11
144 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Ch-emie. Band 368. 1969 Uber Na,[ Fe(CN),SO,] Eigenschaften und Untersuchung des Zerfalls in waRriger Losung *) Von ENRIQUE J. BARAN**) und ACHIM MULLER JIit 3 Abbildungen Inhaltsubersicht Es werden verschiedene Eigenschaften von Na,[Fe(CN)5S0,] beschrieben. Die Unter- sochung der Zersetzung in Wasser ergab, da13 nach einer Protonierung der Sulfitogruppe ein Austausch von SO,H- gegen H,O erfolgt. Die kinetische Messung zeigte. daB die Protonierung sehr vie1 schneller als der Austausch erfolgt und die letztere Reaktion nach einem Gesetz erster Ordnung ablluft. Die Geschwindigkeitskonstante fur den Austausch von S0,H- gegen H,O ergab sich zu 0,0029 & 0,0002 min-l fur t = 20 "C. Die Elektronenspektren von Na,[E'e(CN),SO,] sowie weiterer Prussiate wurden geines- sen nnd unter Anwendung der Ligandenfeldtheorie diskutiert. Summary Some properties of Na,[Fe(CN),SO,] are reported and the decomposition of the com- pound in water has been studied. The electronic spectra of Na,[E'e(CN),SO,] and of some other prussiates have been measured and discussed (see Inhaltsubersicht). Komplexe der allgemeinen Formel [Fe(CN),L]"- (mit L = H,O, NO+, KH3, SO:-, usw.) die man gewohnlich als Prussiate bezeichnet, sind schon seit langerer Zeit bekannt (vgl. z. B. l)). Systematische Untersuchungen dieser iiiteressanten Verbindungenwurden jedoch erst in jiingster Zeit durchgefiibrt. Dabei wurden z. B. MOSSBAUER- 2)3), Infrarot-4)5)6) und Elektronen-Spek- *) Vorbericht: Z. anorg. allg. Chem. 364, 338 (1969). **) Forschungsstipendiat dPr ,,Alexander von Humboldt-Stiftnng" (aus La Plata, 1) K.A.H~IMANN, Liebigs Ann. Chem. 313, l(l900). 2) R.L.COSTA, J.DANON u. R.MOREIRA XAVIER, J. Physics Chem. Solids 23, IT83 3) E.FLLTCK, E.KERLER u. W. NETJWIRTH, Z. anorg. allg. Chem. 333, 236 (1964). 1) E. F. Q. HERINGTON u. W. KYNASTON, J. chem. Soc. [London] 1965, 3555. j) L. TOWIu. J. DANOX, Inorg. Chem. [Washington] 3,160 (1964) ") W. HABERDITZL, K. D. SCHLEINITZ u. H. 0. B~RTEL, Z. Naturforsch. 23 b, 891 (1968). Argcntinien). (1962).

Über Na5[Fe(CN)5SO3]. Eigenschaften und Untersuchung des Zerfalls in wäßriger Lösung

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144 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Ch-emie. Band 368. 1969

Uber Na,[ Fe(CN),SO,]

Eigenschaften und Untersuchung des Zerfalls in waRriger Losung *)

Von ENRIQUE J. BARAN**) und ACHIM MULLER

JIit 3 Abbildungen

Inhaltsubersicht Es werden verschiedene Eigenschaften von Na,[Fe(CN)5S0,] beschrieben. Die Unter-

sochung der Zersetzung in Wasser ergab, da13 nach einer Protonierung der Sulfitogruppe ein Austausch von SO,H- gegen H,O erfolgt. Die kinetische Messung zeigte. daB die Protonierung sehr vie1 schneller als der Austausch erfolgt und die letztere Reaktion nach einem Gesetz erster Ordnung ablluft. Die Geschwindigkeitskonstante fur den Austausch von S0,H- gegen H,O ergab sich zu 0,0029 & 0,0002 min-l fur t = 20 "C.

Die Elektronenspektren von Na,[E'e(CN),SO,] sowie weiterer Prussiate wurden geines- sen nnd unter Anwendung der Ligandenfeldtheorie diskutiert.

Summary Some properties of Na,[Fe(CN),SO,] are reported and the decomposition of the com-

pound in water has been studied. The electronic spectra of Na,[E'e(CN),SO,] and of some other prussiates have been measured and discussed (see Inhaltsubersicht).

