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Uber einige komplexe Silbersalze. Von G. BODLANDER und W. EBERLEIN. Mit 3 Figuren im Text. 1. Aufgaben und Wege der Untersuchung. Nachster Zweck dieser Untersuchung war es, die Formeln zu armitteln, welche gewissen komplexen Silberverbindungen in ihren wasserigen Losungen zukommen. Fur diese Feststellung stehen vorzugsweise zwei Methoden zu Gebote, erstens die Bestimmung der Loslichkeit eines fur sich in Wasser praktisch unloslichen Stoffes in Losungen des Stoffes, mit dem der erste eine kornplexe Verbindung bildet , z. B. von Chlorsilber in wasserigem Ammoniak, von Rhodan- silber in Rhodankaliumlosung, und zweitens die Messung von Kon- zentrationsketten von Losungen der komplexen Verbindung bei Gegenwart eines Uberschusses der leicht loslichen Komponente des Komplexes in der Losung, also z. B. von Losungen von Kalium- silbercyanid in Gegenwart yon freiem Cyankalium mit Silberelek- troden. Es wurde in der vorliegenden Untersuchung vorzugsweise von der zweiten Methode Gebrauch gemacht. Sie beruht darauf, dals die komplexen Ionen immer bis zu einem gewissen Grade in die einfachen Metallionen und den Rest des Komplexions gespalten sind und dals in der Losung zwischen den Komplexionen und ihren Komponenten ein dem Massenwirkungsgesetz entsprechendes Gleich- gewicht herrschen muk. Wenn das Komplexion D die Formel M,R, besitzt, so ist eine, meist aukerst geringe, Nenge davon in die Bestandteile M und R gespalten: D = mM + nR. Bei konstanter Temperatur muls zwischen den Konzentrationeri des Komplexions und seirien Komponenten das Verhaltnis bestehen : Vergl. RODI~NDEIC, Die Untersuchung des komplexen Verbindungen. Festschrift fur R. DEDEKINQ, Hraunschweig 1901.

Über einige komplexe Silbersalze

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Page 1: Über einige komplexe Silbersalze

Uber einige komplexe Silbersalze. Von

G. BODLANDER und W. EBERLEIN.

Mit 3 Figuren im Text.

1. Aufgaben und Wege der Untersuchung.

Nachster Zweck dieser Untersuchung war es, die Formeln zu armitteln, welche gewissen komplexen Silberverbindungen in ihren wasserigen Losungen zukommen. Fur diese Feststellung stehen vorzugsweise zwei Methoden zu Gebote, erstens die Bestimmung der Loslichkeit eines fur sich in Wasser praktisch unloslichen Stoffes in Losungen des Stoffes, mit dem der erste eine kornplexe Verbindung bildet , z. B. von Chlorsilber in wasserigem Ammoniak, von Rhodan- silber in Rhodankaliumlosung, und zweitens die Messung von Kon- zentrationsketten von Losungen der komplexen Verbindung bei Gegenwart eines Uberschusses der leicht loslichen Komponente des Komplexes in der Losung, also z. B. von Losungen von Kalium- silbercyanid in Gegenwart yon freiem Cyankalium mit Silberelek- troden. Es wurde in der vorliegenden Untersuchung vorzugsweise von der zweiten Methode Gebrauch gemacht. Sie beruht darauf, dals die komplexen Ionen immer bis zu einem gewissen Grade in die einfachen Metallionen und den Rest des Komplexions gespalten sind und dals in der Losung zwischen den Komplexionen und ihren Komponenten ein dem Massenwirkungsgesetz entsprechendes Gleich- gewicht herrschen muk. Wenn das Komplexion D die Formel M,R, besitzt, so ist eine, meist aukerst geringe, Nenge davon in die Bestandteile M und R gespalten:

D = m M + nR.

Bei konstanter Temperatur muls zwischen den Konzentrationeri des Komplexions und seirien Komponenten das Verhaltnis bestehen :

Vergl. RODI~NDEIC, Die Untersuchung des komplexen Verbindungen. Festschrift fur R. DEDEKINQ, Hraunschweig 1901.

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oder

Die Konzentrationen der freien Metallionen in zwei Losungen niit verschiedeneni Gehalt an Komplexionen und dem Bestandteil R stehen deninach in dem Verhaltnis:

Das VerhAltnis [MI] : [Ma] ermittelt man in bekannter Weise durch Messung yoxi Konzentrationsketten. Aus zwei Paaren von Losungen mit verschiedenen Gehalten an Ds und R kann man somit die beiden Unbekannten nz und n. berechnen und so die Formel des gelosten Komplexions ermitteln. Uber fruhere Anwendungen dieser Methode liegen mehrere Mitteilungenl vor, aus denen sich ihre all- gemeine Brauchbarkeit ergibt. Am besten ist es, die Konzentrationen von D und R so zu variieren, dafs in der einen Konzentratioiiskette die Konzentration [D] fur bejde Losungen gleich, die Konzentration [R] verschieden ist, in der anderen [R] gleich und [D] verschieden. Es vereinfachen sich dann die Rechnungen. Die nachfolgenden Beispiele zeigen , welche Korrekturen angewandt werden miissen, damit einwandsfreie Werte fur rn und n. erhalten werden.

Die wichtigste Bedingung fur die Anwendharkeit der Methode ist, dafs die Konzentrationen [D] und [R] in den untersuchten Losungen genau bekannt sind, Der Wert von [D] lafst sich nur in den Losungen der eigentlichen Kornplexe mit einiger Genauigkeit angeben, in denen praktisch das gesamte in der Losung befindliche Metal1 in der Form des Komplexsalzes gelost ist. Wenn das kom- plexe Salz in der Losung in merklichem Grade in die einfachen Verbindungen zerfallt, so wiirde die Kenntnis von [D] schwer zu crreichen sein. Ein solcher Zerfall ist aber dann nicht zu befiirchten, wenn von den Komponenten die eirie praktisch unloslich ist. Losen wir das Salz CuSO,.K~SO,.GH,O in Wasser, so ist das gelijstt:

' Vergl. z. B. BODL~NDER und FITTIR, Zeitsckr. phys. C h m . 39 (1902), 597. - BODLANDER und STORBECK, 2. amorg. Chem. 31 (1902), 458. - SHERRII~L, Zcztsehr. phys. Cliein. 4,3 (1903), 705. - EULER, Berq deutsch. chctr~. (Xes. 36 (1903), 2878. 3400 u. A.

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Kupfer zum Teil in Form dieser Verbindung selbst, resp. ihrer Ionen Cu(SO,),” und K in der Losung enthalten, zum Teil aber auch in Form der einfachen Salze CuSO, und K,SO, resp. von deren Ionen. In einer Losung von Kaliumsilbercyanid aber kann keine merk- liche Menge freien Cyansilbers enthalten sein, da dieses als praktisch unloslich ausfallen miifstc. Es wurden in der verliegenden Arbeit nur solche Komplexsalae uritersucht, die sich durch Auflosung einer praktisch unlosliehen Verbindung in einer Salzlosung bilden, die dasselbe Anion enthllt wie der Niedersehlag, namlich Losungen von Cyanhber in Cyankalium, Rhodansilber und Rhodankalium, Jod- silber in Jodkalium. Bei der Auswahl dieser Verbindungen wurde auch die Verwertbarkeit der Untersuchungsergebnisse fur die Theorie analytischer und technischer Prozesse in Betracht gezogen.

Etwas schwieriger ist die Bestimmung der Konzentration [R] des nicht metallischen Bestandteiles des fiomplexions. Lost man ein komplexes Salzes z. R. KAg(CN), in einer LGsung von freiem Cyankalium auf, so ist man nicht sicher, ob das Cyankalium auch seiner ganzen Menge nach frei bleibt, ob nicht ein Teil davon unter Bildung der Verbindung K,Ag(CN), gebunden wird oder ob nicht aus dem Komplexsalz, etwa unter Bildung einer Ver- bindung KAg,(CN),, Cyankalium abgespalten wird , so dafs dessen Menge vermehrt wird. Es ist die Natur des in der Losung vorhan- denen Salzes ganzlich unabhangig von der Natur des Salzes, das zur Herstellung der Losung benutzt wurde, so dals m a diesem nicht auf jenes geschlossen werden darf. Man konnte in die Formel (1) zur Berechnung der Koeffizienten rn und n aus den Konzentrations- ketten, wenn man die Losung mit dem Salze KAg(CNj, hergestellt hat, fur [R] die Grofse [C] - (n - 2) R einsetzen, wo [C] die Menge der freien Cyanionen in der ursprunglichen Losung bedeutet , die dann um die Menge der Cyanionen vermindert wird, die zur Rildung der Ionen Ag(CN)= aus Ag(CN), verbraucht wird. Man wurde aber dann fur m und n transzendente Gleichungen erhalten. Einfacher ist es, uber die Grolse von 72 eine willkiirliche Annahme zu machen, damit [R] zu berechnen und zu prufen, ob die Konzentrationsketten xu demselben Werte von n fuhren. 1st das nicht der Pall, so mub [R] auf Grund einer anderen Annahme uber den Wert von n be- rechnet werden, bis die Ubereinstimmung erreicht ist. Es wurden iibrigens die Konzentrationen so gewahlt, dafs der Wert von [R]

* Uber cinige Schlufsfolgernngell am diesen iiiid iiliiilichen Verswhen, vergl. Bcr.. dcutsch. e l w ~ r ~ . CSes. 36 (1903), 3933-45.

-

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(lurch verschiedene Annahmen iiber die GrGlse n. meist wenig verandert wurde, so dafs die Konzentrationsketten zweifellose Werte von WA

und n ergaben. Eine weitere Schwierigkeit bietet die Unsicherheit des Grades

der elektrolytischen Dissoziation des Komplexsalzes und des einfachen im Uberschuls vorhnndenen Elektrolyten. Nach der Formel (1) werdeu die Werte m und n aus der Gleichung erhalten:

Rekannt sind nur die Gesamtkonzen t r a t ionen des Komplex- salzes und mit den erwahnten Einschrankungen des einfachen Elek- trolyten. Fiir die Kenntnis der Konzentrationen ihrer Ionen brauchen wir noch die Dissoziationsgrade beider Salze. Handelt es sich urn das Salz KAg(CN), in einer Losung von KCN, so sind beide Salze ein- und einwertig und in ihrer gemeinsamen LGsung nach einem Satze von ARRHENIUS nahezu gleich stark dissoziiert. Es ist also LDJ = [KAgCN,].a,, R, = [KCNIa,. Da in diesem Beispiel n = 2

ist, erhalten wir -[’11 = -- -~ ~- , wo [KAg(CN),], und [KCN],

die Gesamtkonzentrationen der beiden Salze bedeuten. Es ergibt sich also:

[ K A g CN,) [R,]” [KCN], ‘*a1

Hier lafst sich u, und aB aus dor Gesamtkorizentratiori der beideii Losungen auf Grund ihrer Leitfahigkeiten nach den KOHL- RAuscHschen Tabellen angeniihert berechnen.

Enthiilt aber die Losung das Salz K,Ag(CN),, so ergabe sich die Formel:

~

[KCNP ---TU,’)~ [K,Ag(CN)i], ’

*

Man miifste jetzt die Dissoziationsgrade a, und all resp. uA iind a,‘ kennen. die ein ternarer und ein binarer Elektrolyt in ihrer gemeinsamen Losung besitzen. Fu r eine genaue Berechnung fehlt jede experimentelle oder theoretische Unterlage. Einen gewissen Biihalt zur Bestimmung der Dissoziationsgrade in gemischten Liisungen voti Salzen vesschiedencr Typen gibt die von Bon1,iiiiuEu

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__ _ _ _ _ _ _____

0.81 0.78 0.75 0.74 0.86 0.83 0.80 0.80 0.90 0.88 0.85 0.85 0.92 0.90 0.89 0 89 0.94 0.92 0.92 0.92 0.96 0.96 0 95 0.94

und STORBECE~ hervorgehobene Tatsache, dafs bei gleicher Aquivalent- konzentration der nach der Leitfhhigkeit berechnete Dissoziations- grad eines zwei- und einionigen Salzes ungefilhr gleich dem Quadrat des Dissoziationsgrades eines ein- und einionigen SaIzes ist. So ergibt sich fur die Dissoziationsgrade von Chlorkalium und Chlor- baryum :

Konzentration 0.01 0.05 0.1 0.5 a = Dissoziation von KC1 0.94 0.88 0.85 0.78

ua 0.88 0.77 0.73 0.61 Dissoziation von BaCI, 0.87 0.77 0.74 0.60

_ _ - __ ________ ._____

0.67 0.67 0.50 0.55 0.74 0.74 - - 0.81 0.81 0.65 0.73 0.87 0.86 - - 0.91 0.89 0.74 0.83 0.94 0.93 0.89 0.89

Es gilt aber ganz allgemein, dal's die Dissoziation eines 12 + 1- ionigen Salzes gleich der n ten Potenz des Dissoziationsgrades eines 1 + 1 ionigen Salzes bei gleicher Aquivalentkonzentration ist, Es ist also z. B. der Dissoziationsgrad des Ferrocyankaliums gleich der vierten Potenz des Dissoziationsgrades des Chlorksliums. Es ergibt sich das aus folgender Tabelle, in der die Dissoziationsgrade den von BREDIG zusammengestellten Tabellen entnommen sind.

