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I~BER HOCHSTWERTE DER PRODUKTION VON NATI~RLICHEN PFLANZENBESTANDEN IN N.O. ASIEN Heinrich WALTER Egilolfstrasse 33, D-7000 Stuttgart 70, West Germany Keywords: Carbohydrate allocation, Forb community, Primary production Voraussetzungen far eine hohe Netto-Primiirproduktion der Pflanzen Die Photosynthese-Intensitfit spielt, im Gegensatz zu der Ansicht der Pflanzenphysiologen, ftir die H6he der Netto- Produktion nur eine geringe Rolle. Ausschlaggebend ist vielmehr der Assimilathaushalt d.h. die Art der Verwen- dung der bei der Photosynthese gebildeten Assimilate im Laufe der gesamten Vegetationszeit. Eine hohe Produktion an Trockensubstanz wird dann erreicht, wenn ein m6glichst grol3er Anteil der Assimilate produktiv ffir die Ausbildung einer m6glichst grol3en Blattflfiche verwendet wird und nicht ftir andere, nicht CO2-assimilierende Organe. Wie stark sich das auswirkt, m6ge folgendes Beispiel zeigen. Ein Buchenkeimling (Fagus sylvatica) und ein Sonnen- blumenkeimling (Helianthus annuus) beginnen ihr Wachs- tum mit derselben Menge von 51haltigen Reservestoffen im Samen. Unter gleichen AuBenbedingungen im botani- schen Garten Hohenheim bei Stuttgart bildete der Buchen- keimling im ersten Jahr nur 1,5 g an Trockensubstanz, die Sonnenblume dagegen unter den ffir sie nicht optimalen Klimabedingungen Mitteleuropas 600 g, also 400 mal mehr. Die Photosynthese-Intensit/it der Sonnenblume ist dabei nut etwa doppelt so hoch, wie die der Buche. Der enorme Produktionsunterschied ist darauf zurfickzu- ftihren, dab der Buchenkeimling nur wenige kleine Blfitter ausbildet, aber einen holzigen Stengel, wfihrend die Sonnenblume die Assimilate vorwiegend dazu verwendet, dauernd B1/itter zu bilden und erst spMer die B1/itenorgane. Der Assimilathaushalt einer Art ist durch ihr Erbgut im wesentlichen fixiert, kann jedoch durch AuBenfaktoren modifiziert werden (Walter 1960, S. 399-410): 1) Eine optimale Wasserversorgung f6rdert die Ausbildung einer grol3en Blattflfiche. Bei Wassermangel entstehen xeromorphe Pflanzen mit kleinen Blfittern sowie st~rkerer Verholzung der Achsengewebe und geringer Produktivit/it. 2) Auch eine optimale Stickstoffversorgung ffihrt zu einer hygromorphen Struktur, zu produktiven Pflanzen mit groBen B1/ittern w~hrend die Peinomorphosen bei Stickstoffmangel an die xeromorphen Pflanzen erinnern. Auch die Temperaturverh~ltnis~e und die Tageslfinge fiben einen EinfluB aus. Bei Langtagpflanzen z.B. ver- ktirzen lange Tage das vegetative Stadium der Pflanze und vermindern damit die Produktion, w~hrend im Kurztag dauernd neue B1/itter gebildet werden. Sehr ungtinstig f/Jr die Netto-Produktion sind hohe Nachttemperaturen, well sie groBe Atmungsverluste bedin- gen, andererseits aber das Wachstum beschleunigen. Bei tropischen RegenwNdern betrfigt die Netto-Produktion infolge der Atmungsverluste (bis zu 75 ~o) nur etwa 25 der Brutto-Produktion; demgegenfiber betragen die At- mungsverluste beim mitteleuropfiischen Buchenwald nur 43 ~, somit die Netto-Produktion fiber 50 ~o der Brutto- produktion. Die genannten Tatsachen sprechen dafiir, daB wit eine hohe Nettoprimiirproduktion vor allen bei krautigen Pflan- zenbestfinden zu erwarten haben unter der Voraussetzung, daB sie Lichtenergie maximal fiir die Photosynthese ausnutzen und ein lang andauerndes vegetatives Ent- wicklungsstadium besitzen. Bei annuellen Pflanzen wirkt sich dabei die Tatsache ungfinstig aus, dab ihnen bei der Keimung nur geringe Reservestoffmengen im Samen zur Verfiigung stehen und sie ihre Blattfliiche deshalb zun/ichst sehr langsam vergr6Bern. Beim Sommergetreide z.B. werden zur Erzeugung des ersten Viertels des Endertrages an Trockensubstanz 10 Wochen ben6tigt, fiir das zweite, wenn die Blattfl~iche schon grfBer ist, nur 2 Wochen und for die beiden letzten, wenn die Blattfl/iche ihr Maximum erreicht, hfiufig noch weniger. Aber gleich darauf beginnt die Fruchtbildung, wobei die B1/itter vergilben, so dab der Vegetatio 44, 37-41 (1981). 0042-3106/81/0441-0037 $1.00. Dr. W. Junk B.V. Publishers, The Hague. Printed in The Netherlands. 37

