14
(Aus der Bundesstaatlichen Impfstoffgewinnungsanstalt in Wien. - - Leiter: Min.-Rat Dr: M. Kaiser.) [Yber Kuhpocken und vaccinale Melkererkrankungen. Yon - Dr. M. Kaiser und Dr. Franz Weinfurter, Landessanit~tsinspektor fiir NiederSsterreich. MR 4 Textabbildungen. Seit Jenners Zeiten ist das Interesse ~rztlicher Kreise ffir die Kuh- pocken dutch verschiedene Ver6ffentlichungen fiber diese Krankheit st~ndig wachgehalten worden. In den letzten Jahren hat in den An- sichten fiber ihre Entstehung eine kleine Verschiebung nur insofern stattgefunden, als heute doch die iiberwiegende Mehrzahl der Autoren den Glauben an das ,0I~gingre" der Kuhpocken verloren hat und man sich davon fiberzeugen l~Bt, dab alle Pockenformen auf einen gemein- samen Stature, auf das Virus der Variola vera zurfickgeffihrt werden kSnnen. Vom prophylaktischen und hygienischen Standpunkt aus ist die Erkrankung unserer Kiihe an Kuhpocken nicht gleichgiiltig, und zwar aus zweierlei Grfinden: 1. /~flt es sich mit den Anschauungen der heuti- gen Milchhygiene nicht vereinen, daft Milch yon Kiihen entnommen und verkau]t wird, die an sezernierenden Geschwi~ren der Euter erkrankt si~, und 2. ist es nicht gleichgiiltig, daft diese Krankheit au] die Melker iiber- tragen wird und sie dutch l~ingere Zeit beru/sun/dhig macht. Was die neuere Literatur betrifft, so sei hinsichtlich der Stellung der Kuhpocken in tier Familie Variola zun~chs~ au~ die ttandbficher yon Hutyra und Marek (Spezielle Pathologie und Therapie der Haus- tiere, 6. Aufl., Jena 1922) und auf die Kapitel ,,Klinik der Pocken bei Haustieren" von Zwicl~ und ,,Die animale Vaccine" yon Paschen im Handbuch der Pockenbek~mpfung und Impfung yon Lentz und Gins verwiesen. Neuerdings haben Schultze, Sei/ried und Schaa/ (Z. Inf.krkh. ttaustiere 31, 295) und Gottron (Dermat. Z. 58, 207) Beob- achtungen fiber ~bertragung yon Kuhpocken auf Menschen mitgeteilt. lJber die Verbreitung dieser Kranlcheit l~[~t sich recht wenig sagen. Wit kSnnen diesbezfiglich nur Saccos Ansicht (s. Paschen, 1. c.) bei- pflichten: ,,Ich fiir mein Teil glaube, dab anges~rengte und fleil3ige

Über Kuhpocken und vaccinale Melkererkrankungen

Embed Size (px)

Citation preview

(Aus der Bundesstaatlichen Impfstoffgewinnungsanstalt in Wien. - - Leiter: Min.-Rat Dr: M. Kaiser.)

[Yber Kuhpocken und vaccinale Melkererkrankungen.

Y o n �9 -

Dr. M. Kaiser und Dr. Franz Weinfurter, L a n d e s s a n i t ~ t s i n s p e k t o r f i i r N i e d e r S s t e r r e i c h .

MR 4 Textabbildungen.

Seit Jenners Zeiten ist das Interesse ~rztlicher Kreise ffir die Kuh- pocken dutch verschiedene Ver6ffentlichungen fiber diese Krankhei t st~ndig wachgehalten worden. In den letzten Jahren hat in den An- sichten fiber ihre Ents tehung eine kleine Verschiebung nur insofern stat tgefunden, als heute doch die iiberwiegende Mehrzahl der Autoren den Glauben an das ,0I~gingre" der Kuhpocken verloren hat und man sich davon fiberzeugen l~Bt, dab alle Pockenformen auf einen gemein- samen Stature, auf das Virus der Variola vera zurfickgeffihrt werden kSnnen.

Vom prophylaktischen und hygienischen Standpunkt aus ist die Erkrankung unserer Kiihe an Kuhpocken nicht gleichgiiltig, und zwar aus zweierlei Grfinden: 1. /~flt es sich mit den Anschauungen der heuti- gen Milchhygiene nicht vereinen, daft Milch yon Kiihen entnommen und verkau]t wird, die an sezernierenden Geschwi~ren der Euter erkrankt s i ~ , und 2. ist es nicht gleichgiiltig, daft diese Krankheit au] die Melker iiber- tragen wird und sie dutch l~ingere Zeit beru/sun/dhig macht.

Was die neuere Li tera tur betrifft, so sei hinsichtlich der Stellung der Kuhpocken in tier Familie Variola zun~chs~ au~ die t tandbficher yon Hutyra und Marek (Spezielle Pathologie und Therapie der Haus- tiere, 6. Aufl., J ena 1922) und auf die Kapitel ,,Klinik der Pocken bei Haust ieren" von Zwicl~ und ,,Die animale Vaccine" yon Paschen im Handbuch der Pockenbek~mpfung und Impfung yon Lentz und Gins verwiesen. Neuerdings haben Schultze, Sei/ried und Schaa/ (Z. Inf .krkh. t taustiere 31, 295) und Gottron (Dermat. Z. 58, 207) Beob- achtungen fiber ~ber t ragung yon Kuhpocken auf Menschen mitgeteilt.

lJber die Verbreitung dieser Kranlcheit l~[~t sich recht wenig sagen. Wit kSnnen diesbezfiglich nur Saccos Ansicht (s. Paschen, 1. c.) bei- pflichten: ,,Ich fiir mein Teil glaube, dab anges~rengte und fleil3ige

NI. Kaiser u. ~Franz Weinfurter: Kuhpoeken und vaccinale Melkererkrank. 193

Nachforschungen wohl fiberall, w o e s Kuhherden gibt, diese Krankhei t auffinden werden." Wit mTchten nur die Einschr~nkung machen, dab es, wenn man yon bisher noch unbekannten Faktoren absieht, wahr- scheinlieh auch auf die hygienischen Verhgltnisse und die Art der Tierhaltung ankommt, ob die Krankhei t unter den Kfihen zu einer Epizootie ausartet , oder ob sic auf einzelne Tiere beschr/inkt bleibt.

