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Ueber die Zeitdauer der Verdampfung udd Wiederverdichtung fester Körper

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Page 1: Ueber die Zeitdauer der Verdampfung udd Wiederverdichtung fester Körper

334 N a u m a n n, iiber die Zeitdauer der Verdnmpfung

Ueber die Zeitdauer der Verdainpfung und Wiederverdichtung fester Kijrper ;

von Alex. Naumann.

Gelegentlich einer demnachst zu veroffentlichenden Untersuchung iiber Dissociationserscheinungen des carbamin- sauren Ammoniums erwies sich die bis zum Eintritt der einer bestimmten Temperatur zugehiirigen Zersetzungsspannung erforderliche Zeit, sowohl bei der Zunahme der Zersetzung durch Temperaturerhiihung als auch bei der theilweisen Wiedervereinigung der Zersetzungsproducte durch Tempe- raturerniedrigung , so iiberaus betrachtlich, drfs mir dem gegeniiber einige Kenntnifs uber die fur Bildung yon gesat- tigten Dampfen fester Korper erforderliche Zeit , sowie uber die Moglichkeit und etwaige Dauer des Bestehens iibersat- tigter Dampfe derselben wunschenswerth erschien.

Behufs Erlangung derselben habe ich Versuche ausge- fuhrt mit dem bei i60° schmelzenden und unter gewiihn- lichem Luftdruck bei N O 0 siedenden Anderthalbchlorkoklen- stoff C2Cls, und mit dem bei 79,2O schmelzenden und bei 218O siedenden Nuphtulin CloHs , von welchen beiden Korpern nach den angestellten Beobachtungen besonders der erstere schon weit unterhalb seines Schnielzpunkts eine betrachtlichere Darnpfspannung besitzt.

Der angewandte Anderthalbchlorkohlenstoff war durch Einwirkung von Chlor auf Butterslure enlstanden *), sublimirt und aus Aether umkrystallisirt.

*

”) Vgl. Naumann, diem Annalen CXIX, 120.

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und H’iederverdichtung .fester Korper. 335

Zur Ermittelung der Verdampfungs- und Ruckverdich- tungszeit wurde zunachst die Anwendung des H o f m a n n’schen Dampfdichtebestimrnungsapparats in seiner gewShnlichen Form versucht. Nach Einbringung eines Krystalls von Anderthalb- chlorkohlenstoff in das Vacuum desselben wurde Wasser- dampf oder Alkoholdampf in den Mantel des Apparats ein- geleitet. Das Quecksilber sank ziemlich rasch, aber es folgte auf dieses Sinken ein nachheriges geringes Steigen, welches der Ausdehnung der erst spater ihrer ganzen innerhalb des Mantels befindlichen Lange nach erhitzten Quecksilberslule zugeschrieben werden mufs. Beim Abkuhlen des erhitzten Apparats durch oben eingegossenes, den Mantel durchfliefsen- des kaltes Wasser sank umgekehrt das Quecksilber von der rasch erreichten Hohe nachtraglich wieder etwas herab , in Folge der langsamer sich vollendenden Abkuhlung der Quecksilbersaule. Aus diesen Beobachtungen war also zu schliefsen , dafs sowohl einerseits die Bildung eines gesattigten Dampfs des festen Anderthalbchlorkohlenstoffs von 100° oder von 78O in einem Vacuum von weniger als 17 CC. Rauminhalt, als auch andererseits beim Wieder- abkuhlen von diesen Temperaturen auf 15O die Ruckkehr der Dampfspannung auf den dieser Teniperatur entsprechen- den Werth weniger Zeit erfordere, als die jedesmalige Tern- peraturveranderung der unterhalb des Vacuums befindlichen Quecksilbersaule von etwa 16 Mill. Durchmesser und 640 bis 680 MM. Hohe.

Urn demnach die gemifs den vorbeschriebenen Beob- achtungen jedenfalls geringe Zeitdauer der Herstellung des Gleichgewichtszustands sowohl bei der Verdampfung des Anderthalbchlorkohlenstoffs durch pletzliche Temperaturer- hiihung, als auch bei der Ruckverdichtung durch pliitzliches Abkuhlen in bestimmterer Weise zu erkennen, lnderte ich

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336 N a u m a n n , iiber die Zeitdauer der Verdampfung

den Hofmann’schen Apparat in der Weise ab, dafs der Mantel nur wenig iiber diejenige Stelle des Rohrs herabging, bis zu welcher bei der hiichsten Beobachtungstemperatur, bei 100°, nach vorgingigen Versuchen das Quecksilber sinken mufste. Es wurde dadurch nur ein kleiner Theil der Queck- silbersaule in unmittelbarer Nachbarschaft des Vacuums und fast gleichzeitig mit diesem bei der Untersuchung der Ver- dampfungszeit erhitzt und bei der darauf folgenden Unter- suchung der Riickverdichtungszeit abgekiihlt, in Folge dessen sich ein annlihernd constanter Temperaturzustand des Appa- rats und insbesondere des Quecksilbers in vie1 kiirzerer Zeit herstellte.

