9
613 VIL Ueber kunstlichen Boracit; oon W. .Heintz. Nachdem durch die neueren Arbciten iiber den Boracit von H. Rose I), Ludwig '), Potyka und mir 4, die Zusammensetzung dieses Minerals vollkolninen festgestellt und namentlich dargethan worden ist, dafs er Chlormagne- sium enthalt, war es von Interesse, Versuche anzustellen, dieses Mineral kiinstlich zu erzeugen. Solcher Versuche sind auf meine Veranlassung mehrere in dem hiesigen Uni- versitatslaboratorium ausgefuhrt worden, die scbliefslich zur Auffindung der dazu dienlichen Methode gefuhrt haben. Zunachst erwartete ich, der Boracit werde sich auf nas- sem Wege bilden lassen, da seine Lagerstltte im Gyps darauf hindeutet, dafs der in der Natur vorkommende auf nassem Wege gebildet ist. Allein trotz vielfacher Aban- derung der Versuche ihn durch doppelte Wahlverwandt- schaft zu erzeugen, gelang es durchaus nicht, auch niir Spuren davon zu erhalten. In den allermeisten Fallen wur- den, wenn iiberhaupt eine borsaure Verbindung krystalli- sirte, die Krystalle gebildet, welche von W6hl er 5, ent- deckt und der empirischen Formel 5B03 +2MgO+NaO + 30H0 gemafs zusamxdengesetzt sind. Die Untersuchung von P o tyk a lehrt, dafs der Wasser- gehalt des Boracits urn so gr6fser ist, je mehr die Krystalle verwittert crscheinen. Die ganz klaren Krystalle sind voll- komiiien frei davon. P o t y k a schliefst also, dafs der Bo- racit durch Aufnahine von Wasser lnit der Zeit in Stasfur- tit iibergehe. 1st diek der Fall, so kann die Ansicht, der Boracit habe sich bei der Temperatur unserer Atmosphare 1) Monatsbericlit dcr Akademie dcr Wissenschafien 1858 (Sitzung vom 2) Archir der Pliarm. Bd. 97, 1859. Februar uod Bd. 98, I859 Mai. 3) Diese Ann. Bd. 107, S. 433. 4) Zeiischrift fiir d. grsammten Naturwissenschaften 1859 Januar S. 1 u. 5) Diese Annalen Bd. 28, S. 526.* 16. December. Februar S. 105.

Ueber künstlichen Boracit

Embed Size (px)

Citation preview

613

VIL Ueber kunstlichen Boracit; oon W. .Heintz.

Nachdem durch die neueren Arbciten iiber den Boracit von H. R o s e I), L u d w i g '), P o t y k a und mir 4, die Zusammensetzung dieses Minerals vollkolninen festgestellt und namentlich dargethan worden ist, dafs er Chlormagne- sium enthalt, war es von Interesse, Versuche anzustellen, dieses Mineral kiinstlich zu erzeugen. Solcher Versuche sind auf meine Veranlassung mehrere in dem hiesigen Uni- versitatslaboratorium ausgefuhrt worden, die scbliefslich zur Auffindung der dazu dienlichen Methode gefuhrt haben.

Zunachst erwartete ich, der Boracit werde sich auf nas- sem Wege bilden lassen, da seine Lagerstltte im Gyps darauf hindeutet, dafs der in der Natur vorkommende auf nassem Wege gebildet ist. Allein trotz vielfacher Aban- derung der Versuche ihn durch doppelte Wahlverwandt- schaft zu erzeugen, gelang es durchaus nicht, auch niir Spuren davon zu erhalten. In den allermeisten Fallen wur- den, wenn iiberhaupt eine borsaure Verbindung krystalli- sirte, die Krystalle gebildet, welche von W 6 h l e r 5, ent- deckt und der empirischen Formel 5B03 +2MgO+NaO + 30H0 gemafs zusamxdengesetzt sind.

