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A. Kurtemkw und A. Cmrnotxky. Eiihere Polythionate. 179 Uber hohere Polythionate. Von A. KURTENACKER und A. CZERNOTZKY. Bis vor kurzem war man der Ansicht, da6 Polythionate mit mehr als 5 Atomen Schwefel nicht existieren und man fiihrte auch theoretische Griinde an, welche die Existenz dieser Verbindungen auszuschlieben schienen. Das von DEBUS l) aus der WACKENEODER’- schen Fliissigkeit gewonnene, von ihm als Kaliumhexathionat be- zeichnete Produkt hielt man fur ein Gemisch von Kaliumpentathionat und Schwefel.3 Eine jiingst erschienene Arbeit von E. WEITZ und F. ACHTERBERG~) zwingt jedocb, die Stellungnahme zu den hbheren Polythionaten einer Revision zu unterziehen. Die genannten Forscher erhielten namlich durch Einwirkung von konzentrierter Salzsaure auf Kaliumthiosulfat in Gegenwart einer kleinen Menge Kalium- nitrit farblose Kristalle, die nach ihrer Zusammensetzung und ihren Eigenschaften als reines Kaliumhexathionat , K,S,O, , an- zusprechen sind. Die Verfasser teilen auBerdem mit, daB sie in den Mutterlaugen der Pentathionatherstellung nach RASCHIG bzw. FOERSTER und CENTNER 5, Polythionate rnit noch mehr als 6 Schwefel- atomen auf 6 Sauerstoffatome beobachtet haben , beziiglich derer aber eine genauere Untersuchung noch aussteht. Zahlreiche Analysen der nach Raschig, also durch Einwirkung von Salzsaure auf Thiosulfat in Anwesenheit kleiner Mengen Arsenit erhaltenen Losungen fuhrten uns schon vor langerer Zeit zu dem SchluB, daB hier Polythionate rnit mehr als 5 Atomen Schwefel bzw. Anlagerungsprodukte von Schwefel an Pentathionat zugegen sein miissen. Obwohl die Versuche nicht abgeschlossen sind, teilen wir ihre Ergebnisse nachstehend mit, da sie im Zusammenhang mit der l) H. DEBUS, Ban. 244 (1888), 1lOff. E. H. RIESENFELD und G. W. FELD, 2. aizorg. u. allg. Chem. 119 (1921), 225; F. RASCHIG, Schwefel- und Stickstoffstudien, Leipeig u. Berlin 1924, S. 275. s, E. WEITZ und F. ACHTEBBEBQ, Ber. 61 (1928), 399. 3 F. RASCHIQ, Schwefel- und Stickstoffstudien, S. 275. 5, F. FOERSTER und li. CENTNER, 2. anorg. zb. alZg. Chem. 167 (1926), 48. 12*

Über Höhere Polythionate

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A. Kur temkw und A. Cmrnotxky. Eiihere Polythionate. 179

Uber hohere Polythionate. Von A. KURTENACKER und A. CZERNOTZKY.

Bis vor kurzem war man der Ansicht, da6 Polythionate mit mehr als 5 Atomen Schwefel nicht existieren und man fiihrte auch theoretische Griinde an, welche die Existenz dieser Verbindungen auszuschlieben schienen. Das von DEBUS l) aus der WACKENEODER’- schen Fliissigkeit gewonnene, von ihm als Kaliumhexathionat be- zeichnete Produkt hielt man fur ein Gemisch von Kaliumpentathionat und Schwefel.3 Eine jiingst erschienene Arbeit von E. WEITZ und F. ACHTERBERG~) zwingt jedocb, die Stellungnahme zu den hbheren Polythionaten einer Revision zu unterziehen. Die genannten Forscher erhielten namlich durch Einwirkung von konzentrierter Salzsaure auf Kaliumthiosulfat in Gegenwart einer kleinen Menge Kalium- nitrit farblose Kristalle, die nach ihrer Zusammensetzung und ihren Eigenschaften als reines Kaliumhexathionat , K,S,O, , an- zusprechen sind. Die Verfasser teilen auBerdem mit, daB sie in den Mutterlaugen der Pentathionatherstellung nach RASCHIG bzw. FOERSTER und CENTNER 5, Polythionate rnit noch mehr als 6 Schwefel- atomen auf 6 Sauerstoffatome beobachtet haben , beziiglich derer aber eine genauere Untersuchung noch aussteht.

