siliciums. Man nwfs in diesen Molekclrl Blei, Zinn und Silicium vierwttrthig annehmen, wtmn man nicht dem Kohlenstoff, SauerstofF oder Wasserstoff einen aodern Wertli als der! gewobnlich iinge- nommenen beilegen will.

Man kann nllgerneirier sagen , beweisend fiir den Werth eines Atoms ist nur die Anzahl der A t o m , welcho direct mit dernselben verbunden ist. Dns wird auch von anderer Seite, theils stillschweigend, theils ausdriicklich *) anerkannt.

Wenn das Aequivalentgewicht zur Bestimmung des Wer ths benutzt wird, so beruht der darauf, dafs die Bindung d n e r gewissen Amah2 VOR Atomen durcli ain Atom verwechselt wird mi! der Bindung gewisser Gewichtsnzengen durch eine dern Atomgewicht proportionale Oewichtsmenge *a).

*) Man rergleiche L. Meyer , hlod. Theor., 9 137, S. 249ff. **) Eine mit Mischungs- oder Aeqnivalentgewicbtszoichen geachrie-

bene tationello Formel kmn hBchstons eine Umsctzungsformel sein, also ein Ausdruok fiir gewisee Zersetzungen, welche eine Verbindung erleiden kann , niemsls ober eine sogenannte Con- stitutionsformel oder eine Formel, welche irgend etwrrr iiher dir Urnache des Verhaltens einer Molekel auusagt. \Venn in der Formel C,HH,. @H dio einzelnen Buchstabon nur die Bedeutung relativer Gewichtsmengon der durch sie bezoichnetdn Elumente besiteen, so kaim die Formel allenfdls ausdrticken, dafs bei manchen Reactiomn 16 Grew.-Th. Bauarstoff maammen mtt i Gew.-Th. Wasserstoff, oder d a b 24 Gew.-Th. Kohlens?off su-

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der Atoms in &r HoZekeL 321

S 3s. Eine ganz ahnliche Verwechselung findet stett, wenn m a n die Pahigkeit eines Atoms, eine gewisso Anzahl von Atomen direct au binden, identificirt mit der Flhigkeit desselben, cine gewisse Anzahl von Atomen zu vertreten.

Nach A. N a u m a n n *j ,versteht man unter Werthiggkeit 0d-w VaZenz der EZemente das Vermijgen j e eines Atoms

derselben, edne gewisse Anaahl Binwerthiger Atome au binden oder in Verbindungen zu vertreten."

Soweit der Satz von Vwtretung einwerthiger Atom8 spricht, ist er meines Brachtens nicht genau gefafst. Ver- gleicht aim CH,, NHS und OH, mit CO, KO und O e , SO

ersieht man, d a b ein Atom Seuerstoff vier Atome, drei Atome oder zwei Atonie Wasserstoff vertreten kann. Als Vertretttng $ m i ein sehr verschiedenartig stattfindender Ersatz aufgefafst werden. Wollte aber N a u m a n n setzen, das VermBgen eine bestimnite Anzahl von einwertttigen Atornen zu vertreten, unter welchen sich keine befinden, die bereits durch ein mehrwerthigos Atom mit einander indirect verbunden sind, dann wiirde ich dieser Definition zustimmen ; diese Art der Vertretutig ein-

sammen mit 6 Clew.-Th. Wasserstoff aus der Verbindung anstreten. Untar dorselben Voraussetzung Bind die Formeln CaH,O. H, und CaH,.OH, etenso berechtigt; such Bas ihnen kann man er- sehen, welche Ctewichtsmengen bei manchon Reactionen gemein- echaftlich am der Verbinduug austreton, oder zur Bildung der Verbindung erforderlich siud. - Sol1 aber die Formel CPHI.O€I etwas uber die unzersetzto Molekel ausaagen, dann miisaen dim Bnchstaben mehr ensdriicken a h relative Qewichtsmengen. Denn did8 ein Sechstel von dom Gesammtgewicbt des in der Molekel enthalteuen Waaserstoffs anders in darselben eathalten iet, ale die iibrigen fiinf Sechstol iet nur dam mbglich, wonu diflcrete Massen von Wassemtoff in der Molekel enthaltan sind. Eine rationella Formel, welche mehr sls Omseteuu@formol a e h roll, kann daher nkht mit Aeql~valentgewiohteichon , sondorn nut mit Atomgewichteceichen geschrieben werden.

') Die Grtzndlehmn der Chemie 8. 42.

Page 58: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

werthiger Atonie fiiilt Rber zusammen mit der Bindung einer Anzahl von Atornen (nicht Affinitaten).

W i e mdn den Wer th auf eine bestimmte, scherf pracisirto Gleichwerthigkeit oder Aequivalenz eurtlckfiihren kann, das driickt A. W. II o f m a n n in folgender Stelle sehr richtig aus :

,,Die Ausdriicke Werthigkeit, ein-, awsi-, drei- und vier-

werthig, welche uns die Atombindekraft der Elemente und die verschiedenen Grade, in Jenen sich diese Kraft bei den ein- zelnen Elementen lufserst , bezeichnen, e n t s t m m e n einer Be- trachtung , welche die Leistungsftihigkeit der Atome far die Verrichtung einer gewissen Arbeit init einander vergleicht. Die z u verrichtende Arbeit ist in den eingehend besprochenen Beispielen die Ueberfiihrung des Wasserstoffs in Verbindungen. W e n n wir finden, defs ein Atom Chlor uns dieses Geschan fiir ein Atom Wasserstoff besorgt, die Atome des Sauerstoffs, Stickstoffs und Kohlcnstoffs bezichungsweise zwei , drei und vier Atome Wesserstoff in Verbindungen verwandeln, so sagen wir, die genannten Atome haben die tweifache, dreifache und vierfache Leistungsfahigkeit des Chloratoms ; sie haben fur diese Arbeitsverrichtung den zweifachen, drei- und vierfachen Wer th , eine Anschauung, welche in den Forrneln

HCI’, lIfOL1, H,NXx1 und HcCXV einen klaten Ausdruck findet. Hier ist die verschiedene Lei- stungsfahigkeit unserer vier typischen Elementaratome darch die wachsende Zahl der Wesserstaffalome gemessen , welche dorch die Elementaratome in Verbindungen ubergefiihrt wer- den‘ *).

Meines Erachtens mufs man den Schlufssatz dahin verall- gemeinern, dafs die Leistungsfahigkeit eines Atonis zu messen ist durch die Anzahl beliebiger Atome, welche dasselbe direct

$ 34.

*) Einl. in d. mod. Chem. 277.

Page 59: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

der Atome k dsr Moolekel. 323

zu binden vermag. Das Kohlenstoffatom ist vierwerthig, weil es vier, dw Sauerstoffatom zweiwerthig, weil es zwei , das Radical CHs zweiwerthig, weil es zwei Atome direct zu bin- den vermag. Die Verbindung CH20 kann ihrer Zusammen- setzung nach aufgefafst werden 111s CHI, in welchem zwei Atome Wasserstoff durch ein Atom Sauerstoff, oder AIS HpO, in welchem zwei Atome Wasserstoff durch das zweiwerthige Radical CHY ersetzt sind. Allein die in der Bindung einer bestimmten Anzahl von Atomen bestehende Leistung ein- zelner Atome ist bei diesem Ersatz nicht unverindert ge- blieben. Das Kohlenstoffatom bindet in CH,O nicht mehr vier Atome, wie in CHI, sondern nur drei Atome, das Sauerstoff- atom bindet nicht mehr zwei Atome wie in H,O, sondern nur ein Atom ; die ganze Molekel ist nicht mehr wie die Molekeln CH4 und HsO, als deren Substitutionsproduct sie aufgefafst werden kann, unfahig, eine weitere Anzahl von einwerthigen Atomen zu binden; sie ist zum zweiwerthigen Radical ge- worden, und zwar gerade deshalb, weil die in ihr enthaltenen mehrwertbigen Atome nicht das leisten, was sie in CH4 und HsO leisten. Verbindet sich CHsO mil Hs zu CH,O, so leistet in der letztern Molekel dRs Kohlenstoffaton wieder das, was es in CH,, das Sauerstoffatom wieder das, was es in HsO geleistet hat; das erstere bindet vier, das letztere zwei Atome.

s 35. Bei dieser Betrachtung ist freilich nur mehr von Gleichwerthigkdt oder 8quivalenterWirkung deratome die Rede, nicht mehr von der Wirkung beliebiger mit einander verglichener Massen. Bei Betrachtung der Wirkung der Atotne innerhalb der Molekel auf einander kann man meines Eraclitens den Begriff Bquivalenter Gewichtsmengen ganz entbehren , ja man schliefst ihn, u m Verwirrung zu vermeiden, besser aus, weil, wie bereits oben bemerkt wurde, K6rper, deren relative Ge- wichte die Aequivalentgewichte sind, in der Molekel iiberhaupt

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324 Lossan , ilbm d63 Vartheilung

nicht auf einander wirkm: Damit wird freilich auch der Be- griff d e r Affinitiitseinheit iiberfltissig, soweit man mit demsel- ben die ohnehin nicht haltbare Vorstellung verbindet , dufs e ine AfinitBtseinheit eine constante Gewichtsmenge oder eine yon einer soichen ausgehende Wirkung i d .

Anuichten, nach wdchen &a Affinita n'n Tlreit? eines Atoms, oder wenigstens etwas GI, was wait einem no& ciun zusammenhangt.

8 36. Jn dem ,,Die atomistzkche Theont?' iiberschrie- benen Abschnitt seines Lehrbuchs sag t E r l e n m e y e r :

,, Wenn wir uns nach einer Erkliirung der beiden st6chio- metrischen Gesetze umsehen, so k6nnten wir uns denken :

Die Constanz der relativen Atom- und Affinivalentge-

4) dafs in der That die Elamentarmaterien unter dem Ein- flufs chemischer Action nicht bis ins Unendliche, sondern nur bis zu einer ganz bestimmten Grenzc tbeilbar sind - bis zu chemisch absolut untheilbaren Pdrtikeln, d. i. bis zu absoluten chemischen Atomen ;

2) dafs die absoluten Gewichte dieser absoluten chemischen Atome der verschiedenen Elemente zu einsnder in dern- selben Verhiiltnit stehen , wie die Alomgewicbte un- serer Erfahrung, wie die relativan chemischen Atom- gewichte ;

3) dafs die absoluten chemischen Atome eines jeden Ele- ments eine j e unverBnderliche Anzahl von Angriffs- oder Anziehungspunkten resp. Anlagerungsstellen dar- bieten, und zwar eben so viele, als uns die Erfahrung Affinivalente in unsern relativen Atomgewicbtan er- kennen itifst ;

B.

wichte hat darin ihren Grund,

vgi. 5 24.

Page 61: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

dtw Atme in der Hotekel. 325

4) dafs bei der chemischen Vereinigung sowohl von zwei gleichstoffigen ale auch von zwei ungleichstoffigen ab- soluten chemischen Atomen sich an je einen Anziehungs- punkt des einen Atoms nie eine andere Anzahl ale ein Anziehungspunkt des andern Atoms anlegen kann und demzufolge immer nur n . i Anziehungspunkt eines Atoms mit n . i Anziehungspunkt mderer Atome in Vereinigung zu treten im Stande ist' *).

E r 1 e n m e y er h g t hinzu , er wolle nicht behaupten, dafs diese atomistische Vorstellung den Namen einer Theorie verdiene; sie k6nne jedoch fiir deri Augenblick als ein Ge- eichtspunkt betrachtet werden, unter welchem sich die be- kennten Thatsachen zusammenfassen lassen.

Die Vorstellung , welche E r 1 e n m e y e r sich von der Wechselwirkung der Atome macht, enthilt nichts widersinni- ges ; ob sie der Wirklichkeit entspricht, wird dberhaupt nicht zu entscheiden sein ; ob sie nothwendig, niitzlich, consequent durchfuhrbar ist, das llfst sich discutiren.

Nur darin kann ich Er 1 e n m e y e r nicht beistimmen, dafs dieso Vorstellung im Einklang stehe mit der von ihm gemachten Annahme, eine Affinitiit sei eine constante Ge- wichtsmenge - oder , wie E r l e n m e y e r sich ausdriickt, mit dem Gesetz der constanten Affinivalente. Mir scheint es vielmehr, dafs die von E r 1 e n m e ye r angenommene Ucber- einstimmnng mit diesem Gesetz ebenso auf einem Trugschlufs beruhi wie des vermeinlliche Gesete selbst, Ruf einer Ver- wechselung yon Thdhn cines hlirpers niit Theden vom a6- wicht desselben. Er 1 e n m e y e r 's Vorstellung geht dahin, dafs die Anziehung der Atome sich bei Beriihrung einzelner Theile derselben, der Angriffspunkte , gcltend macht; gesetzt nun diese Anziehungspunkte seien auch gleichmarsig iiber das

.) Lehrb. d. org. Chem. €5. 40.

