29

Click here to load reader

Ueber Myopia in distans

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ueber Myopia in distans

Ueber Myopia in distans nebst Betrachtungen ~iber das Sehen jenseits der Grenzen unserer

Accommodation.

V0n

Dr. A. v. Graefe.

E s ist eine Thatsache, dass der Grad der Kurzsich-

tigkeit mit der Art und ~Veise, wie entfernte Gegen- st~nde den Kurzsichtigen erscheinen, nicht in einem constanten VerhSltnisse stcht. Wenn wir mehrere an Myopia verschiedenen Grades Leidendc mit cinander ver- gleichen, ereignet es sich, dass die am meisten Kurzsich- tigen yon entFernteren Gegenst~nden deutlichere ~Vahr- nehmungen erhalten, als die weniger Kurzsichtigen. So ist auch die Beobachtung bereits yon mehreren Seiten her gemacht, dass zuweilen Kurzsichtige, we]che noch in verh'3|tnissm~ssig grosser Entt~eraung kleine Objekte erkennen, z. B. Druckschrift his auf 2' lesen, entfbrnte grosse Objekte nut in ihren allgemeinsten Umrissen wahrzunehmen im Stande sind. Man hat diesen Zu- stand Myopia in distans genannt, doch bin ich lei- der trotz angestellter litterarischer Nachforschungen nicht im Stande anzugeben, yon welchem Autor die erste Beschreibung und der Name dieses Zustandes herri]hrt. In Betreff tier Erkl~rung finden wit nichts recht Stichhahiges aufgestellt, u n d c s konnte sogar tier Verdacht entstehen, dass es sich in einzelnen der be- schriebenen F~ille nicht um ein einfaches Akkommoda- tionsleiden~ sondern um einen anderen Hergang, inson-

Page 2: Ueber Myopia in distans

t59

derheit um Blendungserscheinungen handle, Einige exquisite F~ille solcher Myopia in distans gaben mir eine wie ich glaube riehdge Dentung an die Hand, welche ich nm so weniger zSgere bier mitzuthei- len, als sich an dieselbe einige Betrachtungen fiber das Verhalten gegen Zerstreuungskreise bet Accommo- dativkrankheiten im Allgemeinen aug ungezwungene Weise anschliessen lassen.

Ein G'tirmer yon circa 30 Jahren war ira Stande, s Drucksehrig yon 4" his auf I8", mittlere Druck- schrift bis auf 2' grSsste bis aug 2a/4 ' zu lesen, und dennoch konnte er yon einem 50 Schritt welt enffernten Hause nnr die vagen Umrisse der Fenster, nicht ein- real die Abtheilnng derselben in Scheiben erkennen, er war ferner nieht f'Shig, zu sagen, ob sich auf einem in der n/imlichen Entfernung befindlichen Sehilde Schrift- ziige bef/inden oder nicht. Ein des Vergleiehs we- gen daneben gestellter Kurzsichtiger, der die grSsste I)ruekschrift nur bis auf 2' lesen konnte, hatte vieI deut- liehere Wahrnehmungen yon denselben entfernten Ob- jekten und konnte, ohne mit den Augen zu kneipen, so- gar die Anfangsbuchstaben der auf dem Sehilde befind- lichen 1' hohen Sehrift angeben. Ein dritter Kurzsiehti- ger, der die grSsste Schrift nur auf 1'/2 ' las, hatte immer noeh betr'achtlich deutliehere Wahrnehmungen als der erstgenannte Patient, und ein exeessiv Myopiseher, an Selerotico-ehorioideitis posterior Leidender, der feinste Schrit~t nur bis ant" 4", gr(;sste auf 6" lesen konnte, gab tiber die entfernten Objekte beinahe dieselben Auf- sehl~isse, als der Ersterw'ahnte, obwohl dieser zum Deut- liehsehcn in der Entfernung nur Coneav 30, der Exeessiv- Myopische aber Coneav 3--31/2 brauehte. - - Es sehien mir somit der ersterw'ahnte Patient ein vortreffliches Beispiel yon Myopia in distans zn sein, sehr geeignet, die obwaltenden Verh'altnisse genau zu bestimmen.

Page 3: Ueber Myopia in distans

i60

Vet allen Dingen konntc der Grund des Undeut- liehsehens nur in einer Anomalie der Akkommodation gesucht werden, da die Sehseh'arfe absolut normal, die Beleuchtung frei yon jedem blendenden Einfluss, und endlich schwache Concavgl':iser vollst.andig ausreichend waren, nm die pr'acisesten Wahrnehmungen entfernter Objekte zu erm~;gliehen ; auch wurden die Beobaehtungen unter den versehiedensten Verh'aitnissen der Beleueh- tung wiederhoh, und immer stellte sich dasselbe Ilesul- tat heraus. Allen Erkl'arungsversuchen musste nun eine genaue optometrische Bestimmung der Accommodations- grenzen, insonderheit des Fernpunktes, ~'orangeschickt werden, denn m0glicherweise konnte dieser letztere weir n'aher liegen, als es aus den Leseproben hervorzugehen schien; wissen wit doeh, dass Presbyopische, selbst H:fperpresbyopische nieht selten Drueksehrift bei grosset Ann'aherung erkennen, well sic im Interesse der }Vahr- nehmung sich fiber dis Undeutlichkeit tier Netzhaut- bilder wahrscheinlieh dutch Uebung hinwegzusetzen ge- lernt haben. In derselben ~Veise h':itte vielleicht auch der fragliche Patient die F.ahlgkeit besessen, sich beim Erkennen yon Druckschrift tiber die Zerstreuungskreise hinwegzusetzen, und so einen hohen Grad yon Myopia verdeckt; diese supponirte F.ahigkeit, auf welche wit unten zur{ickkommen werden, hiltte dem Patienten f{ir entferntere Objekte ~ aus mangelnder Uebung oder andern Grlinden im Sehakt selbst - - gefehlt, und hier- aus wiire der scheinbare ~Viderspruch in der Wahr- nehmungsf'ahigkeit entstanden. Die Messungen ergaben nun, dass sich der Fernpunkt wirklich auf 13/4 ' befand, w~ihrend derselbe bei den [ibrigen l~Iyopisehen welt n'aher, bei dem Exeessiv-Myopischen auf 4" gelegen war.

Zu diesen Bestimmungen bediene ich reich nicht mehr das Stampfer'sche Optometers oder }ihnlicher auf das Prin-

Page 4: Ueber Myopia in distans

161

zip des Se b e i ~ e r ' s c h e n Versuchs basirten Instrumente, well dieselben fiir die Praxis an sehr misslichen, schoa yon verschiedenezt Fachgenossen hervorgehobenen M~ingeln leiden.

Wenn man n~hnlich in einen verschlossenen Tubus hineinsieht, so fchlt das Bcwusstsein yon der Entfernung des Objects, u n d e s bedart beim Mangel dieses Anhalte- punktes einer nicht jedem Gesunden, geschweige denn einem Kranken gegebenen Feinheit respective Uebung des Accom- modationsge/~ihls, um zn wissen, ob man den Brechzustand zu stark oder zu schwach einrichtet. Es erkl~iren sich hier- durch namhaite Febler mtd Sehwankuagen in den Resultaten. Ferner kniipi'~ sich jedc scharfe Accommodatioti an dis Intcation, (lie Formen der Gegenst.~inde so wahrzunehmen, dass sich das Urtheil daraus pracclse Vorstellungen bildet; diese Intention ist aber eine hSchst unvollkommene bei dem Prinzip der erw,ihnten Optometer, weil es sich bei de- ren Anwendung nicht, wie im gewShnliehea Sehakt, um das Herauserkcnnen der Formen, sondern um ein wesentlieh ver- sehiedenes Postulat handelt. Hierzu kommen noch gewisse Schwierigkeiten der Anwcndung bei wenig gelehrigen Patien- ten, besonders daratffbcruhend, dass nicht immer alle, die ver- schiedenen Spalten des Okulars durchdringenden Liehtportio- hen gleiehzeitig in (lie Pupille einfhIlen. - - Wegen der unge- niigenden Result'~te die aus der Anwendung der fl-iiheren Optometer fiir (lie iirztliche Praxis hervorgehn, hat man theils siimmtliche Optometer verwori~n und sieh Behuf~ derAccom- modations-Bestimmungen lediglich aut' die Leseproben be- schr~inkt, theils aber andere Prinzipe als das des S c h ei n e r ' - sehen Versuchs den Instrumenten zu Grmide gelegt. Ich flit meinen Theil wiinsche, dass sich die Bedingungen des Er- kennens bei d~esen Pr[i~'ungen den beim gew~hulichen Sehakt vorkommendea mSglichst ansehliessen, ferner, dass das Bewusstseia iiber (lie Emii~rnung des Gesiehtsobjects -mirecht erhalten, cndlich, dass die fi'iiher erw~ihnte Unterdriiekung der Zcrstreuungskreise bei der Beurtheilung des Deutlichsehe~s vermieden wird. Die beiden ersten Bedingungclt werden dutch die usucllen Leseproben atn besten ert'@t, dem letztgenmmten Postulat n~ihern wir uns dadurch, dass ~vir sehr ibi~e, dicht an einander ste- hende Objecte zum Erkemlen wiihlcn, fiir deren Wahrneh-

