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L. Hermann: Ueber sog. secundilr-eleetromotorischeErscheinungen etc. 103 (Aus dem physiologischen Institut in Ziirieh.) Ueber sogenannte secund~tr-electromotorische Er- scheinungen an Muskeln und Nerven. Von L. l~erman~.. In einer vor Kurzem erschienenen Abhandlung 1) ft|hrt E. d u Bois-Reymond eine von ihm an Muskeln, Nerven und eleetri- schen Organen beobachtete sogenannte secund~r-electromotorische Erscheinung 2) iris Feld, um von Neuem seiner Molecularhypothese und seiner Theorie des Electrotonus Sttitzen zu verleihen, gegen- tiber den wioe ich glaubte vernichtenden Einw~inden, welche gegen dioe erhoben worden sind. Ftir wie wichtig der Verfasser diese Sttitzen h~ilt, ersieht man aus dem Eingangssatze: ,,[ch halte die Zeit ftir gekommen, das Schweig'en zu brechen, welciles ich bisher Uber gewisse thierisch-electrische Versuche beobaehtete, mit denen ich soit bald vierzig Jahren beschaftigt bin, und denen ich grosse Wichtigkeit beilege"; ferner aus wiederholentliehen Aeusse- rungen, nach welchen alle meine Ideen iiber Electrotonus vor 1) Si~zungsberichte der KSnigl. Preuss. Acad. der Wissenschaften 1883, S. 343--404. Die Seitenangaben mit dBR. beziehen sich auf diese Abhandlung. 2) Als secundiir-e]ectromotorische Erscheinungen bezeiehnet du B ois- Reymond solehe Wirkungen thieriseher Theile, welche erst dureh einen zu- geleiteten Strom in der durehflossenen Strecke oe werden, und erst nach der 0effnung naehweisbar sind. Du Bois-Reymond theilt die thieriseh- elee~rischenErseheinungen in drei Kategorien: 1. EigenstrSme ruhender nnd erregter Organe, 2. extrapolare Wirkungen durehgeleiteter StrSme w~hrend ihrer Dauer (Electrotonus), 3. intrapolare Wirkungen, d. h. eben die seeun- diir-e]ectromotorisehen. Man vermisst in dieser Aufzi~hhng die extrapolaren Wirkungen nach 0effnung des fremden Stromes, d.h. das Gebie~, dessen Ge- setz ieh den Nerven zuerst habe, wie du Bois-Reymond selber erw~hnt. Ueber diese Erseheinungen ara Nerven und ara Muskel siehe unten sub 4. E. Pfl Archiv f. Physiologie. Bd, XXX1OEI. 8

Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

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Page 1: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

L. H e r m a n n : Ueber sog. secundilr-eleetromotorischeErscheinungen etc. 103

(Aus dem physiologischen Institut in Ziirieh.)

Ueber sogenannte secund~tr-electromotorische Er- s c h e i n u n g e n an M u s k e l n und Nerven .

Von

L. l ~ e r m a n ~ . .

In einer vor Kurzem erschienenen Abhandlung 1) ft|hrt E. d u B o i s - R e y m o n d eine von ihm an Muskeln, Nerven und eleetri- schen Organen beobachtete sogenannte secund~r-electromotorische Erscheinung 2) iris Feld, um von Neuem seiner Molecularhypothese und seiner Theorie des Electrotonus Sttitzen zu verleihen, gegen- tiber den wiœ ich glaubte vernichtenden Einw~inden, welche gegen diœ erhoben worden sind. Ftir wie wichtig der Verfasser diese Sttitzen h~ilt, ersieht man aus dem Eingangssatze: ,,[ch halte die Zeit ftir gekommen, das Schweig'en zu brechen, welciles ich bisher Uber gewisse thierisch-electrische Versuche beobaehtete, mit denen ich soit bald vierzig Jahren beschaftigt bin, und denen ich grosse Wichtigkeit beilege"; ferner aus wiederholentliehen Aeusse- rungen, nach welchen alle meine Ideen iiber Electrotonus vor

1) Si~zungsberichte der KSnigl. Preuss. Acad. der Wissenschaften 1883, S. 343--404. Die Seitenangaben mit dBR. beziehen sich auf diese Abhandlung.

2) Als secundiir-e]ectromotorische Erscheinungen bezeiehnet du B ois- R e y m o n d solehe Wirkungen thieriseher Theile, welche erst dureh einen zu- geleiteten Strom in der durehflossenen Strecke œ werden, und erst nach der 0effnung naehweisbar sind. Du B o i s - R e y m o n d theilt die thieriseh- elee~rischenErseheinungen in drei Kategorien: 1. EigenstrSme ruhender nnd erregter Organe, 2. extrapolare Wirkungen durehgeleiteter StrSme w~hrend ihrer Dauer (Electrotonus), 3. intrapolare Wirkungen, d. h. eben die seeun- diir-e]ectromotorisehen. Man vermisst in dieser Aufzi~hhng die extrapolaren Wirkungen nach 0effnung des fremden Stromes, d.h. das Gebie~, dessen Ge- setz ieh �9 den Nerven zuerst �9 habe, wie du B o i s - R e y m o n d selber erw~hnt. Ueber diese Erseheinungen ara Nerven und ara Muskel siehe unten sub 4.

E. Pfl�9 Archiv f. Physiologie. Bd, XXX1OEI. 8

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i04 L. H e r m a n n :

den neuen Thatsachen ,,vodi~ufig zu Spreu werden" und ,,die Er- ibrsehung des E|eetrotonus von vorn anzufangen" hi~tte (dBR. S. 380).

Man wird es mir nieht vertibeln, dass ieh angesiehts des gegen mich aufgefahrenen sehweren Geschiitzes, ohne die vom Verfasser angektindigten weiteren Abhandlungen desselben tiber den gleichen Gegenstand (dBR. S. 343) abzuwarten 1)7 sogleich an die thats~chliche und theoretische Priifimg der neuen Position ging, und das Re- sultat dieser Prtifnng hier mittheile. Man wird dann sehen, wie weit die angeftihrten Erwartungen und Aeusserungen du Bois- R e y m o n d ' s bereehtigt sind.

1. Die thats~tehlichen Angaben du Bois-Reymond's.

Die zum Theil neuen, zum Theil schon frilher kurz von ihm mitietheilten Thatsaehen, welche du B o i s - R e y m o n d anftihrt, sind kurz folgend6:

An Muskeln, Nerven und electrischen Organen zeigt sich, wenn man aine Strecke derselben der Lange nach durchstr(imen liisst, und unmittelbar naeh der Oeffnung einen Theil der dureh- flossenen Streeke zum Galvanometer ableitet, nicht immer die ge- wShnliche innere Polarisation, d. h. eine dem durchgeleiteten Strome entgegengesetzte Wirksamkeit. Ist niimlich der durchgeleitete Strom sehr kraftig (an Obersehenkelmuskeln mindestens 2 Grove, ara Isehiadicus mindestens 5 Grove), und die Schliessungszeit sehr kurz, so tritt statt der entgegengesetzten eine g l e i e h s i n n i g e Wirkung~ oder auch eine doppelsinnige, zuerst entgegengesetzte, dann gleiehsinnige Wirkung auf. Diese gleichsinnige Wirksamkeit ist entsehiedener als die entgegengesetzte an den Lebenszustand gebunden, und soll ferner mehr oder weniger dentlieh durch die- jenige Stromriehtung begtinstigt sein, welche dem Ablauf der nattirliehen Erregung (in Muskeln nnd ~erven), resp. der Riehtung dis Sehlages (ira eleetlischen Organ) entspricht.

1) Dass diese spiiteren Abhandlungen sich in ganz anderen Richtungen bewegen als die Untersuchungen~ welche ich hier mitzutheilen habe, dass ich also nicht etwu Gefahr laufe, du B o i s - R e y m o n d in der Publication von ihm bereits bekannten Dingen vorzugreifen, ergiebt sich nus der Andeutung dBR. S. 396, mehr noch ans der ganzen Richtung meiner Untersuchungen und ihren Resultaten.

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2. Oie theoretischen und polemischen Bemerkungen du Bois-Reymond's.

Du B o i s - R e y m o n d bezeichnet die von P e l t i e r entdeckte entgegengesetzte Nachwirkung der durchfiossenen Strecke, welehe schon bei schwachen StrSmen~ namentlich nach l~ngerer Dauer der- selben, vorhanden ist, als n e g a t i v e P o l a r i s a t i o n . Gegen diese Bezeichnung ist Nichts einzuwenden, als h0chstens dass das Wort ,,negative" tiberfltissig ist. Dass die Erscheinung auf wahrer gal- vaniseher Polarisation beruht, g'eht aus ihrem g'anzen Habitus unzweifelhaft hervor, so aus ihrer Richtungsbeziehung zum hervor- rufenden Strome, aus ihrem raschen Verschwinden nach der Oeff- nung" desselben, aus den Beziehungen ihrer GrOsse zu derjenigen des Stromes und zut Dauer des Geschlossenseins, ferner aus den von mir ge~'undenen 1) Beziehungen ihres Betrages zu der Lage der Sehichtung heterog'ener Substanzen in den thierischen Theilen, welche du B o i s - R e y m o n d zu erw~thnen unterlassen hat~ ob- gleieh ein solcher Naehweis doch wohl mehr werth ist als blosse Speeulationen tiber die Ursache der inneren Polarisation (dBR. S. 346). Dass nun jede galvanisehe Polarisation dem polarisiren- den Strome entgeg'engesetzt, also wie du B o i s - R e y m o n d sagt~ ,,negativ" sein muss, ist eine solehe ~Naturnothwendig'keit wie das Princip von der Erhaltung der Kraft, mit dem ja das Polarisations- gesetz in der That in der tiefsten Beziehung steht; deshalb konnte der Zusatz ne` fiiglich wegbleiben.

Er war aber ftir du B o i s - R e y m o n d nothwendig, weil er auf die befl'emdende Idee gekommen ist, die von ihm beobach- teten, dem Strome gleichsinnigen Wirkungen als -- p o s i t i v e P o l a r i s a t i o n zu bezeichnen. Nicht das tadle ich, dass diese Bezeichnung Verwirrung' stiftet, weil ich vor 12 Jahren als positive und negative Polarisation die Polarisation des hTerven unter der positiven und neg'ativen Electrode unterschieden habe, denn ich bin nieht so ktihn zu verlangen�87 dass du B o i s - R e y m o n d auf von mir eingeftihrte Termini teehniei Rticksicht nehme~ in deren Erfindung nach ihm ja meine ganze Kunst besteht (dBR. S. 402). Sehlimmer w~ire es freilich, wenn du B o i s - R e y m o n d selber

1) Vgl. dies Archiv Bd. V, S. 232 ff.

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i06 L. i~ermann:

diese Ausdrticke einst mit Bezug" a uf die + and -- Electrode gebraucht hi~tte�87 wie Pflt tg 'er in einem Citat ang'iebtl); doch konnte ieh, wie ich schon frtiher bemerkt habe�87 die Originalstelle hierzu nicht finden2), j l~ein, befremdend ist die Bezeiehnuug positive Polarisation, weil sic die Erscheinung als aine U m k e h - rung de r f f e w ( ; h n l i e h e n P o l a r i s a t i o n hinstellt, als ob der galvanische Strom in seinem Leitersystem�87 anstatt wie gewi3hnlich Gegenkr~fte, gelegentlich auch, und zwar nach vergleichbaren Prin- cipien�87 gleichsinnige Kr~fte hervorrufen k5nnte. Dass du Bois- R e y m o n d von dieser seltsamen Meinun~ nicht weit entfernt ist, dass er allen Ernstes auf Grund seiner Versuche eine v e r k e h r t e P o l a r i s a t i o n far mSglieh h~lt, geht ans der ganzen Abhandlnng" hervor, namentlich auch aus der Zusammenstellung mit der ver- meintliehen verkehrten Polarisation �87 der Grenze" (also ganz naeh dœ Schema wahrer Polarisation) zwischcn Salzl~sung und Wasser (dBR. S. 347), oder Eisen and Zinksulphat (dBR. S. 399 f.). Hatte aber du B o i s - R e y m o n d aueh nur den mindesten Zweifel an dieser Verwandtschaft, so war er~ selbst wenn er nur ,physi- ealisch-geschulte KSpfe" (S. 401) als Leser voraussetzte, ver- pfiichtet, diesen Ausdruek sorgf~ltig zu vermeiden. Wenn Jemand einmal bel Ann~herung eines Magneten an einen Leiter in diesem einen Strom auftreten sieht�87 weleher seiner Richtung nach den Magnetenpol anziehend wirken milsste, so wird er doch wahrhaftig nieht sagen, es gebe neben der richtigen aueh unter Umstanden eine v e r k e h r t e Induction, sondern er wird sagen, hier mtisse ein Fehler oder etwas was mit Induction nieht das Mindeste zu thun hat zu Grande liegœ Ebenso aber musste, als an so vieldeutigœ complicirten Gebilden wie Muskel und ~qerv, noch dazu mit Str5men von 20--50 Grove'schen Elementen, also mit sonst ver- pSnten Stromst~rken, ein dem Strome gleichsinniger ~achstrom gefunden wurde�87 auf das Aengstliehste vermicden werden, diese Wirkung als verkehrte Polarisation zu bezeichnen; sondern man musste sagen: entweder liegt eine Fehlerquelle vor, oder die Erscheinung hat mit Polarisation nicht das Geringste zu thun. Sollte die Zukunftsphysik eines Tages wirklich eine verkehrte (�87 Polarisation entdeeken, so wird sit sieh sicher nieht

1) Untersuchungen liber die Physiologie des Eleetrotonus S. 438. 2) Vgl. dies Archiv Bd. XXXI, S. 100, Anm. 2.

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Ueb. sog. secundi~r-electromo~or�8 Erschsinungen an Muskeln u. •erven. 10�8

auf Versuche mit zerstSrenden Stromsti~rken, an den verg~nglieh- sten Objeeten der Welt angestellt~ sttitzen. Auch jene oben ange- fiihrten F~lle von Eisen and Zinksulfat etc. werden sieh unzweifel- haft bei niiherer Untersuehung als etwas ganz anderes heraus- stellen, denn als Umkehrung des Polarisationsgesetzes.

Dass ich auf einem Gebiete, auf dem ieh ,,als Reformator auftrat", die ,,grundlegende Thatsache" der gleiehsinnigen intra- polaren Naehwirkung (so will ieh ira Folgenden das bezeichaen, was du B o i s - R e y m o n d positive Polarisation nennt) nicht ent- deekt habe, maeht mit der Verfasser (S. 380) zum Vorwnrf, -- bei- lanfig aine ganz neue Art, Angriffe vom Zanne zu brechen. Ebenso- gut k(innte ich ja ihm vorwerfen, dass er die extrapolare Naeh- wirkung, das Gesetz des Actionsstroms, des Secretionsstroms n. dergl, nicht entdeekt bat, und vollends gewisse Erscheinungen seines eigenen Thema's, welehe unten an das Licht kommen wer- den. Und wie Vieles mag noch zu entdeeken sein, wenn jemand sich entschliesst, den Muskeln and Nerven, statt mit den frUher gefiirchteten Batterien von 20--50 Grove's, mit vielen Hunderten oder Tausenden von Elementen zu Leibe za gehen?

Das Merkwtirdigste der ganzen Abhandlung ist aber die Art, wie die neue Thatsaehe der gleichsinnigen intrapolaren Naehwir- kung ausgenutzt wird. Wenn es wahr ist, dass meine Eleetrotonus- Theorie der von mit gefundenen Electrotonusstr(ime im Muskel ,,so dringend bedarf" (dBR. S. 344. Anm.)1), so enthtillt sich nun, d̀ die ,,positive Polarisation" ftir die du Bois'sehe Moleeular- theorie des Eleetrotonus noeh riel unentbehrlieher ist. Sie soll ni~mlich nieht mehr und nieht weniger sein, als die D e m o n s t r a t i o ad oeulos, d a s s d e r S t rom in den t h i e r i s e h e n G e b i l d e n e l e c t r o m o t o r i s e h e M o l e k e l n in s e i n e m S i n n e d r e h t (S. 401)!

,,Wiederholt, und von zwei ganz verschiedenen Grundhypo- thesen aus, hat Herr H e r m a n n demonstrirt, dass in der intra- polaren Strecke ein dem polarisirenden Strom entgegehgesetzter

1) Vergebens frage ich mich, warum denn die du Bois~sche Theorie des Electrotonus weniger dringend eines Muskel-Electrotonus bedarf als die meinige. Muskel und Nerv enthalten ja dasselbe Molekelschema, und was den:Nervenmolekeln recht ist, ngmlich Drehung durch den Strom, sollte doch den Muskelmoleke]n billig sein.

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lo8 L. Hermann:

Polarisationsstrom herrschen ratisse. Ieh bin neugierig, durch

welche Htilfshypothese er ,jetzt mit dem wirklieh darin herrschen- den positiven Polarisationsstrom fertig werden wird." So schreibt

du B o i s - R e y m o n d (S. 402). Dass naeh mir aueh einige seiner eifrigsten Molecularanhiinger, z.B. B t r n s t e i n 1) und v. F l e i s c h l 2 ) ,

ketzeriseh genug waren, ira Gegtnsatz zu ihm der intrapolaren

Strecke eine dem Strom entgegengesetzte Wirkung zuzuschreiben, versehweigt er, and auf die Htilfshypothesen dieser Autortn ist er - - ftir mieh retht sehmtiehelhaft - - n i c h t neugierig.

Aber mit welehem ,,wirklieh darin herrschenden positiven Polarisationsstrom" soll denu ratine Theorie und meiut Ht�9 thesen sieh abzufinden haben ? Seit wann ist denn der Naehweis

eines N a c h s t r o m s naeh d t r Oeffnung irgendwit massgebend fiir die Annahme eines B e s t a n d s t r o m s w ~ h r e n d d t r S e h l i e s -

s u n g ? 3) Wiirden etwa di t Phys ik t r d i t gewShnliche Polarisa-

tion aus dem polarisatorischen Naehstrom allein herzuleiten gewagt haben, wenn dieselbe nicht w~ihrend der Schliessung selber an

der bestandigen Abnahme des durchgeleiteten Stromes sich naeh- weisen liesse? Und was wiirdt d u B o i s - R e y m o n d sagen, wtnn

Jemand sieh einfallen liesse, aus d tm von mir naehgewiestnen und von F i e k best~itigten Umstande, dass die anodisehe extra-

polare Str tcke eines lqtrven nach:der Oeffnung einen dem polari-

sirenden Stromt entgegengesttzteff Naehstrom zeigt, zu sehliessen,

dass der Electrotonus aneh w i i h r t n d d e r S c h l i t s s u n g auf der

Anodenseite diest Richt~mg hat?!

1) Dies Archiv Bd. VIII, S. 51 ff. 2) Sit.zungsber. d. Wiener Acad. Math.-phys. CI. 3. Abth. Bd. LXXVII,

Sep.-Abdr. S. 15. 3) Dieser ganz uubegreifliche Fehler, Zust~nde die nach der Oeffnung

beobaehtet~ sind, ohne Weiteres auf die Schliessungszeit zu iiber~ragen, spielt aueh die Hauptrolle bei einem von du ]3 o is-R e ymond (S. 380) gegen einen Versuch vpn mir erhobenen Einwand. u 15 Jahren habe ich versucht, ob wirklich eine intrapoIare Nervens~recke etwas von dem ungeheuren gleieh- sinnlgen S~romzuwachs zeig~, den die du Bois'sehe Theorie erforderf, und habe nichts davon gefunden, du Bois -Reymond meint nun, dies ri~hre von meiner langen Sehliessungszeit her, bei welcher die Polarisatio~l nega~iv sein musste; bel kurzer Schliessungszeit~ h~tte ich wegen posifiver Polarisat~ion das gesuchte Result~at erhalten mfissen. Also ganz einfach jene Uebertragung~ welche so absolut unzuli~ssig ist!

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Ueb. sog. secundi~r-eleciromoiorische Erscheinungen an Muskeln u.I%rven. 109

D u B o i s - R e y m ond beobachtet in der intrapolaren Strecke zwei mit einander kiimpfende Nachwirknngen, die eine entgegen- gesetzt, die andere gleichsinnig dem durchgeleiteten Strome, erstere etwas fltichtiger~ die zweite etwas nachhaltiger und tiberhaupt nur nach kurzen Schliessungen sehr starker StrSme nachweisbar. Er schliesst unbereehtigterweise, dass beide Wirkungen aueh w~hrend der Schliessung vorhanden seien. Da nun zwei gleichzeitige ge- wShnliche Polarisationen, eine richtige (,,negative") und ein'e ver- kehrte (,,positive"), nicht recht denkbar seien, so nimmt or an, dass nur die erstere auf wahrer innerer electrolytischer Polarisation, die letztere aber auf Einstellung electromotoriseher Molekeln ira Sinne des Stromes beruhe. Er ,glaubt nieht, dass ein physikaliseh gcschulter Kopf zu einem andcrn Schlusse gelangen wird" (dBR. S. 401). Und dies, und nichts Anderes ist der ,,wirklieh herr- schende positive Polarisationsstrom", dem ich einen negativen gegeniibergestellt hatte, und der mich nun zur Verzweiflung brin- gen soll!