Wenn man die Li teratur daraufhin dnrchsieht, so scheint es, als bestiinde fiberall eine gewisse Scheu davor, das Vorhandensein der Krankheit den daran interessierten Kreisen zur Kenntnis zu bringen. Uber die Zeit, als noch Pr~mien fiir das Auffinden der ,,origins Kuhpocken bezahlt ~ r d e n , berichtet Meder (VerTff. a. d. Geb. d. Med. verw. 9, H. 7), dab die Besitzer grSBererViehbest/inde die Erkrankung als harmlos kannten und einen Tierarzt nicht zuzTgen. Meder (1. c.) hat te bis zum Jahre 1919 in seiner 20j~hrigen T/itigkeit an der K61ner Impfanstal t nur dreimal yon Kuhpocken zu hTren bekommen, doch wird, wenn wit nach unseren 6sterreichischen Erfahrungen einen Schlul] auf deutsche Verh/iltnisse ziehen d/irfen, diese Krankhei t auch in Deutschland h~ufiger zu finden sein. Die Kuhpocken linden sich auch in Holland, denn H. S. Frenlce~ (XI. Intern. Veterinary Congress, London 1930) konnte in einem Jahr fiinfmal das Vorkommen dieser Krank- heir in verschiedenen Gegenden seines Landes feststellen. Er ist ganz richtig davon iiberzeugt, dab er nur einen geringen Teil aller in Hol- land vorgekommenen FMle gesehen hat, weil die Eigentiimer der Kfihe die Anzeige scheuen und einen Schaden beim Milchverkauf fiirchten. Er machte die Beobachtung, daB er nur dann yon dem Auftreten der Kuhpocken durch Arzte oder Tiers erfuhr, wenn auch Melker oder anderes Stallpersonal erkrankt waren.

~dlnlich wird es zweffellos auch in anderen L~ndern sein, sicher ist es bei uns in 0sterreich so, denn die Krankhei t ist nich~ in das Tier- seuchengesetz aufgenommen, infolgedessen nieht anzeigepflichtig. Auch wit erfuhren in den ]etzten Jahren nur dann ,con Kuhpocken, wenn Melker oder Stallpersonal infiziert waren. Uber diese unsere Erfahrungen m6ehten wir einiges berichten.

I m Js 1926 hat ten wir Gelegenheit, die Erkrankungen yon Me]kern der Gutspachtung in W. (pol. Bezirk Mistelbach) zu beobach- ten (Fall 1). Unter dem Melkviehbestand des Meierhofes waren bereits im Dezember 1925 die Kuhpoeken ausgebrochen, und es hat te sieh da- reals irgendein Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen der Kiihe und einer etwa vorausgegangenen Blatternschutzimpfung des Personals oder der Kinder, welche im Meierhof wohnten, nieht feststellen lassen. Zuns erka.ankte eine Melkerin anfangs Js mit einer heftigen Entziindung des Endgliedes des linken Daumens, dann einer Schwellung der Hau t des Hinterhauptes und einem Gesehwiir im Nacken. Es

Zeigschr. f. Hygiene. Bd. 113. 13

194 M. Kaiser und F. Weinfurter:

bestand dabei ziemlieh hohes Fieber. Die Kranke, welche stark verlaust war, hat te offenbar durch Kratzen die Infektion auf die Kopfhaut und auf den Nacken iibertragen, woselbst sich nach der Mitteilung des Amts- arztes, der die Kranke zu sehen Gelegenheit hatte, ein runder Substanz- verlust ausbildete, der genau so aussah wie eine in tteilung befindliche Impfpustel . Die Kranke hat te 3 deutliehe Impfnarben auf dem linken Oberarm nach einer angeblich vor 16 Jahren erfolgten Impfung. Aul~erdem soll sie als kleines Kind geimpft worden sein.

AuBer dieser Melkerin waren Ende J~nner noch 7 Melker bzw. Mel- kerinnen dieses Meierhofes erkrankt, durchwegs Personen, welche zu- meist als Kinder mit positivem Erfolg gegen Blat tern geimpft waren. Die Erkrankung betraf die Finger, die Hau t zwischen diesen, oder den Handriicken. Wie bereits erw~hnt wurde, lag die Impfung bei diesen Personen schon sehr lange zurtick, so dab das Ergebnis der am 27. J~nner 1926 vorgenommenen Wiederimpfung immerhin bemerkenswert er- scheint: yon zwei gesund gebliebenen Personen bekam die eine deutliche Impfpusteln, ws eine 15 Jahre alte und vor 4 Jahren mit Erfolg geimpfte Melkerin bei der eine Woche nach der Impfung vorgenommenen Nachschau keinerlei Impfreakt ion erkennen lieB. Von den 7 Erkrankten reagierte eine Person deutlich, eine zweite fraglich, w~hrend bei den tibrigen die Impfung negativ verlief.

Bei 3 im Alter yon 3 4 Jahren stehenden ungeimpften Kindern dieser Melker ergab die Impfung deutliche Impfpusteln, w~hrend bei einem 11/2 Jahre alten Kinde, das unter dem rechten Unterkieferwinkel ein seit 14 Tagen bestehendes, rundes und scharfrandiges Geschwiir be- sa[~, die erste Impfung am 27. J~nner 1926 und auch die zweite, einige Zeit nachfolgende Impfung ergebnislos blieb. Das Kind diirfte yon seiner Mutter angesteckt worden sein. Das Geschwiir war mit einer Borke bedeckt und machte ganz denselben Eindruck wie eine in Verheilung begriffene Impfpustel .

DaB es sieh in diesen F~llen bei den Melkern und dem Kinde um eine vaccinale Erkrankung gehandelt hat, ist somit nicht zweifelhaft, trotz- dem die Verimpfung des Materiales, das vom Kinde entnommen wurde, das Vorhandensein von Guarnierischen K6rperchen vermissen liel3.

