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(Aus dem Anatomischen Laboratorium [Vorstand: Prof. Dr. A. Jakob] der Staatskrankenanstalt und Psychiatrischen Universit~tsklinik Hamburg- Friedrichsberg [Direktor: Dr. med. et phil. Weygandt].) [Yber einen Fall yon Encephalitis chronica mit starker Beteiligung der Rinde. Von Konrad Zucker, Assistenzarzt an der psychiatrischen und Nervenklinik der Universititt Greifswald. Direktor: Prof. Dr. E. Forster. ~'Iit 8 Textabbildungen. (Eingegangen am 11. ~Yovember 1927.) Wenn auch die Ansichten der einzelnen Autoren fiber die H~iufigkeit des Befallenseins der verschiedenen nervSsen Gebiete bei der Ence- phalitis lethargica im chronisehen Stadium gemS,/] der jeweiligen histo- logischen Befunde bezfiglich einiger Einzelheiten noch differieren, so scheint doch Einigung darin zu bestehen, dal] zu den regelm~t~ig und auch am starksten betroffenen Gebieten in erster Linie die Substantia nigra, die ~Iittelhirnhaube und sodann gewisse Teile der Medulla oblon- gata geh6ren, dann dorsomediale Teile des Thalamus (Spatz); etwas seltener und im allgemeinen geringgradiger das Striatum, das Pallidum, sodann das Corpus Luysi, der Ncl. ruber und das Dentatum. Aus der Hitufigkeitsstatistik leitet Spatz 1 eine Theorie ab, die ihrerseits wieder diesen Elektivit~tsmodus verstehbar zu machen durchaus geeignet scheint: die Encephalitis geh6re zu den vom Liquor ausgehenden Er- krankungen und ihre pr~dilektiven Bezirke seien somit die Umgebung der Cysterna basalis und der Fissura transversa. Auch die Ver~nderungen, die sich im chronischen Stadium finden, pflegen sich, vielleicht sogar noeh mehr als im akuten, auf diese Gebiete im allgemeinen zu be- schr~nken. -- Hieraus verstehen sich die an sieh seltenen Befunde -- soweit sie atiologisch einwandfrei sind -- wo die Rinde in ausgesproche- ner W'eise Ver~nderungen aufweist, die nicht anders als auf den ence- phalitischen Prozcl~ zu beziehen sind. So beschreibt H. A. Wilckens ~- 3 F~ille yon Encephalitis leth. mit Rindenveranderungen, yon denen jedoeh der Fall 2 durch eine zuvor bestehende Imbecillitas + Dementia praecox kompliziert wurde. Der Fall 3 betrifft eine subakute Form der Encephalitis bei einem Kinde. Nur der 1. Fall ist eine chronische Form

Über einen Fall von Encephalitis chronica mit starker Beteiligung der Rinde

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(Aus dem Anatomischen Laboratorium [Vorstand: Prof. Dr. A. Jakob] der Staatskrankenanstalt und Psychiatrischen Universit~tsklinik Hamburg-

Friedrichsberg [Direktor: Dr. med. et phil. Weygandt].)

[Yber einen Fall yon Encephalitis chronica mit starker Beteiligung der Rinde.

Von Konrad Zucker,

Assistenzarzt an der psychiatrischen und Nervenkl in ik der Univers i t i t t Greifswald. Direktor : Prof. Dr. E. Forster.

~'Iit 8 Textabbildungen.

(Eingegangen am 11. ~Yovember 1927.)

Wenn auch die Ansichten der einzelnen Autoren fiber die H~iufigkeit des Befallenseins der verschiedenen nervSsen Gebiete bei der Ence- phalitis lethargica im chronisehen Stadium gemS,/] der jeweiligen histo- logischen Befunde bezfiglich einiger Einzelheiten noch differieren, so scheint doch Einigung darin zu bestehen, dal] zu den regelm~t~ig und auch am starksten betroffenen Gebieten in erster Linie die Substantia nigra, die ~Iittelhirnhaube und sodann gewisse Teile der Medulla oblon- gata geh6ren, dann dorsomediale Teile des Thalamus (Spatz); etwas seltener und im allgemeinen geringgradiger das Striatum, das Pallidum, sodann das Corpus Luysi, der Ncl. ruber und das Dentatum. Aus der Hitufigkeitsstatistik leitet Spatz 1 eine Theorie ab, die ihrerseits wieder diesen Elektivit~tsmodus verstehbar zu machen durchaus geeignet scheint: die Encephalitis geh6re zu den vom Liquor ausgehenden Er- krankungen und ihre pr~dilektiven Bezirke seien somit die Umgebung der Cysterna basalis und der Fissura transversa. Auch die Ver~nderungen, die sich im chronischen Stadium finden, pflegen sich, vielleicht sogar noeh mehr als im akuten, auf diese Gebiete im allgemeinen zu be- schr~nken. -- Hieraus verstehen sich die an sieh seltenen Befunde -- soweit sie atiologisch einwandfrei sind -- wo die Rinde in ausgesproche- ner W'eise Ver~nderungen aufweist, die nicht anders als auf den ence- phalitischen Prozcl~ zu beziehen sind. So beschreibt H. A. Wilckens ~- 3 F~ille yon Encephalitis leth. mit Rindenveranderungen, yon denen jedoeh der Fall 2 durch eine zuvor bestehende Imbecillitas + Dementia praecox kompliziert wurde. Der Fall 3 betrifft eine subakute Form der Encephalitis bei einem Kinde. Nur der 1. Fall ist eine chronische Form

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der Encephalitis, bei dem sieh neben den im fibrigen eharakteristischen Befunden in der Subst. nigra, Pallidum usw. in der gesamten I-Iirnrinde, jedoch unter Bevorzugung der Frontal- und 0ccipitalregion sowie auch der Centralis posterior Veritnderungen fanden. Sie bestanden in kleinen Ausfallsherden von Ganglienzellen, die teilweise zu lamin~ren Ausfalls- streifen ffihrten, und zwar besonders in der V., und in geringerem Grade auch in der III. Schicht. Aul~erdem bestand eine protoplasmatische Gliawucherung leichten Grades.

