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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universiti~t P6cs. f;ber Lokalisafion und Wirkungsart des Thyroxins im TierkSrper. Von G. Mansfeld. (Eingegangen am 28. Juni 1939.) I. Einleitung. Wenn man Tieren ein Organ (Niere) oder Organfragmente (Leber) entnimmt, um in ihnen den O2-Verbrauch zu bestimmen, dann dem Tier Thyroxin einspritzt und nach eingetretener Steigerung des Ruhegas- weehsels den Eingriff wiederholt, so l~t sich in den post injectionem isolierten Organzellen eine betrgchtliche Zunahme des O~-Verbrauchs nachweisen. Dieser zuerst yon Rohrer 1 an der Niere, dann von DreseI 2 an Leber- zellen ausgefiihrte Versuch zeigt, dab die Thyroxinsteigerung der Ver- brennungen auch naeh Abtrennung vom Nervensystem fortbesteht, was daffir sprieht, dad das Thyroxin nicht wie manche Autoren annehmen, durch Erregung yon StoffwechseIzentren, sondern unmittelbar in den Organzellen die Verbrennungen steigert. Wenn sieh diese Folgerung als richtig erweist, so ist die Priifung des O.z-Verbrauchs isolierter Organe vor und nach Thyroxin die geeignete Methode, um festzustellen, in welehe Organzellen das Thyroxin einzudringen vermag, um in ihnen unmittelbar die Verbrennungen zu steigern. Dies festzustellen, also die Lokalisation der Thyroxinwirkung im TierkSrper zu ermitteln, schien uns notwendig, um naheren Einblick in die Wirkungsart des Thyroxins zu gewinnen. Die Untersuchungen, fiber welehe hier berichtet werden soll, batten also zum Gegenstand, den 02-Verbrauch isolierter Organe festzustellen, welche vor und nach Thyroxinzufuhr dem TierkSrper entnommen wurden. Um aber zu sehen~ ob der gesteigerte O2-Verbrauch der nach Thyroxin- zufuhr iso]ierten Organe in der Tat die Folge einer peripheren Thyroxin- wirkung ist, und nicht die Nachwirkung gesteigerter, zentralnervSser Impulse darstellt, sollte vorerst die Wirkung zentraler Erregungen auf die Verbrennungen an Organen geprfift werden, die w~hrend maximaler zentraler Erregungen vom Nervensystem abgetrennt und dem KSrper entnommen wurden. 1 Rohrer: Biochem. Z. 145, 154 (1924). -- 2 Drese]: Klin. Wschr. 1928, S. 504. 16"

Über Lokalisation und Wirkungsart des Thyroxins im Tierkörper

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Page 1: Über Lokalisation und Wirkungsart des Thyroxins im Tierkörper

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universiti~t P6cs.

f;ber Lokalisafion und Wirkungsart des Thyroxins im TierkSrper.

Von G. M a n s f e l d .

(Eingegangen am 28. Juni 1939.)

I . E i n l e i t u n g .

Wenn man Tieren ein Organ (Niere) oder Organfragmente (Leber) entnimmt, um in ihnen den O2-Verbrauch zu bestimmen, dann dem Tier Thyroxin einspritzt u n d nach eingetretener Steigerung des Ruhegas- weehsels den Eingriff wiederholt, so l ~ t sich in den post injectionem isolierten Organzellen eine betrgchtliche Zunahme des O~-Verbrauchs nachweisen.

Dieser zuerst yon R o h r e r 1 an der Niere, dann von DreseI 2 an Leber- zellen ausgefiihrte Versuch zeigt, dab die Thyroxinsteigerung der Ver- brennungen auch naeh Abtrennung vom Nervensystem fortbesteht, was daffir sprieht, dad das Thyroxin nicht wie manche Autoren annehmen, durch Erregung yon StoffwechseIzentren, sondern unmittelbar in den Organzellen die Verbrennungen steigert. Wenn sieh diese Folgerung als richtig erweist, so ist die Priifung des O.z-Verbrauchs isolierter Organe vor und nach Thyroxin die geeignete Methode, um festzustellen, in welehe Organzellen das Thyroxin einzudringen vermag, um in ihnen unmittelbar die Verbrennungen zu steigern. Dies festzustellen, also die Lokalisation der Thyroxinwirkung im TierkSrper zu ermitteln, schien uns notwendig, um naheren Einblick in die Wirkungsart des Thyroxins zu gewinnen. Die U n t e r s u c h u n g e n , fiber welehe hier b e r i c h t e t we rden soll, b a t t e n also zum G e g e n s t a n d , den 0 2 - V e r b r a u c h i so l i e r t e r Organe f e s t z u s t e l l e n , welche vor und nach T h y r o x i n z u f u h r dem TierkSrper entnommen wurden.