Die Untersuchung von P o tyk a lehrt, dafs der Wasser- gehalt des Boracits urn so gr6fser ist, je mehr die Krystalle verwittert crscheinen. Die ganz klaren Krystalle sind voll- komiiien frei davon. P o t y k a schliefst also, dafs der Bo- racit durch Aufnahine von Wasser lnit der Zeit in Stasfur- tit iibergehe. 1st diek der Fall, so kann die Ansicht, der Boracit habe sich bei der Temperatur unserer Atmosphare 1) Monatsbericlit dcr Akademie dcr Wissenschafien 1858 (Sitzung vom

2) Archir der Pliarm. Bd. 97, 1859. Februar uod Bd. 98, I859 Mai. 3) Diese Ann. Bd. 107, S. 433. 4 ) Zeiischrift fiir d. grsammten Naturwissenschaften 1859 Januar S. 1 u.

5) Diese Annalen Bd. 28, S. 526.*

16. December.

Februar S. 105.

614

aus einer wzifsrigeu Losung abgesetzt, fuglich nicht mehr fest gehalten werden. Deshalb lag der Gedanke nahe, es mijchte geliiigen, ihn unter geeigneten Urnstanden in der Gliihhitze zu erzeugen. Versucbe , die deshalb Hr. Stud. phil. G. E. R i c h t e r auf lneine Veranlassung in den1 hie- sigen Universitatslaboratoriuni anstellte, haben wirkfch zu dern gehoffteu Resultat gefiihrt. Sie sollen in dem Fol- genden beschricbeu werden.

Hr. R i c h t e r suclite zunachst durch Gluhen des Riick- standes , welcher beim Verdampfen einer Miscliung von zwei Theilen gcbrannter Maguesia mit eiuer wafsrigen Lii- sung von sechs Theilen Chlorammonium zuruchblieb, WBS-

serfreies Chlormagnesium darzustellen , was auch gelanm. ? Dieses Chlormagnesium wurde mit Boraxglas gernischt , in einem heifsen cisernen Miirser zu Pulver gestofsen, welchein Gemisch noch etwas Chlorammonium hinzugeselzt wurde, um die Bildung von Magnesiumoxyd beim Gluhen zu ver- hiudern, da dic Mischuiig bei dem Pulverisiren uicht vor der Feuchtigkeit der Luft geschutzt wcrden konnte.

Das Ganze wurde nun in cinen Platintiegel eingetrageii, welcher in einen mit gebrannter Magnesia ausgefiit terteu hessischen Tiegel und dieser seinerseits in einen Willdofen gesetzt wurde, in welchem er anhaltend lebhafter Both- gliihhitze ausgesetzt wurde. Darauf wurden alle Zuglocher, wahrend der Ofen noch voll gliihender Kohlen war, init heifser Ascbe verstopft, uin eine miiglichst langsame Ab- kiihlung der geschmolzenen Masse zu erzielen.

Nach vtblligem Erkalten fanden sich am Deckel des Pla- tintiegels Krystalle mit deutlich spiegelnden Flacheu , die unter dem Mikroskop als regulare Octaeder erschieneo, und im Wasser und selbst in Salzsaure nich: lijslich waren. Sie besafsen also die Eigenschaften des Boracits. Durch die Analyse konnte die Vermuthung, dafs sie auch die Zu- sammensetzung dieses Minerals besitzen, nicht zur Gewifs- heit erhoben werden, da nur aufserst weuige Krystalle auf dicse Weise erhalten worden waren.

Die im Platintiegel enthaltene geschmolzene Masse wurde

615

vielfach mit Wasser behandelt und d a m das dariu nicht 16sIiche im fein vertheilten Zustande ebenfalls mikroskopisch untersucht. Auch hier zeigten sich theilweise regulare Oc- tafder, doch bestand der g ra t t e Theil dieses Pulvers ails prismatischen Krystallen. Das lange Zeit mit Wasser be- handelte Pulver wurde nun, um die prismatischen Krystalle zu entfernen, in verdunnte Salzsaure und dann auf ein Filtrum gebracht, worauf es so lange mit Wasser ausge- waschen wurde, bis das Waschwasser kein Chlor mehr enthielt. Von dein Ruckstande auf dem Filtrum wurde die qualitative Analyse gemacht, wobei Borslure, Magnesia, Spuren von Natron und nur ganz geringe Mengen von Chlor gefunden wurden, welcher Uiiistand darauf hindeu- tet, d a t wenn ubethaupt doch nur aukerst wenig Boracit gebildet seyn konute. Auf deiri eingeschlagenen Wege wurde also kein gunstiges Resultat erhalten.