Bei Marinescu-Balo i 3 wird unter 7 chronischen F~llen 1 Fall mit- geteilt, bei dem sich StSrungen der l~indenarchitektur mit starker Infi l tration und Eisenreaktion der Gefhl~e im Insel- und Stirnhirn fanden. Der Fall wird aber selbst schon mit Recht als nicht ganz gekl~rt angesehen. -- :&hnlich unklar bzgl. der Genese der Rindenverande- rungen bleibt ein Fall yon Omorokow ~. - - Dagegen scheinen die Fhlle yon P o p p i 5, der in chronischen F~llen nach Stirnhirnver~nderungen fahndete und sie ,ziemlieh h~tufig" fand, ferner 2 yon de L i s i und Bus inco 6, in denen Atrophien yon der 3. Schicht abwhrts im Stirnhirn vorhanden waren, und dann auch 3 Fhlle yon Agos t in i 7, der speziell in der frontalen und prhfrontalen Windungen degenerative Zellverande- rungen besonders in den untersten Schichten mit Glia-Rasenbildung beschrieb, wohl hierher zu gehSren. - - Besonders schwere Rinden- veranderungen bot der yon W. Scholz s mitgeteilte Fall, in dem auch klinisch psychotische Erscheinungen sich in den Vordergrund dr~ingten. Die krankhaften Rindenveranderungen fanden sich in symmetrischer Ausbreitung und erstreckten sich etwa yon der vorderen Zentralwindung an mit zunehmender Intensi tat nach hinten, wo sie in den beiden Occi- pitalpolen und da besonders in der 4. Schicht ihren HShepunkt erreichten. Aul]erdem waren natiirlich, worauf sich die anatomische Diagnose zum Teil stfitzte, die basalen Kerngebiete, besonders die Subst. nigra, schwer befallen. - - Die Rindenverhnderungen, soweit sie sieh i iberhaupt in chronischen encepha]itischen Fallen finden, erreiehen aber wohl nie die Intensit~t, wie sie mit gro[~er Regelm~iBigkeit vor allem in der Subst. nigra und dann in anderen subcorticalen Kerngebieten gefunden wird.

Ferner gestaltete sich die Verteilung und die Art des Prozesses bei den bislang beschriebenen Rindenveranderungen, soweit jetzt schon zu iibersehen ist, keineswegs derart, dal] hieraus irgendein pr~dilektives Moment bzw. Charakteristicum abgeleitet werden kSnnte; areal herd- f5rmige, diffuse, perivasculhre Ver~inderungen und solche mit mehr laminarer Betonung linden sich gelegentlich sogar in demselben Falle zusammen vor. Nur kSnnte man allgemein wohl sagen, da[t hier in- filtrative Erscheinungen (entsprechend der an sich geringen Intensi ta t des Rindenprozesses ?) noch mehr als in den subcorticalen Gebieten in den Hintergrund treten.

Fal l yon Encephali t is ehroniea mit s tarker Beteil igung der Rinde. 315

A u c h d e r h i e r m i t z u t e i l e n d e F a l l z e ig t h i n s i c h t l i c h d e r A r t u n d d e r

V e r t e i l u n g des R i n d e n p r o z e s s e s e i n y o n d e n b i s l a n g b e s c h r i e b e n e n in

v i e l e r B e z i e h u n g b e s o n d e r e s V e r h a l t e n .

Es handet t sieh um eine im Dezember 1877 geborene Pat ient in (M. Off.), fiber deren Vorgesehiehte die Sehwester der Pa t i en t in folgende Angaben machte: Vater mit 52 Jahren gestorben, die Mut ter lebt noeh. Unte r den 4 Gesehwistern sind Nerven- oder Geisteskrankheiten nieht vorgekommen. Die Pat ient in selbst w~r weder als M~dchen noeh als Frau ernster erkrankt . Heirat mit 24 gahren. Aus der Ehe 2 Kinder, yon denen 1 lebt. Der Sohn sei hastig und nerv6s; er babe wohl mit den Nerven zu tun. Vor l i/~ J a h r s tarb der Mann aus unbekannter Ursaehe pl6tzlieh. Naeh dem Tode des 3[annes sei die Pa t ien t in erkrankt . Sic vernaehl iss igte sieh in Kieidung und vernachl iss igte auch den Hausstand. Was sie anzog, sei ihr ganz egal gewesen. Sic wurde immer stiller, antwortete kaum und konnte sieh auf niehts besinnen. Sic wurde auBerdem langsam in ihren Bewegungen und in der Spraehe. Ihre Gesiehtszfige seien start , verloren und teilnahmlos geworden. Allm/~hlieh babe sieh aueh eine eigenartig gebeug~e Hal tung eingestellt. St indige Versehlimmerung. Well es den Verwandten unheimlieh wurde, holte man den Arzt, der Pa t i en t in in die Klinik sehiekte. :Die Sehwester, d .h . die Patientin, habe abet alles verstanden, was man zu ihr sagte, babe aueh z .B. fiber Wege Bescheid gewugt und sei eigentlieh hie ver- wirrt gewesen.

Aufnahme in den Staa tskrankenans ta l ten Friedriehsberg am 13. I. 1926.

A u/~tahmebe/und. Die Kranke kommt in v611ig verwahrlostem Zustande zur Aufnahme; sic

s tar r te vor Schmutz und war v611ig verlaust. Hoehgradig demente, stumpfe Kranke. Sie s teh t fast unbeweglich da und

spr icht mit leiser monotoner Stimme. Sie spricht nur, wenn ihr best immte Fragen vorgelegt werden und antwortet dann in kurzen Siitzen. Meist wird die vorgelegte Frage vorher w6rtlich wiederholt. Orientierende Fragen beantworte t sie formal korrekt, inhalt l ich jedoch reichlich oberfl/~chlich, zum Tell auch abschweifend. Auf Fragen ihre frfiheren Schicksale betreffend, fr~here Krankhei ten usw. sagt sie nur immer: ,,Ieh weiB das n icht ." Sie kennt ihren Geburts tag nicht, weiB auch das heutige Datum nicht anzugeben, glaubt, sie sei hier im jfidischen Kranken- haus. Einfache Reehenaufgaben werden nicht gelOst. :Die Merkfiihigkeit ist hoch- gradig herabgesetzt ; aueh einfache Paradigmen kOnnen nicht nachgesprochen werden. Mangelnde Krankheitseinsieht, sie meint, es gehe ihr sehr gut. Ftir S innes t iuschungen oder Wahnideen bestehen keine Anhat tspunkte .

K6rperlicher Befund. Etwas untersetzte Frau in miBigem Ern ih rungs - und Kr i f tezus tand. Ge-

spannter Gesichtsausdruek. fast maskenart ig. Gtat te gl inzende Haut . Bupillen: Links = reehts, mittelweit, reagieren nu t wenig auf Lieht und

Konvergenz. Augenbewegungen frei. Faeialis und Trigeminus intakt . Lungen o .B. Herz in normalen Grenzen. L'ber allen Par t ien scharfes systo-

lisehes Gergusch, welches unter dem Sternum und an der Herzspitze deutlieh zu h6ren ist. Puts o. B.