32 64

128 256 512

1024

0.90 0.93 0.95 0.96 0.97 0.98

Es sind unter v die Verdiinnungen, unter a2, cz3 u. s. w. die zweiten, dritten Potenzen der Dissoziationsgrade des Chlorkaliums angefiihrt. Man erkennt, dah die Regel im allgemeinen an diesen wahllos herausgegriffenen Beispielen, denen sich beliebig viele anfiigen lassen, bestiltigt wird. Bessere obereinstimmungen findet man, wenn man Kaliumsalze nur miteinander und Natriumsalze nur mit- einander vergleicht. Es ist dann z. B. der beobacbtete Disso- ziationsgrad des mellithsauren Natriums in ' I s a - Losung gleich der 6 , 2 -ten Potenz des Dissoziationsgrades vom Chlornatrium, wahrend

2. anorg. Chem. 31 (1902), 19. Zeitschr. phys. C%em. 13 (1894), 191.

%. anurg. Cham. Bd. 39. 1 4

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es, der Regel weniger entsprechend, gleich ist der 6, 9-ten Potenz des Dissoziationsgrades von Chlorkalium.

Mit dem Massenwirkungsgesetz lasst sich die Regel ebensowenig in Einklang bringen wie die Dissozintionswerte, auf die sie sich be- zieht. Fur gemischte Lijsungen, wie wir sie untersucht haben, kann man, wenn man einmal das Massenwirkungsgesetz als giltig an- sieht, zeigen, dak der Dissoziationsgrad jedes Salzes etwa ebenso grofs ist, wie in einer reinen LBsung desselben Salzes von der Kon- zentration, die der Summe der Konzentrationen der Einzelsalze entspricht. Gleiches hat jn ARRHENIUS fur Gemische aus ein- und einionigen Salzen gezeigt. Wenn z. B. die Dissoziation des Salzes K,Ag(CN), in einer Losung des Salzes KCN bestimmt werden sol1 so war hierbei in unseren Fallen immer Ii,Ag(CN), gegen KCN in sehr kleiner Menge vorhanden, so dab die Dissoziation des KCN nur wenig durch die vom Komplexsalz gelieferten Kaliumionen herabgedruckt wird, etwa ebenso stark, wie wenn das gesamte Kalium der Losung als KCN vorhanden ware. Bezeichnet man die Gesamt- konzentration, also die Summe des undissoziierten und dissoziierten KCN + 1/zK3,Ag(CN)3, mit S, so ware der Dissoziationsgrad a! einer Losung, die nur K,Ag(CN3) von der Konzentration S enthalt, ge- geben durch die Gleichung:

= kc, 5’ u3

(1 - 4 - ____

wo k die hypothetische Dissoziationskonstante dieses Salzes bedeutet. Wenn die Losung aber beide Salze und zwar KCN in der Gesamt- konzentration S - S, und I(,Ag(CN), in der Gesamtkonzentration S, enthalt, so wiirde gelten :

[K]’.[Ag(CN),] S’.c~,’*S,.ci,, S’*c~,’.ci,, Sa a3 = -___I_ - - = __ k=-- - [K,Ag(CN),I St(1 - a,,) 1 - w,, 1 - c i

f4,2. a,, u3

1 -a!,, 1 - u ’ ___ -

a, ist gleich dem Dissoziationsgrad des KCN in einer reinen Losung von der Gesamtkonzentration S, a! gleich dem des K,Ag(CN),

Es I l M sich dime Regel mit der OSTWALD-WALDENSC~~~ Regel uber die Differenzen plosi-pss in gewissen Zusammenhang bringen. Eine genauere Nachprufung wird ergeben, welche Regel sich den Beobachtungen beseer anschmiegt.

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in einer reinen Losung der gleichen Konzentration: mithin ist acI2 = tx

nach obiger Regel und damit

a$ -- a,, ____ - 1-a,, 1 - - a '

1st die Konzentration gering, also a und a,, nahezu = 1, so wird a,, nahezu = aa und somit auch 1 - a,, == 1 -a, u,, also gleich a. 1st z. B. a = 0.8, so ergibt sich

at, - 0.64 1 - a,, 0.2 ___ - __

0.32 0.42 a,, = -- = 0.762.

Die Dissoziation a,, des Salzes in der gemeinsamen Losung ist also nicht erheblich verschieden von der Dissoziation a desselben Salzes in der reinen Losung der gleichen Gesamtkonzentration und kann durch sie ohne grosseren Fehler ersetzt werden, als die Be- rechnung der Dissoziation aus der Leitfhhigkeit mit sich bringt. 1st die Gesamtkonzentration geringer, a also grosser, so wird die Abweichung kleiner, z. B. fur -a = 0.9 Q,, = 0.89, dagegen fur ac = 0.7 a,, = 0.623. Fur nicht zu konzentrierte Losungen wird man also die Dissoziation a,, des Salzes K,Ag(CN), in der gemeinsamen Losung mit KCN = aIa setzen diirfen, wo a, die Dissoziation des Cyankaliums bedeutet. In analoger Weise wird man fiir das Salz K, Ag(CNS), in einer L6sung von KSCN angenahert den Dissoziations- grad gleich der dritten Potenz des Dissoziationsgrades des Rhodan- kaliums ansetzen durfen. Es ist hiernach bei den Berechnungen im fdgenden immer verfahren worden. Ubrigens werden die Werte der Koeffizienten m und m, die man aus den Konzentrationsketten berechnet, wenig geandert, wenn man andere einigermafsen mogliche Annahmen iiber des Verhaltnis der Dissoziationsgrade macht und danach die Rechnung durchfuhrt. Dafs diese Koeffizienten ganzen Zahlen immer sehr naheliegen, gibt trotz der Unsicherheit wegen der Dissoziationsgrade den Qesamtresultaten eine grofse Zu- verlassigkeit.

Nicht zu vernachlassigen war endlich die Fehlerquelle, die daraus entsprang, dafs die Werte der Konzentrationsketten j a nicht nur yon den Konzentrationen der freien Metallionen abhangen, sondern auch von den Flussigkeitsketten an der Beriihrungsstelle

14 *

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der verschieden konzentrierten Ililsungen. In welcher Weise diese Fliissigkeitsketten berucksichtigt wurden, moge aus der Besprechung der Einzelresultate ersehen werden. Im allgemeinen war der E n - flufs der Fliissigkeitsketten sehr klein und ziemlich leicht zu eliminieren.

Aulser der Feststellung der F'ormeln der in den Losungen vor- handenen komplexen Ionen kam es auch auf die Bestimmung ihrer Besyandigkeit an, d. h. des Grades ihres Zerfalles in die Einzelionen. Die Bestindigkeit der komplexen Ionen D wird durch den Wert von k in der Gleichgewichtsbedingung

L*[M]" *[R]" = [D]

gemessen. J e kleiner die Dissoziation der komplexen Ionen in die Einzelionen M (Silber) und R ist, um so bestandiger ist der Komplex und urn so groher ist der Wert von k. D und R, die Konzentrationen der Komplexionen und ihrer nichtmetallischen Komponente im freien Zustande , sind durch die Zusammensetzung der Losung ge- geben. Die sehr kleine Konzentration [MI der Silberionen wird durch die elektromotorische Kraft einer Konzentrationskette gegen eine Lijsung mit bekanntem Gehalt an Silberionen gemessen und nach der NEmsTschen Formel berechnet. Diese Messungen geben zugleich AufschliiB iiber das Verhalten des Metalls gegen Liisungen des Komplexsalzes, insbesondere auch dariiber, ob und unter welcben Bedingungen da.s Metal1 sich in der Losung des Komplexsalzes unter Wasserstoffentwickelung oder unter Verdriingung eines anderen Metalles losen kann, ob und wie weit durch Fallungsmittel wie Chloride, Bromide, Jodide, Sulfide das Silber aus den Lasungen des Komplexsalzes gefrlllt werden kann u. s. w. Es geben also diese Messungen zusammen mit denen, durch die die Formel des geliisten Komplexions festgestellt wird, die Moglichkeit, das gesamte chemische Verhalten des Komplexes qualitativ und quantitativ zu ermitteln und durch ein System von mathematischen Gleichungen zu beschreiben, durch deren Priifung an experimentellen Daten die Konstanten dieser Qleichungen kontrolliert und even tuell korrigiert werden konnen.

2. Xefsmethoden.

Bei der Xessung der Konzentrationsketten erwies es sich als notig, den Sauerstoff der Luft vollstandig von den Losungen &us- zuschliefsen, da die Silberelektroden bei Zutritt von Sauerstoff sich

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in den meisten der angewandten Elektrolyten, namentlich in Lijsungen von Cgaukalium ziemlich leicht losten und ganz inkonstante Werte gaben. In Losungen von Cyankalium erfolgt bei Luftzutritt sehr leicht die Reaktion:

4Ag + 8KCN + 0, + 2H,O = 4KAg(CN), + 4KOH.

Es wird hierdurch gerade an der Stelle, wo die Konzentration der Losung gemessen wird, an der Elektrode, der Gehalt der Losung an komplexem Salz vermehrt, der an freiem Cyankalium verringert. Beide Umstlinde wirken in der gleichen Richtung, namlich erniedrigend auf die Losungstendenz des Silbers, also auch auf die negative Spannung , die das Metal1 gegen die Fliissigkeit besitzt. Schutteln der Losung verandert die Werte nur fiir kurze Zeit in der der dnrchschnittlichen Zusammensetzung der Lijsung entsprechenden Richtung.

Es wurdeii deshalb nlle Losungen mit sauerstoff freiem Wasser in einer Wasserstoffatmosphare hergestellt , unter Wasserstoffdruck auf bewahrt, durch Wasserstoffdruck in die Mefsgefhfse iiberqefiihrt und in ihnen durch einen Wasserstoffstrom wahrend der Messungen umgeruhrt. Die fiir die Einfuhrung der Losungen in die Mefsgefuse gewiihlte Anordnung ergibt sich aus der folgenden Skizze:

(8. Figur 1 a. 2, S. 206.)

Das Wasserstoffgas wurde aus nahezu chemisch reinem Zink entwickelt und mit einer Auflijsung von essigsaurem Blei in Natron- lauge gewaschen, urn Spuren von Arsen und H,S zu entfernen. Urn jede Spur von Sauerstoff auszuschliefsen, war hinter die Wasch- flasche eine Kupferspirale eingeschaltet , die bestiindig zum Gliihen erhitzt war.

Urn die Biiretten E mit der Lasung zu fullen, wurde der Quetschhahn k geschlossen, die Hlihne m (am Kolben D) und 6

(an F) geoffnet. Das Gas driickte dann die Fliissigkeit BUS D durch die Rohre g in die Burette E und der verdrangte Wasserstoff konnta durch 6, 0, d entweichen.

Yollte E entleert werden, so wurde Hahn m und e geschlossen, k geoBnet. Der Wasserstoff geht dann durch a in b und driickt auf die Flussigkeit in E, so dak diese ausfliefst, sobald der Rahn o getiffnet wird.

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Die Rbhre f fiihrt zum nLchstsn Kolben. Es waren 4-5 Kolben und Biiretten an den einen Wasserstoffapparat angeschlossen , des-

A = Waaserstoffentwickelungsapparat. B = Waschflasche. (7 = Rupferspirale. D = Kolben. B= Biirette. F = Wasserverschliisse. (Fig. 11.)

Diffision der Luft in die Cefiifse nicht miiglich war. Alle Fliissigkeiten etanden bestindig unter Wasserstoffdruck, so dafs eine

Fig. I u. 2.

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wegen mufsten an der Rbhre b soviel Abzweigungen angebracht werden, wie Biiretten vorhanden waren. Der Hahn k wurde nur geschlossen, wenn eine der Riiretten gefiillt werden sollte.

Die Elektroden c c (Fig. 3) sind durch ein Glasrohr eingefuhrt und durch einen Kautschuckschlauch abgedichtet. Die Rohren wurden gefiillt, indem die Rohre a mit der Biirette verbunden wurde; durch b konnte der verdrLngte Wasserstoff, mit dem beide Schenkel des U-Rohres vorher gefiillt waren, entweichen.

Fig. 3.

Um die Diffusion beider Fliissigkeiten moglichst gering zu machen, wurde die Bohrung des Hahnes H mit E'iltrierpapier an- gefiillt. So fand auch bei offenem Hahn keine Mischung statt. Wiihrend der Messungen ging ein gleichfiirmiger Gasstrom durch die Losungen.