Über höchstwerte der produktion von natürlichen Pflanzenbeständen in N.O. Asien

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I~BER HOCHSTWERTE DER PRODUKTION VON NATI~RLICHEN PFLANZENBESTANDEN IN N.O. ASIEN

Heinrich WALTER

Egilolfstrasse 33, D-7000 Stuttgart 70, West Germany

Keywords: Carbohydrate allocation, Forb community, Primary production

Voraussetzungen far eine hohe Netto-Primiirproduktion der Pflanzen

Die Photosynthese-Intensitfit spielt, im Gegensatz zu der Ansicht der Pflanzenphysiologen, ftir die H6he der Netto- Produktion nur eine geringe Rolle. Ausschlaggebend ist vielmehr der Assimilathaushalt d.h. die Art der Verwen- dung der bei der Photosynthese gebildeten Assimilate im Laufe der gesamten Vegetationszeit. Eine hohe Produktion an Trockensubstanz wird dann erreicht, wenn ein m6glichst grol3er Anteil der Assimilate produktiv ffir die Ausbildung einer m6glichst grol3en Blattflfiche verwendet wird und nicht ftir andere, nicht CO2-assimilierende Organe. Wie stark sich das auswirkt, m6ge folgendes Beispiel zeigen.

Ein Buchenkeimling (Fagus sylvatica) und ein Sonnen- blumenkeimling (Helianthus annuus) beginnen ihr Wachs- tum mit derselben Menge von 51haltigen Reservestoffen im Samen. Unter gleichen AuBenbedingungen im botani- schen Garten Hohenheim bei Stuttgart bildete der Buchen- keimling im ersten Jahr nur 1,5 g an Trockensubstanz, die Sonnenblume dagegen unter den ffir sie nicht optimalen Klimabedingungen Mitteleuropas 600 g, also 400 mal mehr. Die Photosynthese-Intensit/it der Sonnenblume ist dabei nut etwa doppelt so hoch, wie die der Buche. Der enorme Produktionsunterschied ist darauf zurfickzu- ftihren, dab der Buchenkeimling nur wenige kleine Blfitter ausbildet, aber einen holzigen Stengel, wfihrend die Sonnenblume die Assimilate vorwiegend dazu verwendet, dauernd B1/itter zu bilden und erst spMer die B1/itenorgane.