An den oberen Extremit~tten leiehte Flexibili tas cerea. An den unteren Ex- t remit / t ten keine Tonusanomalien nachweisbar. Tremor besteht nieht. Sehnen- und Periostreflexe an den oberen und unteren E x t r c m i t i t e n positiv. Bauehdeeken-

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reflexe kaum auszul6sen. FuBsohlenreflexe schwach positiv. Aktive Bewegungen werden nur sehr langsam ausgefiihrt. Die Sensibilitat fiir Schmerzreize schein~ mit Ausnahme des Gesichtes herabgesetzt. Sonst ist die Sensibilitat intakt.

29. I. Liegt ruhig und zufrieden und freundlich im Bett. Gebeugte Haltung, amimisches Gesicht, keine Pendetbewegungen. Befolgt Aufforderungen prompt, liegt steif und unbeweglich da. Ihr Alter gibt sie richtig an, ihren Geburtstag weil~ sie nieht. Das heutige Datum weiB sie ebenfalls nieht. Auf die Frage, wo sie sich befinde, sagt sie: , I n ,Frieberg', die Haupts tadt yon den Verrfickten kann man sagen, da bin ich wegen geistige St6rung. Geistig fehlt mir der Verstand, kann man sagen." Auf Befragen gibt sie an, dab sie schon 11 Monate hier sei. Eine vierstellige Zahl wird zun~ichst richtig wiederholt, nach einer halben Minute jedoch vergessen. - - Parkinson-Hattung, alle Spontanbewegungen langsam. Bewegungs- armut. Rigor an den oberen Extremitaten deutlich, an den unteren nicht. Keine Ataxie, keine Adiadochokinesis. l~eflexe si~mtlich vorhanden und lebhaft. Auf- fallig haufiges und starkes Sehwitzen. Ni~Bt gelegentlich ein.

5. V. 1926. Sitzt meist ruhig, stumpf vor ihrem Bett. Alle Fragen beant- wortet sie mit einem etwas bl6de anmutenden Lacheln. Schmiert gelegentlich mi t Kot. Im fibrigen unveriindert.

18. VIII . 1926. Inzwischen psyehisches Verhalten erheblich verschlechtert. Patientin liegt v611ig apathisch im Bett, ausdrueksloses Gesicht, halt meist die Augen geschlossen. Auf Anreden und Fragen nur versti~ndnisloses Laeheln, oder es werden die Fragen mit denselben Worten wiederholt. V611ig akinetisch.

Dezember 1926. K6rperlieh v611ig hi|flos, muB gefiittert werden, mug ganz und gar besorgt werden. Wenn sie nicht rechtzeitig zum Wasserlassen gefiihrt wird, n~Bt sie ein. Sie liegt ,~611ig unbeweglieh, meist mit geschlossenen Augen da. Der Kopf ist leicht nach links geneigt. Augenhintergrund : Papillen beiderseits etwas blaB. Maskengesicht, seltener Lidschlag. Glanzhaut. Parkinson-Haltung. Kein Tremor des Kopfes und der Extremit~ten, jedoch besteht Zungentremor. Pupillen o .B. An den Reflexen kein krankhafter Befund. Sensibilitat sehwer zu prfifen.

17. II. 1927. Seit heute hohes Fieber. Seit einigen Tagen ganz stumpf, zeit- weise somnolent, heute bewui]tlos. Flache Atmung. Leichte Cyanose der Hande und des Gesichtes. Reagiert nieht auf Hautreize. Ausgesprochener Torticollis nach links. Deviation conjug6e der Augen nach links unten. Reflexe positiv. Babinski und Oppenheim 0. Rigor der Arme rechts ~ links ruckweise fiber- windbar, geringer als frfiher. Rigor der Beine fast 0. Uber beiden Lungen oben bronchovesiculares Atmen. HerztSne kaum h6rbar.

Occipitalpunktion: Klarer Liquor. Wassermann im Liquor und Blur o .B . Zellen 4/3. Nonne: Spfirchen-Opalescenz.

Ohne das BewuBtsein wieder erlangt zu haben, kommt Patientin 51/.2 Uhr zum Exitus.

Klinische Diagnose: 5retencephalitis (Paralysis agitans sine agitatione). Schluckpneumonie.

Sektionsbe/und.

Seziert am 18. II. 1927, nachmittags 1 Uhr. ~Veibliche Leiche in reduziertem Erniihrungszustand. Sehadeldach und Dura

o .B. Pia o .B. Die basalen GefaBe zart. Hirnwindungen leicht geschrumpft. Auf Frontalschnitten durch das Gehirn: Die Stammganglien und der Thalamus leicht atrophisch. Die Substantia nigra etwas verschma|e~t. Nirgends herdf6rmige StSrungen.

Trachealschleimhaut und Schilddrtise o. B.

Fall yon Encephalitis chroniea mit starker Beteiligung der l~inde. 317

tIerz der Leiehenfaust entsprechend, in allen Teilen normal. Aortenintima zart. Lungen o.B. Adorninaiorgane auger einer leichten Parenehymtriibung der Leber und ganz kleinen Myomen des Uterus o. B.

KSrpergr6fie 1,61 m, Hirngewicht l150g, Sch~tdelinhalt 1400 ccm. I-Iypo- physe 0,5 g, Dura 60 g.

Pathologisch-anatconi~che Diagnose: Atrophia eerebri mit Ventrikelerweiterung. Leiehte Atrophie der Subst. nigra und der Staramganglien.

Kurze Zusarnmen/assunff der .Krankengeschichte :

Eine 50j~ihrige Frau ohne famili~re Belastung und ohne ernstere fr(ihere Erkrankungen wird Ende 24= ohne naehweisbaren vorhergehenden akuten Infek t allm~ihlich stiller, teilnahmloser und apathiseher. Auger- dem merksehw~ieher. Ferner wird sie Iangsam in den Bewegungen und in der Sprache und zeigt vornfibergeneigte Haltung. Der Zustand ver- sehlimmert sieh und Januar 2.6 erfolgt Aufnahme in der Klinik. Hier hochgradig dement, stumpf, mangelnde Orientierung, Kritikschw~ehe. Keine Sinnest[tuschungen oder Wahnideen. Maskengesieht, Salbenhaut. Parkinsonhaltung, starke Akinese. Wassermann im Blur und Liquor negativ. Die fibrigen Liquorbefunde ebenfalls negativ. Im weiteren Verlaufe zunehmende Versehlechterung in psychiseher und k6rperlicher Beziehung. Zunahme der dernenten Erseheinungen und der fiir Parkin- sonsyndrom charakteristischen Erseheinungen (dabei jedoch nut m:~tftiger l%igor in den oberen und fehlender Rigor in den unteren Extremit~iten. Kein Tremor der Extremiti[ten, nur Zungentremor). Naeh 2~/2j~thriger Krankhei tsdauer im Februar 27 Exitus. Am Tage des Exitus hohes Fieber, starke Somnolenz. W~hrend dieser Somnolenz Auftreten eines Torticollis naeh li. und Naehlassen des Rigors in den Armen.