Archly fii~' Ophf:h~flmologie. Bd. 2. I, I 1

Page 5: Ueber Myopia in distans

t62

mung die Zerstreuungskreise eher, als fiir grosse st3rend werden. So ihllen schon die gew~hnlichen Leseproben fiir Bestimmung der Accommodationsgrenzen desto genauer aus, je kleiner man (lie Schrift wiihlt - - wobei natlirlich wegen des geringen Gesichtswinkels das Akkommodations- g6biet durch Convexgliiser geniigend angeniihert werden muss. Wir sehexl dies am besten bei Presbyopen und Hy- perpresbyopen, welche wie oben erwiihnt, zwa~ grosse und mittelgrosse SchHft, niemals abet tieinste Schrift bedeutend ausserhalb ihrer Aeeommodationsgrenzen lesen k~hmen. Den- noch ist es nicht zu l~iug~len, class auch filr das Erkennen feinster Schrift eine wiewohl sehr beschr~inkte Unterdrilckung der Zerstreuungskreise erlangt und dutch Uebung erweitert werden kann. Ich babe es deshalb fiir praktisch beIunden, auf letzterw~ihntem Prinzipe (geringen Gesichtswinkel der Ob- jecte oder richtiger ihrer Interx'alle) iussend nur den Gegen- stand des Erkcmlens eiwas anders zu wiihlen, hi einem klei- nen l~ahmen ungefiihr yore U' Quadrat sind vicle mSglichst feine StSbchen eingesetzt, welche regelm~issige Intervalle zwi- schen sich lassen und iu Summa eine feinstreiilge Figur bilden. Es handelt sich um zu recht exakten 12esul(~aten iiber die Accommodationsgrenzen zn gelangen, besonders um die F e i n h e i t der St~ibchen, welehe zu diesem Zwecke am besten aus dihmstem Metalldraht gefertigt werden. Nirnmt man einen solchen Rahmen in die Hand und benutzt zum Hintergrund die W-rod eines Hauses oder den Himmel, so ist es nut m6glich die Stiibchen scharf zu sehen, welm genau flit dieselben accommodirt ist; so wie die Accom- modation abweicht, bilden sich die bekannten farbigen Doppelbilder der St~ibchen, welche sich in den durchsich- tigetl Intervallen entwerfen und diesell)en theilweis oder ganz einnehmen, es verschwindet als(tann die seharf ge- zeichnete st reifige Figur und das Gesammtbild wird voll- kommen verwiseht. Es m(ichte dies Prinzip so ziemlieh mit dem yon C o c c i u s (siehe dessert Buch iiber den hugen- spiegel) benuizten zusammenfidlen, nur scheint mir he- ben der gr(isseren Feinheit der St~ibehen ein wesentlicher, ~echnischer Vortheil darin zu liegen, (lass ein beleucht~eter Hintergrund benuLzt, wird, wodurch die farbigen Doppel- bilder welt deutlicher hervortreten. Solche l~ahmen sind auf einem graduirten Stabe verschiebbar, dessen eines Ende

Page 6: Ueber Myopia in distans

t63

rnit ehmr Platte versehen an die Stirn der Kranken ange- legt wird; an dem Rahmen selbst belindet sich ein kleiner tlandgriff, mittclst dcssen dcr Patient denselben n~ihert und entibrnt, damit er allemal eine deutliche Emptindung yon der Elltf~ermulg des Gesiehtsob.jeetes }lti[)e, lllld die Accom- modation willkilhrlich bis auf ihre natiMichcn Grenzen aus- dehnen kSnne. IIandclt es sich um Unterschiede der Ac- commodation fiir vm'ticale mad horizontale O1)jecte, so braucht nur (let Stab 90~ um seine Axe gedreht zu werden und die Bcstlmmungen successive in der einen oder der ande- ten Haltung gemaeht zu werden. Die konstanten Angaben, welehe ich tmeh yon wenig gelehrigen Patienten erhielt, iiber- zeugten mlch yon der praktischen Brmmhbarkeit dieser kleinen Instrumente, welche ieh seither bei den versehledensten Aeeommodationskrankheiten vielfaeh angewan(lt habe.

" W o d u r c h k o n n t e s i e h n u n die g e n a n n t e V e r - s e h i e d e n h e i t im S e h e n e n t f e r n t e r und n a h e r Ob- . j ek te e r k l i i r e n ? Es blieben bier nut zwei Annahmen ill)rig, entweder mussten die bei der angegebenen Lage

des Ferntmnktes verhSltnissmiissig kleinen Zerstreuungs-

kreisc enffernter Objekte die Funktion der Netzhaut in der

Weise stSrea, dass die \Vahrnehmungsf'ahigkeit be- sehriinkt oder aui" gehoben war, etwa in derselben Weise, wie man zuweilen bei IIyperaesthesia retinae die Wahr - nehmung unterEiniluss gewisser Farben, unregelm'assiger Bl'eehung, Mchter Blendung erlOsehen sieht, oder es wurde brim Belraehten entf>rnter ()bj ekte nieht fiir den Fernpunkt, nllmlich la/,(, sondern file einen n'aher gelegenen Punkt,

vielleicht selbst f{ir den Nahepunkt aceommodirt, wobei

(lie Gr0sse der Zerstreuungskreise genugsam waehsen

konnte, um (lie Confusion der Bilder zu erkl/iren. Im

ersteren Fall w'ire die Myopia in distans als eine mit

leiehter Myopic verbundene eigenthihnliehe Form der

H.yperaesthesia red,me aufzufttssen, im letzeren aber als

eine a u f p e r v e r s e T h i i t i g k e i t de s A e e o m m o d a -

t i o n s a p p a r a t e s zt: b a s i r e n d e E r s e h e i n u n g , k r a f t de ren~ w e n n - e i un~:~l e i n e s e h a r f ' e A c c o m m o d a -

Page 7: Ueber Myopia in distans

t64

t ion u n m ~ g l i c h ist, nun n i c h t m e h r der r e l a t i v g l i n s t i g s t e Z u s t a n d de r A c c o m m o d a t i o n , son- d a r n g e r a d e z u ein c o n t r ~ r e r c inge l e i t e tw i rd . Ich glaube reich durch eine gen~gende Anzahl yon Versuchen fiberzeugt zu haben, dass die letztere Annahme die vorwal- tend richtige ist, wenngleich eine pathologische Reizbar- keit der Netzhaut gcgen Zerstrcuungskreise nothwendig das reflektorische Mittelglied des Ph~nomens abgeben muss.

Ging ich bei dem eben erw~ihnten Kranken mit einem Gesichtsobjekt, z. B. cinem Portrait, allm~hlig yore Auge ab, so trat nicht jenes successive Verschwim- men desselben, wie bei gew0hnlich Kurzsichtigen ein, sondern an einer bestimmten ziemlich eonstanten Stelle, al]erdings bedeutend jenseits des angegebenen Fern- punktes, trat ein plStzliches Breit- und Undeutlichwerden des Objektes ein, so dass Patient z. B. in 6 Fuss Ent- s noch die Gesichtszfige erkennen, in t0 Fuss aber selbst die Umrisse nicht mehr dcutlich zu unter- scheiden vcrmochte. Wurde nun unter den lctzterwfihn- ten Verh~ltnissen oder beim Sehen auf ein entferntes Haus ein s c h w a c h e s Concavglas (Nr. 30) vor das Auge gchalten, so konnte der Kranke allerdings scharf er- kennen, doch war hierzu eine gewisse Zeit crforderlich, er f'fihlte, class sich die ,,Spannung seines Auges da- bei ver~ndere" und beschrieb diese Vedinderung durch- aus so, wie man eine Ver~nderung tier Accommodation zu empfinden pflegt. Wurde dasselbc Concavglas ziemlich rasch an den Augen vorfiber bewegt, so sail Patient angeblich nicht besser dutch das Glas als mit blossem Auge. Ich erkl~re mir dies so, dass die nothwendige Ver~nderung des Brechzustandes bei der nunmehr kurzen Zeit nicht mehr zu erreichen war. ~ Nahm ich ferner, immer beim Verschwommensehen in die Entfernung, ein s t a r k e s Concavglas (Nr. 6), so konnte Patient augenbiicklich schars sehen, auch hatte er nicht die

Page 8: Ueber Myopia in distans

165

obenerw'ahnte Empfindung einer Accommodations-Ver- ~nderung und konnte das Coneavglas beliebig rasch an dem Auge voriiber lmwcgt werden, immer waren die enffernten Objekte deutlich.