Um aber zu sehen~ ob der gesteigerte O2-Verbrauch der nach Thyroxin- zufuhr iso]ierten Organe in der Tat die Folge einer peripheren Thyroxin- wirkung ist, und nicht die Nachwirkung gesteigerter, zentralnervSser Impulse darstellt, sollte vorerst die Wirkung zentraler Erregungen auf die Verbrennungen an Organen geprfift werden, die w~hrend maximaler zentraler Erregungen vom Nervensystem abgetrennt und dem KSrper entnommen wurden.

1 Rohrer: Biochem. Z. 145, 154 (1924). -- 2 Drese]: Klin. Wschr. 1928, S. 504.

16"

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232 G. MA~SF~LD:

2. L~il~t sich eine Nachwirkung zentraler Impulse auf den 02-Verbrauch isolierter Organe nachweisen~.

Die Erfahrung lehrt, dal~ nach Abtrennung der Organe yore Zentral- nervensystem die Wirkung zentralnervSser Impulse in kiirzester Zeit erlischt. Das sehen wit nach Ausschaltung der Vasomotorenzentren am Sinken des Blutdrueks, naeh Abtrennen der Warmezentren am Tern- peratursturz, nach Durchtrennung extrakardialer Nerven an der ver- ~nderten Herztatigkeit. So schien es wahrscbeintich, da$ eine zentrale Erregung auch in ihrer Wirkung auf die Verbrennungen sofort erlSschen miisse, sobald das Organ veto Zentrum abgetrennt wird. Nachdem aber das ErlSschen zentraler Impulse naeh der Nervendurehtrennung bisher nur fiir die F u n k t i o n , nicht abet fiir S t o f f w e c h s e l v o r g ~ n g e erwiesen ist, muf~te gepriift werden, ob nicht die gesteigerte Innervation in den Organzellen eine Nachwirkung hinterlMtt, welche auch noch naeh Durch- trennung tier Nerven einen gesteigerten 02-Verbrauch bedingt ?

Als Versuehstiere dienten Meerschweinehen und als Testorgan wahlten wit den Muskel, well seine gesteigerte Innervation leieht festzustelten ist und well wit 3 zeigen konnten, dal] der O2-Verbrauch unversehrter Muskeln gepriift nach W a r b u r g in reinem O~ sehr konst~nt ist und daI~ symmetri- sche Muskeln gut vergleichbare Werte des Q-Verbrauchs zeigen.

Die gesteigerte Innervation der Muskeln batten wit tells dutch Ver- abreichung der zentralen Krampfgifte Strychnin und Cardiazol, tells durch Einwirkung niederer Temperaturen herbeigefiihrt, welche ein gut wahr- nehmbares Muskelzittern yon einigen Stunden verursaehten. Fiir die letzteren Versuehe verwendeten wir Tiere, die ihrer Schilddriise beraubt waren, well bekanntlich dieses Organ in der K/ilte Funktionsanderungen aufweist '4, was mSglicherweise zu einer Triibung der Versuchsergebnisse hatte fiihren k5nnen.

Als Muskel verwendeten wit die beiden Gastrocnemien, yon denen der eine vet, tier andere wghrend der gesteigerten Innervation dem KSrper entnommen, in 2-Stundenversnchen auf 02-Verbrauch untersucht wurde. Das Ergebnis der Versuche sehen wir in Tabelle 1.

Wit sehen, dab weder eine durch Strychnin oder Cardiazol gesetzte und mit heftigen Muskelkrgmpfen einhergehende zentrale Erregung noch dutch kalte Auitentemperatur herbeigefiihrtes Muskelzittern Xnderungen im Muskel herbeifiihrt, welehe sich nach Abtrennung veto Nervensystem in einem gesteigerten O2-Verbrauch gulletS. In sechs yon aeht Versuchen ]iegen die Unterschiede innerhalb der Fehlergrenze und der mn 17 bzw. 14% v e r m i n d e r t e 02-Verbrauch in Versuch I und 2 diirfte dutch die bekannte glykogenmobilisierende Strychninwirkung bedingt sein.