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326 L o e e e n , iibsr die Verthdung

Atom vertheilt, so folgt daraus nicht, dab an jedem ein glei- cher Bruchtheil vom Oewicht des Atoms wirkt.

Wenn in eine Stange, welche j0 kg wiegt, in gleich- mlfsigen Abstanden f h f Haken eingeszhraubt sind, wenn man dann an zwei dieser Haken Gewichte hlngt, kann man dann sagen, dafs nur 4 kp Stange oder zwei Ftnftel vom Gewicht der Stange belastet seien? Ich denke, man kann dns nicht.

s 37. Eine derartige Vorstellung ist aber nicht noth- wendig mit B r 1 en m e y e r 's Vorstellung von der Wechset- wirkung der Atome verbunden. E r l e n m e y e r sag1 nur, bei Ann'ehung zweikr Atomc beriihren dieselben sich gegm- d i g in &em oder mclrlrersn bestimmtsn Punkter..

Man kann sich diefs in verschiedener Weise vorstellen. Entweder beruhren *) die Atome sich nur in diesen Punkten : Dann mufs ihre Gestalt ihnen gestatten sich in dnzelnen Pmkten zu beriihren, o h m darS die &ragen The& einander beriiltrtm. Dem entsprechen ungefahr die graphischen Dar- stellungen, rnit welchen K e k u t e in seinem Lehrbuch **) die Verbindungen der Atome mit einander nicht dargestellt, sondern versinnbildlicht hat ; die Anzahl der Ausbauchungen an dem

*) Wenn ich von ,,Bol.lihrungY oder von ,mi t te lbarer BedhmngY der Atome spreche, 80 iet damit gemeint, d a b die Entfemung der Atome von einander mar edserordentlich klein im Verb;Ub nife enr GrMssa der Atome, aber doch nicht = 0 ist, sich also EUT GrSfse der Atome verhiilt wie der nicht mefsbare Abatenil aweier einander im gewabnlichen Sinn des Wortes unmittelber berfthrenden wehrnehmbaren Massen zur Qrbfse dieesr Maasen. Dafs die Abme ainandar in der Art bariihren, dafs sich ewiechen ihnen 907 Xi?& befilnde, dafs die MaESe des h e n durch Nihtr von der Masse des andern g6trennt w&e, kann mm nicht an- nehmen; denn dann when mehrere mit ehander u d t t e i b a r verbundene Atome des nkmlichen Elements mcht mehr mehrwe, sondern ein W g e r Atom, dio Orbfse nnd das Gewicht des Atoms waren nicht mehr aonstant, das Atom ware theilbs?.

.I+) 2. B. a. 159, 162s. U. 8. W.

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dsr Atome i n det Molekel. 327

Sinnbild eines mehrwerthiyen Atoms enlspricht der Anzahl der BerBhrungspunkte. - Oder die Atome heriihren Sich k a r nicht ausschllefilich i l l den Sneiehungspunkten, abur die Anziehung derselben macht sich nur beim Zusammen- b e f e n der Anziehungspunlcte geltmd. Das setzt voraus, dafs die Anziehungspunkte qualitativ *) verschieden sind von den

*) Eine qualitative Verschiadenheit einzalner chemisch wirksamer Theilo eines Atoms von andern chemisch unwirksamen Theilen desselben kann in aweierlei Weise gedacht werden. Entweder sind eimelne Theile des Atoms d0fiek.h verachieden von den iibrigen, oder dadurch, d a h sie in einen &tad versetzt Bind, in wolchen die iibrigen nioht versetzt nind. Beide Annahmen widersprechen meines Erachtons dem Begriff dm Atoms. - Nimmt man an, dio churn;sch uicht wirksameu Theilo dee Atoms seien auch nicht ponderabel, so ist das gloichbedeutend mit der Annahme anderer relativer Atorngewichte d8 diejenigen sind, welche die Grundlage oller unserer jetzt geltenden Vorstellungen iiber die Vereiuigang der Atame zar Molekel aiad; man last mit dieser Hypotheso einfach jedee n-werthige Atom in n Atome anf. Nimmt man dagegen an, die chemisch nicht wirhamen Theile deu Atotns bestehen aas ponderabler Masse, so kommt man zu der Vomtellung, dafs die in der Molekel enthaltenen discreten chemisch wirksamen Massentheilchen auf zweierlei Art mit ein- ander verbunden sein kiinnen. Eh Theil derselben, nitmliah diejenigen, welohe in aerschkdenen Atomen enthalten sind, zieht einander an durch eine durch den nicht mit ponderabler Maeee dtillten Ram hindurchgehende Fernwirkung. Fin aLderer The& nllmlich die im ntlmliehen Atom enthaltenen, ist mit ein- d e r verbunden durch oine zwischengelagerte, kittartig wirkende, mar ponderable, aber chemisch unwirksame Masse. Die Unge- reinatheit einer solchen Vorstellung lie@ auf der Hand.

Eben so wenig zulllasig scheint mir die Annahme, dafs ein- rehe Theile eines Atoms in oinen bostimmten Zastand, z. B. den elektrischen versetzt sein kiinnen, wlhrend andere diesee nicht aind. %e derartige Hypothese hat L. M e y e r in Erwllgung gezogeo (Mod. Tkaor. 5 79, S . 159, Anmerk.); man wird ihm aber durchaus beis t imen, wean er den betreffenden Passus mit den Worten schlieht : .Indessen ist mit Hypothesen dieser ht wenig gewonnen, zumal wir iiber das Wesen der ElektricMIlt eelbst noch vollsttlndig im Dunkeln aind.= Man kann vielleicht

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328

abrigea Theilen des Atoms. Dem entsprechen einigermareen dic graphischen Darstellungen , welche K e k u 1 e in seiner Abhandlung iiber die arometischen Verhindungen gebraucht. Die Ausbauchungeii d e r Atombilder sind verschwuoden, die Atombilder liegen miC dcr genzen Seitenlange an einander, die AMnitilen sind durch Punkte, der Ausgleich derselben durch einen dicse verbindenden Strich versinnbildlicht *).

Welche Vorstellung man sich aber auch von den Angriffs- punklen machen will, jedenfalls niufs die Qestalt der Atome 60 angenommen werden, defs bei mehrfacher Bindung mehr- werthigcr A t o m mehrere Angriffspunkte des einen Atoms eiae gleiche Zahl des andern beriihren Iconnen; kugeZf;irrn{q kann die Gestalt mehrwerthiger Atome also nicht sein, denn zwei Kugeln krjnnen einander nicht in mehreren Punkten beriiliren. Sodann musaen auch die Abstande der einzelnen Angriffs- punkte des niimlichen mehrwerthigen Atoms von einander so angenomnren werden, dafs bei Verbindung zweier mehrwer- thigen Atome mehrere Angriffspunkte de's einen A t o m meh- rere des andern beriihren kijnnen. Endlich hat men d i e L a g e der Angriffspunkte mehrwerthiger Atome so anzunehmen, dafs nicht bei Beriihrung siniger derselben dic ubr+en sich nothwend&erw&s ebenfalls beriihren mitssen. Damit z. B. eine dreifache Bindung zwischen zwei Kohlenstoffatornen nicht identisch wird mit einer vierfachen.

- .

+)

noch weiter gehen in der Verurtheilung der frsgiichen Hypo- those; ist die Elektricit3t eine Art der Bewcgung, so wiire die Annshme elektrischer nnd nicht olektrischur 'Theile des niimlichen Atom gleichbedentend mit drr Annahmo, dafs einzelno Theile dos uutheilbsren Atoms in Bewogung sein kiinnen, wUhrend an- dere es nicht aied. Ist die Elektrioitllt dagegen ein FliCdum, #(: sotat die h n a h m e elektrischer und nicht elektrischor Theile ekes Atoms wiederum eine sroffliche Verschiedenheit der ein- zehen Tneile des Atoms vorau~, vormage deren einige das Flui- dum auf sich h i r c n , wiihrend aIidere das nicht thun. Dieso Annalen S 8 % , Tafel II, namontlich Fig. 1, 2 u. 32.

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dw Atome in der Motekel. 329

Bei Annahme unveriinderlicher Gestalt der Atom und unveT&nderlicheT Lage der Anziehunppunkte eke Gestalt d e r Atome und eine Lage d e r Anziehungspunkte aufzufinden, welche allen denkbaren, oder auch n u r allen nach den ge- wdhnlich gemachteii Annahmen vorkommenden Verbindun*- verhaltnissen der Atome entspricht, ist schwicrig; o b es iiberhaupt mtiglich ist, habe ich nicht untersucht.

So vie1 ergiebt sich schon aus dem gesagten, dafs man zu ziemlich complicirten , dutch Thatsachen keineswegs leicht zu stiitzenden Hypothesen seine Zuflucht nehmen mufs , wenn man die nothwendigen Consequenzen aus E r le n [tie y er 's Hypothese zieht, d. h. wenn man sich eine Vorstellung davon zu machen sucht , wie denn das stattflnden kann, w m nach E r 1 e n m e y e r 's Hypothese stattfindet.

Ueber die meisteri Schwierigkeiten kann man sich hin- weghelfen durch die Hypothese, dafs die Lag6 der Anziehungs- punkte auf dem Atom verschiebbar sei, iiber alle durch die Hypothese, dafs die CfsetaZt des A t m eeranderlich sei. Man findet die Atome ouch wohl durch kleine Scheiben ver- einnbildlicht, von deren Peripherie eine ihrem Grenzwerth ent- sprechende Anzahl von Strichen ausgeht. Stel!t men sich diese Ansl tze als Theile des Atoms vor, die nrch alien Seiten bewegt und dadurch mit einander verbunden wetden kbnnen - etwa so wie s ie bei den bildlichen Darstellungen mit einander verbunden werden +> - so kann die Beriihrung der Anziehungs- punkte bewerkstelligt werden, was for eine Gestalt der Kern des Atonis auch besitzen mag; ich sage d e r Kern des Atoms, denn dio Verbindungsarme gehbren mit z u r Gestalt dcs Atoms.

Ein wesentlicher Einwand gegen die Vorstellung einer unmittelbaren Beriihrung der Atome ergiebt sich daraus, daTs d iesdbe sich b u m mit d e r bekanntlich aua physiktllischen

$ 38.

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*) Man vg1. z. B. Krr B n l d , Zeitsohr. f. Chem. 1867, 216ff.

hnns l so det Chemia 204. Bd. 22

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330 L o s s e l t , i i h r die Vertheitung

Erscheinungen abgeleiteten Annahme, dafs die Atome inner- halb der Molekel sich in Bewegung bhoden, vereinigen Ilfst.

$S 39. Ein Grund zu etwas eingehender Besprechung der Hypotltese E r I e n m e y er 's war mir der Umstand, dab die van K e k u Id einpefiihrta , vidfach berutzte graphiscbe Dar- stellung der Vrrbindung der Atome nur alfzuleicht im Sinn der gedachtan Hypothese mifsverstanden wird. Im Sinn K e k u l 6's bedeutet die Gestalt des Atomzeichens oder die Anzahl der auf dem Atornzeichen befindlichen Punlnte u. 6. w. nur die Anzabl der vorbandenen Affinit i ten, also das nlm- liche, was in den jetst ublichen Forrneln dorch die Yerbin- dung eines ein Atom reprlsentirenden Buchstaben mit einem andern durch einen oder mehrere Striche angedeutet wird. In K e k u 18's graphiscben Darsteilungen gehen aber die die einzelnen Afinitiiten reprlsentirenden Verbindungen VOD ver- schiedenen Theilen des das Atom reprasentirenden Bildes pus.

h f s das leicht die Vorstellung erweckt, &e Ansidung sdbat gehe uon vmsdiedmen Thaten des Atom am, dafiir lslsseit sich Beispiele anfuhren. SO sagt K e k u I 4 : ,,In der Gruppe der Fettkijrper kijnnte man die Kohlenwasserstoffe der Aethylenreihe als geschlossene Ketten betrachten. Es wiirde SO verstandlich, d d s das Aetliylen d a s Anfangsglied der Reihe ist' u. s. w. 9).