Es sehien mir schon aus diesen Thatsaehen hSehst wahrseheinlich, dass beim Sehen in die Entfernung das Auge des Patienten nieht fiir den Fernpunkt, sondern in entgegengesetzter Weise aceommodirt sei, doeh waren mir noeh direetere Beweisgrilnde wiinsehenswerth. Es ist dureh die Versuehe mit Coneav- und Convexgl~isern einerseits und mit prismatisehen Gl~sern andererseits bewiesen, dass beim binoeularen Sehakt eine absolute Abh~ingigkeit der Sehaxeneonvergenz yon der Accom- modation nieht existirt, dass wir vielmehr bei gleieh- bleibender Convergenz innerhalb gewisser Grenzen ver- sehieden aeeommodiren kZJnnen (Versuehe mit eoneaven und eonvexen Gl~sern bei gleieher Enffernung des Ob- jekts), und andererseits bei weehselnder Convergenz denselben Aeeommodations-Zustand erhalten kiinnen (Versuehe mit prismatisehen G1Rsern und dadureh her- vorgebraehtem willkiihrliehem Sehielen). Es ist aher ebenso gewiss, class diese sebeinbare Unabh~ngigkeit lediglieh ein Product des beim doppelseitigen Sehakt herrsehenden Dranges nach Einfaehsehen ist, wodureh die natiirliehe Abh~ngigkeit beider Faktoren his auf einen gewissen Punkt geloekert wird. So a, ie wir n'~m- lieh das doppelseitige Sehen aufheben, zeigt sieh die natiirliehe Abh~ingigkeit darin, dass eine jede Ver~in- derung der Accommodation aueh mit ver~inderter Con- vergenz sich verbindet. Wird das eine Auge eines Ge- sunden mit der Hand halh verdeekt, so dass es nieht mehr auf das Gesiehtsobjeet geriehtet, abet seine Stellung ge- nau eontrolirt werden kann, und liisst man nun mit dem zweiten offenen Auge in einer und derselben Riehtung bald filr die N';ihe, bald fiir die Entfernung aeeommo-

Page 9: Ueber Myopia in distans

i66

diren, so rt~ckt bei wachsendem Brechzustand allemal das halbverdeckte Auge nach innen, bei abnehmendem Brechzustand nach aussen. Um den Vcrsuch gegen alle Eiawfirl~e zu schi'~tzen, verf/ihrt man besser so, class man vor das zweite Auge bei unverrt~cktem Gesichts- object successive Zerstreuungsgl~ser yon verschiedener St~irke vorschiebt; bei wachsender St~rke dieser nega- riven G15ser muss behufs des Deutlichsehens tier Brechzustand des Auges in compensirender Weise wach- scn, wobei das verdeckte Auge nach innen abweicht. Sehr schSn zeigt sich dies auch, wenn durch irgend welehe pathologische Verh~ltnisse, z. B. Schwachsich- tigkeit, Tr[~bungen der brechenden Medien, Schielen oder die so sehr h~ufi~'e AngewShnung aus unbe- kannten Ursachen, kein doppelscitiger sondern nut ein- scitiger Sehakt stattfindet. Halteu wir vor das gesunde Auge eines Schielenden Concavgliiser yon wachsender St~l,ke uud ]assen immer dasselbe Gesiehtsobject fixiren, so wird die pathologisehe Convergenz des schielenden Auges zu-, respective die Divergenz abnehmen und ieh habe dieses Mittel nit genug zur Orthop~die nach vor- ausgegangenen Schieloperationen angewandt, weil in der That darin eiue Methode zur Vedinderung der Seh- axenconvergenz bei einseitigem Sehakt liegt. Ich liess z. B. Schieloperirte, bei dencn ich die Schaxenconvergenz um Einiges vermehren wollte, tempor~r dutch Concav- gl~ser lesen etc. Auch die Entstehung des Schielens ist h~iufig hierdurch zu erkl~ren. So lunge doppel- seitiger Sehakt herrseht, wird durch die gemeinsame Eiastellung der Sehaxen s verschiedene Accommo- dation dem Schielen vorgebeugt, wenn aber, wie bei so viclen Individuen, die mit Accommodativ-Krankheiten behat~teL sind, einseitiger Sehakt existirt, so wird Stei- gerung in der Accommodation dutch Coneavgl~ser auf dam eiuen Auge leicht zu pathologischer Convergenz

Page 10: Ueber Myopia in distans

167

des andern Auges veranlassen. Bei vielen Kurzsich- tigen k&men wit au[" diose Weise uns die Entstehung des Sdlielens dutch das Tragen relativ zu starker Con- eavgl~iser erklih'en, und es d~irf'te dies welt hiiufiger (tie Ursaehe abgeben, als die geringe prismatische Wirkung (lee ConcavglSser, da es in der That nicht einzusehen is(, ~ie so sehwa('he Prismen, wie sir dureh den Rand- lheil der ConeavglSser repriisentirt werden, brim bino- cularen Sehakt eine andere Stellung hervorrufen, als (lit ausserordentlieh sehwaehe Ablenkung, welehe unter ihrer Einwirkung zum Einfachsehen erforderlieh ist.

Diese Thatsaehen festgestellt, so d{irfie die yer'an- derte Stellung eines veto Sehakt ausgesehlossenen Auges als Index fiir den \Veehsel im Aeeommodationszustand des zweiten im Sehakt fimgirenden Auges zu betraeh- ten skin, und babe ieh grade dieses Mittel benutzt, um den Beweis fiir die oben angeftihrte Natur der Myopia in distans zu fiihren. War n'amlieh beim Sehen in die Entfernung das Auge nieht fiir den Fernpunkl, sondern in eontriirer Weise aceommodirt, so musste aueh, wenn das Gesiehtsobjeet iiber den Fernpunkt hinaus allm':ihlig entfernt wurde, das zweite verdeekte Auge etwas naeh innen abweiehen; dies trat nun in der That ein und zwar gerade dann, wenn das plStzliehe Versehwommen- sehen entstand, t>rner zeigte sieh, dass wenn Patient zuerst mit blossem Auge in die gntfernung sah und alsdann ein sehwaches Coneavglas (30) vorgehalten wu,'de, das halb verdeekte Auge um Etwas yon seiner Stellung naeh aussen abwieh, ein Beweis, dass der Breehzustand sieh verringerte. Es gesehah dies gleieh- zeitig mit jener veto Kranken angegebenen fShlbaren Veviinderung in der ,,~pannung" seiner Augen. Wenn dagegen starke Coneavgl/iser (6) vorgeha]ten wurden, wobei augenblieklieh Seharfsehen eintrat, so zeigte sieh nieht die mindeste VerHiekung im Stande des zweiten

Page 11: Ueber Myopia in distans

t68

Auges, woraus ich schloss, dass nun anch keine Ver- ~nderung im Accommodationszustand der Augen ein- getreten sei, dass also vorher beim Sehen in die Ent- fernung das Auge sich ziemlich im Maximum seiner Brechkraft, oder wenigstens dem Nahepunkt mehr adap- tiv, als dem Fernpunkt befimden babe.

Es seheint demnach, dass bei der Myopiain distans die verh~ltnissm~ssig kleinen Zerstreuungskreise, welehe ent- fernte Objeete abgeben wiirden, so lange die Adaptation fi]r den Fernpunkt erhalten w';ire, mit dem S e h a k t in i r g e n d e i n e r ~Veise unve r t r ' i i g l i ch s ind , so d a s s u n t e r i h r e m E i n f l u s s ein I m p u l s zur E i n l e i t u n g e ine s e n t g e g e n g e s e t z t e n A c c o m m o d a t i o n s z u - s t a n d e s en t s t eh t .

Diese seltsame Thatsache I/isst sich vielleieht so erkl~- ten, dass bei vollst~ndig verschwommenem Se}len fiber- haupt der Drang nach scharfi~m Erkennen erliseht, und so eine sensorielle Spannung gelSst wird, welehe tilt die (bei diesen Kranken) herrschende Richtung tier Nerventh'iitig. keit stSrend ist. Man kSnnte dies vergleichen mit der Unvertr~igliehkeit gegen nahe aneinander stehende Dop- pelbilder. Be[ solehen ist der Drang nach Einfaeh- sehen ein so entsehiedener, class extraordin~ire Muskel- spannungen hervorgerufen werden, um sie zu ver- schmelzen; ist dies abet unmSglich, so werden sie durch andere entgegengesetzte Muskeleontractionen yon ein- ander entfernt, wahrscheinlich well in einer grSsseren Entfernung der beiderseitigen Gesichtsfelder auch die Intention der Versehmelzung sich verliert. Bei ver- schiedenen Individuen ist tier Drang naeh genauem Er- kennen undeutlich gesehener Objeete - - wie tier Drang nach Einfaehsehen--sehr verschieden und es mag auf' dieser Versehiedenheit der sensoriellen Spannung be- ruhen, class unsere Wahrnehmung oft in liberaler ~Veise fiber die Ungenauigkeiten der Netzhautbilder

Page 12: Ueber Myopia in distans

169

hinweggeht, zuweil~,n <t~gegen, wie bet der Myopia in distans dadurch so bdeidigt wird, dass lieber die ganze Ten<ienz &,s Erkonnens ge3ndort und ein vollst~ndig vers(!hwommenes Bild einem nicht /miz scharfen Bilde vorxezogen wiml.