Weiters konnten wit im Jahre 1929 Erfahrungen sammeln, als uns ein Arzt einen Melker schickte, der einen Melkerknoten aufwies. Wir werden noch sparer darauf zuriickkommen. Diese Erkrankung veran- laBte uns damals, die Meierei in der N~he yon Wien, in welcher der Mann besch~ftigt war, zu besuchen (Fall 2). Leider war man offenbar in der Befiirchtung einer beh6rdlichen Milchsperre ~ul3erst miBtrauisch gegen uns und gestat tete uns nur den Anblick einiger Kiihe, yon denen wir photographische Aufnahmen machten, die das bekannte Bild ergaben.

Uber Kuhpocken und vaeeinale Melkererkrankungen. 195

Die Verimpfung yon abgenommenen Krusten auf die Kaninchenhornhaut verlief ergebnislos. Wir maehten damals die Behandlung mit Zincum sulfuricum (self Jennets Zeiten seheint sich die Therapie fiir diese Krank- h e r nicht ge/s zu haben) daftir verantwortlich. Spi~ter erfuhren wir vertraulich, dab der ganze Stall infiziert gewesen sein soil. Ober den Ursprung der ersten Erkrankung konnten wir damals nichts erfahren, die Erkrankung des Melkers fiel nieht in die Impfperiode.

Wir haben ferner in einem Meierhofe NiederSsterreichs (Fall 3) unter 11 Kfihen eine mit Kuhpocken behaftete an- getroffen und die Gelegen- heir beniitzt, diese Tiere mit normalem Impfstoff am Datum zu impfen. Das erkrankte Tier reagierte mit einer Frtihreaktion, die anderen normal. Weitere Erkrankungen sind nieht vorgekommen.

Ende Juli 1929 wurde Material, das yon 2 an Kuhpoeken erkrankten Kiihen s tammte, sowie der serSs-fibrinSse Inha l t yon zwei ,,Melkerkno- ten" von Prof. Russ in Vertretung des einen von uns auf Kanin- ehenhornh/~ute iibertragen (Fall 4), welche in 3 F/~I- Abb. 1. len Guarnieri - KSrper- chen zeigten. In die Pr/~parate konnten wir Einsieht nehmen.

Die Kuhpockenepidemie, welche seit dem 21. Juli eine groi~e Zahl der im Meierhofe E. (pol. Bezirk Bruck a. d. L.) eingestellten Melkkiihe ergriffen hat te und zur Erkrankung yon 5 Melkern fiihrte, war im An- schlu~ an die am 17. Juni desselben Jahres erfolgte 5ffentliche Blattern- schutzimpfung aufgetreten, bei der auch Kinder der Melker geimpft worden waren.

I m selben Jahre hat ten wir wegen einiger Melkererkrankungen im Burgenlande zu tun und fanden ein groBes GehSft mit Kuhpocken ver- seucht (Fall 5). Auch hier war mit den abgenommenen Krusten nichts anzufangen, mSghcherweise deshalb, weil die Euter mit einer Kupfer- salbe behandelt worden waren. Die Erkrankungen fielen in die Impfsaison,

13"

196 M. Kaiser und F. Weinfurter:

doeh konnten verschiedene Nachforschungen ihren Ursprung nicht auf- kl~ren. Der zust~ndige Amtsarzt war jedoch genau dariiber unterrichtet, dab im laufenden Jahr Impfungen noch nicht stattgefunden hatten. Kurz vor der Erkrankung des ersten Tieres soll eine Kuh aus einer ungarisehen Meierei eingestellt worden sein, die m6glicherweise die Tr~igerin der KrankheR gewesen sein konnte.

Im Dezember 1930 wurden wir auf Kuhpockenerkrankungen im Norden yon NiederSsterreich aufmerksam gemacht, wo in einer grSBeren Meierei gegen 200 Kiihe eingestellt waren (Fall 6). Am 20. Oktober 1930 war in dieser Maierei eine Kuh eingestellt worden, die kurze Zeit sp~ter an Kuhpocken erkrankte, worauf die Krankheit der Reihe nach auch alff die iibrigen vorher gesunden Tiere fibergriff, bis am Tage unserer Nachschau am 20. Dezember 1930 nur vereinzelte Tiere davon versehont geblieben waren (Abb. 1).

Wir haben dama]s versuchsweise 10 Kfihe geimpft; nach dem Be- richte des in diesem Geh6fte t~ttigen Dr. med. vet. Stubenrauch, der in einem Schema den Befund nach der Impfung eingetragen hat, zeigte yon den kranken Kiihen keine einzige die typische Pustelbildung auf der Impfstelle (Damm), wKhrend bei den drei gesunden Kontrollrindern in einem zweiten Stalle die Pustelbildung sehr eharakteristisch war. Der Befund bei den erkrankten Kfihen war folgender:

Tier-Nr. Anmerkung

9 10

Reakt ion

negativ M~13ige RStung der scarifizierten

Stelle in einer Breite yon 2 mm negativ

Scarificationsstrich wenig gerStet, einzelne kleine, mit Krusten bedecktc

Kn6tchen wic bei Nr. 4

negativ negativ

ScarificationsstlJch starker gerStet, im Verlauf desselbcn und unmittel- bar daneben mehrere entziindliche KnStchen, sowie zwei hirsekorngroBe

B1/ischen negativ

Die Kuh hatte am Euter bloB we- nige Pocken, die schr gutartig ver-

laufen sind Diese Kuh war sehr spiit an Pok-

ken erkrankb

Diese Kuh war bisher noch nicht an Euterpocken erkrankt

negativ Die angekaufte Kuh, nach deren Eins~etlung die Pocken ausbrachen

Nach diesem Befunde, der am 5. Tage nach der Impfung abgelesen wurde, hatten 6 Tiere offenbar mit einer Friihreaktion reagiert, die vom

Uber Kuhpocken und vaccinale Melkererkrankungen. 197

Beobachter am 5. Tag nicht mehr festgestellt werden konnte. Das Tier Nr. 4 diirfte eine nur m/il]ige I m m u n i ~ t erworben haben, die sieh dureh das Auftreten yon KnStchen zu erkennen gab. Das Tier Nr. 8 war laut Angabe noch nicht an Euterpocken erkrankt , hat te aber diese Krankhei t mSglicherweise doch sehon fiberstanden, denn der Verlauf der Impfreak- tion war nicht der einer Erstimpfung.