E r i en m e y e r betrachtet das Acetylen als den einfachsten Kohlenwasserstoff, ,,in welchem gleichviel Bindung z/p wie in der Reihenfolge s//y, vorkommt', und drtickt diefs durch die

Formel C=C aus **I. Bezugnehrnend auf diese Stelle sag!

L a d e n b u r g , ,,es lafst sich dasselbe daher als ein Ring dar- stellen, der an der einen Stelle durch zwei, an der andern durch eine Verwandtschaltseinheit zusammengehalten ist; er

*

r i

A h

*) Diese Annalen 182, 134, Anmerk. **) DtLselbst 133, 345.

Page 67: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

kenn in seiner Constitution dem Benzol an die Seile gestellt werden' *).

Wenn man annirnint , die beiden Kohlenstofitome der Molekeln CeHb und &Ha konnten ringformig mit einander rerbunden sein, so geht man ineines Erachtens uber den ur- spriinglichen Sinn der K e k u 18 'schen graphischen Darstellung hineus. Wenn a mit b , b rnit c , und c wieder init B ver- bunden ist, so kann man das mit einem Ring vergleiohen. Drei Stiicke gehoren aber mindestens zu einer Ringbildung, nnd K e k u l e 's Ansicht, die KohlenwasserstofFe der Aethylen- reihe kiinnten als geschlossene Ketten betrachtet werden, kann daher fur alle hoheren Homologen des Aethylens zu- lassig erscheinen, iiicht aber fiir das Aethylen selbst. Sollen swei Kohlenstoffatome ringformig mit einander verbunden sein , so mufs man schon euf Theile derselben zuriickgehen, oder, wie L a d e n b u r g sagt, auf die Stellen, an welchen sie durch Verwandtsohaftseinheiten zusammengehalten werden.

g 40. Wie K o l b e den Begriff einer Affinitat auffafst, ergiebt sich aus den) ,,Atomtheorie und chemische Valenz" uberschriebenen Capitel seines Lehrbuchs *a). Polgende Stellen geben genfigenden Aufschlui's fiber seine Ansichten :

,,Wenn Kohlenstoff sich mit Wasserstoff fiu Grubengas und wenn er mit Sauerstoff sich zu Kohlensaure vereinigt, so wird nicht die gleiche Anzahl von Wasserstoff- und Sauerstoffatornen von dem Kohlenstoffatom gebunden. Letz- teres besitzt, was wir natiirlich nicht sehen, aber aus der Zusamrhensetzung seiner zahlreicheri Verbindungen schlie- ten, vier Anziehungspunkte fiir die Atoiiie anderer E l e mente, und erfordert darum vorn Wassersloff vier Atome, vom Sauersloff aber nur zwei Atoine zur Sittigung, weil

*) Vortrlgo iiber d. Entwicklungsgesch. d. Chsm., 288.

**) Kurzos Lehrh. der nnorg. Chem., S. 54ff.

22 it

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332 .L 3 8 r e n , absr die Verthec'lung

das Seuerstoffatom nicht wie das Waeserstoffatom einea, sondern zwei Angriffspunkte fur die chemische Verwandt- schafl andercr Elemente darbietetU *).

,,Jedes Element hat eine bestimmte hb'chete Sttigungs- capacitat , oder was dasselbe ist , eine bestimmtt! gt6fs te Anzahl von chemischen Anziehongspunkten seines Atom ; die Atome der mehrwerthigen Elemente treten aber nicht immer mit ihrem vollen Wirkungswerth in Function" **).

,,Wir stellen uns vor , dafs d a , wo nicht alle An- tiehungspunkte eines Atoms z u r Geltung kommen, die nicbt fungireriden in einem Zustande der Ruhe sich befinden, SO

zu sagen schlummern, bis sie durch neue chernische Ac- tionen geweckt werden' **).

Die Vorstellung, welche K O I b e sich von der Wechsel- wirkung der Atome macht , wiirde aus seinen Darlegungen n u r denn vollstandig ersichtlich sein, wenn er s rg te , wie er sich die Anzieiiungspunkte, welche die Atome besitzen, vor- stellt.

Mlrn kann sich die Anziehung, welche von einem Atom auspeht, in einern Punkt concentrirt denken, wie man sich die Awichung der Schwerkraft im Schwerpunkt concentrirt denkt. Man kann die Kraft, welche ein Atom - such ein einwer- thigea Atom - mil einem andern verbindet, sich in zwei oder heliebig vide a Krlfte zerlegt denken, deren Richtung gar nicht einmal von dem Ort im Raum ausgehen mufs, an wei- chcm das Atom sich beEndet. Die Miiglichkeit dieser Vet- stmdcsoperationen findet aber gewifs nicht einen ihr entspre- clientlen Ausdruck in dem Satz, das Atom besitzt eine Anzahl von Angriffspun k ten.

8011 die Einwirkung der Atome auf einander durch die .

*) Punes Lehrb. der anorg. Chem., B. 66. **j Daaulbst, 8. 57.

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chr Atome in dtr NoZekSt. 333

Annahme dieser Punkte erkliirt werden, so kiinnen dieselten nicht blofs gedachtu Punkte sein; sie miissen materiells Punkte sein, also einzelne Theile des Atoms, welche eich von den fibripen Theilen desselben unterscheiden.

Nimmt K o l b e an, dafs bei Yerbindung der Atome die Anziehungspunkte einander befiihren miissen , so fnllt seine Anschauungsweise mit der bereits besprochenefi E r ! e n - m e y e r 'a zusammen.

Nimmt K o l b e aber an, dafs die Atome einander nicht unmitlelbar beriihren, sondern durch einen nicht mit wag- barer Mame erfiillten Raum von einander getrennt s ind, so kann die Entfernung zweier Atome von einander SO grofs sein, d a b gegen dieselbe die Entfernung einzelner Theile eines und desselben Atoms - der Anziehungspunkte - VOII einaiider nicht in Betracht kommt. Dann kann man nicht mehr ontcr- scheiden zwischen der Wirkung des Atoms auf das Atom und der Wirkung einzelner Theile des einen Atoms auf ein- zelne Theile des andern.

1st aber die Entfernung der einzelnen Anziehungspunkte deiselben Atoms von einender nicht zu vernachlassigen gegen die Entfernung der Atome von einander, so erfordert die Annahme, dafs eine bestimmte Anzahl von Anziehurigspunkten des einen Atoms stets nur auf eine gleiche Anzahl von Anzie- bungspunkten des andern Atoms einwirkt , wieder besondere Hypothesen. Nach den herrschenden Anschauungen ist kein ein- zelner Anziehungspunkt d a dreiwerthigen Stickstoffatoms puali- :a& versctieden von den beidsn iibrigen ; eben so sind die bei- den Anziehungspunkte des Sauerstoffatoms qualitativ einander gleich. In der Molekel NO kann demnach j e d e r Anziehungs- punkt des Stickstoffatoms sdnm Beschafenhsit Each euf jeden Anziehungspunkt des Sauerstoffetoms wirken. Es kiin- nen also drei Anziehungspunkte des Stickstofatoms auf zwei Anziehungspunkte des Sauerstoffatoms wirken ; deshnlb miissen

auch die drei Anziehungspunkte des Stickstoffatonls auf die

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334 Loarsert,-uber die Vercheilung

beiien Anziehungspunkte des Souerstoffatoms wirken, 6s sri denn, dafs die Entfwnung einzelnw Angrrffspunkte von ein- ander eiiie wlche ist, d d s sie nicht a d einander wirken h- nen , oder dafs ihre gegenseitige Einwirkung vernechliissigt werden hann *). Die letatere Annatune settt aber yoraus, dafs die Entfernungen dor ein und demselben Atom ange- hbrigen Angriffspunkte von einander relativ grofs sind im Vergleich zu den Abstiinden der direct rnit einander verbun- denen Atowe von eioender. 'Sie kommt im wesentlichen auf E r Ien ,neye r ' s Annnhme, dafs die Atome bei ihrer Ver- bindung einender in einer Anzahl von Punkten beriikren miis- sen, hlnaus. Fie fordert fur diejenigen Punkte , fur welche E r 1 en ni e y e r 's Hypothage Beriilirung fordert , em Gegen-

*) Xnn konnta allenfdld das dreiworthige Stickstoffatom der Molekel NO vergkhhen mit einem Magneten, welcher &us drei Kugeln lesteht, die mit einapder dnrch einen im Verhi.!tnih zu ihrer Miwee verschwindand dunnen, aher ebenfah magnatischen Draht varbnnden Bind; abenso daa Sauerstoffatom mit &em nur aus zwel eloutlo verbundenen Kugeln bestahenden Magneten. Setzt mac voraus d a b die Atome einander nicht uI;mittelbar beriihren, so lierse die Anziehung, walche die beiden zu dor Jlolekel NO verelnigten Atome auf einander ausUbeu , eich dadurch *Bran- schsuliohen, dds man dic beiden Magnete 80 neben einander aufhtingt, dak sie sich zwar gegen einander bewegen, aber doch nicht unmittelbar bedhren klinuen ; oder dadurch , dale man sie auf zwei Brettchen anf Wssser schwimmen IBiet. Dam w i d jade Kugel dea Stickstoffmagneten auf jede Kugel des Baueretoff- magueten wirken ; die von dem Stickatoffmagneten ausgebende Anziehnny iet die resultireode der drei von den drei Haupttheilen deswelbeh ausehenden Anziehnngen, die gleich grofse vOn dwfn Sauerstoff megneten autgehende Aneiehung die resultirende der boiden von den bcideu Haupttheilen dawelhcn ausgehenden An- ziehungen. Will man annehmen, d& nur je eine Kugel des uinen Magneten auf j a eine des andern wirkt, so mufs man die Entfeimung der einzelnen Kugcln van einander so grok asnohmen, darq die immerbin vorhmdene Wirknng der nicht zu einem Paar Ruf einanaer wirkender Kugeln gehbligon i(ub0in auf f i e Kugeln di9ses Paares varnachlifisigt werden kann.

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der Atome in dtv &folekcZ. 335

iiberstehen in einer Entiernung, welche reletio klein 1st gegen die Entfernungen der Anziehungspunkte eines und desselben Atoms von einander. Sie fuhrt deshalb aucb nothwendig zo Bhnliclien Vorstellungen von der Gestalt des Atoms und der Lage der Aneiehungspunkte wie E t 1 en m eg e t 's Hypothese.

S 4i. Auch M i c h a e l i s sucht die Atomigkeit durch die Annahme, dafs die Atome eine gewisse Anzahl von Angriffspunkten besitzen, eu erklaren :

,,Diese Angriffspunkte sind so zu verstehen, dafs die An- eiehungskrclft des als Purikt gedachten Atoms niclit im ganzen Umkreise gleichmafsig ausgebildet ist, wie diets bei der Gravitation der Fal l , sondern nach einigen Richtungen eine besondere Stiirke besitzt. Die Anzahl solcher Hauptrichtungen ware dann die AtomigkeitU *).

Was versteht M i c h a e I is in der vorslehenden Definition unter Umkreis? Es kana darunter doch nicht der Umfang des Atoms gemeint sein, denn das als Punkt gedachte Atom hat keinen Umfang. Sol1 aber Umkreis den das Atom urn- gebenden Raum bedeuten, so ist dieser doch nicht der Sitz der Anziehungskrafr des Atoms, und diese letztere kann nicht in demselben ausgebildet sein.

Jede Wirkung eweier KBrper auf einander ist eine gegen- seitige. Denkt man sich mit M i c h a e l is die Atomo als Punkte , so ist die gerade Linie, welche ewei solcher Punkte mit einander verbindet, die Richtung der Kraft, mit welcher die Atome auf einander wirken, oder einfacher die Richtung, in welcher die Atonie nuf einander wirken. Hauptrichtungen nennt M ic h a e I is diejenigen Linien, welche awei direct niit einander verbundene Atome mit einander verbinden. Von jedem Atom gehen so viele solcher Hauptrichtungen Bus, oder was das- se lbe ist, in dem Punkt , alst welchen man sich das Atom denkt , laufen so viele solcher Linien zusamrrien, el; Atome

*) Borichte der deutschen chdsahen Qeeellsahrft 8, 18.

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336 L o 8 88n, iibar dis Vsrthtduflg

direct mit dem betrerenden Atom verbunden sind, also imrner nur wenige. Sind mit einem n-werthigen Atom weniger rls II Atome, nur Cn - x) Atome direct verbunden, so wirkt das Atom auch nur nach Cn- x) Richtungen.