Gerne wih'den wiv diese Betheiligung dee Nefzhaut glls reflectorisches Mittelglied umgohen und die Myopia in disfans lediglich aut:' ehle Alienirung in dem Aeeommo- dations-Apparat beziehen, allein wit w{'u'den hierdurch zu noch gewaltsameren ErklRrungen gelangen; denn in dee That l/iss{ es sich nicht absehen, warum der Accommodationsapparat, nachdem er bei der Einrich- tung fiir den Fernpunkt in den Zustand der iiussersten Erschlaffung gerathen ist, sich nun plStzlich in einen ent- gegengesetzten Zustand, niimlich den der /iussersten Spannung begiebt. Wir haben hterfiir in tier phy- siologischcn Function der Muskelapparate kein Ana- logon. Das Umgekehrte, dass excessive Anspannung eines Muskels pli;tzliche Ersehlaffung hervorrufen kann, ist a priori begreiflich. Auch finden wlr bei einer so verbreiteten Form yon ttebetudo visus*), dass die

~) Das Wort hcbetudo visus ist von Autoren und Prakt ikern in so verschiodenem Sinne gebraucht worden , dass ein Jeder der es ausspr ieh t , um Missdeutungen zu en tgehen , wlrklich die Pflieht ha t , sich iiber die beigelegte Bedeutung zu erkl/iren. Unserer Sprachweise gemiiss bezcichnet hebetudo visus k e i n e b e s t i m m t e K r a n k h e i t somlern nur ein S y m p t o m , dasjenige nilmlich, dass bet normaler Sehschiirfo und normalem Gesichtsfelde der Sehakt nach kiirzerem odor 15,ngeren IntervaIl durch ein S chwaaken im Accom- modat ionszustande oder in der Eins te i lung der Sehaxen unter- brochen wird, Dieses Symptom finder nun seinen nKchsten Grund in sehr verschiedencn Zustiinden der Accommodation und tier Au- gen,nuskeln.

1) Den hKufigsten Grund in tier Accommodation gibt Presbyopie g e r i n g e n Grades .

Weitsiehtige h~heren Grades k~Snnen nut ausnahmsweiso auch fi;r kiirzero Zeit ohne optisches Hiilfsmittei lesen und deshalb pflegt bet ihnen alas Symptom der hebetudo nut aufzu-

Page 13: Ueber Myopia in distans

i70

AccommodationskrMte, nachdem sie einige Zeit ihr relatives Maximum yon Kraitanstrengung entwickelt, auf cinmal in den Zustand iiusserster Erschlaffung vet- fallen. Abet such hier mi;lssen wit die Function der

treten, wenn sis sich fitlscher, etwas zu schwacher Brillan be- dienen. Wean aber der Nahepunkt yon seiner eormalan Lago nur milssig abgeriickt ist, so werden die Objeete am Beginn der Arbeit entfernt gehaiten, and dadurch in das Aecommodations- bercich hineingebracht, oder demseiben so nahe gefiihrt, dass die kleinen Zerstreuungskrcise nicht wesentlich stSran; je l~inger die Arbeit fortgescizt wird, je mehr erwacht im Seh- akie dcrDrang grosse Netzhautbilder zu erhalten; werden die Objecte zu diesem Zwecke dam Auge geniihart, so warden sic yon der natiirlichca Aecommodationsgrenze antfernt and dem- gemii.ss die Zerstreuungskreise grSsser und stbrender. Dieser StSrung auszuweicher~ zichen die Meisten as vet, die Objecto entfernt zu halten, wobei die Netzhaut wegen zu klebmr Biider ermSdet; ja, da mit Fortsetzung der ThS.tigkeit die Unvertrag- lichkeit gegen (tie Zarstreuungskreise wiichst, so miissan die Objecte immer genauer in das Aecommodationsbereich gebracht, d. h. immer entferl,ter gehalten werdea. Haufige Unierbrechungen arm;Sglichen us, bis auf einen gewissen Punkt, diesem opiischen Dilemma zwischen zu kleinen Bildera nnd Zerstreuungskreisen zu entgehen, wail die Veririiglichkeit gegea Beides am Beginn des Sehaktes, bet nngesehwachter Eaergio der Netzhaut ether- salts, des Accommodationnapparats andererseits relativ am grSss- ten int. ConvexglSser beseitigea die Schwierigkeitea und hebon alas Symptom der Hebetudo.

2) An diese F~tlle, wclche durchaus in das Bereich der Prespyo- pie hinein gehSren, reihen sieh diejenigen an, deren in unse- rum Text gedacht ist, n~imlieh solche, we tier Nahepunkt nut um Weniges abgeriiekt, aber doch des G e b i e t tier a u s d a u - e r n d e n A c c o m m o d a t i o n namhaft wetter veto Ango lieg{, als in der Norm. Um sieh hiervon zu iiberzeugen, muss man die optometrischen Pr(ifungen etwas lltnger fortsetzen, wobei man bemerkt, dass die Patienten nut auf wenige Augenblicke filr ihren Nahepunkt, auch f(ir die angreazenden Thetis des Accommodationsgebiets aur aufkurze Zeit accommodiren kiinnan. Zu vollgiiltigen Schi(issen muss man immer den Vergleich mit gesunden Augen benutzen, dean auch ein Gesunder aecommo- dirt a n h a l t e n d nur fiir ein bestimmtes, relativ kleines Stiick (aceommodativen Mesoropier) seines gesammten Aeeommoda- tionsraumes. Bet derartigen Kranken ist der Mangel an Ausdauer

Page 14: Ueber Myopia in distans

t71

Netzhaut als ein wesentli('hes Mittelglied in (lee Reihe (let' l~'rs(!lieimm~'(~n betrach~en. Analysiren wit" n~imlich die Thatsachen 1)el A(,(~ommodativ-Krankheiten genauer, so l)leibt es auflkl!l(~n(l. (lass zwischen dem Wirkungs-

des Accommodat ion flit die Niihe al lerdings der Kern des S y m p t o m s , es bleibt abet. immerh in , wio oben angefiihrt, zu bemerken , dass die sich bildenden Zers t reuungskre iso die Netzhauttlffttigkeit so bald au fheben , w~thrend bet ande- ren Kranken vieI grSssere Zers t reuungskre i se es nicht thtm, ferncr class BIendungsersche iaungen bet Einlei tung des S y m p t o m s wesentl ieh betheiligt sind. Die En t s t ehung des Ue- bels aus iiberlricben anhal tender Accommodation in die N~tho (siehe S i c h e l ' s amblyopie prcsbyt iqae) spricht deutlich gent lg dafiir, class es sieh um eine Uebermiidung des Accommodat ions- Apparaies handele , zu deren En l s l ehung wahrscheinl ich eino e{was unsicherero Regul i rung tier Accommodat ion sei~ans der (reizbaren) Netzhaut den Grund giebt. - - Die Behandlung bcsieht aus "2Theilen, o r s t e a s R u h e d e s e r m i i d e t e n A c c o m m o d a - t i o n s a p p a r a t e s , zweitens m e t h o d i s c h e U e b u n g desselben. Das erste Posiula t wird thetis dadurch erfiillt, dass wi t dem Krankea entweder fiir eine gewisse Zeit jedo Arbeit in die Niiho un /e r sagen , oder dadurch, dass wit ihm fiir die Arbeit - - wenn solche unvermeidlich - - Convexgliiser geben, unter denen sic fiir nahe Objecte sowie sonst fiir ihren Fernpunkt aecommodirea. Das zweite Postulat wird erst nach Wochen rest). Monaten dadureh angestrebt , (lass wir die Accommoda- tions-Kvkifte durch successive Anni iherung der Objecte iiben. Dies kSnnto nun scheinbar ohne Convexgl~iser gesehehen , wenn wit n~imlich die Aufgabe uas so stellten, sofort au f den Nahepunkt annithernd zu wirken, doch haben wir als Begriffs- bes t immend filr diese F/tHe hervorgehoben, d a s s e s weniger (lie Abri ickung des Nahepunktes als des mittleren Aecommodat ions- gebietes ist, wciche (lie Sympiome hervorruft. Es gilt i ibrigens flit aim Uebungen der Accommodat ion dasselbe Priazip, was fiir die Uebungen im Einfachsehens gilt ; ebenso wie man hier nie- reals des Gebiet benuizen dart , we die Verschmelzung der Doppelbilder unsicher und vori ibergehend ist , so dar t man aueh fiir Accommodat ions-Uebungea nlemals E~ltfernungen be- nutzen, in denea nu t vori ibergehend seharfe Bilder orhalten werdea, bald aber sich Zers l reuungs - Kreiso einstellen. - - Einen M u s k e l i ib t m a n a m b e s t e n , i n d e m m a n a u f d e n m i t t l e r e n C o a f r a e t i o n s z u s t a a d d e s s e l b e n w i r k t ~