Zahlreiche Analysen der nach Raschig , also durch Einwirkung von Salzsaure auf Thiosulfat in Anwesenheit kleiner Mengen Arsenit erhaltenen Losungen fuhrten uns schon vor langerer Zeit zu dem SchluB, daB hier Polythionate rnit mehr als 5 Atomen Schwefel bzw. Anlagerungsprodukte von Schwefel an Pentathionat zugegen sein miissen. Obwohl die Versuche nicht abgeschlossen sind, teilen wir ihre Ergebnisse nachstehend mit, da sie im Zusammenhang mit der

l) H. DEBUS, Ban. 244 (1888), 1 l O f f . E. H. RIESENFELD und G. W. FELD, 2. aizorg. u. allg. Chem. 119 (1921),

225; F. RASCHIG, Schwefel- und Stickstoffstudien, Leipeig u. Berlin 1924, S. 275.

s, E. WEITZ und F. ACHTEBBEBQ, Ber. 61 (1928), 399. 3 F. RASCHIQ, Schwefel- und Stickstoffstudien, S. 275. 5, F. FOERSTER und li. CENTNER, 2. anorg. zb. alZg. Chem. 167 (1926), 48.

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180 A. Eu??enackev zcizd A. Cxernotxky.

Veroffentlichung von WEITZ und ACHTERBERG vielleicht von Inter- esse sind.

Unser Nachweis der hijheren Polythionate grundet sich auf die Resultate der Sulfit- und Cyanidmethode l) in den untersuchten Lijsungen. Die Sulfitmethode beruht darauf, daB die Polythionate mit mehr als 3 Schwefelatomen rnit uberschiissigem Alkalisulfit sofort unter Bildung von Thiosulfat reagieren, das mi t Jod titriert wird:

Sn06’’ + (n - 3) SO,” = S,O,” + (n - 3) S,O,”.

Die Cyanidmethode beruht auf der Wechselwirkuug der Polythionate mit Alkalicyanid im Sinne der Gleichung: SnO,” + (n - 1) CN’ + H,O = (n - 3) CNS’ + 2HCN + SO,” + Sz03”.

Auch hier wird das entstandene Thiosulfat mit Jod titriert. Wie die Gleichungen zeigen, wird fur Tetrathionat nach der Sulfit- und Cyanidmethode gleich vie1 Jod verbraucht, fur Pentathionat verhalten sich die verbrauchten Jodmengen wie 2 : 1, fur Hexathionat mu8 sich das Verhaltnis 3: 1 ergeben, fur Heptnthionat 4: 1 usw,

Aiierdings ist zu berucksichtigen, daB ein uber das Verhiiltnis 2: 1 hinausgehender Jodverbrauch auger durch hijhere Polythionate such durch kolloid gelijsten Schwefel verursacht werden kana Der kolloide Schwefel geht namlich mit Sulfit glatt in Thiosulfat iiber, das eine entsprechende Menge Jod verbraucht, rnit Cyanid liefert er aber lediglich Rhodanid, d w unter den Titrationsbedingungen auf das Jod ohne EinfluB ist.