Deshalb rieth ich Hrn. R i c h t e r eine gr6Gere Masse Liisungsrnittel in Form einer geschmolzenen Chloralkali- verbindung bei eiiiem nachsten Versucli auzuwenden. ZU den Ende wurden vier Loth gebraniite Magnesia in Chlor- wasserstoffszure gelast und mit einer Liisung von sechzehn Loth Chlorainnionium und acht und zwanzig Loth Chlor- natrium gemischt. Die filtrirte Flussigkeit wurde zur Trockne verdunstet kind in eiiiern Platilltiegel geschmolzen. Die er- starrte Masse wurde in einem gut verschliefsbaren Glase anfbewahrt. Ein Tlieil derselben wurde mit wasserfreier Bars;iure gemischt und in einem Platintiegel, der in einen hessischen gestellt war, geschmolzen. Beim Auslaugen der geschmolzenen Masse mit Wasser hinterblieben nur prisma- tische Krystalle. Solche von regularer Form konnten daria i~icht entdeckt werden.

Zu einem anderen Versuch wurden 200 Griii. des Ge- mischs von Chlornatrium uud Chlormagnesium mit 5 Grm. der Verbindung voii Magnesia und Borsaure, die a m einer kochenden Mischung von schwefelsaurer Magnesia und Bo- rax unter Zusatz von kohlensaurein Natron his zu nur schwach saurer Reaction gefallt wird (die angewendete

616

Verbindung enthielt 87 Proc. Magnesia) und mit 10 Grm. wasserfreier, feiu gepulverter Borsaure gelnischt und in einem Platintiegel geschmolzen. Die sehr allmahlich erkal- tete Schmelze wurde zerrieben und ein Theil mit verdiinn- ter kalter Salzsaure behandelt , wobei sicb iiicht Alles auf- liiste. Es blieben viele kleine, leicht durch glanzende Flu- chen erkennbare Krystalle zuriick. Unter dem Mikroskop betrachtet , liefsen sich zwei Arten vou Krystalleu unter- scheiden. Die eine hatte prismatische Form, wahrend die andere dein regularen System angehbrte. Narnentlich wur- den Octaeder und Tetraeder erkannt. Weitere Versuche ergaben, dab die prisinatischen Krystalle sich langsaiti in kalter concentrirter Salzsaure auflbsten, wahrend die regu- Iareii , wenu auch etwas angegriffen, zuriickblieben. Dieser Umstand gab ein Mittel an die Hand, die letzteren von den ersteren zu befreien. Nach mehrtlgiger Einmirkung der Salzsaure war die Scheidung volllrommen, wie die mi- kroskopische Untersuchung nachwies.

Die regularen Krystalle wurden hiernuf so lange mit destillirtem Wasser ausgesiifst, bis das Filtrat frei von Cblor war. Die zuerst an der Luft, dann bei looo C. getrock- neten Krystalle erleiden bei schwachem Gliihen keinen Ge- wichtsverlust. In Masse haben sie das Ansehen eines feiueu Pulvers. Sie erscheiuen wie feiner Sand. Erhitzt man die- selben auf einer Glasplatte, so nimmt das Pulver ein grii- beres Ausehen an. Seine Theilchen hlngen sich an einan- der und an der Glasplatte fest, so dafs sie bei verticnler Lage der Glasplatte sogar daran hangen bleiben. Beim Er- kalten fallen sie dann in Kluuipen ab. Eclatanter ist diese Erscheinung auf einein Platinblech, namentlich , wenn man die erhitzten Rrystalie auf ein grofses, kaltes PIatinblech schiittet. Sie scheinen wahrend der Erhitzung gleichsam wie befeuchtet und wie weun sie an einander klebten. Fahrt man mit einein GIasstabe durcb die erkaltenden Krystalle hindurch, so ballen sie sich zu beiden Seiten und vor der Spitze des Glasstabes zusammen und lassen sich in Massen fortschieben. Nach vblligem Erkalten ist diese

617

Eigenschaft verschwnnden. Diese Erscheinung ist offenbar eine Folge der d u d die Warme hervorgebrachten Pyro- Elektricitat der Krystalle. Sie verhalten sich genau so, wie sich bei den Versuchen von B r e w s t e r ') das Pulver des Turinalins verhielt.