KlinischeDiagnose: 5Ieteneephalitis (Paralysis agitans, sine agitatione). Patholocjisch-anatornische Diagnose: Atrophia eerebri mit Ventrikel-

erweiterung. Atrophie der Subst. nigra. Histoloffischer Be/und: Zur histologischen Untersuehung wurden

Stiieke aus folgenden Regionen genommen: Frontalpol; Frontalis granularis; Frontalis agranularis + eentralis anterior oben, und dasselbe unten; Parietalis I (Regio posteentralis); Gyrus angularis; Temporalis I und 2 Mitte ; Oeeipitalpol ; Ammonshorn ; Nucleus caudatus ; Putamen -I-, Pallidum; Thalamus + Hypothalamus; orale und eaudale Partie des Zwisehenhirns; Kleinhirn mit Denda tum; oraler und eaudaler Teil vom Ports; 2 Stfieke aus der 5Iedu]la oblongata und 2 Sttieke aus dem I{iiekenmark.

Die sehwersten Veranderungen fanden sieh offenbar in der Subst. nigra und der Mittelhirnhaube, sodann im Pallidum und im Hypo. thalamus. Etwas geringer in den medialen Teilen des Thalamus und in den dorsalen Teilen der ~[edulla oblonga$a; weiter abnehmend im Str iatum (Nucleus eaudatus = Putamen), im Ammonshorn und in der

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Ponshaube. Die Rinde war in alien untersuehten Gebieten ebenfalls mehr oder weniger schwer verSmdert, am meisten die Posteentralis und der Gyrus angularis, sodann die granutiiren und agranuliiren Frontal- gebiete und die Temporalformationen. Etwas geringer der Frontalpol und am wenigsten das OecipitMgebiet. - - Abet aueh die Olive und das

Abb. 1. Wucherung der ttorgega-Glia in der Rinde (Lamina 1I und IlI). (Ca]al. Silbernitratfiirb ung).

Dentatum und ferner das Rrickenmark (die vorderen Partien mehr als die hinteren) wiesen deutliche StSrungen in Form yon Degenerationen, Verfettungen und leiehter Gliose auf. Von allen untersuchten Stricken zeigte die Kleinhirnrinde die relativ geringsten StSrungen.

Bei Besprechung der erwS~hnenswerten Einzelheiten bedarf die Gliareaktion einer besonderen Erwahnung. Abgesehen davon, daft fast riberall in der Rinde und den grauen Kernen eine mehr oder weniger miichtige Gliaproliferation und Hypertrophie aller Formen zu sehen

Fall yon Encephalitis chronica mit starker Beteiligung der Rinde. 319

waren, wogegen pyknotische Formen im allgemeinen in den Hinter- grund traten, ist besonders die Form der gewucherten Mikrogtia in den Hortega-Bildern bemerkenswert: Die polaren Ausl~ufer sind massiv and enorm langgestreckt. Als diese Pr~tparate als die ersten dieses Falles durchmustert wurden, muSte man an eine Paralyse denken,

Abb. 2. Wucherm~g der )[akroglia in der :Rinde (Lamina VI). (Ca]aL Silb ernitratf~trbung.)

wofiir ja hypertrophische Formen der Hortega-Glia in diesem Ausmal~e einigermal3en charakteristisch sind. Die Abbildung 1 zeigt ein solches Bild bei mittlerer VergrSt3erung aus Lamina I I und I I I der agranul~ren Fronta]formation. (Abb. I.) Erst ein genauerer Vergleich mit ent- sprechenden Paralysebildern zeigte, dal~ die Hortega-Formen dort eine nicht so ausgesprochene und regelm~it~ige Tendenz zur L~ingsstreckung zeigen wie bier in unserem Falte; und dal~ bei der Paralyse wieder die Ver~stelungen reicher zu sein scheinen als bier. - - Immerhin bleibt

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dieser Befund ein auffalliger, wie er bislang wenigstens bei encephaliti- schen Prozessen noch nicht beobachtet zu sein scheint.

Uber die Art und Intensitgt der Vergnderungen der Makroglia, wie sie sich nach der CajaI-}iethode darstellt, gibt die Abb. 2 auch ohne weiteren Xommentar Auskunft. Eine deutlichere perivascut~re Be- tonung der Gliaproliferation besteht weder hier, noch ist sie in anderen yon dem Prozel3 getroffenen Gebieten erkennbar. (Abb. 2.)

Mehr technisches Interesse diirfte folgende Beobachtung bean- spruchen: Die Darstellung der ziemlich ausgesprochenen Randgliose, die

Abb. 3. Substantia nigra - - Zona comp~cta (Nissl-Bild). Hochgradiger Zeltschwund. St~.rkste Gliareaktion. Einige Infiltrate. :Erweiterung der perivascuI~iren R-~ume.

bier nur yon den Makroformen geliefert wurde, gelang nur nach ganz kurzem Fhrben der Pr~iparate in der nach Ca]al hergestellten ammonia- kalischen SilbernitratlSsung; beim Sichtbarwerden der Hortega- oder gar erst der Makroformen in der iibrigen Rinde waren diese Rand- gebilde der Makroglia schon l~ngst wieder unsichtbar geworden.

Die ~issl-Bilder zeigen im besonderen folgendes: Substantia nigra: hier ist offensichtlich der Sitz der schwersten Ver~tnderungen. Die Ganglienzellen sind zum grol3en Teil vSllig geschwunden, ein Teil der fibriggebliebenen ist depigmentiert, und das schwarze Pigment liegt in kleineren oder gr6Beren Schollen im Gewebe. Hochgradigste Glia- proliferation, deren Intensit~t fleckf6rmige Verschiedenheiten aufweist.