Mansfeld, G., u. I. Soheff-Pfeifer: Naunyn-Sohmiedebergs Arch. 190, 585 (1938). -- ~ Cramer, W.: Fever, heat regulation climate, London 1928.

Page 3: Über Lokalisation und Wirkungsart des Thyroxins im Tierkörper

Uber Lokalisation m~d Wirkungsart des Thyroxins im TierkSrper. 233

Tabelle 1. Die Wirkung zen t ra l e r Er regungen auf den O~-Verbrauch i so l ie r te r Meerschweinchengas t rocnemien.

~er- such

Nr.

Datum

1937

24. IX.

25. IX.

27. IX.

28. IX.

29. IX.

30. IX.

15. VII.

Zentrale Erregung durch

Wirkungs- i Muskei- dauer gewiChtg

3,2 mg StGrychnin je kg

- - i , 0 7

25 Min. Kr~mpfe 1,11

- - 0,90

3,2 mg Strychnin 22 Min. je kg Kr~mpfe 0,91

3,2 mg Strychnin je kg

3,2 mg Strychnin je kg

70 mg Cardiazol je kg

70 mg Cardiazol je kg

2--4oc

- - 1,01

! 10 M i n . 1,07 Kr~mpfe

-- 1,01

20 Min. Kr~mpfe 1,00

- - 0 ,91

17 M i n . Kriimpfe 0,87

- - 1 ,20

26 Min. Kr~mpfe 1,18

- - 1,92

6 j 1 87

Oo-Ver- b~auch Diffe- je g und renz Stunde

Cram 0]0

244,5 --17

202,0

258,0 -- 14

221,0

244,8 - - 2

239,4

253,5 --- 7

234,5

238,0 § 8

259,0

196,6 + 4

204,7

184,2 0

187,0

K0rpertempe- ratur des Tieres vor der Muskel-

entnahme 0C

38,6

38,9

38,3

37,2

37,6

37,2

38,5

37,6

38,2

37,7

38,8

38,6

37,6

37,6

8 15. VII. -- -- [ 1,71 179,5 0 37,8 2--4~ 6 S~d. I 1 ,85 176,6 37,6

Die Versuche bieten also keine Stiitze fiir die Annahme, nach welcher zentrale Erregungen dutch eine Art Dauerwirkung auch noch nach Ab- trennung der Organe yore hIervensystem die Verbrennungen besehleunigen, u n d so k a n n de r g e s t e i g e r t e O 2 - V e r b r a u e h i s o l i e r t e r O r g a n e n a o h T h y r o x i n z u f u h r n u t d u t c h d ie u n m i t t e l b a r e W i r k u n g d i e se s H o r m o n s a u f d ie Z e l l o x y d a t i o n e n b e d i n g t sein. Der 51achweis gesteigerter Verbrennungen isolierter Organzellen nach Thyroxin- zufuhr erscheint demnach als zuverl~ssige Methode, um das Eindringen dieses Hormons in die versehiedenen Organe fes~zustellen, wodureh die MSgliehkeit gegeben ist, seine Lokalisation im TierkSrper sowie die Art seiner Stoffwechselwirkung in den verschiedenen Organen niiher kennen- zulernen. Dies war der Zweek vorliegender Untersuchungen.

Page 4: Über Lokalisation und Wirkungsart des Thyroxins im Tierkörper

234 G. MANSFELD :

3. W i r k u n g des Thyroxins auf die Verbrennungsvorgf inge in den vegeta t iven Organen.

Die Versuche wurden an Kaninchen ausgefiihrt. Zu den Untersuehun- gen verwendeten wir die L e b e r und yon symmetrischen vegetativen Organen P a r o t i s , N i e r e und t t o d e n .

Fiir die Entn~hme von Leberstiickchen wurde ein ganz kleiner Baueh- schnitt yon 2--3 em L~nge gemacht und mittels eines C o n c h o t o m s aus versehiedenen Leberlappen 4- -5 kleine runde Lebersttickchen im Gewicht von etwa 0,12 g herausgeschnitten. Dieses kleine in der Rhynologie ver- wendete Ins t rument bewi~hrt sich sehr gut, denn die Blutung aus der Leber ist minimal und steht augenblicklich still. Die Bauchwunde wird mit 2- -3 ~q~hten geschlossen und die H~ut mit kleinen H~kchen vereinigt.