Wean das der Sinii vori Mi c h r e i is ' Annabme ist , so stimme ich derselben zu, und habe h6chstens zu bemerken, dlrfs sich das alles ganz von selbst verstetit, sobald man dar- uber einig ist, dafs jedes Atom nur mit einer beschrankten Anzahl von Atomen direct verbunden sein kann.

Oder ninimt M i c h a e 1 i s als Anhiinger der Constanz des Werthes etwa an, dafs yon jedem als Punlit gedachten Atom irrtlner Wirkriiigen in einer COn8tnfltOn Anzahl von Richtungen susgehen , auch dam, wenn in einer gewissen Anzahl dieser Richtungen sich gar keine K6rper befinden, auf welche das Atom wirken kann ? Und was versteht M i ch a e I i s unter rnehrfacher Bindung, wenn er sich die Atome als Punkte denkt? Konnen zwei Punkte slit einander durch mehrere gt'rade Linien ver- bunden srin ? Oder k6nnen zwei als Punktt! gedachte Atome auch noch in eirier andern Richtung auf einander wirken, als in der Richtung der sie verbindenden Geraden?

$ 42. V a n ' t Ho f f scheint unter Affinitiiten eines Kohlen- stoffatoms gew isse Richtungen zu verstehen , welche diesem Atom als solctiem in irgend einer Weise angehoren. Va n ' t Ho f f will in seiner bekannten Broschtire *) Betraclrtungen iiber die Lage der Atome im Raum anstellen und dieselbe bildlich mr Darstellong bringen. Ein Theil der von ihm gewahiten Bilder 8011 aber anscheinend neben der Lage der Atome im Raum such noch die Lage dw Afidt&tm im Raum atadrucken.

Wenn va n ' t H o f f die Molekel CH, als Tetragder dar- stellt, in desseti Centruni sich das Kohlenstoffatom, in dessen vier Eckeri sich die vier Wassersto5atonie befinden, so ist das eine Darstellung der Lage der Atortie irii Raum.

*I LR Uhimia drns l'espace, Rotterdam 1878.

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dar Atom6 in der Mobkd. 337

Die Moiekei &Ha stellt v a n ' t Hoff durch zwei Tetra- Bder dar, welche mit einer Flache auf einander liegen, OD

dafs die drei Ecken dieser Flache einander beriihren. In den beiden einander nicht bsriihrenden %ken der TetraGder denkt er sich die beiden Wassersto5atome, in den Centren der Tetra- Bder die beiden Kohlensto5atome. Sind die Tetragder regullr, wie Y a n' t H off sie zeichnet , so iiegen .also die vier Atome in einer geraden Linie; ihre Lage im Raum ist pracisirt, so- bald ihre Abstinde von einander bekannt sind. Die Darstel- lung der Molekel GH, durch zwei TetraCder ist also keines- wegs nur mehr eine Darstellung der Lage der Atom6 im Raum ; was bedeuten in dieser Darstellung die einander be- rihrenden Ecken der beiden Tetraeder ? Etwa diejenigen Orte irn Raum, an welchen sich drei Sauerstoffatome nicht befinden, welche sich dort befinden kcnnten, wenn sie mit den Kohlenstoffatoinen verbunden waren ? Die diese Ecken mit dern im Centrum gedachten Kohlenstoffatom verbindenden Linien kdnnen nicht die Richtungen von zwischen dem Koh- lensto5atom und in den Ecken befindlichen Atomen thitigen Kraften bedeuten, denn in den &ken befinden sich keine Atome. Sollen Richtungen darunter verstanden sein, so kiin- nen nur Richtungen darunter verstanden sein , welche VOB

dem Kohlenstoffatod allein abhtingen und auch dann vorhanden sind, wenn das Kohlenstoffatom nur auf nicht in dieren Rich- tungen liegende Kkper wirkt , also allenfails Richtungen einzelner Thsile des Kohlenstoffatoms , oder Richtungen von Wegen , welche das Kohlenstoffatonr bei einer ihm zuge- schriebenen Bewegung durchlauft.

Dafs van ' t H o f f die Lage der Aflnitiiten im R a m von der Lags der Atome im Raum unterscheidet, geht am deutlichsten hervor aus den Annahmen, die er f i r Molekeln macht, welche zwei Kohlenstoffatome in einfacher und in doppclter Bindung enthalten. Ich folge der Darstellung der

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338

van F. H e r r m a n n *I herausgegebenen deutschen Bearbsi- tong der Broschiire v a n ' t H off's, weil diese die hier nlher zn beleuchtende Hypothese klar ausspricht, wihrend dieselbe m TI n ' t H o f f 's Originalschrift nur stillschweigend, anschei- nend als absolut selbstverstandlich gemacht wird.

Nach H e r r m a n n 's Darstellung ,wird eine Combination, in welcher eine einfacbe Combination zweier Kohlen- stoffntome vorkommt, deren Bezeichnung in den moder- nen Formeln d w Symbol C - C ist, dargestellt durch zwei Tetraeder , welche sich in einem gemeinschaft- lichen Eckpunkte beruhren. Die Richtung der sechs freien Affinitiiten ist nach den sechs ubrigen Ecken das Systems" **I.

,,Wir heben jedochu, sngt H e r r r n s n n weiter, ,das Systew als stabii vorausgesetzt , wiihrend periodische Bewegungen des Moleculs zupegeben werden miissen. Eine der einfachsten periodischen Bowegungen whrde die Rotation dtts gansen Systems um eine den beiden Tetraedern gemeinschaftliche Axe scin. Diesu Rota- tion der Atomr um die angegebene Axe kiinnte in Bezug auf die an je ein Kohlenstoffatorn angelagerten Gruppen im entgegcngesetzten Sinne geschehen' **+).

Ferner : ,Die Anwendung unserer Hypothese auf Corn- binationen , in denen doppelte gegenseitige Bindung von Kohlenstoffatomen vorkommt , gestaltet sich sehr einfaoh.

L osse SI, uber die Vertheikcng

,,Dcs Bild der einfachsten Combination dicskr Art : (H1R*)CcC(RSR4)

sind zwei Tvtradder , welche eine gemeinschaflliche

=) Die Lagu dor Atoms im Raume, Braunschweig 1877.

**) 3. a. G. S. 5. **) L A OA 6. 6.

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Kante besitzen, unter Voraussetxung der Gleichwerthig- keit der Kohlenstoffbindungen. Die Riahtung der vier freien AffinitBten ist nach den itbrigen Ecken des Systems und diese Aflinititen sind gesiittigt durch vier einwerthige Gruppen R1, Ra, R* nnd R'. - Eine Rota- lion des gesammten Systems urn eine den beiden Tetra- Cdetn gemeinschaftliche Axe dad in diesem Falle noch als miiglich hingesteilt werden , dagegen kann diese Rotation im entgegengesetzten Sinne in Beoug auf die eiwelnen Tetraeder nieht erfolgen , ohne dafs eine Trennung der gegenseitigen Bindung der Kohlenstoff- atoma untf daniit eine Veriinderung in den statischen Verhdtnissrn des Systems stattfinde" *).

Puach dem letzten Satz ist bei doppelter gegenseitiger Bindung zweier Kohlenstoffatome eine Rotation im entgegm- gesetzten Sinn dechalb nicht rnijglich, wed bei derselben die beiden Tetragder nicht dauernd eine gemeinschaftliche Kante besitzen wiirden. Wiihrend der Rotation rniifsten die ur- sprunglich in einander fallenden Kanten sich zeitweilig schnei- den. Was bedeuten denn ahcr diese Kanten, welche einander nur beriihren , aber nicht schneiden durfen 7 Mit der Loge dep .tltome im Raum haben dieselben doch nichts zu schaffen, denn van ' t Hoff nimmt nicht an, dafs irgend ein der Mote- kel angehiiriges Atom in irgend einem Punkt der Kanten liegt.

Sind mit jedem von zwei direct mit einander verbundenen Kohlenstoffatomen dwi Gruppen direct verbunden , so kana naoh van ' t Hof f eine Rotation des ganeen Systems urn eine die beiden Kohlenstoffatome verbindende Axe sta ttfinden, welche in Bezug auf die an je ein Kohlenstoffatom angelager- ten Gruppen in en$egmgeeetctem Sinme geschieht. Sind

w> a. a. 0. 8. 1%

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340 L o s s e n , i1bw die Verthdung

dagegen mit jedem der beiden direct mit einrnder varbundenen Kohlenstoffatome nur mei Gruppen direct verbunden, so kann auch noch eine Rotation um eine die beiden Kohlen~to5atoma verbindende Axe stattfinden , dieselbe kann aber nun nt3t

d r im antgegengewsteten Knne in Bezug auf die an je ein Kohlenstoffatom angelegertcn Gruppen geschehen - und zwar dssAalb nicht mehr, weil die Luge j e zweWr Afinitdtnein- heiten, welche die sich gegenseitig doppelt bindenden Kohlen- stoffatome ausgleichen, diefs nicht gestottet.

Des steht nach v r n ' t Hoff so f a t , dafs er mit dieser Hypothese die Meteinerie der Fumar- und Maleinsiiure nnd verschiedene ahnliche Metameriefalle erkliirt. Dieselben sind nicht mehr erklart, sobald man annimmt, eine doppelte Bin- dung der beiden Kohlenstoffatome verhindere das ganze System nicht, in der nimlichen Weise urn eine gegebene Axe zu rotiren, in welcher es nach ven't Hoff's Annahme bei einfacher Bindung der Kohlenstoffatome rotiren kann.

Wenn solche Ansichten ohne alle Bemerkung zu den- selben in die mit empfehlendem Vorwort von W i s l i c e n n e versehene deutsche Bearbeitung der v a n ' t H o f f 'schen Bro- schiire iibergehen, wenn K e k u 1 e mit Riicksicht auf dieselben von einer bis zu gewissem Grad wahrscheinlichen Hypothese spricht, nach welcher die vier Verwandtschaften des Kohlen- stoffatoms ~iiumZicA in tetraedrischcr Lage gedaclit wer- den *), - dann sollte man wohl erwarten, wir Chemiker wiilsten genau zu sagen, wus eine Verwandtschaftseinheit ist, da wir bereits die Lage derselben im Raum darstellen.

§ 43. Bei allen Vorstellungen, welche die Afiinitaten als Theile eines Atoms, oder als Wirkungen, welche von Thei- len eines Atoms ausgehen , Buffassen, ist zu beachten, defs dieselben auch wieder zu bestinimlen Vorstellungen von den __- --

*) Die wiseeuschaftlichen Ziele uud Leistungen der Chemie, 8. 21.

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Bewegungen der Atome fiihren , oder wenigstens gewisse Vorstellungen yon der Bewegung der Atom ausschliefsen. Denkt man sich z. 8. die Wirkung eines mehrwerthigen Atoms ausgehend ion mehrcren Punkten desselben und denkt sich das Atom rotirend urn eine Axe, welche nicht durch disse Punkte hindurchgeht, so wird die Wirkung ausgehen von dem ganzen Weg , den die Anziehungspunkte beschreiben. Sol1 dabei festgehalten werden, dafs s e w Aftinitit stets nur auf uim Affinittit wirkt, so setzt das bestimmte Vorstellongen von der Lage der Anziehungspunkte und von der Bewegung der mit dem betreEenden Atom direct verbundenen Atome voraus. C. Amkhten, nach zoetchen die Aflnitaten bestimnten B e

wegungsfomnm dev Atorne ent8prachan. S 44. Indem L. Meyer die Mdglichkeit eider Erklarung

der Verschiedenwerthigkeit der Elemente bespricht , sagt er, man kdnne dieselbe erkltiren derch die Annahme, .dare neben jedem Atom tinfachur Stittigungscapacitiit sich nur eine ein- zige Stelle im Raum befinde , in welcher ein hinzutretendes Atom im stabilen Gleichgewichte festgehalten werde. Bei einem zweiwerthigen Atome wiirde es zwei, bei einem drei- wertbigen drei, bei einem vierwerthigen vier, bei einem ffinf- werthigen fiinf und bei einem sechswerthigen sechs solcher Orte im Raurne geben. Die sechs Arten von Atomen aber miifsten so beschuflen sein, dab- ein einwerthiges nur einen solchen Ort erfilllen, ein zweiwerthiges sich iiber zwei solchm Orte, ein dreiwerthiges lber drei u. s. w. ausdehnen wiirde. - Es braucht kaum erwiihnt zn werden, dsfs dieAtome&A an dissen orten nicht in RuAe befmden kiinnen, w'elmeht lcbhafte Bewegungen urn dienelbm a b ~&bhgeur&htdagaa awfilhrn rowden. Diese Bewegungen kbnnen echwingend oder rotirend u. 8. w. gedacht werden. Wo ein Atom zwei oder mehr solcher Orte einnimmt , kann man sich denken,

si

Page 78: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

342 LOSSON, iiber die V d e i h n l g

dafs 88 zwlsohen denselkn oscillire oder dieselbea rotirend duroldaufe' *).