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Darunter sehr viele grol]e, ganz blasse, gelappte Kernformen, w~thrend pyknotische Formen selten shld. Hier sieht man auch noeh einige deutliche GefSt3infiltrate. Auffiillig h~tufig sind gr61]ere perivasculgre Lichtungen, ohne dab bier eine besondere Gliaproliferation zu bemerken wgre. Gr/ines und gelbes Pigment liegt in den Makrogliazellen, besonders sind abet die Gef~Blymphscheiden yell davon (Abb. 3).

~hnlich starke Ver~nderungen, nur vielleicht mit etwas geringerer Gliareaktion und etwas hgufiger pyknotisehen Formen, aber fast noch stgrkerem Zellsehwunde, bietet die gesamte Mittelhirnhaube.

Die Erscheinungen im iYucleus ruber sind dagegen ziemlich gering: geringe Gliaproliferation und t typertrophie, einige Zellverfettungen und wenige Zellnekrosen, Gefgl~e intakt.

Das ganze Pallid~,m steht an Intensi tgt und Art des Prozesses der Subst. nigra nur wenig nach: starker Zellausfall, stellenweise sieht man bei mittlerer Vergr613erung im ganzen Gesichtsfelde nur einige Zell- schatten. Die iibrigen Zellen zeigen zum grol3en Tell entweder hoch- gradige Verfettung oder sind als fast homogene Gebilde mit kaum er- kennbaren Fortsgtzen mehr oder weniger blab angef:arbt. Die Glia- verhgltnisse sind 5hnlieh wie in der 8ubst. nigra. Aueh hier sieht man getegentlich zarte lgundzelleninfi]trate an den Gefgl3en. -- Die gelben und grfinen, fast in jeder groften Gliazelle und besonders an den GefgBen ]iegenden Pigmentmassen iibersteigen bei weitem das f{ir das Pallidum physiologische Ausmaft (Abb. 4:).

W~hrend eigentliche gellausfSlle in den hypothalamischenKerngebieten seltener sind, so sind doch alle Zellen hoehgradig ver:,indert, indem sic zum grot3en Teil dunkel gefgrbte unf6rmige Gebilde mit kaum mehr nachweisbaren Auslaufern darstellen, in denen auger den Xernk6rperchen sich nur grebe Plasmakriimel linden. Besonders an den ventrikularen Randpart ien trggt die enorm proliferierte Glia fast ausschliel]Iich stark progressiven Charakter, und es linden sich gerade hier Kernformen, wie sic sonst so grol3 nur noeh in der Subst. nigra gesehen wurden. Infi l trate und besonders viel Pigment sind hier nieht beobaehtet.

I m Thalamus linden sieh diffuse Zellausfglle mit einer immerhin gewissen perivaseulgren Betonung. Erhebliehe Verfettung der tibrigen Ganglienzellen. Die Gliareaktion erseheint zwar ebenfalls sehr lebhaft, aber die hypertrophisehen ])'ormen zeigen doeh lange nieht die StSrke wie in der Subst. nigra, Pallidum und Hypothalamus. Aueh sind hier pyknotische Kernformen deutlieh hSufiger als dort. St~rkere P~eizung der GefMtwandelemente, aber keine Infiltrate. - - Alle Erseheinungen, besonders die Vergnderungen an den Oanglienzelien sind in den medialen Partien stgrker ausgesproehen.

I m Striatum sind besonders die groBen Zellen befallen : starker Ausfall derselben; wo sic noeh vorhanden, zeigen sic wohl alle ausgesproehen

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. 113. ~1

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degenerative Erscheinungen in Form yon Verfettung, Homogenisierung und nur sehr sehwaeher Fi~rbbarkeit des Protoplasmas und Quellung und Randst:~indigkeit des Kernes. Oft aueh ist Kern und Plasma nieht reeht mehr zu unterseheiden. Hier kommen gelegentlieh Neurophagien vor. Gleiehsinnige VerS, nderungen zeigen aueh die kleinen Zellen, aber

Abb. 4. Pallidum (Nissl-Bild). Zellschwuud, Gliareaktion, Erweiterung der perivascul~iren l~'~ume. (Vgl. hierzu das bei gleicher VergrSgerung aufgenommene Pallidum-Bild bei Jakob, ,s. extrapyramidalen Erkram

kungen". Springer 1923. S. 22.

nur zum Teil und dann auch in schw~icherer Form. Die Gliareaktion hitlt sich in m~gigen Grenzen und scheint im Caudatum etwas st~trker als im Pallidum zu sein. Dort finder sich auch sowohl in der Glia als auch besonders an den GefSl~en sehr reiehliches Abbaupigment. Infiltrate fehlen.

Bevor die Verh~ltnisse in der ginde besproehen werden, sollen noch kurz die 5Iedulla oblongata, das gt ickenmark und das Kleinhirn erwiihnt

l~'all yon Encephalitis ehroniea mit starker Beteiligung der Rinde. 323

werden. Kurz angedeutet wurde schon die Tatsache, dab in der Me- dulla, oblongata krankhafte Vergnderungen eigentlich nur in ihren dor- salen Gebieten gefunden wurden. Hier zeigte sich besonders im Nucl. triangularis und Deiters ein erheblicher Zellausfall bzw. starke Ver- fettung der Zellen, ferner eine m~ehtige Gliaproliferation und Hyper- trophie bet nur geringem Befund an pyknotisehen Kernformen. Die St~rke des Gesamtprozesses blieb aber schon erheblich hinter der im Mittelhirn und im Pallidum zurfick. -- Geringer befallen waren Nucl. I X und Nucl. ambiguus und dann Nuel. X I I und die oralen Anteile der spinalen V-Wurzel. -- Einseitig dorsolateral vom Nucl. ambiguus fanden sieh einzelne Gef~iginfiltrate, nebenbei die einzigen, die caudal yon der Subst. nigra beobaehtet wurden. Die Gegend des Nuel. olivaris war mit Ausnahme einiger verfetteter Olivenzellen nieht weiter ver~ndert.

Letzteres gilt ebenfalls vom Dendatum des Kleinhirnes. In der Klein- hirnrinde war ein geringer Ausfall an Purkinje-Zellen und eine stSrkere FSrbbarkeit der Zellfortshtze das einzig Auffallende.

Im Riiclcenmark waren nut die vorderen Zellen in sthrkerem Ausmaf~e im Sinne der fettigen Sklerose erkrankt. Ferner war eine geringe Er- weil~erung der perivaseulSren I£[mme bemerkbar. Keine deutliehe Gliaunruhe. In den HinterhSrnern und in den weil3en StrSngen fand sieh nichts Besonderes.