I m Juni 1931 erfuhren wir yon weiteren Kuhpoekenfi~llen (Fall 7). In einem Geh6ft Nieder6sterreichs in O. (pol. Bezirk Floridsdorf-Um- gebung) waren in einem Stalle, in welchem 9i Kiihe standen, 14 erkrankt. In diesem Stalle wurde eine gewisse Prophylaxe betrieben, denn es wur- den zuerst die gesunden Kiihe gemolken, dann die kranken, und es war der Auftrag erteilt worden, dab sieh die Melker, yon denen jedem 13 Kiihe anver t raut waren, vor dem Melken eines j eden Tieres die tIiinde zu waschen hatten. Wit haben dort yon den kranken Tieren die Nummern 974, 236 und 119 in der iibliehen Weise geimpft, yon den gesund genie- benen zur Kontrolle die Nummern 61 und 242. Von einem der kranken Tiere wurde eine m6gliehst frisehe Borke abgenommen, was sehmerz- haft zu sein sehien, und diese verarbeitet. In diesem ]~'alle (die Tiere wurden hier mit Borvaselin behandelt) gelang die Uberimpfung auf die t to rnhaut des Kaninehens glair und ergab das typisehe Bild der Guarnieri-K6rperehen. Bei mehreren Tieren waren dutch das Kortfluieren der Pusteln ganze Krustenpla t ten entstanden, die mit- unter 2/s der Zitzen einnahmen. Die Krus ten waren h~ufig unter dem meehanischen Einflug des Melkens vom Untergrund losgerissen, der leieht blutend graugelb gef~rbt und speeMg glgnzend aussah. Den Rand des Gesehwiirs bildete ein deutlich markierter Granula- tionswall, so wie man ihn zu sehen bekommt, wenn beim Kaninehen nekxotisierende Gesehwiire vaeeinMen Ursprungs allmi~hlich ausheilen. Auch in diesem Geh6fte war es nieht m6glieh, Anhaltspunkte fiir den Ursprung der ersten Erkrankung zu gewinnen. Wir wollen aber aus diesem, sowie aus den fibrigen negativen Ergebnissen keine besonderen Sehlfisse ziehen, denn es dfirfte aussichtslos sein, bei der Indolenz dieses Personales, welches der ganzen Erscheinung selbst dann keine Aufmerk- samkeit zuwendet, wenn es selbst erkrankt, irgendwelche verwertbaren Angaben zu erhalten. Wir glauben deshalb, dab auch jedes Forschen nach dem ,,originitren }Vesen" dieser Krankheit , wenigstens bei uns in 0sterreieh, eine verlorene Miihe ist, es sei denn, dab uns einmal der Zufall einen eindeutigen Befund in die Itis spielt.

Wir begniigen ares mit der Feststellung, dab die Infekt ion der Kfihe scheinbar sehr langsam erfolgt, dag sie hie explosionsartig auftri t t , dab sie wahrscheinlich nur dann viele Kfihe erfaBt, wenn dem Gesundheits- zustand dieser Tiere und ihrer Pflege nicht die nStige Aufmerksamkei t gewidmet wird, und dab sie Mlmghlich yon Tier zu Tier i iberimpft wird.

198 M. Kaiser und F. Weinfurter:

Aus den angefiihrten Griinden wird es auch sehr schwer m6glich sein, in einem GehSfte festzustellen, ob die Kuhpocken oder etwa vor- handene Pferde- oder Gefliigelpocken die pr imate Erkrankung waren, es sei denn, daft man ein derartiges Geh6ft selbst dauernd kontrolliert (vgl. H. S. Frenkel, 1. e.).

Es ist als h6chstwahrscheinlich anzunehmen, daft eine prophylakti- sche Impfung mit einem Impfstr ich am Datum der Tiere diesen eine Im- m u n i ~ gegen die Kuhpocken verleih~. Wit wollt~n daher an einer grSfteren Serie yon solchen Impfungen den Ablauf der Reakt ion und den Immunit/~tszustand tier Tiere kennenlernen. Vielleicht kann auf diesem Wege aueh festgestellt werden, wie lange die Immuni tS t der ,,nattirlich erkrankten" Tiere anh~lt. Da derartige Versuehe in grSgeren Serien in der medizinischen Literatur nicht vorzuliegen scheinen, haben wir diese Impfungen vornehmen lassen und k6nnen folgendes dartiber berichten:

Von den yon uns selbst am 22. Juni geimpften kranken Tieren des Gutshofes in O. war eines geschlachtet worden. Die beiden anderen kranken erwiesen sieh am 1. Juli gegen die Impfung als immun, die zwei gesunden zeigten deutliche Pusteln.

Die Mehrzahl der Tiere wurde am 24. Juni yon dem zustgndigen Amtst ierarzt Dr. Zeisel geimpft. Von diesen waren 30 TierO an Kuh- pocken erkrankt , 182 waren gesund. Bei der Nachschau am 1. Juli zeigten diese Tiere folgende Reaktionen:

!

Ohne Eutererkrankung ] l~Iit Eutercrkrankung

Keine l~,5tung KnStchen Bl/~schen l~usteln ] Keine Bl~schen l~usteln Rcaktion Reaktion

I

2s 6 I 17 i i s ' [ 2 1

Die Tiere ohne Euterer~ 'ankung und ohne l~eaktion bat ten vielleicht mit einer ~rfihreaktion reagierb, die bei der Nachschau am 7. Tage p. vacc. der Beobachtung en~g~ngen war. 113 reagicrten wie Erstimpflinge mi t typischen Pusteln, bei 41 waren Immunit~tsreste feststellbar. 27 kranke reagierten auf die Impfung nicht, bei 2 kranken kam es zur B1/ischenbildung, bei einem kranken Tiere zur Entwicklung einer 1%stcl gleichzeitig mit dem Exanthem. Es kann somit aus diesen Immunit~ts- reaktionen der SchluB gezogen werden, dab etw~ 50 % der Tiere an Kuh- pocken erkrankt waren.