Die im Ueberschufs eingebrachte Substanz befand sich anfiinglich auf der Oberfliche der Quecksilbersiiule und spiiter, nach einmal erfolgter Verdampfung bei hiiherer Tem- peratur, theilweise auch an den WInden des Vacuums. Der Durchmesser des cylindrischen Glasrohrs betrug 16 MM. und der von Dampf erfiillte Raum hatte unter 17 CC. Inhalt.

Nachstehende Tabelle gewahrt einen Ueberblick iiber eine der erhaltenen, in ihren Ergebnissen iibereinstimmenden Beobachtungsreihen :

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und Wiedewerdichtung fester Kzrper. 337

Zeitdauer der Verdampfing und Wiederverdichtung des Anderthalbch lorkohlensto ffs.

Temperatur und Zeitdauer.

1 Minute nach Einbringung des Andert- halbchlorkohlenstoffkrystalls bei 15O . .

nach weiteren 5 Minuten . . . . . . 2 Minuten nach Durchstromung des kurzen

Mantels durch Wasserdampf . . . . nach weiteren 3 Minuten . . . . . . spilter . . . . . . . . . . . . . 1 Minute nach darauf folgendem Durch- . . . . nach weiteren 5 Minuten . . . . . . 2 Minuten nach DurchstrGmen yon Alko-

holdampf . . . . . . . . . . . nach weiteren 5 Minuten . . . . . . 1 Minute nach darauf folgendem Durch-

stromen yon Wasser yon 15O . . . . nach weiteren 5 Minuten . . . . . . 2 Minuten nach Durchstriimen von Was-

serdampf . . . . . . . . . . . spiiter . . . . . . . . . . . . .

stromen yon Wasser von 15O

~~

Hiihe der Juecksilber-

sh l e .

746,5 MM. 746,5

716 715 715

745 745

732 732

745 745

715 715

)ampfvolum.

~

11,9 cc. 11,9

16,3 16,4 16,4

12,l 12, l

13,9 13,9

12,l 12,l

16,4 16,4

Es stellt sich mithin far den festen Anderthalbchlor- kohlenstoff das Gleichgewicht der Dampfspannung im Vacuum unter den angegebenen Versuchsbedingungen her in 2 bis allerhbchstens 5 Minuten nach Durchslrbmung des kurzen Mantels durch Wasserdampf oder durch Alkoholdampf oder durch Wasser von 15O, in welcher Reihenfolge man auch die Temperaturen, loOo, 78O, 15O nach einander wechseln kist. Der Eintritt der einer bestimmten Temperatur zuge- horigen Dampfspannung erfordert also kaum lingere Zeit, als die Temperaturveranderung selbst in Anspruch nimmt.

Aus den fur die verschiedenen Versuchstemperaturen und urspriinglich vor Einbringung des Anderthalbchlorkohlen- stoffs beobachteten Hbhen der Quecksilbersaule berechnen sich unter Beriicksichtigung der Barometerstandslnderung

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und des annahernd ermittelten Betrags einer in der Entwicke- lung geringer Gasrnengen beim Erhitzen liegenden Fehler- quelle folgende

N a u m a n n, iiber die Zeitdauer der Vwdampficng

Dampfspannzingen des Andert~a~bchlorko~Llenst~ffs CpCls. ~- - ~ - ~. ._ ~~

bei 15" 1 bei 78" 1 bei 100" 1 Siedepunkt 1 Schmelzpunlrt

< 1 MM. 1 13,5MM. 1 31 MM. ~ 182O 1 160"

Das ferner angewandte Naphtalin war kurze Zeit im Sieden erhalten worden und durch Abkuhlen wieder erstarrt. Seine Verdampfungs- und Wiederverdichtungszeiten wurden fir 19O, 78') und 100° in dem namlichen H of m a n n'schen Apparat mit entsprechend verkiirztem Mantel bestimmt. Da der Schrnelzpunkt des Naphtalins bei 79,2O liegt, so war e s selbstverstandlich bei 100° flussig. Aber es blieb dasselbe auch bei darauf folgendem Abkuhlen auf 78O noch ge- schmolzen und schlug sich in fliissigen Tr6pfchen an den Wanden des Vacuums nieder, wahrend es sonst bei 78O in festern Zustande verharrte , wenn die Temperatur von unten bis dahin aufstieg. Die ubereinstimmenden Beohachtungs- werthe fur das Naphtalin von 78" beziehen sich dernnach einerseits auf Dampfe, welche sich aus der festen Aggregat- form entwickelten und in diese iibergingen, andererseits auf Dampfe, welche der fliissigen Aggregatforrn entstamrnten und in diese zuruckkehrten.