Wie nun diese Drehung der Molekeln durch den Strom be- wirkt werden soli, davon eri~~hrt man leider auch ans der neuen Abhandlung ~ichts, als dass du B o i s - R e y m o n d ftir diesen der Zukunftsphysik angehSrigen Vorgang auch heute noch keine Theorie aufstellen kann, und dass es daher bis auf Weiteres bei dem Ziehen an den Schntiren der vor den gl~ubigen ZuhSrern anf- gestellten Modelle drehbarer Molekeln sein Bewenden haben muss. Meine vor Jahren ausgesprochene Bitte, dass die Verfechter der Moleeulartheorie doch endlich einmal eine exacte Theorie ihrer Molekeln anfstellen m(ichten 1), bleibt unerftillt. C h a r a e t e r i s t i s c h ist, dass, sowie man den Versuch wagt, die g e w S h n l i e h e p h y s i c a l i s c h e D e n k w e i s e au f das G e b i e t de r M o l e k e l n a n z u w e n d e n , man z u r i i e k g e w i e s e n wird�87 wei l erst d i eZu- k u n f t s p h y s i k die n S t h i g e D e n k w e i s e l e h r e n werde. Meinen Einwand gegen dis Zuli~ssigkeit der ursprtinglichen du B o is'schen Betrachtnng nach der Gro thuss 'schen Theorie "2) scheint ~du Bois- Re y mond zwar als bereehtigt anzuerkennen (dBR. S. 403, letzter Absatz), geht aber mit nur halb verstiindlichen Ausfitichtcn tiber denselben bedenklich leicht hinweg. Electrodynamisehe Erkl~run-

1) Vgl. dies Archiv Bd. VIII, S. 267; Bd. XX, S, 393. 2) Dies Archiv :Bd. u187 S. 267 f.

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gen will er nicht gelten lassen, und wie ich glaube mit Recht. Wo bleibt denn also nun die Theorie?

Ich kann nur wiederholen, was ich schon vor 10 Jahren ge- sagt habe, und wovon ieh kein Wort zurticknehmsn kannl): ,So- bald das Molecularschema nicht mehr allein dazu dienen soll, die electromotorische Wirksamkeit des �9 auf kleinste Theilchen zurtickzufiihren, sobald bestimmte physicalische Einwir- kungen auf diese letzteren behauptet und behandelt werden, muss man verlangen, dass sie œ bestimmtere Gestalt annehmœ welchs physicalisehe Discussion zul~sst. Die ursprtingliche du Bois'sche Moleculartheorie ist eine vollkommen erlaubte Annahmc, sobald sie die Erscheinungen des Ruhestroms erklart, was der Fall ist. (Ob sie nsthwendig ist, ist eine andere Frage.) Auch die zweite An- nahme du B o i s -Reymond ' s , dass ira thatigen Zustand die Kraft der Molekeln abnimmt, ist eine erlaubtœ denn wie phys io lo - g i s c h e Vorgiing'e die Kraft dieser Molekeln e r zeugen , so kiinnen andere p h y s i o l o g i s c h s sis auch v e r m i n d e r n . Mit seinœ Theorie des Electrotonus betrat du B o i s - R e y m o n d aber ein anderes Gebiet; hier maehte er aus dem Wesen seiner Molekeln Schl t i sse auf die Einwirkung, welche streng definirbare physica- lische Vorgiinge auf sie ausiiben. Sofort erhebt sich hier diœ Frage nach den specielleren physicalischen Eigenschaften dieser Molekeln, und man kann nicht Prtifungen, die auf die Annahme solcher physicalischen Eigenschaften gegrtindet sind, und daraus entnommene Einwiinde mit B e r n s t e i n als , , l i i ehe r l i ch" be- zeichnen. Ist eine solche Molekel wirklich tin so unnahbares Ding, dass man sich durchaus nichts bestimmt Physicalisches darunter denken darf, dann darf man auch nicht behaupten wollen, wie electrische Str(ime darauf wirken."

Noch weiters Bemerknngen tiber den Werth der Moleeular- hypothese findet man in diesem Archiv Bd. XXVI~ S. 485, auf welche Stelle ich einfaeh verweise, weil sie manchem Leser n~.ther zut Hand sein wird, als jene iiltere.

Dis von mit aufgestellte einfache, und auf nachgewiesene That- sachen gegrtindete Theorie des Eleetrotonus will du B o i s - R s y - m o n d natiirlich nicht gelten lassen, wenigstens ftir jetzt nieht, da er (in 10 Jahren) nssh keins Zeit ffcfunden hat eigene Unter-

l) Dies Archiv Bd. VIII, S. 267 f.

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snehungen dartiber anzustellen (dBR. S. 379). Sein eigener Stand- punkt hat sich aber auf das Merkwtirdigste ver~indert. Frtiher nahm er dit intrapolare gleichsinnige Molekeldrehung re�8 hypothe- tiseh an, um daraus dit extrapo]are ableiten zu k(innen. Heure glaubt er die intrapolare gleichsinnige Drehung direct erwiesen zu haben (mit we]chem Rechte, ist oben erSrtert und wird sieh in den folgenden Paragraphen tiberraschend aufklltl'en), aber ftir den extrapo]aren Electrotonus entbehren zu k(innen. Er sagt ni~mlich (S. 379): ,,Sicher ist, dass, auch wenn die extrapolaren Electroto- nusstriime" (wie es die gegnerische Theorie behauptet) ,,nnr auf Stromsehleifen beruhen, das Wesen des Electrotonus, als in posi- tirer Polarisation bestehend, dadurch nicht bertihrt wtirde. Nur der misslichen Verpflichtung, dessen Ausbreitung tiber die Elec- troden hinans zu erklaren, wSre man ]os." D e n t l i e h e r k a n n de r B a n k e r o t t de r M o l e e u l a r h y p o t h e s e n i e h t e r k l ~ r t w e rden . Die intrapolare Moleculareinstellung, urspriinglich er- fnnden nur um die extrapolare zu erkl~ren, wird naehdem sie dies nicht hat leisten kSnnen, auf nnzulassiger Basis von Nenem angenommen, und kalten Blutes als ,,das Wesen des Electrotonus" erkli~rt, obgleich sie, worauf ich schon wiederholt aufmerksam ge- macht habe, nicht einmal den Gegensatz von An- und Catelectro- tonus und den Indifferenzpunct zu erkli~ren vermag. Die wirklich nachgewiesene Polarisation der Nervenkerne aber, welehe diesen Gegensatz trefflich erkl~rt, nnd ausserdem auch die extrapolare Ausbreitung, ist n i c h t das Wesen des Electrotonus!

Vielleicht mit Ausnahme der ktirzlich von mit beleuchteten phantastischen Speeulationen tiber den Schlag der Zitterfische 1), bat sich der Abgrund falseher Naturauffassung, var dem die )iole- culartheorie steht, nie grauenhafter enthiillt. M~igen Andere das Sacrificium intelleetus, sich der Kritik einer vermeintlich gehei- ligten Hypothese zu enthalten, ftir piet~itvoll halten; ich rechne es mir zum Verdienst an~ der Physiologie auf diesem Gebiet die Principien zurtickœ z̀ haben, welche in der :Naturwissen- schaft tiber allen Riieksichten stehen: strenges Dcnken und Ver- werfen des Falschen; und ich mache mir Niehts darans, dass du B o i s - R e y m o n d , der noch heure von RuhestrSmen unversehrter Muskeln fabelt (dBR. S. 401), das Resultat meiner sechszehnjah-

1) Vgl. dies Archiv Bd. XXVI, S. 483 ff.

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112 L. H e r m a n n :

rigen Arbeit nur zu bezeichnen weiss (S. 402) als eine ,Polemik, welche mehr neue Kunstausdriicke aIs Thatsachen zu Tage fSrderte." Diejenigen aber, welehe widerlegte Angaben und Hypothesen blind- lings nach wie vor in Lehrbtiehern, HSrs~len und populiiren Schrif- ten verbreiten, laden eine Schuld auf sich, deren Verantwortung sic dereinst beseh~tmen wird.

3. Unte r suehung der in t rapolaren NachstrSme der Muskeln und Nerven.

Wir gehen nun an die Aufgabe, die von du B o i s - R e y m o n d gefundene gleichsinnige intrapolare lqachwirkung in den Richtun- gen weiter zu verfolgen, wclche zur Erkl~rung fiihren k~nnten.

Nachdem ich durch Wiederholung der hauptsachlichsten Ver- suche du B o i s - R e y m o n d ' s mit eine Anschauuug der Erscheinting verschafft hatte, erschien es vor Allem wtinschenswerth, diese Ver- suche in einem Punete zu erglinzen, du B o i s - R e y m o n d legte dem Muskel die stromzuftihrenden Eleetroden an der einen Seiten- flaehe, die ableitendea an der gegeniiberliegenden an. ttierbei kSnntœ unter gewissen Annahmen hinsiehtlich der Einlagerung polarisirbarer sehlœ Zwischenplatten ein gleiehsinniger Nachstrom ans gewShnlicher (,negativer") Polarisation hervor- gehen. Diese M•gliehkeit wird erst dann beseitigt, wenn der gleichsinnige Naehstrom auch bel gleiehseitiger Ableitung (zwi- sehen den zuleitendœ Eleetroden) vorhanden ist. Dies letztere war nun in der That der Fall: es zeigte sieh kein wesœ Untersehied zwischen dœ Resultaten bœ glœ und bel gegenseitiger Ableitung.

Ira Uebrigen geniigten zur Darstellung der wesentliehsten Er- seheinungen die einfaehsten Vorriehtungen. Zur Schliessung des Galvanometerkreises unmittelbar naeh Oeffnung des Kettenkreises diente aine Pohl 'sche Wippe ohne Kreuz, welche bel 1, 2 in den

2 3

~-I ...... I - ~ 6 5

Kœ bei 4, 5 in den Galvanometerkreis eingeschaltet war. Bel meincn ~lteren Vœ tiber extrapolare NachstrSmœ 1) hatte sich dies Ver- fahren wœ unzureichender [solationsfi~higkeit

1) Untersuchungen zur Physiologie der Muskeln und Nervem Berlin 1868. S. 71 ff

3. IIeft.

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Ueb. sog. secundi~r-electromotorische Erscheinungen an Muskeln u. Nerven. 113

des Wippenholzes nicht ausreichend erwiesen; b e i intrapolaren

NachstrSmen sind aber die Wirkungen gel~inger Isolationsmitngel

r iel unbedeutender als bei extrapolaren (s. hieriiber unten sub 4). Spater wurde die hSlzerneWippe mit einer solchen eus P a r a f f i n

vertauscht (s. unten S. 116). Das Umlegen aufKetten- und Boussol- schluss geschah mit der Hand, mSglichst schnell, bel li~ngeren

Schlicssungszeiten mit der Uhr. Ara Muskel zeigte sich bei mSglichst kurzen Schliessungen

der :Nachstrom meist doppelsinnig: eine rasche, zuweilen nur

zuckende, gegensinnige, und dann eine llinger bestehen bleibende,

meist tiberhanpt nnr unvollkommen schwindendc gleichsinnige Ab-

lenkungl). Ich kann vollkommen besti~tigen, dass das Hervortreten

resp. das alleinige Auftreten des gleiehsinnigen Nachstromes durch Kiirze der Schlusszeit und Starke des Stromes begiinstigt wird,

dass ferner diese Erscheinung' durchaus an den Lebenszustand,

und wie ich hinzuftigen kann, an die Erregbarkeit der thierischen

Gebilde gebunden ist. Durch Ermiidung, a u c h w e n n l e t z t e r e d n r c h g e w S h n l i c h e s T e t a n i s i r e n h e r b e i g e f t i h r t w i r d ,

gehen rein gleichsinnige NachstrSme in doppelsinnige, und doppel- sinnige in rein gegensinnige tiber. Dag'egen ist der gegensinnige

Nachstrom, besonders beim Nerven, einc itusserst dauerhaftc Er-

1) Dass du B o is- R eymo nd wie mir scheint~ doppelsinnige Wirkungen riel se]tener gesehen hat als ich, liegt hiiehstwahrseheinlieh in der unge- meinen L e i e h t i g k ei t des Magnetgehgnges meines Galvanometers; dasselbe wiegt nur 0,9 gr (vg]. dies Archiv Bd. XXI~ S. 436). Ausserdem erfordert die sehr wirisame D~impfhiilse meines Instrumentes (s. ebend.) einen relativ geringen Grad von Astasie fiir die Aperiodlcitiit; es ist begreiflieh, wenn schwerere oder astatischere Magnetgehitnge sehr kleine zuckende negative Vorsch]iige~ diemein Instrument noch sehr sehSn erkennen l~sst~ nieht anzeigen.

Bel diesem Anlass sei noch bemerkt, dass bel raseh schwindenden Po- larisationsstrtimen die Gesehwindigkeit der Magnetbewegung aueh auf die Griisse der Ablenkung von sehr erheblichem Einfluss sein muss, da der Strom w~hrend der Ablenkung selber bestgndig k]einer wird. Dieser Einfluss von dem ieh mieh vielfaeh iiberzeugt habe (s. bel den Versuehen)~ ist dureh die Aperiodieit~t besonders gross. Aus dem g]eichen Grund werden auch, wie ich ebenfalls constatirt habe, die Ablenkungen rasch abnehmender Po- larisationsstrSme dureh Zuriiekziehen des Bousso]gewindes nicht in gleichem Grade verkleinert wie die Ablenkungen constanter StrSme; die kiirzere Zeit~ welehe die verkleinerte Ablenkung er�9 bewirkt, dass des Maximum der Ablenkung auf einen stiirkeren Strombestand fiillt als bel voller Empfindlichkeit.

Page 12: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

114 L. Hermann:

seheinung, welche selbst ira Sommer noch nach 24 -48 Stunden deutlieh, wenn aueh sehwaeh, eonstatirbar ist, w~hrend der gleieh- sinnige Naehstrom immer nur an frisehen Pr~paraten vorkommt. Da siedendes Wasser naeh du B o i s - R e y m o n d ' s von mir be- sti~tigtœ An~abe aueh dem gegensinnigen Naehstrom ein Ende maeht, so ist vie]leieht der riehtigste Ausdruek des Saehverhaltes der, dass d e r g e g e n s i n n i g e N a c h s t r o m an d i c E r h a l t u n g d e r S t r u c t u r , de r g l e i c h s i n n i g e an d i e E r h a l t u n g des L e b e n s gekn t ip f t ist. Der Eleetrotonus besitzt in seincm Ver- halten eine gewisse Aehnliehkeit mit der gœ Nach- wirkung, insofern er ebenfalls oft noch an erschSpften und lange iiberlebenden Nerven deutliehe Spm'en zeigt.

Ist nun die g'leichsinnige Naehwirkung" eine wesentlich an die Erregbarkeit gebundene Erscheinung, so driing't sieh vor Allem die Frage auf, ob sie nicht vielleieht tiberhaupt Bine E r r e ~ u n g ' s e r - s e h e i n u n g ist. Fast unbegrœ ist es mit, dass du Bois- R e y m o n d diese Frage nicht einmal aufwirft, und so an e inœ u n g e m e i n n a h e l i e g e n d e n E r k l i i r u n g a h n u n g s l o s vori iber- geht, die ihm die Mtihe erspart hi~tte, eine E�9 in den Ge- filden der Zukunftsphysik zu suchen.

Mein erster Gedanke beim Lesen der du B ois'schœ Ab- handlung war, dass diœ g'leiehsinni` Naehwirkung niehts An- deres ist, als der von a n h a l t e n d e r O e f f n u n g s e r r e g u n g her- r U h r œ Bœ ist, w iePf l t ige r entdeckt bat, sowohl ira Nerven wie ira Muskel nach der Oeffnunff starker Str0me die anelectrotonisirt gewesene Strecke Sitz einer heftigen und anhaltendcn Erregung. Wir dth'fen unbedœ annehmen, dass diese Erregung an der Anode selber ara hœ und nach- haltigsten ist und gegen den Indifferenzpunct hin abnimmt. Nach dem von mir aufgestellten Gesetze des Actionsstroms muss daher jeder der Anode n~ihere Punct sieh nach der Oeffnung negativ vcrhaltœ gegen jeden entfernteren, also ein dem polarisirenden Strome gleichsinuiger intrapolarer Nachstrom auftreten; dieser muss, da (wenigstens beim Nœ der Indifferenzpunct bei starken StrSmen nach P f l t i g e r dieht an der Cathode liegt, sich tiber die ganze intrapolare Strecke ausdehnen.

Dieser Strom ist so unmittelbar nothwendig und, ohnœ allœ Theorie, iiber jeden Zweifel erhaben, dass du B o i s - R œ wenigstens an ihn hi~tte denken miissœ und dann die Verpfiich-

Page 13: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secundiir-eiectromotorlsche Erscheinungen an Muskeln u. Nerven. 115

tung hatte zu untersuehen, wie weit er bei der von ihm gefundœ Erscheinung betheiligt ist, auch wenn œ Grtindœ zu der An- nahme gewesen wiiren, dass er zur Erkli~rung nicht allein aus- reieht; solehe GrUnde siad aber, wiœ man sehen wird, nicht vor- handen. Statt dessen wird diese ErkliirungsmSglichkœ nieht ein- mal erw~hnt; einfach weil die Moleeulartheorie von Neuem ihre Wirkung bewiihrt hat, diœ nltehstliegenden Fortschrittœ zu li~hmen.

Sehen wir zuniiehst, wie sieh diœ Erseheinungsweise dieses Actionsstromes gestalten muss. W~re der Indifferenzpunet in der Mittœ se wtirde naeh der Oeffnung die anodisehe Hiilfte der intra- polarœ Streeke bel beliebig gelegenen Ableitungspuneten einen dem polarisirenden Strome gleiehsinnigen Actionsstrom zeigen mtissœ derselbe Strom mUsste vorhanden sein, wenn ein Fuss- punct des ableitenden Bogens in der cathodischen, der andere in der anodisehen HNfte li~ge; dagegen wtirde der Strom fehlen, wenn beide Fusspunete in der eathodischen Halfte l~tgen, doeh wiire es denkbar, dass selbst in diesem Falle, wœ eleetrotoni- seher Ausbreitung des anodisehen Aetionsstromes, der Strom vor- handen wiire. Bei starken StrSmen aber muss gradezn bei be- liebiger intrapolarer Ableitung der gleiehsinnige Naehstrom da sein.

Dieser Strom tritt nun in Confliet mit dem von der Polari- sation selbst herrtihrendeu Pel t ier ' seh› Gegenstrom der intra- polaren Streeke. Es liegt aber in der Natur der polarisatorisehen NaehstrSme, dass sie erstens um se stiirker sind je l~nger, bis zu einer gewissen Grœ der Strom gesehlossen war, zweitens naeh der Oeffnung sehr steil abnehmen. Die giinstigste Bedingung ftir das Hervortreten des Aetionsstromœ (der aniebliehen positiven Polarisation) ist also ver Allem reeht kurzer Stromsehluss~ se dass das Maximum des der Stromst~rkœ entspreehenden Polarisations, bestandes nieht erreieht wird, aueh dann aber wird leieht im ersten Moment naeh der Oeffnung der polarisatorisehe Gegenstrom starker sein als der gleiehsinnige Aetionsstrom, der Naehstrom also doppel- sinnig sein. Die Hauptthatsaehœ erkl~ren sieh also, selbst ohne die weitœ unten anzuftihrenden n e u e n Erseheinungen, durehaus einfaeh und ungez}vungen.

Der ni~chste nothwendige Sehritt, um die Zuliissigkeit jener Erkli~rung zu prtifen, sehien der, den Einfluss der Lage. der a b - leitenden Eleetrode lgngs der intrapolaren Streeke auf die bœ Nachwirkungen, die gegœ und d[e gleiehsinnige~ zu unter-

Page 14: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

116 L. Herm~t~ln:

suchen, eine Frage iiber welehe du B o i s - R e y m o n d keine Ver- suche angestellt hat.