Komplexe der allgemeinen Formel [Fe(CN),L]"- (mit L = H,O, NO+, KH3, SO:-, usw.) die man gewohnlich als Prussiate bezeichnet, sind schon seit langerer Zeit bekannt (vgl. z. B. l)). Systematische Untersuchungen dieser iiiteressanten Verbindungen wurden jedoch erst in jiingster Zeit durchgefiibrt. Dabei wurden z. B. MOSSBAUER- 2)3), Infrarot-4)5)6) und Elektronen-Spek-

*) Vorbericht: Z. anorg. allg. Chem. 364, 338 (1969). **) Forschungsstipendiat dPr ,,Alexander von Humboldt-Stiftnng" (aus La Plata,

1) K.A.H~IMANN, Liebigs Ann. Chem. 313, l ( l900) . 2) R.L.COSTA, J.DANON u. R.MOREIRA XAVIER, J. Physics Chem. Solids 23, IT83

3) E.FLLTCK, E.KERLER u. W. NETJWIRTH, Z. anorg. allg. Chem. 333, 236 (1964). 1) E. F. Q. HERINGTON u. W. KYNASTON, J. chem. Soc. [London] 1965, 3555. j) L. TOWI u. J. DANOX, Inorg. Chem. [Washington] 3,160 (1964) ") W. HABERDITZL, K. D. SCHLEINITZ u. H. 0. B ~ R T E L , Z. Naturforsch. 23 b, 891 (1968).

Argcntinien).

(1962).

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E. J. BARD u. AMULLEK, Uber Ka,[Fe(CN),SO,] 145

treii ') gemessen. 111 der vorliegeiiden Arbeit wird uber einige Eigeiischaften des Katrium-pentacyanosulfitoferrats(I1) berichtet, wobei vor allem der Zer- fall in waAriger Liisung untersucht worden ist. In diesem Zusammenhang w-erden die Elektroiienspektren anderer Prussiate gemessen, miteinmder verglichen und t'heoretisch interpret'iert.

I. %r Na,[Fe(CN),SO,] 1. A r b e i t s v o r s c h r i f t z u r D a r s t e l l u n g : Diese Verbindang wurde nach den An-

gaben voii H O F X A X S ~ ) ~ ) dargestellt. Die reinsten Produkte erhielten mir wie folgt: Zu 20 nil einer 20% ?r'aOH-Losung wurden 30 ml einer 40% Na,SO,-Losung zrtgegeben.

Cnter Kuhlung der Micchung bis auf etwa 5 "C w i d e n 5 g feingepulvertes kaafliches N:L,[F~(CN)~KO] langsam hinzugegeben. Nach 2lstfndigem Stehen bei etwa 10 "C wurde durch Zasatz von Athano1 eine rotgelbe oligr Substanz ausgefiillt. Nach Abdekantieren der oberen wa13rigen Schicht' erstarrt der verunreinigte Sulfitokomplex zu einer festen hell- gelben 3lasse. Durch wiederholtes Losen in Wasser und Fillen mit Athanol kann man die Substanz in sehr reiner Form erhalten. Man mu13 jedoch hierzu mindestens sechsmnl diesen FallungsprozeB durchfiihren. Das lichtgelbe Pulver wurde schlieBlich etwa 48 Stunden in einem Vakuumexsikkator uber H,SO, getrocknet. Die chemische Analyse ergab die Zii- sammenset'zung Sa,[Fe(CS)5S0,]. %H,O.

2. T h e r m i s c h e s V e r h a l t e n : Die Substanz wurde im Hochvakuiim (etwa 10WTorr) thermogravimetrisch untersucht. Die Zersetzung beginnt bei 110 'C unter Abgabe VOII

Wasser. Die weiterhin erfolgende Zersetzuiig laBt sich nicht in definierte Zerfallsreaktionen gliedern.

3. I n f r a r o t - S p e k t r u ni: Die Untersuchung des IR-Spektrums erschien uns besonders interessant, um Aussagen uber die Lage der Y (Me ~- S)-Schwingung in Sulfitokomplexen inachen zu konnen. In der Literatur liegen dariiber noch lreine Angaben vor (vgl.9)).

Bis jetzt ist, lediglich das 1R-Spektrum zwischen 4000-400 em-l bekannt5). In dieser Arbeit u-urden jedoch keine Angaben iiber die LiLge der Schwingungeri des SOi--Tons ge- inacht.