Wenngleieh die nun zu sehildernden Veranderungen i~ der Rinde in vielen wesentliehen Punkten so gut wie iiberatl gleiehartig sind, so bestehen doeh nieht nur hinsiehtlieh der Intensitht des Gesamtprozesses auff~illige areale Versehiedenheiten, sondern aueh solehe beziiglieh einzelner Besonderheiten, die zum Teil unabh~ngig yon der St~trke der Ver~,tnderungen hier vorhanden sind und doris wieder fehlen.

Allen t~indenregionen gemeinsam ist das fast vSllige Fehlen wirk- lieher Gef~Binfikrate. Worauf bei der offenbaren Progredienz des Falles naeh dem klinisehen Bilde aueh hier wieder hingewiesen werden soll. Zarte vereinzelte Rundzelleninfiltrate zeigen sieh nut an den Orten, wo der GesamtprozeG seine grSftte IntensitS, t erreieht, n~tmlieh in der Posteentralis, ferner abet in noeh geringerem AusmaGe im ~[ark der Centralis anterior. Dahingegen sieht man fast fiberall in ann[thernd gteiehm~iGiger Weise miil)ige Erweiterungen der perivaseul~iren R~iume, die besonders an den Gefi~Gen zu finden sind, deren Wgnde mit reiehtiehem grtinem Pigment angeftillt sind, so am meisten wieder in der Posteentralis und im Gyrus angularis und am wenigsten i n d e n Oeeipitalformationen. Dieses Verhalten l:~iBt vielleieht doeh darauf sehlieGen, dal~ einst mehr oder weniger geringe infiltrative Vorg~mge sieh hier abgespielt haben. Die Gef'~tl~wandelemente selbst sind vielfach gereizt, d. h. die Kerne sind gequollen und blal3 und das Protoplasma des Zelleibes tingiert sieh ]eieht mit. Wiederum sieht man dieses Verhalten am ausgesproehensten

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in P. I u n d im Gyr angular., woselbst aueh die einzigen beobaehteten Gefi~ftsprossen vorkommen, und am geringsten vorhanden ist es im Frontal- und Oceipitalpol.

Die auffhlligsten VerSnderungen bieten die Ganglienzellen. Bei sehwaeher Vergr6gerung linden sich diffuse und auf alle Sehichten sieh

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Abb. 5. Regio postcentralis (Area 1 Br.). Verdickung der Pia; diffuse Zellausfalle; Sehwund der 4. Schicht; Gliareaktion; kleine Infiltrate. (Vgl. hierzu das bei der gleichen VergrSi3erung aufgenommene Bitd der normalen Area 1 Br. bei Jakob ,,Normale und pathologische Ana- tomie und Histologie des Gre~hirns. F. Deutieke 1927, Bd. 1, S. 116.

erstreckende Ausf~lle. Mehrere Areae weisen aber eine noch dartiber hinausgehende besondere ]amin~re Betonung der Ausf~lle auf. -- Die Architektonik ist besonders im Gyr. angular.. (Abb. 6) und stellenweise auch in der Postcentralis (Abb. 5) und in den unteren Schichten der agranul~ren Frontalgebiete (Abb. 7) erheblich gestSrt. An den letzt- genannten Stellen fallen in den unteren Schichten Schief- und Quer- stellung der Zellen auf.

Fall yon Encephalitis chronica mit starker Beteiligung der Rinde. 325

Wi~hrend in allen FrontM-Formationen inkl. der Centralis anterior die 3. Sehieht am sehwersten und in etwas geringer ausgesproehenem Marie die 6. und dann die 5. betroffen erseheint -- (in der Centralis anterior war ein besonders ausgesproehener AusfMl der Betzsehen Zellen nieht naehweisbar) --, fanden sieh im Gyrus angul~ris, in der Post-

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Abb. 6. Gyr. angular. (Area 39 .Br.) Nissl-Bild. Verdickung der Pia; diffuse Zellausfiille besonders in Lain. I I I und VL

Schwere architektonische St6rungen. Gliareaktion.

centrMis und in Temporalis 1 und 2 die stSrkeren St6rungen in den unteren Sehiehten und geringere, wenn aueh immer noeh deutliehe, in der 3. Sehieht. In der Posteentralis fiillt auf3erdem noeh besonders auf, dag die 4. Sehieht so gut wie v611ig versehwunden ist. Im OeeiloitMe dagegen, wo, wie gesagt, alle Erseheinungen in der ginde am geringsten ausgeprigt sind, ist weder die Gesamtarehitektonik gestSrt, noeh finden sieh hier irgendwelehe lamimtren Ausfi|le.

326 K. Zueker :

Bei sti~rkeren Vergr613erungen bieten die sehwer vergnderten Gan- glienzellen fiberall ~ihnliehe Bilder: der Kern ist meist vergr6Bert und randst~ndig. Das auffallend dunkle Kernk6rperehen ist vielfach der einzig erkennbare Rest der im tibrigen arg verwasehenen Kernstruktur . Nirgends finder sich im Protoplasma der Zelle eine noch erkennbare

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Abb. 7. Fronta l i s agr~nular is (Lain. I I I bis ~."l). Nissl-Bild bei mi t t l e re r Vergr6gerung. Zellausf~lle in I I I b und in den un te ren Schichten.

Quer- und Schiefs te l lung der Zellen in ¥ I .

Tigroid-Zeichnung, es ist vielmehr mehr oder weniger schollig zer- fallen, zum Tefl auch bildet es mit dem Kern eine h0mogene :~Iasse, in d e r n u r am Rande das KernkSrperehen noch erkennbar bleibt (Abb. 8). Dieses Verhalten zeigen haupts~ehlich die Pyramidenzellen der 3. und 5. Schicht, soweit es nicht schon zur Bildung unf6rmiger Zelltrfimmer mit nicht ernennbaren Ausl/iufern oder zu fast farblosen Zellschatten gekommen ist. An den Elementen der fibrigen Sehiehten ist oft der

1%11 yon Encephalitis chroniea mit starker Beteiligung der Rinde. 327

7Kern allein noeh leidlich erhalten, wShrend das Plasma um ihn herum gesehrumpft erseheint. Aueh diese Vergnderungen sind wieder am sehwersten im Gyrus angularis und in der Posteentralis und am wenigsten deutlieh in der Oeeipitalrinde.