In der intrapolaren Strecke wurden zwei Paare ableitender Eleetroden angebraeht, jedes in einen besonderen Boussolkreis mit Compensator eingesehaltet. Die Ablesungen au der einen Boussole tibernahm Herr A. von G e n d r e aus St. Petersburg, welehem ich hierftir meinen besten Dank ausspreche. Die beiden Galvanometer- kreise wurden gleichzeitig dureh eine Wippe geschlossen, mit

2 -3 welcher der eine bei 1 und 6, der andere bel 4 und 5 ! m ! verbunden war. Diese Wippe hatte statt des gew~hn-

1. ~ ~ 4 lichen h~lzernen Brettes ein solches von P a r a f f i n , ] ] welches vortrefflich isolirende l~~aterial sieh sehr gut an 6 5 der Drehbank bearbeiten l~sst. Die bœ N@fe 2

und 3 waren in den Kettenkreis eingesehaltet, und wurden, wenn die Wippe naeh ihrer Seite umgelegt wurde, durch den Kupferbtigel mit einander verbunden. Das dureh die Punetlinien angedeutete VerbindungsstUek der drei Kupferbtigel war ebent~lls aus Pa�9 hergestelltl). Ferner stand die angewandte Kette, deren GrSsse zwisehen 1 und 18 Zinkkohlenelementen sehwankte, ebenfalls auf Paraffinftissen.

In der Regel wurden far die Versuehe ara Nerven zwei zu- sammengelegte Ischiadiei verwendet, und zwar so, dass das een- t r a l e E n d e des e i n e n mit d e m p e r i p h e r i s c h e n d e s a n d e r n z u s a m m e n l a g . Auf diese Weise wurden die von du Bois-Rey- mond behaupteten Untersehiede ira Verhalten des Nerven, je nach- dem derselbe in der centrifugalen oder centripetalen Richtung durchflossen wird, so vollkommen wie mSglieh eliminirt. FUr die Versuche am Muskel wurde zunachst die Gruppe des Graeilis und Semimembranosus verwandt, und zwar die Gruppen b e i d e r Sehenkel in ihrem nattirlichen Zusammenhang an der Symphyse; die beiden Muskelgruppen wurden in einer frtiher von mir bœ sehriebenen Vorriehtnng mittels das Knieende umfassender Haken, welehe dureh Seidenschntire mit elfenbeinernen Wirbeln zusammen- hangen, unbeweglieh ausgespannt. Der Strom wurde den beiden Knieenden zugeleitet; die beiden ableitenden Eleetrodenpaare lagen den zuleitenden Electroden m~glichst nahe, also beide ira unteren

1) Diese Paraffinwippe dien™ nat[irlich auch zu e i n f a c h e n Ver- suchen, wobei 1~ 6 oder 4, 5 unbenutzt blieb.

Page 15: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secundllr-eiectromotorlsohe Erscheinungen an Muskeln u. Nerven. i17

Abschnitt der Muske]gruppen, so dass aueh hier die von du Bois- R e y m o n d bellaupteten Unterschiedœ ira Verhalten des oberen und unteren Muskelabschnitts ftir den u eliminirt waren.

Ara N e r v e n zuniichst zeigte sich k e i n durehgreifender Unter- sehiœ in den Ablenkungen beider Ableitungsstrecken je nach der Riehtung des polarisirenden Stromes; d. h. es ist fur die Nach- strtime gleichgtiltig, ob die abgeleitetœ Streekœ sich nahe der Anode oder nahe der Cathode befindet.

Beisloie le . 2 I s c h i a d i c i , in bezeiohneter Weisœ zusammenge!egt. Das Schema verdeutlicht die Lagc der E]ectroden (l sind die ableitenden).

o c ~ d d' A I 5 I s I 40 I s I 5 [9

Die Ziiferu bedeuton die Abst~nde in Millimetern. Zulei~ung bel A und 9. Ableitung bei ce' und dd'. Dic Elemente sind~ wie in allen folgenden Bel- s�9 Zinkkohlenelemente, die Schliessungszei~~ wo nichts Anderes gesagt ist, eine schr kurze. Da kein Worth daranf gelegr wurde, dic Schliessungs- zeit jedesmal g]eich zu machen, dieselbe also ohne Controlle aus freier Hand hergeste]lt wurde, so erkliirr sich die Ung]eichheit der Ablenkungen in den successiven Versuehen. In d e r G r S s s e v e r g l e i e h b a r sind also nur die g l e i c h z e i f i g beobachteten Ablenkungen in ce' uud dd'. D i e s e B e m e r - kunff g i l t f i i r a i l e f o l g o n d e n V e r s u c h s b e i s p i e l e .

Dic Vergloichbarkeit der beiderseitigen Ablenkungon in ce' und dd' ist natiirlich noch durch die Versehiedenheit der beiden Boussolen complicirt, sowohl hinsichtlich der Empfindliohkeit~ wie der Sehwingungszelt des Mag- neten (s. oben S. 113, Anm.). Wir haben nun zwar dio nSthigen Ablesungen vorgenommen, um dic Ablenkungen beidor Strecken mSgliohst ann~ihernd anf diejenigon Werthe zu rcdu,:iren, die sic bel Verwendung zweier identischer Boussolen gchabt hiitten. Doeh hat diesœ Reduotion keine practische Be- dcutung und ist daher in don Yersuchsbeispiclen wegge]assen. Dass die in ce' benutzte Boussole betr~ichtlich empfindlicher ist, sieht man auf den ersten B]iek. oe bodeutet Ablenkung liber dœ Sealenberoich hinaus.

Zahl der Ele-

mente. m ,

3

Richtungl]

des iool. Il st~~239 I

Abienkung durch don Nachstrom

in ce'. I in dal'.

- - 7 5 k - - 3 0 a

- - 3 2 k - - 2 0 a

- - 1 5 8 a - - 8 0 k

I 0 2 a - - 4 0 k

Page 16: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

118 L. H e r m a n n :

Zuhl der

Ele-

mente. des pol.

Stromes.

9 ~-

Ablenkung durch den

Nachstrom in ce'. in dd'.

1 ~ 55�87 - ss k 25~a + 43 +

- - 40 - - 98 2 0 1 a + aol k +

198~ - - 55~k 7 ~sl ~ + ~~~ - - 115�87 50

215 55

me 280

Die zur leiehteren Uebersieht beigefiigten Buehstaben a und k bedeuten,

dass die Ableitung ira betr. Fatle nahe der Anode, resp. nahe der Cathode lag.

A n d e r e s B e i s p i e l . 2 Isehiadie.i~ ganz wie ira vorigen Yersueh. Distanzen"

e e �87 d d �87 a I 6 I 10 I 35 * 8 [ 6 l B

Zahl der Riehtungll EIe //u.Schluss-]'

" fl~eit des l/ mente. !l Stromes

3 ~- kurz

9

18

Ablenkung durch den

Nuehstrom.

in ce'. in dd'.

- - 167 k

- - 1 3 8 k

~6 a

4O a

- - ~4 a

- - 1 5 k

'!-~' s. kur~ - - F i ~-- kurz +

/ +

Ii-~ l• �9 ~J Li

210 a ~ 70 k

oe 164~

y u ,,I ~ 4 9 8 ) v - - 140~

4 , i ~ + ~o~ a 216~ - - 4u~k n l a + 3~I ~

500~ - - I05) , .

Ioi ~ + 2oI ~ 343}~ 40~a

oe 266 ~ _ 1241 k ; 35t a

971 a + oe 161

Page 17: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secund~r-e]eetromotor~scheErscheflmngen an Muskeln u. Nerven. 1i9

Ganz anders am Muske l . Hier ergab sieh in vielen Ver- suehen eine so entsehiedene Begtinstigung des gleichsinnigen Nach- stroms dureh die l~i~he der Anode, dass von einem Zufall nicht die Rede sein konnte, d.h. die g'leiehsinnige Phase war in der der Eintrittsstelle des polarisirenden Stromes nahen Ableitungsstrecke absolut, und relativ zur gegensinnigen, betriichtlich st~rker als in der anderen Ableitungsstrecke, oder gar hei gewissen Stromstiirken tiberhaupt nur in der ersteren vorhanden. Da dies Verhalten auch bai Umkehrung des Stromes bestehen blieb (die Stromrichtung" wurde iiberhaupt jedesmal zwisehen zwei Versuchen gewechselt),

so konnte nicht die Individualit~it der beiden Muskeln die Ursache sein. Bedenklieh war nur, dass�87 obgleieh die Mehrzahl der Ver- suche das genannte Verhalten zeigte, in einigen Versuchen gar Nichts davon zu merken war, und einzelne wenig'e sogar das Ge- g'entheil auszusagen schienen. Eine einzige Ausnahme aber musste sehon verbieten, ein Gesetz aufzustellen, moehte die Mehrzahl der Versuehe noeh so lebhaft darauf hinweisen.

In dieser Verleg'enheit fiel mir zum Gliiek ein Umstand ein, der schon (ifters zum Nachtheil der Autoren tibersehen worden ist, n~mlich die Inseriptio tendinea, mit welcher bekanntlich 1) sowohl Gracilis wie Semimembranosus beim Frosche versehen sind. Offen- bar hat, wenn der ganze Muskel der Liinge nach durchstrSmt wird~ jede an der Inscriptio unterbrochene Faser hier eine Anoden-, resp. Cathodenstelle. Liegt nun eine Ableitungsstrecke in der unteren H~tlfte eines aufsteigend durchfiossenen Gracilis,. und zwar symmetrisch zu Inseriptio und unterem Muskelende, so befindet sie sich keineswegs, wie man glauben mSchte, im Bereich der Anode, sondern grade in der Mitre zwischen einer Anode und einer Cathode. Dass unter diesen Umstiinden Gracilis und Semimembra- nosus trotzdem meist das angegebene Verhalten zeigen, konnte daran liegen, dass erstens ihre Inscriptionen sehr~ig verlaufen, so dass aine wirklich symmetrische Lage der Ableitung'sstrecke zwi- schen Inscriptio und nnterem Ende nicht vorkommen kann, zweitens die Inscriptio beim Semimembranosus nicht ganz durchgeht2), drittens die Ableitungsstrecken miJg'lichst den unteren Muskelenden gen~hert waren.

1) Vgl. dies Arehiv Bd. X, S. 49; Bd. XV, S. 223, Anm. 2) Vgl. du Bois-Reymond. Arch. L Anat. u. Physiol. 1876: S. 851 ff.

(Ges. Abh. II, S. 573 ff.). E. PflSger, Archiv L Physiologie. Bd. XXXIII, 9

Page 18: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

120 L. Hermaml�9

Jedenfalls aber war es, da die Inseriptio auf ein etwaiges Gesetz verwischend wirkœ musste, geboten, zu anderen Muskeln liberzugehen, und ich wi~hlte den S a r t o r i u s . Dies belohnte sieh sofort auf das Sch5nste dureh das ausnahmslose gewaltige Her- vortreten eines einfaehen Gesetzes: d i e g l e i e h s i n n i g e P h a s e t r i t t am M u s k e l e n t w e d e r t i b e r h a u p t n u r i n d e r d e r A n o d e n a h e n A b l e i t u n g s s t r e c k e auf , o d e r s i e i s t , w e n n s i s a u e 5 in d e r e a t h o d i s e h e n S t r e c k e zum V o r s c h e i n k o m m t , w a s e r s t b e l s e h r s t a r k e n S t r S m e n v o r k o m m t , h i e r un- v e r g l e i c h l i e h s e h w l i c h e r a l s in d e r a n o d i s e h œ S t r œ Die gegœ (erste) Phase zeigt sich umgekehrt in der cathodi- sehen Strœ starker, doch ist erstens dieser Unterschied lange nicht se erheblieh, zwœ kann er einfaeh daher riihren~ dass starke Entwieklung der gleichsinnigen Wirkung nothwendig die volle Ausbildung der gegensinnigen Ablenkung verhindern muss.

BelspieI. Sartori i , ~n der Symphyse S zusammenh• Zu- leitung an beiden Knieenden bei A und B. Ableitung in der NiChe beider Knieenden bei ce' und dd'. Die Distanzen ergiebt beifolgendes Schema:

e e' S d' d .~ ]44 s 4. 25 ] 25 + s, , 4 l B

[

Zahl Riehtun~ der Ele- I des mente. I Stromes.

3 "~

9 ~--

~7

18 ~--

I

Ablenkung durch den Nachstrom

in ce'. in dd'.

1 0 k , k - - 1 6 a ,

- - 5 a , a - - 13 k ,

_ ~o ~, k ; ~o~¤ 45

7 45I a, _ 107 k, 37

- - 5 3 k, - 7 100}a ,

; g~ , ._ 70k,

80

; 159tk , I T 4�9 a' - - 1 2 0 } a - - 109t" "t- 130~ a' + - -32) ~b

357 , 7 36t K' k 7 202, 578t a~

177~ a' ~,- 48t K'

a

k

a

k

a

k

a

k

a

k

&

k

Page 19: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secund�9 Erschelnungen anMuskein u. 7Nerven. 121

Die Ablesungen in ce' wurden von Herrn v. G e n d r e , die in dd' vert mir vorgenommen. Die Empfindliehkeit der beiden Bousso]en war nicht sehr verschieden (die meinlge etwas empfindlicher). Dass trotzdem die Ab- lenkungen in ce' relativ kleiner waren als in dd'~ riihrt, wie wir dureh be- sondere Versuche festgestellt haben~ davon her, dass die erstere Boussole einer/ riel langsamer schwingenden Magneten hat, se dass wiihrend der Ab- lenkung der ~™ schon beirgchtlich abgenommen hatl).

In der Tabelle bedeuten die zur leichteren Uebersieht zugefiigten Bueh- staben a und k, dass die betr. Ablenkung dem mit der Anode resp. Cathode armirten Muskel angehSrt; dagegen bedeuten die starken Buehstaben a und k dass die betr. Ableitung nahe der p h y s i o l o g i s c h e n Anode oder Cathode lag; in vorstehendem Versuche �9 a mit a und k mit k zusammen, nicht aber in den folgenden.

Um das Gesetz noch schlagender festzustellen, wurden nun- mehr Versuehe angestellt, in welchen die Ableitung von beiden Sartorien an deren o b e r e n Enden, in der ~iihe der Symphyse lag. War das Gesetz richtig, se musste nunmehr die gleichsinnige Phase umgekehrt am c a t h o d i s c h e n Muskel leiehter oder allein hervortreten, weil die Ableitung am e a t h o d i s e h e n Muskel der physiologisehen A n o d e niiher lag. Diese Voraussage bewiihrte sieh auf das SchSnste.

Beispie l . S a r t o r i i , an der Symphyse S zusammenhiingend. Zu- leitung an beiden Knieenden A und B. Ableitung an beiden Muskeln in der Niihe der Symphyse , bei ce' uud dd'.

e

A I 29 ~ 9

Zahl der Ele-

mente.

1

~2

8

Die Distanzen ergiebt das Schema:

e' S d* d .].414 J. 9 .[ 29 lB

I

Riehtung Ablenkung durch den des Nachstrom.

Stromes. in ce'. in dd'.

y162 - - 2 0 k , a

- - 1 5 a , k

5~i k + 261,a - - 2 ~ a , k

- - 1 5 a~ k

- 5 3 k , a

- - 1 1 9 a , k

50Ik, a + 34

1) Die Boussole ffir ce' ist elne gewShnliche Wiedemann~sehe, die flir dd* die von mir construirte und in diesem Archiv Bd. XXI, S. 430 be- sehriebene. Ihr ilusserst wirksamer Dilmpfer gestattet bel relutiv geringer Astasie die Aperiodicit~t; daher die ira Text erwi~hnte Ueber|egenheit (vgl. oben S. 113�87 Anm.)

Page 20: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

122 L. Hermann:

Zahl der Richtung Ele- des Ablenkung dureh den

mente. Stromes.

9

18

Nachstrom in ce'. in dd'.

99 T 13I k ' a - 97 a,

43 7 35t k ' a - 134 a,

28 -- 69 a , k ~ 361ik,

62 T 30I k' a - 191 a,

38 -- 88 a, k T 393i k'

83 45Ik, a - - 269 u,

- - 1 8 6 a , 408V~, 53

T 45I k' 188a,

k ~ ~22t~ 220 a, 302 ~"'

k

a

k

a

k

a

k

a

k

a

Ilinsiehtlieh der angewandten Boussolen und der dadurch bewirkten Untersehiede in den AblenkungsgrSssen gilt wiederum das beim vorigen Ver- such Gesagte. (Aueh hier besorgte die Ablesung in ce' Herr v. Gendre an einer Wiedemann'schen, die in dd' ich selbst an meiner Boussole.)

Das sch~ine Resultat dieser Versuchsreihen braehte mich auf den Gedanken, ob nicht noeh eclatanter der Unterschied ira Verhalten der An- und Cathode sich herausstellen wtirde, wenn d ie a ine a b l e i t e n d e E l e e t r o d e d i r e c t mi t An- ode r C a t h o d e des p o l a r i s i r e n d e n S t r o m e s v e r e i n i g t wt i rde . Da jedoeh diese Proeedur�87 ihrem Wortlaut nach ausgeftihrt, die Ge�9 der Ein- mischung ,,iiusserer" Polarisation (in der Electrode selbst) involviren wtirde und es ja nattirlich nur darauf ankomm% die p h y s i o l ogi- s ehen Eleetroden, d. h. die Eintrittsstellen des Ketten- und des Boussolkreises in die Fasern, zu identificiren�87 so verfuhr ich ganz einfaeh �9 Ei~em in meiner Spannvorrichtung ausge- spannten G a s t r o e n e m i u s wird der polarisirende Strom zu Achil- lessehne und Knieende zugeleitet. Von den beiden ableitenden Electroden liegt die eine ebenfalls ara Achillesspiegel, etwas ober- halb der zuleitenden, die andere an der Wadenfi~che des Muskels, etwa an der Grenze zwischen unterem und mittlerem Drittel der

Page 21: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secundlir-electromotorische Erseheinungen an Muskeln u. Nerven. 123

Fleischstrecke. Man sieht leicht ein, dass bei aufsteigendem Strome die unteren Faserenden p h y s i o l o g i s e h e Anode und zug le i ch un te re A b l e i t u n g s s t e l l e sind, wlihrend die obere Ableitungs- stelle von der physiologischen Cathode sehr entfernt liegt; bel ab- steigendem Strome ist p h y s i o l o g i s e h e Ca thode und untere Ableitungsstelle vereinigt.

Das erwartete Resultat stellte sich mit tiberrasehender Sch(in- heit ein. Bel ab s t e i g e n d e m Stromc erhielt man fast nurgegen- s innige Ablenkungen, bei a u f s t e i g e n d e m d o p p e l s i n n i g e oder re in g l e i e h s i n n i g e . Und zwar zeigt sich hier, ganz anders als beim gewi~hnlichen Verfahren, die g l e i e h s i n n i g e P h a s e schon bel e inem e i n z i g e n Z i n k k o h l e n e l e m e n t , wlihrend man sonst mindestens 2--3 braueht. Man kann also sagen: die Ab le i tung u n m i t t e l b a r an der Anode ist die g t ins t igs te , die A b l e i t u n g u n m i t t e l b a r an der Cathode die un- g i ins t igs t e Bedingt ing zut E r h a l t u n g der g l e i c h s i n n i g e n in t r apo la re n Nachstroms.

B e i s p i e i e . 1. (Links.) Gastrocnemius, in besprochener Weise zu- und abgeleitet. ]Zuhestrom ~ 318 sc.-----0~0033 D. (Ira Laufe des Versuehes nimmt der Ruhestrom dureh die sich summ~renden Riic]~stinde der g]eichsinnigen Phasen bel aufsteigenden StrSmen bis auf die fiinffache Kraft zu; diese Zu- nahme zeigt sioh in allen Versuchen.) - - 2. (lZeehts.) Gastroenemius, ebenso. Ruhestrom ~' 32 (vermind. Empfindl.) ~--- 0,0065 D. (Zunahme wi~hrend des Versuehs auf dus 4i/2fache.)

1 . Beispiel. 2. Beispiel.

Zahl der _:tichtung Ablenkung Zahl der~!l:tichtungl I Ablenkung "~es Il(des unteren ~, I 1 L(des unteren

J~m- ~ ces Muskel Ele- ~ I Muskel- mente. Stromes. endes.- mente. Stromes. endes).

1

Y,

3

- - 1 6 7 k

35 T ~~~I ~ - - 290 k

132�87 127~ a

- - 1 5 4 k

89 125I a

- - 320 k

Empfindlichkeit der Boussole stark verminclert.