Nach den Untersuchungen von ENGELS, RAFFO, O D ~ N und anderen 2, entsteht bei der Einwirkung von konzentrierten Mineral- sauren (HCI, H2S04) auf Thiosulfat kolloider Schwefel, dessen Hydroaol gegen Elektrolyte ziemlich bestandig ist und das nach P. BARY~), sowie H. FREUNDLICH und SCHOLZ 4, durch PentathionsLure weiter stabilisiert wird. Um auf kolloiden Schwefel zu priifen, fuhrten wir rnit den nach RASCHIG gewonnenen Lijsungen Parallelversuche aus, bei welchen die Polythionatlosung einmal direkt, das andere Ma1 nach Zusatz von Lanthanchlorid analysiert wurde. In beiden Fiillen ergaben sich durchaus ubereinstimmende Resultate. Damit kann die

I) Vgl. z. B. A. KUIZTEBACKER und E. GOLDBACH, 2. anorg. u. a&. Chern.

Vgl. ABEQG’S Handbuch d. anorg. Chem. IV. Bd., 1. Abt., 1. Halfte, 166 (1927), 184.

s. 636ff. 7 P. BARY, Compt. rend. 171 (19201, 433. 4, H. FREUNDLICA und P. SCHOLZ. Iiolloidchem. Beiitefte 16 (1923), 234.

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Eohere Polythionale. 181

Abwesenheit von kolloidem Schwefel als erwiesen betrachtet werden, denn selbst sehr feindisperser Schwefel miiBte durch das als Koagulationsmittel vorziiglich wirksame Lanthanchlorid ausgeflockt werden.l)

Nach RASCHIG soll die Pentathionsiiure bei der Einwirkung von Salzsaure auf Thiosulfat in Gegenwart von Arsenit zunachst in eimr polymeren Form, namlich als Dipentathionsaure auftreten, die mit Natriumcarbonat nur halb so viel Schwefel frei machen soll wie die gewohnliche Pentathionsaure. Da die Moglichkeit be- stand, da8 auch unsere Analysenmethoden durch die Dipentathion- saure beeinflu& werden, untersuchien wir die Angelegenheit naher. Unerwarteterweise stellte sich heraus, daB das von RASCHIG zur Pentathionatbestimmung empfohlene Natriumcarbonatverfahren auch in normalen Pentathionatlosungen viel zu niedrige Zahlen liefert. Entgegen der Annahme RAscHlG’s wird namlich nur ein Bruchteil des Pentathionats nach der Qleichung: S506” = S + S,O,” zersetzt, die groBere Menge geht ohne Schwefelabscheidung in Thiosulfat iiber. In den mit arseniger Saure frisch hergestellten Fliissigkeiten ist die Schwefelabscheidung besonders gering. Dies ist aber nicht auf eine besondere Form der Pentathionsaure zuriickzufiihren, sondern auf die in diesen Losungen vorhandene schweflige Same, die eine ge- wisse Menge Schwefel in Thiosulfat iiberfiihrt. Bindet man die schwefiige Saure an Formaldehyd, so erhalt man annahernd die- selben Zahlen wie in normalen Pentathionatlosungen. Es liegt demnach kein Qrund zur Annahme einer Dipentathionsaure vor.

Fur die durch Einwirkung von Salzsaure auf Thiosulfat in Gegenwart von Arsenit hergestellten Losungen lag das von uns ge- fundene Verhaltnis der Jodverbrauche nach der Sulfit- und Cyanid- methode zwischen 2 : 1 und 3 : 1. Aus diesen Analysenergebnissen allein kann kein eindeutiger SchluB auf die Zusammensetzung der Liisungen gezogen werden, denn es fehlen die Mittel, um zu ent- scheiden, ob neben Pentathionat nur Hexa- oder auch Heptathionat vorliegt. Selbst Reaktionen, welche die An- oder Abwesenheit von Tetrathionat beweisen konnten, sind vorlaufig unbekannt. Urn un- sichere Annahmen zu vermeiden, berechnen wir aus den Ergebnissen der Sulfit- und Cyanidmethode den mittleren Schwefelgehalt n der vorhandenen Polythionate SaO6”, der sich aus den Jodverbrauchen

l) Vgl. E. HEINZE, Joura. prakt. Chern. [2] 99 (1919), 173; A. GUTBIEE, 2. anorg. u. a@ Chem. 152 (1926), 167; sowie zahlreiche Untersuchungen von FOERSTEB und seinen Mitarbeitern.