Alle Eingriffe geschahen unter strenger Asepsis und auch die weitere Behandlung der entnommenen Organe und Organstiicke sowie die W a r - b u r g s e h e 02-Bestimmung effolgte unter aseptischen Kautelen. hTach Entnahme des Organs bekamen die Tiere das Thyroxin immer subeutan, und zwar in Mengen yon 0,2--1,0 rag. Wir verwendeten ~usschliei31ich d~s synthetisehe Thyroxin von Hoffmann-La-Roche. 24--48 Stunden nach der Thyroxingabe wurde der erste Eingriff wiederholt. Fiir die Bestimmung des 02-Verbrauchs nach W a r b ur g verwendeten wit die Organe unzerkleinert, suspendiert in reinem Sauerstoff, wie wit es bereits beschrieben haben 8.

Bevor wit unsere an Thyroxintieren gewonnenen Ergebnisse mitteilen, mSchten wit in Tabelle 2 zeigen, wieweit die 02-Werte der gepriiften Organe iibereinstimmen, wenn sie ohne Thyroxingabe mit einer Zwischenzeit yon 24--48 Stunden herausgeschnitten werden.

Tabelle 2. O2-Verbrauch i so l ie r te r Organe yon Kan inchen , e n t n o m m e n mi t einer Zwischenzei t yon 24--48 Stunden.

Versuch Nr.

Datum emm 02-Verbrauch

je g und Stunde D i f f e r e n z

0/o Zwischenzeit

Std.

9 5. II. 1938 10 26. 1.1938 11 15. XII. 1937 12 20. XII. 1937 13 122. VI. 1938 14 ,23. VI. 1938

15 24. VI. 1938

16 17 18

19 20

21 22

30. VI. 1938 8. VII. 1938

13. VII. 1938

24. 1.1939 24. 1.1939

24. 1.1939 24. 1.1939

Leber. 530,0 674,3 479,0 , 529,5 593,5 I 623,0 669,7

Niere. 1103,5 1091,7 788,4

Paro~is. 417,0 397,4

Hoden. 333,2 196,5

471,0 619,9 423,0 532,0 554,5 651,8 687,0

1006,4 1083,4 780,5

412,2 355,9

354,4 !80,6

-- 11 i 48 - - 8 i 24 -- 11 24 + 0,4 i 24 - - 6,5 24 q- 4,6 24 + 2,5 ! 24

- - 8,2 -- 0,7 - - 1,0

- - 1.0 -- 1,0

§ 6 - - 8

24 24 24

48 48

48 48

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Uber Lokalisation und Wirkungsart des Thyroxins im TierkSrper. 235

Meistens zeigt sieh eine Verminde rung der Verbrennung, welehe abe t 1 1 % nich t f iberschri t t . I n den wenigen Versuchen, in welchen sine Be- schleunigung s t a t t f and , lagen die AusscMiige zwisehen 0 ,4 - -6 %.

I m folgenden be r ich ten wi t fiber die ~ n d e r u n g des 02-Verbrauchs isol ier ter Organs nach Thyrox ingaben . Auch in diesen Versuchen wurde die B e s t i m m u n g des O2-Verbrauchs 2 S tunden lang for tgese tz t Und al]e 30 Minuten abgelesen. Der ges te iger te Os-Verbraueh nach Thyrox in zeigt sich be i unserer Methode n icht immer schon in der ers ten Per iods , s o n d e r n o f t e r s t i m s p ~ t e r e n V e r l a u f d e s V e r s u c h s , w a s v i e l l e i c h t m i t d e r l a n g s a m e r e n G a s d i f f u s i o n z u s a m m e n h ~ n g t , m i t der m a n a m unzerk le iner ten Organ zu rechnen hat . I n der folgenden Tabel le s ind die e rha l t enen Maximalwer te des Os-Verbrauehs angef t ihr t und ve rmerk t , ob diese in der e rs ten oder zwei ten S tunde zu beobaeh ten waren. Die vor der T h y r o x i n g a b e e rha l tenen und in der Tabel le angef i ih r ten W e f t s sind die Mi t t e lwer te der be iden gu t f ibere ins t immenden Stundenwer te .

Tabeile 3. O z - V e r b r a u c h i s o l i e r t e r O r g a n s y o n K a n i n c h e n vo r u n d 24~--48 S t u n d e n n~ch s u b c u t a n e r I n j e k t i o n yon l i n g T h y r o x i n .