Page 15: Ueber Myopia in distans

i72

vermllgen tier AccommodationskrMte und zwischeu dera Ph';inomen der eintretenden Ermlidung kein constantes Vcrh~iltniss obwaltet; wit findert lndividuen, deren Ac- commodation sehr beschriinkt, mfhsam und unsicher

jede Zusammenziehung bis an die Grenze der Excursion be- dingt leicht Uebermiidung, wie es die Entsfehung dieser Krank- heiisform selbst bezeugt; es ist auch die Willkiihrlichkeit und das Bewussisein der Muskeicontraktion in den mittleren Con- tractionszust~inden grSsser respective tether. Filr die gedaeh- ten Uebungen der Accommodation ist die methodische Anwen- dung von Convexglii, sern ebenfalls dringend noihwendig, weil das mittlere Accommodafions-Gebiet zu enffernt liegt, um bet den gewShnlichen Gesichfsobjecten geniigend grosse Netzhaut- bilder abzugeben; da wir vollends hier eine reizbare Netzhaui vorfinden, so miissen wit deren Funktion in jeder Weise erleichtern, wozu namentlich die Erhaltung ether gewissen BildgrSsse erfordert wird. Man k~innte auch daran denken, durch das Tragen von Concavgl~issern Fdr entfernfe Objecfe die Accommodation zu kr~iftigen, doch fielen wenigsiens ia mclnen H~inden die hierher zielenden Versuche deshalb unbe- friedigend aus, wet[ beim Sehen auf enifern!e Objecfen viel weniger Anspriiche auf scharfcs Erkennen gemacht werden und iiberhaupt das Ganze viel weniger in dem Bereiche der ge- wShniichen Uebung liegt. ~ Die Nummern der Convexgl~iser schliessen sich zuerst an die anfilnglich behufs der Aecommoda- tlonsruhe benutzten an und wit' empfehlen dem Kranken bet der Ar- beit successive die Gegensf'~nde zu nKhern, doch miissen diese Ann~iherungen niemals in die Nachbarschaft des Nahepunktes kommen, wet[ dana die oben angefiihrten Uebelst~inde sich ge'iend machen. Mit vorschreitender Ann~iherung werden die Gl~ser schwKcher gew~ihlt undes gelingt die meisfen jugendticher Kran- ken yon deren Oebrauch zu enlbinden, wie ilberhaupt in der ersien Lebensh~[fte tier Brechzustand des Auges therapeutischen Ein- fliissen sich in unerwarfeter Weise hingiebt, so dass ich selbst Hyperpresbyopen, die anfangs Convex 8 brauchfen~ bis auf einen norma|en Brechzusfand (durch methodische Uebungen mit Con- vexgl~isern) zuriickkehren sah. Dass wir fSr die Myopic ~ihn- Itch gilns~ige Vergnderungen nieht erzielen, meg zum Thei[ in den zu Grunde Iiegenden Ursachen, zum grossen Theil aber auch darin liegen, dass Kurzsichfige des fiir den Sehakt in mannichfacher Beziehung f'6rderliche Sehen an den Grenzen ihres Nahepunktes nicht aufzugeben im Stande sin& Im hli-

Page 16: Ueber Myopia in distans

t73

ist, so dass wir allen Grund haben, auf eine Schw/iche der hierbei wirkenden Muskelkr'af'te zu schliessen, und doeh k6nnen eben diese Individuen die ungenauen Bil- der, welche ausserhalb dee Aeeommodationsgrenzen ent-

heren Alter widersieht die Weitsichtigkeit therapeutisehen Ver- suchen, obwohl ich t t indeutungen besitze, dass auch bier eine Compensation dutch andere entgegengesetzie Zust~inde mittelst des Sehaktes eingeleitet werden kann ; so sah ich wiederholent- Itch einen weitsichtigen Brechzustand sich dadurch corrigiren, dass Hornhaut oder Linsentriibungen hinzutraten, welche dio Kranken zwangen, dieObjecte hither ans Aoge zu nehmen (siehe Kurzsichtigkeit aus Schwachsichtigkcit Arch. f. O. Bd. I. 2. S. 241). Es wilre vielleicht nicht praktisch dankbar, abet physiologisch interessant, einen nfflssig Weitsichtigen zu diesem Zweck durch eine stenopgische Lorgnette lesen zu lassen. - - Bet der Be- handlung dicser Form ist ferner die mehrfach erwlthnte Reizbar- keit der Netzhaut wesentl ich zu berficksiehtigen, das Tragen blauer GIKser, um alles blendende Licht abzuschliessen und leichte Biguung sitmmtlicher ConvexglKsser fiir den Erfolg hier unumg~inglich; kalte Douchen unterstiitzen die Behandlung, ebenso wie bet vielen Individuen Seeb~i.der, Eisen und alles was den individuellen Verh~iltnissen gem~ss die allgemeine Reizbarkeit herabsetzt .

3) Bet einer dritten K[asse yon Kranken erkliirt sich das Symp- tom der Hebetu d o durch wirkliche A c e o m m o d a t i o n s p a r e s e, d. h. durch einen sehr b e s c h r ~ i n k t e n S p i e l r a u m d e r A c c o m m o d a t i o n . Das noch iibrige enge Bereich der Ac- commodation pflegt dem Auge entfernt zu l iegen, in welchem Fal[e die Erkllirung des Symptoms keinen Schwierigkeiten un- terliegt; abet selbst da, wo die aneinander geriick{en Grenzen in die fiir das Nahesehen g~instige Entfernung fallen, kommt Hebetudo geringeren Grades vor. Der Grund der Unterbrechung kann hier nicht in Zerstreuungskreisen l iegen, da tier Accom- modationszustand sich gleich bleibt, ieh glaube vielmehr, dass die s t e t i g e Spanmmg und der hiermit verbundene s t e t i g e Druck der Netzhauffunktion entgegenwirkt, welche wie w i r e s leicht beobachten kSnneu, einen gewissen Wechsel des Accom- modationszustandes liebt. Ich habe aber das Phiinomen (welches obiger Definition zufolge nicht streng zur hebetudo visus ge- hSrt) in diesen Fitilen zu wenig genau analysir t , um dieser Erkl$irung eta Gewicht beilegen zu kSnnen, m(iglich auch, dass eine gewisse sehmerzhafte Alienirung des Accommodationsgefiihls

Page 17: Ueber Myopia in distans

i74

stehen, ziemlich ausdauernd f'dr ihre Wahrnehmung be- nutzen, w~hrend audere Individuen, bet denea die Ac- commodationsverh~iltnisse welt giinstiger erscheinen, die geaannte ]?~ihigkeit nicht besitzeu, vielmehr dutch ge-

die Ursaelm des Symptoms abglebt. Letzteres scheint mir nach Belladonna-Wirkung zu existiren we manche Individuen selbst mit Stenop~iisch-ConvexenBriilen nicht ausdauernd lesen kSnnen, wegen intraocularer Schmerzer~, doch ist auch dieser Vergleich wegen der bier obwaltenden Cirkulationsver~inderung im innern Auge nicht schlagend. - - Bet dcr Behandlung des Aceommo- dationsparese handelt es sich besonders um die zu Grundo lie- genden Momente; si,~ folgt nicht seiten neuralgischen Affeetio- hen, ist mit aUgemeiner Muske[schwiiche - - bes. bel S~iufern, chlorotischen und Herzkranken - - verbunden, begleitet die moisten schweren Aligemeinkrankheitea, nach deren Ablauf sic nicht selten zuriickbieibt. Sic ist vielfach mit Am- blyopie verwechselt worden, und Beobachtungen fiber den Zu- sammenhang van Krankheiten innerer Organe mit Amblyople slnd oft an dieser Klippe geseheitert, da its, den Hospit~ilern die nSthigcn Brillenpriifungen selten angestel[t werden, und die Beschwerden der Paiienten, so wie fliichtige Sehversuche ganz wie bet Schwachsichtigkeit ausfallen. Oertlich sind hier Accommodations-Uebungen und gewisse Reflexreize dienlich z. B. des Eintr:,iufeln yon Opiumtinctur, wonach neben dcm kriiftigen Lidschlag und derPupillarverengerung aueh der Brech- zustand naehweisbar zunimmt.

4) Von alien dicsen Ursachen des Hebetudo, die sieh mannigfaeh gruppiren, in eieander 5bergehen und denen sieh, wenn wir ins Bereich der eigentlichcn Hyperaesthesia retinae iibergreifcn wollen, noch mehrfaehe, anderwcitige Zust~nde hinzufSgen liessen, unterscheiden sieh wesentlich die, welche yon m a n - g e l n d e r E n e r g i e t ier d e n B u l b u s b e w e g e n d e n M u s k e i n a b h i i n g i g s ind . Abgesehea ~'on Paresen und Konvulsionen der Augenmuskeln (Nystagmus giebt nur scltea den Grund ab, well sich der Sehakt dutch Uebung tiber die StSrl,ng weghilft; dennoch sah ich zwcimal bci Nystagmus der Obliqui des erhaltene GefSllt fortwilhrender Scheinbewegungen, und hierauf basirende schnelle Ermiidung) ist es besonders un- g e n i i g e n d e s W i r k u n g s - V e r m b g e n t ier M u s e u l i r e c t i i n t e r n i , welches bei vielen Individuen eine ausdauerndo Ein- stel-lung tier Sehaxen auf sehr naho liegende Objecte un- mi~glieh maeht; nach einiger Zeit veri~isst das eine Auge die

Page 18: Ueber Myopia in distans

t75

ringe Zerstreuungskreise in itn, er Wahrnehmung so ge- st~rt werden, dass din" Sehakt selbst (und die mit ibm verbun(lene Einh~itung eines bestimmten, relativ zweekm'assigsten A(:eommodations-Zustandes) erlischl.