- - 1 3 k

- - 2 5 k

- - 4 7 k

- - 1 9

+ 50I a

Page 22: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

124 L. H e r m a n n :

1. Beispiel. (Forts.) [ 2. Beispiel. {Forts.)

Z~hl s IRi~ I AbIen-----'--ku,g 'lZ~~~i y ~iehtung tf Abl~nk~.g �9 I I ~ (des unteren I ~, ~ i(des unteren

Ele- ! (tes I Muskel- [ ~le- aes Muskel- mente LI Stromes , endes mente, Stromes endes) "L, ":1 )- [ Il . - .......

Empfiz~dliohkeit der Boussole ,, stark vermindert.

+

t +

6 k

22 k

13 k 24 31I a

9 k

Empfindl ichkeit ein wenig vergrSssert.

- - 41 k 147J

u 9al ~ /

] - - 63 k 127)

r u 431 ~

18

- - 5 1 k

- - 13 -~ 44} a - - 3 8 k

+ 123 a

- - 27 k

- - 1 1 0 ) + sl~ a - - 2~7 k

40 "~ 107}a

85 + 19t k

80

Es giebt noch eine andere Art, eine phys io logische Electrode

des polar i s i renden St romes mi t e iner phys io logischen Ablei tungs-

stelle zu identificircn, n~imlich die Zu- resp. Able i tung zu einer

a b g e s t o r b e n e n Muskels t rccke, an Stelle der Sehne ira eben an-

geft ihrten Versnch. Die Ausft ihrung dieser Modification ergiebt nun zwar nicht das bel oberfliichlicher Be t rach tung viel leicht er-

war te te Resnltat , sondern ein gewissc rmassen entgegengesetz tes ,

d a s aber g rade unser Grundgese tz in i iber raschendster und be-

lehrends ter Weise best~tigt. Icia ve rwand te ftir diese Versuche die von mi t zuerst ange-

gebene Methode aine S t recke des Muskels w ~ r m e s t a r r zu machen~),

1) Vgl. dies Archiv Bd. IV, 8. 167.

Page 23: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secund~r-electromotorische Erseheinungen un Muskeln u. Nerven. 12 5

welche sp~te�9 d u B o i s- R e y m o n d als Herstellung eines ,, thermischœ Querschnitts" bezeiehnet hat~). Der Versueh l~sst sich nattirlich mittels eines einzigen Muskels anstellen, naeh dem Schema des letztangeftthrten Versuehs, nur dass an Stellœ der Sehne eine w~rmestarre Streeke tritt. Noch htibseher aber gestaltet sieh der Versueh bel foliendem Verfahren.

Beide Sartorien eines Frosehes werden so pr~parirt, dass sie an ihrem Symphysenende ira Zusammenhang bleiben. Sic werden dann zusammengelegt~ und das Symphysenende beider etwa 8mm weit in heisses Wasser getaucht, und so w~rmestarr gemaeht. Das Muskœ wird dann wieder entfaltet, und mittels zwœ dureh die Kniesehnen gesteekter Igœ auf einer Korkplatte aus- gespannt. Der polarisirende Strom wird beiden Kniesehnen zu- geleitet, die Ableitung gesehieht einerseits ira w~rmestarren Be- reieh (an der Symphyse), andrerseits ira oberen Abschnitt des lebenden Theils des einen Muskels. Ist letzterer z. B. der reehte, so dient der linkœ offenbar nur als indifferenter Zuleiter des po- larisirenden Stromes; der eigentliehe Versuehsmuskel abœ ist der reehte, ftir welehen die obere polarisirende und die obere ableitende Electrode identifieirt sind, und ara thermisehen Querschnitt liegen. Ara Sehlusse des Versuehes kann man dann dureh Verlegung der ableitenden L~ngssehnittseleetrode an den anderen ~[uskel aueh an diesem experimentiren. Nattirlieh kommt bei diesen Versuehen der volle Demareationsstrom zur Ableitung, welcher zun~ehst zu compensiren ist.

Man sollte nun naeh Analogie des vorigen Versuehes erwar- ten, dass die gleiehsinnige Phase des Naehstroms nur dann her- vortritt, wenn die physiologisehe Anode mit der einen Ableitungs- stelle vereinigt ist, oder mit anderen Worten, wenn der polari- sirende Strom vom nieht abgeleiteten zum abgeleiteten Muskel, also in letzterem abterminal geriehtet ist. Statt dessert stellt sieh nun grade in diesem Fallœ die gleiehsinnige Phase n i e m a ! s ein, wahrend sie bel entgegengesetzter Stromriehtung zuweilen zu Stande kommt.

Sofort aber wurde mit die Ursaehe dieser sehœ Ab- weichung klar. Bekanntlieh bat B i e d e r m a n n 2) gefunden, dass

1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1873. S. 526. (Ges. Abh. II, S. 409.) 2) Sitzungsber. d. WienerAcad. Math. naturw. C1. 3. Abth. Bd. LXXX:

S. 367ff.; Bd. LXXXIII, S. 289 ff.; Bd. LXXXV, S. 144ff.

Page 24: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

126 L. Hermann:

die Oeffnungserregung bei StrSmen, deren Anode mit dem ktinst-

lichen Querschnitt zusammenfNlt, ausbleibt. D a s A u s b l œ d e r g l e i e h s i n n i g œ N a c h s t r o m p h a s e b e i a b m o r t a l e r 1)

S t r o m r i c h t u n g i s t a l s o e in n e u e r s e h r s c h S n e r B e w e i s ,

d a s s d i e s e r N a e h s t r o m a u f da s I n n i g s t e an d i e O e f f n n n g s -

e r r e g u n g g e k n t i p f t ist. Ich bemerke noch beilaufig, dass sich bei diesen Versuchen vielfach von selber Gelegenheit bietet, die Angaben B i e d e r m a n n ' s und E n g e l m a n n ' s (mit v an Lo o n ) tiber

die erregende Wirkung der abmortalen und admortalen Striime zu bestiitigen, da wir stets einen abmortal und einen admortal durch-

strSmten Muskel ira Kreisc haben.

0ben ist sehon angedeutet, dass sich bel atterminaler Strom- richtung zuweilen die gleichsinnige Phase einstellt. Wie leicht

vorauszusagen war, tritt dies um so leichter ein, je nfiher dem

Knieende die andere ableitende Electrode zu liegen kommt, je

weiter sie also bel admortaler Stromrichtuug in den Bereich des Anelectrotonus hineinriickt.

Beispiele. Jedesmal 2 Sartorien, in bezeichne~er Weise hergerichtet und ubgeleitet. Das folgende Schema verdeutlieh~ den Versueh.

d I

AL ~- �9 d c C t C I l

S bedeute™ wie frfiher die Symphyse, AS und BS die beiden Sartorien, der doppellinige Theil soli den lebenden, der geschw~rzte den w~rmestarren An- theil bedeuten. A, B sind die Elec~roden des polarisirenden Stromes, ce', resp. ce" and dd ~ die ableitenden Electroden in den einzelnen Versuchen.

1) Die von mir eingefiihrteBenennung der Stromrichtungen nach ihrer Beziehung zu den Faserenden (diesArchiv, Bd. XVI, S. 193) ist von B ieder- m~nn™ Engelm~nn, Grl i tzner n.A. adoptirt worden; jedoch bezeichnen diese Au~oren einen vom Faserende in don Muskel hineingehenden Strom auch dann als ,,abterminal", wenn das Faserende mit k[instlichem Querschnit~ versehen ist; w~ihrend ich in diesem FM1 von ,,abmortalen Str5men" spreche. Grade die Biedermann'schen Thatsachen machen diese Unterscheidung wiinschenswerth, Ich kann z. B. mein Resultat kurz so ausdriicken: Ein ab- terminuler Strom Iiefert unter rien sngegebenen Bedingungen gleichsinnige Nachstromphase, eln abmortaler nicht.

Page 25: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secundis Erscheinungen an Muskeln u. ~Terven. 127

1. Beispiel. 2. Beispiel.

Zahl Richtung

der // des , l /St romes

Elemen~e'// i n A B .

Ablenkung durch

den 5Tachstrom.

1 'Richtung

I Cor Il y176 il y S t r o m e s

[Elemente.[ , [] Nachstrom. I Il m A~. Il

Able i tung in cc ' ; Ruhest rom --~ ----- 0,0311 D.

1 ~ - - 26 adm.

, ~ - - 32 abm.

3 +- - - 64 adm.

,, - ,- - - 42 abm.

6 - - 42 adm.

- - 61 abm.

9 T ~~t aa~, - - 60 abm.

370 18 --~ 1.10 I a d m '

,, - - 590 abm.

Able i tung in dd ' ; Ruhes t rom ~- 565 sc. --~ 0,0436 D.

1 +-- - - '20 abm.

,, ~ - - 10 adm.

6 I ~ - - 315 abm.

I - 482 " "* -4- 55 ~ adm.

4291 9 ~-- + 10 abm.

215 I " ~ + 108 adm.

18 ~-. - - oe abm.

', -+ 118 adm.

Ablei~ung in cc"; Ruhes t rom -~ oe = 0,0465 D.

i - - 41 adm.

- - 40 abm.

+ 30 adm.

- - 160 abm.

- - 1 5 3 1 + 98 udm.

-- 260 a b m .

9 ~ - ~ 1301adm'232

, -+ - - 630 abm,

18 +- 7659230 I adm"

�87 -~ - - oe abm.

Able i tung in dd ' ; Ruhes t rom ~- c~ ----. 0,0448 D.

1 + - - - 70

1 1 7

" - ~ + 3 0

�87 ~ - - - 3 0

53 " ~ 14

- - 183

45 + 55 - - 496

i 516 oe 258

u 1 7 4

a]3m,

l adre.

abm.

l adre.

abm.

l adre.

abm.

l adre.

abm.

l adre.

In diesem und den folgenden Beispielen bedeuten die zur Ieichteren

Uebers icht beigefi igten Zeichen adm. und abm. die admorta le , resp. abmor- ta le Rizh tung des polar is i renden Stromes.

Page 26: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

128 L. Hermann:

Der sch0ne Erfolg dieser Versnehe leitete ferner auf eine Anordnung, bel welcher die Versehiedenheit des Erfolges beider Stromriehtungen noeh m~tehtiger hervortritt. Wir sahen soeben, dass (wenigstens innerhalb der angewandten Stromst~trken) nur ad- mortale und fast nie abmortale StrSme positive Phase geben, sobald die eine Zu- und Ableitung ira Bereiehe ktinstliehen Querschnitts lieg't, und dass sie bei admortalem Strome um so sieherer auftritt, je n~her der Anode die Able�8 vom lebenden Faserantheil liegt. K0nnte man aueh letztere mit de�9 Anode identificiren, so w~tren die Bedingungen ara gltinstigsten.

Man erreicht dies z. B. ara Gastrocnemius, indem man das obere Ende dureh Eintauehen in heisses Wasser mit thermischem Quersehnitt versieht, und nun sowohl der Aehillessehne wie dem oberen thermisehen Quersehnitt je eine polarisirende und eine ableitendeEleetrode anlegt; beide Orte bieten ftir zwei Thonspitzen hinl~nglieh Platz. Bei diesem Verfahren giebt der absteigende (abmortale) Strom nie positive Phase, dag'egen der aufsteigende (admortale) dieselbe schon von sehr sehwachen StrSmen ab. Der Sachverhalt ist selbstvœ so: Die Ableitung" geschieht bei beiden Stromrichtungen unmittelbar an Anode und Cathode des polarisirenden Stromes. Die Anode liegt aber bei absteigendem Strom am ktinstlichen Quersehnitt; also kann nur der aufsteigende Strom positive Phase geben.

Man kann aber noch weiter gehen. Die Vereinigung einer zuleitenden und einer able~tenden Eleetrode haben wir bisher so bewœ dass wir beide einer indifferenten leitenden Fort- setzung des Muskels, sel es die Sehne, sel es eine w~rmestarr ge- machte Streckœ des Muskels, anlegten. Es steht aber gar Nichts ira Wege, als diese Fortsetzung ein Sttick Electrodenthon zu nehmen. Derselbe ist zwar naeh du B o i s - R e y m o n d innerlich polarisirbar, aber doeh nur ,negativ" und jedenfalls kaum mehr als ein Sttiek Sehne oder starter Muskel. Hiernach ffestaltet sich, wenn man die ganze durchflossene Strecke zuffleich zut" abgeleitetœ machen will, der Versuch hSehst ein�9 folgendermassœ Man legt zuerst dem Organe die ableitenden Eleetroden mit ihren Thonspitzen an, und dann'diesœ Thonspitzen etwas h(iher die Thonspitzen der polarisiren- den Eleetroden. Die ,,~iussere" Polarisation, welehe du Bois -Rey- m o n d abhielt, die polarisirenden Electrodell zugleieh als ableitende zu benutzen (dBR. S. 348) ist, wie man sieht, hierbei vollsti~ndiff ver-

Page 27: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secundi~r-electromotorischeErscheinungen anMuskeln u. Nerven. 129

miedenl). Liegt nun die eine dicser Doppelelectroden an einer lebenden�87 die andere an einer todten Muskelstrecke, so tritt, wie zu erwarten wa�9 gleichsinniger Nachstrom nur bei solchen StrSmen auf, dic von der ersten zur zweiten Stelle (admortal) gcrichtet sind. Und tiberhaupt ist die genannte Bchandlungsweise fiir die Dar- stellung der gleichsinnigen Nachwirkung am Muskel die denkbar gtinstigste, auch wenn beide Doppelelectroden an lebend~m Fleisch- antheil liegen; weil eben dann jedesmal die anodische Intrapolar- strecke in ihrem wirksamsten Theile zur Ableitung kommt.

B e i s p i e l e . S a r t o r i u s , an einem Ende (bel A) w~rmestarr gemacht. Zu- und Ableitung bel cc' mit Doppelectroden.

A ~1 c - - c ] ~ -B

1. Beispiel. 2. Beispiel.

u~ ~ ~ ~ Nachstrom ~ ~ ho ~ Nachstrom

b~ r_~ I~ ~ ~-~ Il rob. ,~]I= m'~ I Empl�9 ~ ~ l l~ ~[I rob. reduclrG.

1

+

9

18

Ruhestrom --~ oo --~ 0,0189 D. Nur 1 Gewlnde benutzt (t/5) 2)

298 - - 372 abm. Gewinde weiter entfernt (1/2o)

- 7 2 } _~_~ + 40

- - II0 :- 272 } + 28 -- 40O - - 299 + 21}

- - 630

- 1 4 4 o

4. 800 ~ adm.

- - 2200 abm.

- - 5440 ~ adm. § 560

SO00 abm.

- - 5980 i adm. + 420 )

- - 12600 abm.

Ruhestrom + Go ~~- 0,0386 D. Voile Empfindlichkeit

1I]+ ~+2+t - 1 0 5 4-

,, --~ - - 3 4 3 - -

G e w i n d e entfernt

190 I - - 4 "~-- 2 0 4 -

+ -

, , -* - - 1 9 0 - -

3 1 2 I - - 9 ~- 4- 55 -4-

, -~ 179 - -

426105 I adm,

343 abm.

(1ho) 2) 8800400 Iadm.

3800 abm.

6240 I adm. 1100

3580 abm.

Gewinde noch weir entfernt (1/6o)

:+l t +++.m 18 ~ 17 nu 1020 ~

. ~ 142 - - 8520 abm.

1) Selbstverst~ndlich darf bei diesen, wie iiberhaupt bei Mien Ver- suchen dieses Gebietes, wenn fiir schwache polarisirende Str~ime ein Rheo- chord verwendet wir4 (schwache StrSme kommen iiberhaupt kaum zur An- wendung), die Unterbrechungsstelle nicht zwischen Kette. und Rheochord, sondern sie muss zwischen Organ und Rheochord liegen (vgl. auch dies Ar- chiv Bd. u S. 318 f.).

2) Die eingeklammerten Briiche bedeuten das Verh~ltniss der Empfind-

Page 28: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

130 L. H e r m a n n :

So ist denn durch eine Fiflte vonBeweisen die von duBois- R e y m o n d vollst~tndig tibersehene Thatsaehe festg'estellt, dass die g l e i e h s i n n i g e ]?base des N a e h s t r o m s ara M u s k e l led ig- l ieh von de r A n o d e n s t r e e k œ h e r r t i h r t .

F[ir den N e r ve n hatten die oben S. 116 i: angefiihrten Versuche keinen Untersehied des Verhaltens ergeben, moehte die Ableitung mSglichst nahe der Anode oder mSgliehst nahe der Cathode statt- finden. Dies Verhalten darf uns nieht Wunder nehmen, da am Nerven der Aneleetrotonus bel starken StrSmen fast bis an die Cathode reicht (vgl. S. 115). Trotzdem sehien es erw~nscht, die ara Muskel benutzten Kunstgriffe zum wirksameren Unterseheiden des anodisehen und cathodisehen Verhaltens auch am Nerven an- zuwenden, und dieses Verfahren belohnte sieh in der That.

Zunliehst wurde auch ara Nerven die eine polirisirende und die eine ableitende Eleetrode einer zum A b s t e r b e n g'ebraehten Streeke angelegt. Anfangs wurde hierzu eine mittlere Strecke des wie oben (S. 116) znsammengelegten Nervenpaares (naehdem der Nervenstrang in der Mitre umgeknickt worden war, so dass beide H~lften znsammenlagen) dureh Eintauehen in heisses Wasser ab- get~dtet. Da aber, wie ieh in einer frtiheren Arbeit gefunden habe, die D~mpfe aueh den nieht eingetauehten Theil stark seh~digen 1), so wurde in den sp~teren Versuehen die blervenstreeke zwischen den Baeken eines kleinen Feilklobens grtindlieh z e r q u e t s e h t . Uebrigens zeigen aueh die in erstgenannter Weise behandelten Nerven ausnahmslos das g'leiehe l~esultat.

Es zeigt sieh n~tmlieh, dass aueh ara N e r v e n d ie g le ieh- s i n n i g e l q a c h s t r o m p h a s e bel den angewandten Stromstarken r e g e l m i t s s i g a u s b l e i b t , w e n n die p h y s i o l o g i s e h e Anode ara k t i n s t l i c h e n Q u e r s e h n i t t l i eg t , und von d i e s e m aueh a b g e l e i t e t w i rd .

lichkeit bei dem gew~hlte~ Abs~ande, resp. der gew~hlten Verkfirzung des Gewindes, zur vollen Empfindlichkeit. Die Abstfinde waren so ausprobirt, dass dies Verh~ltniss ein m~glichst abgerunde~es war. Bel m e i n e r Bousole, deren Gewinde nicht verschiebbar ist (dies Archiv Bd. XXI, S. 433), ist das entfernte Gewinde ein fremdes. Vgl. iibrigens auch oben S. 113 Anm.

1) VgL dies Archiv Bd. XXIV, S. 254.

Page 29: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secundi~r-eiectromotorischeErschelnangen an Muskeln u. Nerven. 131

B e i s p i e l . 2 Isehiadiei~ in alternirender Anordnung zusammengelegt,

in der Mitre in einer Strecke von 9 mm zerquetscht (die zerquetschte Strecke

ist ira Schema wiederum durch die schwarze Linie bezeichnet). Die Zu-

leitung des polaris�8 Stromes geschieht bei AB.

(3 ~ ~ C C I

Ableitung bei ce'. Ableitung bei ce".

m ~ oe . -

= ~ Nachstrom.

Ruhr 1 �87

i

4

9

18

�87

strom --~ 437 sc. ---~ 0,0149 D. - - 34 adm.

i -- 32 abm. 118 adm.

- - 121 abm.

132 I adm- ~- 5s

- - 206 abm.

- - 552 abm.

Ruhestrom <-- 394 sc. ---~ 0,0099 D. 1 , - - - 97 abm.

9 y

Italbes Gewlnde (~/5)

'~ : ~~~~ ~~~i™ ~~~~~~~m 587 734) " 15 S 19)

580 725) " 18 adm. 23)

-- 74 adm.

- - 210 abm.

- - 200 adm.

202 abm.

550 adm.

Ferner wurden, wie in den zuletzt besprochenen Versuchcn am Muskel, die beiden Electrodenpaare vereinigt, und das eine an einer abgetSdteten, das andere an einer lebenden Nervœ angebraeht. Auch hier zeigte sieh der positive Naehstrom, mit Ausnahme einiger weniger Versuehe bel den h(iehsten Stromst~trken, n u r bel a d m o r t a l e r S t r o m r i e h t u n g , undwegen der gtinstigen Ableitung stellte er sieh, was sonst nie der Fall ist, schon bel so sehwaehen Str5men wie I Zinkkohlenelement ein,

Page 30: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

132 L. Hermann:

Beispiel. 2 lsehiadici, wie gew6hnlich zusammengeleg~, an einem Ende (geschw/irzt ira Schema) zerquetscht. Zu- urld Ableitung mit verei- nigten Electrodœ bei ce'.