Versuch

Nr. i E Datum

cmm 02-Verbrauch je g u. Std. ~nderung Maximale ] Zwisohen- Steigerung zeit

vor Thyroxin naeh Thyroxin 0/0 in der in Stunden

23 24 25 26 27 28 29 30

2 ] .XI I . 1937 21. XlL 1937 22. XII. 1937 13. I. 1938 13. I. 1938 15. I. 1938 271 15. I. 1938 344 24. I. 1938 507

31 32 33 20. 34 17.

20. II . 1939 301 20. II . 1939 270

II. 1939 209 I. 1939 195

35 30. 36 30. 37 7. 38 7.

I. 1939 270 I. 1939 200

II. 1939 251 II. 1939 195

Leber. 400 524 + 31 1. Std. 24 406 634 + 57 1. ,, 2 4 527 517 0 -- 24 285 394* 38 1. Std. 48 365 460* 26 1. ,, 48

379* -b 39 1. ,, 24 515" ~ 4 8 ~. ,. 24 625 23 . ,, 24

?arotis. 336 + 11 I 1. Std. 24 331 + 22 2. ,, 24 361 + 72 1. ,, 24 315 + 61 2. ,, 24

Hoden 263 ~: 0 -- 48 275 + 37 i. Std. 48 393 + 56 i. ,, 48 308 + 58 1. ,, 48

Niere. 39 9. III . 1939 727 854 i + 17 1. Std. 48 40 9. III . 1939 654 I 797 I + 21 1. ,, 48

* 0~2 mg Thyroxfn subautan.

W i r s e h e n , d a g T h y r o x i n a n a l l e n u n t e r s u c h t e n v e g e t a t i v e n O r g a n e n s i n e b e d e u t e n d e S t e i g e r u n g d e s O 2 - V e r b r a u e h s h e r b e i f i i h r t , w e l c h e a u c h n a c h I s o l i e r u n g d e r O r g a n s f o r t - b e s t e h t .

Page 6: Über Lokalisation und Wirkungsart des Thyroxins im Tierkörper

236 G. ~/~ANSFELD :

4. Thyroxinwirkung am Skeletmuskel,

Seitdem die Beschleunigung der Verbrennungen im Tierk6rper durch Thyroxin bekannt ist, wurde kaum daran gezweifelt, da$ der Hauptantei l der gesteigerten Wttrmebildung auf die Muskulatur fa,llt. DaB unter gewissen Bedingungen das Thyroxin am isolier~en Muskel den 02-Verbrauch steigert, wurde fiir den Froschmuskel zuerst yon A h l g r e n 5 im anaeroben Methylenblauversuch, yon U. S. v. E u l e r 6 nach W a r b u r g und yon uns r am Warmbliitermuskel gezeigt. In all diesen Versuchen handelte es sich um jene akute Thyroxinwirkung, welche, wie wir 7 zeigen konnten, an geschiidigten Zellen zu beobach~en ist und nicht identisch mit jener mehr physiologischen Thyroxinwirkung ist, welche im unversehrten Organismus immer erst nach einer Latenz yon 24 Stunden zustande kommt. Die n~heren Umstgnde dieses Wirkungsunterschiedes werden in der folgenden Arbeit ausfiihrlich dargetan.

Ob diese im Organismus beobachtete physiologische Thyroxinwirkung im quergestreiften Muskel die Verbrennungen steigert, ist bisher syste- matisch nicht untersucht worden, nnd so batten wir im folgenden nnsere eben mitgeteilten Versuche auch auf den Skeletmuskel ausgedehnt und den Q-Verbrauch symmetrischer Muskeln gepriift, yon welchen der eine unmittelbar vor der Thyroxingabe, der andere 24--48 Stunden nachher isoliert wurde. Da wit aus vielen Vorversuchen wissen, dab die beiden Gastrocnemien von Meerschweinchen und Kaninchen, mit einer Zwischenzeit yon 1--2 Tagen dem K6rper entnommen, gleiche Mengen 02 verbraucher~, hat ten wit unsere Versuche an den Gastrocnemien dieser Tiere ausgefiihrt. Auch bier wurde der 02-Verbrauch nach W a r b u r g in 2-Stunden-Ver- suchen bestimmt. Das Ergebnis ist in Tabelle 4 zusammengestellt. Die angefiihrten 02-Werte sind das Mittel der beiden gut iibereinstimmenden Stundenwerte.

Tabelle 4. O2-Verbrauch i so l ie r te r Muskeln vor und nach subcu tane r In j ek t ion yon Th, rroxin.