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182 A. Eurtenacker und A. Czernotxky.

nach der Sulfitmethode (a gquiv.) und der Cyanidmethode (b Aquiv.) auf Grund der S. 180 angeschriebenen Gleichungen zu n = a / b + 3 ergibt.

In Tab. 1 sind die Werte von n fur die aus Thiosulfat in Gtegenwart von Arsenit gewonnenen Lijsungen verzeichnet. Die genaue Ausfuhrung der Versuche ist S. 185 angegeben.

Vers.-Nr.

Tabelle 1.

Die urspriingliche LSsung enthalt [ pro Liter It

-____ 4,95 5,03 5,OO 5,22 5,07 5,30 5,52 5,50

Man sieht, daB n um so groSer wird, je mehr Salzsaure man pro Mol Thiosulfat angewcndet , je s tkker sauer die Flussigkeit also nach vollzogener Umsetzung ist. Eine Losung, die in ihrer Zusammensetzung dem reinen Pentathionat entspricht, entsteht nur in relativ schwacher Aciditat (Versuch 2 und 3). Die Versuche 7 und 8 sind beziiglich der Aciditilt und der sonstigen Bedingungen fast genau nach der von RASCHIG fur die Herstellung von Penta- thionat gegebenen Vorschrift ausgefiihrt. Wie aber ersichtlich, sind die Losungen weit entfernt, reines Pentathionat zu enthalten, denn dem gefundenen West von n wurde z. B. ein Gemisch von je 50° / , Penta- und Hexathionat entsprechen.

Konzentriert man die vorstehend erhaltenen Losungen bei niedriger Temperatur, so scheiden sich, falls das Eindampfen lingere Zeit beniitigt, kleine Mengen Schwefel (neben Chlornatrium) ab ; es tritt Geruch nach Schwefeldioxyd auf und schlieBlich hinterbleiben mehr oder weniger gelb gefarbte, iilige Flussigkeiten von der Dichte 1,5-1,6, die stets Polythionate mit einem hijheren durch- schnittlichen Schwefelgehalt enthalten, als die verdunnten Ausgangs- Yosungen. Z. B. stieg der Wert von n in Versuch 3 von 5,O auf 5,1, in Versuch 6 von 5,30 auf 454, in Versuch 8 von 5,50 auf 5,78. I n den konzentrierten Flussigkeiten sind gleichzeitig betracht-

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Eohere Polythionate. 183

liche Mengen Schwefelsaure nachweisbar, wahrend die urspriinglichen Losungen hochstens Spuren davon enthalten.

Die Gewinnung reinen Hexathionates au9 den konzentrierten Losungen ist uns bis jetzt nicht gelungen; es entstanden immer Kristalle, die nach der Analyse Gemische von Penta- und Hexa- thionat vorstellen. Ibre waBrigen und essigsauren Losungen zer- setzen sich bald unter Abscheidung von Schwefel. Das von WEITZ und ACHTERBERG empfohlene, offenbar sehr zweckmaBige Umkri- stallisieren aus starker Salzsaure wurde noch nicht versucht.

Beziiglich des Mechanismus der Bildung der haheren Poly= thionate sei folgendes angefiihrt: Man nimmt gewohnlich an, daB das in saurer Lijsung aus Thiosulfat primar gebildete Polythionat das Pentathionat sei:

5S20,” + 6 H = 2S,O,” + 3H,O. H. BASSETT und R. G. DURRANT~) vertreten in der letzten Zeit

die abweichende Ansicht, daB zunachst das Trithionat entstehe: 2 S,O,” + 2 H’ = H,S + SsO/.