.... 5 ~ ?j~_

IIRlchtun Zahl Ele- der dle:o~: �8 " �9

mente, roh. reducirt.

Ruhestrom --~ 334 sc. ~ 0,0100 D. 165

-- 202

Y o e l ii ~ 49

- - 1 6 5 ~ ~ d m . q- 23 t

-- 202 abm.

49 I adm.

- - o e ~ l . b m ~

Halbes Gewinde (~/.~)

,, u 2~ u ~0 , --- 140 -- 175 abm.

Gewinde entfernt (1/~o)

+ t - - 6 1

- - 1 1 1

- - 1 4 2

1060 } adm. + 40

~ 1220 abm.

-- 2220 adm.

2840 abm.

9

18

Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass d e r g l e i c h - s i n n i g e i n t r a p o l a r e N a e h s t r o m a u e h ara :Nerven e i n e v o m A n e l e e t r o t o n u s h e r r t i h r e n d e E r s c h e i n u n g ist . Dis ira Texte erw~hnte zuweilen vorkommende Ausnahme, dass n~imlieh sehr starke StrSme nieht nur bel admortaler, sondern auch bei abmortaler Riehtung die positive Phase zeigen, darf uns hierin nicht beirren, denn ich habe in frtiheren Arbeitœ wiederhol t darauf hingewiesen, dass der Nerv nie so angespannt ist�87 dass nicht wellenfiirmige Lage seiner Fasern multiple Anoden und Cath- oden longitudinaler StrSme bedingen, und neuerdings hat B io-

Page 31: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secund~ir-electromotorlsche Erscheinungen an Muskeln u. Nerven. 138

d e r m a n a 1) auf dan grade hier in Betraeht kommenden verwandten Umstand aufmerksam gemacht, dass abmortalt StrSmœ wegen un- vermeidlieher Krtimmungen etc. zum Theil in den L~ng'sschnitt statt in den Quersehnitt eintrtten mtissen. Den Muskel kSnntn wir ungestraft riel mehr streckœ Ieh mSchte aber trotzdem dis Frage, ob bei streng abmortaler Stromriehtung der Aneleetrotonus aueh bei den st~rksttn StrSmen vollkommen wegf~llt, wegen ihrer grossen principitllen Wiihtigkeit noeh nicht fur endgtiltig ent- schieden ansehtn, sondern einer besonderen Unttrsuchung vorbe- halten.

Ftir jetzt haben wir sehon Matœ genuff gewonnen, um tiber die Riehtigkeit der oben S. 114 angedeuttttn Erkl~runff der du Bois'sehen Btobachtung zu tntseheiden. Ditse Entseheidung wird aber noeh um Vieles sieherer dureh dit Erseheinungen der e x t r a p o l a r t n NaehstrSmt~ zu deren Untersuehung wir uns nun- mehr wenden.

4=. Untersuehung der extrapolaren Nachstr~me der Nerven und der ~Iuskeln.

Die Untersuchun` der extrapolaren ~aehstrSme naeh Durch- strSmung einer gewisstn Strecke des Organs ist bisher nur far den Ntrven ausgefUhrt worden. Die crste Untersuchung rUhrt von F i e k her, weleher angab, dass zu beiden Seiten des polarisirœ Stromts ein dœ tntgtgengesetzter Nachstrom vorhanden sel2). Kurze Zeit darauf wurdt ieh auf ditselbe Frage gr239 und fand, dass beide extrapolare Streeken sieh durehaus versehie- den vtrhalten: auf der Seite der Anode fand ich wie F i e k eintn tntgegtngesetzttn Naehstrom, auf der Seite der Cathode dagegen einen dem polarisirenden Strome gleiehsinnigen; der erstere ist btdeutend kr~ftigtr als der letztere ~). F i t k hat sp~ter seine Ver- suehe noeh tinmal aufgenommen, und diesmal dit gleiehtn Resultate

1) Sitzuugsber. d. W~ener Acad. M~th.-n~turw. C1. 3. Abth. Bd. LXXXV. S. 144.

2) Centralb]att f. d. med. Wissensch. 1867. S. 436. 3) Untersuchungen zur Physiologie der Muskeln und Nerven. 3. Heft

S. 71 ff. Ber]in 1868.

Page 32: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

134 L. H e r m a n n :

wie ieh gewonnena). Du B o i s - R e y m o n d erwiihnt zwar diesen Saehverhalt (S. 378 f.), deutet aber nieht an, ob er selber iiber diesen Gegenstand Versuehe angestellt bat.

Ieh selber habe seit dem Erseheinen meiner damaligenArbeit off Gelegenheit gehabt, die extrapolaren Nachstr5me des l~erven von l~euem zu beobaehten; namentlieh bescMiftigten ste mich, als ieh ira Jahre 1871 und 1872 die extrapolaren Naehstr5me dos von Fltissigkeit umhiillten Platindrahtes untersuchte2). Zu einer syste- matischen nochmaligen Untersuchung veranlasste mich aber erst die neue Arbeit du B o i s - R e y m o n d ' s und die Deutung welche ieh der vermeintliehen ,positiven Polarisation" derselben geben zu mtissen glaubte (s. oben S. 114, und weiter unten). In der That war die damalige Untersuchung insofern nieht mehr als er- schi~pfend zu betraehten, als sic mit dem Multiplicator angestellt war, dessen triiges Nadelpaar etwaige n raschen Weehsel der Strom- richtung nieht zu erkennen geben konnte, als ferner du Bois- Reymond ' s Vorgang den Muth gab, auch mit hohen, ehemals mit Misstrauen betraehteten Stromstarken die Versuche anznstellen, und auch zu Beobaehtungen mit ganz kurzen Sehlusszeiten auf- forderte. Endlich war die Untersuehung auch auf den Muskel auszadehnen.

Das Versuchsverfahren war das oben besehriebene, nur dass die ableitenden Eleetroden extrapolar angelegt waren. Die Iso- lirung der beiden Kreise mittels der Paraffinwippe bew~ihrte sieh aueh ftir diese Versuche vollkommen, obwohl, wie ich sehon aus meinen frttheren Versuehen wusste, die stSrende Wirkung von Iso- lationsmiingeln ftir die extrapolaren Versuche gr(isser ist als ftir die intrapolaren. Dieser letztere Umstand ist leieht zu erkl~iren; denkt man sich das Material der Wippe etwas leitungsf~hig, so gehen wahrend der Schliessnng des Kettenkreises bei extrapolarer Ableitung nnr einsinnige Stromschleifen durch die Boussole, bei extrapolarer dagegen doppelsinnige, welche sich zum Theil com- pensiren; es ist ann~hernd so a]s wi~re die Boussole in die Quer- brticke einer W h e at s ton e'schen Drahtcombination eingesehaltet.

Aus einer grossen Reihe van Versuchen mit Striimen von 1

1) Untersuchungen uns dem physiol. Labor. d. Ziiricher Hochschule 1. tteft S. 129. Wien 1869.

2) Dies Archiv Bd. V, S. 267 i Bd. VI, S. 318.

Page 33: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secundi~r-electromotorische Erscheinungen an Muskela u. Nerven. 135

bis 18 Zinkkohlenelement• und mit Schliessungszeiten von weniger als 1 Secunde bis zu 60 Seeunden ergeben sich nun folgende Gesetze.

Am bTerven ist die Hauptablenkung stets dem frtiher von mil" gefundenen Gesetze entsprechœ d.h. anf der Seite der Cat- hode dem polarisi�9 Strome gleiehsinnig, auf Seite der Anode gegensinnig, mit anderen Worten: in beiden Fallen von der durch- fiossenen Strecke weg gerichtet. Der ariodische ~achstrom ist, wie ich ebenfalls frtlhœ gefunden habe, ausnahmslos st~rker als der cathodische. Weiter aber zeigt sich, und dies ist das ~eue, welches durch den leichten Magneten der Boussole sich heraus- stellte, vor dem (gegensinnigen) anodisehen Nachstrom e i n k u r ze r dem p o ] a r i s i r e n d e n Strome g l e i c h s i n n i g e r Vorschlag. Der anod i sche N a c h s t r o m ist also doppe l s inn ig : zu- ers t • leichsinnig, dann g e g e n s i n n i g ; der ca thod i sche h~aehstrom d u r c h w e g g le ichs inn ig . Ferner zeigtsich, dass der g e g e n s i n n i g e anod i sche Naehstrom sehr anhaltend ist, der Magnet nach Erregung des Maximums der Ablenkung ~usse r s t triage und u u v o l l s t i i u d i g zu r i i ckkehr t , uud oft gradezu s t e h e n bleibt , w~hrend die c a t h o d i s c h e g le ichs in- n ige Ablenkung sofort vo l lkommen wieder verschwindet.

Ara Muskel (ftir diese Versuehe wurde fast stets ein auf Kork ausgespannter Sartorius verwendet) ist das Gesetz de�9 extra- polaren NachstrSme, welche stets sehr intensiv sind, ira Allge- meinen dasse lbe wie ara Nerven. Jedoch ist hier, - - waswie wir sehen werden, sehr wichtig ist, - - die gleichsiunige erste Phase des anodischen ~aehstroms ira Vergleich zur zweiten g'egen- sinnigen relativ stark, und bei schwlicheren StrSmen nicht selten ausschliesslieh vorhanden, und ferner ist die zweite Phase nieht wie beim Nerven st~rker als der cathodische Nachstrom, sondern ira Gegentheil stets bedeutend schwiieher; auch hier aber ist sie stets riel dauernder als jener. Man kann also das Gœ fur den Muskel folgendermassen ausdrtieken: Auf be iden Se i ten des p o l a r i s i r e n d e n S t romes zeigt s ieh naeh der Oeffnung zuers t ein demse lben g l e i ehs inn ige r N a e h s t r o m ; diesem folgt aber auf der Anodense i t e e ine g e g e n s i n n i g e , lang anha l t endœ A b l e n k u n g , wi~hrend der g l e i c h s i n n i g e cat- h o d i s c h e Nachs t rom sein Vorze ichen n ich t u m k e h r t , sond ern einœ sehr b e d e u t e n d e GrSsse er re icht , und dann

E, Pflfiger, /krohiv f. Physiologie . Bd. XXXIII, ]0

Page 34: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

136 L. t ‡ n:

vol ls t i~ndig v e r s e h w i n d e t . Ich fti~e noch kurz hinzu, dass ich in einigen h(ichst seltenen Ausnahmeiallen (von denen ich ab- siehtlich einen als zweites Beispiel gew~ihlt habe) bel den schwachen Str~men auf der Cathodenseite e�8 doppelsinnige, zuerst gleich- sinnige, dann gegensinnige Ablenkung eintreten sah.

Auch hier sollen Beispiele das Gesagte veranschaulichen.

Beispiel e ines V e r s u c h e s am Nerven. 2 Ischiadiei, alternirend zusammengelegt. Extrapolare Ableitung. Kiirzesfe Schlusszeit.

~1 ~'1 A I ~e ,y

Lange polarisirte Strecke (AB) Kurze polarisirte Streeke (AB')

Zahl der Richtung Zahl der Riehtung Ele- des pol. /Nachstrom in ce'. Ele- des pol. ]~achsfrom in ce'.

monte. Stromes. mente. Stromes

1

3

9

18

+ 8 I - - 2 5 * a

+ 21 k

- - 1 1 7 " a

�9 + 5 2 k

+ 20 I - - 1 5 4 " a

+ 75 k

+ 11 1 - - 1 7 4 " a

+ 54 k + 25 }

+ 32 k

18

+ s I - - 6 a

+ 6 k

- - 3 6 * a

+ 23 k

+ 25 1 -- 91" a + 50 k

+ 20 } - - 1 0 8 " a

+ 39 k

Page 35: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. seeundKr-eleetromotorisehe Erseheinungen anMuskeln u..Nerven. 137

A n d e r e s Be i sp i e l v o m I q e r v e n . Aehnlieh wie der vorige Versuch; jedoeh wird abweehselnd bei AB und AB' zugeleitet. Kurze Schlusszeit.

Zahl der Zu- j Nachstrom in ce

Ele- ]i' leitung bei Strom- bei Strom- mente, in riehtung richtung

1

3

9

18

AB

AB'

AB

AB'

AB

AB'

AB

AB'

+- -4-1

--11

+-7 -+9

la -4- 5k

la + 14k

l a + 13 k

l a + 27k

l ai + 38k

a + 50k

la + 48k

la + 30k

B e i s p i e l e von V e r s u c h e n ara Muskel. S a r t o r i u s . polare Ableitung bel cet Zuleitung bel AB. Kurze Schlusszeit.

AI el~ e_ cL.__

Extra-

1. Beispiel.

Zahl der Richtung ~ Ele- des pol. Il Nachstrom

mente. Stromes. l r l c e ~

i

2. Beispiel.

Z~!!ioEr ~oEeCrsho~mU~

-~- 46 a 1

- - 4 k

-b ~ 20 a

4- 32 a

Naehstrom in ce'

~ - + - 3 5 a

+

+

__~ +

2 4 1 k

BO a 1

56 I k

30 a

Page 36: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

138 L. H e r m a n n :

1. Beispiel. (Forts.)

Zahl der Riehtung Ele- des pol.

ment› Stromes.

18

Naehstrom in ce'

0 k

+3} - - 1 5 " a

§ 156 k

§ 15 1 - - g 2 * a

§ 162 k

+ 80 } - - 6 0 * a

+ 153 k

+ 17 I - - l a 6 * a

+ 339 k

T 17 I - - 1 8 g * a

+ a28 k

Die Erkliirung der

2. Beispiel. (Forts.)

~Zahl der tRiehtun~o Ele- des pol.

mente. Stromes. Nachstrom in ce'

beobachteten Erseheinungen versehieben wir auf den folgenden Paragraphen.

Nach den Erfahrungen bei der intrapolaren Ableitung war vorauszusehen, dass sich auch extrapolar die Gesetze noeh pr~i- gnanter zeigen wUrden, wenn man mittels des dort gebrauchten Kunstgriffes die eine ableitende Electrode mit der einen polari- sirenden vereinigt, also die extrapolare Ableitungsstrecke un- mittelbar an die intrapolare Strecke anreiht. Es wurde also dle eine ableitende Electrode nunmehr mit ihrer Thonspitze an den Thon der einen zuftihrenden angelegt.

9

18

+ ' l k - - 28

q- 55 a

-I- 17 k

-1- 41 a

§ ~8 k

+ 42 1 - - 1 6 " a

+ 394 k

"4- 64 } - - 4 7 * a

q- 436 k

§ a5} - - 1 5 a

+ 485 k + 58 } - - 1 2 a

+ 402 k

+ 3o I - - 255* a

�9 4-- 542 k

+ 80 I - - 1 8 5 " a

+ 468 k

Page 37: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. seg. secund~r-electremetorischeErseheinungen an Muskeln u. Nerven. 139

Hier waren nun in der That die Erseheinungen wo miiglieh

noeh pr~chtiger und regelmiissiger als beim gewiihnliehen Ver-

fahren.

Be i sp ie l eines Versuehes ana iNerven. 2 Isehiadiei, alternirend zusammengelegt. Zuleitung bel AB, Ableitung extra13olar bel ce'. Eleetroden e uncl B vereinigt. Kurze Schlusszeit.

AI ~1: ~ t~

Zahl der Riehtung EIe- des 13oi.

mente. Stromes.

Naehstrem in ce'.

1

r7

4

J~

9

18 i

+1} - - 31 " a

§ 8 k

+ a I - - 200* ~i

-I" 111 k

+ 5 1 247* a q- 186 k

n t- 90 l a - - 227* q- 2 9 6 k

Beispie l eines Ve r suehes a r a M u s k e l . Sar to r ius . Ablš wie ara Nerven ira verigen Beispiel.

Zahl der Riehtung Nachstrom in cc' Ele- des pol.

mente. I Stromes. reh. reducirt. / il~ o . 5 6

20 4 m*l

�87 12a

+ 60} - - 127" a

+ 56 k

5- 20 I

+ 1 2 a k

Zu- und

Page 38: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

140 L. Hermann:

Zahl der!IRichtuug ]' Nachstrom in ce' Ele- r des pol. [

mente. Stromes. roh redueirt.

~7

9

18

Gewinde entfernt (lhs)

i ! _~ rl-- 53"i

; l

il+ 1 1 14 :

~ iI+ 4 3 ' } , - -

I]+ ,2

- - 684* a + 90 k

954* a

+ 19s

+ 252 I - - 784* a -~- 216 k

Schliesslieh sel noeh erwi~hnt, dass ich mit Htilfe des Herrn v. G e n d r e auch eine Anzahl Versuehe mit gleiehzeitiger intra- und extrapolarer Ableitunff an Nerven und Muskeln angestellt habe, um das zeitliehe Verh~tltniss der beiderseitigen Phasen zu eontrol- liren. Da jedoeh diese Versuehe keine neuen Gesichtspunete liefer- ten, so unterlasse ieh die Mittheilung derselben.

5. Erklaru .g der intra- und extrapolaren Naehstriime der Nerven und Muskeln, nebst weiteren Yersuehen.

A. Die von w i r k l i c h e r P o l a r i s a t i o n h e r r t i h r e n d e n Naehs t r i ime .

Dass der schon seit l~ingerer Zeit bekannte gegensinnige Naehstrom, welchen l~ngsdurchstrSmte Nerven- und Muskelstrecken intrapolar naeh der Oeffnung zeigen, auf innerer galvanischer Pola- risation beruht, ist seit seiner Entdeckung durch P e l t i e r von allen Beobachtern angenommen worden. In der That zeigt dieser Strom unverkennbar alle Eigensehaften der Polarisationsstri~me. Vor Allem der ungemein steile Abfall, der sich namentlich daran zu erkennen giebt, dass, wenn zwisehen Oeffnung des Ketten- und Sehliessung des Boussolkreises auch nur kurze Zeit vergeht, man

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Ueb. sog. secundi~r-elec~romotorische Erschelnungen anMuskeln u.Nerven. 141

nur noch sehwache Best~nde vorfindet. Aber sehon an der Be- wegung des aperiodisehen Magneten sieht man dies Verhalten auf das Deutliehste; sie folgt durehaus nicht dsm bekannten Be- wegungsgesstze, welehes fUr bestandige Str0me giltl)~ sondern der erste Theil der Ablenkung ist ungewShnlich sehnell im u zu dem sehliesslieh erreiehten Betrage, und bei leichtsn l~Iagneten oft blitzartig zuckend; offenbar hat, she die Ablenkung sieh zu vollenden Zeit gefundsn, der Strom schon sehr betriichtlieh abgs- nommen, und bel stark ged~impi~en Magneten ist in Folge dessen die Ablenkung sehr riel kleiner als bsi schwi~eher gediimpftsn, bel sonst gleieher Empfindliehkeit der Boussole (vgl. die oben S. 120 mitgetheilten, mit zwei Boussolen angestellten Versuchs). Ausser- dem ist dis Abhiingigkeit der gegensinnigen Nashstr~ime von Starke und Dauer des polarisirenden Stromes ganz der Art wie bel ge- wShnliehen Polarisationsstr(imen 2).

Du Bo i s -R eymond hat bekanntlieh zuerst naehgswisssn, dass der Sitz der bszeichneten Polarisation keineswegs aussehliess- lieh an den Eleetroden des polarisirenden Strimes ist, sondern sich tiber die ganze durehflossene Strecke vertheilt, dass eine ,,innere Polarisation" vorliegta). Da aueh zahlreiche poriise Stoffe, mit Electrolyten getri~nkt, innsre Polarisation zeigsn, welehe sieh hier nur dureh dis Abscheidung von Ionen an den zahlreishen einge- sehalteten leitenden Zwisshenwiinden erkl~ren liisst, so iibertriigt du Bois -Reymond diese Erkli~rung aueh auf die innere Pola- risation der li~ngsdurchstr~mten Muskeln und Nerven, welehe sieh ja ebenfalls als porSse, mit Eleetrolyten getriinkte Gewebe be- trachten lassen (dBR. S. 346).

Seitdem ieh aber am Kernleiter-Modell (so will ish in Ktirze einen von einem Eleetrolyten umhiillten polarisirbaren Draht bezeichnen, dessen HUlle sin Strom zugeleitet w i r d , - gleichgtiltig ob diese Htille eine mit Fltissigksit getr~inkte Um- spinnung wie bei Mat teuee i , oder sine in einem Rohre singe- schlossene Fltissigkeit ist wie in meinen Versuehen) ebenfalls die

1) Vgl. d u B o i s - R e y m o n d ' s Abhandlungen liber aperiodische Magne~e.