Die Elektroden bestehen aus Feinsilber : ein zylindrisch gebogenes Silberdrahtnetz war an Silberdraht angeschmolzen, elektrolytisch aus Kaliumsilbercyanidlosung versilbert und gut ausgewaschen. Die Messungen wurden irnmer so ausgefuhrt , dah beide festmontierte Elektroden in Losungen gleicher Zusammensetzung im Wasserstoff- strom verglichen wurden. War die Potentialdifferenz auf etwa 0.5 Millivolt gesunken, so wurden die Konzentrationen der Liisungen

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- zoa -

in den beiden Schenkeln durch Zusatz gemessener Fliissigkeitsmengen aus den Vorratsgefalsen in den fur den Vergleich notigen Richtungen geandert. Enthielten z. R. beide Schenkel je 20 ccrn einer Losung, die fur KCN 0.1, fur K,Ag(CN), 0.005 n war, so wurden in den einen Schenkel 60 ccm der gleichen Losung, in den anderen 60 ccm einer silberfreien 0.1-normalen KCN-Losung gebracht. Es war jetzt der KCN-Gehalt in beiden Schenkeln der gleiche, der Gehalt an Komplexsalz = 4 : 1. Die Messungeo wurden immer langere Zeit fortgesetzt. Der Anfangswert anderte sich dabei selten um mehr als 1 &'illivolt und blieb dann langere Zeit konstant, soweit Zutritt von freiem Sauerstoff vollig ausgeschlossen war.

3. Kaliumsilberjo dide.

Es sollte zunachst versucht werden, die Formeln der Verbin- dungen festzustellen, die sich bei der Auflbsung von Silberhaloiden in den eatsprechenden Alkalihaloidlosungen bilden. Es ist indessen die Menge des von mafsig konzentrierten Chlorkalium- oder Brom- kaliumlosungen aufgenommenen Chlorsilbers oder Bromsilbers so klein , dafs zuverlassige Messungen mit diesen Lbsungen nicht an- gestellt werden konnten. Etwas grijlser ist die Loslichkeit des Jod- silbers in Jodkaliumlosungen. Auch hier ist aber die Loslichkeit in verdiinnten Losungen sehr gering, so dafs nur Losungen von ziemlich hoher Konzentration an Jodkalium verwendet werden konnten.

Es wurden zunachst Konzentrationsketten untersucht, bei denen die Losungen in beiden Schenkeln fur Jodkalium gleiche Konzen- tration besitzen, fur gelostes Jodsilber verschiedene. Es vereinfacht sich dann die Gleichung (1):

da R, = R, in

Das Verhaltnis [M,] : [MJ der freien Silberionen in beiden Losungen ergibt sich aus dem Wert der Konzentrationskette nach der Formel von NERNST:

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0.00G6- * 0.005 0.000625

0.058 [D,] log -. m = __- E P a l

Da beide Losungen fur das an Menge weit iiberwiegende Jod- kalium gleich konzentriert sind, ist die Spannung an der Beriihrungs- atelle beider Losungen gleich Null. Den Dissoziationsgrad des in sehr kleiner Menge vorhandenen komplexen Salzes kann man wohl als sehr grofs urid in beiden Losungen nahezu gleich grofs ansehen, so d d s die Gesamtkonzentrationen an Stelle der Ionenkonzentrationen eingesetzt werden konnen. Genau gleich sind allerdings die Mengen der freien Jodionen in beiden Losungen nicht, da ja das Jodsilber nur unter Bindung einer, gewissen Anzahl von Jodionen als kornplexes Ion in Lasung gegangen sein kann und die eine Liisung immer mehr Jodsilber enthiilt als die zweite des Paares. Eine Uberschlagsrechnung ergibt aber, dafs selbst im ungiinstigsten Falle dieser Einflufs nur eine Vermehrung der Spannung um etwa 0.001 Volt bewirkt haben kann.

0.00166. * 0.00125 0.0001562

Gleicher Jodkaliumgehalt und verschiedener Jodsilbergehalt. ~

Konsentration des KJ normal

--__ __-- . ~

2.0 1.6 1.33 1.0 0.5

i E

0.0269 0.0228 0.0221 0.0177 1 0.0179

m

1.30 1.53 1.55 1.98 1.95

Die Tabelle ergibt, dafs in den verdiinnteren Losungen das komplexe Ion zwei Atome Silber enthalt und dafs diesem Komplex sich in den an Jodkalium reicheren Lasungen andere Komplexionen beimengen, die nur ein Atom Silber enthalten. Es liegt hier iibrigens der erste und bisher einzige Fall vor, dafs ein gelostes Komplexion mehr als ein Atom Silber enthiilt.

Zur Feststellung des Wertes von n diente eine zweite Klasse von Konzentrationsketten, in denen Losungen zur Verwendung kamen,

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fiir AgJ 1 o: 7o~r;m;Trn fiir KJ I1 normal (x j normal

Konzentr.

~-

o.005- ~ 0.70 2.0 0.75 1.0 0.75 1.0 0.78 0.5

0.0005 0.75 1.0 0.78 0.5 0.0003125 0.78 0.5 0.81 0.25 0.000208 0.00065 I 0.80 0.333 0.83 0.1666

I

die fur das Komplexsalz gleich konzentriert sind, fir Jodkalium verschieden. Hier geht die allgemeine Formel uber in:

-_

E n - Tn

___~______ - - ___ ~ _ _ _ _ _ _ - - I ' 0.0675 I 4.32

0.0547 3.41 0.0537 3.28 0.0410 2.49 0.0346 2.1 1

Daraus ergibt sich:

[ M I 0.058n [E,] log [R,1T 4 = 0.058 log 1 = __- P a l m

12. E m 0.058 log [R,] - = ____

_-- . CRlI

Die Flassigkeitskette an der Beruhrungsstelle der beiden Flussig- keiten braucht hier nicht in Betracht gezogen zu werden, weil J o d und Xalium nahezu gleiche Wanderungsgeschwindigkeitenbesitzen. Fiir [R,] und [R,] wurden die Jodkaliumkonzentrationen multipliziert mit dem Dissoziationsgrade eingesetzt. Da die Menge des gelosten Jodsilbers im Vergleich zu der des Jodkaliums sehr klein ist, konnte auch hier von einer Korrektion fur das an Jodsilber gebundene Jodkalium abgesehen werden.

Eine Konstanz des Wertes IZ : m tritt nicht ein. Daraus folgt, dak in den Losungen Verbindungen von sehr verschiedener Formel vorhanden sind. In den fur Jodkalium normalen und in den ver- diinnteren Lijsungen hat m den Wert 2, n also die Werte 4-7, was Formeln K,Ag,J,, K,Ag,J,, K,Ag,J, und K,Ag,J, entsprechen wiirde, von denen die Existenz der mittleren fraglich ist. In den sehr konzentrierten Losungen sind daneben vielleicht Molekiile der

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Eormel K,AgJ, vorhanden. Jodsilber addiert also umsomehr Jod- ionen, je mehr davon in der Liisung vorhanden sind. Zu dem gleichen Resultate gelangt HELLWIG auf Grund der Messungen der Loslich- keit von Jodsilber in Jodkaliumlosungen verschiedener Konzentration. Angenaherte Koustanz findet er unter der Annahme, dafs mit einem Molekul Jodsilber 3'1, Molekiile verbunden sind. In festem Zustande wurden von BOULLAY~ und von HELLWIG die Sake KAgJ, und K,AgJ, dargestellt , die vielleicht den gelosten Molekiilen K,Ag, J4 und K4Ag, J, entsprechen.

Die Anzahl der Silberionen wurde in einer fur Jodkalium l-norm., fur Jodsilber 0.005-norm. Losung durch Messung der Spannung einer Silberelektrode gegen ein 0.1-Kalomelelektrode be- stimmt. Die Spannung war 0.4935, wobei das Silber negativer Pol ist. Die 0.1-norm. Kalomelelektrode zeigt gegen eine fur Silberionen normale Losung nach WILSMOEE~ die Spannung 0.433, wobei das Silber in der Silberlosung positiver Pol ist. Mithin ist die Spannung des Silbers in der Jodsilberlosung gegen das Silber in der normalen Silberionenlosung 0.9265 Volt, und es ergibt sich daraus unter Ver- nachlassigung der Flussigkeitskette fur die Silberionenkonzentration in der Jodsilberlosung nach der NEmsTschen Formel der Wert 8.9.10-17. Nimmt man an, dafs in der normalen Jodkaliumlosung das komplexe Salz K,Ag,J, vorhanden ist, so ergibt sich als Disso- ziationskonstante Ton deesen Ionen Ag,J,""' der Wert

Wegen der Unsicherheit der Kenntnis der Grade der elektro- lytischen Dissoziation setzen wir, urn einen angenaherten Wert far k zu erhalten, die Gesamtkonzentrationen fur die Ionenkonzentrationen ein, und erhalten:

(8.9.10-17)a. 1 -- = 3.17*10-30.

0.0025 k =

Zu einem sehr iihnlichem Werte fuhren die Loslichkeitsbe- stimmungen von HELLWIG. Er fand, dals ein Liter einer fur Jod- kalium 1.008-norm. Losung 0.0141 Mol. Jodsilber lost. Die Silber- ionenkonzentration dieser Losung ergibt sich aus dem Loslichkeits- produkt K des Jodsilbers dividiert durch die Zahl der freien Jodionen:

2. anorg. Chern. 26 (1900), 157-188.

Zeitschr. phys. Chem. 36 (1900), 291. a Ann. Chim. Phys. 34, 377.

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~- 212 -

[Ag]2.[J]7 - K2-[J15 - K2.[1.008]5 - - = [Ag,J,1 Ag, J, 0.00705 -’

Der Wert von K ist nach GOODWIN (0.97.10-s)2, nach KOHL- RAUSCH und DOLEZALEK~ [1.5.10-fi]a. Die erstere Zahl fiihrt fur k zu dem Werte 1.2-10-30, die zweite zu dem Werte 7.1-10-30. Die oben gefundene Z%hl 3.17.10-30 liegt dazwischen.

Als bestes Mafs der Bestandigkeit der Komplexionen kann man die freie Energie ansehen, die gewonnen werden kann, wen11 Silber- ionen von normaler Konzentration mit Jodionen von normaler Konzentration unter Bildung von Komplexionen normaler Konzen- tration zusammentreten. Diese freie Energie ist fiir ein Ion Ag,J,””‘ durch die Formel gegeben:

A = - R T In k = - 4.582 T log k = 39200 cal.

fiir gewiihnliche Temperatur. 1st die Ausgangskonzentration von Silber- und Jodionen, durch die Ausdrucke [As’] und [J’], die End- konzentrationen der Komplexionen durch [Ag,J,””‘] gegeben, so ist

die freie Energie um R T In ----G,T = 4.582.T log [&‘12[J’l rAg’12[J17 cal. W Z J , I [ Ag, J7 “”‘j

hoher; also ist Z J S

[Ag, J, ””’I A = 39200 + 1340 log [ A d E J- cal*

Bildet sich das Komplexion aus metallischem Silber und Jod- ionen, wahrend fiir jedes geloste Atom Silber ein Atom Wasser- stoff aus normaler Wasserstoffionenlosung in Wasserstoffgas ubergeht, so ergibt sich als freie Bildungsenergie, A’, eines Komplexions der obige Wert verniindert um die Energie, die aufgebraucht werden muh, und durch zwei Silberatome zwei Wasserstoffatome aus nor- maler Losung zu verdrangen. Diese Energie ergibt sich aus dem elektrolytischeii Potential des Silbers - 0.771 Volt zu

2 x 96540.0771.0.241 + 2.1340 log [Ag‘]. Es ist also:

[Ag*J2 CJ’I‘ [Ag,J, 1 A’ = 39200 + 1340 log - 35880 - 1340 log [Ag.]’ =

3320 + 1340 log LJI 7 cal. [Ag, J7”’’’] - _ _ ~

Sitxungsber. der Bed. Akad. 41 (1901), 1018.

Page 17: Über einige komplexe Silbersalze

213

(3egen eine fur Wasserstoffionen normale Losung mit einer Wasserstoffelektrode ist die Spannung des Silbers in der Jodkalium- Jodsilberlosung 0.1 55 Volt, wobei das Silber Losungselektrode ist. Gegen eine neutrale Jodkaliumlosung erniedrigt sich aber die Spannung um 0.4. Das Silber hSrt also auf, Losungselektrode zu werden. Silber kann sich demnach in Jodkaliumlosung bei Sauerstoffabschlufs nicht in merklicher Nenge losen. Tritt aber Sauerstoff hinzu, so erhoht sich die Spannung urn den Wert der Knallgaskette = 1.1 Volt, Silber wird also mit 0.155 - 0.4 + 1.1 = 0.855VoltLosungselektrode, wird also von der Jodkaliumlijsung angegriffen. In saurer Losung yon Jodionen lost sich dagegen Silber auch bei Luftabschluf's, wie SPECKETER~ und din ria^^^^ gezeigt haben und wie es der Spannung entspricht,, unter Wasserstoffentwickelung.

4. Kaliumsilberrhodanide.

In ahnlicher Weise wie beim Jodsilber wurden auch beim Rhodansilber die Formeln der Salze festgestellt, die in den Losungen des Rhodansilbers in Rhodaniden enthalten sind. Rhodansilber lost sich ziemlich reichlich in Rhodaniden auf. HELLWIQ hat die Los- lichkeit des Rhodansilbers in Rhodankaliumlosungen verschiedener Konzentration bestimmt, konnte aber aus diesen Bestimmungen keine Formel fur die in der Losung enthaltenen Komplexe ableiten. Zu besseren und relativ einfachen Ergebnissen fiihrte die Messung der Konzen trationsketten.