Der Assimilathaushalt einer Art ist durch ihr Erbgut im wesentlichen fixiert, kann jedoch durch AuBenfaktoren modifiziert werden (Walter 1960, S. 399-410): 1) Eine optimale Wasserversorgung f6rdert die Ausbildung einer grol3en Blattflfiche. Bei Wassermangel entstehen xeromorphe Pflanzen mit kleinen Blfittern sowie st~rkerer

Verholzung der Achsengewebe und geringer Produktivit/it. 2) Auch eine optimale Stickstoffversorgung ffihrt zu einer hygromorphen Struktur, zu produktiven Pflanzen mit groBen B1/ittern w~hrend die Peinomorphosen bei Stickstoffmangel an die xeromorphen Pflanzen erinnern.

Auch die Temperaturverh~ltnis~e und die Tageslfinge fiben einen EinfluB aus. Bei Langtagpflanzen z.B. ver- ktirzen lange Tage das vegetative Stadium der Pflanze und vermindern damit die Produktion, w~hrend im Kurztag dauernd neue B1/itter gebildet werden.

Sehr ungtinstig f/Jr die Netto-Produktion sind hohe Nachttemperaturen, well sie groBe Atmungsverluste bedin- gen, andererseits aber das Wachstum beschleunigen. Bei tropischen RegenwNdern betrfigt die Netto-Produktion infolge der Atmungsverluste (bis zu 75 ~o) nur etwa 25 der Brutto-Produktion; demgegenfiber betragen die At- mungsverluste beim mitteleuropfiischen Buchenwald nur 43 ~ , somit die Netto-Produktion fiber 50 ~o der Brutto- produktion.

Die genannten Tatsachen sprechen dafiir, daB wit eine hohe Nettoprimiirproduktion vor allen bei krautigen Pflan- zenbestfinden zu erwarten haben unter der Voraussetzung, daB sie Lichtenergie maximal fiir die Photosynthese ausnutzen und ein lang andauerndes vegetatives Ent- wicklungsstadium besitzen. Bei annuellen Pflanzen wirkt sich dabei die Tatsache ungfinstig aus, dab ihnen bei der Keimung nur geringe Reservestoffmengen im Samen zur Verfiigung stehen und sie ihre Blattfliiche deshalb zun/ichst sehr langsam vergr6Bern. Beim Sommergetreide z.B. werden zur Erzeugung des ersten Viertels des Endertrages an Trockensubstanz 10 Wochen ben6tigt, fiir das zweite, wenn die Blattfl~iche schon grfBer ist, nur 2 Wochen und for die beiden letzten, wenn die Blattfl/iche ihr Maximum erreicht, hfiufig noch weniger. Aber gleich darauf beginnt die Fruchtbildung, wobei die B1/itter vergilben, so dab der

Vegetatio 44, 37-41 (1981). 0042-3106/81/0441-0037 $1.00. Dr. W. Junk B.V. Publishers, The Hague. Printed in The Netherlands.

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Gesamtertrag an Trockensubstanz nicht hoch ist. Gfinstiger sind die Verh/iltnisse bei der Zuckerrfibe,

deren vegetatives Stadium bis in den Sp/itherbst andauert. Aber wie die Produktionsanalyse auf Abb. 1 zeigt, wird auch bei ihr die maximale Blattfl/iche erst nach fast drei Monaten erreicht. Immerhin weist sie unter den Kultur- pflanzen der gem/igigten Klimazone mit 18-20 t/ha die gr6gte Produktion an Trockenmasse auf.

Noch besser sind die Produktionsbedingungen bei den mehrj~ihrigen Stauden, denen beim Austreiben die viel gr6geren Stoffreserven in den unterirdischen Speicher- organen zur Verffigung stehen. Sie k6nnen deshalb in kurzer Zeit eine groge Blattfl/iche ausbilden und diese steht w~ihrend der ganzen Vegetationszeit zur Verffigung, wenn die generative Phase erst gegen Ende derselben beginnt.

Ein besonders starkes vegetatives Wachstum weisen dabei die Hochstauden auf, die man an Standorten mit einer guten Wasserversorgung und Stickstoffdfingung findet.