2) Vgl. T i g e r s t e d t , Mittheilungen aus dem physiol. Labor. d. Carol.

med.-chir. Instit. in Stockholm, herausg, v. L o v › Heft II. 1872.

3) Untcrsuchungen liber thierische Electricitiit. Bd. I, S. 377; Bd. II,

2, S. 378.

Page 40: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

142 L. Hermann:

Erseheinung der inneren Polarisation naehgewiesen und erkliirt habe, und ferner gezeigt habe, dass die genannten physicalisehen Bedingungen ara Muskel und Nerven verwirklicht sindl), liegt die in diesen Umstiinden begrtindete Erkliirung, welche du Bois- R e y m o n d entgang'en zu sein scheint, ungleich n~her, zumal sie, wie wir sehen werden, aueh die e x t r a p o l a r e n p o l a r i s a t o r i - sehen N a e h s t r S m e des Muskels und Nerven vollst~indig erkl~irt. Zuniichst zeigt ein von ieitender Fliissigkeit umhiillter Metalldraht (ausgenommen, wenn die Combination unpolarisirba�9 ist, wie ein amalgamirter Zinkdraht in Zinkliisung), genau wie der Muskel und Nerv, in der i n t r a p o l a r e n S t r e c k e tiberall g e g e n s i n n i g e pola- risatorisehe Nachstr(ime 2).

Um nun auch das e x t r a p o l a r e Verhalten des Kernleiter- Modells vollstiindig zu iibersehen, ist zun~chst die damalige Unter- suchung in einigen Pancten theoretiseh und experimentell zu er- g~tnzen.

Die p o l a r i s a t o r i s e h e n Naehs t r i~me des Kern le i t e r - Modells .

a. Exper imente l l es .

Verschiedene Umstiinde machten eine Wiederholung und Ver- vollst}indigung der in den Jahren 1871 und 1872 ausgeftihrten Untersuchang tiber die Nachstr~ime des Kernleiter- Modells wiin- schenswerth. Einmal war damals i}~st nur mit miissigen Strom- st~rken und mit llingeren Schlusszeiten gearbeitet worden; im LIinblick auf du B o i s - R e y m o n d ' s Versuehe war aueh das Ver- halten bel starken StrSmen und bei knrzen Schlusszeiten zu unter- suchen. Zweitens hatte ieh damals einfach den polarisirenden Strom mittels eines Schltissels geSffnet und gleich darauf den Boussolkreis geschlossen; es war Wtinschenswerth, beide Acte sehneller auf einander folgen zn lassen, um aueh den Zustand unmittelbar naeh der Oeffnung znr Erseheinung zu bringen. End- lich war nachzusehen, ob vielleicht der Gebrauch des leichteren Boussolmagneten, dessert ieh mich jetzt seit lange bediene, neue

I) Dies Archiv Bd. V, S. 233, 263; Bd. VI, S. 343. 9) Dies Arehiv Bd. VI, S. 319.

Page 41: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

Ueb. sog. secundilr-electromotorische Erscheinungen an Muskeln u. blerven. 143

Erscheinungen zur Anschauung bringen wtirde, z. B. Richtungs- wechsel der lqaehstr~me.

Zu den meisten Versuchen diente ein mit Zinksulphatl(isung gefUlltes Rohr mit seitliehen Ans~.tzen; die R~ihren hatten 41/2 mm Durchmesser ira Lichten und eiue Liinge von 40 bis 196cm 1). Durch das Rohr wurden Platindri~hte von gewi~hnlieher, oder auch von sehr geringer Dieke gezogen. Die vier Eleetroden waren bajonetfSrmig gekrtimmte amalgamirte Zinkdrahte, welche in die Ri~hrenansatze gesteekt wurden; die bajonetffirmige Kniekung gab ihnen eine Sttitze, so dass sie nur bis zur oberen Wandfliiehe des Hauptrohrs hineinreiehten. Die alternirende Sehliessung des Ketten- und des Boussolkreises geschah durch die oben S. 116 besehriebene Paraffinwippe. Die Kette variirte zwisehen • Zink-Kupfer- und 18 Zink-Kohle-Elementen. Die Empfindlichkeit der Boussole wurde durch Zurtiekschieben der Gewinde nach Bedtirfniss vermindert.

Ich habe frtiher angegeben, dass der extrapolare Iqachstrom bei zweiseitig polarisirbaren Combinationen dem polarisirenden Strom entgegengesetzt gerichtet ist, und dass dieser Naehstrom an das wirkliehe Bestehen zweier entgegengesetzt polarisirter Kernstrecken gebunden ist; - - dass dagegen bei nur einseitiger Polarisation der extrapolare Nachstrom dem polarisirenden Strome gleichsinnig ist. Der erstere Fall findet statt: bel Platindraht in Zinksulphafliisung oder in verdtinnter Sehwefelsiiure und Zuleitung des polarisiren- den Stromes zu zwei Stellen der Fltissigkeit; der zweite z. B. bel Kupferdraht in verdtinnter Schwefels~ure und Zuleitung zu zwei Stellen der Fltissigkeit, und ferner bel Platindraht in den gleiehen Fltissigkeiten, wenn die eine Eleetrode dem Kerndraht selber zu- geleitet wird 2).

Diese beiden Haupts~tze zeigten sich nun aueh in den neuen Versuchen best~tigt. Ausserdem fanden sich aber folgende weitere Thatsaehen:

1) Ira letzteren Falle waren sie aus mehreren kurzen l%ohrstiicken in geeigneter Weise mittels KautschukrShren zusammengesetzt. Ieh besitze RShrcn mit vielen, nahe br einunder stehenden~ und andere mit wenigen~ weit entfernten Ansiitzen. Aus leicht begreiflichen Griinden wurden lunge R5hren meist so combinirt, duss mn beidenEnden die AnsEtze nahe zusammen, in der Mitre weiter aus einander stehen.

2) u die heur. Anguben, sowie die Methodik des Experimentirens in diesem Arzhiv Bd. VI, S. 312, 319.

Page 42: Ueber sogenannte secundär-electromotorische Erscheinungen an Muskeln und Nerven

144 L. Hermann:

1. Bei Platindraht in ZinksulphatlSsung ist der extrapolare ~achstrom bei m~ssi.gen Stromst~rken beiderstits auth mit den leiehtesten Magntten rein gegensinni~, bei st~rkeren Str~men geht aber auf der Anodenstite dem gegensinnigtn Strom tin raseher dem polarisirenden Strom g'leiehsinniger Vorsehlag vorauf�87 und der gegensinnige I-Iaupt-Naehstrom erscheint dadureh, weil er zur Zeit seiner Anzeige durth den Magne~en sehon erheblieh abgenommen hat, riel sehw~eher als auf der Cathodenseite, wo jener Vorsehlag nitht auf~ritt. Bei sehr starken Str~men kann der gleiehsinni~e Vorsehlag auf der Anodenseitt den gegensinnigen Strom ganz unterdr|iektn.

2. Bel Platindraht in verdtinnter Sthwefels~ure bleibt aueh bel den st~irksten StrSmen der extrapolare Iqachstrom meist gegtn- sinnig. Das Vtrfahren ffir dieienigen Versuthe, bel welehen eine andert Fltissi~keit als ZinksulphatlSsung angewendet wurdt, habe ich neuerdings mit grossem Vortheil so modii�9 dass die mit Blase tiberbnndenen R5hren (vgl. a. a. O. S. 319) in Wegfall kamen. Die seitliehen Ansatze des Versuchsrohrs wurden, nach- dem dasselbt vollst~ndig" bis an den Rand der naeh obtn gerich- teten Ans~tze mit Zinksulphatl~sung geftillt war, s~mmtlieh dureh KantschukrShrehen mit tingesteekten Glasst�8 versehlossen; nur an den vier zur Zu- und Ableitung dienendtn Ansiitzen wurde statt des Glasst~behens ein amalgamirter Zinkdraht eingesteekt und eingebunden. Jetzt wurde das Rohr um 180 o gedreht, so dass die Ans~tze nach unten standtn, die ZinklSsung aus dem Rohre ausgegossen, so dass nur dit Ans~itze datait gefi�9 b|ieben, und nun dit zu untersuchende FlUssigkeit in das Rohr injicirt oder eingesogen; dit Fltissigkeit bltibt ~iber der ZinklSsung ohne St~- rung gesehiehtet.

3. Bel sehr d t i nne r Schieht der den Platindraht umgebenden Fliissigkeit sind die extrapolaren NachstrSme beiderseits dtm polarisirenden Stromt g l t i e h s i n n i ~ . Ieh liess ftir diese Ver- suche Platindr~hte naeh Art des ursprfingliehen Mat teuc t i ' schen Versuches herrichten, d. h. mit Baumwolle bespinnen, und tr~nkte die Bespinnung mit ZinksulphatlSsung; die Zu- und Ableitunff ge- sehah mittels hakenf~rmig gebogener amalgamirter Zinkdr~hte, wetche dem ausgespannten Drahte ang'elegt wurden. Ebenso wie ein tinzelner umsponnener Platindraht, verhielten sith zwei Kabel ans zahlreichen feinen Platindrahten, wtlche ieh vor Jahren zu

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Ueb. sog. secundiir-electromotorische Erscheinungen an Muskeln u. Nerven. 145

gewissen Versuchen habe anfertigen lassen; ein sehr langer fe, iner Platindraht wurde dieht mit feine�9 Seide besponnen, in Sttlcke von geeigneter Li~nge zerschnitten und diese Sttieke zu einem Kabel vereinigt, das nochmals mit Seide umsponnen wurde; das eine Kabel enthi~lt 30, das andere 100 Dr~hte (ersteres ist 28, das zweite 57 cm lang). Beide geben, mit Zinksulphatltisung durch l~nge�9 Einlegen getri~nkt, beiderseits gleichsinnige extrapolare Nachstrtime. Dasselbe Verhalten zeigt sied bei beliebigen anderen Fliissigkeiten, mit welchen der einzelne Platindraht, oder die Kabel, getritnkt werden; zut Zu- und Ableitung dienten in diesen F~llen Thonstiefelelectroden.

4. Der angegebene Unterschied ira Verhalten bai diinner und bel dicker Fltissigkeitshtille, sowie hieran sich kntipfende theore- tische Betraehtungen (s. unten) liessen es wiinschenswerth erschei- nen, eine allm~hliche Verdickung der Fltissigkeitshiille zu ermSg- lichen, um die dadurch bewirkte Verlinderung ira Vcrhalten der extrapolaren NachstrSme beobachten zu kSnnen. Mit R(ihren und Dr~thten habe ich bisher diesen Versuehsplan nieht auszuftihren vermocht. Dageg'en schien mil" der Zweck ira Wesentlichen auch erreichbar, wenn der Leitercombination eine f l i i e h e n h a f t e Aus- breitung gegeben wurde. Ich bedeckte hierzu den Boden einer Bunsen ' sehen Queeksilberwanne mit Quecksilber, und goss auf dieses eine mSglichst diinne Schicht von Zinksulphatl~sung. Die Zu- und Ablœ geschah nicht mit in die Fltissigkeit eintauchen- den Zinkdrithten, da diese unvermeidlich das Quecksilber beriihrt h~tten, sondern mit RShrenelcctroden, deren mit Zinksulphat ge- tri~nkte Thonspitzen die Fltissigkeit bertihrten. Es zeigte sich nun in der ganzen extrapolaren Ausdehnnng der Fliissigkeit bel axial gerichteter Zu- und Ableitung ein dem polarisirenden Strom gleiehsinniger Nachstrom. Wurde nun die Fltissigkeitsschicht all- mi~hlich verdiekt, so ging der Naehstrom zuerst in der N~he der Electroden in die gegensinnige oder doppelsinnige (zuerst gleich-, dann gegensinnige) Richtung tiber, wiihrend er in der Ferne noch gleichsinnig blieb; bei weiterer Verdickung wurde der Naehstrom durehweg doppel- oder gœ Es gibt also eine gewisse Fliissigkeitsdieke, bei wclcher der extrapolare Nachstrom in ge- wisser Entfcrnung von den Electroden einen W e n d e p u n c t , resp. eine We n d e lin ie zeigt, innerhalb deren er gegensinnig, ausserhalb deren er gleichsinnig ist. Die fragliehe Dicke hiingt von der

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146 L. H e r m a n n :

Stromstiirke ab; beim Uebergang einer Stronarichtung in die andere ist grosse Neigung zu doppelsinnigen Str~men vorhanden. Die beobachteten Str(ime sind wegen der Ungleiehartigkeiten der Qieck- silberoberfl~che sehr unbesti~ndig, so dass ieh diese Versuehe nieht weiter verfblgt habe. Far jetzt gentigt vollkomnaen die Feststel- 1,ang des genannten Wendepunetes.

b. Theoretisches.

Wie ieh frtiher entwickelt habe, breitet sieh ein einer Streeke des Kernleiter-Modells zugeleiteter Strona wegen des pola- risatorischen Uebergangswiderstandes ara Kern sehr weit extra- polar aus, so dass auch in grossen Entfernungen von der dureh- flossenen Streeke gleiehsinnige Stronazweige dureh angelegte gal- vanonaetrisehe B(igen nachweisbar sind, denen die electrotonisehen Str5me des ~erven nnd Muskels genau entspreehen. Zugleieh bilden die ana Kern sieh abscheidendœ Ionen Polarisationen aus, deren Vertheilung dureh eine zweiarnaige Curve ausgedrtickt wer- den kann. Dieselbe Rat liber der Anode des polarisirenden Stronaes ein positives, unter der Cathode ein negatives Maximum, schneidet die Abscisse in einem Punete der intrapolaren Streeke, dem sog. Indifferenzpunet, und sehliesst sieh in den extrapolaren Streeken der Abscisse asynaptotisch an. Diese Polarisationsvertheilung liefert bekanntlieh den Schltissel fitr das Verstiindniss der physio- logischen Wirkungen, welche als eleetrotonische Erscheinungen bezeichnet werden.

Die bezeiehneten Polar�8 gleiehen sieh nun naeh der Oeffnung des polarisirenden Stronaes durch innere Striimungen ab, welche schon wi~hrœ der Schliessung die abgeleiteten Strr je nach ihrer Richtung, schw~chend oder verstiirkend naodifieiren.

Betraehten wir œ e x t r a p o l are Streekœ far sieh, zunachst ohne jede Rticksicht auf den Rest des Leiters, so natisste diese, wie man leieht findet, einen dem polarisirenden Stronae gle ieh- g e r i c h t e t e n Naehstrom zeigen. Auf der Anodenseite z. B. ist der Kern in seiner extrapolaren Strecke in von der Anode ans abnehmendem Grade positiv polarisirt (der Platindraht in iinksulphht Zh B. mit Zink beladen); jeder der Anode n~there Punet verh!~lt sich also positiv gegen jeden entfernterœ Ein der Strecke ange- legter ableitender Bogen nimmt also einen Stromzweig auf, der in

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Ueb. sog. secund~r-electromotorlsche Erschelnungen an Muskeln u. Nerven. 147

ihm von der Anode weg gerichtet ist, also glœ absolute Richtung hat mit dem polarisirenden Strom in dessen Bogen. Ebenso ist auf der Cathodenseite jeder der Cathode n~here Punet negativ gegen jeden entfœ (im gen~nnten Beispiel mit S04, d. h. mit Sehwe- felsfiure und Sauerstoff beladen), se dass wiederum tin ableitender Bogen œ dem polarisirenden Strome gleichsinnigen Stromzweig aufnimmt.

Dies Verhalten kommt in allen F~llen wirklieh zur Ansehau- ung, wo keine Sttirung durch eine entgegengesetzt polarisirte Strecke zu Stande kommen kann. Se ver allem, wenn der Strom mit der einen Eleetrode dem Kerndraht selber zugeleitet wird. Dœ nun einzigen Eleetrode gegentiber polarisirt sieh jetzt der Kern nach b e id en Seiten glœ und gleiehmassig abfa[lend, un” in der That zeigt sich ausnahmslos zu beiden Seiten der Eleetrode ein (ira ableitenden Bogen gerechnet) vert ihr weg oder naeh ihr hin gœ Strom, je nachdem diesœ Eleetrode eine Anode oder eine Cathode ist. Ich habe mieh dureh besondere Versuehe iibœ dass as gleichgtiltig ist, mit welchœ Ende des Kerndrahts der andere Pol des polarisirenden Stromes ver- bunden wird. Es ist aueh leieht einzusehen, dass ftir dlesen ein- faehsten, se zu sagen unipolaren Fall, die Unterseheidung vo• intra- und extrapolarer Ableitung und die Bezeiehnung des Naeh- stroms als gleieh- oder gegensinnig eigentlieh unzul~i.ssig ist; da beide Ausdriieke weehseln~ wenn man den Poldraht dem einen oder dem anderen Ende des Kerndrahtes zuftihrt, ohne dass da- dureh an rien Str5men sieh etwas ~ndert.

Ein zweiter Fall, in welehem ebenfalls das extrapolare Var- halten ungest5rt naeh obigem Sehema sieh einstellt, ist der, in welehem die Combination in aller Strenge nur einseitig polarisir- bar ist, und die extrapolare Ableitung auf die Seite der polarisir- baren Eleetrode f~llt.

gin dritter Falt wird weiter unten zut Spraehe kommen. GestiSrt wird nun jenes extrapolare Verhalten, welehes ieh

der Ktirze halber als I d i o p o l a r s t r o m zu bezeichnen mir erlaube, dureh das Vorhandensein einer zweiten entgegengesetzt polarisirten Streeke ara Kern. Die beiden Streeken suehen ihre Polarisationen dureh StriSme abzugleiehen, welehe von der anodisehen Streeke dureh die FlUssigkeit zur eathodisehen verlaufen, also ttberall wo sit zur Ableitung gelangen dem polarisirendœ Stromœ gegen-

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148 L. H e r m a n n :

sinni` Stromzweige liefern; diese wsrde ich als dsn Bips la r - s t rom bezeichnen. Ish habe schsn vor 11 Jahren experimentell bewissen, dass diese Gegenstr(ime an das Vorhandensein zweier entgegengesetzt polarisirter Kernstrecken gebunden sind.

In der i n t r a p o l a r e n Strseks zuni~chst ha�9 wie man leisht einsieht, der Bipolarstrom stets gleiehe Richtung mit rien idiopo- laren Str(fmen, welche jeds Hall'te dieser Strecke zu beiden Seiten des Indiffsrenzpunetes ftir sieh zeigen wtirde. In der intrapolaren Strecke mtissen also dis NachstrSme unter allen Umst~tnden, aueh bel nur einseitig polarisirbaren Combinationen dem pslarisirendsn Strsme g e g ' e n s i n n i g sein, und das zeigen auch aile Versuche.

Viel vœ ist das Verhalten der e x t r a p o l a r s n Strecken bel beidseiti• pslarisirbaren Combinatisnen. Hier ist der Bipolarstrom dem Idiopslarstrom entgegengesetzt, und das Ver- halten muss davsn abh:~tngen~ wie weit der erstere in dis extra- polaren Streeken hintibergreifen kann.

Vsr Allem ist leieh~ sinzusehen, dass dies zum Mindesten so wsit der Fall sein muss, wie dis sxtrapolare Beladung bis zum Polarisationsmaximum •eht. Die maxima! pslarisirtsn Streeken werden in sieh gar keinen Idiopolarstrom haben, dagegen unter einander, wie ein in Fltissigkeit versenktes Plattenpaar einen kraf- tigen Bipolarstrom geben, dessen abgeleitete Zweige dem polari- sirenden Strom gegensinnig sind. Man kann sich aber leicht dureh den Augensehein Uberzsu•en, dass, sobald der Fltissigkeitseylinder diek ist, schon bel m~tssigen Stromsti~rken die Bedeekung" mit Zink einerssits, mit Gasbl~sehen andererssits, sieh ungsmsin weit in dis extrapslaren Strecken hinaus fo�9 wahrend sis um- •ekehrt in der intrapslaren Streeks sehon ganz nahe den Eleetro- den unsiehtbar wird, wenn dis intrapolare Streeke nieht sehr lange ist. Es kann aber kein Zweifel sein, dass soweit die Ionen sichtbar sind, auch das l~olarisationsmaximum erreicht ist, und selbst noeh weitsr hinaus sich erstrseken kann.