ihm zukommende Riehtung, die beiden Gesichlsfelder weichen ause, inander und dot Kcat~ke giebt en tweder 1)oppof oder Ver- s c h w o m m e n s e h e n (verMq)pies Doppe l sehen) an. Besonders h~tufig ist dieser Zusiand bei Myopischen, welche Behufs ihrer Brechungsverlff i i tnisse eine stiirkere Convergenz und deshalb aueh st~irkero inner(,. Augenmuskel~) brauchen. Ist nun der nSihige Consensus zwischen der Accommodation und den in- nere, n Augenmuske ln durch eine anoma[e Anlage gelockert, oder haben (lie Kurzsicht igen selbst dm'ch das unzweekmilss igo Tragen von C(mcavgl~isern denselben aufgehoben, indem sic sich einen ihrer Kurzsicht igkei t nicht zukommenden paral[elen Blick ane igne ten , so tritt die StSrung ein; bei e inigen flieht dann das eine Auge ganz nach aussen , um dutch grSsseren Abstand der Doppelbihier den Sehakt weniger zu s t S r e n . - Das Posiu- l a t d e r Therapie bes teht in sys temat i sche r Sti trkung der Mus- cuti recti intcrni, damit die gewtinschte t Iarmonie wieder her- gesteli t werde. Obigen Grundsittzen zu Folge darf man aueh hier nicht dutch Uebungen den itussersten Grad yon Verkilr- zung bei tier gemeinschaf ' t l ichen Einr ichtung beider Augen zu vermehren suchen , v iehnehr muss man dahin sireben, den mittleren Spannungszus t and allm:ahlig zu erhiihen. Man er- reicht dies am Besten durch alas Tragen yon c o n c a v - p r i s m a - t i s c h e n G l l i s e r n . Die Concavitaeten sind so gewiihl t , dass die Pat ienten mit milglichst herabgese tz te r Accommodat ion andauernd klar in [lie Ent fcrnung sehen , um nieht die Kurz- siehtigkcit in einer i iberhaupt , abe t besonders bei der er- w~i, hnten Disharmonie unerwiinschlen Weise zu vermehren . - - D i e mit den C oncav - Glitsern in ein Siiick verbunde- hen Pr i smen sind 3 oder 4 Grad stark und haben ihre Basis au f der Sehliifenseite. Unier diesen Glitsern n e h m e n lrotz der g rossen Eni fe rnung der Gesichisobjecie die Sehaxen behufs des E in ihchsehens eine leicht conve-girende Rich tung an und es wird so unvermr tier mittlere Spannungszus t and der museuli reeti inlerni vermehrf. V o n d e r vortreffl ichen Wir- k u n g dieser G[itser, die ntttiirlieh nnr fiir die En i fe rnung ge-

braucht werden , babe ich mich noch j i ings t an einem Pat ienten i iberzeugt , tier an fangs Concav 18 zum |esen gebrauchen m u s s t e , wei l se ine A u g e n m u s k e l a andauernd keino grSssero Convergenz als au f 1 0 " En t fe rnung unterhal ten konnten

Page 19: Ueber Myopia in distans

i76

Z u d e r e r s t e n R e i h e geh~Jren o f f e n b a r v ie le P r e s b y o p e n

u n d H y p e r p r e s b y o p e n , d e r e n A c c o m m o d a t i o n s - G e b i e t

a u s s e r o r d e n t l i c h b e e n g t ist, u n d w e l c h e d e n n o c h l a n g e

Ze i t j e n s e i t s i h r e r A c c o m m o d a t i o n s - G r e n z e n W a i l r n e h -

und nach dem sochswfchentiichen Tragen yea Concav prismao

tlseh ( ~ ) dahin kam, ohne Brillo, d. h. in t i - - 7 " a u s -

dauernd zu lesen.

Eino freilich nieht so mfhevolle, abet aueh welt unvoli- kommenero Therapie besteht darin, dass man den Individuen sehwaehe (in einigen F~Ulen leicht gebl~iute) ConcavglAser fiir die Arbeit giebt. Mittelst dieser kfanen sic die Objeeto welter abhaltea und stellen also an die Musculi recti interni geringero Anforderungen. Es heisst dies abet mehr die flehwierlgkeiten umgehen, ais sio heben. Aueh der m e t h o d i- s e b o Gobrauch soleher Coueavgt~iser d. h. das WAhlen hfho- rer Nummern f'dhrt nach obigen iiber Muskellibung angegebc- nen GrundsAtzen zu keinem Resultat fiir did Energie der recti interni. Wer den Nachtheil yon Concavgl~isern beim Sehen in die N~he genau studirt hat, wird gewiss dies Verfabren wirkt unbedingt gut heissen, wenng[eich es sich gusseror Umst,indo wegen nieht vollst~Ludig umgehen l~sst.

Ein noch bequemerer aber noch unvollkommenerer Weg bosteht darin, das eine Auge auf irgend eine Weise z. B. dureh das Vorseizen oiaes gebl~uten Planglases veto Sehakt auszuschliessen. Die Physio[ogen wordon nach so vielen Er- rungenschaften fiber das binoeulare Sehen den Augen~Lrzten wogen dieses Zudockens, wenn es verallgemeinert wllrde, nicht obea Lobsprfcho weihen; in der That dlirfen wit dieses Mit- tel nur dann gut heisson, wonn Unterschiedo in der Brech- kraft odor Sehkraft odor unheilbare Muskelparalysen odor natfirlicho Antipathio gegon Einfachsohea (Archiv ffir Oph- tbalmologie, Bd. L S. 117.) eine Herstellung des binocularen Sehakts unmfglich machen. Wegen der hier in Rode stehen- den Muske[iasuffizienz halto ich niemals den Ausschluss des einen Auges fiir nfthig, da ich, wonn aLle Mittel ihren Dicnst versagen, stets ein so grosses Ueborgewieht des rect. extot'n. fiber rect. intern, fond, dass die partielle oder totale Tenotomio des letzteren verrichtet werden konnte.

Dot Gegenstand der Hebetudo is~ so vielfach an- und ab- gegriffen worden, mit so vielen Namea aus verschiedenen Sprachen bezeichnet, dass es schiiesslieh wie in der Krank- heir selbst zu einer grossen Verwirrung der Objecto gekom- men ist. Die Arbeit des Entwirrens mfchto sich in einigon

Page 20: Ueber Myopia in distans

177

mungen zu ormittoln im Stan(le sind; vor allen Ue- 1)riTen gewisse Staaroperirfe, die mit sehr unpassen- den Convexgl/isern odor auch xanz ohne dieselben Dru('kschrift lesen, obwohl ihr Nahepunkt .jenseits unendlich liegt, u t~d das Accommodations- Gebiet (s. w. u. pag. 188) ausserordentlieh klein, beinahe -= 0 is(. Zu der le/zteren Reihe dagegen gehSren .jene zahlreichen Patienlen, die bei unbedeutender Ab- riiekung des Nahepunktes, oder fast ohne dieselbe lediglich bei AbrSckung des mittleren Aeeommodations- Gebiets (siehe (lie Anmerkung) nach kurzen Zeitriiumen .iede XVahrnehmungsf/ihigkeit vollst/indig verloren, weil der natiirliche Re~eximpuls des Sehaktes auf die Aeeom- moda|ion autgehoben oder alienirt wird. Wiire die ge- daehte Form yon Hebetudo visus lediglieh eine Krankheit der Aecommodationsmuskeln - - niimlieh Mangel an aus- dauerndem Contraetionsvermiig,m - - so mfisste noth

wendig, wenn wit anders die aus der Muskelpathologie gezogenen Schliisse fiir den Aceommodations-Apparat gelten lassen, ein gleichm'assigeres Verh'altniss stalt- linden zwischen ihrem Vorkommen und dem Spielraum (tcr Ae('ommodation, dem mittleren Spannungsgrad der aceommodativen Kriifte (Breehzustand)und dem Aeeom. modationsgef~ihle, trod doeh stellt sieh ein so!ehes Ver- h':il/niss keineswegs heraus. Wi t sind deshalb zu dee Annahme gezwungen, class z w a r d a s P h i i n o m e n d e r e i n t r e t e t e n d e n V e r w i r r u n g de r G e s i c h t s - o b j e c t e (hebetudo) a u f e i n e m N a c h l a s s e n ties A c c o m m o d a t i o n s - Z u s t a n d e s b e r u h t , d a s s a b e r

C, renzen nicht gut abthun lassen, und wiirde auch IRerarisch sehr weitliluftig ausfi~llen. Die vorsichenden Notizen babe ich mitgetheilt, theils um mich gegen den Vorwurf einer ontologi- schen Auffassungsweise der ,,hebetu to' zu schti{zen, flmils well (lie Beob~chtung'en, ~ls auf Messungen beruhend, Einiges zur weiteren Forschung bcitragcn kSnnten.

Arehiv tih, Oph~hah~mlogie. Bd. 2. I. 12

Page 21: Ueber Myopia in distans

i78

der H e r g a n g f[ir e ine Re ihe yon Fa l l en in der e n g s t e n A b h a n g i g k e i t yon e i n e r p a t h o l o g i s c h e n U n v e r t r a g l i c h k e i t der N e t z h a u t g e g e n k le ine Z e r s t r e u u n g s k r e i s e s t ehe ; fiir solehe Erklarung sprechen auch die gleichzcitig vorhandenen Blcndungs- erscheimmgen, der Nutzen blauen Lichtes und nile iibrigen juvantia et nocentia.