Ohne auf die Berechtigung der einen oder anderen Ansicht einzugehen, sei festgestellt, daB in einer nur schwach angesauerten Losung von Thiosulfat Tri-, Tetra- und Pentathionat nebeneinander zugegen sind. Die drei Polythionate sind miteinander durch die bekannten aleichgewichte:

S306” + S,O,” + H $ S,O,” -+ S0,H (1) S,O,” + s,o,” + H S,O,” 3. S0,K (2)

verkniipft.3 Durch Erhohung der Wasserstoffionenkonzentration werden die Gleichgewichte nach rechts, also zugunsten der hoheren Poly- thionate verschoben. Bei gleicher Wasserstoffionenkonzentration und unter sonst gleichen Bedingungen liegt das Gleichgewicht (1) weiter rechts als das Gleichgewicht (2).

Es ist anzunehmen, daB zwischen Penta- und Hexathionat ein den vorstehenden analoges Gleichgewicht existiert:

S,O,” + S,O,” + H’ 3 S,O,” + S0,H. (3) In schwach saurer Lijsung muS dieses Gleichgewicht ganz auf

der Pentathionatseite liegen, zur Erzielung einer bestimmten Rechts- verschiebung ist zweifellos eine hohere Aciditat erforderlich als in

l) H. BASSETT und R. G. DUBBANT, Jan,. Chem. Soo. London 1927, 1401. Vgl. ABEGQ’S Handbuch d. anorg. Chem. IV. Bd., 1. Abt., 1. Hiilfte,

S. 563.

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Gleichgewicht (2). Dem Gleichgewicht (3) (und event. entsprechenden Gleichgewichten zwischen noch hoheren Polythionaten) verdanken die hijheren Polythionate vermutlich ihre Bildung. J e hijher die Aciditat ist, um so mehr miissen die niederen Polythionate ver- schwinden und um so mehr schwefelreichere Polythionate miissen entstehen.

Auch die oben (5. 182) festgestellte Anreicherung der hijheren Polythionate beim Konzentrieren der nach RASCHIG dargestellten Losungen steht mit dem angegebenen Schema in Einklang. AuBer der Zunahme des Schwefelgehaltes der Polythionate beobachtet man bier die Bildung von freiem Schwefel, schwefliger Sbure und Sulfat. Der Vorgang vollzieht sich offenbar so, daB wahrend des lange dauernden Eindampfens ein Teil des Penta-(Tetra-)thionntes zerfallt, wobei neben den stabilen Endprodukten Schwefel und Sulfat Thio- sulfat als Zwischenprodukt entsteht. Dieses setzt sich in der immer starker sauer werdenden Fliissigkeit mit weiterem Pentathionat unter Bildung hijherer Polythionate und schwefliger Saure ins Gleichgewicht.

Statt die Bildung der hijheren Polythionate auf die Wechsel- wirkung mit Thiosulfat nach den Gleichgewichten (1) bis (3) xuriick- zufuhren, k6nnte man auch an eine direkte Adagerung von Schwefel

Ein Mange1 dieses Schemas ist jedoch, daB in ihm der groBe EinfluB der Wasserstoffionen auf die Bildung der Polythionate nicht zum Ausdruck kommt.') AuBerdem ist darauf hinzuweisen, da% es sehr schwer gelingt, aus niederen Polythionaten und freiem Schwefel hohere aufzubauen. Schwefel in fester Form oder in kolloider Lijsung l i B t sich scheinbar iiberhaupt nicht an Polythionate an- lageraa) Nur fiir Schwefel im Entstehungszustande erhielten BASSETT und DURBANT (1. c.) Resultate, die im Sinne der Reaktion (4) ausgelegt werden kijnnen. Sie beobachteten namlich, da8 in Gegen- wart yon Trithionslure aus Schwefelwasserstoff und Jod in Freiheit gesetzter Schwefel zum Teil unter Bildung von Tetrathionsaure auf- genommen wid. Ein entsprechender Versuch, Tetrathionat in Penta- thionat uberzufuhren, mi8lang.