Bei der qualitativen Analyse fand sich in diesen Kry- stallen Magnesia, Borssiire uiid Chlor. Natron war nicht vorhauden. Die quantitative Analyse wurde in der Weise ausgefiihrt, d a t das schwach gegliihte Pulver init reinem trocknen kohlensauren Natron geschmolzen , die Masse in Wasser aufgeweicht und dann init salpetersaurein Siiber- oxyd und Salpeterssure versetzt und erhitzt wurde. Das Chlorsilber wurde d a m abfiltrirt und nach Entfernung des iiberschussig zugesetzten Silbers tiurcli Salzsaure die Magne- sia durch Aininoniak und phosphorsaures Natron gcfallt.

Auf diese Weise erhielt Hr. R i c h t e r unter Anwendung aller nothwendigen Vorsiclitsinafsregeln folgende Zahlen:

I. 0,3085 Grin. lieferteii 0,1066 Grin. Chlorsilber und 0,2641 Grin. pyrophosphorsaure Magnesia, entsprechend 0,02655 Grm. oder 8,70 Proc. Chlor uiid 0,09517 Grm. oder 30,85 Proc. Magnesia.

11. 0,2345 Grm. gaben 0,080 Grm. Chlorsilber und 0,2013 Grm. pyrophosphorsaure Magnesia , entsprechend 0,01978 Grm. oder 8,44 Proc. Chlor und 0,07254 Grm. oder 30,93 Proc. Magnesia.

Diesa regullren Krystalle besitzen also die Zusammen- setzung des Boracits, wie folgende Tabelle zeigt:

1. 11. berechnet.

Chlomagnesiuin 11,64 11,29 10,63 CI Mg Magnesia 25,95 26,18 26,86 6MgO

62,41 62,53 62,51 8 BOS Borsaure 100. 100. 100.

Zwar ist die Menge des gefundenen Chlors etwas grtjfser, als die Formel verlangt, die der Magnesia aber etwas ge- ringer. Allein vergleicht inan die bei den Analysen des naturlichen Boracits gefundenen Zahlen (siehe die oben ci-

~~-

1) Diese Ann. Bd. 2, s. 303*.

61s

tirten Arbeiten) init den fur seine Zusaminensetzung iiach der Forinel berechneten, so findet sich durchgehend dieselbe Differenz. A n der Identitiit der erzeugten Krystalle mit dem Boracit kanii daher nicht gezweifelt werden, worauf schon ihre physikalischen Eigenschaften hingedeutet hatten.

Um die Zusaminensetzung der nadelfiimiigen Krystalle, die ziigleich init deli regularen sich bilden und in kalter concentrirter Salzsaure laslich sind, zii ermitteln, inachte Hr. R i c h t e r einen neuen Versuch zur Darstellung dersel- ben. Von jeiier Mischung von Chlormangnesium iind Chlor- iiatrium, deren Darstelluiig oben erwahiit ist, wurdc ein Theil iiiit einer entsprechenden Menge gebrannter Magnesia und wasserfreier Borsaure in dem Verhaltnifs von drei Ato- inen zu vier Atoiiien gemischt, wie friiher zusammenge- scliinolzen und sehr langsamer Erkaltung iiberlassen.