Ver- such Nr.

40 41 42 43 44

Datum

11. XL 1937 11. XI. 1937 20. XI. 1937 7. III. 1939 7. III. 1939

cram Ou-Verbrauchje gu Stunde u Thyroxin

162,6 151,5 182,9 135,0 195,0

nach Thyroxin

159,2 175,2 186,7 141,0 184,5

Anderung

0/0

~_ 12,0

-}- 1,6 + 4,4 - - 5 , 0

Zwischen- ! zeit [ Versuchstier

Stunden !

24 i} 24 r 48 K~ninchen 24 24

45 2. XII. 1937 I 265,8 257,0 ~q_ ~,0 24 t 46 2. XII. 1937 / 225,0 251,0 _ 1 24 47 2. XIL 1937 218,0 222,0 1,8 24 / schweinchenMeer 48 4. XII. 1937 257,5 243,0 -- 5,4 48

J 49 4. XII. 1937 ] 259,0 266,0 ~ 2,7 48

5 Ahlgren, G.: Sk~nd. Arch. Physiol. 47, Suppl., 225 (1925). -- 6 Euler , U. S.v.: Klin. Wschr. 1933, S. 671. -- ~ Mansfeld, G.: Ebend& 1935, S. 884.

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Uber Lokalisation und Wirkungsart des Thyroxins im TierkSrper~ 237

I m G e g e n s a t z zu den v e g e t a t i v e n O r g a n e n z e i g t der q u e r g e s t r e i f t e M u s k e l k e i n e S t e i g e r u n g d e r V e r b r e n n u n g e n n a c h T h y r o x i n . Nur in zwei Versuchen fanden wit eine Steigerung um 11 bzw. 15%, Werte, die nur wenig die FehlergTenze iiberschreiten. Die anderen Versuehe liel3en jegliehe Steigerung vermissen.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit Versuchen, fiber welche Ni l s A l w a l l und I. S c h e f f - P f e i f f e r s von hieraus berichteten. Es sollte damals der erstmalig yon A lwa l l 9 beschriebene Synergismus Thyroxin-~- Dinitrophenol am isolierten Hundebein gepriift werden. Zu diesem Zweck wurden die Hinterbeine tells norma]er, tells thyroxinvorbehandelter Hunde kiinstlieh durchstrSmt und ihr O2-Verbrauch vor und nach Zufiigen yon ~-Dinitrophenol bestimmt.

Dabei zeigte sieh schon, daf~ die isolierten Muskeln der thyroxin- vorbehandelten Tiere keineswegs mehr O2 verbrauehten als die Muskeln normaler Hunde. Dal3 abet das Thyroxin dennoch nieht unwirksam auf den isolierten Muskel war, ging daraus hervor, daf~ das g-Dinitrophenol sowie aueh das Methy]enb]au an den vorbehandelten Muskeln den O2-Ver- brauch vieI starker in die HShe trieben als am normalen Tier. Die Ver- h~ltnisse ersehen wit aus Tabelle 5.

Tabelle5. O2-Verbrauch der i sol ier ten Hin te rbe ine yon normalen und mit Schilddri ise gef i i t t e r ten Hunden , sowie seine ~_nderung durch u -Din i t ropheno l (Dnph.) und Methyle~b]au (Mb.) nach Alwall und S cheff-

Pfe i fer s.

Prozentuelle Steigerung com. O2-Verbrauch je kg und Minute des O~-Verbrauchs durch Dnph. bzw. Mb.

Normaltiere Schilddriisen gefiitt erte an schilddriisen- Tiere an Normaltieren gefiitterten Tieren

6,2 3,9 4,6 5,7 5,3 3,4 4,4 4,6

Mitteh 4,7

Unsere

3,1 3,7 4,5 4,5 4,7 5,7 5,4

731 118 98 Dnph.

124 102 I

71 / 116 f Mb. 149 | 120 !

4,5 108

220 170 176

227 249 208 237

212

Dnph.

Mb.

eben mitgeteilten an den symmetrischen Muskeln e in u n d d e s s e l b e n Tieres ausgefiihrten Versuche zeigen nun ebenfalls, dal3 der O2-Verbrauch des Muskels nach Thyroxinzufuhr unver~ndert bleibt, was fiir das Verst~indnis der Wirkungsart des Thyroxins im Organismus yon grol~er Wichtigkeit ist, worauf aber erst in einer sp~teren Arbeit nigher eingegangen werden kann.