Die h6chsten 'Riesen-Hochstauden' findet man in den FluBauen im Nordosten Asiens. Ihre Okologie und Pr0duktivit/it wurden yon Belaya (1978) und Morozov (1978) untersucht. Auf die Ergebnisse dieser in russischer

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Abb. 1. Produktionsanalyse der Zuckerriibe: Gesamtfl~,che = theoretische maximale Brutto-Produktion; punktierte Flfiche = Minderung derselben durch die Atmung von Blfittern und Riiben; horizontal schraffiert = Minderung infolge nicht aus- gebildeter Blattfl~iche im Frfihjahr und Friihsommer; vertikal schraffiert = Minderung durch Abnahme der Photosynthese- Leistung infolge Alterung der Blfitter; schwarze Fl~iche = gemessene Produktion. Die dicke Kurve gibt die maximale prim~ire Produktion wieder, die bei voller Blattentfaltung wfihrend der ganzen Vegetationszeit und ohne die Alterung der Bl~itter theoretisch m6glich ware; sie betrggt das 11/2 fache der tatsfichlichen (nach G. SCnULTZ: Umschau 1965, verfindert). Aus WALTER 1979.

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Sprache ver6ffentlichten Arbeiten soll in aller KiJrze eingegangen werden, da es sich um Rekordwerte der Netto- Prjm~irproduktion handelt (ausffihrliche Tabellen befinden sich in den Orginalarbeiten).

Okologische Verh/iltnisse auf der Halbinsei Kamtschatka

Siid-Kamtschatka zeichnet sich durch ein kalt-ozeanisches Klima aus mit einer Waldvegetation in tiefen Lagen aus Betula ermani, die der Betula tortuosa in Lappland unter fihnlichen klimatischen Bedingungen entspricht (Walter 1974). Es handelt sich um die ozeanische Variante des Zono-Okotons VIII/IX - d e r Waldtundra (Walter 1979b). In diesem Gebiet kommen auf Kamtschatka entlang der Flfisse Hochstauden-Phytoz6nosen vor, die Hult6n (1932) in seinen Vegetationsbildern von Kamtschatka beschrieben hat. (Vgl. dazu die Abb. 126-128 in Walter 1979b). Diese Hochstauden wachsen einerseits in der unteren Flul3aue und andererseits auf der FluBterrasse unter weniger giinstigen Wasserverhfiltnissen. Belaya (1978a, b) hat den Wasserhaushalt auf beiden Standorten vergleichend unter- sucht und die ~,nderung des Wassergehalts des Boden in den durchwurzelten Schichten im Laufe der Vegetations- zeit dargestellt. Die Vegetationszeit gibt Morozov (1978a) mit 90-110 Tagen an, aber die mittlere Dauer der frost- freien Zeit ist nur 64 Tage. Die mittlere Temperatur im Mai ist 3,5 °C, im Juni 10,6 °, Im Juli 14,3 °, im August 13,3 ° und im September 7,6 °. Der Jahresniederschlag im Versuchsgebiet wird mit 976 mm angegeben; davon fallen 175 mm w~ihrend der Vegetationszeit, doch ist der Juni ausgesproehen trocken.

An beiden Standorten dominieren in den Hochstauden Filipendula camtschatica, Seneeio cannabifolius und Her- aeleum dulce. Die Hochstauden erreichen in der Aue eine H6he yon 3,5 m, aufder Terrasse dagegen nur 1,5 m. In nur 20 Tagen wird im Friihjahr die maximale Blattfl~iche ausgebildet. Die Wurzeltiefe ist in der Aue etwa 1 m, so dab die Pflanzenwurzeln stets das Grundwasser ausnutzen und die Wasserversorgung optimal ist. Auf der Terrasse wurzeln die Pflanzen nur 30 cm tief und sie k6nnen zeitweise unter einem gewissen Wassermangel leiden, sodag die Blfi, tter Wassergehaltsschwankungen bis zu 30 ~ aufweisen. 1971 und 1973 beobachtete Belaya bei Wasserdefiziten von 47,6 ~ des maximalen Wassergehalts der Bl~itter sogar ein massenweises Absterben der Pflanzen auf der Terrasse.