Auch hier wurden Ketten von zwei Arten gemessen; solche, in denen die zu vergleichenden Losungen gleiche Konzentrationen an Rhodankalium , aber verschiedene an Rhodansilber besafsen , und solche, in denen das Umgekehrte der Fall war. Uber die Messung an Ketten der ersten Art gibt die folgende Tabelle Aufschlufs.

(S. Tabelle, S. 213.)

In allen Fallen war das Verhaltnis der Silbergehalte 4 : 1 ; das muf'ste, wenn ein komplexes Ion nur ein Atom Silber enthalt, die E.M.K. 0.058 log 4 =: 0.035 Volt ergeben. Tatsachlich liegen die beobachteten Werte dieser Zahl sehr nahe, woraus sich ergibt, dafs die komplexen Ionen wirklich nur ein Atom Silber enthalten. Das-

2. amrg. C h m . 21 (1899), 273. Zeitschr. phys. Chern. 33 (1900), 417.

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- Nr.

1 8 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 1 4 15 16

214 -- -

Gleicher Rhodankalium- und verschiedener Rhodansilbegehalt.

KCNS-Konzen- trntion normal

2.0 1.333 1.428 1 .o 1 .o 0.8 0.8 0.666 0.666 0.5714 0.5 0.4 0.32 0.2666 0.2257 0.2

- -

AgCNS-Konzentration I I I1

normal

0.1 0.0666 0.05714 0.05 0.01 0.04 0.008 0.0333 0.00666 0.005714 0.005 0.002 0.00166 0.00133 0.00129 0.001

0.025 0.0166 0.01426 0.0125 0.0025 0.010 0.002 0.0083 0.001666 0.00 t426 0.00125 0.0005 0.00042 0.000333 0.000264 0.00025

E

0.0389 0.0386 0.0379 0.0363 0.0352 0.0378 0.0346 0.0368 0.0360 0.0360 0.0356 0.0347 0.0345 0.0341 0.0325 0.0313

9n

____

0.89 0.89 0.90 0.96 0.99 0.90 1.00 0.95 0.97 0.97 0.99 1.00 1.01 1.02 1.07 1.10

selbe ergibt die Berechnung der Werte von m der allgemeinen Formel AgJCNS),, welche Werte nahe an 1 liegen. Dafs in den vier ersten Versuchen grofsere E.M.K. erhalten wurden, liegt daran , dafs hier das Verhaltnis von AgCNS:KCNS ziemlich grofs ist. Da jedes Molekiil AgCNS eine gewisse Anzahl Molekiile KCNS bindet und die beiden verglichenen Losungen verschiedene Mengen AgCNS ent- halten, sind auch die Mengon von freiem KCNS merklich verschieden. Die Konzentration der Silberionen in der fur Rhodansilber konzen- trierten Losung wird hier noch dadurch vermehrt, dafs die Konzen- (ration der freien Rhodanionen etwas verringert und deswegen die Dissoziation der komplexen Ionen etwas vermehrt wird. Wo das Verhaltnis des Rhodankaliums zum Rhodansilber grofser wird, tritt dieser Einflufs zuiiibk, wie der Vergleich der Versuche 4 und 5, 6 und 7, 8 urid 9 ergibt.

Zur Bestimmung der Anzahl von Rhodangruppen, die mit einem Silberatom in dem gelosten Komplexion verbunden sind, wurden die E.M.K. von Konzentrationsketten mit gleichem Silbergehalt und ver- schiedenem Rhodangehalt gemessen. Hier wird das Silber in der fiir freies Rhodankalium konzentrierten Losung negativer Pol, und die Spannung ist

Page 19: Über einige komplexe Silbersalze

315

[CNS'I, E = 0.058 n log ~- [CNS'], *

Zu beriicksichtigen ist hier die Spannung an der Beriihrungs- stelle der beiden Flussigkeiten. Nach KOHLRAUSCH und VON STEIN- WEHR ist die Wnnderungsgeschwindigkeit von K = 64.67, von CNS = 56.63. Es wird deshalb an der Beriihrungsstelle der beiden Fliissigkeiten die fur CNS' verdunntere Lbsung positiv werden urn

64*67 - 5"'63.0.058 log t ~ ~ s : 3 z Volt. Durch die Verschiedenheit

der Konzentration der Silberionen wird die verdiinntere Losung urn 121.3 F J A S 11

den oben angegebenen Wert negativer. Der gemessene Wert ist

0.058 log -- CCNs12 kleiner als der Wert der reinen also urn --. 8.04 121.3 [CNS],

Silberionenkonzentrationskette und, um diesen zu erhalten, mufs der gemessene Wert entsprechend erhoht werden. Da durchweg das Ver- hiiltnis [CNS'], : [CNS'], in unseren Messungen nahezu 2 : 1 war, be- tragt das Korrektionsglied 0.0011 Volt.

Gleicher Rhodansilber- und verschiedener Rhodankaliumgehalt. - Nr -

I 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14

AgCNS

0.005 0.001 0.0033 0.0025 0.0005 0.001 0.0004 0.00025 0.001 0.00083 0.00077 0.00071 0.00067 0.0005

Konzentrationen RCNS I1

1.0 1 .o 0.666 0.5 0.5 0.4 0.4 0.4 0.364 0.334 0 308 0.286 0.266 0.2

a

0.75 0.75 0.77 0.78 0.78 0.79 0.79 0.79 0.79 0.80 0.80 0.80 0 81 0.82

~ ~

KCNS I

0.5 0.5 0.333 0.25 0.25 0.2 0.2 0.2 0.182 0.167 0.154 0.143 0.133 0.1

a

0.78 0.78 0.80 0.81 0.81 0.82 0.82 0.82 0.82 0.83 0.84 0.84 0.85 0.85

~ ~

E remessen

0.0695 0.0690 0.0693 0.0670 0.0665 0.OG60 0.0655 0.0664 0.0636 0.0565 0.0480 0.0423 0.0365 0.0345

korrig.

0.0506 0.0701 0.0704 0.0681 0.0676 0.0671 0.0666 0.0675 0.0647 0.0576 0.0491 0.0434 0.0376 0.0356

Fur die Berechnung der Ionenkonzentrationen [CNS'],

- __

la ~ ~

4.18 4.13 4.17 4.03 4.08 4.02 3.98 4.07 3.87 3.45 3.00 2.65 2.29 2.12

und [CNS'], wurden zuniichst von der angewandten Menge Rhodankalium fur jedes Molekul gelosten Rhodansilbers 3 Mole KCNS abgezogen, _ _

Sitnungsber. d. Bed. Akad. 26 (1902), 586.

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- 216 -

da die Mehrzahl der Losungen die Molekiile K,Ag[CNS], enthalt. Die Konzentration der Rhodanionen wurde aus dem Produkt [KCNSIu berechnet, wo a der Dissoziationsgrad ist. Es ist zweifelhaft, ob nicht auch die Anderung der Dissoziation des Komplexsalzes bei dem Ubergang von einer Losung zur anderen hatte in Riicksicht gezogen werden miissen, da zwar die Gesamtkonzentration des Silber- salzes in beiden Losungen die gleiche war, die Menge des Kalium- rhodanids aber verschieden. Eine Uberschlagsrechnung ergibt aber, dak auch unter den extremsten Annahmen iiber die Grofse dieses Einflusses die Werte von n hochstens um 0.4 geandert und zwar verkleinert werden wiirden. Nach der letzten Spalte ergibt sich, dafs in den an Rhodanionen konzentrierten Losungen n = 4 ist, in den verdunnteren n = 2, die Formeln der komplexen Salze also K,Ag(CNS), und KAg(CNS),. Als Grenze wird man die Rhodan- kaliumkonzentration 0.2 setzen durfen, da sich n = 4.07 noch in dem Losungspaar 8 ergab, in welchem die verdiinntere Losung 0.2 - n war. Erst wenn eine von den Losungen verdunnter als 0.2 - n ist, treten die Ionen Ag(CNS), auf. Wenig wahrscheinlich ist es, d a b auch noch Ionen Ag(CNS), vorkommen, da zwischen den CNS-Konzentrationen 0.2 und 0.1 fast nur Ionen Ag(CNS), auftreten, wie die Messung 14 (VL = 2.12) ergibt, wahrend oberhalb 0.2 nur Ionen Ag(CNS), vorhanden sind.

gezeigt hat, die Salze KAg(CNS),, K,Ag(CNS), und K,Ag(CNS),. Letzteres ist instabil, wahrend es in der Losung stabil ist. Tripelsalze sind in grolserer Anzahl von WELLS a dargestellt worden, von denen einige dem Typus K,Ag(CNS), entsprechende auch im festen Zu- stand8 stabil sind. Es konnen die Salze des Typus K,Ag(CNS), nicht in Losung gehen, ohne dabei teilweise in das Salz KAg(CNS), und KCNS zu zerfallen, da j a nur bei Gegenwart von mindestens 0.2 Molen freien Rhodankaliums das Salz in der Losung existiert. Auch das niedrigere Salz KAg(SCN), bedarf in der Losung eines merklichen Uberschusses yon freien Rhodanionen, d s es sonst in Beruhrung mit Wasser zum Teil in gelostes Rhodankalium und un- liisliches Rhodansilber zerf&llt, zum Teil in Losung geht.

Die Berechnung des entstehenden Gleichgewichtes ergibt sich aus der Messung der Spannung von Silberelektroden in ihren

Im festen Zustande existieren, wie neuerdings FOOTE

Am. Chem. Journ. 30 (1903), 330; Zeit~ehr. phys. Cliem. 46 (1903), 79. a Am. Chem. Journ. 30 (1903), 184.

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- 217

Losungen gegen Silber in 0.1-normaler Silbernitratlosung. Es zeigte Silber in einer fur Ag 0.01-, fur KCNS (3.96-normalen Losung die Spannung 0.692 Volt, woraus sich die Silberionenkonzentration in der Rhodanidlasung zu 1.04-10-13 ergab. Daraus folgt die Dis - so zia t i on s kon s t a n t e des Komplexes

1.04 - 10-13. (0.96)4- a 0.0 1

6.66 - 1 O-I2. k - _________ = -

Der reziproke Wert, die Bestandigkeitskonstante? ist 1.5.101’. Diese Zahlen gelten fiir Konzentrationen bis herab zu 0.2-normalem KCNS. Bei 0.2-normaler KCNS Konzentration und 0.01-normaler Bhodansilberkonzentration ist die Konzentration an Silberionen nach der Gleichung

x.0.24.az = 6.66.10-i2 (a = 0.82) 0.0 1

Daraus folgt die Dissoziationskonstante fiir den Komplex Ag(CNS),’

und seine Bestandigkeitskonstante 6. lo9. Ahnlich wie bei Jodsilber l g s t sich die Dissoziationskonstante

des Komplexes auf unabhiingigem Wege aus der Loslichkeit yon Rhodansilber in Rhodankaliumlosungen bestimmen. Messungen dieser Loslichkeit liegen von HELLWIG vor. Er zieht keinen Schlufs aus den Messungen auf die Formel des Salzes, weil die Dissoziations- grade der recht konzentrierten Losungen zu wenig bekannt sind. Man kann die Dissoziationskonstante erhalten, indem man in die Formel

[Ag’] [CNS‘I4 = [Ag(CNSm

f iir des

[Ag] den Wert L Rhodansilbers ist.

[CNS] einsetzt, wo L das Loslichkeitsprodukt Dann ist:

L. [CNS’I3 [Ag(CNS),”’] ’ k =

In erster Anniiherung kann man auch hier wieder annehmen, dafs in der gemeinsamen Losung der Dissoziationsgrad des 3- und

Z. anorg. Chem. Bd. 39. 15

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l-wertigen Salzes K,Ag(CSN), dem Kubus der Dissoziation des 1- und 1-wertigen Kaliumrhqdanids gleich ist. Man kann deshalb fur die Ionenkonzentrationen die Konzentrationen der Salze setzen. HELLWIG fand u. a., dah 1 Liter einer 1.066 normalen Losung von Rhodankalium 0.085 Mole Rhodansilber lost. Da 1 AgCNS in der Losung 3 Mol. KCNS bindet, ist die Menge des freien Rhodan- kaliums 1.066 - 3.0.085 = 0.81 1. Das Loslichkeitsprodukt des Silberrhodanids ist nach KUSTER und THIEL 1 1.1 7.10-12. Somit ergibt sich die Dissoziationskonstante des Komplexes Ag(CNS),"'

= 7.3-10-12, 1 .1 7 * 1 O-12-(0.8 1 1), k = ____- 0.085

welcher Wert innerhalb der Fehlergrenzen des Loslichkeitsproduktes und der Loslichkeitsbestimmungen von HELLWIO mit dem elektro- metrisch gefundenen Wert 6.6.1,0--12 ubereinstimmt.

