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1165 18. Vbei* 7~022oida2e Lbsungern; von G. Quincke. Auf die Mitteilung des Hrn. Bredig uber die Heterogenitat der kolloidalen Sole') erlaube ich mir folgendes zu erwidern. a) Hr. Bredig glaubt den Nachweis, daB kolloidale Liisungen zweiphasige Gebilde sind, durch die optische In- homogenitat der kolloidalen Gele und Sole gefuhrt zu haben, da das von denselben diffus zerstreute Licht polarisiert war. Aber Polarisation und Eigenschaften des diffus reflektierten Lichtes wechseln bei demselben Kolloid mit Herstellung und Alter der Losung. Polarisation und Intensitat des von kleinen in einem Gas oder einer Flussigkeit schwebenden Teilchen diffus reflektierten Lichtes hangen von GroBe, Form und Substanz dieser Teilchen ab. Die Gesetze dieser Abhangigkeit sind unbekannt , sobald die Teilchen kleiner als eine Lichtwelle sind. Mit diffus reflektiertem Licht lassen sich also auch nicht Aggregatzustand oder GroBe der schwebenden Teilchen bestimmen. AuBerdem bleibt es unentschicden, wie weit das diffus reflektierte Licht von Verunreinigungen oder Staubteilchen herruhrt: die zufallig in der kolloidalen Losung enthalten sind. b) DaB die von Hrn. Bredig durch elektrische Kathoden- zerstaubung von Metalldrahten unter Wasser hergestellten hochst interessanten kolloidalen Metallosungen mechanische Suspensionen sind, habe ich nie bestritten. Aber ob diese kolloidalen Metallosungen wirklich den wasserigen Lbsungen der gewohnlichen anorganischen und organischen Kolloide ent- sprechen, scheint mir zweifelhaft, ebenso wie die chemische Zusammensetzung der schwebenden Teilchen, da das bei ihrer Bildung benutzte Wasser alkalihaltig sein muB. Oberflachenspannung und elektrische Potentialdifferenz an der Grenze zweier Flussigkeiten wechseln mit der Natur der Flussigkeiten, die sich beruhren. Einschieben einer Zwischen- 1) G. Bredig, Ann. d. Phys. 11. p. 218. 1903.

Über kolloidale Lősungen

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18. Vbei* 7~022oida2e Lbsungern; von G. Q u i n c k e .

Auf die Mitteilung des Hrn. Bred ig uber die Heterogenitat der kolloidalen Sole') erlaube ich mir folgendes zu erwidern.

a) Hr. B r e d i g glaubt den Nachweis, daB kolloidale Liisungen zweiphasige Gebilde sind, durch die optische In- homogenitat der kolloidalen Gele und Sole gefuhrt zu haben, da das von denselben diffus zerstreute Licht polarisiert war.

Aber Polarisation und Eigenschaften des diffus reflektierten Lichtes wechseln bei demselben Kolloid mit Herstellung und Alter der Losung.

Polarisation und Intensitat des von kleinen in einem Gas oder einer Flussigkeit schwebenden Teilchen diffus reflektierten Lichtes hangen von GroBe, Form und Substanz dieser Teilchen ab. Die Gesetze dieser Abhangigkeit sind unbekannt , sobald die Teilchen kleiner als eine Lichtwelle sind. Mit diffus reflektiertem Licht lassen sich also auch nicht Aggregatzustand oder GroBe der schwebenden Teilchen bestimmen. AuBerdem bleibt es unentschicden, wie weit das diffus reflektierte Licht von Verunreinigungen oder Staubteilchen herruhrt: die zufallig in der kolloidalen Losung enthalten sind.

b) DaB die von Hrn. B r e d i g durch elektrische Kathoden- zerstaubung von Metalldrahten unter Wasser hergestellten hochst interessanten kolloidalen Metallosungen mechanische Suspensionen sind, habe ich nie bestritten. Aber ob diese kolloidalen Metallosungen wirklich den wasserigen Lbsungen der gewohnlichen anorganischen und organischen Kolloide ent- sprechen, scheint mir zweifelhaft, ebenso wie die chemische Zusammensetzung der schwebenden Teilchen, da das bei ihrer Bildung benutzte Wasser alkalihaltig sein muB.

Oberflachenspannung und elektrische Potentialdifferenz an der Grenze zweier Flussigkeiten wechseln mit der Natur der Flussigkeiten, die sich beruhren. Einschieben einer Zwischen-

1) G. Bredig , Ann. d. Phys. 11. p. 218. 1903.

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schicht an der Grenze beider E'liissigkeiten andert die ur- spriingliche Oberflachenspannung und Potentialdifferenz. Aber ich bestreite , wie fruher l) die Abhangigkeit der Oberflachen- spannung und Potentialdifferenz voneinander, welche L i p p m a n n und v. He lmho l t z angenomnien haben. Dieselbe ist nicht bewiesen und nicht vorhanden. Die elektrische Potentialdifferenz bestimmt nicht die Oberflachenspannung an der Oberflache der schwebenden Teilchen. Durch elektrische Fortfuhrung konnen Teilchen mit fester oder fliissiger Oberflache bewegt werden. Aber nur die letzteren bilden Flocken oder koagulieren. Ein Zusammenhang der Koagulation mit den kapillar-elektrischen Eigenschaften einer kolloidalen LBsung , den Hr. B r e di g an- nimmt, ist nicht nachgewiesen uncl besteht meiner Meinung nach nicht.