Wir haben, wie gezeigt, versucht, durch die Impfung mit normalem Pockenimpfstoff festzustellen, ob die Erkrankung ~n Kuhpocken eine Immunisierung der erkrankten Tiere gegen den Vaccineerrcger bcdingt. Das Ergebnis dieser Versuche scheint uns dMfir zu sprechen, daft ein derartiger Immuni t~tszustand angenommen werden muff.

Eines davon zeigte das Exan~hem zugleich mi~ der Impfpustel.

~ber Kuhpocken und vaccinale Melkererkrankungen. 199

Es war aber aueh nStig, festzustellen, wie lange eine derartige Immu- nR~t bei Kfihen anh~lt, und ob die Anlegung eines einzigen Impfstriches am Damm zur Erlangung einer praktiseh verwertbaren, das sichtbare Au]treten der Kuhpocken verhindernden Immunit~t ausreicht.

Zu diesem Zwecke versuchten wit, jene Kfihe, welche vor l~ngerer Zeit Kuhpocken fiberstanden haben, mit Vaccinelymphe zu impfen, doch sind diese Versuehe noch nieht als abgesehlossen zu bezeichnen. Eine Schwierigkeit ]iegt d~rin, dab Melktiere h~ufig nur relativ kurze Zeit in einem Bestande eines Meierhofes verbleiben. Vorl/iufig sind wir nur in der Lage, dariiber zu berichten, dab bei 10 Kfihen, welcbe in der Zeit vom Ok~ober bis Dezember 1930 sicher Kuhpocken fiberstanden haben, nach einer im Juli 1931 durch den Tierarzt Dr. Stubenrauch vor- genommenen Impfung mit Kuhpockenlymphe folgendes Resultat der Impfung festzustellen war:

7 Kfihe zeigten bis zum 5. Tag naeh der Impfung fiberhaupt keine Reaktion, wShrend 3 Kfihe nur eine sehr schwache Reaktion hatten. Hingegen wiesen 5 Kontrollkfihe, welehe neu eingestellt waren, am 5. Tag nach der Impfung eine typisehe Pustelbildung auf.

Diese Versuche mfissen selbstverst~ndlieh an einem gr6I]eren Tier- material welter fortgesetzt werden.

Wir haben keinen Grund zur Annahme, dab diese Form der Prophy- laxe, welehe fibrigens schon yon verschiedenen Autoren vorgeschlagen worden ist [Frgger, Kraus, Plesky, zitiert nach Hutyra-Marek, Spezielle Pathologic und Therapie der Haustiere, Bd. 1, 6. Aufl., und Slang und Wirth, Enzyklop~die der praktischen Nutztierkunde 8, 183 (1930)], und der jede Kuh w~hrend ihres Troekenstehens zu unterwerfen ware, nieht genfigen sollte und mSchten deshalb schon jetzt im Interesse der Mflchhygiene und Tierkrankheitsverhfitung daffir eintreten, dab diese lmp/ung, deren Kosten verschwindend kleine sind, yon den Landwirten einge/iihrt wird, um de~ Ausbruch der Kuhpoclcen unter ihren Tieren und die Abgabe einer unappetitlichen und mSglicherweise auch in/izierten Milch zu verhiiten.

Au[ diese Art wird es vielleicht auch mb'glich sein, das Au/treten vacci- haler Beru[serkrankungen unter den Melkern einzudgimmen, u n d e s wird sich feststellen lassen, inwieweit dadurch auch das noch immer nieht ganz klare Krankheitsbild der sog. Melkerknoten beeinfluBt wird. Viel- leicht gelingt auch eine Abgrenzung anderer Melkerefflorescenzen yon den auf vaecinaler Basis beruhenden Erkrankungen, wenn die beantragte Prophylaxe genau durchgefiihrt wird.

Und nun wollen wir noch auf die Erlcrankungen von Menschen zu sprechen lcommen, yon denen man annimmt, daft sie au[ eine dutch Kuh- pocken bedingte In/ektion zuri~elczu]iAhren sind. Groth (Mfineh. med. Wsehr. 1929, 2128) hebt hervor, dab sich die auf den Mensehen fiber-

200 M. Kaiser und F. Weinfurter:

t r agenen K u h p o c k e n nach der Auffassung der meis ten Forscher in zweierlei F o r m e n /iul~ern.

,,Einmal kennt man Vaccinepusteln in Ein- oder Mehrzahl, die sich bei Melkern oder anderen Personen, die mit der Pflege und Wartung yon kuhpockeninfizierten Kfihen beschMtig~ sind, auf kleinen Verletzungen der Finger und Hande ent- wiekcin und sieh yon den Pusteln, wie sie dutch ~rztliche Impfung, also auf kiinst- liehem Wege entstehen, in nichts unterscheiden. AuBerdem werden einige Mule Gebilde besehrieben, die ebenfalls in Ein- oder Mehrzahl auf der Haut der Finger und H~nde als derbe bl/tulich livide linscn- bis kirschgroSe Knoten auftreten, ent- weder einen entzfindlich roten Hof aufweisen oder h/tufiger reaktionslos in der Haut sitzen, keine Neigung zur eitrigen Einschmelzung zcigen, nur geringe oder gew6hnlich gar keine allgemeine Reaktion hervorrufen, woehen- und selbst monate- lang ohne sichtbare Ver/inderung bestehen bleiben und sich durch allm/ihliches Kleinerwerden meist spontan zurtickbilden."