Es liifst sich berechnen, wie vie1 freies Rhodankalium in einer Losung des Salzes KAg(CNS), vorhanden sein mu&, damit dieses nicht in Rhodansilber und Rhodankalium zerfallt. Die Dissoziations- konstante des komplexen Salzes ist

Es wurde sich Rhodansilber abscheiden, sowie dessen Loslich- keitsprodukt [Ag'][CNS'] = 1.17- 10-12 iiberschritten ist. Es darf also [Ag] nicht grofser werden als 1.17-10-12/[CNS']. Setzen wir diesen Grenzwert oben ein, so erhalten wir

[CNS']:[Ag(CNS),'] = 1.67-10-10: 1.17-10-12 = 143.

Es muls also die Menge des freien Rhodankaliums mindestens 1431nal so grols sein wie die des gelosten Doppelsalzes, Daraus erklart es sich, d d s das Doppelsalz bei Behandlung mit Wasser grolsterlteils unter Abscheidung von Rhodansilber zerfallt; es lost sich nur der 143. Teil des angewandten Salzes in dem durch den Zerfall des ubrigen Doppelsalzes freigewordenen Rhodankalium. Wendet man einen Uberschufs an Kaliumsilberrhodanid KAg(CNS), an, so dals dieses Salz neben Rhodansilber Bodenkorper bleibt, so wird die Losung auch noch das Salz K,Ag(CNS), enthalten. Nach

~ -. -

2. anorg. them. 33 (1903), 139.

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219

POOTE enthalten 100 g einer mit den Salzen KAg(CNS), und AgCNS als Bodenkorpern gesattigten Losung 16.1 g AgCNS und 23.85 g KCNS. Ware das Rhodansilber nur als Verbindung KAg(CNS), gelost, dann waren 9.5 g KCNS durch das Rhodansilber gebunden; die Losung enthielte im Liter also etwa 140 g freies Rhodankalium, ware also dafur 1.4-normal. Da bei einer solchen Konzentration an freiem Rhodankalium das Salz KAg(CNS), in der LSsung nicht mehr bestandig ist, sondern in K,Ag(CNS), iibergeht, mufs auch dieses in der Losung vorhanden sein, aber nicht allein, da hierfur wieder die Menge des neben Rhodansilber vorhandenen Rhodan- kaliums nicht ausreicht.

Rhodankalium und Rhodanammonium werden als Fixiermittel in der Photographie benutzt. VALENTA hat Zahlen fur die Los- lichkeit des Chlorsilbers in Lasungen beider Salze angegeben. Diese Zahlen sind aber aus dem von C O H E N ~ fur den analogen Fall der Losungen von Chlorsilber in Cyankalium und Thiosulfat angegebenen Qrunde wertlos. Chlorsilber hat nur eine sehr geringe Loslichkeit in Rhodankalium, da es &h in Beriihrung damit grofstenteils in Rhodansilber umsetzt. Die Grenze dieser Reaktion, die auch fiir die Chlorbestimmung nach VOLHARD wichtig ist, lakt sich leicht be- rechnen. Das LGslichkeitsprodukt des Chlorsilbers ist nach THIEL

[Ag'] [Cl'] = 1.97*10-10,

dns des Rhodansilbers nach ebendemselben

[Ag*][CNS] = 1.17*10-12: C1: CNS = 197: 1.17 = 169: 1.

Beide Salze werden nebeneinander unter einer Losung bestehen konnen, in der das Verhaltnis [Cl] : [CNS] = 169 : 1 ist. War man, was den Versuchen von VALENTA entspricht, von einer normalen Losung von Rhodankalium ausgegangen, so wird am Boden Chlor- silber neben Rhodansilber bestehen, wenn die Losung auf 1 : 169 = 0.006 n fur Rhodankalium herabgegangen ist. Eine solche Losung nimmt aber im Liter nur 0.006 : 143 = 0.000042 hfol. Rhodansilber auf, nicht wie VALENTA angibt, etwa 0.0077. Wendet man Chlor- silber in kleinerer Menge an, so dah es nicht Bodenkorper bleibt, so wird es znnachst vollig in Rhodansilber umgewandelt, welches entsprechend der Menge des vom Chlorsilber nicht verbrauchten

Zeifschr. phys. Chem. 18 (1895), 61. 15'

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Rhodankaliums gelost wird. Die Loslichkeit ist aber dann eine zu- f dllige, abhangig von dem VerhZiltnis der angewandten Menge LBsung und Chlorsilber. Auch wenn iiberschussiges Chlorsilber angewendet wird , wird zunachst das freigebliebene Rhodankalium das primar entstandene Rhodansilber reichlich losen, um es dann, wenn der Liisung. durch das Chlorsilber die Rhodanionen wieder entzogen sind, wieder ausfallen zu lassen.

Die Umwandlung des Bromsilbers durch Rhodankalium in Rhodansilber ist , wie aus der VoLHARDschen Brombestimmung be- kannt ist, kleiner als die des Chlorsilbers. Nach den Loslichkeits- produkten wiirde Bromsilber so lange durch Rhodankalium in Rhodan- silber umgewandelt werden , bis das Verhaltnis der Ionenkonzen- trationen [CNS] : [Br] auf 1.79 : 1 gesunken ist, bis also etwa 36 O l 0

des Rhodankaliums in Bromkalium verwandelt sind. Das frei ge- bliebene Rbodankaliuru wiirde Rhodansilber losen, so dals hier scheinbar der paradoxe Fall eintritt , dafs Bromsilber reichlicher gelost wird als Chlorsilber. Die Verhaltnisse werden durch die von KUSTER und THIEL eingehend untersuchte Isodimorphie von Brom- und Rhodansilber etwas modifiziert.

Die Loslichkeit des Cyansilbers ist nach BOTTGER 1.5 - 1.6-10-6, nach MORGAN 3.17.10-7. Nehmen wir den ersteren Wert als den wahrscheinlicheren an, so werden Rhodansilber und Cyansilber neben- einander ale Bodenkorper in einer Losung existieren konnen, in denen CNS- und CN'-Ionen zueinander in dem Verhaltnis der Loslichkeitsprodukte, d. h. = 1.17.10-12: 2.2-10-12, also etwa von 1 : 2 stehen. Danach sollte die Umsetzung des Cyansilbers durch gelostes Rhodankalium schon ein Ende nehmen, wenn auf ein Rhodanion zwei Cyanionen in der Losung kommen. Bei Chlor- silber geht die Umsetzung, wie oben gezeigt wurde, weiter, da sie erst aufhort, wenn 169 Chlor auf 1 Rhodan kommen. Bei der V O L - HARDschen Halogenbes t immung aber wird die Umsetzung des Cyansilbers mehr gefiirchtet als die des Chlorsilbers. Nachdem man durch uberschiissige Silberlosung gefallt hat, kann man, wenn man schnelI arbeitet, das ChlorsiIber in der FIussigkeit, in der das Silber mit Rhodanlosung zuriicktitriert wird, lassen, ohne dafs ein Uberschuls von Rhodankalium so f o r t mit dem Chlorsilber reagiert. Cyansilber aber mufs man vor der Ruckmessung des Silbers abfiltrieren. Der

2. anorg. Chem. 33 (1900), 129. - THIEL, Zeitschr. phys. Chern. 43 (1903), 641.

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-- 221 --

Unterschied ist darin begrundet, dafs die Titration in salpetersaurer Losung vorgenommen wird. Da Rhodanwasserstoff fast ebenso stark dissoziiert ist wie Chlorwasserstoff, ist das Grenzverhaltnis auch fiir die freien Sauren 1 : 169. Cyanwasserstoff aber ist aufserst wenig dissoziiert. Das Verhaltnis der freien Sauren bei dem Ende der Umsetzung wird dadurch wesentlich anders als das der freien Ionen; es wird erst dann die Gegenwart von CyanwasserstofE in der Losung den weiteren Angriff des Cyansilbers durch Rhodanwasserstoff ver- hindern, wenn die Menge des Cyanwasserstoffs in der Losung die des Rhodanwasserstoffs um mehr als das millionenfache iibertrifft. Nit anderen Worten: die groke Tendenz der Cyanionen, in saurer Losung undissoziierten Cyanwasserstoff zu bilden, bewirkt, dafs Cyan- silber durch Rhodanwasserstoff weit leichter in Rhodansilber ver- wandelt wird? als in neutraler Losung durch Rhodankalium, wo die Resktion analytisch mefsbar begrenzt ist.

In ahnlicher Weise wie bei Jodsilber lafst sich auch bei Rhodan- silber die Bildungsenergie des Komplexes aus den Ionen oder aus dem Metal1 berechnen. Die Formeln sind fiir die freie Bildungs- energie eines Grammions Ag(CNQ):

aus den Ionen aus Silber- und Rhodanionen

Fur den Komplex Ag(CNS), sind die Zahlen

Die Spannung, mit der Silber aus einer Rhodanlosung, die fiir W asserstoffionen normal ist , W asserstoff verdrangt, ist bei Bildung des Komplexes Ag(CNS),"':

E = - 0.116 + 0.058 log [CNS'I4 : [Ag(CNS),"'].

Fur [CNS'] = 1, d. h. fur eine etwas iiber normale Losung von Rhodanwasserstoff xird C = 0, sobald [Ag(CNS')/'] den Wert 0.01 angenommen hat. Bis zu dieser Eonzentration mufste sich Silber unter Wasserstoffentwickelung in Rhodanwasserstoff losen, wenn sich Wasserstoff an Silber ebenso leicht wie an platiniertem Platin ent- wickeln wiirde. Da aber hierzu nach CASPARI eine Uberspannung von 0.1 5 gehort. wird die Wasserstoffverdrhngung durch Silber aus

Page 26: Über einige komplexe Silbersalze

a

der sauren Losung schon bei geringerer Konzentration aufhiiren. Bei Luftzutritt lost sich Silber reichlich in saurer wie in neutraler Rhodanlosung.

5 . Xaliumsilbercyanida

Die Untersuchung dieses Salzes bot wegen seiner ausgedehnten Anwendung in der Galvanostegie und Galvanoplasti k, der Metall- urgie, der Photographie, zur Strommessung u. s. w. besonderes In- teresse. Im festen Zustande sind nur Salze mit dem Anion Ag(CN), bekannt. Als Formel der gelosten Ionen wurde bisher allgemein Ag(CN),’ angenommen. MORGAN, 1 der die Spannung des Silbers gegen Cyanidlosungen verschiedener Konzentration gemessen hat, ging von der gar nicht in Zweifel gezogenen Annahme aus, dafs die Losungen das Silber nur in Form dieser Ionen Ag(CN),’ enthalten. Seine Ergebnisse stimmten mit dieser Annahme nicht uberein, wodurch er zu dem Schlusse gefiihrt wurde, dak die Losung mefs- bare Mengen AgCN neben den Ionen Ag(CN),’ enthalte. Diese Hypothese ist unhaltbar, weil die Verbindung AgCN in Wasser so wenig loslich ist, d d s ihre Menge unterhalb der analytischen Nach- weisbarkeit liegt. Die Resultate von MORGAN erklaren sich schon durch Versuchsfehler, da er zwar die Kohlensaure, nicht aber den weit schadlicheren Sauerstoff von seinen Losungen fernhielt. In Gegenwart von Sauerstoff lost sich Silber sehr leicht in Cyankalium, so dals in der Nahe der Elektrode die Konzentration an Komplex- salz grofser, an Cyankalium kleiner wird. Beide Umstande bewirken, d a b die Elektrode edler wird, als sie es der ursprunglichen Losung gegenuber ware. Ein Teil der Abweichungen von der Theorie, die MORGAN fand, erklart sich ferner dadnrch, dak die Losungen des Silbers in Cyankalium bei hoherer Konzentration an diesem nicht nur Molekule KAg(CN), , sondern auch Molekiile K,Ag(CN), ent- halten.

Das geht aus den Messungen von Konzentrationsketten hervor, bei denen Silberelektroden in luftfreien Losungen sich befanden, die fur Silber gleiche , fur gelostes Cyankalium verschiedene Konzen- tration besalsen.

(S. Tabelle, S. 223.)

Die Werte von n ergeben sich aus der Formel:

Zeitschr. phys. Chern. 1 7 (legs), 512.

Page 27: Über einige komplexe Silbersalze

223 -

N1.

__ 1 2 R 4 5 6 c

E = 0.058 log [CN], : [CN], m

Angewandte Salzmengen

KAg(CN), 1 KCN I KCN

0.025 0.50 1 1.00 0.0125 0.25 0.50 0.00625 0.125 1 0.25 0.005 0.10 1 0.20

0.00125 0.025 ~ 0.05 0.0005 0.01 0.02

I [ I1

~- __ -

0.0025 0.05 i 0.10

Da m, wie unten gezeigt wird, = 1 ist, geht die Formel uber in

E = 0.058 f i log [CN], : [CN],.

0.96 0.97 0.97 0.97

Konzentrationsketten von Kaliumsilbercysnidlosungen bei gleichem Kamplex- salz- und versehiedenem Cyankaliumgehalt.