Wir untersuchten das Spektruns zwischen 4 000- 200 em-I ; die gemesse- nen Ba'nden sowie deren Zuordiiiiiig siiid iii Tab. 1 zusammengestellt. Aus deli asigegebeneii Wert)eri lianii man eiit>nehmen, daI3 die ssymmetrische Valenzschwinguiig dcs SOg--Ions, die im freien Ion bei 933 em-l liegt 9) ,

deut,lich nach hohereii TVellenza~hlcn verschoben ist. Die symmetrische \'a- lenzschwingung ist dagegen praktiscli iiicht' verschoben. Die beiden Defor- mationsschwingungen liegen etu-as holier als beim freien Ion. Diese Ver- haltnisse entsprechen gaiiz deiijenigen, die bei aiideren Sulfitokomplexen beobachtet wurden 9)10)11). Die Lage der Randen zeigt deut'lich, dalJ die . ~~~ ~ __

7) R. SHIIJRA 11. N. J . Jlasuua, J. chem. SOC. Japan 7.5, 1 2 1 1 (1 957). 8, B.Lk.HoFxmx, Z . anorg. Chem. 11: 3:' (1896). 9) H. XIEBERT, .,A4nwendiingen cler Sch\~~ingungsspektrosko-pie in tier Anorganischen

10) A. V. BAB.UW.~, Y. Y. KHARITOXOV 11. Z. 31. ~ o v o z ~ ~ s u r x , 2. neorg. Cliim. (J.

11) A. V. BAHAEVA~ Y. Y. KHAI~~TONOT X I . E. V. SIIENUE~~ETSK~I-A, 2. nporg. Chim.

Chemie", Springer-t'erlag, Berlin-Cijt,tingcn-H-eidelbcra 1 %Xi.

anorg. Chem. l.UdSSR]) 6, 1159 (1WiI).

(J. anorg. Chem. [UdSSR]) 7, 790 (1962).

10 %. anorg. allg. Cheniie. I l d . 368.

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146 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 368. 1969

Tabelle 1 1 R - S p e k t r u m v o n Na5[Fe(CN),S0,]. 2H,O i m B e r e i c h zwischen 4000-200 cm-1 Lage (cm-l) 1 Intensitat 1 Zuordnung

, 3 450 3 120 2100 2060 1620 1150 1050

960 650 675 625 440 230

sst st

sst, b. sst st s t

b

9

S

s t

v (C -X)

6 (H-0-33) Oberton 575 ctn-' *as@-0) v.3 (S -0) 6,(0-S-O) 6 (Fe-C)

Y (Fe -C) v ( F e - S )

(0 --S -0)( ? )

sst = sehr stark; st = stark; s = schwach; b = breit; Sch = Schul- ter.

Koordination der Sulfitogruppe uber das Schwefelatom erfolgt . Die Erhohung der Frequenz vas (SO) gegenuber dem freien SO:--Ion ist durch die Erhohung der S - 0-Valenzkraftkonstanten bedingt. Eine Abschatzung ergibt f,, = 6,20 mdyn/A (im freien Ion ist f,, = 5,37 mdyn/A12)). Die Ursache fur

f E'"

J 7. \

f \ ,*/*

Abb. 1. Elektronenspektren von Na,[Fe(CN),SO,]. Oben: in w-aBriger Losung.

*\* AL

I,---,

300 350 400 450 m/ Unten : Festkorper-Reflexionsspektrum

12) A. M ~ L L E R , B. KREBS u. C. J. PEACOCK,!^. Kat,urforsch. 23 b, 1024 (1968).

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E. J. BARAN u. A.MULLER, tfber Na5[Fe(CN)$30,] 147

die starkere SO-Bindung im Komplex besteht in der Blockierung des nicht- bindenden oder sc hwach antibindenden Elektronenpaares durch die Fe-S- Bindung.

4. Elekt ronenspekt rum und Verhal ten gegen Wasser: Das Re- flexionsspektrum, das aus Abb. 1 zu ersehen ist, zeigt eine einzige, gut defi- nierte Bande bei 360 mp. Nimmt man dagegen das Spektrum in einer waBri- gen Losung auf, so erhalt man Spektren, die stark zeitabhangig sind.

In Abb. 1 (Kurve A) wird ein Spektrum gezeigt, wie man es sofort nach Herstellung der Losung erhalt.