Arzt (Wien. klin. Wschr. 1924, Nr 25) sagt fiber die Melkerknoten :

,,Diese oft bis kirschgroBen Prominenzcn kfnnen die Epidermis volts~ndig intakt lassen, vielfaeh abet auch im Zentrum erodiert sein. Ihre Farbe ist bl/iulich- rot, meist erinnern sie an ein Granulom."

Oppenhelm und Fessler (Arch. f. Dermat . 1930, 334) haben einige

der F/ille bearbei te t , die auch Prof. Russ zu sehen bekam. I h n e n ist

die ~ b e r t r a g u n g einer Aufschwemmung eines excid ier ten K no tens yon

einer Pa t i en t in auf die B a u c h h a u t v o m Meerschweinchen und K a n i n c h e n

und die I m p f u n g auf die K a n i n c h e n h o r n h a u t n ich t gelungen.

,,Die Patientin, die ats Kind bereits einmal geimpft worden war, wurde ferner zur Priifung ihrer Immunit~t mit Vaccine geimpft. Nach 6 Tagen entwickelte sich das typische Bild einer Revaccination. Die Melkerknoten hatten demnach keinerlei Immunit/~t zurfickgelassen" ( ? Anm. der Ref.). Offenbar erwarteten die Autoren eine Friihreaktion, die aber nicht einzutreten braucht. 51ach ihrer Ansicht sind die immunisatorischen Bezichungen zwischen Melkerknoten und Vaccine noch keineswegs klargestellt. Sie ,,m6chten besondcrs auf die Tatsache hinweisen, dab die Melkerknoten fiberhaupt bei vaecinierten Personen vorkommen, dal~ demnach eine vorausgegangene Vaccination keinen Immunit~tsschutz gegen die Infektion yon Melkerknoten zu verleihen imstande ist" ( ? Anm. der Rcf.).

Die Autoren glauben auch nieht daran, dab das Melkerknotenvirus gegen eine neuerliche Infektion mit diesem Virus zu immunisieren vermag.

lyre auf unsere eigenen F/ille zuriickzukommen, so wies ira Fall 2 (s. oben) vom 29. IV. 1929 ein Melker fiber dem unteren Endc des Radius, und zwar dorsal, einen etwa kleinkirschengroBen l(noten auf, der eine blallrote Granulation dar- stellte, deren Zentrum verfliissigt und mit einem diinnen I-I~iutchen bedeckt war (Abb. 2). Pat. war angeblich einmal geimpft. Mit dem Sekret wurde unmittelbar nach der Entnahme ein Hase beiderseits corneal geimpft, jedoch ohne Erfolg. Im Ausstrich yon diesem Sekret fanden sich lediglich Staphylokokken. Mit der Spe- zialf/irbung konnten Paschenk6rperchen nicht nachgewiesen werden.

Im Falle 3 (s. oben) hatte der Besitzer des ]3auernhofes am 26. III. 1930 eine Magd angestel]t, die mit dem Melken eincr Kuh beauftragt war; dies besorgte sie bis zum Montag, den 7. IV. 1930, an welchem Tage sie fiber einen bl/ischenartigen Ausschlag auf den H/tnden klagte. I)cr Besitzer untersagte ihr hierauf sofort das Melken und besichtigte die Kuh, deren Euter er nun mit ebensolehen B1/ischen be. deekt vorfand. Das erkrankte Tier war bereits ein halbes Jahr in diesem Stalle.

~ b e r Kuhpoeken und vaeeinale Melkererkrankungen. 201

Eine andere Magd, die mi t der e rkrankten Melkerin zur selben Zeit die Kiihe ge- molken hat te , ist n icht infiziert worden. Dienstag, den 8. IV., verspiirte der Be- sitzer ein heftiges Jucken an den I~tanden, Mittwoch, den 9. IV., s te l l ten sich die ersten Schmerzen ein, zugleich t r a t en aber auch bei ihm dieselben Bl~schen, wie sie die Magd hat te , auf. E r besuchte den Gemeindearzt, der die Blaschen aufrifl und mit J o d t i n k t u r behandelte. Die in den nachs ten Tagen neu auf t re tenden BIaschen wurden in gleicher Weise behandelt . Die vaccinale Na tu r dieser Blaschen konnte nieht nachgewiesen werden. ])as schubweise Auft re ten dieser Efflorescenzen wird im allgemeinen n icht als charakteris t isch ftir Vaccine bczeichnet, doch sahen wir ein solches wiederholt bei generalisierter Vaccine. Uberdies ha t der negative Aus- fall der Impfung an der Kuh, yon welcher die infekt ion ausgegangen war, die Dia- gnose Kuhpocken bestatigt . Wir konnten diese Falle n icht welter vcrfolgen und effuhren nur, dab es zu einer weiteren Entwicklung der Blhschen nicht kam, was mSglicherweise auf die Jodbehandlung zuriickzufiihren ist.

Zu den Kuhpockenfal len (s. oben Nr. 4) mSchten wir bemerkcn, dab einzelne yon diesen Fallen im hiesigen Wilhclminenspi tal in Behandlung standen, und daft

Abb. 2.

die yon Oppenheim und Fessler (l. c.) beschriebenen F/~lle aus der gleichcn Quelle stammten. Einige Melker wurden an die bakteriologisch-serologische Unter -

,suchungsanstalt des Volksgcsundheitsamtes gewiesen, wo sie yon Professor Russ untersucht wurden, der in einem yon 2 F~llen eine Uberimpfung auf die Horn. haur mir posi t ivem Ergebnisse vornehmen konnte.