8 Alwall, Nils, u. I. Scheff -Pfe i fer : Naunyn-Schmiedebergs Arch. 184, 296 (1937). -- 9 Alwall, Nils: Skand. Arch. Physiol. 72, Suppl. (1935).

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238 G. 2~IANSFELD ;

Diese Unwirksamkeit des Thyroxins am Skeletmuskel stand aber im Widersprueh mit friiheren Versuchen, in welehen wit 10 zeigen konnten, dal~ Thyrexin den O2-Verbraueh yon F r o s e h m u s k e l n zu steigern ver- mag. Ffir die Aufklarung dieses Widerspruehs war der Befund yon Wichtig- keit (s. Tabelle 5), dal~ die Steigerung der Verbrennungen dutch Dinitro- phenol nnd dutch Methylenblau am Muskel thyroxinvorbehandelter Tiere viel starker ausfiel als am Normaltier. Diese Tatsaehe wies namlieh darauf bin, dal~ die Thyroxinwirkung am MuskeI nut dann in Erseheinnng tritt, wenn ein Oxydationsreiz die Verbrennungen steigert und iiul3ert sieh darin, dag dieser Reiz starker zur Geltung kommt, was mit der Theorie Alwalls 9 iiber den gesteigerten Dehydrierungsdruck dureh Thyroxin sehr gut iibereinstimmt. Nun wurden abet jenegersuehe, in denen wir die Wirksamkeit des Thyroxins am F r o s e h m n s k e l zeigen konnten, so aus- gefiihrt, dal3 wit den 02-Verbraueh der Muskeln nach W a r b u r g bei 380 C ausfiihrten, was aber fiir den Frosehmuskel eine starke Beschleunigung der Verbrennungsvorgange bedeutet, also einen Oxydationsreiz darstellt, was das Wirksamwerden des Thyroxins unter diesen Umstanden erklaren wiirde.

Um zu sehen, ob diese Erklarung riehtig ist, d. h. ob die Warme ahnlieh dem Dinitrophenol und dem Methylenblau die latente Thyroxinwirkung in Erseheinung treten laf~t, hatten wit die Gastroenernien yon Ranae eseulentae v o r u n d naeh Thyroxinverabreiehung herausgesehnitten und in der einenVersuehsreihe bei 20 o C, in einer zweiten bei 38 o C auf O2-Ver- branch gepriift. Die Entnahme der Gastroenemien gesehah mit einer Zwisehenzeit yon 2 Tagen, an denen das Tier je 0,25 mg Thyroxin subeutan bekam.

Die Ergebnisse sind in Tabelle 6 zusammengestellt.

Wir sehen in der Tat, dal] wahrend bei einer Versuehstemperatnr yon 20 o C die Muskeln vor und naeh der Thyroxinbehandlung bis auf einen Versueh die gleiehen Werte liefern, fanden wir bei der -- fiir den Frosehmuskel unnatiirlieh hohen Temperatur yon 380 C in fast allen Ver- suehen eine sehr ausgesproehene Thyroxinsteigerung der Verbrennungen.

Die Versuche erbraehten also die bemerkenswerte Tatsaehe, dal~ Thyroxin im Mnskel nieht wie in den vegetativen Organen den Ruhe- gasweehsel besehleunigt, sondern in ihm nur Bedingungen sehafft, dutch welehe Oxydationsreize wie ~-Dinitrophenol, Methylenblau oder ErhShung der Temperatur starker wirksam werden, wahrend die Thyroxinsteigerung des R u h e u m s a t z e s yon den vegetativen Organen bestritten wird.

In roller {)bereinstimmung mit dieser Feststellung steht der Befund von A b d e r h a l d e n und W e r t h e i m e r 11, naeh welehem das Glykogen nnter dem Einflul3 des Thyroxins im dauernd tatigen Herzen sehon erheb-

lo Mansfeld, G., u. G. I-IorvAth: Pfltigers Arch. 23g, 520 (1935). -- n Ab- derhalden, E., u. Wertheimer: Z. exper. Med. 72, 472 (1930).

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~ber Lokalisation und Wirkungsart des Thyroxins im TierkSrper. 239

Tabelle 6. O2-Verbrauch der beiden Froschgas t rocnemien vor und 48 S tunden nach In j ek t ion von Thyroxin (2.0,25rag).

Versuch

~ r .