In nachfolgender Tabelle sind die Ergebnisse einer Ver- suchsreihe zusammengestellt , welche durch wiederholte Be- obachtungen nach erneuter Beschickung des Apparats be- statigt wurden :

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und Wiedervei~diclitung fester Kzrper.

Zeitdauer der Verdampfung und Wiederverdiclttung des Naphta Zin s.

____

Temperatur und Zeitdauer.

Vor Einbringung des Naphta- lins . . . . . . . . .

Nach Einbringung des Naphta- lins . . . . . . . . .

Einige Minuten nach Durch- stromung des kurzen Man- tels durch Alkoholdampf .

spiiter . . . . . . . . Sofort nach Durchstrijmen von

Wasser yon 19O . . . . spater . . . . . . . . 1 Minute nach Durchstrijmen

yon Wasserdampf . . . . nach weiterer 1 Minute . . nach weiteren 2 Minuten . . 2 Minuten nach darauf fol-

gendem Durchstriimen yon Alkoholdampf . . . . .

nach weiteren 2 Minuten . . spater . . . . . . . . Einige Minuten nach darauf

folgendem l)urchstromen von Wasser von 19" . . . .

2 Minuten nach DurchstrSmen von Wasserdampf . . .

spiiter . . . . . . . .

Hohe der Besondere Bemerkungen.

saule. ,

749,5 hlM.

7473

740,5 74015

747,5 747,5

729 728,5 728,5

740 740,5 740,5

$ 4 7 3

729 729

Das Naphtalin blieb fest b e i I} 78O.

Das Naphtalin war ge-

Das Naphtalin blieb ge- schmoloen bei 78' und schlug sich in flussigen !} Tropfchen an den Wan-

1 den des Vacuums nieder.

schmolsen.

Das Naphtalin war ge- I} schmolzen.

Demnach tritt auch bei dem Naphtalin im Vacuum unter den oben bezeichneten Versuchsbedingungen die einer be- stimmten Temperatur zugehorige Dampfspannung in kaum lingerer Zeit ein, als die Ternperaturveranderung selbst in Anspruch nimmt, sei dasselbe nun in fester oder flussiger Form vorhanden. Zugleich zeigt es sich, dafs die Dampf- spannung des bei 78O festen Naphtalins die gleiche ist wie diejenige des bei 78O noch flussigen, uberschmolzenen Naphta- lins, dafs also die Spannung der Dampfe von der Aggregat- form unabhitngig ist.

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340 N a u m a n n , Zeitdauer der Verdampfung u. s. w.

Aus den in vorstehender Tabelle niedergelegten Beob- achtungswerthen ergeben sich folgende :

Dampfspannungen des Naphtalins CloHs :

bei looo in Siedo- Schmelz- bei ?So

Form Form bei 19O I in fester I in fliissiger fliissigerForm I 1 punkt 1 punkt

I I I I I

2MM. 1 9MM. 1 9MM. 1 20,5MM. 1 21S0 1 79,2O

Die allgemeineren Ergebnisse vorbeschriebener Unter- suchungen sind in nachstehenden Satzen zusammengefafst :

1) Nach den Beobachtungen am Andertbalbchlorkohlen- stoff und am Naphtalin ist die Zeitdauer bis zum Eintritt des Gleichgewichts der Dampfspannung fester Kiirper im Vacuum bei Temperaturanderungen sehr kurz.

2) Es zeigt sich am Naphtalin, dafs die DImpfe der- selben Substanz bei derselben Temperatur die gleiche Span- nung besitzen, unabhiingig davon, ob sie aus der festen oder aus der fliissigen Aggregatform sich entwickeln und in solche iibergehen *).

Gief sen , 14. Juli 1871.

”) Mit letzterem Ergebnifs stehen in Einklang friihere Versuchs- resultate von R e g n a u 1 t , welcher aus der Untersuchung der Dampfspannungen yon Eis und Wasser , Benzol, Aethyienbromid, Essigsilure, Cyanchlorid und des Chlorkohlenstoffs CCl, den Schlufs zieht, dafs der Uebergang eines Korpers vom festen in den fliis- sigen Zustand keine merkliche Aenderung in der Spannungscurve der Dllmpfe hervorbringe, sondern dah diese C u v e eine vollkom- mene Regelmafsigkeit vor und nach der Umwandlung bewahre (Mkmoires de I’acaddmie des sciences de l’institut imperial de France t. XXVI, p. 751-760; im Ausz. Jahresber. fiir Chemie u. 8 . w. f. 1863, 73).