Meiaee Brachtens bano man die nus den Thatsachen sich ungezwuogen ergebende Hypothese, defs jedea Atom nur mit meriigen der niimlichen Moleke! angeh6renden Atomen direct verbuaden ist , annohrnen ohne deshalb die vorstehende, vie1 weitergehende Hypothese L. Me y e r 's als riothwendig anzu- arkennen. Sehen wir vorlaufig ab von den sogenannten un- gesaltigten Verbindungen , so geht dime Hypothese dahin, defs sich neben jedern Atom im Raum eine constante Anzahl von Orten befindet, welche von den mit dernselben direct verbundenen Atomen beriihrt oder durchlaufen werden miis- 880, mag die Zabl dieser direct verbundenen Atome nun gleich oder kleiner sein els die Zehl der angenommenen Orte. Er- setzt man in der Molekel NHS die drei Wasserstoffatome durch ein drbiwerthiges Stickstoffatom, so wird dieses in der ent- standenen blolekei Ns nsch L. Meyer ' s Hypothese sich so

bbewegen, dds es die drei Orte, an welchen die drei Wasser- stotfatome in der Molekel NH8 sich befanden, beriihrt oder durchlauft. Da man nun doch nicht wohl annehmen kenn, dab das eine Stickstoffatom der Molekel N, sich endem be- wegt als das andere, so wird dieses bei seiner Bewegung drei entspreehend gelegene Orte beriihren ode? durchlaufen ; danus folgt ferner, dafs in der Molekel NHI das Gtiokstoff- atom sich ebenso bewegt wie jedes Stickstofftitom der Mole- kel Ns. L. Meyer ' s Hypothese Mhrt also eu der Annahrne, dafa die Bakn jedea Atoms in verschicdenen Molelceln die aiimdiche ist , dafs gleichwerthige Atome gleiche Bchiien Ittaben und d a b d& L a ~ g e der Bahn mnes Atoms in be- beedionmtenr Verhaknifs zu se'nem Werth &ht.

") Mod. Theor. d. Chem., 5 79, 8. 159 und A m .

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der A t m i n der MokM. 343

Die Noihwendigkeit diese Hypothese GO machen , scheint mir keineswegs vorzuliegen ; aufserdem verbieten die soge- nannten ungesfittigten Molekeln die Annahrne derselben in der von L. M c y e r ausgesprochenen Form, wenn man den Wer th als constant betmchtet , wie L. M e y e r das thut. Ninimt man an, das Sauerstoffatorn sei zweiwerthig, das Stick- stoffatom dreiwertbig , so kann man allenfalls anntthmen , d a b in der Molekel NO die Bahn des Stickstoffitoms drei be- stirnmttr Orte beriihrt, wahrend diejenige des Sauerstoffatoms n u r zwei solche Orte beriihrt. Es lafst siab aber nicht an- nehmen, dafs in dem das Stickstoffatom unigebenden Raum drei solcher Orte sich befinden, welche von der Bahn des Sauerstoffatoms h d h r t werden, wenn anders man nicht das Sauerstoffatom unter Urnstanden auch als dreiwerthig be- trachten will.

Wenig im Einklang rnit L. M e y e r ’ s Hypothese sind die Armahmen, welche 0. E. M e y e r beziiglich der Gestalt der Molekeln macht. Es kann wohl als whhrscheinlich gelten, d a b die Gestalt der Molekel, so weit dieselbe der Beobach- tung zuganglich ist, wesentlich abhiingt von den yon den Atomen in der Molekel durchlaufenen Bahnen. Aus 0. E. W e y e r ’ s Betrachtungen *) ergiebt sich aber, dafs die Gestalt der Mole- kel abhiingt von der Anzahl der in d e r Molekel enthaltenen Atome, nicht aber VOII deren WwtR. 0. E. M e y e r folgert speciell fiir die Molekel HCI, dafs die beiden in d e r ~ a l b e n enthaltenen Atome dicht neben einander liegen, so d a b sie eine sehr kurze Lmie bilden, welche fast als Punkt anzusehen ist. Ganz dasselbe kann man aus 0. E. M e y e r ’ s Berech- nungen fur die Molekel NO folgern; das wiirde schwerlich der Fall sein, wenn das Stickstoffatom und das Sauerstoffatom _____

*) Vg1. oben 3 3.

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344 L o s s e n , fibs* die Verthdlung

riel Mngere Bahnen durchliefen als das Chloratom und Was- serstoffatom.

s 45. Auch K e k u l h bringt die Werthigkeit in Be- ziehung zu einer Bewegung der Atome, indern er sagt :

.Die Atome miissen in den Sy'btemen, die wir Molecule dennen, in fortwiihrender Bewegung angenommen werden.Y - ,,Wenn man nun unter den zahlreichen Vorstellungen, die man sich etwa bilden khnte , diejenige auswahlt, welche am voll- rtlndigsten den chemischen Anforderungen Rechnang triigt und sich am engsten an die Vorstellung anscblicfst , welche die heutige Physik sich iiber die Art der Bewegung der Mole- cule gebildet ha t , so wird man die folgende Annahme wohl fir die wahrscheinlichste halten durfen. Die einzelnen Atome des Systems prallen in einer im wesentlichen geradlinigen Bewegung an einander an, um sich, als elastische K6iper, wie- der von einander zu entfernen. Was man in der Chemie durch Werthigkeit (oder Atomigkeit) bezeichnet , gewinnt jetzt eine mehr mechanische Bedeutung : die Werthigkeit ist die relative Anzahl der Sttifse, welche ein Atom in d e Zeit- einheit durch andere Atome erftihrt. In derselben Zeit , in welcher die einwerthigen Atome eines biatomen Yoleculs ein- ma1 aneinander prallen , kommen , bei gleicher Temperatur, zweiwerthige Atome eines ebenfalls biatomen Moleculs zwei- ma1 zum Stols. Unter denselben Bedingungen ist in der Zeit- einheit bei einem aus zwei einwerthigen und einem zwei- werthigen Atome bestehenden Molecul die Anzshl der StBfse fiir das zweiwerthige Atom = 2, fiir jedes der einwerthigen

Die mehr oder minder zutreffenden Einwendnngen, welche M i c h a e l i s **) und Laden b u r g ***) gegen diese Hypo-

= t a *).

*) Diem Annalen lea, 86. +*) Berichte der deutschen chemiacben Gieeellscbsft 6, 468.

***) Dasdbst 6, a22 ; diem hnnden 118, 563.

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der Atome i~ deer Mo2elul. 345

these erhoben habeii, heben nicht genug hervor, dafs es gc- radezu unzdussig A, die Vorslellung, welche man sich VOR

der Bewegurig der f3amoZekeZn gebildet hat, auf die Be- wegung dm Atome in d n Yolekel zu ubertregen. Wenn zwei Wassersio5gasmolekeln a und b an einander angepralh eind, so entfernen sie sich gegenseitig von einander in diver- girenden Richtungen ; diese wesentlich geradlinigen Richtungen behalbn sie bei, bis sie an zwei andere Molekeln c und d cder aber an die Wand des Gefafses anprallen. Sind also a und b aneinantier angeprallt, so kann der nachste Slofs, nn welchem a theilnirnint , unmdglich b , und der nachste Stofs, M welchem b theilnimmt, unmoglich a treffen. Wenn, wie I( e k u 18 annirnmt, zwei Wasserstoffalome innerhalb der Was- serstoffrnolekel ebenfalla in einer wesentlich geradlinigen Bewegung aneinander pmllen , so werden sie sich ebenfalls nach dem Anptail in divrrgirenden Richtungen von einander entfernen ; was andmt dann qber ihre divergirende Richtung wieder, so dafs sie nach Ablauf einer bestiminten Zeit wieder aneinander prallen 7 Eine der Wand des Gefafses entspte- chende Begrenzung der Molekel giebt es nicht ; will man aber etwa annehmen, die einzelnen Wasserstoffatome einer Wasser- stoffrnolekel kiinnten auch mil den Atomen einer benachbarien Molekel zusammenprallen , so giebt man darnit den Begriff einer uw zwei Atomen beatehendm Molekd auf ; die in einem bestimmten Wasserstotfgasvolum enthalteaen schweren Massen- theilchen , die Molekeln im Sinn der rnechanischen Wlrme- tbeorie, bestehen dann aus ei7iem Atom, Jas Volom enthP1t doppelt so vie1 Molekeln , als nian gew8hnlich anzunehmen pflegt.

K e k u 1 e selbst halt seine Hypothese viefleicht nicht mchr oder wenigstens nicht mehr streng in der mitgetheiiten aus dam Jahre 1872 herrtihrenden Form aufrechl; denn irn

Annalen dar Chdwla 204. Bd. 33

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346 L o s s s n , i h die Varthaitung

Jabre 1818 spricht er sich fiber die Bewegung der Atome innerhalb der Molekel folgendermafsen aus :

,,Die Art der Bewegung der Atome ist, wie schon ge- sagt, vorlaufig unbehannt. Vielleicht dsrf sie 818 eine schwin- gende aufgefaf'st werden in der Weise, d a b dis in d e r 2 . - m k h d ausgefuhrte Aneohl von 8chwingungen gerade den ohemischen Werth darstellt, und dafs in functioneller Schwin- gung befindliche und vielleicht an einander anprallende Atome in chemischer Bindung erscheinen. Dann wiirde der che- mische Werth der Atome mit noch gr6f'serer Wahrscheinlicb- keit als bisher als ein conrtanter zu betrachten sein. Man wiirde immerhin sich vorstellen kdnnen , daf's mehrwerthige Atome, bei Temperaturen, welche fur die betreffenden Sub- stanzen ultra-hays genannt werden kbrinten , wahrend einer oder auch mehrerer Schwingungsphasen mit keinem Atom tusammentrcffeR , indem sie einen Theil ihrer Bewegungs- energte der Blolecularbewegung hinzufugen ; eine AuRassung, die rnit der jetzigen Vorstellung ungesattigter Verwandtschaften zusammenfiele u. s. w.' *).

Es wire kaum billig, wollte men Kritik iiben an dieser mehr leicht skizzirten als eingehend dargelegten Hypothese. Der Satz, dals die Ar t der Bewegung der Atome unbekaont Mt, iet gewifs insofern richtig, a b wir noch keine Thatsachen kennen , welche un8 gestatten , den Atomen innerhalb der Molekel eine bestimmte Ar t der Bewegung zuzuschreiben. Deshnlb sind euch die aufgestellten Hypothesen, welohe den Worth der A t o m mit der Bewegung derselben in Verbin- dung bringen, anscheinend nur dem Bediirfnifs entsprungen, niit dem Wort Affinitatseinheit irgend eine consequent durch- fiihrbare Begriffsaonabme t u verbinden. Die Anfordernng, dab sie consequent durchfiihrbar sei, mufs allerdings an jedo .

*) Wiesenschaftliche Zele und Leistungen der Chemie, 6 . 20.

Page 83: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

der Atome in der Moleksl. 347

Hypothese gestetlt werden ; derselben geht aber die Forderung, dab die Hypothese durch Thatsachen begrhdet sei, jeden- falls voraua

S 46. Es erecheint nicht uberfliissig, noch einen Blick zu werfen auf die aus der Annahme yon AtEniUtseinheiten hervorgehende Lehre von der

Verbindung meim Atome durch mehr ah j e eine Afindate- einheit.

K o l b e sag t : ,,Von den Eiementen , deren Atome mehrere Vnlenten

baben, k8nnen m6glicherweise verschiedene Molecule existiren. Es ist denkbar , dnfs neben dem Molecul Stickstoff, dessen b i d e dreiwerthige Stickstoffatome muthmafslich mit je drei Anziehungspunkten auf einander wirken , ein zweites Stick- stoffmolecul existirt , worin die zwei Stickstoffatome mit je funf AfGniWen an einander gefesselt sind. Bis jetzt kennen wir freilich nur eine einzige Art Sticksloff, aber der Phos- phor, Schwefel, Kohle und andere Elernente existiren in ver- schiedenen Formen (Modificationen). M6glich , dafs der ge- w6hnliche leicht entziindliche und der mit geringeren chemi- schen Affinitaten begabte rothe amorphe Phosphor ihre Ver- echiedenheit solchen Ursachen verdankenu *].