I>er Schinelzkuchen wurde hierauf laiige Zeit mit Wasser i n Beriihrung gelassen und dann der iiicht aufgeliistc TheiI (lurch Umriihren uud Drucken mit ciiieiii Glasstabe zerklei- nert. Beiin Umruhren erhielt sich eiii Theil desselben Ian- sere Zeit aufgeschl5inmt, wiihrcnd eiu anderer sich schnell zu Bodeti setikte. Die Untersucliung zeigte, dafs in jenein leichtern, aufgeschlammten Theile vorzugsweise die nadel- forinigcii Krystalle enihalten waren, wahrend der schwerere sich schncll ZII Boden senkende Theil ziuneist ails regularen Krystallen bestand. Dieser Uinstand machte einc annahernde Trennung beider Theile leicht miiglich. Da die prismati- sclien ICrpstalle wieder aus leichteren und schwereren zu be- stehen schienen, so versuchtc Hr. K i c h t e r auch diese nach Miiglichkeit zii trennen. Den schwerereu, regularen Krystal- len waren nocli immer nadelfijrmige beigemengt. Sie wurden deahnlb wiederuin durch Behandlung mit concentrirter kalter Salzsaure gereinigt.

Zuerst fuhrte Hr. R i c h t e r noch eine Analyse des von Neuein dargestellten Boracits aus, waudte aber die Vorsicht an, ihn ziivor in einem Agatniiirser aufs Feinste zu schlam- men, urn das innerhalb der Krystalle etwa eingeschlossene Chlormagnesium durch Waschen lnit Wasser entfernen zu

619

kiiuuen. Das gewaschene Pulver wurde dann iu derselbcn Weise, wie frijher die Krystalle, aiialysirt wobei folgeiide Zahleu erhalten wurdeu.

0,675 Grrn. derselben lieferten 0,2273 Grm. Chlorsilbcr, d. h. 0,0562 Grm. oder 8,33 Proc. Chlor. Aus 0,143 Grm. derselbeii wurden 0,1277 Grm. pyrophosphorsaure Magne- sia, eutsprechend 0,04602 Grm. oder 31,lO Proc. Magnesia, erhalten.

Hieraus folgt folgende Zusamineusetzuug des kiiustlicheu Borncits:

gefundm. h w c h n e t .

Chlormagncsiuni 11,lJ 10,63 CIMg Magnesia 26,41 26,86 6 M g 0

62,43 6231 8 B 0 3 Borsaiire _ _ _ _ _ _ _ 100. 100.

Diem Resultate lehreu, dais wirklich die Zusamincnsetzung des geschl~iniiiteu Pulvcrs dcr Recliuuiig naher koinmt, als die des uicht geschlPminten. Es scheint daher wirklich cine Beimengung von Chlorinagnesiuin die Ursache davou ZLI

seyu, dafs der Chlorgehalt bei allen Aualysen des Boracits zu grois bestiinmt worden ist.

Bei der qualitativeu Priifung dcs leichtern, prismatisch krystallinischen Pulvers , welches VOU dem Boracit abge- schl~innit worden war, faud sich, dafs beide abgeschl" ammte Portionen, das leichtere wie das schwerere, neben Magnesia Borseure und sehr geringe Spureii von Natron noch Chlor enthielten, jenes aber wcniger als dieses. Da ich den Chlor- gehalt desselbeu auf Rechnung des dariii enthaltenen Boracits schreiben zu durfeu glaubte, so hoffte ich diirch Abrechnen einer solchen Menge Boracit, als dern gefundenen Chlor eat- spricht, von der angewendeten Menge , und einer solchen Menge Magnesia, als dieser Boracit enthalt, V O U der gefiin- deneu Menge Magnesia die Zusainincnsetzung des damit ge- inengten Pulvers ermitteln zu kiinnen. Deshalb veranlafste ich Hrn. R i c h t e r auch von diesel1 Substanzen in derselben Weise, wie von dem Boracit, quautitative Analysen auszu- fuhren. Derselbe erhielt folgende Resultate:

620

0,687 Grin. des leichtern der beiden Pulver Iieferten 0,0079 Grm. Chlorsilber und 0,944 Grm. pyrophosphorsaure Magnesia, entsprechend 0,00195 Grm. oder 0,28 Proc. Chlor und 0,34018 Grm. oder 49,52 Proc. Magnesia. 0,28 Proc. Chlor entsprechen 3,52 Proc. Boracit, woraus 1,10 Proc. Magnesia erhalteii werden. Es bleiben also fur 96,48 Theile der borsauren Magnesia 48,92 Theile Magnesia, die also mit 48,06 Theilen Borsiiure verbundeii sind. Hiernacli besteheii 100 Theile dieser Verbindung, wie sie in dein leichtesten der abgeschliiinulten Pulver enthalten ist, aue

berechoet.