Die Transpirationsintensitgt ist bei den Pflanzen auf der Terrasse infolge der trockeneren Luft h6her als in der

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Aue, aber auf der Terrasse bilden die Pflanzen eine kleinere Blattflfiche aus. Deshalb ist die absolute Wasserabgabe in der Aue gr6Ber als auf der Terrasse. Die maximale Wasser- abgabe betrug bei einer Heracleum-Pflanze in der Aue 2113 g/Tag, auf der Terrasse dagegen nur 1056 g/Tag. Die gr6gte Wasserabgabe finder in den 40M5 Tagen der Haupttrockensubstanzzunahme statt zur Zeit der gering- sten Niederschl/ige. Auf der Terrasse wird das durch ZufluB von Wasser der h6her liegenden tauenden Schnee- flecken ermSglicht. Dieser ZufluB deckt etwa 75 % der Transpirationsverluste.

Die stets gfinstige Wasserversorgung in der Aue erm6g- licht die Ausbildung einer enormen Phytomasse von 31 t/ha von der 22 t/ha unterirdische Phytomasse sind. Demgegenfiber erreicht die Phytomasse auf der Terrasse oberirdisch nur 3,5 t/ha. Das Verhfiltnis von oberirdischer Phytomasse zur unterirdischen ist in der Aue 1:2, auf der trockeneren Terrasse 1:7 (Belaya 1978a).

Morozov (1978a, b) hat die potentielle Photosynthese der~Hochstauden-Arten unter natiirlichen Bedingungen am Standort untersucht, und zwar mit der radiometrischen Methodeund bei einem CO2-Gehalt der Luft von 0,3 1%. Er kommt zum Ergebnis, dab alle Arten fiber einen hochaktiven Assimilationsapparat verffigen. Eine Photo- synthese findet noch bei 0 °C statt, das Optimum liegt bei 20 °. Auch die Lichtausnutzung ist sowohl an klaren als auch an trfiben Tagen gut; die maximale LeistungsP, ihigkeit f'~illt mit der Zeit der gr6Bten Blattflfichenausbildung

zusammen (Morozov 1978b, c, 1979a, Morozov & Belaya 1978).

Okoiogisehe Verhiiltnisse auf der Insel Sachalin

Das Klima von Sachalin ist schon bedeutend w~irmer. Die frostfreie Periode im Untersuchungsgebiet betdigt 145-155 Tage, die Jahresniederschl~ige erreichen 750-800 mm, von denen fiber 400 mm in der Vegetationszeit fallen. Die Schneedecke ist 70 cm m~ichtig. Die mittlere Temperatur des w~irmsten Monats August betr~igt etwa 18 °C. Es handelt sieh um ein Nadelwaldgebiet mit einer geringen Beimischung von Breitlaubh61zern, also um das Zono- Okoton VIII/VI. Die Hochstauden in der FluBaue ent- wickeln sich noch fippiger als die auf Kamtschatka und werden 4,5 m hoch. Auch hier dominiert Filipendula eamtschatica mit Polygonum sachalinense, P. weyrichii, Senecio cannabifolius, Petasites amplus, Angelica ursina und Anthriscus aemula. Dazu kommen: Aconitum fischeri, Cacalia robusta, Cirsium kamtschaticum, Cardiocrinum

glehnii, Lysichiton camtschatcense, Symplocarpus foeti- dus, Urtica platyphyIla u.a. Die Pflanzendecke ist hetero-

gen; die Dominanten kommen fleckenweise in Klein- best~inden vor.