Ist es nicht Ttiuschung, wenn man glaubt, man habe sich eine Vorstellung von dem Grund der Verscbiedenheit der beiden Modilcationen des Phosphors gebildet mit der Annahme, die lolekeln beider Modificationen des Phosphors bestehen aus zwei Atomen Phosphor, in der Yolekel des gelbenphos- phors wirken aber diese Atome mit je drd, in der des rothen Phosphors dagegen mit je fiinf Anziehrungspunktsn anf einander? Man kann mit dieser Annahme gewifs allerlei Vorstelliingen

*) Kurzm Lehrh. d. snorg. Chem. S. 59, Anmerk. 23 fi

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L ossert, iiber die Vertheilung

verbinden, eben deshalb aber keine, von welcher man wissen kann, d a t sie sich mil K o l b e ' s eigensr Vorstellung deckt.

Oder gewinnt man etwa eine Vorstellung von der Yer- schiedenheit twder solclter Molekeln , wenn man behauptet, in der einen wirken je s/s, in der andern degegen jebI5 vom Gewicht der beiden Atome auf einander?

Andere Auffassungen fiihren wenigstens zu einer Vor- stellung davon , wie metamere Molekeln, die nur aus zwei Atomen bestehen, mbglich sind. Wenn man annimmt, in der ea'rien Molekel sind die Atome wdter vun einander entfernt ais in der anderen; oder in dcr ahen Molekel legen die Atome in einczr bestimmten Zed ahen bestimmtm Weg after atlriick als in der anderen; oder allgenieiner sie durchlaufen ah den vmschiedenen Molekeln verechiedens Bahnm : so kadn man mit diesen Annabmen dach wenigstens eine Vorstellung verbinden und danach die Frage aufwerfen, ob diese als halt- bar oder wahrscheinlich m betracbten ist.

Die soeben angefuhrten Erklarrwgen der Verschiedenheit metamerer, nur aus zwei Atomen bostehender Molrkeln schei- nen mir nicht sonderlieh haltbar zu sein. In solchen Mole- kelir wird die Entfernung der Atome von einander, oder die Bewegung, welche dieselben besitzen, ebhiingen von der Natur dieser Atome und von aufseren Einfliissen, 2. B. der herr- schenden Temperatur , der Nachbarschaft anderer Molekeln p. s. w. Deiikt man sich die A t o m ale Punkte oder als Kugcln, kura denkt man sich, dafs ihre Gestalt ohne Einflufs ist auf ihre Entfernung von einander und auf ihre Bewegung, so ist BE kaum versthndlich, wit? die letateren tinter den namlichen aufsermi EinfEiissm u w s c h a m r t z ' g SBIR k6nnen. Es wtirde diefs zu der Hypothese filhren, dafs eine nur zed- weihge iiufsere Einwirkung von dauerndem Einflufs rruf die Entfernung der Atoine von einander oder auf ihre Bewegung sein koante. Der Einflufs der akh stets gleich bZei6endan

0

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der Atome in dar Moleket. 349

ATatur der Atome wiirde vrrschwiridend kldn angenommen gegencber dem voriibergelrenden Einflufs zeitweilig vertinderter lufserer Umstlnde.

Eine einfachere und niiher liegende Erklirung der Mete- merie rweiatomer Molekeln w9re doch wohl die Anna'nme, dafs dis Gertalr der Atom verb Einjufi auf f i r e Lage odtr Bewegung mi, d a b vermiige ihrer Gestalt bei verjchiedener Eritfernung ihrer Schwerpunkte von einander mehr oder min- der stabile Gleichgewichtslagen m6glich seien.

Will man eine solche Hypothese aufstellen, so mufs man sich dabei hewul'st bleiben, dafs dadurch ein gana neues Princip der Erklarung der Yetameric in die Spcculation eingefiihrt wird. Alle bekannten Metamerieen finden ihre Erklarung i n der Annahme, dafs in metameren Molekeln die directe Ver- bindung der Atome unter eiriander in irgend einer Weiee verschieden ist. Eine solche Yerschiedenartigkeit der directen Verbindung kann man erkllren, ohne irgend eine Hypothese iiber die Geslalt der Atorne eu mechen, man kann sie aber nicht annehiiien bei irgeiid einer aus nur zwei Atomen be- stehenden Molekel.

Bis jetzt kennt man metamere, aus nur me' Atomcn be- stehende Molekeln nicht; ist es nothwendig, isl es derWissen- schaft und vollends gar den1 Unterricht fGrderlich, Hypothesen aber den Grund einer Verschieden hdt eufauetellen , welche man noch nie beobachtet hat?

Die men erwahnte Hypothese wird keineswegs von Kolbe allein gemacht. K e k u l c , E r l e n m e y e r , F i t t i g , Naomann , kurz rvir alle maohen sie, sobeld wir annehmen, zwei mehrwerthige A t o m hiinnen bald mit je einer, bsld mit mehr als je einer Affinitiit auf einander wirken.

In seinein Lehrluch sagt K e k u l e : ,,Die Theorie der Atomigkeit der Elemente ksnn sich von

der Verbindungsweise der Atome in diesen kohlenstoflreicheren

§ 47.

Page 86: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

350 L o 8 8 6 II, uber die VertheiZung

oder wasserstoffarmeren Substanzen in zweierlei Art Rwhen- schatt geben. Sie kann entweder annehrnen, die Kohlenstoff- atome seien wie in den ,,Fettk6rpern' durch je cine Ver- wandtschaflseinheit gebunden, aber es seien zwei oder mehr Verwandtschaftseinheiten der im Molecul enthaitenen Sohlen- stoffatome nicht gesattigt. Sie kann andrerseits die Arinahme machen, alle oder wenigstens ein Theil der im Molecul ent- haltenen Kohlenstoffatome seien in gewissermafsen dichterer Aneinanderlagerung, also nicht durch je dns , sondern viel- mehr durch je zw&, oder vielleicht je drei Verwandtschafts- einheiten unter einander gebunden. A priori hat weder die eine noch die andere Annabme eine uherwiegende Wahr- scheinlichkeit; es ist vielmehr wahrscheinlich, dars beide Arten von Verbindungsweise vorkommen; und man sieht so die Ybglichkeit isomerer Substanzen ein , deren Verschiedenheit darauf beruht, defs in der einen Verwandtschafteeinheiten der Kohlensto5atome nicht geslittigt sind, wilhrend sich in der andern die Kohiensto5atome in dichterer Bindung befinden= *).

Er 1 e n m e y e r **) stellt neben andern der Ziinmtsaure mtiglicherweise zukommenden Formeln auch folgende beiden von ihm als verscbieden von einander betrachteten Formeln auf :

w* CaH6 I CH II CH I

COOH

I -CH

und -L I

COOH.

E r l e n m e y e r belt die letztere Formel fiir ,,ziemlich unwahrc scheinlich , weil wir bis jetzt keine Verbindung kennen, in

*) Lehrb. d. org. Ch. II, 8. 897, 5 1606; man vergl. dam., 8. 410, 5 1515.

**) Diem Annalen 181, 351.

Page 87: Ueber die Vertheilung der Atome in der Molekel

der Atome in der Molekel. 351

welcher ein Atom Kohlenstoff eine einzelne freie Affinitiit darbietet."

Ganz der niimliche G w n d spricht nach F i t t i g *) gegen die Zulassigkeit der Fumarsaureformel

-CH-CO-OH I

CH-CO-OH '

F i t t i g giebt daher der S i u r e die der ersten 6er obigen Zimintsaureformeln entsprechende Formel

CH-CQ-OH

CH-CO-OH I I

Darauf, ob man die eine Formel fiir wcrh~uch4n&he* halt als die andere , kommt es nicht a n , sondern vielinehr darauf, dafs man die eine Formel iiberhaupt fiir vm8chden von der andern hilt. Meiner Ansicht nach haben wir gar keine thatsachliche Grundlage f i r die Annahme, dafs zwei Kohlenstoffatome, von welchen jedes nur mit dem Rest CO& und einem Wassers tohtom direct verbunden ist, auf zw8ierZer' A r t rnit einander verbunden sein kannsn. Urn ein Bild zu gebrauchen m8chte ich s r g e n , jedes der beiden Kohlenstoff- , atome tritt, belastet rnit einer stets gleich bleibenderl Belastung, mit dem andern in Wechselwirkung. Die Annahme, dafs diese beiden stets gleich belasteten Kohlenstoffatome sich unter den namlichen aufseren Umstinden L l d so bald anders verhahen 'k6nnen , scheint mir eben so wenig begriindet zu sein, als die Aanahme, dafs zwei (nicht belastete) Stickstoff- atorne zu unter den namlicben Bufseren Urnsttinden verschie- . denen Molekeln sich verbinden k8nnen.

S 48. Am ausfiihrlichsten ist wohl die in Rede stehende Frage von N a urn a n n behandelt worden. Aus dem betreffen-

") Diem rinnalen la@, 100.

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352 L o e r e n , fiber die Vsrthsilung

den Abschnitt seines Buches *) hebe ich folgende Satze her- vor :

,,Stat1 durch ewei einwecthige Atome k6nnen die zwei Verwandtschahseinheiten eines zweiwerthigen Atoms euch durch ein zweiwerthigcs Atom gehunden werden, wie in den Molekiilen der Elemente Suerstoff, Schwefel , Sirlen, Tellur, in welchen gemif's den bekarinten Gasiiichten je zwei Atom als durch doppelte Bindung vereinigt gedacht werden : O=O, S=S, Se=Se, Te=Te. Die zweiatomigen Molekiiie dieser Ele- mente liefsen sich zwar auch els ungesiitligte Verhindungen betrachten, in welchen die beiden zweiwerthigen Atome durch wechselseitige Sgttigung von nur je einer Verwandtschafts- einheit, nur durch einfache Bindung vereinigt waren iind von jedern Atom eine Verwardtschaftseinheit frei hliebe : -0-0-, -S-S u. s. w. Aber eine solche Auffassung enlbehrt der thatsachlichen Stutze" u. s. w. - ,Fur die Verbindung von zwei dreiwerthigen Atomert lassen sich ebenfalls drt' '1 ver- schiedene Structurforrneln aufstellen :

ER"', - C-RCLR'Z), (=R"Hg) *

Z. B. NGN, C-N=N-), (=N-N=). Die Verbindungen eines vierwerthigen Elements ernibglichen noch vie1 mannigfachere Anschauungen , wie folgende Struc- turformeln einiger Kohlenstoffverbindungen andsuten :

Eampfgas Kohlenorychlorid

o=c=o , (-o-&-J), (-0-+o-) , (-0-0-w. KohlensUure

H - e N , (H-d=N-) , (H-k-) , (=C=NII), (=&N-R). Cysnwasserstoff.

*) (fmdlehren der Chemie, 8. 68ff.

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,,Die vorstehend als leicht au vermehrende Beispiele auf- gefiihrten Kdrper zeigen nicht die Verbindungsfiihigkeit mit weiteren Atomen, wie sie bei unzweifelhaft ungeslittigten Ver- bindungen wie Kohlenoxyd = G O und Stickoxyd -N=O and anderen wirklich stall hat. Kame z. B. dem Carbonylchlorid

die Structurformel Cl-0-d-Cl oder dem Kohlendioxyd die I

Structurformel -0-6-0- 20, so diirfte man erwdrten, dafs an I

die erstere Verbindung sich leicht zwei und an die lelztere vier einwerthige Atorne R' anlagerten unkr Bildung von Ver- bindungen der F o r i

n' Cl-O-~-CI

A 4

und H '

R'-o-~-o-R'. At

Der Mangel dieser Verbindangsfiihigkeit rechtfertigt die An- schauung , wonach man die aufgefiihrten Verbindungen als gesittigte betrachtet und die eingeklammerten Structurformeln mit freien Verwandtschaftseinheiten, als in der kfahrung nicht begriindet , fiir unzuliissig hi l t . Der fernere Urnstand, dafs von den denkbaren Verbindungen immer nur eine wirklich existirt in den oben erwiihnten FBllen, dafs z. B. nur eine Verbindung yon der atomistischen Molekularformel CNH und nicht fiinf oder vier bekannt sind, spricht ebenfalle fiir eine mbglichst vollstiindige gegenseitige Settigung der Verwandt- schaftseinheiten. In den betrachteten Fdllen ist immer auch nur tine gesiittigte Verbindung nibglich, gegeniiber mehreren ongeslttigten, die in ihrem Bestehen einander Ja nicht ausschlie- fsen wiirden. Man d a d daher folgern, dafs die einzige wirk-

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354

lich existirende Yerbindunq der einzig mciglichen geslttigten entspricht.u

Zwei Argumente sind es, welche N a um an n zu Giinslen derjenigen Formeln anfuhrt, welche einen mciglichst vollstiin- digen Ausgleich aller Affinititen darstellen. Erstlich sol1 den von ihm beispielsweise angefuhrten Verbindungen die Ftihig- keit abgehen, sich mit weiteren Atomen zu verbinden, welche nnzweifelhaft ungesittigten Verbindungen boigelegt wird. Was ich von diesem Argument hrlte, hrbe ich bereits oben in S 22 dargelegt. N a u m a n n k6nnte unter den von ihm gewiihlten Beispielen solche finden, welche das GegeRtheil seiner Behaup- tung beweisen. Das Kohlendioxyd verbindet sich direct mit zwei Atomen Wasserstoff, die Blausaure verbindet sich direct mit vier Atomen Wasserstoff, wenn sie mi t Wasserstoff in statu nascendi zusammentreffen. Dansch wiirde beispiels- weise die Formel H-d-N= ganz dem Verhalten der BlausPure entsprechen.