Im Fallo 5 (s. oben) waren mehrere Melker an Infekt ionen erkrankt , die yon typischen Kuhpocken ihren Ausgang genommen bat ten . Einer der Melker, 23 J ah re alt, zuletzt 1919 geimpft, ha t tc auf beiden Armen je zwei Impfnarben ven 2 - -3 cm Durehmesser und befand sich seit 28. IV. im Krankenstande. Er gab an, da13 er vor ungef/~hr 14 Tagen eine K u h zu bet reuen hat te , welche Kuhpocken ha t te , wor- auf er erkrank~e. ] )er am 9.V. erhobene Zus tand soll mi t einem juckcnden Blasehen begonnen haben. Zur Zeit der Aufnahme wies der Genannte rechts ein s ta rk 5dc- matSs gequollenes, intensiv blaurot gef/~rbtes Unter l id auf, das auf der ]-lShe der Schwellung eine schwarze Borke von etwa 6 mm Durchmesser trug. An dieser Stelle befand sich vor einigen Tagen ein B1/~schen mi~ serSsem Inhal te . Damals soll die Schwellung bedeu~end grSl3er gewesen sein. An der befallencn Stelle be- stand groBer Juckreiz.

Ven den weiteren Fal len dieser Herkunf~ sei nu r ein 24ji~hr. Melker angefiihrt , der im Jah re 1918 zum le tz ten Male geimpft worden war. E r wits auf beiden Armen je zwei Impfnarben yen etwa 11/2--2 cm Durchmesser auf und befand sich

202 M. Kaiser und F. Weinfurter :

seit 6. V. 1930 im Krankenstande. Vor ungefahr 8 Tagen ha t te er sich mit einem Kuhstriegel verletzt und zeigte (s. Abb. 3) auf dem Endglied des linken Daumens eine sehr starke keulenf6rmige Anschwellung, die in der Mitre blafl- grfin gefarbt war. Nach einer an dieser Stelte vorgenommenen Incision flo13, wie der Amtsarzt berichtete, trtibes Serum heraus. Neben grol3em Juckreiz be- stand zur Zeit der Aufnahme (6. V. 1930) eine bis gegen die Achselh6he reichende Lymphangitis, die vom Daumen aus ihren Ausgang genommen hatte. Dieser und mehrere ahnliche Falle, bei denen typische vaccinale Infektionen der l~inger statt- fanden, seien lediglich als Belege dafiir angefiihrt, dab neben den sog. Me]ker- knoten, haufiger als diese, Vaccineinfektionen bei Melkern vorkommen, die ahn- lich verlaufen wie die Fingerinfektionen beim Personale der Impfanstalten. Auch bier be~reffen sie ausschlieBlich mehrfach vaccinierte Personen. Es kann desha]b aus diesem Verhalten ein RfickschluB auf den Immunit~tszustand der Erkrankten nicht gezogen werden. Jedenfalls liegen bier ganz besondere Verhaltnisse vor,

Abb. 3.

m6glieherweise eine geringere Resistenz der peripheren K6rperteile gegen vaceinale Infektionen.

Einen mit derartigen Melkerinfektionen identischen Fall aus der Wiener An- stalt wollen wir als Beleg noch anffihren [vgl. aueh Paschen, Dermat. Wsehr. ~8 {1914), Meder, I. c., und Frenkel, Hackental, Diskussion zum Vortrage Groth, A. d. Vers. d. Vorst. d. deutsch. Impf.-Anst., Dresden; Zbl. Hyg. ~2, 351].

Eine mehrfach geimpfte Aushilfsperson (Tochter der frfiheren Laborantin) verletzte sich am 2. VI. 1929 mit einer Impfcapillare an der Spitze des Ring- fingers in der Nahe des Nagels. Am 6. VI. derbe Infiltration des End- gliedes (zu einem Blaschen ist es bier nicht gekommen) mit R6tung und livid durchscheinendem Nagelbett, geschwollene, sehmerzhafte Achseldrfisen. 9. VI.: Infiltration fortschreitend, Nagelbett blaulichgelb durchscheinend. Entlang der Sehne des Mittelfingers kommen am 7. VI. stark juckende bis fiber das Hand- gelenk hinaufreiehende Quaddeln zum Vorschein. Die Achseldrfisen sind bereits abgeschwollen, jedoeh noch schmerzhaft. :Eine halbe Stunde nach dieser Fest- stellung starkes Jucken am Ellbogen, wo mehrere Quaddeln aufschiei3en, ebenso auf der Streckseite des Unterarmes in einer Flaehe yon 4 • 5 cm. Mit einer Lymphangitis hat diese Erscheinung nichts zu tun, sie kann als ein urticarielles vaccinales Exanthem aufgefal3t werden. Am 10. VI. sind die Quaddeln am Ell- bogen stark abgeblaI3t, jene auf der Streckseite des Unterarmes auf eine gr613ere Fl~tehe verteilt, starker ger6tet und stark juckend. An der radialen Seite des Ring-

~ber Kuhpocken und vaccinale Melkererkrankungen. 203

fingers sind einzelne kleine Quaddeln zu sehen. Am ttandrficken ist der Streifen fiber der Strecksehne des Mittelfingers breiter, jedoch flaeher und blasser. Das Endglied des Ringfingcrs ist schwarzblau verf~trbt, eine halbmondf6rmig begrenzte Eiteransammlung hat sich unter dem Nagel ausgebildet. Der ganze ProzeB heilt ohne jedweden therapeutischen Eingriff, den wir ffir kontraindizicrt halten.

Ferner m6chten wir hier einen anderen Fall aus der Wiener Anstalt deshalb erw/~hnen, weil er vielleicht als ein Beweis dafiir aufgefaBt werden kann, dab nach einer vaceinalen Infektion Granulationen auch dann auftreten k6nnen, wenn diese Infektion mit normaler Lymphe, also nicht mit Kuhpockenvirus oder einem kom- binierten Virus erfolgt. Eine 40jahr. Waschfrau, welche wiederholt geimpft worden war, verletzte sich am kleinen Finger der rechten Hand in der Zeit vom 9. bis 12. Juni 1931. M6glieherweisegingdieseInfektionvom Nagelfalze aus. Siebegannmiteinem stecknadelkopfgroBen B1/~schen, welches nach 3 Tagen von einer betr~chtlichen Schwellung des Endgliedes mit R6tung, Lymphangitis, Driisenschwellung und Schmerzen in der Achselh6hle gefolgt war. Die Frau riB sich das Bl/tsehen auf und

Abb. 4.

es zeigte sich nach einigen Tagen eine r6tlichgraue, stark schmerzhafte Granulation (s. Abb. 4), die Lymphangitis verschwand, die Drfisenschmerzen lieBen nach. Wegcn Schmerzen an der befallenen Stelle suchte die Frau ihren Kasscnarzt auf, der cinen Toil der Granulation excidierte und den Stumpf mit dem Lapisstifte be- handelte. Die Granulation wuchcrte ungeachtet dessen fort, ist am 2. VII. 1931 graugelb gef~rbt, die Haut fiber der Endphalangc ist blasenf6rmig abgehoben. Am 10. VII. ist der ProzeB restlos ausgeheilt. Im Gegensatz zu den Melkerknoten heilte diese Granulation sehr rasch aus.