A. Kurtenaclcer und A. Cxernotxky.

Dies stimmt mit den Versuchsergebnissen iiberein.

denken : S,06" + s "t Sn+lOs". (4)

I) Vgl. ABEUU'S Handbuch d. anorg. Chem. IV.Bd., 1. Abt., l.Halfte, S.579. Vgl. E. HEINZE, Journ. prulct. Ch,em. [2] 99 (1919), 109; E. H. RIESENFELD

und G. W. FELD, 2. anorg. u. allg. Chem. 119 (1921), 227; F. DEM~FF, Dissect. Hannover 1923; H. BASSETT und R. G;. DURRANT, J O U ~ Z . Ckem. ~ O C . Londolz 1927, 1432.

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niihere Polythionate. 185

Veranche.

f jbe r fuh rung von T h i o s u l f a t i n P o l y t h i o n a t nach RASCHIG: In Anlehnung an die von RASCEIIG angegebene Vorschrift zur Herstellung von Pentathionat wurden Lijsungen von je 125 g grist. Natriumthiosulfat (= Mol) in 130-150 om3 Wasser mit 8-20 cm3 n/l-Natriumarsenit versetzt, auf - 10 bis - 15O ab- gekiihlt und mit 75-200 cm3 ebenfalls stark gekiihlter konzen- trierter Salzsaure vermischt. Nach dem Absaugen von dem ab- geschiedenen Chlornatrium setzte man die Lijsungen unter Vakuum und lieB sie unter Durchleiten eines langsamen Luftstromes iiber Nacht an die Wasserstrahlpumpe angescblossen. Dies hatte den Zweck, die entstehende schweflige Skure mijglichst rasch und voll- standig aus der Flussigkeit zu entfernen, und damit ihre zersetzende Wirkung auf die hoheren Polythionate hintanzuhalten. Am nachsten Morgen wurde der aus Arsensulfid und Schwefel bestehende Nieder- schlag abgesaugt. In einigen Fallen schied man vorher das noch in Losung behdliche Arsen mittels Schwefelwasserstoff ab und ent- fernte den Uberschu8 des letzteren durch Evakuieren und Durch- leiten von Luft. Zur Analyse wurden j e 20 om3 der klaren Lijsung auf 100 om3 verdiinnt und fur die einzelnen Bestimmungen j e 10 cm3 der verdiinnten Fliissigkeit (= 2 cm3 der ursprunglichen Losung) entnommen. Trithionat konnte in den Lijsungen nicht nachgewiesen werden; Sulfit, Thiosulfat und Sulfat waren hochstens in Spuren zugegen. Die nach der Sulfit- und Cyanidmethode durchgefiihrte Bestimmung der hijheren Polythionate wurde in einigen Fallen durch die Ermittlung des Bromatverbrauches l) und des Gesamtschwefel- gehaltes kontrolliert. Die Bestimmung des letzteren erfolgte durch Oxydation der Schwefelverbinduiigen mit Brom und Titration des erhaltenen Sulfates nach dem Benzidinverfahren.

Wie aus Tab. 2 zu entnehmen ist, stimmen die Ergebnisse der Polythionatbestimmung mit den beideii letztgenannten Ver- fahren recht gut uberein, ein Beweis, daB die Polythionate tat- sachlich die gefundene Zusammensetzung besitzen und weiter, daB auBer den Polythionaten keine anderen Schwefelverbindungen zugegen sind.

1) Vgl. A. KURTENACKER und K. RITTNER, 2. anorg. u. allg. Chem. 142 (1925), 123.

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186 A. Kurtenacker zcnd A. Cmrnotxky.

Tabelle 2. n b e r f i i h r n n g von Thiosn l f a t i n P o l y t h i o n a t i n Gegenwar t

v o n Arsenit . 125 g Na,S,08-5H,0, gelost in 130-150 ems H,O, versetzt mit 8-20 cm3

n-Arsenit und x cma HCl (D = 1,19).!