Der Zustand unserer Accommodation ist in der- selbcn Weise durch die Netzhautfunction rcgulirt, wie die Bewegungen des Augapfcls. Die Wechselwir- kung, welche zwischen beiden Factoren Start findet, macht oft die Analyse des Herganges sehr schwie- rig: unregelm/issige Accommodation muss dutch BiN dung yon Zerstreuungskreisen die Netzhaut zweck- widrig erregen, und unregelnriissige Perception Seitens einer krankhaft errcgten Neizhaut hebt ihrerseits die Einleilung tier zweckgemassen Brechzust/inde auf. So ist auch die Ueberreizung der Netzhaut bei tier s Form der hebetudo yon Vielen lediglieh als Folge- erkankung, n';imlich als Product des Undeudichsehens, betraehtet worden, abet auch hierfSr muss ich aufHyper- bresbyopen und Staaroperirte hinweisen, welchen nahe und entfernte Objecte in Zerstreuungskreisen erseheinen, und bei denen doch eine ahnliche Errcgung der Netz- haut nicht eintritt. Endlich dient zur Unterstiitzung nn- sorer Anschauungsweise alas Verwandtschafisverh~ilt- hiss tier einfachen hyperaesthesia retinae zum Symptom der hebetudo. Bei ersterer verhalten sich ans die Grenzen der Accommodation vollkommen normal, und doch ist ein dauernder Sehakt in der einen oder an- deren Enffernung mit nnd ohne Convexg'laser unm~;g- lich. Es kommen solche Patienten vor, welche bei der optometrischen Priifimg sich als wahre Muster einer excursiven und normalen Accommodation erweisen, und trotzdem sind sic nicht im Stande, durch irgend tin

Page 22: Ueber Myopia in distans

179

optisehes Hiilfsmittel l'anger als einige Minuten zu lesen; unert~'/igliehe Sehmerzen, heiEinigen innerhalb derAugen, hei Anderen in din" Umgebung, oder auch auf entfern- teren Nervenbahnen ausstrahlend, hiiufi~7 zum Schwin- del und zm' Uebelkeit, zuweilen sogar zu allgemeinem Zittern und Oonvulsionen f{ihrend, unterbreehen den ,qehakt. Bildet sieh nun diese, oft iiusserst hartn~iekige Symptomgruppe zur0ck, so hat man gewShnlich Oe- legenheit, alle Uebergangsstufen zum gewShnliehen Symptom der hebetudo visus successive zu beobaehten, indem die Zeiehen der Hyperaesthesie sieh allm'ahlieh verlieren, dagegen eine 8ehwiiehe des Aeeommodations-. Apparats - - dutch die anomale Regulirung Seitens der Netzhaut bedingt - - sich deutlieher auspr/igt.

Ieh kann diesen Gegenstand nieht verlassen, ohne die Erseheinung zu erwiihnen, dass vielen Individuen die W a h r n e h m u n g s f ' a h i g k e i t bei Z e r s t r e u u n g s k r e i - s e n ingrSsseren Abstiinden yon denAceommodationsgren- zen his auf einen gewissen Punkt erhalten ist, wlihrend sic in geringeren Abstiinden yon denselben fehlt. Das deut- liehste Beispiel hiervon geben uns die t l y p e r b r e s b y - o p i s e h e n~ d.h. solche Individuen, deren Auge sich nur f{ir eonvergirendes Licht adaptiren liisst, so dass es aueh zum Sehen enffernter ()bjecte der Sammellinsen be- darf'; diese Individuen sind meist im Stande, bei grosset Anniiherung, z. B. auf 4 - 6 Zoll, gr~;ssere 1)ruekschrili't zu lesen; entfernt man dieselbe aber mehr vom Auge, etwa (ibm' 8--10 Zoll, so sind sic nicht mehr im Stande, zu erkennen, und doch nimmt fiir die letzt- genannten Verhiiltnisse die Divergenz des Liehtes relativ al), und werden somit die VerhNtnisse tier Brechunp~' relativ g[instiger. Solche Kranke halten sich, well sie entfernte Objecte undeutlieh erkennen, meist s kurz- siehtig, obwohl sie sich yon wahrhaft M yopischen s('hon dadureh unterscheidon, dass l~etztere die allerfeinsten

12"

Page 23: Ueber Myopia in distans

t80

Objecte, selbst feinere als Gesunde in geh(~riger N~he zu erkennen vermiigen. Mail kiinnte, ohne den Bau des Auges genau zu controliren, der sich durch flachere vordere Kammer und durch engere Pupille genii- gend yon dem Bau der Myopisehen abscheidet, und ohne Anwendung yon Gl~isern die Symptome auf eine Combination yon Kurzsichtigkeit und Schwachsichtigkeit beziehen; fiberzeugt man sich ab.er yon der Wirkung der Sammelgl:~iser, so findet man fiir die Enffernung mittelstarke (No. I 0 - - 2 0 ) , f~ic nahe Objecte starke (6--10) passend. Dureh die letzteren kann nun Druck- schrift welt fiber das frfihere Bereich hinaus, zuweilen bis an die Grenze einer natiirlichen Tragweite erkannt werden; denn nicht immer ist mit diesem Zustande eine erhebliche Beschriinkung des AccommodationsvermSgens verbunden. In einzelnen F';illen werden sogar Convex- gl~iser, die wir sonst nut bei Staarkranken verabreichen (2'/4--3), die letztgenannten Dienste leisten, und ich be- sinne reich eines 12j~hrigen Knaben (mit vollkommen normalem Stand der Linse), der dutch Convex 13/4 yon 4 his auf 8 Zoll las. Eben well diese Individuen ihre excessive Weitsiehtigkeit maskiren, ereignet es sieh haufig, d ass die wahre Natur des Uebels sparer als bei einfaeh Presbyopisehen erkannt, und aueh die riehtige Wahl der Gl~ser sp~iter getroffen wird. Sie sind bis dahin gezwungen, ihr Sehen in Zerstreuungskreisen mSgliehst auszubilden, so dass sic oft eine erstaunens- werthe F~ihigkeit darin erlangen; wir h~;ren sie nieht selten mehr fiber das Undeutliehsehen in der Ent- fernung als in der N/ihe klagen, obwohl, genau genom- men, die Breehungsverh';ilmisse f{ir nahe Objeete doeh noeh weit ungfinstiger sind. ~ Wie erkl~irt es sieh nun, dass diese Patienten grade in der naehsten N~he (4--8') besser erkennen, als in einer etwas gr~sseren Distanz? Auf die absolute Gr;Ssse des Gesiehtswinkels kann es

Page 24: Ueber Myopia in distans

1 8 i

hierbd nicht ankommen, dh die Sehsch'arfe normal und die Druckschrif't so gew'ahlt ist, class sie einem gesun- den Auge aueh noch in dol)pelter und dreif'acher Ent- ibrnung vollkommen deutlich w~thrnehmbar ist. Um (lies zu entscheid(m, ahme man die Verhiiltnisse am gesunden Auge nach, indem man dasselbe mit einem starken Concavglas (5- 6) ausr[istet; nimmt man alsdann eine grOssere Druckschrift recht nab ans Auge, so kanu man dieselbe entziffern, freilich der mangelnden Uebung wegen nicht so gut his der ttyperpresbyopisehe; entfernt man sie abet, .je nach den Verhiiltnissen fiber 8, 12, t6 Zoll, so breiten sich die Zerstrcuungskreise der ein- zelnen Buchstaben iiber die Intervalle aus, und die Schrift ]iiuh uukenntlich durcheinander. Wi t iiber- zeugen uns hierbei, dass die r e l a t i v e Gr~3sse d e r Z e r s t r e u u n g s k r e i s e zu d e m B i l d o w'achst, wenn das Object [iber die genannte Grenze enffernt wird, ein Resultat, was auch a priori vorauszusehen war. Ein ]eder Punkt der Aussenwelt giebt offenbar, je n'aher er l)ei einem Hyperpresbyopischen ans Auge gebracht wird, ~tuch einen desto grSsseren Zerstreuungskreis. Abe," diese VergrSsserung ider Kreise gesehieht, wie es ein- t'a(-he dioptrische Betrachtungen ergeben, nieht in dem umgekehrten Verhiiltnisse der Quadrate der Entfi~rnun- gen, d. h. in d e m Verhiiltnisse, in welchem die FlSchen- ausdehnung der Bilder hUt" der Netzhaut steigt, sondern in einem langsameren Verhiiltnisse.