Magnesia 50,19 50,07 7 Mg 0 Borsiiure 49,81 49,93 b B O J

100. 100. 0,3633 G m des schwereren , abgeschlainmten Pulvers

gaben 0,0085 Grm. Chlorsilber und 0,415 Grm. pyrophos- phorsnure Magnesia, entsprechend 0,002 1 Grim oder 0,58 Proc. Clilor und 0,1495 Grm. oder 41,16 Proc. Magnesia. In derselben Weise, wie bei dein vorhergehenden Versuch berechnet sich die Ziisaminensetzung des dein Boracit bei- geinengten Pulvers in Procenten zu

berechuck.

Magnesia 41,93 41,74 5Mg0 Borsaure 58,07 58,26 4B03 --

100. 100. Diese Resultate lehren, dafs die prisinatisch krystallisirte

Substanz noch ein Gemenge von mindestens zwei Verbin- dungen ist, welche durch das Schlammen naturlich nicht vollkommen von einander geschiedeu werdeii k h n e n . Ich vermuthe, dafs sie aus den Verbindungen B 0 3 +MgO und B 0 3 +2MgO besteht, von denen erstere in den grGberen, letztere in dern feiiieren Pulver vorwaltet.

Der Umstand, dafs, ungeachtet die Meuge der Magnesia und der Borsaure, welche bei den beschriebenen Versuchen init dem Gemenge von Chlornatriurn und Chlonnagnesium geschmolzeii wurde, dem Aequivalentverhaltnil jeiier beiden KBrper, in welcheii sie im Boracit enthalten sind, angepafst war, doch stets Verbindungen derselben entstanden, die

62 !

mehr Magnesia enthalten, als im Boracit enthalteii ist, fiihrte mich zu der Ansicht, es inbchte die Bildung von Magnesia aus Chlorniagnesium unter dein Ei11flufs der Feuchtigkeit der Luft wahrend des Schmelzens die Ursache hiervon seyn. Die Bildung des Boracits wird iiatiirlich dadurch beeintrach- tigt. Deshalb veranlafste ich Hrn. R i c h t e r noch einen Versuch wie die friiberen auszufiihren , das Meugenverhalt- uifs zwischen Borsaure und Magnesia aber so zu wahlen, dafs von letzterer nur die Halfte von der Menge in An- wendung kam, welche mit dem Borslurequantum die Ver- bindung gegeben haben wiirde, die im Boracit enthalteu ist. Das Resultat war, dafs nun in der T h a t eine meit kleinere Menge der prismatischen Krystalle gebildet worden mar. Der erzeugte Boracit aber war bedeutend undeutlicher krystaliisirt, so dafs man unter dem Mikroskop selten Kry- stalle fand, die als Boracitkrystalle deutlich erkaunt werden konnten.

W e n n nun ;IUS den vorstehenden Versuchen hervorgeht, dafs der Boracit auf feurigem Wege bei Abweseiiheit von Wasser leicht kiinstlich dargestellt werden kann , wlbrend die Versuche, ihn auf uassem Wege zu erzeugen, slmmtlich mifslangen, so darf darauf keineswegs der Schlurs gebaut werden, dafs er nur auf trocknem .Wege entstehen konne. Denn es kdnnten inbglicher Weise nur die Umstande, unter denen er sich auf nasseni Wege bildet, bei den erwahnten Versuchen nicht eingehalten worden seyn. Halt man aber die obigen Resultate mit der Beobachtung von P o t y k a ZU-

sammen, wonach der Boracit, wenn er lange an der Luft liegt, allmahlich Wasser aufnimmt und in Stasfurtit tibergeht, so diirfte wohl in Betreff der Bildung des natiirlichen Bo- racits die Frage aufgeworfen werden k h n e n , ob nicht der Gyps, in welchem man ihn eingelagert findet, natfirlich auf nassem Wege, aber erst nach der Bildung des Boracits auf feurigem Wege entstandeu seyn kiJnnte. Ich iiberlasse es den Fachmannern , diese nicht uninteressante geognostische Frage zur Enischeidung zu bringen.