Der Blattfl~ichenindex (LAI) im Filipendula-Bestand erreicht 13-14, im Polygonumsaehalinense-Bestandsogar 18-21 (dieser hohe Wert kann wohl nur bei Seitenlicht erreicht werden, Anmerkung des Verf.). Zur Zeit der Blfite kommen 20-26 Sprosse von Filipendula oder Polygonum auf 1 m z.

Zum Vergleich wurden auch hier Hochstauden auf der FluBterrasse untersucht, die aus denselben Dominanten bestanden, es fehlte aber Petasites, dazu kamen Aralia schmidtii, Angelica gmelinii, Cimicifuga simplex, Ligularia fischeri, Pleurospermum camtsehaticum, Veratrum grand# folium, Aruncus kamtschaticus u.a. Diese Bestfinde sind weniger fippig, Der Blattfl~ichenindex ist viel kleiner (Polygonum sachalinense nicht fiber 10-16, P. weyrichii 5, 4, Angelica ursina 7), die Zahl der Sprosse betr~igt 14-16 auf l m 2.

Zur genaueren Bestimmung der Phytomasse wurden von Juni bis Mitte September alle 10 Tage jeweils in den Best~inden der einzelnen Dominanten Proben van 1 m 2 groBen F1/ichen in 7-14 facher Wiederholung entnommen und auBerdem Bodenmonolithe mit einer F1/iche von 0,25 m 2 und einer Tiefe von 80 140 cm.

Eine Rekordh6he erreicht die Phytomasse in Best/inden mit dominantem Polygonum sachalinense in der Aue: Oberirdisch 27 t/ha bei einer Gesamtphytomasse von 62 t/ha. Im Norden der japanisehen Hauptinsel wurde bei vergleichbaren Best~inden nur eine oberirdische Phyto- masse von 11,9 t/ha gefunden (Iwaki et al. 1964). Auch die Phytomasse der Best~inde mit dominanter Filipendula ist auf Sachalin 1,5-2 mal h6her als auf Kamtschatka. Das Verhgltnis der ober- zur unterirdischen Phytomasse betr~igt 1 : 1 bis 1:2 und nur bei domimanten Umbelliferen (Anthris- cus) ist es 1:0,6 bis 1:0,7. Auf der Terrasse sind aueh hier die Werte namentlich ffir die oberirdische Phytomasse viel geringer, der Anteil der unterirdischen jedoch gr6Ber. Nur die Bestfinde mit der Riesen-Umbellifere Angelica ursina bilden wieder eine Ausnahme.

Netto-Primfirproduktion der Hoehstauden

Mit der Produktion von krautigen Pflanzenbest/inden hat man sich in Japan befasst. Eine besonders genaue Pro- duktionsanalyse gelang bei einem sehr homogenen adven- tiven Bestand der nordamerikanischen Art Solidago

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altissima an einem FluBufer bei Tokyo (Iwaki et al. 1966). Hier konnte in der Vegetationszeit April=Oktober mit Tagesmitteln iiber 10°C zur Bestimmung der Prim~ir- produktion monatlich eine Parzelle abgeerntet werden, um den ober- und unterirdischen Zuwachs sowie die absterbenden oberirdischen Teile zu ermitteln (vgl. Walter 1979a, S. 233-237). Die Netto-Primfirproduktion betrug 18 t/ha (Zuwachs der oberirdischen Teile 12 t/ha, der unterirdischen 3 t/ha, Verlust an absterbenden SproBteilen 3 t/ha). Der Verlust der unterirdischen Teile konnte nicht ermittelt werden, dtirfte jedoch gering sein. Die Atmungs- verluste in dem warmen Klima betrugen 55 ~ der Brutto- produktion, die 40 t/ha erreichte.

Schon diese Produktion eines nicht natfirlichen Hoch- staudenbestandes ist als hoch zu bezeichnen, bei einem natfirlichen, optimal an das Klima angepassten Bestand ist eine noch h6here zu erwarten.