Man erkennt auIer einer starken Bande bei 360 mp deutlich eine Schulter bei 435 mp. Dieses Spektrum verandert sich sehr rasch, wobei die erwahnte Schulter standig intensiver und die Bande bei 360 mp schwlcher wird. Nach etwa 30-50 Minuten erhalt man Spektrum B der Abb. 1. Spater verliert die bei 435 mp gebildete Bande wieder an Intensitat, wahrend eine neue Bande bei 395 mp erscheint (vgl. Spektrum C, Abb. 1).

Eine qualitative Untersuchung dieses Befundes ergab folgendes : Gibe man zur Ausgangslosung einige Tropfen einer KOH- oder NH,-Losung, so erhiilt man ein Spektrum, das mit dem Reflexionsspektrum identisch ist. Die Zugabe einiger Tropfen Essigsiiure beschleunigt dagegen das Verschwin- den der 360 mp- und den Anstieg der 435 mp-Bande. Dies beweist, daB die zuletztgenannte Bande sehr wahrscheinlich durch Protonierung der Sulfito- gruppe entsteht. Wir konnten weiterhin feststellen, daB die Bande bei 395mp durch das Ion [Fe(CN)5H,0]3- hervorgerufen wird, so daB die Bruttoreaktion zu der Aquatisierung des Komplexes fuhrt. Zur weiteren Deutung haben wir den Zerfall des Komplexes in waBriger Losung kinetisch untersucht.

Die quantitative Auswertung des Elektronenspektrums einer alkalischen Losung des Komplexes ergab fur den Extinktionskoeffizienten E , , , ~ ~ = 350 1 * Mol-l* cm-l und fur die Oszillatorenstiirke f = 0,Ol.

5. Kine t i s c he Un t er su c hung : Um einen Mechanismus fur den Zerfall in waBriger Losung vorzuschlagen und Aussagen uber die Geschwindigkeit des Prozesses machen zu konnen, wurden verschiedene Messungen durchge- fuhrt.

a) Untersuchung der Anderung des pH-TVertes : Wenn unsere Annahme, daB der erste Reaktionsschritt eine Protonierung der SO:--Gruppe sein sollte, richtig ist, so miiBte eine zeitabhangige pH-Anderung der Losung zu beobachten sein, und zwar gemaB folgender Gleichung :

[Fe(CN),SO3I5- + H,O + [Fe(CN)5S0,H]4- + OH-.

Um dieses zu bestatigen, wurden mehrere Messungen mit thermostatisierten Losungen bekannter Konzentration durchgefuhrt. Die MeDergebnisse zeigt Tab. 2, aus der deutlich hervorgeht, daS man drei verschiedene Stufen feststellen kann.

10*

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148 Zeitschrift fur anorganische und allgemeiiie Chemie. Band 368. 1969

Tabelle 2 A n d e r u n g des p H - W e r t e s b e i m Z e r f a l l v o n Na, [Fe ( CX)5S0,] i n w a Brig e r Lij s u ng

Zeit (min) ' pH

0 2 4 6 9

11 14 18 20 26 28 30 34 38 50

45 80

9,60 9,51 9,52 9,54 9,56 9,58 9,62 0,66 9,68 9,74 O , i 5 9,76 0 78 R,80 9,81

Q,83 9,84

~-

k i t (min)

60 70 80 90

100 120 140 160 170

180 190 200 210 285 30.5 3 60 3 i 5

9 3 6 9,87 9,89 9,90 9,90 9,91 R,91 931 9,91

9,r0 9,90 9 3 9 9 3 8 9.86 9,85 9,82 9,81

Anfangs ist ein schneller Anstieg des pH-Wertes zu beobachten, w-obei schon praktisch nach 40 Minuten ungefLhr 707" der gesamten Erhohung des pH-Wertes erreicht wird. Kach einem Intervall, in dem der pH-Wert niir 'langsam zunimmt, bleibt die Hf-lonen-Konzen- tration einige Zeit praktisch unverandert. Zum SchluB ist wieder eine sehr langsame pH- Erniedrigung zu beobachten.