-~ ___ 0.0554 0.0500 0.0461 0.0431

- ______ -______ 3.25 3.38 2.90 3.00

I 2.65 2.76 2.48 2.58 2.27 2.37

I n den meisten Fallen ist n. > 2. Es mufs also angenommen werden, dafs neben den Molekulen KAg(CN), auch solche der Formel K,Ag(CN), in den Losungen vorhanden sind. So weit das der Fall ist, mufs fur jedes in Form des Salzes KAg(CN), in die Liisung eingefiihrte Atom Silber ein Molekul KCN gebunden worden sein, so dal‘s die Konzentrationen des freien Cyankaliums nicht mehr genau das Verhaltnis 2 : 1 besitzen, das angewandt wurde. Die Werte fur n unter I wurden unter der Annahme berechnet , dak jedes Atom Silber ein Molekul Cyankalium bindet, dab also z. B. in Versuch 4 die Mengen des freien Cyankaliums 0.20 - 0.005 = 0.195 und 0.100 - 0.005 = 0.095 sind. Unter I1 wurde IZ berechnet unter der Annahme, dal‘s das Silber nur mit den beiden Cyangruppen verbunden ist, mit deaen es als Salz KAg(CN), eingefuhrt wurde, dafs also die Konzentrationen des freien Cyankaliums 0.2 und 0.1 sind. Man erkennt, dafs die beiden Werte von n sich wenig unterscheiden. In den drei verdunntesten Losungen also bis hinauf zu 0.05 an freiem Cyankalium ist n. nahezu 2 , die Formel der gelosten Ionen also Ag(CN),’. 1st der Gehalt an Cyan- kalium grofser, so gehen diese Ionen in Ionen Ag(CN),”‘ und vielleicht in Ionen Ag(CN),”’ uber.

Dak m, die Anzahl der Silberatome in jedem der komplexen

Page 28: Über einige komplexe Silbersalze

- 2,2.4 -

0.0375 1 .oo 0.0374 1 .oo 0.0371 1.02 0.0361 1.04 0.0362 1.04 0.0351 1.07 0.0329 , 1.16

Ionen, = 1 ist, ergibt sich scharf aus der Messung der Konzen- trationsketten , in denen die Konzentration an freiem Cyankalium gleich, die an Silber verschieden war. Fur sie gilt die Formel:

0.93 0.93 0.94 0 97 0.97 0.99 1.06

_- --

Konzentrationsketten von Kaliumsilbercyanidlosungen bei gleichem Cyankalium- und verschiedenem Komplexealzgehalt.

Angewandte Salzmengen

KCN

1 .oo 0.5 0.33 0.25 0.2 0.1 0.02

z_==

I KAgtCN,

0.05 0.025 0.016 0.012 0.010 0.005 0.001

_ _ ___ -_ _ _ ~ _ _

- I1

KAgtCW2 - _.__ -

0.0125 0.00625 0.004 0.003 0.0025 0.00125 0.00025

Auch hier mufsten fur die Berechnung des Koeffizienten zwei Ansatze, ml und m,, gemacht werden. Wenn namlich das Silber in der Form der Salze K,Ag(CN), in der Losung vorhanden ist, SO

bindet jedes Molekul des eingefuhrten Salzes KAg(CN), ein Molekul KCN. Die ursprunglich in beiden Losungen gleiche Cyankalium- konzentration wird also hierdurch verschieden ; die Losung, die mehr Komplexsalz enthalt , wird armer an Cyankalium und die Anzahl der Silberionen wird aufser durch die grofsere Konzentration des' Komplexsalzes durch die geringere der Cyanionen vermehrt. Unter m, sind die Werte so berechnet, als wenn in allen Losungen das gesamte Silber als K,Ag(CN), vorhanden ware, unter ma so, als wenn nur Molekiile KAg(CN), in der Losung existierten. Die Unterschiede sind nicht grofs. Ihr Verlauf ist ein solcher, dafs man auch hier erkennt, dafs fur die konzentrierten Losungen die erste Annahme, fur die verdunnten die zweite gilt. Jedenfalls liegen die Werte so nahe an 1, dars das Vorhandensein von nur j e einem Atom Silber in beiden Komplexionen sicher bewiesen ist. - Die Flussigkeitskette brauchte in beiderlei Konzentrationsketten nicht berucksichtigt werden, da Cyan und Kalium nahezu gleich schnell wandern.

Page 29: Über einige komplexe Silbersalze

- 225 --

Man wird zu schliefsen haben, dab die Formel der Komplex- ionen in Losungen mit weniger als 0.05 Mol. KCN nur Ag(CN),', in solchen mit mehr als 0.25 nur Ag(CN)," vielleicht auch zum Teil Ag(CN),"' iet.

Zur Bestimmung der Anzahl der Silberionen in den Komplex- salzlosungen wurde die E.M.K. einer fur Komplexsalz 0.05-, fur Cyankalium urspriinglich 1 - n Losung mit Silberelektrode gegen eine 0.1 1 n Kalomelelektrode gemessen. Gefunden wurde 0.894 Volt, wobei das Silber negativer Pol ist. Da die 0.1 - n, Kalomel- elektrode gegen eine fur Ag'-Ionen normale Losung 0.433 ist, wobei das Silber positiver Pol ist, ist die Spannung der Komplexsalzlosung gegen diese normale Ag'-lonenliisung 1.327 Volt. Die Komplex- salzlosung hat also eine Silberionenkonzentration x, die sich aus der Bleichung ergibt:

1.327 = E = 0.0575 log 1 : z x = 8.1 0-24,

Die Lijsung enthielt an Komplexionen Ag(CN)," = 0.05 a, an Cyanionen 0.95 a, da von dem 1 Mol KCN 0.05 Mol zur Bildung des Salzes K,Ag(CN), an das als KAg(CN), angewandte Silbersalz abgegeben waren. Folglich ist die Diesoziationskonstmte fiir den Zerfall :

Ag(CN)," 22 Ag' + 3CN'

- - [Ag] [CN'IS Ag"KCNI3u 8.1 0-24*(0.95)3.0.75 [Ag(CN),"l 0 . 0 5 . ~ 0.05

k = -_____ - - 1=

1.13. lo-".

Dabei ist wie friiher angenommen, dafs in der gemeinsauren Losung der Dissoziationsgrad eines zwei- und einwertigen Salzes gleich dem Quadrat des Dissoziationsgrades eines ein- und einwertigen gleichionigen Salzes ist.

Der reziproke Wert hiervon, die Bestandigkeitskonstante ist :

Gegen die fur Silberionen normale Losung ist die Spannung einer fur das Komplexsalz 0.05, fur freies Cyankalium 0.05-norm. Losung 1.131 Volt.

1.131 0.0575 Hier ist mithin log [Ag'] = - ---; [Ag'] = 2.10-20.

Page 30: Über einige komplexe Silbersalze

- 226

Fur das Silbercyanid haben BERTHELOT und J. WAONER~ die Frage diskutiert, ob es in zwei Modifikationen auftrete, je nachdem es durch Cyankalium aus einer Losung von iiberschiissigem Silber- nitrat oder durch Silbernitrat aus einer Losung von Kaliumsilber- cyanid gefallt werde. Im ersteren Falle konne es die Formel AgCN, im zweiten die Formel AgAg(CN), haben. BERTHELOT glaubt aus thermo- chemischen Griinden, dafs nur die Qerbindung AgAg(CN), existiert. WAGNER nimrnt auf Grund von Molekulargewichtsbestimmungen die Existenz beider Verbindungen an. Der Unterschied beirler Modi- fikationen wurde aufser durcb Molekulargewichtsbestimmungen in Pyridinlosung auch durch Lcitfahigkeitsmessungen in wasseriger Sus- pension bestatigt. BOTTGER 3, der die Leitfahigkeitsmessungen aus- gefubrt bat , schliefst aus ihnen, dafs die Loslichkeit des Salzes AgAg(CN), 1.5.10-'j, die des Salzes AgCN 1.64.10-6 sei.

Es 1afst sich aber zeigen, dals wenigstens in wasseriger Sus- pension ein Salz der Formel AgCN mit einem Loslichkeitsprodukt 1.642.10-12 nicht bestindig sein kann. In der wasserigen Losung dieses Salzes miifsten die Silberionen mit den Cyanionen zu Ionen Ag(CN)', zusammentreten. Diese Bildung von Ag(CN)',-Ionen konnte erst ein Knde nehmen, wenn durch den Zerfall des Komplexes ebenso- vie1 CN-Ionen geliefert werden wie durch die Auflosung des Cyan- silbers. So lange das feste einmolekulare Cyansilber noch mehr Cyan- ionen liefert als das Komplexion Ag(CN)z', wird dieses sich immer neu bilden. Gleichgewicht tritt alsu ein, d. h. die Bildung von Ionen Ag(CN)', aus dem AgCN hort erst auf, wenn die Menge der vom Cyansilber und der durch Zerfall des Komplexes gelieferten Cyanionen gleich gewortlen ist. Die Menge der durch Zerfall der Komplexionen ge- lieferten Cyanionen ist gegeben durch deren Dissoziationskonstante

L)as feste Cyansilber schickt so lange Cyanionen in die Losung, als in ihr das Produkt [Ag']-[CN] noch nicht den Wert 1.642-10-12 er- reicht hat, also bis

- _ " - - -~

Compt. rend. 128 (1899), 630. Rer. d. Versammhbg deutscher Naturf. und Lrzte 1902. Zeitschr. phys. Chertz. 46 (1903), 558.

Page 31: Über einige komplexe Silbersalze

- 227 -

Bei dem Gleichgewicht ist:

Die Bildung der komplexen Ionen aus dem festen einmolekularen Cyansilber erfolgt nach der Gleichung :

2AgCN = Ag(CN),’ + Age.

Jedem Ag(CN),’ entspricht also ein Ag’. = [Ag‘] und

Es ist mithin [Ag(CN),’

____ 1/[Ag(CN),’]’ = 9.3-10-2

[Ag(CK),’] = 0.093.

Wenn neben Wasser einmolekulares Cyansilber von der Los- lichkeit 1.64.10-6 bestandig ware, miifste es sich so lange umsetzen, bis das Wasser fur Ionen Ag(CN),’ und gleichzeitig fir Ag‘-Ionen 0.093 normal ist. Erst neben einer solchen Losung konnte ein- molekulares Cyansilber bestehen. Eine solche Losung ware aber fur das Salz Ag. Ag(CN), 60 000fach ubersattigt, da dessen Lijslichkeit nur 1.5.10-6 ist. Es wurde sich also immer wieder das Salz Ag.Ag(CN), ausscheiden und in der Losung mulste es sich immer wieder auf Kosten des einmolekularen Cyansilbers bilden, bis dieses verschwunden ist. Da die Bildung der komplexen Ionen aus Cyan- silber und Cyaniden fast momentan ststtfindet, kann man auch nicht annehmen, dds durch irgend eine Verzogerungserscheinung die Rildung der Molekule Ag . Ag(CN), aus den Molekulen AgCN langsam genug erfolgt, um die Abscheidung und Untersuchung des einmole- kularen AgCN aus wasseriger Lijsung zu ermoglichen. Um neben dem Silbersilbercyanid von der Loskchkeit 1.5. zu bestehen, miifste das einmolekulare Silbercyanid weit geringere Loslichkeit besitzen. Bezeichnen wir mit L das Loslichkeitsprodukt [Ag’][CN], so wLe

Page 32: Über einige komplexe Silbersalze

- 228 -

Das Produkt [Ag(CNj,’[.[Ag*] ist nach BOTTCHER 2.25. 10-la. Mithin mufste L den Wert besitzen:

L = 2 . 9 . 1 0 - 1 1 1 Z K T F = 4.4*10-17.

Die Loslichkeit des einmolekularen Cyaiisilbers mufste also beim Gleichgewicht mit dem zweimolekularen 1/4.4.10-17 = 6.7- 10-9 sein, statt den von BOTTGEB angegebenen Wert 1.64.10-6, der 245mal so grofs ist, zu besitzen. Wenn sich die Ergebnisse von WAGNER bezuglich der Molekulargewichte der beiden Cyansilbermodifikationen in Pyridin bestatigen, woriiber nahere Angaben noch fehlen, wird man annehmen miissen, dafs die Loslichkeit des einmolekularen Cyansilbers etwas, aber nicht vie1 grosser ist als 6 . 7 ~ 1 0 - ~ und d a h infolgedessen eine teilweise , aber langsame Umwandlung in das Silbersilbercyanid sich vollzieht. Was BOTTGER gemessen hat, war dann die Leitfahigkeit der etwas ubersattigten Losung des Silber- silbercyanids, die sich aus dem monomolekularen Cyansilber gebildet hatte. Bestatigt sich die Existenzfahigkeit des monomolekularen Cyansilbers nicht , so ist der geringe Loslichkeitsunterschied der beiden von B~TTGER untersuehten Fallungen auf die grofsere Feinheit des als monomolekulares Cyansilber bezeichneten Niederschlages zuruckzufiihren. Auszuschliefsen ist die Annahme, dafs dem mono- molekularen AgCN die Loslichkeit 1.64.10-6 zukommt und dem di- molekularen eine Loslichkeit uber 0.093 , und dafs die Verbindung Ag. Ag(CN), die labilere Modifikation sei. Allerdings wiirde, wenn das der Fall ware, festes Silbersilbercyanid sich in monomolekulares Silbercyanid AgCN verwandeln; aber nach Verschwinden des festen Silbersilbercyanids miifste dann noch eine Losung mit 0.093 Ag(CN),’- und ebensoviel Ag.-Ionen neben dem monomolekularen AgCN stabil sein. Dt~s ist aber nie beobachtet worden. Es b l e i b t a l so n u r d i e Annahme, da f s d a s f e s t e s t ab i l e Cyans i lber immer e in S i lbe r s i lbe rcyan id d e r F o r m e l Ag.Ag(CN), ist.