Aus dem Umstand, dafs von mehreren denkharen Ver- bindungen nur eine existirt, folgt meines Erachtens keines- wegs, dab dieser eine den Ausgleich aller Afinitiiten rep& sentirende Formel beigelegt werden miisse. Die Frage , ob in der Molekel CNH das Wasserstoffatom direct an das Koh- lenstoffatom oder an das Stickstoffatom gebunden sei , kann nicht zu Gunsten der ersteren Annahrne entschieden werden nus dem Grunde, dafs dann der betreffenden Molekel die Formel H-CiN zukommt, in welcher alle AfeniUten ausge- glichcn sind. Giebt man der Molekel die Formel H-N=G, SO geh6rt sm in die Categorie derjenigen Molekeln, in wel- chen, wie in der Molekel CO, zwei Affiniuten des Kohlen- stoffatoms ungesattigt sind, ond entspricht in ihrer Zusammen- settung dem Aethylcarbylamin, fiir welches N a u m a n n selbst die Structurformel &H6-N=C= annimrnt *).

I

*) a. a. 0. 8. 112.

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der Atolne in der Hoh?td. 35

Es is1 zwar folgericlitig, aus dem Grund , weil in der meisten anderen Molekeln ein Ausgleicli aller Affiniliiten an- genommen wird, auch in der Molekel CNH einen solchen an- zunehtnen ; nur darf men nicht iibersehen , dafs die eine An- nahme eben so willkiirlich ist wie die andere. Eine No& wendigkcit, binen Ausgleich aller Affinitiiten anzunehmen, liegt eben weder fur die meisten anderen MoZekeZn, noch far die Molekel CNH vor.

L. M e y e r *) hebt richtig hervor , dafs die An- nahme mehrfacher Bindung nicht nothwendig ist **), dafs man freie Affinitaten annehmen kann, dafs aber bei Annehme mehrfacher Bindung die Anzahl der moglichen Yetameriefalle geringer ist, a h bei Annahme freier Affinitiiten :

,,Nimmt man ungestiitigte Affinititen a n , so sind z. B. zwei Verbindungen GH, mciglich, nlmlich :

bei doppelter Bindung degegen nur eine :

§ 49.

* H,CCHs * und HSC-CH +* ;

H&=CHpU ,,Dafs in Wirklichkeit nur eine Verbindung C&H, bekannt

ist und alle Versuche, die isomere, das Aethyliden, darzu- stellen, fehlschlugen, ist die Hauptstiitze der Ansicht, welche im Aethylen nicht freie Verwandtschaften, sondern doppelte Bindung annimmt.'

Diese Hauptstiitze ist keineswegs eine starke Sttitee. Der Urnstand, dafs die AnzahI der m6glichen mit der der beob- acbteten Metamerieliille bei Annahme mehrfacher Bindung fibereinstimmt, kann zu Gunsten dieser Annahme n u r dann e t w r s beweisen, wenn die Uebereinatimmung nicht n u r in dem vereinzelten Fall des Aethylens , sondern wenigstens einiger- m a b e n allgemein nachweisbar ist. Dafs diefs aucb nicht ent-

*)Mod. Theor. d. Chem., 5 89, S. 178. **) Man vergl. aueh die 9 47 eitirte Stelle a u ~ K e k u16 'a Lehrb.

4 5 1606.

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356 L o 8 8 d n, iibsr die Vertheilvng

fernt der Fall ist, kann man aus der Betrachtung verhiiltnifs- mafsig einfacb rusammengesetzter Verbindungen leicht er- sehen. Ee geniigt ein einfiiges Beispiel anzufiihren; wir kennen im Monochloracetamid eine Verbindung, deren Zu- sammensetzung durch die empirische Formel GKCINO nus- gedriickt wird. Die diesem Kbrpcr gewohnlich beigelegte rationelle Formel ist bekanntiich HIN-CO. CHsCI. Wenn man Wssserstoff urid Chlor einwerthig, Sauerstoff zwei-, Stickstoff drei- und Kohlensloff vierwerthig annimmt, aufssrdem nur Forrneln, welcbe keine freien Valenzen eath~lten, zuliirst, so enrsprechen dzr nlmlichen empirischen Zusarnrnensetzung QH,ClNO aufser der angefuhrten ncich weitere siehenundfilnfzig rationellePormeln, ahne d a h inan bis jetzt auch nur eine der die- sen Formeln entsprechenden Verbindungen ltenrien gelernt hatte.

Der vielfach gemachten Annahme, defs ein mi&- lichst vollstandiger Ausgleich aller AffiniUltseinheiten in den Molekein anzunehmen sei , liegt meines Brachtenf wenigstens theilweise der Gedanke zu Grunde, dafs den ATfinitatseinheilen ein Ausgleichsbestrsben innewohnt, ein Bestrehen, einer An- ziehung Folge 4.u leioten, mit welcher sie gegenseitig auf einander wirken, oder kiirrer gefsfst , dafi die Afinitate- ednheiten einander anea'elren. Ich habe zur Geniige hervor- gehoben, dafs ich au..g8chliefi&h den Atmen sine gegsnoei- tigc Awrkhung ewchrPribe. Ob neben ditwr eine gegensei- tige Anziehung der AFfnitatseinheiten anzunehmen is1 , das kann men erst beurtheilen, wenn genau definirt ist, was denn eigentlioh eine Affinitittseinheit ist. Vor der Hand scheint mir weder die Annahme freier Affinitfdseinheiten , noch jiejenige mehrfacher Bindung xweier Atome, noch iiberhaupt diejenige der Affinitittseinheiten gerechtfertigt zu sein

Ableitung d a Werlhs einea Atoms UUB der AnzaRZ der ma2 demselben verhundenen Afinitatseinheiten

nicht fdr zullssig erachten.

$ 50.

S 51. Desha!b kann ich such die

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dtr Atome in dm Molekel. 397

K e k u l e scheint es zwar nicht fur unzullssig zu halten, die Vierwerthigkeit des Kohleristo5atoms BUS den Molekeln C02 und CNH ahzuleiten; es kann jedoch mindestens als sehr zweifelhaft erscheinen , ob K e k u I6 die Vierwerthigkeit des Kohlenstoffatoms antiehmen wfirde, wenn iiicht aucli lMolekela bekannt wlrcn, in weIchen ein Atom Kohlenstoff mit vier anderen &omen direct verbundzn ist.

W e n n ich nicht irre. war B u t l e r o w *) der erste, w d - chet die Sechswerthigkeit des Schwefels aus der Verbindung SO3 abgeleitet hat. Ihm folgte heid E r l e n m e y e r **), und heutzutage iheilen R u t 1 e r o w's Anschsuung viele Chemiker, u. a. K o l b e , W u r t z , L. M e y e r . Mir scheint es kaum zweifelhaft, dafs von wesentlicheni Einflufs auf die mehr und mehr zunehmende Verbreituiig dieser Anschauung die a*nsSi-

tigen Betrachtungen gewesen siod, welche M e n d e I e j e f f **+) fiber die Verhaltnisse, in welchen die Elemente sich mit Sauer- stoff verbinden, angeskl l t hat. Uebersichtlicher als Bus Men- d e l e j e ff 's Abhandlung sind w i n e Anschauungen aus fol- gender von L. Me y e r gegebenen Darstellung ersichtlich :

,,Im nllgmeinen w&hst 2:n der nach der & a h der Atomgmichte geordneten Reihe der Element6 die Quantitat

Sawmtof, wclche von &em Atome eincle anderm Elemmtr, gdunden wird, o m G'lied zu cflied tun th halhes Atom, jedcch nie weitm at5 his eu wkr Atomen, wmauf sad w i d e r plii'tslakh auf ein ho22re.q Atom hrabsinkt.' - .Dieses ist 3us nachstehender Tafel ersichtlich, in welcher in Klsmniern { ) aoch einige Oxyde aufgefiihrt sirid, welche noch nicht mit Sicherheit hekannt, oder doch nicht im reinen Zustande unler- sucht sind, dtrren Exislenz nber ntich der Andogie mit ver- wandien Verbindungen kaum zweifelhaft ist ___ -

*) Zeitechr. f. Cham. n. Phnrm. 1863, 507. **) Deselbst 1964, 633. H*) Die period. Gesotzmrddgkeit der cheru. Elemente; cfiese Aunsleb

Buppl.-Bd. c), 133ff.

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358 L o a 8 en, ilber die Vmtheilung

oryh.

- 1 - 1 "Ips

,,Die hier aufgefiihrten Oxyde sind fur die meisten El- mente die sauerstoffreichsten, welche wir kennen ; manche der in den oberen Horizontalreihen stehenden Ketalle bilden indeb an Sauerstoff reichere Oxyde, so Na, I(, Cu, Ag, Au, Ca, Sr, Ba und wahrscheinlich auch Li, Fib und Cs. Diese sauerstoffreicheren Oxyde sind aber meist (wie auch einige der in der Tafel aufgefiihrten) Superoxyde, welche einen Theil ihres Sauerstoffs sehr leicht abgeben; nur das Kupfer- oxyd CuO Coder CusOe) ist sehr bestandigU *).

Die letzten Siitze deiiten a n , dafs die meisten Elemente Sauerstoffverbindungen bilden , welche in die Tabelle nicht aufgenommsn sind. Unter diesen sind allerdings auch manche Superoxyde , welche einen Theil ibres Sauerstoffs leicbt ab- geben. Weshalb aber diese unter gewissen Umstinden wenig bestindigen Oxyde keinen Platz finden in einer Zusammen- stellung, in welcbe verschiedene Oxyde aufgenornmen sind, fiir welche erst noch der Beweis zu erbringen ist, dafs sie unter irgend welchen Umstanden iiberhaupt nur bestehen k6nnen, dartiber haben weder M e n d e 1 8 j e f f noch diejenigeo,

*) Mod. Theor. d. Chem., 5 170, S. 32;.

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dm Atone in am ~ o l s k e t . 3s9

welche seinen Anschauungen folgen, sich ansgesprochen. Die angenommene, rnit der Gr6fse des Atomgewichts in Zusam- menhong sfehende Regelmilrsigkeit in der ZUSemmenSetZUng der Oxyde kommt eben nur dann zum Vorschein, wenn man willkiirlich gerade nur die in M e n d e 1 e j B f f's Zusammen- stellung aufgenommenen Oxyde in Betracht zieht. Irgend ein Princip wire 'doch noch in der Zusammenstellung, wenn man entweder d% hikhsten oder die niedrigsten Oxydationsstufen mit einander verglichen hitte, wie es nachstehend beispiels- weise fiir die Oxyde der dritten Verticalreihe geschieht :

Niedrigste Olydationsstufe : GO' C+Os-'h% VSOS, ( C W s ) , %OS, Fes4, ' ~ O S N~sOS.