*'

1 2 3 4 5 6 7 8

h

2- 2 z 4 3 p w g >

72,s 75 75 90 90

120 200 200

n a,

P 0

Ei

gm za 5

*

8 V

rn

2 m GI

267 240 278 302 282 332 398 395

.3

~-

Analysenergebnisse fur 2 cms LSsung

0,

Z? $ a g:- .I 0)

gg _____

26,88 29,04 26,OO 22,84 25,86 22,78 19,23 19,57

01 T? s G w 1 y: 25 __ ~.

13,78 14,32 13,02 10,28 12,51 9,92 7:64 7,84

Br0,'-Meth. cm3 n-BrO,'

Benzidin- Meth. cms 0,1 n-NaOH

Wie S. 180 angegeben, fiihrten wir zu einzelnen der vorstehenden Bestimmungen Parallelversuche aus, bei welchen die Liisungen mit 5 01113 0,03 n-LaC1, versetzt wurden. Die: Ergebnisse stimmten mit den vorstehenden vollkommen iiberein, z. B. wurden in Versuch G nach Zusatz von LaC1, fur die Sulfitmethode 22,76, 22,79 cmJ 0,1 n-J, fur die Cyanidmethode 9,93 om3 0,l n-J verbraucht.

Die in der letzten Rubrik der Tabelle verzeichneten prozentischen Polythionatausbeuten sind aus den Ergebnissen der Sulfit- und Cyanidmethode berechnet. Die Zahlen diirften etwas zu niedrig sein, da sich bei den verschiedenen Operationen kleine Substanz- verluste nicht vermeiden lieBen.

E inwi rkung von N a t r i u m c a r h o n a t auf P e n t a t h i o n a t : Um den Pentathionatgehalt einer Lijsung zu bestimmen, versetzt man sie nach RASCHIG l) mit iiberschiissigem Natriumcarbonat (z. B. mit 50 om3 n-Na,CO, fur 25 cm3 Lijsung) und la& 1 Stunde bei Zimmertemperatur stehen. Der ausgefallene Schwefel wird abfiltriert, mit rauchender Salpetersaure zu Schwefelsaure oxydiert und diese nach der Benzidinmethode mit Lauge titriert. Nach der Qleichnng:

_I-_.- S,O," = s + S,O," (5) l) F. RASCHIQ, Sehwefel- und Stiekstoff-Studien, Leipzig-Berlin 1924, S. 279.

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Hohere Polythknate. 187

sollen fur 1 Mol Pentathionat 2000 cms n/l-Lauge bei der Titration verbraucht werden. Unsere Zahlen liegen vie1 niedriger. Fur eine Losung von 2,67 Millimolen Kaliumpentathionat wurden z. B. 20,3 bis 20,8 cm3 n/lO-NaOH beniitigt, was nur etwa 770 om3 n-NaOH pro Mol Pentathionat entspricht.

Bei den in der folgenden Tabelle zusammengestellten Versuchen wurden alle Reaktionsprodukte bestimmt. 50 cm3 der Kaliumpenta- thionatlijsung von dem in der zweiten Rubrik angegebenen Gehalt wurden mit 2 cm3 0,03 n-LaC1, und 100 cm3 0,3 n-Na,CO, (Verss. 9 und 10) bzw. 3 n-Na,@O, (Verss. 11 und 12) versetzt. Der nach ein- stiindigem Stehen bei Zimmertemperatur abgeschiedene Schwefel wurde abfiltriert und, wie oben angegeben, weiter behandelt. Die Analyse des Filtrates erfolgte nach dem vor kurzem beschriebenen Verfahren. l)

Tabelle 3. Umsetzung zwischen K&06 und Na,CO, .