Aber sslbst tiber den Bereieh des Polarisationsmaximums hin ̀ wird der Bipolarstrom sieh in der Fltissigkeit ausbreiten mUssen wegen dsr gut leitenden Besehaffenheit des Kerns, welehe bewirkt, dass die von den maximal pslarisirten Stellen ausgehen- den Potentialitiiehen, unbektimmert um die abnehmends Spannung, welche von der eigsnen Polarisation der Kernoberfl~che herrtihrt, dem Kern ziemlich concentrisch entlang laufsn, und hierdurch muss

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Ueb. sog. secundiir-electromotorlsche Erscheinnngenan Muskeln u. ~erven. 149

der Idiopolarstrom der cxtrapolaren Strecken nahezu oder ganz verdeckt werden. In der That ist es mir trotz zahlloser Versuche an Uber 11/2 Meter langen RShren und mit den feinsten Kerndri~hten nie gelungen, einen Wendepunet in der cxtrapolaren Strecke nach- zuweisen, obwohl ein soleher theoretisch vollkommen sieher ist. Der Bipolarstrom breitet sich, sobald er iiberhaupt vorhanden ist, extrapolar so weit nus, dass du, wo ein Idiopolarstrom zum Dureh- brueh kommen k(innte, der Polarisationsabfall (tiber dessen theoreti- sche Curve s. dies Archiv Bd. VII, S. 317) schon unmerklich gering ist.

Ganz anders ist dus Verhalten bei sehr dtinnem FlUssigkeits- mantel. Hier ist erstens wahrscheinlieh der Polarisationsabfall riel steiler, weil die Intœ der in den Kern eintretenden Stromlinien wegen ihrer riel gr(isseren Liingenungleichheit riel rascher mit der Entfernung von der durchflossenen Strecke abnimmt. Zwei- tens findet der Bipolarstrom fur seine Abgleichung einen riel griisseren Widerstand und ftir seine extrapolare Ausbreitung riel ungtinstigere Verh~tltnisse. Hier also wird diœ Spannungsverthei- lung an der Oberflaehe der sehr dtinnen Fltissigkeitshtille ein sehr treuer Ausdruck der Spannungsvertheilung ara Kern sein mtissen. Also wird hier der Idiopolarstrom so gut wie ungestSrt zn Stande kommen mtissen, und der Wendepunct mit den Electroden fast genau zusammenfallen. Daher geben Dr~hte mit dunner Fliissig- keitshtille extrapolar gleiehsinnige, intrapolar gegensinnige Nach- strSme. (Dies ist der oben S. 147 sehon ang'edeutete Fall.)

Es war nunmehr vorauszusagen, dass, wenn man die Dieke der FlUssiikeitshtille unmerklich successive steigern k5nnte, man bel zweiseitig polarisirbaren Combinationen einen Wendepunct in den extrapolaren Strecken finden wtirde, der sich mit zunehmender Fltissigkeitsdicke raseh von den Electroden entfernen wtirde. Diese Voraussage bewi~hrte sieh durch diœ oben S. 145 angeftihrten Ver- suche mit dem Queeksilbertroge.

Bel dem unvermeidlichen Kampf zwisehen Idio- und Bipolar- strom in allen Fiillen doppelseitiger Polarisation darf das Vor- kommen d o p p e l s i n n i g e r NachstrSme nicht Wunder nehmen~ wenn es aueh sehwierig ist, dieselben vSllig streng zu erkliiren. Ein zuerst gleiehsinniger und dann gegensinniger extrapolarer Naehstrom, wie er auf der Anodenseite von Platin in Zinksulphat bei mittleren Stromsti~rken auIlritt, wUrde naeh dem Vorstehenden bedeuten, dass im ersten Augenbliek nach der Oeffnung der Idio-

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150 L. H e r m a n n :

polarstrom den Sieg davontr:~igt, um nach kurzer Zeit dem Bipolar- strom Platz zu machen, und bel noch st~rkeren StrSmen diesen tiberhaupt nicht aufkommen zu lassent). Grtinde fiir dies Verhalten lassen sich unter gewissen Voraussetzungen hinsichtlich des extra- polaren Abfalls der Spannung'en wohl erdenken; ihre wirkliche Feststellung wiirde aber eingehendere Untersuchungen erfordern, zu wœ augenblicklich keine dringende Veranlassung vorliegt, da wie wir sehen werden, dieser Specialfall far die Erscheinungen an �9 und Muskel nicht in Betracht kommt. Dass dœ doppel- sinnige extrapolare Nachstrom bei Platin in Zinksulphat bei weitem leichter auf der Anodenseite als auf der Cathodenseite zu Stande kommt, h~ngt m~glicherweise mit der auf der Catho- densdte stattfindenden Bedeckung des Drahtes mit einer leitungs- sch~digenden Gass c h i c h t zusammen. Hierfiir spricht auch, dass die Erscheinung, wie oben erw~hnt, bei Platindraht in Schwefel - s~ure einer Combination, welche an b eiden Seiten Gasentwick- lung ergiebt, tiberhaupt nicht oder nur sehr rudiment~r zu Stande kommt.

Ieh schliesse hiermit vorl~ufig die Untersuchung der po- larisatorischen NachstrSme ara Kernleite�9 ab. Eine voll- st~ndige theoretische Darstellung der Spannungs- und StrSmungs- vertheilung zu geben, w~re wie jeder Sachverst~ndige und jeder Kenner der Literatur dieses mathematischen Gebietes ein- sehen wird, eine nahezu unausfiihrbare Aufgabe, ftir deren Inan- griffnahme vor Allem eine ganz bestimmte Voraussetzung Uber die Polarisationsvertheilung an der KernoberflKche ira Augenblick der Oœ gemacht werden mtisste. Diese Vertheilung andert sich aber sofort durch die abgleichenden Str~me sclbst, und diese werden ausserdem durch die Einfltisse des Widerstandes der gas- f5rmigen Ionen in uniibersehbarer Weise verwickelt. Die Haupt- gesichtspuncte sind wle ich glaube in geniigender Weise durch die mitgetheilten Versuche und theoretischen Betraehtungen ver- deutlicht, und ich unterlasse es sogar, die den Hauptfi~llen ent- spreehendeu ann~hernden Vertheilungsschemata wiederzugeben, welche ich mit entworfen habe.

1) Man kann das Verhal ten auch so ausdr[icken, dass der Wendepunct

rasch naeh aussen wandert . Die Beziehung dieser Erscheinung zu elner

schon lKngst von mi t ara Kernlei ter beobachteten wird in einer anderen Ar-

belt erSrter t werden.

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Ueb. soif. secundiir-electromotorischeErscheinungen an Muskeln u. Nerven. 151

Kehren wir nun endlich zum Muskel und Ner,r zurtick, um zu sehen, welche polarisatorisehen NaehstrSme an diesen Gebilden zu erwarten sind.

Die polarisirbare Combination von Kœ und Htillensubstanz in den Nerven und Muskeln gehi~rt, wie ich frtiher entwiekelt habel), zu den b e i d s e i t i g polarisirbaren. Wir entnehmen dies: 1. aus der ann~ihernd gleichen Gri~sse der eleetrotonisehen Strom- zweige auf der Anoden- und Cathodenseite; 2. aus dem in dan bekannten Erregungserseheinungen des An- und Cateleetrotonus sich doeumentirenden Vorhandensein zweier entgegengesetzt pola- risirter, durch einen Indifferenzpunet gesehiedener Streeken. Die Hiillensubstanz haben wir uns als sehr dtinn, das Leitungsver- miJgen des Kerns als keineswegs relativ gross vorzustellen. Ohne Zweifel also liegt bel diesen Gebilden der Fall vor, dass dœ polarisatorisehe Bipolar-Nachstrom ni eht in die extrapolaren Streeken tibergreift, sondern diese nur dan Idiopolar-Nachstrom zeigen kiJnnen, wie der mit dtinner Fltissigkeitshtille bekleidete Platindraht.

Der p o l a r i s a t o r i s e h e N a e h s t r o m muss also ara Mus- ke l und Nerven i n t r a p o l a r dem p o l a r i s i r e n d e n S t r o m e g e g e n s i n n i g , e x t r a p o l a r demse lben g l e i c h s i n n i g sein.

B. Die von der O e f f n u n g s e r r e g u n g h e r r i i h r e n d e n Naeh- str(ime.

Aus zahlreichen Thatsachen ist bekannt, dass sowohl ara Muskel wie ara Nerven diœ anelectrotonisirte Strœ im Augenblick der Oeffnung erregt wird, und bei sehr starken oder sœ langen S~r(imen lange Zeit nach der Oeffnung in Erregung verharrt. Be- kanntlieh hat Pf lUger dureh einen sehSnen Versueh denRi t t e r - sehen Oeffnungstetanus des Nerven auf die Erregung dureh den schwindenden Anelœ zurUekgeftihrt und ara Muskel docu- mentirt sieh die nachhaltige Oeffnungserregung unmittelbar dureh die Wulstbildung an der Anodee).

Ohne allen Zweifœ ist diese Erregung an der Anode selbst ara stRrksten, und nimmt mit zunehmender Entfernung von dieser

1) Vgl. dies Archiv Bd. V, VI und VIL

2) Ygl. mein Handbuch der Physiologie Bd. I, 1, S. 93.

E. Pflfiger, Arohiv f. Physiologie. Bd: XXXIII. 11

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152 L. ttermann:

anIntensitiit ab. N a c h d e m G r u n d g e s e t z e d e s A c t i o n s s t r o m s muss also Nerv und Muske l nach d e r O e f f n u n g e ines h i n - r e i c h e n d k r ~ i f t i g e n S t r o m e s Sitz e ines A e t i o n s s t r o m s sein, d e r ira O r g a n a u f b e i d e n S e i t e n d e r Anode von d i e s e r weg g e r i c h t e t ist.

Bei sehr kurzen Schlusszeiten k(innte, wie hier der VolIst~n- d~gkeit halber bemerkt werden mag, nach der Oeffnung noch ein anderer Actionsstrom vorhanden sein, niimlich der in Folge der Sehliessung auftretende cat h odisch e. Derselbe wird im Beginn der Schlusszeit selber ohne Zweii~l auftreten, und es ist kein ent- seheidender Grund vorhanden, warum er nicht, wenn die Schluss- zeit sehr kurz ist, den Strom tiberdauern sollte; sehr wahrschein- lich ist dies freilieli nicht, weil einmal der polarisatorischeGegenstrom der Persistenz der cathodischen Erregung ungtinstig ist (dieselbe f” in Anelectrotonus), und zweitens ich niemals ara Muskel nach kurzen Schltissen den Cathodenwulst gleichzeitig mit dem Anoden- wulst bestehen bleiben sah. Dieser cathodische Actionsstrom w~ire nun, wie man leicht einsieht, i n t r a p o 1 a r dem polarisirenden Strom g e g e n s i n n i g , e x t r a p o l a r ihm g l e i c h s i n n i g ; er h~ittealso iiber- all g l e i c h e R i e h t u n g mi t dem p o l a r i s a t o r i s e h e n lqach- s t r o m , so dass er von diesem h(ichstens durch seine l~ingere Dauer zu unterscheiden wiire. Da aber eine solche nirgends merklich ist, so kSnnen wir von diesem Stmme absehen, und er wird denn aueh im Folgenden unerwi�9 bleiben. Nur in einer Hinsicht werden wird noehmals darauf zurtickkommen (s. unten S. 157).

C. C o m b i n a t i o n der p o l a r i s a t o r i s c h e n und de r ~ r r i t a t i - ven Nachs t �9 E r k l ~ r u n g d e r s e c u n d ~ i r - e l e c t r o m o t o -

r i s c h e n E r s c h e i n n n g e n .

Der soeben h e r g e l e i t e t e a n o d i s c h e A c t i o n s s t r o m is t in der i n t r a p o l a r e n S t r e c k e d e m p o l a r i s i r e n d e n S t r o m e g l e i c h s i n n i g , in der a n o d i s c h e n e x t r a p o l a r e n S t r e c k e d e m s e l b e n g e g e n s i n n i g , in der c a t h o d i s c h e n e x t r a p o - l a r e n S t r e e k e feh l t er ganz. D e n p o l a r i s a t o r i s c h e n N a c h - s t r ( imen ist er also t ibera l l , wo er v o r h a n d e n ist, ent- g e g e n g e s e t z t g ' e r i eh t e t , und t r i t t mit d e n s e l b e n in Confl ie t .

Mit Einem Blick tibersieht man den ganzen Sachverhalt dureh

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Ueb. sog. secund~,r-electromotorische Erscheinungen anMuskeln u. I%rven. 153

nachfolgendes Sehema, in welehem der Pfeil P den polarisirenden Strom, A und K dessen Anode und Cathode darstellen:

K p A

Polarisatorischer I™ (kurz). y , "-~ '~

$~ctions-lNachstrom (lang) ara 1%rven . ~ ~-~ -~

, , , . . . . , ~ u ~ k ~ l . ~ y,,

In der Natur des irritativcn Naehstroms liegt es, dass derselbe viel anhaltender ist, als die in aUen F~llen, an den Organen so- wohl wie ara Modell, rasch versehwindenden polarisatorischen Nach- str~me. Es ist daher niehts natUrlicher als dass der Conflict der beiden Str~me sich in e i n e r D o p p e l s i n n i g k e i t der wirklich be- l obaehteten Naehstr5m e ausdrtiekt, und dass s t e t s d i e e r s t e P h a s e dem P o l a r i s a t i o n s - ~ d ie z w e i t e dem A c t i o n s s t r o m en t - sp r i eh t . J e st~rker ferner der Actionsstrom im Vergleieh zum Polarisationsstrom entwiekelt ist, um so leichter wird d i e e r s t e P h a s e d e s d o p p e l s i n n i g e n S t r o m e s g.anz i n W e g f a l l kom- men, zumal wenn der Magnet l a n g s a m sehwing t (vg l , hierttber S. 113 etc.).

Wir haben also zu erwarten, dass 1. die i n t r a p o l a r e Streeke einen Naehstrom zeigt, der zuerst dem polarisirenden Strome g e g e n- s inn ig , d a n n ihm g l e i c h s i n n i g ist; 2. die a n o d i s e h e Ex- t r a p o l a r s t r e e k e einen Naehstrom, der z u e r s t g l e i e h s i n n i j g und dann g e g e n s i n n i g is t ; 3. die c a t h o d i s e h e E x t r a p o - l a r s t r e e k e einen ~Nachstrom, der stets dem polarisirenden Strome g l e i c h s i n n i g ist.

So ist nun a b e r w i r k l i c h in a l len P u n c t e n das ex- p e r i m e n t e l l f e s t g e s t e l l t e V e r h a l t e n . Die ad I angegebene Ersehœ ist der wesentliehe Inhalt der d u B o i s- R e ym o n d'schen Arbeit, die ad 2 und 3 angegebenen sind von mir, und zum Theil von A. F i ck , in ~tlteren, durch die jetzige Untersuehung vervoll- stgndigten Arbeiten anfgefunden.

Es ist ferner leicht begreifiieh, dass der i n t r a p o l a r e Ae- tionsstrom, du B o i s - R e y m o n d ' s zweite, positive Phase, nur durch sehr starke und kurze Zeit gesehlossene Strtime znr Ansehauung kommt: dureh starke, weil nur dann die Oeffnungserregung an- haltend genug ist, um den polarisatorischen Iqachstrom zu tiber- dauern; durch kurz geschlossene, weil diese den letzteren Strom

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154 L. H e r m a n n "

nicht so stark zut Entwieklung bringen, wie liingerer Stromschluss, also nicht so leieht zur v@igen Verdeckung des Actionsstroms durch den Polarisationsstrom ftihren.

Weitere Beweise fttr die Riehtigkeit meiner Erklarung liefert der von du B o i s - R e y m o n d selbst gefundene Umstand, dass seine positive Phase, unser Actionsstrom, durchaus an dœ L e b e n s z u - s t a n d der Organe gœ ist, wahrend die erste, negative Phase, unser Polarisationsstrom, auch an abgestorbenen Organen noeh auftritt, so lange nur ihre S t r u c t u r nieht zersti~rt ist. Die an diese Verhi~ltnisse gekntipften resultatlosen Speculationen d u B o is- R e y m o n d ' s (dBR. S. 398 f.) erledigen sich so auf das Einfaehste.

Endlich der zwingendste Beweis liegt in dem von du Bois - Re y m o n d ganzlich tibersehenen, von mir festgestellten Verhalten, dass am Mu ske l die intrapolare positive Phase in ausgesprochen- ster Weise an die ~qahe der A n o d e gebunden ist, wahrœ die negative Phase hiervon keine Spur zeigt. Offenbar versehiebt sieh am l~Iuskel der Indifferenzpunct selbst bei den stiirksten StrSmen nie soweit nach der Cathode hin wie am ~erven, wie ja tiberhaupt die Ausbrœ der Polarisationen und der electroto- nisehen Stromzweige ara Muskel nicht so weit geht wie ara ~Terven. Ara Nerven ist es, wie schon oben S. 130 entwickelt, kein Wunder dass die positive Phase in allen Theilen der intrapolaren Streeke gleieh gut zur Ansehauung kommt, da ja bel den hier angewen- deten starkœ StrSmen, wie P f l t i g e r gezeigt hat~ der Indifferenz- punct ganz nahe an die Cathode heranrticktl).

Hier ist der Ort einer Versuchsreihe zu erwiihnen, welche i eh angestellt habœ von der Erwligung ausgehend, dass der Ri t t er- sehe Tetanus aueh bei miissigen Stromstarken zum Ausbruch kommt~ wenn der Strom sehr lange, z. B. eine halbe Stunde lang, ge- sehlossen gehalten wird. Ieh hoffte auf diese Weise auch dureh sehwache Str(ime (1 Zinkkohlenelement) die positive intrapolare Phase zur Darstellung bringen zu k~nnen. Dem I%rven wurde der Unterschenkel gelassen, um rien Oeffnungstetanus controlliren zu kSnnen. Aber es zeigte sieh nach halbstiindigen Sehliessungen wi~hrend des heftigen Oeffnungstetanus nur eine sehr starke, und ungew(ihnlieh lange anhaltende negative Ablenkung, d. h. die Polarisation war durch die lange Sehliessung viel stiirker ent-

1) Vgl. auch oben S. 115 dieBemerkung iiber electro~onische Ausbreitung.

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Ueb. sog. secund�9 Erscheinungen an Muskeln u. Nerven. 155

wickelt and schwand viel langsamer als sonst, so dass sie den Actionsstrom grade sehr vollsti~ndig compensiren musste. Uebrigens zeigt dieser Versuch das interessante Resultat, dass der Ri t ter - sche T e t a n u s in der T h a t mit e i nem sehr l angen Be- s t e h e n b l e i b e n der P o l a r i s a t i o n des N e r v e n naeh dcr 0 e f f n u n g v e r b u n d e n ist.

In den angegebenen Umst~nden liegt aueh ein neues Moment gegen die neuerdings von T i g e r s t e d t und Gr t i t zne r aufge- stellte Theorie der 0effnungserregungl), welche ich auch naeh der Lecttlre der ausftihrlieheren Arbeit Grti tzner 's e) ftir irrig halte. Wir s e h e n nach k u r z e n S e h l i e s s u n g e n seh r s t a r k e r Str ( ime ganz d i r e c t den A e t i o n s s t r o m der i n t r a p o l a r e n S t r e e k e , d.h. d ie O e f f n u n g s e r r e g u n g , den P o l a r i s a t i o n s - s t rom lange Ze i t t i be rdauern . Also k a n n d ie 0 œ e r r e g u n g nicht d i rec t vom P o l a r i s a t i o n s s t r o m o d e r ga r von dessen E n t s t e h e n her r t ih ren . Man ki~nnte einwenden, das l~ngere Bestehen des Actionsstroms beweise nieht, dass nicht der Polarisationsstrom ebensolange bestehe, und nur tiberdeckt sei. Aber auf der Cathodenseite sehen wir ungestiirt, wie rasch in a l len Fi i l len der Polarlsationsstrom versehwindet. Auch ist fae- tisch, so lange dieser starke Actionsstrom dauert, sollte auch noch ein unterliegender Rest von Polarisationsstrom vorhanden sein, die anodische Strecke nicht Stromaustrittsstelle, wie es jene Theorie verlangt, sondern Stromeintrittsstelle! Die Oeffnungserregung be- ruht also auf Veranderunge~i im Organ, welche der Strom hinter- lassen hat, a u f d e m S c h w i n d e n der p o s i t i v e n P o l a r i s a t � 8 mag nun dieses Sehwinden durch den polarisatorisehen Gegen- strom, oder durch a n d e r c d ie e l e c t r o l y t i s c h e n P r o d u e t e w e g s c h a f f e n d e P r o e e s s e bedingt sein. Eine Anzahl Gegen- bemerkungen gegen Gri i tzner ' s letzte Publication kSnnen ftir eine spiitere Gelegenheit verschoben bieiben 3).