Es erklart sich durch diesen Unterschied - worauf auch J. WAGNER schon hingewiesen hat - die Verschiedenheit in dem Verhalten von Cyankalium und Cyansiiber bei der Esterisierung, wobei Cyankalium Nitrile, Cyansilber lsonitrile liefert. Das darf

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- 229 - nicht auf Tautomerie der Cyanide zuruckgefubrt werden, sondern auf die Polymerie des Silbersilbercyanids.

Man kann die Frage aufwerfen - und auch das hat J. WAGNER getan - ob nicht auch andere Niederschlage als analoge Polymeri- sationsprodukte anzusehen sind. Man konnte daran denken dafs Rhodansilber die Formel Ag. Ag(CNS), besitzt und dals bei Zufiigung von Silbernitrat zu Rhodankalium zunachst die Ionen Ag(CNS),‘ ent- stehen, die mit einem Ag’-Ion das komplexe Salz geben. Dann wurde das Loslichkeitsprodukt 1.1 7 - 1 O-I2 fur den Ausdruck gelten:

[Ag‘][Ag(CNS),‘] = 1.17*10-12.

Wenn das der Fall ware, mufste bei dem Schutteln von Rhodan- silber mit einer Bromkaliumlosung Gleichgewicht erreicht werden, wenn das Bromsilber ebensoviel Silberionen in die Losung schickt wie das Rhodansilber. Da nun das Loslichkeitsprodukt des Brom- silbers ist:

[Ag*][Br’J = 0.656.

miifste beim Gleichgewicht gelten :

[Ag(CNS),’] : [Br’] = 1.17 : 0.656 = 1.78 : 1.

In Wirklichkeit enthalt die Losung beim Gleichgewicht auf 1 Br‘, wie KUSTER und THIEL fanden, etwa 2CNS. D a b sie auch Ionen Ag(CNS),’ enthielt, geben sie nicht an. Der Gehalt hieran muk nach der Loslichkeit von Rhodansilber in Rhodaniden etwa 0.00046 Mol. im Liter betragen haben und zum Bromgehalt das Verhaltnis 0.014 : 1 besessen haben. Daraus geht hervor, dafs nicht Ag(CNS),’ das Anion des Silberrhodanids ist sondern CNS’, fiir dessen Verhaltnis zum Br‘ die gefundene Zahl 2 angenahert mit der berechneten iibereinstimmt. Der Unterschied kommt zum Teil auf Rechnung der Isodimorphie des Bromids und Rhodanids.

Man wird nur dort Vorkommen polymerer Modifikationen in den Niederschlagen vermuten konnen, wo sich das komplexe Alkali- salz oh’ne Zersetzung in Wasser lost, oder mit anderen Worten, wo die Dissoziationskonstante des Komplexes sehr klein ist. Auch hier wird nicht immer die Polymerisation zu erwarten sein.

So erklart sich auch am besten das Verhalten des festen Kalium- silbercyttnids gegen Waseer. Es wird durch dieses nicht zersetzt wie das Kaliumsilberrhodanid oder Kaliumsilberjodid, sondern geht, auch wenn kein merklicher Uberschufe an freiem Cyankalium in

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- 230 -

Losung ist, unzersetzt in Losung. Auch geniigt bekanntlich die aquivalente Menge Cyankalium , urn Cjansilber zu lasen, wahrend vom Rhodankalium und Jodkalium grofse Uberschiisse fur die Auf- losung von Rhodansilber oder Jodsilber erforderlich sind.

Aus einer Losung von Kaliumsilbercyanid wird sich Silbersilber- cyanid ausscheiden, sowie durch den Zerfall der Ionen Ag(CN), soviel Silberionen in die Losung gelangt sind, dals das Produkt [Ag‘]. [Ag(CN),’] = 2.25 - 10-12 uberschritten ist. Beim Gleichgewicht mufs gelten:

2.25~10W’~ = 8.5. 10-22[Ag(CN),’] CAg” = [Ag(CN),’] [CN‘],

8.8 - 1 0-22 ist die Dissoziationskonstante der Komplexionen Ag(CN),’ in Silber- und Cyanionen:

Beim Gleichgewicht ist also:

Lost man Cyansilber in Cyanksliumlosung, so vollzieht sich die Reaktion nach der Gleichung:

Ag.Ag(CN), + 2 K + 2CN’ = 2Ag(CN),’ + 2K’.

1st die Losung fur Ag(CN),’ 0.1-normal, so braucht man fur die Herstellung von einem Liter neben dem nach dieser Gleichung erforderlichen Betrag an Cyankalium noch einen Uberschuls von 0.1 x 1.98.10-6 = 0.00000198 Grammmolekiilen Cyankalium, also einen nicht mefssbaren Uberschufs. Wenn man reines Kaliumsilber- cyanid in reinem Wasser unter Bildung einer 0.1-normalen Losung auflost, so wird sich eine gewisse Menge der Ionen Ag(CNX’ na& der Gleichung umsetzen :

2Ag(CN),’ = Ag.Ag(CN), + 2CN’.

Die weitere Umsetzung wird aufhoren, wenn die Losung fur Cyan- ionen 1.98.10-6 normal geworden ist. Dann ist die Menge des aus einem Liter bei Vermeidung der Ubersattigung ausgefallenen Silber-

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- 231 -

silbercyanids nur 0.99.10-6 No1 = 0.27 mg, also so wenig, dafs die Triibung der Beobachtung vollig , entgehen muls.

Tragt man in eine 0.1-normale Losung von Cyankalium die aquivalente Menge Chlorsilber ein, so wird, wie COHEN a gezeigt hat, dieses vollig als Kaliumsilbercyanid gelost. Wenn man aber Cyan kaliumlosung mit iiberscbiissigem Chlorsilber schuttelt, so wird das Kaliumsilbercyanid unter Abscheidung von Cyansilber bis zu einem gewissen Gleichgewicht gelost. Es steht dieses Verhalten mit den fur die Dissoziation des Kaliumsilbercyanids und die Loslichkeit des Silbersilbercyanids erhaltenen Zahlen in Xinklang. Wird Chlorsilber in eine Cyankaliumlosung eingetragen, so wird die Umsetzung :

AgCl + 2KCN = KAg(CN), + KC1

erst aufhoren, wenn die Menge der von dem Chlorsilber gelieferten Silberionen ebenso grok geworden ist, wie die durch Zersetzung der komplexen Ionen entstandenen Bilberionen. Letztere Zahl ist :

8.8 * 10-22.[Ag(CN),’] [CN‘]Z

[Ag’] = __- 7

ers tere :

Auf jedes Chlorion, das in Losung geht, bildet sich ein Ion Ag(CN),’. Somit ist:

8.8.10-22 [Ag(CN),‘]’ = 2.10-10 [CN’]’ [CN] : [Ag(CN)],’ = 2.1.10-6.

d. h. nur der millionste Teil des in der Losung urspriinglich vor- handenen Cyankaliums bleibt frei, die Hauptmenge ist in das Kom- plexsalz KAg(CN), verwandelt. Die Auflosung des Chlorsilbers ent- spricht also nahezu vollig der stachiometrischen Gleichung.

Gegen Bromsilber oder Jodsilber verhalt sich Cyankalium ahnlich. Behandelt man eine 0.1 -normale Losung mit den nahezu aquivalenten Mengen der Niederschlage, so losen sie sich, bis die Konzentrationen an freieln Cyankalium auf 3.6.10-6 resp. 3.0~10-~ gesunken sind. Bei weiterer Einwirkung der Niederschlage setzen diese sich mit

Durch die Berucksichtigung der Hydrolyse deLi Cyankaliums wird die

Zeitschr. phys. C’wm. 18 (1898), til. Berechnung vie1 umstlndlicher, das Resultat aber wenig anders.

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-- 232 - -

dem Kaliumsilbercyanid unter Bildung von Silhersilbercyanid bis zu einem analytisch melsbaren Gleichgewicht um. Dieses llilst sich aus den angegebenen Zahlen berechnen, sofern nicht isomorphe Mischungen oder Verbindungen, z. B. zwischen AgCl und Ag. Ag(CN),, entstehen. Untersuchungen hieriiber sind im hiesigen Laboratorium im Gange. Es w i d iiber sie in Kurze berichtet werden.

Es wird dabei auch zu priifen sein, ob die auf anderen Wegen xu bestimmende Loslichkeit des Silbersilbercyanids dem von BOTTGER angegebenen Werte entspricht.

Das Silbersilbercyanid lost sich in einer Losung von Cyanionen unter Bildung der Komplexionen nach der Gleichung :

Ag-Ag(CN), + 2CN‘ e- 2Ag(CN),’.

Die Umsetzung wird ein Ende nehmen, wenn das Silbersilber- cyanid ebensoviel Silberioneu liefert wie die Silbercyanidionen, wenn also

2.25 * 1 0 -12 8.8 * 1 O-%* [ Ag(CN),’] - __ - [Ag’l = [Ag(CN),’] [CN’J2

[CN’] = 1.9s. 10-6 [Ag(CN),”J.

Solange die Cyanionenkonzentration diesen Wert ubersteigt, lost sich der Niederschlag, sobald sie kleiner wird, zersetzt sich das Kaliumsilbercyanid. Letzteres tritt ein, sobald man die Losung des Kaliumsilbercyanids mit einer starken Saure versetzt. Es werden dann die freien Cyanionen unter Bildung des undissoziierten Cyan- wasserstoffs gebunden.

Die Dissoziationskonstante des Cyanwasverstoffs:

ist von WALKER^ bestimmt worden. Es wird durch Zusatz von Wasserstoffionen das Kaliumsilbercyanid so lange zersetzt werden, bis die von ihm gelieferten CN’-Ionen an Menge den von dem Cyan- wasserstoff gelieferten CN’-Ionen gleich geworden sind, bis also

__ ~

Zeitseht.. phys. Cheni. 32 (1900), 137.

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233 - -

B!nthalt die JZsung gleichviel Wasserstoffionen und undisso- zierten Cyanwasserstoff, hat man also das doppelte der der Gleichung:

2 H + ZAg(CN),’ = Ag.Ag(CN), + 2HCN

entsprechenden Menge einer starken Siiure zugesetzt. so wird die Menge des unzersetzten Kaliumsilbercyanids nur noch sehr klein, bei einem grofseren Uberschufs freier Sauren kaum merklich sein. In ahnlicher Weise erklart sich meist die Unbesrandigkeit freier komplexer Sauren, deren Salze bestandig sind, z. B. von Sulfantimon- saure, Sulfarsensaure, Thioschwefelsaure u. a. 1st die der komplexen Slure zugrunde liegende einfache Saure nicht so schwach, wie in diesen Beispielen die Sauren HCN, &S, &SOs, sondern stark wie HCl, so ist die komplexe Saure ebenso bestandig wie das Salz, z. B. HCuCl,, H,PtCl, u. s. w. 1st das komplexe Anion sehr bestandig, wie z. B. bei Kal iumgoldcyanid , so wird auch die Schwache der einfachen Saure noch keinen leichten Zerfall der freien komplexen Same bewirken, wie sich aus unserem Beispiele ergibt, wenn man statt 8.8.10-n die Dissoziationskonstante 4.10-2* einsetzt, die dem Zerfall des Ions [Au(CN),] als Maximalwert entspricht.

Durch Zusatz von Schwefelsaure oder Salpetersaure wird aus einer Losung von Kaliumsilbercyanid das Salz Ag - Ag(CN), ausge- schieden, Dieses selbst wird durch die Saure auch bei grokem Uberschufs nicht merklich zersetzt. Die von dem Salz gelieferten Ionen Ag(CN),‘-Ionen konnten allerdings noch weiter zersetzt werden, indem die durch deren Zerfall gelieferten CN-Ionen durch die Wasserstoffionen weggefangen werden. Die Menge der Ag(CN),’- Ionen, die durch festes Silbersilbercyanid geliefert werden, ist durch das Loslichkeitsprodukt gegeben:

[Ag’] [Ag(CN),’] = 2.25-10-12.

Die Ag(CN),’-Ionen liefern so lange CN-Ionen, bis

So lange die Losung fur H’-Ionen normal ist geben die CN’- Ionen undissoziierten Cyanwasserstoff bis

[CN.] = 13.10-’O*[CNH].

Gleichgewicht zwischen dem Niederschlag , den Silberionen in der 2. aaorg. Chem. Bd. 39. 16

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234

Losung, dem Cyanwasserstoff und den Wasserstoffionen von normaler Konzentration wird also eintreten, wenn:

[Ag*I2.132- 10-20 [CNHI2 = 8.8- 2.28-10-34 = 19.8.10-34

1Ag.J [CNH] = 3.4*10-'.