50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61

62 63 64 65 66 67 68 69 70

Datum

9. IV. 1937 10. IV. 1937 10. IX. 1937 28. 1.1939 28. 1.1939 28. 1.1939 28. 1.1939 11. II. 1939 11. II. 1939 11. II. 1939 11. II. 1939 11. II. 1939

]. II. 1939 1. II. 1939 1. II. 1939 1. II. 1939 1. II. 1939 4. II. 1939 4. 1I. 1939 6. II. 1939 6. II. 1939

cmmO2-Verb rauch je g und Stunde

vor Thyroxin

207,2 235,4 197,6 150,0 159,4 158,2 132,5 132,3 164,2 179,5 158,6 150,3

64,2 63,8 60,1 63,4 75,6 73,1 58,9 52,0 60,0

nach Thyroxin

242,6 270,2 242,6 ] 81,2 213,6 180,3 131,7 1716 180,1 164,5 202,1 177,2

67,4 65,4 69,6 70,0 78,4 72,3 60,2 50,4 56,7

Steigerung 010

17,5 15 22 2l 34 14 0

30 10 0

27 18

4 0

15 9 3 0 0 0 0

Yersuchs- ~emperatur

0C

38

20

lich vermindert, im ruhenden Muskel dagegen noch unver~ndert ist. Auch die eben erschienene Arbeit yon H e i n r i c h S c h u m a n n 12, nach welches in der Ruhe fast unwirksame Thyroxinmengen bei erhShter Arbeits- leistung im Herzen zu einer weitgehenden Verminderung an Phosphagen, Glykogen und Adenylpyrophosphat fiihren, zeugt fiir die latente Thyroxin- wirkung im Muskel, welche durch Oxydationsreize, also offenbar auch dureh erhShte Arbeitsleistung in Erscheinung tritt. Im gleichen Sinne sprechen die interessanten Versuche von C h a c h o v i t s c h is, in welchen nach Schild- driisenentfernung nicht nut des Ruheumsatz, sondern des sogenannte GipfelstoffwechseI bei exzessiver Kglte gemessen wurde. Es zeigte sich dabei, dal] nach einer gewissen Zeit des Ruheumsatz kaum mehr herab- gesetzt ist, abet das Maximum der Verbrennungen viel geringere Werte zeigt als vor der Schilddriisenentfernung.

Zusammenfassung.

]. Um die Lokalisation des Thyroxinwirkung im TierkSrper zu er- mitteln, wurde vor und nach Thyroxinzufuhr des O2-Verbrauch isolierter, symmetrischer Organe bestimmt.

12 Schumann, Heinr ich: Z. exper. Med. 105, 577 (1939). -- ~ Chacho- vi tsch, X.: C. r. Soc. Biol. Paris 100, 1220 (1929).

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2. Durch Vorversuche konnte gezeigt werden, dal3 Muskeln, welche wahrend heftigster Cardiazol- bzw. Strychninkrampfe oder am schild- dr~isenlosen Tier wahrend stundenlangem Kiiltezittern isolisrt werden, keinen gesteigerten O2-Verbrauch aufweisen, so dal~ die nach Thyroxin- zufuhr beobashtste Oxydationsbeschleunigung isolisrter Organs nicht als Nachwirkung siner zentralnervSsen Erregung, sondern als periphere Wirkung des Thyroxins auf die Zelloxydationen angesehen werden mu~.

3. Die an vegetativen Organen einerseits, an Skeletmuskeln andererseits ausgefiihrten Untersuchungen zeigtsn, dal~ wiihrend alle untersuchten v e g e t a t i v e n Organe (Leber, Niere, Parotis, Hodsn) 24--48 Stunden nach der Thyroxinzufuhr dem KSrpsr entnommen sine betriiehtliche Steigerung der Verbrennungen zeigten, der Oe-Verbrauch des Muske]s unver~ndert blieb, und da~ die Thyroxinwirkung in diesem Organ sish nur darin ~iul~erte, dal3 Besshleunigsr der Verbrennungen wie ~-Dinitro- phenol, Methylenblau oder die Erwarmung des Frosehmnsksls auf 38 o C hash Thyroxinzufuhr viel wirksamer sind, als an den Muskeln unbehandelter Tiers.

4. Dis naeh T h y r o x i n b e o b a c h t e t e S t e i g e r a n g des Ruhe- umsa tzes wird also yon den v e g e t a t i v e n Organen und n i e h t yon der M u s k u l a t u r b e s t r i t t e n .