___ 9 1,99

10 1,99 11 1,91 18 1,91

Angew. Entstandene Millimole ‘g- Millimole I K,S,O, 1 S I SzO/ I S,O,” 1 S,O,” I ___ ~ _ _ . .-

0,75 3,02 - 0,76 0,73 3,19 - 0,71 0,76 3,96 0,31 - 0,75 4,OO 0,29 -

____ 9,95

9,55 9,55

9,95 9,83

9,61 9,62

9,95

Wie ersichtlich, sind von 100 Molen Pentathionat unabhangig von der Konzentration des Natriumcarbonates nur etwa 36-39 Mole unter Schwefelabscheidung, also im Sinne der Gleichung (5) zer- fallen. Der Hauptteil des Pentathionates ist entsprechend der Gleichung:

(6)

in Thiosulfat iibergegangen. Die in den Versuchen 9 und 10 ge- fundenen Zahlen entsprechen den Forderungen der Gleichungen (5) und (6) genau. In den Versuchen 11 und 12 wurde kein Tetra- thionat gefunden, dagegen Trithionat und eine groBere Menge Thio- sulfat. Offenbar ist das Tetrathionat in der hier vorhandenen, stark alkalischen Liisung bereits in Trithionat und Thiosulfat zerlegt worden:

Die Resultate stimmen mit dieser Gleichung gut iiberein.

2S,06” + 6 0 H = 5S,03” + 3H,O

4 S,O,” + 6 O H = 2S,06” + 5S,03” + 3 H,O . (7)

I) A. KURTENACIKER und E. GOLDBACH, 2. anorg. u. a11g. Chenz. 166 (1927), 177.

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188 A. Kurtemaoker und A. Cxernotxky. Hohere Polythiolzate.

Aus dem vorstehenden ergibt sich, dal3 Pentathionat durch Natriumcarbonat bei weitem nicht quantitativ in Schwefel und Tetra- thionat zerlegt wird, wie RASCHIG annimmt, sondern da8 die Zer- setzung selbst in verdunnter Natriumcarbonatlosung vie1 weiter geht. Die Verhaltnisse liegen hier ahnlich wie bei der Einwirkung ver- dunnter Alkalilauge auf Pentathionat.’) Keinesfalls ist das Natrium- carbonatverfahren zur Bestimmung des Pentathionats geeignet.

Zur Untersuchung des Verhaltens der mit Arsenit fcisch her- gestellten Losungen wandten wir ahnliche Verhaltnisse an, wie sie RASCHIG als Beispiel anfuhrt. Eine Losung von 40 cm3 n-Na,S,O, und 20 cm3 0,l n-NaH,AsO, wurde mit 120 cm3 2n-HC1 versetzt und auf 200 cms verdiinnt. Nach listundigem Stehen filtrierte man von dem ausgefallenen AsZSS und S ab und untersuchte das Filtrat. 50 em3 desselben enthielten , nach unseren Methoden analysiert, 3,66 Millimole S8,0906’’ und 2,l Millimole HSO,’. Zur Titration des rnit Natriumcarbonat abgeschiedenen Schwefels wurden 19,9 om3 0,l n-NaOH verbraucht, statt der berechneten 79,6 cm3. Versetzte man die Lijsung aber vor dem Zusatz des Natriumcarbonates mit 10 cm3 Formaldehyd, so stieg der Laugeverbrauch in zwei Ver- suchen auf 24,3 bzw. 27,7 cm3. In schwefligsaurefreien Penta- thiona,tlGsungen verursacht der Formaldehyd keine merkliche h d e - rung des Laugeverbrauches. Demnach ist die ohne Formaldehyd gefundene, geringe Schwefelabscheidung in den mit Arsenit her- gestellten Liisungen auf die vorhandene schweflige Saure zuruck- zufuhren.

I) Vgl. A.RWRTENACKER und M.KAIJFMANN, Z. a.norg. u. aU9. Chern. 148 (1925), 375.

% P U ~ W , Deutsche techmische Hochschule , Laboratoriwm fur an- oryanisclae, physikaliscke und analytische Chemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 21. Juni 1928.