'I'abelle 3 A n d e r u n g d e r E x t i n k t i o n d e r 435 mp- B a n d e be im Z e r f a l l r o n Ka,[Fe(CN), . SO,] i n waBr iger L 6 s u n g (t = 20"C, Konz. = 0,00071 MoJ,

Zeit (min)

IJ 0,45 1,45 4,15 5,oo 6,OO 7 15 s,45

70,15 13.45 16 00

20,oo 24,OO 30,OO

E*)

0 0,05 0,1o 0 22 0,25 0.30 0,35 o,40 0,45 0,55 0,BO

O,64 0,6G 0,6G

lleit (min)

38,00 1 5 , O O 50,oo

60,OO 74,OO 8 4 , O O 93,oo

10%,30 111,oo ll9,30 120,oo 138 ,OO 147,OO

0,66 0,G6 0,60

0,64 0,63 0,g2 0,g1 0,60 0,69 0,68 0,57 0,5G 0,55

_ _

") relative '1Terte.

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E. J. BARAN u. A . & ! ~ ~ L L E R , uber Na5[Fc(CN),S0,] 149

b) Untersuchung der Andcrung dcr Extinktion: Es wnrdcn einc Rcihe von Xessungcn bci dcr Wellenlange 435 mp und bei 20°C durchgcfiihrt, wobei die relative Anderung der Extinktion im Vcrlauf der Zeit gemessen wurde. Eine dicser Messungen ist in Tab.3 zu- sammengestcllt. Wie man sicht, kann man auch in dicsen Fallc dcutlich drci Stufen fcst- stcllcn. Eine schnclle Zunahmc der Extinktionswerte bis O,GG, dann eine unveranderte Reihe von E-Wertcn und zum SchluIj wieder cin langsamer Ruckgang.

Die MeBergebnisse erlauben uns folgenden Reaktionsablauf vorzu-

(1)

(2)

schlagen : [Fe(CN),SO3lS- + H,O + [Fc(CN),SO,H]*- + OH-

[Fe(CN),S0315- + H,O + [Fe(CN),SO3Hl4- + OH-

11 I I 2 0

[Fe(CN),H,0I3- + S03H- [Fe(CN),SO,HI4- + H,O + [Fc(CN),H,O]~- + SO,H- (3)

(4) S03H- + OH- + SO:- + H,O.

Die erste Stufc, die sehr schnell verlauft, besteht in der schon angcgcbenen Protonierung des SOi--Ions, die durch den schnellcn Anstieg drr pH- sowie der Extinktionswerte gckenn- zcichnct ist. Als derauf folgende Reaktion tritt (3) cin.

Bei einem bestimmten pH-Wert sollte nun ein Gleichgewicht entstehen (2) , wobei fur jede Molekel [Be(CN),S03]5-, die protoniert w i d , eine Molekel des Aquo-Komplexes entsteht. Die Nonstanz des pH-Wertes 1813t sich somit gut erklaren, da fur jedes entstandene OH--Ion ein SO,H--Ion frei wird und beide nach GI. (4) reagieren konnen.

Nach einiger Zeit ist dann der ganze vorhandene Komplex protoniert, so da13 das Gleichgewicht (2) ausfallt und nunmehr lediglich Reaktion (3) statt-

109 f 0)

log E

1.5

1,45

Abb. 2. log E der 435 my-Bande als Funktion der Zeit fur: a) Reaktion (1) + (3) (vgl. Text); b) Reaktion (3) (vgl. Text)

‘I ‘0

t (min]

b )

\ T ,

I D 50 100 150 t(min)

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150 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 368. 1969

findet. Diese langsame Aquatisierung des [Fe(CN),S0,H]4--Komplexes fiihrt zur beobachteten pH-Senkung sowie zur Abnahme der Extinktionswerte.

Es erschien weiterhin interessant, Aussagen uber die relativen Geschwin- digkeiten der Reaktionen (1) und ( 3 ) machen zu konnen.

Abb. 2 zeigt log E als Punktion der Zeit. Aus Abb. 2a ist zu ersehen, dal3 nur die ersten Punkte auf einer Gerade liegen. Aus der Steigung der Geraden, die sich durch diese ersten Punkte ziehen laat, kann man ungefahr die Geschwindigkeit fur Reaktion (1) im Vergleich zu Reaktion (3) veranschaulichen.

Der Wert fur die Geschwindigkeitskonstante von (3) k, lafit sich einfach errechnen, da (3), wie aus den Ergebnissen hervorgeht, als Reaktion erster Ordnung ablauft. Aus der Steigung der Geraden (Abb. 2 b) erhalt man eine Geschwindigkeitskonstante k, = 0,0029 & 0,0002 min-' (fur t = 20'C).