I m Fa l l 7 wurden uns 8 Personen vorgestellt , von denen eine als zweifelhafte vaccinale In fek t ion ausgeschieden wurde. I n al len iibrigen F~l len handel te es sich u m ein- oder mehrfach geimpfte Personen mit deut l iehen I m p f n a r b e n u n d u m Finger infekt ionen, die durchwegs naeh Ar t eines Pana r i t i ums , /~hnlich wie die F/~lle aus der Wiener An- stal t verliefen. E ine tJberpr i i fung des vaccinalen Charakters dieser Infekt ionen, auf die wir aus r/~umliehen Gri inden n icht n~her eingehen wollen, erschien uns bei dem absolu t typischen Befund iiberfliissig. Wi r wollen n u r noch hervorheben, dab wir s/~mtliche E r k r a n k t e u n d aueh alle anderen Personen dieses Geh6ftes, soweit sie v o n d e r Arbei t ab-

204 M. Kaiser uud F. Weinfurter:

k5mmlieh waren, geimpft haben. Von diesen Personen zeigten 12 nicht die geringste Reaktion, darunter die an Kuhpocken erkrankten. Wenn somit ihre Immunit~tt nieht auf eine in der Kindheit vorgenom- mene Impfung zarfickzufiihren war (5 davon waren fiber 30 Jahre alt und seit der Kindheit nicht mehr geimpft), so darf nach allen Erfahrungen zu schliel3en angenommen werden, da~ die bestehende Kuhpoekenin- fektion entweder selbst eine Immunit / i t gegen das Vaccinevirus erzeugt, oder die yon friiher her vorhandene Immunitis verst~rkt hat.

Wenn wir die Ergebnisse unserer Beobaehtungen zusammenfassen, kommen wir zu folgenden SehluBfolgerungen:

1. Die Kuhpocken sind eine - - wenigstens in einzelnen 5sterreichische~ Bundesldndern - - nicht selten vorkommende Krankheit .

2. Obwohl es nirgends gelungen ist, mi t einiger Sicherheit den Nach- weis zu erbringen, da6 die Erkrankungen unter den Ktihen mit den Schutzimpfungen der Menschen gegen Pocken zusammenhSngen, so spricht doch das im allgemeinen iiberwiegend saisonmhl]ige Auftreten dafiir. Uberdies konnte die vaccinale Na tur dieser Erkrankungen in mehreren F~llen nachgewiesen werden.

3. ]:)as u derartiger Erkrankungcn untcr den Kiihen erfordert nicht nur aus sanit~r- und veterin~r-hygienischen, sondern auch aus rein landwirtschaftlich-Skonomischen Grfinden eine Abhilfe. Die er- k rank ten Tiere vermit teln Infektionen yon Melkern, yon denen wir in den letzten JahreneineganzeAnzahlfes ts te l lenkonnten . D ieErk rankungde r Mensehen an Kuhpoeken kann eine mehrwSchige, ja selbst monatelange Berufsunf~higkeit, oder wenigstens eine verminderte Arbeitsfhhigkeit zur Folge haben. Eine Milch, die aus einem kranken Euter s tammt, ist unappetit l ich und mSglicherweise auch infekti5s. Derartige Kiihe sind krank, das Melken ist fiir die Tiere schmerzhaft, die Ergiebigkeit der Milch diirfte auch eine geringere sein. Auch dieser Nachteil ist finanziell empfindlich, wenn die I~rankheit geh~uft vor- kommt.

4. Die Verhi~tunff derartiger Zust~inde ist eine 8o ein/aehe und 8iehere, daft sie auch aus sanitgr- und ~eterindr-hygienischen Gri~nden verlangt werden muff. Die Schutzimpfung der Tiere mit der gewShnlichen Schutz- pockenlymphe ist iiberdies derart billig, da6 sie kein Landwirt verab- s~umen sollte. Es is~ nStig, jedes neu eingestellte Tier sofort schutz- impfen zu lassen und das I m p f d a t u m aufzuschreiben. Da die Dauer der Immuni t~ t noch nich$ sicher bekannb ist, bedarf es noch weiterer Unter- suchungen an einer grSl~eren l~eihe yon Tieren.

5. Die Landwirte sind dureh geeignete Merkbl~itter, die yon den am~- lichen Zentralstellen herauszugeben w~ren, entsprechend aufzukl~ren.

6. Die Erkrankungen der Melker kommen vorwiegend in drei Formen vor. Die erste Form sind typische vaccinale Efflorescenzen, die den be-

Ober Kuhpocken und vaccinale Melkererkrankungen. 205

kannten Verlauf nehmen. Eine zweite Form sind jene vaccinalen In- fektionen, bei denen das Bl~ischen- oder Pustelstadium nicht aufzutreten braucht, die Krankhei t ohne diese Erseheimmgen verls naeh Art eines Panari t iums mit Lymphangit is , Aohseldriisenschwellung, Fieber und Schmerzen am Orte der Infektion und in der AchselhShle. Eine Therapie ist weder da noeh dort erforderlich. Feuehtwarme Umschls werden bei der Panari t iumform als lindernd empfunden. Die dritte Form sind die typischen Melkerknoten, fiir die allein, wie es Groth will, dieser Name reserviert bleiben sollte. ]hre Beschaffenheit und ihr Verlauf l~l~t an die MSglichkeit einer Doppelinfektion denken.