Wit k6nnen uns dic dioptrische Wirkung des normalen Auges ersetzt dcnken dureh die Wirkung einer F/fiche veto radius 2,472 par. Lhfien deren Seheitel 0,95a lin. nach ein- w~irts yon der Homhaut absteht, und welche ein breehen- den Medium mit (lem index l,aa9 gegen ein medium veto index 1,000 schcidet.*)

~) Dicse Annahme miissie mit der Hinzuziehung einer zweiten (Hauptpunkls-) Ebenc ergitnzt werden; da aber dieso zweito Ebeno (Gauss) sich den bekannten Rechnungen zufolgo 1~1o lin. einwiirts

Page 25: Ueber Myopia in distans

182

Es bedeute in der Figur

-dH-~- a den Abstand des Objectes (.4) I yon dem Scheitcl (H) _ B H = a dcn Absf~and (los Brides (B) der Substitutions- R H - ~ - e den Abstand dcr Netzhaut (R) I flfiche. C H = d den Abstand der H(wnhaut (C)

D D , = 0 den Diameter der SehSffimng, d. h. desjenlgen Kreises der Hornhaut, durch wclchen den Brechungs- zust~il~den gem~iss Lichtstrahlcn zur Pupille gelangen.

x den Diamcter des Zerstreuungskreises auf dcr Netz- haut.

so ist x : EE, ~ a - - e : a, mid hierin fllr E E , den Ausdruek O . a .

a - d (aus den Dreiecken -dDD, und .dEE,) gesctzt:

a o ~ - - e Lg) : Oo

a - - d o~

Dividiren wir im ersten Brueh Zfihler und Nem~er mit a, im zweiten Brueh mit a, so verwandelt sieh der Ausdruek in

t e x = O . - - . 1 .

d a Ct

Da nun der Abstand d (filr das normalc Auge 0,952 lin.) gegen den Absiand a verschwindend ldein ist,

k \ E

B �9 ;;

0 ::i L j

J }s El /

/

yon der tIornhaut, also vonjener nut um 0,147 lia. distant befindet, so cntspringen keine crheblichen Fehlcrquellen, wenn man der Einfach- heir wegen ffir unscre Zwecke sich mit jener e i n e n Substitutions- fl/icho begniigt.

Page 26: Ueber Myopia in distans

183

d 1 so dm't' der Bruell - - vcrl,tchliisslgt mid hiermit . . . .

l d - - go

gesetzt werdcn.

Es bleibt also o(,_ e) Substitulrcn wit nul~ t i i r - I den aus dioptrisehen Gesetzen be- c~

kam~ten Worth

1 1 1 (t f ~R a ~

in welchem m (l(~n Brechungsindex des Substitutions-Mediums {tiir alas nonnale Auge 1,339) u. f die Fokaldistanz dessclben (fiir das normalc Auge 9,76i lin.*)bezeichnet, so blcibt fiir x

In diesem allgemeinen Ausdrueke fur den Diameter des Zerstreuungskreises bellndet sich bei variablen a ein-

real die k~ Griisse ( 1 - - ~ ) w'ihrend i-ma rezi-

prokcn Verihiderungen yon a unterwortlm ist. Wiire die konstante Griisse ~ o, so w~irde mithin der Zerstreuungs- kreis im umgckehrten Verh~iltnisse zu a steheu; diese Be- dingung ist erfiillt, wenn e ~ f ist, d. h. wenn die Netz- haul sich in der Fokaldistanz mid demnach d a s A u g e f i i r p a r a l l e l e s L i c h t a c c o m m o d i r t befindet; filr die- sen Fall werden also die Zerstreuungskreise in demselben Vcrhiiitnisse zuuehmen, als (lie Entfimmngen des Objectes ab/mhmen. Was aber aber flit dicso letzteren gilt, gilt in rcziproker Weise aucil fiir (lie Griissen der Netzhautbilder, soiern wir an(lcrns den (gegen den Objcctabstand) ver-

~) Aus den obigen Werth(m r ~ 2,422 lin. und m ~ 1,339 nach

,-~,--I r gcrcchnet.

Page 27: Ueber Myopia in distans

184

schwindend kleinen Abstand der Substitutionstt~iche roll dem Kreuzpunkt der Richtungsstrahlen vernachl~issigen, und demnach die Diameter der Netzhautbilder den hbst~inden a umgekehrt proportion'fi setzeu. Es werden -dso auch bci fortschreitender Aml~iherung des Objectes die Zer- streuungskreise nicht relativ klciner zu den Nctzhautbilderu werden k(hmen.

Ist dagegell das Auge fib' konvergirendes Licht adap-

tirt, also e < f so stel l t die konstante ( l - - f ) einenpo-

sitiven Werth dar, welcher die Reziprozit~it zwischen a und x st~it, und zwar in der Weise - - wie sich aus tier For- reel ergiebt-- dass nun bei wachsendem a, x relativ langsa- mer sich verkleiuern, mad bei Verringerungen yon a relativ langsamer wachseu wird. Stalt a, den Objectabst~izldeu kSn- hen wiederum die Bildgriissen gesetzt werden. Es sind dies die erw~ihnten Verh~iltnisse der Hyperpresbyopen, und da die Grilsse f - e den Grad der Hyperpresbyopie anzeigt, so wird aueh die Disproportionalit~it um so ausgesprochener sein, je hochgradiger (lie tIyperpresbyopie ist. -- Ich brauche nieht zu erw~ihnen, class bei diesen Rechnungen, welche lediglich bestimmt sind, die im Text beschriebene Eriahrungsthatsache zu veranschaulichen, yon alien Neben- umst~inden, d. h. Weehsel im Pupillarumihng, Verschieden- heir des Breehzustaudes flit vertikale resp. horizontale Ob- jecte abstrahirt ist,

Denken wit uns zwei Punkte aui' einem Blatt Papier,

und zwar in geringem Abstande yon einander, so wet-

den l~ir eine gewisse Entfernung des Blattes die Zer-

s l reuungskreise ( jemal iger Complex des Bildes mit

seinen farbigen Nebenbi ldern) ' auf der Netzhaut so

,gross sein, dass sie sieh in dem Intervalle eben be-

rfihren. Wird nun das Biatt mit den zwei Punkten ent-

fel'nt, so Verringert sich zwar die absolute GrSsse der

Zerstreuungskreise auf der Netzhaut , well eine relativ

bessere Brechung Statt finder, abet die absolute Breite des

Intervalles verringert sich auch, und zwar noch rascher,

weshalb nun die Zerstreuungskreise sich nicht blos be-

riihren, sondern schneiden. Am schiinsten macht man

Page 28: Ueber Myopia in distans

t85

(tml Versuch mit zwei schwarzen ~triehen auf weissem I[intergrund: Man zeiehne zwei parallele, ziemlieh starke. vertieale Linien mit Dime in einem Abstande yon 3% riiste das normal breehende Auge mit Coneav 4 aus, und betraehte llun zuerst (lie Linien in ether Enffernung ~on 4 Zoll, so erseheinen sir freilieh nieht vollkommen ,,chaff, sondern das Bild .jeder Linie ist yon jenen lhrbigen Nebenstreifen in bekannter Anordnung um- geben, deren Komplex den Zerstreuungskreis bildel. Die Breite des Ganzen nimmt aber nur {;a~'/.2 des In- tervalles ein; vermehrt man nun (lie Entfermmg yon =t,, allmdhlieh aul7 12", so werden dice Zerstreuungs- kreise im Verhfiltnisse zum Intervall immer breiter, (lies h,tzte rein/iv immer envm'; is( e/l(lli('h (lie Ignll~rnung ~ul' 16" gekommen, so ber{ihren sieh die beiderseitig,m Zerstreuungskreise, so (lass gar kein t'reies Interval[ mehr {]brig gelassen ist. Beim E r k e n n e n der Druek- sehrift komml nun alles darauf m~, dass die Buehstaben (l~ireh die 'geharigen Zwisehenr'aume yon einander ge- trennt erseheinen; so wie (lies aufhSrt, is( atteh die, Distinction aui~ehoben, w/ihrend ohnedem die Zer- streuungskreise tremor noeh flit (lie Wahrnehmung be- mltzt werden, well i h r e l l i i n d e r mi t d e n e n d e r B i l - ( l e t ' n a h e z u p a r a l l o l l t l e i b e n , a l so e i n e n S c h l u s s a u f (lie Form(.~n g ( , s t a t t e n . Der Naehweis, class das l']rkennen der Sehrii't gerade dn aufhSrt, wo die benaeh- barren Zerstreuungskreise si('h sdmeiden und deshalb ihre l:ormen vermischen, ist besonders bet grosser Druek- s(:hrift sehr sehlagend, well man beinahe so gut als bet den Streifen die Nebenbilder und ihren Complex, den Zerstreuungskreis, zu beurtheilen vermag.

Ganz dassell)o Phiin(m~en linden wit bet S t a a r - o 1) e r irt e n. Dioselben k(;nnen bekanntlieh vorgeha]tene Finger ohne Convexglgls racist nut in einigen Fuss l~ntfornung, sehen wetter als 10, 12' erkennen und &)ell

Page 29: Ueber Myopia in distans

186

n~hern sich die Ob.jecte mit zunehmender Entfernung ihren Accommodationsgrenzen, wie auch die absolute GrSsse des Gesichtswinkels kein Hinderniss fiir ein weiteres Erkennen abgibt. Kiinnen, wie es ausnahms- weise vorkommt, Staaroperirte ohne Brille lesen, so ge- schieht dies ebenfalls ill der griissten N~he, weil bier so grosse Netzhautbilder gelief'ert werden, dass selbst bei der hlichst ungenauen Breehung doeh fi'eie Inter- valle zwischen den benachbarten Zerstreuungskreisen bleiben.