Ein Vergleich mit der Steigung der Geraden von Abb.lA ergibt, da13 Reaktion ( 3 ) etwa siebzigmal langsamer als Reaktion (1) verlauft.

Aus dem Geschwindigkeitsgesetz erster Ordnung 1aBt sich grundsatzlich nicht entscheiden, ob Reaktion ( 3 ) nach einem S,S- oder SN2-Mechanismus ablauft, da Wasser als Reaktionspartner im groBen UberschuIj (~55,5Mol/l) vorhanden ist. Grundsatzlich sind folgende beiden Mechanismen moglich (fur Geschwindigkeit = k, [(Fe(CN),S0,H]4-]) :

1. SN2 (Bimolekulare Solvolyse) : langsani

[Fe(CN),SO,HI4- + H,O --+

~ schnell J.

[Fe(CN),H,0I3- + SO,H- 2. SN1:

langsam [Fe( CN)6S0,H]4- ---+ {CWCNJ-) SO&-

schnell {[Fe(CN),I3-} + H,O -+ [Fe(CN),H,O]*.

In der Literatur herrscht auch bei ahnlichen Austauschreaktionen (L -+ H,O) Uneinigkeit dariiber, ob diese nach einem SN1- oder S,2-Mecha- nismus ab1aufen13)l4). Wir glauben im vorliegenden Fall, daIj Reaktion (3) nach einem S,2-Mechanismus ablauft. Der Grund dafiir, da13 der Hydrogen- sulfito-Komplex leichter von Wasser angegriffen wird als der Sulfito-Kom- plex, ist dadurch bedingt, da13 durch die Protonierung die Elektronendichte in der Fe-S-Bindung erniedrigt wird.

11. Die Elektronenspektren einiger anderar Prussiate Wie schon vorher erwahnt, wurden bereits vor einiger Zeit die Elektro-

nenabsorptionsspektren verschiedener Prussiate untersucht'), ohne da13 diese

13) A. W. ADAMSON, J. Amer. chem. Soc. 80, 3183 (1958). 14) S. ASPERGER u. C. K. INGOLD, J. chem. Soc. [London] 1966, 2862.

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E. J. BARAB u. A. MULLER, uber Na,[Fe(CN),SO,] 151

~ ~~~~~

IFe(CN),NOIL- [Fe(CS),NO,]'- [Fe(CN),SO,]'- [Fe(CN),XHJ-

Spektren theoretisch interpretiert wurden. Wir stellten einige dieser Prus- siate nochmals zur Messung ihrer Elektronenspektren dar. Dabei wurden folgende Verbindungen untersucht : Na,[Fe(CN),NO] ; Na4[Fe(CN),N0,] und Na, [Fe(CN),NH,].

In Tab. 4 sind die gemessenen Bandenmaxima (in mp) sowie die berech- neten Extinktionskoeffizienten und Oszillatorenstarken angegeben.

~ ~

(520) 410 (510) 395 23,5 j 0,001 - 405 - 425 I 150 i 0,004 - 360

~ - 360 350 i 0,010

- 400 - 405 ~ 450 , 0,010

Tabelle 4 E l e k t r one n s p e k t r e n (Festkorper und waIrige Losung")) e i n i g e r P r u s s i a t e

Ion 1 Reflesion Losung 1 A ( w ) A (11Ir) I E (1. ~ o i - 1 . cm-1) I f

Auch die Daten fur dasiVa,[Fe(CN),SO,] sind mit angegeben. Bus der Tabelle kann man, entnehmen, daS die Lage der Bandenmaxima mit beiden herangezogenen MeSmethoden ziemlich gut ubereinstimmen. AuSerdem wurde in allen Fallen noch eine sehr starke ,,charge transfer" Bande beobachtet, deren Maximum unterhalb 200 mp liegt ( E -101). Als einzige Substanz weist das Na,[Fe(CN)5NO] zwei Banden auf.