H6ohste Oxydationsetufe :

Stellt man in Bhn!icher Weise die verschiedenen Oxyde der in den iibrigen Reihen enthaltenen Elemente, und zwar vor allem die existirenden, nicht nur hypothetischen Oxyde zusammen, so bleiben yon der vermeintlicben Regelmlfsigkeit einige diirftige Reste iibrig. Auch diese kann man, wenn man will, noch erheblich verringern durch Antrahme eines Ueberchrom-, sdure- und eines Ueberschwefelsiureanhydrids, welche schwer- lich gewagter ist, als die eines Eisensiureanhydrids Pep06

oder F+08. Die bis jetzt bekannten Sauerstoffverbindungen der Halo-

gene sind : ClpO, ClsOs, Clop, (JOS?) und JsOfi Keines diescr Oxyde ist in die obige Tabelle aufgenommen; dieselbe 6nthBlt statt der wirklich existirenden die rein hypothetischen Verbindungen Cleo,, BrpOf und JSOT. - Was ist denn CIS07 ? Doch wohl n u t die Formel, welche das Anbydrid der Ueber- chlorsaure Cl0,H mutbmafslich haben wiirde , wenn dasselbe iiberhaupt existirte. - Avch aus der Zusammensetzung der Verbindung Cl0,H wird die Siebenwerthigkeit des Chlors eb- geleitet. ,,Auch hier kann manu, sagt L. Meycr , p r Noth die Vorstellung festhalten, jene Elemente seien anch gegen

& 0 4 , cS,01-%04, vsoa, (horn -01, (F%Od, c%%, N401.

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360 Loroes, iiher die Vmthdung

neqah've einwerthig und demgemnfb z. B. die Formel der Ueberchtorsaure Cl0,H kettenkirmig :

zn schreiben. Aber man verwiscbt dadurch itire Analogie mit der Uebermangensiiuce, der man eine entsprechende For- me1 nicht geben kann, weil das Mangan jedenfalls mehrwerthig ist" *).

Das Mangen iot allerdings jedenfalls mehrwerthig , dafs dssselbe siebenwertbig isf, bleibt aber erst zu beweisen. Und selbst wenn die Siebenwerthigkeit desselben bewiesen whre, so folgt trotzdem aus dem Isomorphismus des lberchlorsauren und iibermangansauren Kafiums, an weichen L. M e y e r wohl denkt, wenn er von der Analogie der beiden SIuren spricbt, nicht die Siebenwerthigkeit des Chlors. Es ist bekannt, dafs Natronsalpeter und Kalkspath isomorph sind, obwohl niemand Natrium und Calcium oder Stickstoff und Kohlenstoff als gleich- werthig betrachtet. Diu Analagie der Uebermangansaure be- weist also g a r nichts.

Will man die Aiinahme machen, dafs in der Vcrbindung CIO,H die Sauerstoffatome keine ihrer Valenzen gegenseitig ausgleichen , dafs also die acht Valenzen der Sauerstoffatome durch die Valenzen des Chloratoms und des Wasserstoffatoms gesattigt sind, so ist es wieder eine willkiirliche Hypothese, dafs Bieben dieser Valenzen an die Valenzen des Chloratoms gebunden sind, und nur eine an eine Valenz des Wassersloff- atoms. - Man sieht, dafs man um die Hypothese von der Siebenwerthigkeit des Chlors zu halten verschiedene weitere Hypothesen machen mufs , welche sich gerade nicht durch Unanfech tbarkeit auszeichnen.

Pregt man aber erst nach den Consequenzen aus der Hypotliese von der Sieberiwerthigkeit des Chlors , dann er- scheint dieselbe in noch vie1 hedenklicherem Lichte. In der

H-O-0-0-041

- __ *) Mod Theor. d. Cham., 144, 6 275.

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der Atome ah & Molekel. 361

meiten Auflage der ,Modernen Theorien der Chemie" findet sich foigende Stelle, welche der Verfasser in der dritten Aof- lape wtggelassen hat :

,So gelangt man Lur Ansicht B u t I e r o w's, der dchwefel sei sechswertliig, die in der That yon Illanchen Chemikern vertheidigt worden ist. Erkennt man die Berechtigunp der- selben an, so kann man niemanden hindern, den Wasserstoff Nr dreiwerthig zu erklaren, da im Schwefelwcsserstofh, Has, zwei Wasscrstnffatome ein Schwefelatorn vdlig zu sattigen vermiigen" *I.

Nach diesern Satz kann man auch niernanden hindern, aus der Siebenwcrthigkeit des Chlors und der Exis:enz der Verbindongen C\H, CIK, ClAg U. s. w. die Siebcnwertliigkeit des SVasserstoffs uad der bisher als einwertliig betraLhteten Metalle zrj folgern.

Oder sind in diesen Chloriden sechs Valenzen des Chlor- atonis ungesattigt? Nimmt man an , dafs dieselben , dafs auberdern der SchwefelwasserstofF', der Selenwesserstoff und zahliose andere Verbindungen eine grBrsere oder gcringcre Anzshl freicr Valenzen besitzen : kanri man dann noch allen diesen Verbindimgen , ,in denen die Verwandtschaften eines Atoms nictt vol\stlr?dig gesattigt weiden" , ,eine irriguliire ZusanimenselzungU und .cine aufsergew6h:iliche Leichtigkeit, mit welcher sie Verbindungen eingehzn", zuschreiben 7 **)

Die Erwlgung, d d s man das Chlor in seinen Verbir.4ungen mit allen tibrigen Elernenten als einwwthig bctrachtet dafs der VJerth der rneish Blemente festgestellt wird nnter der Voraussetzung der Einwerthigkeit des Chlors , mufs nieincs Ercchteos die Frage nahe legen, oh die Annahme (gerecht- fertigt ist, dafs das nirnliche Chlorafom einziq unJ a!lein dern Sauc~stoR pegenfiber siebenwerlhig is\. L. hl t: y i? r @At zu,

*) 3 142, 8. 271. **) blod. TLeor. d . Cham., 5 68, 8. 145s.

Auc14,n dur CLrwie 204. Bd. 2 'A

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362

dais man ohne diese Hypothese auskommen kann, dafs man ,,zur NothK die Formel der Ueberchlorsilure H-0-0-0-0-CL schreiben kann. Ich bekenne, dafs as mir wenigstens keine Noth rnacht, rnir eine solche Verkeltung rnebrerer Sauerstofl- atome vorzustellen , da ich ohnehin diest3 oder wenigstens eine sihnliche Vorstellung nicht entbehren kann, wenn ich mir Rechens -,hat? von der Verbindong der Ssuerstoffatome zut Molekel des Ozons geben will; d i m kann entweder durch

die Porrnel / oder durch die Formel 0-0-0 versinnbild-

liuht werden Q); die erstere kann men eine geschiossene. die zweite eine offene Kette nennen. Wenn drei Atorne Sauer- stoff nechweisbar durch iht e gegenseitige .Qnziehung zu einer Molekel verbunden sein kdnnen , wenn auiserdem seb- vjele nur aus mehrwerthigen Atornen bestehende Molekeln die Eigenschaft besitzen. sich mit einiqan einwerthigen Ahmerl zu verbinden, so bedarf es doch nicht der ganz besonderea Hypothese, dafs in den Verbindungen C108K oder ClCJl des Chlor~toln 8.5 ist, welches die Verbindung der Sauerptoffstome unter einander verrnittelt.

,,Die Gewohnheit einer Meinung erzeugt oft die viillige Ueberzeugung von ihrer Richtigkeit : sie verbirgt die schwacheren Theile davon und macht uns unfihig, die Beweise dagegen anzunehmen." I n gewissem Sinn ist auch das Gegentheil dieser oft citirten Work des groisen B e r z e 1 i u s wahr. Richt nu r eine althergebracbte, vielfach vertheidigte, sondern auch eine gariz neue, uns gerade durch Neuheit und Richtigkeit bestechende Meinung birgt die Gefahr in sich, dafs dre schwacheren Theile derselben zeitwoilig iibersehehen werden, dafs sie sich wenigstens hie und da verrnifst, ein wenig mehr zu leisten, als sie kann.

L. M e y e r hat es weder verkannt noch verschwiegen, dafs die Ableitung des Werths aus den Sauerstoffverbindungm ihre bcdenkliche Seitc hot.

0-0

h

§ 52.

Er selbst sag! : _ _ - __ __

*) Mac vorgt 5 9.

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der Atom6 in der MoleksL 363

,,Diese Periodicitit des chemischen Werths tritt am deut- iichsten hervor, wenn man denselben aus Verbindungen mi: dem Sauerstoffe ableitet. Es ist diefs einer der Hauptgriinde, welche uns cu dieser Ableitltng bestimrnen kiinnen , obschon die Oxyde wegen der Zweiwerthigkeit des Sauerstoffs und der durch diese miiglichen doppelten Bindung zunlcbst als ein ungeeignetes und triigerisches Mittel zur Feststellung des Werths erschienen' 0).

Darauf miichte ich erwidern : wenn eine gefafste und lieb gewonnene Weinung auch noch so sehr ihre Bestatigung iindet durch Resultate irgcnd einer Untersuchung , so rniissen wir trotzdem die letzteren als trugerisch verwerfen , sobald wir erkannt haben , dafs die angewmidte Untersuchungsmethode rnit einern Pehler behaftel ist.

Die Lehre yon der Abhangigkeit der Eigenschaften der Elemente von der Grofse des Atomgewichts wird ihren vollen Werth behalten, auch wenn sie von einigen nicht nothwendi- gen Zuthgten befreit wird, wzlchz sich den Thatsachen nicht ungezwungen anpassen lassen.

g 53. In den letzten Paragrapl!en habe ich die Ablei- tung des Werths aus den Sauerstoffverbind ungen bekiimpft yon dem Standpunkte der Vertheidiger dieser Art der Werth- hestimrnung aus, obwohl ich diasen Standpunkt nicht theile. Mein Haupteinwurf gegen dieselbe bleibt der, d a b sie die Annahrne rnehrfacher Bindungen voraussetzt, welche ihrerseits wieder rnit dem rneines Erachtens krineswegs lilargestellteri Begriff der Affinitatseinheit zusaoirnanliangt.

In seiner beruhmten Abhnndlunp iiber die Constitution der arometischen Verbindungen sagt I< e k u 1 B :

.Obgleich wir dernialen eindr wirklich mechanischen Auf- fassung in dcr Chemie noch entbchren, so scheint es mir doch, als rntisse und als konne le i dern jetzigen Stand unserer

*) Mod. Theor., Q 172, 8. 325. 24 *

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364 L o s s e n , fGer d. Ver t ldung d. Atme in d. MoleFCl,

Wissenschah eine mechanische Betrachtungsweise weriigstens engesirebt werdenu *).

Sol1 eine solche Betmchtcngswelse rndglich werden, so muI3 man eich in erster Linie vergegenwartigen , welche Massen sich im Raum der Molekel befinden. Es isr vorzugs- weise K e k u 16's Verdienst, die Aufmerksamkeit der Chemiker derauf gelenkt au heben, dafs sie nie stehen b!eiben durfen bei der Betrachtung einer theilbaren Mmc innerhalb der Molekel, defs die Wirkung jeder einzelnen untheilbaren Maese, jedes Atonis, zu erforschen sei. Nicht. ausreichend scheint mir bisher hervorgehoben ZR sein, dafs die Wirkung der untheilharen Masse von der gunzm untheilbaren Masse aus- qeht. In Folge d e t Nichtbeachtung dieses Satzes schreibt man Bruchtheilen der Atome eine Wirkung z u , welche nur den Atomen sclbst zuzuschreiben ist, und lenkt den Blick ab von d e t Vertheilung der Atome irn Raum; denn dem Theil des Atoms, welchem eine von der Wirkung des ganzen Atoms zu unterscheidende selbststiindige Wirkung zugeschrieben wird, wird dadrirch auch eine Lage im Raum zugeschrieben, welche von der Lage des Atoms im Raurn zu unterscheiden ist. Daher die Unterschcidung eiazelner Punkte irn oder am Atom, oder einzclner Punkte in dem das Atom umgebenden Raum, welche unterschieden werden VOII denjenigen Punkten im itaum.. an welchen das Atom selbst sich befindet, von welchsn Plleiri also eine Wirkung ausgeht. - Meines Erachtens kBnnen solchc Yorstellungen einer anzuhahneaden rnechanischen Be- ttachtungsweise der Wirkung der Atarne in der Molekel nicht ftirderlich sein. k h glav tie im ersten Theil dieser Mittheilung gezejgt eu haben, d a h inan sich m c h ohne dieselben eine den bis jetxt bezuglich der Vereinigung der Atonie zur Molekel festges:ellten Gesetzmlfsigkeiten e n t s y r e c h d e Vorstellung von der Vertheilung der Atome in der Moleitel machen kann.

K b n i g s b e r g , 4. Jtili 1880.