Die Olia, fiber deren Darstellung in den Cajal-Bildern schon einiges

Abb. 8. Ganglienzellerkrankung und Wucherung der £Iortega,Glia in Lam. I I I in Frontal-Pol. Nissl-Bild bei starker VergrSBerung.

gesagt wurde, ist ann~hernd entspreehend der region:~tr versehiedenen Auspriigungen des krankhaften Prozesses in allen Sehiehten und etwas geringer im anliegenden ~Iark bezfiglieh aller 3 Formen stark proliferiert, und zwar, wie noehmals betont werden soll, in mehr diffuser Weise ohne erkennbare perivaseul:~tre Tendenz. Wghrend es in den unteren Sehiehten und aueh in der 1. Sehieht hhufig zu seh6nen Glia-Rosetten-Bildungen kommt, sind eehte Neurophagien ausgesproehen selten. W~ihrend nun

328 K. Zucker :

in den stiirkst befallenen Gebieten progressive Formen haupts~chlieh der Makro-Glia mit zum Teil sehr groflen blassen und gelappten Kernen das Feld zu beherrschen seheinen, zeigt die Glia besonders in den Frontal- formationen, aber auch im Temporalgebiet daneben, jeweils mehr oder weniger regressive Erscheinungen. -- Je naeh Sehwere des Prozesses sieht man reichlicher oder weniger grfines und auch etwas gelbes Pigment meist in der Makro-Glia liegend.

Die Ver~nderungen im Mark treten gegeniiber denen in der Rinde in den Hintergrund. Hier sei nur nooh yon den kleinen Markgef~l]en gesagt, dab in ihren Lymphseheiden oft besonders viel grobscho|liges Pigment liegt, und dal] sich, und zwar nur in ihrer n~chsten Umgcbung, hier und da in allen iRegionen einige Corpora amylacea linden. -- Mit Ausnahme der schon erw~ihnten iReizung der Wandelemente zeigen weder die Gef~tfte der Rinde noch des Markes irgendwelehe atherosklerotisehe Ver~inderungen. Nur die grSBeren Pia-GefitBe weisen hier und da eine lciehte Mediaquellung auf.

Die Pia selbst zeigt in ihrer bindegewebigen Verdiekung, die allerdings i iberhaupt keine besonders starken Grade erreicht, auch eindeutige Beziehungen zur Intensit~t der sonstigen Ver~nderungen in den je- weiligen Rindengebieten.

I m Prinzip die gleiehen Erseheinungen wie in den neocorticalen Anteilen finden sich im Ammonshorn; nur sind sic hier, wie zu erwarten, besonders schwer; und zwar sind AusfSlte, Nekrosen und Verfettungen in den Ammonspyramiden noeh wesentlich st~trker als in der Fascia dentata. Infi l t rate fehlen jedoch auch hier.

An den Markscheiden-Priiparaten war auger einem ziemlich erheb- lichen Faserausfall im Pallidum und t typotha lamus mit Sieherheit niehts Besonderes zu erkennen.

Die Bielschows~y- und die Fettpriiparate zeigten im Prinzip nichts anderes, als was sich nach den erw~hnten Befunden erwarten lie~. Drusen fanden sich nicht. Gesagt sell nur noch sein, dal~ die besonders grol~en Fettscho]len im Pallidum beziiglich ihrer Lage und ihrer An- ordnung dem Bride entsprechen, wie es Jakob im Fall 21 seiner oben zitierten Arbeit (S. 205) bezfiglich der Pall idumverfettungen besehreibt. Auf eine weitere Besprechung der gi lder kann verzichtet werden.

Zusammen/assung des histologischen Be/undes. Sitz der schwersten Veriinderungen ist die Substantia nigra: ganz

erheblicher Zellschwund und Zellnekrosen. Depigmentierung der Zellen. M~iehtige Gliaproliferation yon ganz tiberwiegend progressivem Charakter. Einige Infiltrate. Vie] Abbaupigment. ~hnlich stark er- k rank t ist die Mittelhirnhaube. I )ann folgt Pallidum, der Hypothalamus und die medialen Teile des Thalamus. In letzteren vie]faeh AusfMle

Fall yon Encephalitis chronica mit starker Beteiligung der Rinde. 329

mit leichter perivascul:,trer Betonung. In geringerem MaBe befallen ist die dorsale Fl~tche der Medulla oblongata und das Striatum, woselbst haupts:~tchlich die grogen Zellen betroffen sind. Noch weniger ausge- sproehen ist der Prozeft im Nucleus ruber, im Riickenmark, in der Olive und im Dentatum. Kaum verhndert ist die Kleinhirnrinde.

Die Groghirnrinde ist in allen Teilen mehr oder weniger an dem gleich- artigen Prozel3 beteiligt. Hier ist die Postcentral-Region und der Gyrus angularis am sehwersten befallen: starkste diffuse Zellausfalle, StSrung der Gesamtarehitektonik, Schwund der 4. Sehicht in der Postcentralis, einige Infiltrate, massive Glia-Proliferation yon vorwiegend progressivem Charakter ohne perivasculare Betonung. In der Makro-Glia und in d e n Gefaftlymphseheiden mehr oder weniger reiehliches Abbaupigment. ]3indegewebige Verdickung der Pia yon wechselnder StSrke.

Alle Erseheinungen in absteigender Reihenfolge, d, h. jeweils etwas schwS~cher und mit mehr und mehr regressiven Gliaveranderungen und mit in den versehiedenen Area verschiedener lamini~rer Betonung der Zellausfalle, zeigen dann weiter die Frontal- und dann die Temporal- Formationen und am wenigsten die Oeeipitalrinde.

Entztindliehe Erscheinungen treten also gegeniiber dem einen aus- gesproehen progredienten Charakter tragenden ParenehymprozeB so gut wie vSllig in den Hintergrund. Herdf6rmige Erseheinungen fehlen.

Die Glia zeigt naeh Caial-Bildern tiberall mhehtig hypertrophisehe Formen. Besonders auffhllig ist die an Paralysebilder erinnernde Mikro- glia-Wueherung.