Die von Hrn. B r e d i g erwahnten Anderungen der elek- trischen Fortfuhrung durch Zusatz von Alkalien zu einer Kolloidlosung erklaren sich durch auswahlende Absorption des Zusatzes an der Oberflache der schwebenden Teilchen nach dem von mir fruher aufgestellten Verdrangungsgesetz.a) Far die Oberflachenspannung an der Oberfliiche der schwebenden Teilchen beweisen sie nichts.

Ubrigens kann der fur elektrische Fortfuhrung benutzte Strom die feste oder Aussige Oberflache der schwebenden Teilchen (wie bei der sogenannten inneren Polarisation) andern und dadurch auch die elektrische Fortfuhrung oder elektrische Potentialdifferenz andern oder umkehren. Aus diesem Grunde babe ich zunachst auf dieses Mittel der Flockenbildung oder Koagulation bei der Untersuchung kolloidaler Losungen ver- zichtet.

c) Hr. Bred ig schlieBt seine Entgegnung mit der mich uberraschenden Bemerkung, daB er in ,,meinen ausgedehnten Arbeiten bisher keine Entscheidung der Frage gefunden habe, ob die mikroskopisch unsichtbaren suspendierten Teilchen eines Soles flussig oder fest sind".

Ich habe nachgewiesen , da6 die Eigenschaften triiber Losungen (Suspensiouen) und kolloidaler Losungen kontinuierlich ~~~ ~~

1) G. Quincke , Pogg. Ann. 153. p. 203. 1874. 2) G. Quincke, Wied. Ann. 2. p. 174. 1877.

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ineinander iibergehen kannen. Beide unterscheideii sich dann durch die GroBe der schwebenden Teilchen.

Ich habe ferner gefunden: 1. Alle kolloidalen Losungen bilden Flocken mit Kugeln,

Rlasen oder aneinander hangenden Schaumkammern, indem die kleinen suspendierten Teilchen zusammenflie0en.

2. Die Flocken haften (adh8rieren) aneinander und an den GefaEwanden.

3. Die Bildung von Flocken, Blasen und Schaumkammern nimmt zu mit abnehmendem Wassergehalt der kolloidalen Losungen.

4. Drei Schaumwande stoBen haufig unter gleichen Winkeln von 120° aneinander, auch wenn sie selbst unsichtbar und nur durch die in ihnen oder an ihnen hangenden sichtbaren Teilchen indirekt nachgewiesen sind.

5. Die fliissigen aneinander hangenden Schaumwande kolloidaler Losungen lassen sich zu langen Faden ausziehen, ohne zu rei6en.

6. Die Schaumkammern nehmen durch Diffusion Wasser auf, und vergroBern ihr Volumen, ohne daB die W a d e der Schaumkammern brechen. Die Wande kijnnen dabei wieder uusichtbar und nur durch die in ihnen hangenden sichtbaren Teilchen indirekt nachgewiesen sein.

7. Kolloidale Losungen bilden bei Wasserabgabe Brocken von fliissiger Gallerte, die zusammenflieBen und sich zu groberen Gallertebrocken vereinigen konnen.

Die sichtbaren und unsichtbaren Wande der Flocken, Hlasen und Schaumkammern sind also flussig, aus zusammen- geflossenen, unsichtbaren fliissigen suspcndierten Teilchen ent- standen, wenn man nicht die unwahrscheinliche und unnotige Annahme machen will, daE die unsichtbaren schwebenden Teilchen fest waren und erst im Augenblicke ihrer Beriihrung mit anderen Teilchen oder der GefaEwand fliissig geworden sind.

Ferner habe ich gezeigt: 8. Die schwebenden Teilchen vereinigen sich zu unsicht-

baren Lamellen, an deren Stelle bei weiterem Eintrocknen der Kolloidmasse Risse oder Spriinge auftreten, welche dadurch nachtraglich die vorher bestandenen unsichtbaren Schaumwande sichtbar machen. Drei unsichtbare Lamellen oder Risse sto6en

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zuweilen im Innern der eingetrockneten Masse unter Winkeln von 120 ausammen. Gleichzeitig trifft eine unsichtbare Lamelle oder ein Ri6 den Rand der erstarrten Kolloidmasse normal.

9. Die unsichtbaren (durch ZusammenflieBen der kleinen unsichtbaren schwebenden Teilchen entstandenen) Lamellen oder Sprunge bilden Spiralen, deren Form von der grofieren Oberflkchenspannung auf der konkaven und kleineren Ober- flachenspannung auf der konvexen Seite der Lamelle abhangt.

Alle unter 1. bis 8. beschriebenen an kolloidalen Losungen beobach teten Erscheinungen erklaren sich ungezwungen durch die Annahme, daS die unsichtbaren schwebenden Teilchen ganz oder an der Oberflache fliissig sind.

Halt Hr. B r e d i g diese Annahmen fur unrichtig, so mui3te er die unter 1. bis 8. aufgefiihrten Erschcinungen unter der entgegengesetzten Annahme erklaren , da6 die unsichtbaren schwebenden Teilchen fest sind.

Bis dies geschehen ist, hake ich durch meine Fersuche den fliissigen Zustand der i n einer kolloidalen Losung schweben- den sichtbaren und unsichtbaren Teilchen fur erwiesen.

Hei.clelberg, den 25. September 1903. (Eingegangen 2. Oktober 1903.)