1) Vgl. meine friiheren Gegenbemerkungen in diesem Archiv Bd. XXXI, S. 99ff.

2) Dies Archiv Bd. XXXII~ S. 357. 3) Nur wenige Puncte muss ich schon jetzt hervorheben. Erstens ist

jener Versuch liber die Bedeutung des polarisatorischen Gegenstromes fiir die Oeffnungszuckung, den ich sohon 1875 angestellt, und erst jetzt mitgetheilt hab% wie ich auf das Genaueste ans den Protokollen nachweisen kann, auch

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156 L. Hermann:

Das e x t r a p o l a r e Verhalten des Muskels und Nerven ist

ebenso vollst~ndig' erkl~irbar wie das intrapolare. Dic friiher von

mir mit dem Multiplicator gefundenen Grundthatsachen, gleich-

sinniger Nachstrom in der cathodischen, st~irkerer gegensinniger

in der anodischen Extrapolarstrecke des Nerven, sind jetzt œ

kannt: ersterer als Polarisations-, letzterer als Actionsstroml).

Der Gebrauch leichter aperiodischer Magnete hat uns jetzt belehrt,

dass in der That ersterer rasch schwindet, letzterer lange bestehen

bleibt, ferner dass letztc�9 ein rascher gleichsinniger Vorschlag

vorangeht, der Polarisationsstrom der anodischen Extrapolarstrecke.

Wir haben ferner dieselben Gesetze nunmehr auch ftir den M u s k e l

festgestellt. Hier zeigt sich nur ein quantitativer Unterschied.

Beim Nerven ist der anodische gegensinnige Actionsstrom so stark,

dass er, obgleich er mit einem gleichsinnigen Polarisationsstrom

zu kiimpfen hat, doch den gleichsinnigen Polarisationsstrom dcr

Cathodenseite, der keinem Abzuge unterliegt, an GrSsse tibertrifft.

Ara Muskel dagegen ist dies nicht der Fall ; der Actionsstrom ist hier

mit Zu]eitung in grosser Entfernung vom Querschnitt angestellt. Zum Gliick sind n~mlich auf den myographischen Papierbl~ttchen, welche die Zuckungs- striche enthalten, auch die Electrodenlagen aufgezeichnet und fixirt. Zweitens ist der Schluss, den ir aus jenen Versuchen ziehe, nicht erst jetzt, sondern schon damals, vor 8 Jahren gezogen, und der ganze Versuch iiberhaupt aus jener Ueberlegung hervorgegangen. Auch dies bin ich Jedem, der sich dafiir interessirt, docualentarisch nachzuweisen in der Lage. Dass die Publication erst jetzt erfolgt, liegt darin begriindet, dass eine Untersuchung iiber das Wesen der Nervenerregung, die bis in das Jahr 1871 zuriickreicht, und zu welcher ich ein grosses Versuchsmaterialgesammelt habe~ ers~ jetzt mir hin- reichend gef5rdert erscheint, um mit der Ver[iffentlichung zu beginnen, von welcher bereits einige Theile in diesem Arehiv erschienen sind. Drittens citirt Gr i i tzner einen Einwand T i g e r s t e d t ' s gegen den von mir aufge- stellten Satz vom po]arisatorischen Increment; ich habe indess schon vorher an einer Stelle, welche allerdings G r i i tzner nor nicht kennen konnte, das Unzureichende jenes Einwandes angedeutet (in Hofmann-Schwalbe~s Jahresbericht pro 188'2, II~ S. 19).

l) Letztere Deutung habe ich schon vor 11Jahren, an eine von Pf l i iger privatim ge~usserte Idee ankniipfend, erw~hnt, jedoch auch auf die cat- electrotonische Strecke iibertragen, weil ich damals in Folge der Versuche mit dicken Fliissigkeitshiillen irrthiimlich glaubte, der extrapolare Polari- sationsstrom des Nerven m[isse gegensinnig sein. Vgl. dies Archiv Bd. VI, S. 357.

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ebenfalls kri~ftig, die Schwlichung dureh den Polarisationsstrom driickt ihn aber untel" das Maass des vollen Polarisationsstroms der andern Seite herab. In der Bezeiehnung des Schema's S. 153 wiire am Nerven a'--p' > p", oder wenn p' ~ p" angenommen wird, a'> 2p'. Ara Muskel dagegen w~re a '--p '<p", oder a' ( 2p'. Die geringere Entwicklung der extrapolaren Oeffnnngserregung ara Muskel kann ihren Grund ebensowohl in geringerer Entwicklung des extrapolaren Anelectrotonus wie in sehnellerem Sehwinden desselben haben. Bemerkenswerth ist, dass wir intrapolar ara Muskel direct eine gering'ere Erstreckung des Anelectrotonus ge- funden haben, als am ~qerven.

F i e k sprieht in seiner zweiten Publication tiber die extra- polaren NaehstrSme des Nerven die Vermuthung aus, der eatho- dische Nachstrom, den er in der ersten Mittheilung als gegensinnig angegeben hatte wie den anodisehen, mSehte vielleieht wirklich in dem ersten Augenblick nach der Oeffnung gegensinnig, und dann erst gleichsinnig, also doppelsinnig sein. Diese Vermuthung war, wie sich nun zeigt, sine irrige. In Wirklichkeit ist vielmehr der anodische und nicht dcr cathodische Strom doppelsinnig, und zwar erst gleieh- und dann gegensinnig. In der That k(innen wir auch nunmehr an die Stelle der Betrachtnng, welche F i e k zu jener Vermuthung ftihrte, etwas viel Sichreres setzen, niimlich das volle Verstlindniss des Causalzusammenhanges.

Einen h5chst ttberraschenden Aufschluss erhalten wir endlieh nunmehr auch ttber eine liingst bekanute Erscheinung. Bekannt- lich fand P f l t i g e r 1) auf irritativem, und du B o i s - R e y m o n d 2) auf galvanometrischem Wege, dass wi~hrend der Schlusszeit des polarisirenden Stromes der extrapolare Anelectrotonus in Zunahme, der Catelectrotonus in Abnahme begriffen ist. Dies erkl~rt sieh jetzt vollstiindig folgendermassen. Die extrapolare P o l a r i s a t i o n wtirde (wie an den entsprechenden Metall-Fltissigkeits-Combina- tionen, vgl. dies Archiv Bd. VI, S. 320) die ext�9 Strom- sChleifen auf beiden Seiten mit der Zeit verst~rken mtissen. Auf der Cathodenseite aber haben wir im Beginn der Schlusszeit einen dem polarisirenden Strom gleichsinnigen Actionsstrom (s. oben

1) Untersuehungen liber die Physiologie des Eleetrotonus S. 319. 2) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867. S. 441 ff. (Ges. Abh. Bd. II, S. 251 ff,;

daselbst auch eine wesentliche zusiitzliehe Bemerkung S. 259, Anm. 3.)

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S. 152), welcher in rascher Abnahn]e begriffen ist. In Folge dessen muss der cathodische Stron] Anfangs verst~rkt erscheinen und in Abnahme begriffen sein. So sind also die Erscheinungen wiihrend der Sehliessung nieht n]inder unsren Erkl~irung'sprincipien zug:~tng- lieh wie diejenigen naeh der Oeffnung.

6. Schlnssbemerkungen.

Die vorstehende Untersachung hat vor Mien] die Aufgabe erfiillt, die von du B o i s - R e y n ] o n d n]itgetheilten Thatsachen der intrapolaren Nachstr~me unter Hinzufiigung neuer Thatsachen auf- zukliiren, und ebenso das Gebiet der extrapolaren NachstrSme zu erweitern, auf den Muskel auszudehnen und ebenfalls vollkon]n]en zu erkliiren. Unberticksiehtigt blieben vor der Hand (ab•esehen von den electrischen Organen, iiber die ieh keine eigenen Versuehe anstellen konnte, und deren Nachstron] ira Wesentlichen sieh eben- falls aus unseren Principien herleiten lasst) gewisse Angaben du B o i s-R ey ni o n d's tiber die Bevorzugung der positiven Polarisation bai Striin]en, welche den] natiirlichen Ablauf der Erregungswelle gleiehlanfig sind (frit den Muskel s. dBR. S. 363 ff., fiir den Nerven S. 382 ff.), auf welche der Verfasser einen anffallend hohen Werth leg't. Beztiglich der Nerven sind du B o i s - R e y n ] o n d ' s eigene Angaben zweifelnd, an] Muskel dageg'en ziemlieh bestimmt, obwohl eigentlich das beweisendste Versuchsverfahren, nan]lieh Durch- str(imung des ganzen Muskels, und gleiehzeitige Ableitung der NachstrSn]e von zwei intrapolaren Strecken in beiden Muskel- halften, auffallenderweise nicht angewendet worden ist. Ehe man aber zu so weit gehenden Gedanken, wie sic du B o i s - R e y n ] o n d an diese Erscheinung kntipft (dBR. S. 387, 398) ir•endwie seine Zustimn]ung giebt, w~re zu untersuchen, welehen Antheil etwa die oben aufgedeckten einfaehen Gesetze, welehe d u B o is- R ey m o n d vsl!ig entg'angen sind, an der Erscheinung haben. Ieh ziehe es vor, diese Prtifung zuniiehst du B o i s - R e y n ] o n d selber zu tiber- lassen, und m(ichte hier nur auf Ein Moment hinweisen, welches •eeignet w~re, die ganze wunderbare Sache mit einem Schlage zu erkl~ren. Du B o i s - R e y n ] o n d hutte n~n]lich an den beiden Muskelenden n]eist verletzte Faserenden, wie ans seinen Andeu- tungen tiber die Ruhestr(ime hervorgeht. Dieser Un]stand, der

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sehon oft verh~ngnissvoll warl), roussie nach dem oben (S. 124 ff.) enthUllten Gesetze den positiven bTachstrom in dcm Falle der abterminalen (abmortalen) Stromrichtung mehr oder weniger schii- digen, so dass er bci der atterminalen, d. h. der Erregungswelle gleiehlitufigen Stromriehtung begtinstigt erschient

So dtir�9 es denn im ganzen Gebiete der Electrophysiologie kaum ein Gebiet geben, in welehem der Zusammenhang der Er- seheinungen durehsichtiger vor Augen liige, als das der seeundiir- electromotorischen Erseheinungen, die nunmehr auch auf den extrapolaren Bereich sich erstrecken, du B o i s - R e y m o n d ' s ,,Neugier", ,,durch welche Htilfshypothese" ich mit seincm posi- tiven Polarisationsstrom ,,fertig werden" werde (dBR. S. 402), wird gewiss vollauf befriedigt sein. Ob aber wirklieh ,,Alles, was ich mir tiber Eleetrotonus ausdachte" ,vorli~ufig zu Spreu gewor- den ist", ob wirklich ,die Erforschung des Eleetrotonus tiberhaupt von vorn anzufangcn hat" (dBR. S. 380), ja ob ich aueh nur ,zu einigen Aenderungen raciner Construction gezwungen" war (S. 389), das licgt nun ftir Jedermann klar ara Tage. Zum Gltick ist es ni ch t so; die Verwirrung, welche die moleculare Befangenheit stiftete, indem sic weit ausholend das Niichste iibersah, ist auch auf diesem Gebiete, wie liingst auf allen anderen, glticklich bc- seitigt, und Alles hat sich dahin gewendet, raciner Anschauung von der b~atur der thieriseh-electrischen Erscheinungen neue Sttitzen zu verleihen. Wenn du B o i s - R e y m o n d es bedauert, dass er nicht sehon 1867 mir enthtillt hat, ,,dass in der intrapolaren Strecke positive Polarisation herrscht", weil dann ,,der Gang der Wissenschaft an dieser Stelle ein anderer, und vielleicht mehr erspriesslicher geworden wiire" (dBR. S. 378), so kann ieh ihm nur Reeht geben; denn vielleicht hi~tten wir uns dann schon vor Jahren tiber diese ,positive Polarisation" vcrstiindigt, und du B o is- R e y m o n d hi~tte sehon damals die Moleculartheorie, deren let~ten Halt sic darstellte, fallen lassen.

Die Moleeulartheorie verdankt ihre Aufstellun` dem thatsaeh- lichen Irrthum, dass unversehrte Muskeln einen ebenso starken Muskelstrom am nattirlichen Querschnitt haben~ wie verletzte ara ktinstlichen. Als dies als Irrthum erkannt war, wurde nieht die Theorie aufgegeben, sondern das unheilvolle Vermitflungsglied der

1) u z. B. dies Archiv Bd. XVI, S. 243.

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Pareleetronomie erfunden. Als ieh dann die absolute Stromlosig- keit der unversehrten Organe rand, die Parelectronomie also nieht mehr ausreiehte, deren KNte-Zusatz tiberdies thatsachlieh falseh war, wurde noch immer die Theorie nieht aufgeg'eben, sondern jene unbequeme Stromlosigkeit unter allerlei schw~chlichen Aus- fliiehten bemiingelt. Sodann schaffte die Moleculartheorie uns~tg- liche Verwirrung auf dem Gebiete der ActionsstrSmœ wo sie buch- stiiblieh das unterste zu oberst kehrte; es massten erst thatsiich- liche Irrthiimer beseitigt, neue Thatsachen gefunden werden, ehe es gelang jene Verwirrung zu beseitigen, and aueh dies ganze Gebiet so zu durehleuehten, dass sein Gesetz sieh wie das der Ruhestr~me mit zwei Worten ausspreehen l~isst. Am unglticklichsten war die Moleeulartheorie mit dem Electrotonus. Keine einzige Erseheinung desselben, weder die galvanisehen noeh die irritativen, konnte sie erklaren, obwohl sie wenigstens ersteres beanspruehte, and letzteres, ja die ganze Fanetion des Nerven und des Muskels zu erkl~iren ftir die Zukunft in Aussicht stellte, and heute muss sie es erleben~ dass sie in demselben Augenbliek, wo sie endlich den thats~tehlichen Beweis ftir ihre intrapolare Molekeleinstellnng gefunden zu haben glaubt, freilieh nur durch Verkennen nlichst- liegender Erkli~rungen, -- dass sie ira gleichen Augenbliek selber es aufgiebt, die extrapolaren Str~ime zu erkliiren, zn deren Erklii- rung doch jene intrapolare Drehang, ohne jede thatsi~ehliehe und ohne discutirbare theoretisehe Basis~ erfanden worden war. Un- gltieklieh aueh auf dem Gebiete der Haut- and Seeretionsstr(ime, bat sie dort die Aufstellung eines nahezu verkehrten Gesetzes der SeeretionsstrOme anf Grand einer falsehen Auffassung der muscu- liiren und nervOsen Actionsstr5me, begtinstigt, and gradezu zu unrichtigen thats~ehlichen Befunden verleitet. Endlieh in der Lehre von den electrischen Fischen hat sie sieh absolut leistungs- unF~hig gezeigt; das Beste wozu sie es bringen konnte, war ein leieht zu zertrtimmernder Bau waghalsiger Speenlationen. Ich rede nieht von den Pflanzen- and Parenchymstr5men, welche die Moleeuiartheorie, weil sie ihr hi~ehst unbequem waren, geflissent- lieh vernaehliissigt and in den Thatsaehen mit Unrecht be- miingelt hat.

Man nenne mir in dieser Anklage gegen die Moleculartheorie einen einzigen Satz, den ieh nicht zu begriinden and durch Citate zu erharten ira Stande wiire.

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Ieh aber behaupte, diese Theorie, welche ge�8 genug war, um ihren Urheber, - - den Seh~ipfer dieses reichen Gebietes, den Erfinder seiner Methodik, den Mann, der seine medieini- sehen Zeitgenossen physiealiseh denken lehren h a l l , - zu Irrthum auf Irrthum zu verleiten, diese Theorie ist nun endlich aufzugeben. Und zwar ganz; aueh (las Liebi~ugeln mit ihr in Lehrbtichern, um ein Paar Seiten seheinbar eleganter Constructionen zu gœ muss aufh~iren. Eleganter ist Nichts als die einfache Wahrheit.

Und giebt es in der Physiologie ein Gebiet, das sieh ein- facher und œ bis in die feinsten Details hinein erkliiren liisst, als das eleetrophysiolo` Vier kurze und unter ein- ander theilweise innig zusammenhlingœ Siitze geniigen, um 8iimmtliche galvanisehen Erscheinungen zu erkliiren, mit Aus- nahme des Zitterfisehsehlages und der Aetionsstri~me der Netzhaut, welehe beiden Dinge ihnen wenigstens nieht widerspreehen, wenn sie auch noch nicht erkliirt sind. Diese Si~tze lauten: 1. Das Protoplasma wird durch partielles Absterben in der Continuiti~t, sei as durch Verletzung oder dureh (hornige, schleimige)Meta- morphose�87 negativ electriseh gegen den unveriinderten Theil. 2. Das Protoplasma wird durch partielle Erregung in der Continuitiit ne- gativ eleetrisch gegen den unverifnderten Theil. 3. Das Proto- plasma wird dureh partielle Erwi~rmung in der Continuitiit positiv, dureh Abktihlung negativ ̀ den unveriinderten Theil. Alle diese Wirkungen gehorehen dem Spannungsgesetze. 4. Das Proto- plasma (zuni~ehst erwiesen ftir das in Ri~hren eingeschlossene Proto- plasma der Muskeln und 1Nerven) ist an seiner Grenzfli~che stark polarisirbar; die Polarisationseonstante nimmt durch Erregung (und dureh Absterben) ab 1).

Ausser der Erledigung der secundar-eleetromotorisehen Er- scheinungen hat die vorstehende Untersuehung einige andere nieht unwesentliehe Beitr~ge zur Physiologie der Muskeln und ~erven geliefert. Die Pf l i iger ' sehe Lehre von derVerschiebung des In- differenzpunctes ist ftir starke StrSme auf einem neuen Wege be- wah�9 ebenso die Befunde von B i e d e r m a n n und von E n g e l m a n u & van Loon tiber den Einfiuss des Demareations- stromes auf die Wirksamkeit der physiologischen Electroden. Der Electrotonus des Muskels ist von ~euem sowohl intra-' wie extra-

1) Fiir dies Letzter› vgl. dies Archiv Bd. XXIV, S. 282--294:,

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polar festgestellt, und seine vollstandige Analogie mit den Er- scheinungen ara Nerven dargethan, sowie die quantitativen Unter- sehiede hinsichtlieh der Ausbreitung des Eleetrotonus von den Electroden aus, speciell von der Anode. Der zeitliehe Verlauf des Eleetrotonus ara Nerven ist ebenso befriedigœ erklart, wie dis electrotoniseben NachstrSme. Ebenso ist dœ innige Zusammenhang des Oeffnungstetanus mit langem Bestehenbleiben der Polarisation direct erwiesen und tiber die ~atur der Oeffnungserregung ein neuer Anhaltspunet gewonnen. FUr eine Anzahl weiterer Fragen erSffnen sich neue Versuchspl~ne, welche aber besser erst dann er- Offert werden, wenn diese Versuehe ausgefiihrt sind.

Nachtrag zu Seite 150.

Ich habe die oben S. 142 ff. angegebenen Versuche und theo- retischen Anschauungen tiber die PolarisationsstrSmœ des Kern- leiter-Modells meinem Freunde Herrn Professor Dr. H e i n r i c h W e b e r in Berlin mitgetheiIt, mit der Bitte, die Str~me, nament- lich mit Bezug auf den von mir gefundenen ,,Wendepunet", wœ mSglich einer mathematischen Behandlung zn unterziehen, nach- dem er bereits vor 11 Jahren die Ausbreitung des polarisirenden Stromes selbst mathematisch untersucht hat l). Herr Professor W e b e r war so giitig, nicht allein dieser Bitte zu entspreehen, sondern auch mir zu gestatten, seine Darstellung zum Abdruek zn bringen, obgleich dieselbe ursprilngliah nicht zur Publication, son- dern nur zu raciner Information bestimmt, nnd daher fragmentariseh gehalten ist. tterr Professor Weber schreibt:

, . . . . Dass mieh die Frage interessirt hat, wirst Du aus den nachfolgenden Bl~ttern ersehen, die zugleieh den Beweis ent- halten, dass Deine Ansehauung des u in befriedigendem Einklang mit der Thœ steht.

1) Siehe B o r c h a r d t ' s Journ. f. reine und angewandte Mathematik Bd. LXXVI, S. 14ff.; vgl, auoh dies Archiv Bd. VI, S. 339, Bd. VII, S. 319.