Bei der Zersetzung durch Schwefelsaure wurde die Reaktion erfolgen :

H,SO, + Ag.Ag(CN), = Ag,SO, + 2CNH.

Jedes Silberion in der Losung wiirde also eineni Molekiil CNH entsprechen [Ag'l = [CNHI

[Ag'] = 1/3.4.10-8 = 1.85.10-4.

Die Zersehung durch normale Schwefelsaure wurde also auf- hiiren, wenn die LSsung fur Silberionen 0.000185 geworden ist und ebenso konzentriert an Cyanwasserstoff; es wurde also die Zersetzung des Silbersilbercyanids aufhiiren, ehe sich eine merkliche Menge Cyan- wasserstoff gebildet hat.

Wendet man aber statt der Schwefelsaure oder der Salpeter- saure normale Salzsaure an, so bleiben die Silberionen nicht in der Losung; ihre Konzentration in der Losung erreicht nur den durch das Loslichkeitsprodukt [Ag'] [Cl'] = 2.1 O-IO gegebenen Wert, ist, also 2.10-10, wenn [Cl'] = 1 ist. D a m wird:

[Ag'] [CNH] = 2*10-10.[CNH] = 3.4-10-8

[CNH] = 170.

Die Umsetzung des Silbersilbercyanids durch Salzsaure unter Entbindung freien Cyanwasserstoffs wird aIso vollkommen sein , da der Cyanwasserstoff schon aus der Losung entweicht, ehe er diese ungeheuer grolse Grenzkonzentration erreicht hat. Das entspricht der Beobachtung, dab Silbersilbercyanid nicht durch Schwefelsiiure oder Salpetersaure, wohl aber durch Salzsaure (und noch mehr durch Brom-, Jod-, Schwefelwasserstoff) vollig zersetzt wird.

Die Spannung des Silbers gegen eine fur das Salz KAg(CN), 0.05 norm. fur freies KCN ebenfalls 0.05 norm. LSsung betragt, bezogen auf die Wasserstoffelektrode = 0 0.359 Volt. 1st die Kon- zentration der Silbercyanidionen durch den Ausdruck [Ag(CN),'], die der freien Cyanionen durch den Ausdruck [CN] gegeben, so

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erhlilt man hieraus fiir Losungen, die die Verbiiidung KAg(CN), unti nicht K,Ag(CN), enthslton, die Spannung :

0.444 - 0.058 log [Ag(CN),’] : [CN’]’.

Diese Spannung wurde gewonnen werden, wenn Silber sich in Cyankaliumlosung lost und gleichzeitig Wasserstoff aus einer fiir Wasserstoffionen normalen Losung verdrangt wird. Da neben Wasser- stoffionen von normaler Konzentration Cyanionen in merklicher Menge nicht existieren kijnnen - wegen der geringen Dissoziation des Cyanwasserstoffs - so kann hieraus noch nicht entschieden werden, ob und wieweit Silber sich in einer CyankaliumlSsung unter Wasser- stoffentwickelung liist. Um Wasserstoff aus einer fur Hydroxylionen [OH’]-normalen Liisung abzuscheiden, braucht man die Spannung

0.8 + 0.058 log [OH] Volt,

bezogen auf die Normalwasserstoffelektrode. Mithin wiirde Silber sich in einer Cyankaliumlosung so lange unter Wasserstoffentwicke- lung losen, bis

0.444 - 0.058 log [Ag(CN),’J : [CN]’ = 0.8 + 0.058 log [OH]

- 6.15. [ C“]2 0.356 log I__-___ = ___ - [Ag(CN),’]*[OH] 0.058

Geht man von einer ursprunglich neutralen silberfreien Cyan- kaliumlosung aus (wobei von der Hydrolyse zunachst abgesehen werden soll), so erfolgt bei der Auflijsung des Silbers unter Wasser- stoffentwickelung die Reaktion :

2Ag + 4KCN + ZH,O = 2KAg(CN), + 2KOH + H,.

Es entsteht also auf ein Ion Ag(CN),’ ein Ion OH. Somit ist [Ag(CN),’] = [OH] und

1st die Losung von Cyankalium 0.05 norm., so wurde sich Silber unter Wasserstoffentwickelung nur so lange losen, bis sie fur das Komplexsalz 0.00004 norm. geworden ist, also auf 1 Liter. 3.6 mg Silber aufgenommen hat. Diese Zahl wird noch kleiner durch die Uberspannung des Wasserstoffs am Silber und durch die infolge der Hydrolyse schon von vornherein alkalische Reaktion der Cyankalium-

16*

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losung. Andererseits wird sie vergrijfsert, wenn die Cyankaliumkon- zentration steigt.

Es geht hieraus hervor, dafs sich Silber ebensowenig wie Gold in merklicher Menge unter Wasserstoffentwickelung in Cyankdium lijseii kann, dah also bei der Gewinnung der Edelmetalle nach den1 Cyanidverfahren fur das Silber noch mehr als ffir das Gold die Mitwirkung des Luftsauerstoffs erforderlich ist.

Die Versuche von FAR UP^ zeigen, dals praktisch die Auflosung des Silbers so sehr zu VernachlBssigen ist, dah Kaliumsilbercyanid- losung als bester Elektrolyt fur Silbervoltameter anzusehen ist. Das wird zum Teil dadurch bewirkt, dafs die Kathode von allen Seiten mit Silberblech umgeben wird, das nicht nur den Sauerstofl aus der Luft fernhalt, indem es mit ihm und dem Cyankalium reagiert, sondern auch eben hierdurch den Gehalt der Losung an freiem Cyankalium in der Nahe der Kathode klein und den an lialiumsilbercyanid grofs macht, wodurch die Losungstension des Silbers noch mehr herabgedriickt wird. Bei Zutritt von Sauerstoff mufs sich Silber reichlieh in Cyankaliumlosung losen, und umsomehr je reicher die Losung an freiem Cyankalium, je iirmer sie an Kalium- silbercyanid ist. Bewegung der Elektrode in der Fliissigkeit mufs natiirlich die Auflosung beschleunigen. a

Die Spannung des Silbers gegen eine Cyankaliumlosung ist, so lange deren Konzentration an freiem Cyankalium unter 0.05 normal ist, durch die Gleichung gegeben:

E = 0.444 - 0.056 log [Ag(CN),’] : [CN]’ . Diese Spannung ist kleiner als die des Zinks, Kupfers und Goldes in Cyankaliumlosungen. Silber ist also nicht nur edler a h Zinlc und Kupfer, sondern auch edler als Gold, wird also durch dieses aus Cyankaliumlosungen verdrangt.

Ez,, = 1.287 - 0.029 log [Zn(CN),”] : [CNI3 Die Zahlen sind :

Ec, = 1.098 - 0.058 log [Cu(CN),”] : [CN’]3.6 EAu = 0.611 - 0.058 log [Au(CN),’] : [CW]’.

Damit das Gold eben so edel wird, wie das Silber, mufste die Konzentration der Goldcyanidionen sehr vie1 grofser werden als die ~- ~ -

Zeitschr. f. Elektrochem. 8 (1902), 569. Vergl. PFANHAUSER, Zeitschr. f. ElelcBochem. 9 (1903), 661; 10 (1904), 68.

Vergl. RODLHNUER, Ber. deutsch. chem. Ges. 36 (1903), 3841.

- - - TJAXQBEIN 9 (1903), 979.

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der Silbercyanidionen. Es wurden beide Spnnnngen gleich werden, wenn :

0.444 - 0.058 log [Ag(CN),’] : [CN’Iz = 0 (i 11 - 0.05s 106

[Au(CN),’J : [CN’I2 0.058 log [Au(CN),’] : [hg(CN),’] = 0.611 - 0.444 = 0.167

[Au(CN),’) : [Ag(CN),’] = 820 : 1.

Dagegen ist Silber in Cyankaliumlosung unedler als Queck- silber, so lange nicht die Menge des Kaliumsilbercyanids sehr vie1 grol‘ser ist als die des Kaliumquecksilbercyanids. Die Spannung des Quecksilbers gegen eine Cyankaliumlosung ist :

EI1, = O . X M - 0.029 log [Hg(CN),”] : [CNI4.

Beide Metalle werdeu gleich edel, wenn

0.444 - 0.058 log [Ag(CN),’] : [CN’]’ = 0.354 - 0.029 log [Hg(CN),”] : [CNI4

0.060 = 0.029 log [Ag(CN),’]’ : [Hg(CN),”]

[Ag(CN),’I2 : [Hg(CN),”] = 11 6 : 1 .

1st die Losung fiir das komplexe Quecksilbersalz 0.01 molar, so wurde sie fur das komplexe Silbersalz 1.08 normal sein miissen. Immerhin tritt hier Gleichgewicht noch bei gut mefsbaren Konzen- trationen fur beide Salze ein. Die Bildung von Amalgamen wird auch hier die Verhaltnisse verschieben miissen, da durch sie die Verdrangung des Quecksilbers durch das Silber oder die des Silbers durch das Quecksilber erleichtert wird.

Die Untersuchung uber die komplexen Silbersalze ermoglicht fiir die drei Halogene, das Rhodan und das Cyan, eine Reihenfolge in der Neigung zur Komplexbildung festzustellen. Chlorsilber und Bromsilber haben eine ziemlich geringe Tendenz zur Bildung kom- plexer Ionen. HELLWIG hat die Loslichkeit beider Haloide in den entsprechenden Alkalihaloiden gemessen. Ein Liter einer 4 normalen Chlorkaliumlosung lost 6.37 -10-3 Mol. AgC1. Nehmen wir in Ana- logie mit dem Rhodansilber an, dak die Losung Molekule K,AgCI, enthalt, so ist die Bestandigkeitskonstante dieses Komplexes :

[.4gC14”’] [Ag.] [Ci’], k h g C l =

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Die Konzeritration der Ag'-Ioiicn ist 1.99. 10-lo : [CY]. Damus ergibt sich :

[AgCl,"'] = kALgC1 1.99. 10-10.[C1']3.

Nehmen wir wieder an, d d s der Dissoziationsgrad des 3- untl l-ionigen Salzes gleich der dritten Potenz des Dissozi:ttionsgmdes des Chlorkaliurns ist, so konrien wir die Salzkoiizentratioiioii fur dic Ionenkonzentrationen setzen und erhalten:

6.37.10-3 k*gcl = ~

- - 5.105. 43.1.99-10-10

In analoger Weise ergibt sich aus der von HELLWIG gefhdenen Loslichkeit von 0.0117 Mol. HgBr in einem Liter einer 8.76 norni. Hromkaliumlosung und dem Loslichkeitsprodukt 65.6 lo-" fur Bromsilber

1.1 7 * 10-2 (2.7 6)3 * 65.6 * 10-l' ~ A B B ~ = __- = 8.5.10'.

Ein Vergleich mit den fur Jodsilher, Rhodansilber und Cyaii- silber gefundenen Bestandigkeitskonstanten ergibt folgende Reihen- folge :

Komplexes Salz : Bestandigkeit : K,AgCl, 0) 5-106 K,AgBr, (?I 8.5- 10' K, Ag(CNS14 1.5 * 1 01' K,AgJ4(?) 5.5.1015 KK,A&CN), 9.10a1

Darnach ware die Reihenfolge der Anionen nach steigeider

Nach abnehmendem Loslichkeitsprodukt der einfachen Silber-

c1 CNS Br J CN

Tendenz zur Komplexbildung C1, Br, CNS, J, CN.l

haloide ordnen sich die Anionen in der Reihenfolge:

2.1 0-l' 1.1 * 1 0-la 0.6.10-12 0.9. I 0-l6 4.1 Ow1' (?)

Brom und Rhodan haben hierbei ihre Platzo vertauscht. Cyail wurde nach der Loslichkeit an ganz andere Stelle gelangen als nach der Komplexbildung, wenn man von der Annahme ausginge, daCs das Loslichkeitsprodukt 2.5 * der Verbindung AgCN entsprache.

WAhrend HELLWIG die Reihenfolge C1, Br, J , CNS, CN angerionmen hatte, gelangt GROSSMANN (Zeitschr. f. anorg. Chem. 37 (1903) 433) anf Gruritl eiries grofsen qualitativeu Beobac~~tungsmateriala zu der obigen Reihenfolge.

- .- -

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Es ist aber gezeigt worden, dafs das sicher nicht der Fall ist uiid dafs die wahre Verbindung AgCN ein Loslichkeitsprodukt von etwa 4 10-17 haben miifste, wenn es neben der Verbindung Ag.Ag(CN), cxistenzfahig ware. Dafs letztere Verbindung eine grofsere Loslich- keit besitzt als die Verbitdung AgCN entspricht der haufig beob- achteten Tatsache, dafs durch Addition einer Neutralteiles ein Anion starker elektroaffin wird.

BrcLzcnschweiy, h’lektrochenlisches Laboratorizcrn der Techrtischen Hochschule .

Bei der Redaktion eingegangen am 11. Februar 1904.