Ein weiterer interessanter Befund wurde auch im Falle des Amminkomplexes festge- stellt. MiSt man namlich das Spektrum der Substanz in waBriger Losung, so erhalt man eine Bande bei 395 mp, die dem Komplex [Fe(CN)5H,0]" zugeschrieben wurde, da auch schon

0.0. I

in NHj-Los. konz,: OB0076M I E l

A4bb. 3. El ektronenspektren von Na,[Fe(CIV),EH,]. Oben: Fe stkorper-Reflexionsspektrum. Unten: in

350 400 450 5 0 0 m ~ konz. NH,-Losung ___c

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152 Zoitschrift fur anorganische und allgemciiie Chemie. Band 368. 1969

friihcr durchgrfuhrte Leitfahigkeitsmessungen bewiesen haben, daO iii waSriger Losung XH, durch H,O verdrangt mird"). Bei Messurig des Spektrums in einer konz. NH,-Losung erlirtlt man dagegen eine Bande bei 405 nip. deren Lage ausgezeichnet mit cler des R,efle- xionsspektrums iibereinst,immt (vgl. Abb. 3).

IJI. %ur theoretisehen Heharidlung der Elektronen-Spvktrcn von Ionen des Typs [Fe(CN),I,]"- (a6)

Die Ionen des Typs [Fe(CN),L]"- kanii man als Derivate dcs [Fc(CQI4- ansehen. indem man ein CK--Ioii durch eineri antleren Ligandcn ersetzt. Dadmch wird die Synimetrie des Komplexes von O,, nach C,, erniedrigt. Hicrbci spalten die t,,-Orbitale in die Orbitale e und b2 und die e,-Orbitale iii a1 mid b, auf. Die Energien dieser Orbitale Ixtragen (vgl. l6)) :

E(a,) = c o -i 6Dq - 2Ds - iiDt

E(b,) = so 7- GDq - 2D9 - Dt

E(b,) = F~ - 4Dq - 1 2Ds - Dt

E(e) = to - 4Dq - Ds 4Dt

Die Parameter Us und Dt sind ein Mal3 fur die Abweichung von der Oktaedersgmmetrie (vgl. 16)17)). Es gilt Dt > 0 fur starke Stabilisieruiig urid Dt -< 0 fiir eine Destabilisierung von a1 im Verglcich zu e, (OJ. ,4us Tab. 5 geheli die Elektronen-Koiifiguratioiieii, Orbitalenergien und XLATER-

l'abvlle 5 Elelct ro n e n - K O nf ig u r a t i one n , O r b i t a1 - und SLATER-C'ONIJON- R n e r g i r i i f u r Ionen d e s T y p s LPe(CN)5L]-n m i t C, , -Symmetr ic

Coxz>ox-Energicii hervor 17). Die auf den Gruiidzustand lA, folgenden Zu- stiinde sind nach GRAY und BALLHAUSEN") lAz und lE(1) (fur den Fall nicht allzix groBer Ds- und Dt-Werte und Dt < 0). Dies laat sich aus den Energie- wr-erten der Tab. 5 wahrscheinlich macheii.

F.HOLZL u. K W O K I T A N ~ K Y , Mh. Chem. 66, 79 (1930). 16) C. J.RALLHAUSEX u. W. MOBEITT, J . inorg. nuclear Chem. 9. 178 (19.36). l i ) H. B. GRAY 11. (". J. BALLHAUSEX, J. chem. Physics 36, 11 51 (1962).

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E. J. BARAN u. AMULLER, uber Na,[Fe(CX),SO,l 163

Die ersteii zwei Randen im Spektrum voii [Pe(CN),NOI2- wurden ent- sprechend lA, 3 lA, und IA, --f lE Ubergangen zugeordnet 17)17"). Der erste Ubergang (IA, 3 1A.J ist allerdings bahnverboten, da im vorliegenden Pall lediglich Ubergange nach A, und E bahnerlaubt sind.

1T. Die Zuordnung undDiskussion der Elektronenspektren von [Fe(CN)sL]n- (L = XH,; NO;; SO:-)

Alle Spektren zeigen im MeBbereich zwischen 900 und 220 mp, wie aus Tab. 4 hervorgeht, lediglich eine starke Bande (abgesehen von [Fe(CN),N0I2-), die ziemlich lagekonstant ist und zwischen 360 und 406 mp liegt. Aus den Extinktionskoeffizienten bzw. Oszillatorenstarken folgt, da13 es sich hier um spin- uiid bahn-erlaubte Ubergange handeln sollte. Wir nelimen an, daD die beobachtete Hauptabsorptionsbande bei allen Ionen einem Ubergang lA, + IE( 1) zuzuordnen ist. Wahrscheinlich liegt im Gegen- satz zum [Fe(CN),NOI2- bei allen aiideren Ionen eine starke axiale Stabili- sierung vor, da die Fe-L-Abstande durchweg langer sein sollten als die Fe-C-Abstiinde (nur beim Kitroprussiat ist Fe--N < Fe-CI8)), was zu Dt > 0 und zu einer Stabilisierung des IE-Zustandes fuhrt Is').