Bei den sehr heterogenen Riesen-Hochstauden Nordost- Asiens liil3t sich eine so genaue Produktionsanalyse nicht durchftihren, aber in seiner neuesten Arbeit macht Morozov (1979b) dazu gewisse Angaben. Die Produktion schwankt in diesem Falle kleinfl~ichig sehr stark, je nachdem ob eine groBw~ichsige Staudenart lokal domi- niert oder eine kleinwLichsige. Die Maximalwer~e werden bei Dominanz von Filipendula camtschatica und Polygo- hum sachalinense in der Flul3aue erzielt, w~ihrend Anthris- cus aemula eine kleinwfichsige Art ist. Die gesamte oberirdische Phytomasse wird j~ihrlich neu gebildet, entspricht somit der oberirdischen Prim~irproduktion. Schwierig ist es dagegen, den unterirdischen Zuwachs zu ermitteln.

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Abb. 2. Entwicklung yon Solidago altissima vom Frfihjahr bis in den Sommer: (1)-(1') = Phytomassezuwachs der Stenge¿ und Bliitter, (2)-(2') = dasselbe fiir Rhizome und Wurzeln, (3) = neues Rhizom mit Wurzeln, (4) = Verluste durch Absterben (oder FraB) der neugebildeten Teile. Prim~re Produktion = (1)- (1') + (2)- (2') + (3) + (4). Abb. 130-134 nach [WAKI, MONSI MmORIKAWA 1966. (aus WALTER 1979).

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Bei Zwiebel- und Knollenpflanzen werden die unterirdi- schen Speicherorgane mit den Wurzeln ebenfalls jedes Jahr erneuert. Nach Iwaki scheint es bei dem sympodialen Rhizom von Solidago ebenfalls der Fall zu sein (Abb. 2), aber man darf selbst in diesem Falle nicht die ganze unter- irdische Phytomasse als Zuwachs rechnen, weil die ge- speicherten Reservestoffe im Frtihjahr die oberirdische Phytomasse mitaufbauen. Deshalb sind die bei Walter (1979b, S. 299-300) gesch~itzten Werte, die v o n d e r Gesamtphytomasse ausgingen bedeutend zu hoch.

Bei den Rhizompflanzen bleiben oft mehrere Jahre~trie- be erhalten, ob jedoch die ~ilteren noch funktionsffihig sind oder zur Totmasse geh6ren, wird nicht immer leicht zu entscheiden sein. Auf diese Frage geht Morozov bei den Riesenstauden nicht ein, sondern er setzt den unterirdi- schen Zuwachs gleich 30 ~o der maximalen unterirdischen Phytomasse fest. Die Netto-Prim~irproduktion entspricht bei ihm somit der Summe der maximalen stehenden oberirdischen (ob) und 30 ~ der unterirdischen (unt.) Phytomasse.

Maximale und minimale Primfirproduktion in t/ha bei Dominanz von grol3- und kleinwiichsigen Arten (nach Morozov 1979b). Auf Kamtschatka (kurze Vegetationszeit) Filipendula camtschatica 15,7 (ob. 9,2 und unt. 6,5) Anthriscus aemula 6,5 (ob 5,7 und unt 0,8) Auf Sachalin (l~ingere Vegetationszeit) P01ygonum sachalinense 37,7 (ob 27,2 und unt 10,5) Filipendula camtschatica 27,1 (ob 18,6 und unt 8,5) Anthriscus aemula 7,2 (ob 6,0 und unt 1,2) Diese Zahlen scheinen uns etwas zu niedrig zu sein. Denn Morozov beriicksichtigt nur die maximale stehende Phyto- masse, w~ihrend es notwendig ist, die vorher bereits abgestorbenen Bl~itter an den unteren SproBteilen auch zu beriJcksichtigen. Diese machen nach Iwaki bei Solidago etwa 20 ~ der oberirdischen Prim~irproduktion aus. Demnach k6nnte die maximale Prim~irproduktion bei Polygonum 40 t/ha kleinfl~ichig Libersteigen. Die hohe Produktion wird verst~indlich, wenn man berticksichtigt, dab bei den hochwiichsigen Stauden auf Sachalin ein oberirdischer Sprol3 1,5 kg an Trocken- substanz erzeugt und mit dem Rhizom bis zu 2 kg. Diese Vegetation wird auf Sachalin ffir Silage verwendet. Eine ~ihnlich hohe Produktion weisen auch die Schilfbest~inde am Mittellauf der Amudarja auf (Gladyshev 1969). Die H6he der Pflanzen erreicht 2,3 m, die gesamte Phytomasse im Mittel 120 t/ha und die Netto-Prim~irproduktion etwa 42 t/ha, wovon 35 t/ha auf die oberirdische entfallen (Es handelt sich um lufttrockene Substanz, die sich jedoch im