Epikrise. Lassen wir mehr abseits liegende differentialdiagnostisehe Betrach-

tungen bei Seite, so kommt bei der 49j~thrigen, naeh 21,'2j'~thriger Krank- heitsdauer gestorbenen, heredit~tr night nachweisbar belasteten Patientin naeh dem klinisehen und histologisehen Befunde auBer einer ehronisehen Encephalitis lethargiea nur noeh die Paralysis agitans in Frage, zumal auch ein dem Krankheitsbeginne vorangegangener akuter Infekt, oder sonstige ,,gripp6se" Erseheinungen anamnestiseh nieht zu eruieren waren. -- Die klinisehen Erfahrungen der letzten Jahre haben aber gelehrt, daft eeteris paribus das Vorhandensein eines akuten Infektes wohl ftir, sein Fehlen abet gar nicht gegen eine Encephalitis sprieht. Aber sehon das tibrige ktinisehe Bild dieses Falles liefert ftir unsere Frage einige nieht unwiehtige Anhaltspunkte, wobei wit hier zun~tehst die psyehisehen Erseheinungen, die auf jeden Fall eine zwar an sieh sehr interessante, aber bei der differentialdiagnostisehen Betraehtung unter- geordnete Komplikation bilden, auger acht lassen. Zwar ist sehon der fehlende Tremor bei der Paralysis agitans seltener als beim eneephaliti- sehen Parkinson, doch kann dieser Umstand allein natiirlieh ftir die Diagnose nicht ausschlaggebend sein. Aber die Tatsaehe, daft einer-

330 K. Zueker :

seits ein Rigor an den oberen Ext remi tg ten nur in leichtem Mal3e und an den Unterextremit~iten t iberhaupt nieht sioher naehweisbar war, wiihrend eine erhebliehe Bewegungsverarmung und Verlangsamung und ferner vegetative St6rungen wie Glanzhaut und 8chweifte schon im Vordergrunde der neurologisehen Erscheinungen standen, ist ein bei der Paralysis agitans im Gegensatz zur ehronischen Encephalitis doch aufterordentlieh seltener Befund. Erwiihnt werden soil noeh, daf3 8ensibilitgtsst6rungen, wie sie sieh in unserem Falle ausbildeten, bei der Paralysis agitans ebenfalls zu den gr62ten Seltenheiten geh6ren.

Nachdem somit bei genauerer Betrachtung des klinischen Brides der Diagnose einer ehronisehen Encephalitis kaum mehr gr6gere Zweifel entgegenstehen diifften, seien dem histologisehen Befunde noch einige Bemerkungen gewidmet. Wir haben hier einen Erkrankungsprozeft voruns , der hinsiehtlich seiner Ausdehnung, besonders seines mehr oder weniger erhebliehen {)bergreifens auf die so gut wie gesamte Grofthirn- rinde, einen flit eine Encephalitis ehroniea ebenso atypisehen wie inter- essanten Befund darstellt, der Mlerdings als einstweilen nur kasuistiseh wiehtiger Fall zu theoretisehen Detailbesprechungen keine berechtigte Veranlassung gibt. Daft die psyehisehen Erseheinungen, die vorwiegend in einer blanden Demenz bestanden, auf die Rindenerkrankung all- gemein zu beziehen ist, braueht nieht extra betont zu werden. Ob etwa die kurz ante mortem besonders starke Temperaturerh6hung oder gar der Exitus selbst auf einen zuletzt noeh stark progredient gewordenen ProzeB in den hypothalamischen Kerngebieten bzw. in dorsalen Kernen der Medulla oblongata zu beziehen sind, entzieht sieh eines bindenden Beweises.

Nun werden abet beztiglieh des histologisehen Brides keine weiteren Bedenken bestehen, den Fall auch mi t samt seiner weitgreifend eortieMen Beteiligung der Encephalitis zuzureehnen, wenn sich im iibrigen fiir die Art und Lokalisation der Hanptsch:adigungen fiir die eneephalitisehen Prozesse einwandfreie Charakterisfica ergeben. Es ist allerdings bier das Pallidum und -- wenn aueh wesentlich geringer -- das Str iatum in einem Ausmage betroffen, wie es nach Maf3gabe der Ansiehten der meisten Autoren beim eneephalitisehen Parkinson im allgemeinen wenigstens nieht der Fall ist. Auf der anderen Seite abet sehen wir, daft die Subst. nigra und die Mittelhirnhaube unstreitbar die sehwersten Vergnderungen aufweisen, ein Argument, das naeh der Meinung vieler im Zweifelsfalle aussehlaggebend fiir die Diagnose Encephalitis sein soil. Weiterhin ist, ganz abgesehen noch yon dem Fehlen perivascul~irer Sklerosen, die Glia-Reaktion, besonders in der Subst. nigra, im Pallidum, medialen Teilen des Thalamus und Hypotha lamus naeh Verteilung, Intensi tgt und Form der Einzelelemente derart, wie sie bei Befunden bei Paralysis agitans bislang fremd ist. -- Die relativ sehwere Pallidum-

Fall von Encephalitis ehroniea mit starker Beteiligung dec tlinde. 331

a n d S t r i a tum-Erk rankung wird aber gerade in diesem Falle noch weniger

diagnost ische Schwierigkeiten machen, wenn wir in unsere Erwftgungen

die hier so besonders starke Mitbetei l igung des Cortex hineinbeziehen.

Der Fal l wtirde selbst bei zweifelsfreier Abh~ingigkeit des Prozesses yon

einer i ibers tandenen akuten Encephal i t i s im histologischen Bilde noeh

wesent l ich a typischer wirken, wenn wit bei einem so ausgesprochenen

eor t icalen Befunde ein re la t iv in taktes Pa l l idum und S t r i a tum f:~inden.

5I. a. W. : In diesem sowohl nach dem klinischen wie naeh dem histo-

logisehen ~Bilde so ausgesprochen progredient ver laufenden Prozel3

maehen die re la t ive Schwere der Pal t idum- und S t r i a tum-Erk rankung

einerseits und die Befunde an den Stellen, die yon dem encephal i t ischen

Prozel3 sonst kaum oder doeh nur sehr viel ger inger als hier befallen sind,

e inander zum wenigsten plausibel. Es w:~ire danaeh sehr wichtig, bei

evtl . :~thnlichen F:~illen mi t sicherer encephal i t ischer Genese, in denen

ausgesproehene corticale Sch:~idigungen vorhanden sind, auf das In-

tensit~ttsverh~iltnis dieser zu dem im Pal l idum, S t r i a tum usw. zu achten,

und zwar nieht nur zur Bereicherung und Sicherung der histologisehen

Diagnosem6glichkei t , sondern aueh noch beztiglich anderer 5tiologiseh

wicht iger Fragen, wie etwa der: ob fiir solche wie die hier gegebene

auffiillige Intensit~tt und Ausdehnung der E rk rankung ein konst i tut ionel l

bed ing te r , ,Minderwer t igkei ts faktor" eine Rolle spielt, eine Frage,

die neuerdings vent i l ie r t wurde, wori iber aber an H a n d dieses einen Falles

niehts gesagt werden kann.

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