Interessant ist fernerhin, da13 die Extinktionskoeffizienten (bzw. Oszilla- toremtarken) der Bande die dem lA, -> lE(l)-Ubergang entspricht, in der Reilie [Fe (CN);NO,] 4--, [Fe( CN),SO,] ,-, [Fe (CN),NH,] 3- zunehmen . Diese Reihenfolge entspricht derjenigen in welcher die Liganden L (in diesem Falle KO; < SO:- < NH,) in der spektrochemischen Reihe v ~ r l i e g e n ~ ~ ) .

Esperimenteller Teil Die D a r s t e l l u n g d e s S u l f i t o k o m p l e x e s wurde bereits oben beschrieben; die ande-

ren Prussiate wurden nach den beh,nnten Literaturangaben hergestellt und analysiert 1)no)21) und inittels ihrer IR-Spektren identifiziert 4)5)6).

lia) I n einer neueren Arbeit (P. T.MANOHARAN u. H. B.GRAY, Inorg. chem. [Washing- ton] 5,823 (1966)) werden diese Banden d(xy) +- ?,*NO und d(xz, yz) + L*NO ubergangen zugeordnet .

18) P. T.MANOHARAN 11. 15'. C. HANILTON, Inorg. Chem. [Washington] 2, 1043 (1964). I8a) B n m e r k u n g b e i d e r K o r r e k t u r : Kiirzlich wurde eine interessank Arbeit

von W. HABERDITZL, K. D. SCHLE~NITZ undH. G.BARTEL (Z. Naturforsch. 23 b, 1397 (1968)) iiber die Elektronenspektren von Prussiaten publiziert. Die Lage der Hauptabsorptions- bande stimmt gut mit unseren Werten uberein. E3 sollte noch zum besseren Verstand- riis unserer Arbeit erwahnt werden, daf3 aus den oben angegebenen Griinden bei allen Ionen (abgesehen von [Fe(CN)5N0]2-) wegen D t > 0 'E(1) energetisch niedriger liegen sollte als lA,.

19) C. K. J ~ R G E N S E N , ,,Absorption Spectra and Chemical Bonding in Complexes", Pergamon Press, Oxford, London, New York 1962.

20) K.A.HOBNANN, Z. anorg. Chem. 12, 146 (1896). 21) D. J.KEKKEY, T. P.FLYNN 11. J. B. GALLINI, J. inorg. nuclear Chem. 20, 75 (1961).

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154 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 368. 1969

Die Messung d e r I R - S p e k t r e n erfolgte mit einem Leitz-Gerat (4000-400 em-1 und mit einem Beckman I R 11 (800-200 cm-l) an Nujolsuspensionen der Festkorper.

Die E l e k t r o n e n s p e k t r e n in Losiing wurden mit einem Beckman DK-2 Gerat (900-220 mp) und die Festkorperspektren mit einem PQM 11-Zeiss-Gerat mit einem Remis- sionszusatz RA2 gemessen.

Fur die p H - M e s s u n g e n wurde ein Instrument der Fa. Knick mit einer Ingold-Glas- elektrode benutzt. Die weiteren kinetischen Messungen wurden mit einem Spektrokolori- meter E 1009 der Fa. Metrohm durchgefiihrt.

Der t h e r m i s c h e A b b a u wurde mit einer Netzsch-Thermowaage bei einer Aufheiz- geschwindigkeit von 1 'C/min untersucht.

mir danken Herrn Prof. Dr. O.GLEMSER fur Unterstiitzung und dem Fonds der Chemi- schen Industrie fur finanzielle Hilfe. Herrn Dip].-Chem. E. DIEMANN gilt unser Dank fur seine Mithilfe. Einer von uns (E. J. B.) dankt der ,,Alexander von Humboldt-Stiftung" fur die Gewiihrung eines Forschungsstipendiums.

GO t t i ng en, Anorganisch-Chemisches Institut der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 6. Dezember 1968.