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trockenen Klima der mittelasiatischen Wfisten nur wenig vonder absolut trockenen unterscheidet).

Im Delta-Gebiet der Amudarja und anschliel3end an den Ufern des Aralsees bedecken solche Schilfbest/inde (Phrag- mites communis und - isiaca) etwa 0,5 Millionen Hektar. Die Bev61kerung ist ausschliel31ich auf ihre Nutzung angewiesen. Sic dienen als ganzj~hrige Weide und die jungen Triebe zur Heugewinnung, sie liefern das Bau- material und das zur Befestigung der Wege, ebenso wie das Brennholz; selbst die Grabm~iler werden aus Schilf gefertigt. Das Wild des Schilfgebiets wird gejagt und liefert Fleisch und Pelzwerk. In den Schilfbest~inden k6nnen als Beimischung vorkom-

men Typha spp., Schoenoplectus tabernaemontani oder Bulbosehoenus maritimus, in wiesenartigen Best~nden auch Carex pseudocyperus, Glycyrrhiza glabra oder Aeluropus; Begleiter sind: Marsilia aegyptiaca, Ophioglossum bucha- rum, Saccharum spontaneum, Dischostylis hamulosa, Oxy- tropis riparia, die Elatinacee Bergia koghanii und die saprophytische Orchidee Eulophia turkestanica.

Am Seestrand kann Phragmites 1 m dicke Schwingrasen bilden. Wenn diese bei Sturm abreil3en, schwimmen sic als Inseln auf dem See herum. Auf diesen Inseln wachsen neben dem Schilf Dryopteris thelypteris, Calystegia sepium, Lyeo- pus europaeus, Stachys palustris.

Die Schilfbest~inde sind auch Brutgebiete der Heuschrec- ken, so dab allj~ihrlich BekS.mpfungsmaBnahmen not- wendig sind.

Summary

On maximal production values in natural plant communi- ties. The intensity of photosynthesis is considered of less importance for the level of primary production (contrary to the general opinion of plant physiologists). Instead the 'assimilate household', the carbohydrate allocation, is considered decisive, i.e. the contribution of assimilates used for the development of photosynthetically active leaf-area. Compare a Fagus sylvatica seedling producing 1,5 g of dry matter in its first year, with a Helianthus annuus plant reaching 600 g.

High netto primary production values can be expected in stands of tall forbs with a prolonged vegetative develop- ment under optimal moisture and nitrogen conditions.

The production of giant forb communities in Camchatka and Sakhalin is discussed on the basis of Russian and Japanese publications. Environmental conditions in both areas are described. In river flood plains on Camchatka the forbs Filipendula eamtsehatica, Seneeio eannabifolius and

Heracleum dulce reach 3,5 m height. The phytomass production is 31 t/ha, of which 22 t/ha is subterranean. In river flood plains on SakhalinFilipendula is accompanied by Polygonum sachalinense and many other species, reaching 4,5 m: The netto primary production may reach 40 t/ha/yr (10 t/ha/yr subterranean).

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