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0 ber Spannungsempfindung, Kraftbegriff und Bedeutung der Zeit bei dem Empfindungs-Reizverhaltnis.' Von Yrjo Renqvist. (Aus dem Phgsiologischen Institut der Universitat Helsinki.) (%it 1 Fignr im Text.) In dieser Arbeit sollen die Ergebnisse der vorhergehenden Arbeit iiber die Reizgrundlagen bri Reibungsbewegungen sowie die Ergebnisse friiher ausgefiihrter Versuche iiber die Bewegungswahrnehmungen bei Tragheitsbemegungen diskutiert aerden. Von einem einheitlichen Ge- sichtspunkt aus soll die Grundlage der Gleichheitsurteile der Versuchs- personen, ihre sog. Wahrnehmungsobjektivierung und ihre ganze Ver- haltungsweise analysiert werden. Von einem Gesichtspunkt aus , der sich ans unseren Bewegungswahrnehmungsversuchen ergibt, aber auch andere Sinnesgebiete sowie auch die Resultate der reizphysiologischen Untersuchungen zu beriicksichtigen versucht. An den Anfang der Besprechung soll der erste Versuch zur Unter- suchung der Schwereempfindungen, der v. F r e y sche Stemmversuch, ge- stellt werden. Bei diesem Versuch vergleicht die Versuchsperson mit wagerecht gestreckteni Arm die Schwere zweier an verschiedenen Stellen am Arm (in verschiedener Entfernung vom Schultergelenk) befestigter Gewichte; der Arm wird kaum bewegt, nur ganz langsam auf- und ab- gehoben. Die einzige auf den Armmuskeln wirkende Kraft ist also die Schwerkraft. v. F r e y stellte fest, da8 gleichen Schwereempfindungen gleiche am Arm wirkende Krafte (Gravitationskrafte, gleich gro8e Dreh- momente im Verhaltnis zum Schultergelenk der am Arm aufgelegten Gewichte) entsprechen. Hier haben wir also den Fall einer ausschlie8- lichen Wirkung der Schwerkraft; mathematisch K = &I - g (Kraft = I) Der Redaktion am 20. Oktober 1929 zugegangen.

Über Spannungsempfindung, Kraftbegriff und Bedeutung der Zeit bei dem Empfindungs-Keizverhältnis

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0 ber Spannungsempfindung, Kraftbegriff und Bedeutung der Zeit bei dem Empfindungs-Reizverhaltnis.'

Von Yrjo Renqvist.

(Aus dem Phgsiologischen Institut der Universitat Helsinki.) (%it 1 Fignr im Text.)

In dieser Arbeit sollen die Ergebnisse der vorhergehenden Arbeit iiber die Reizgrundlagen bri Reibungsbewegungen sowie die Ergebnisse friiher ausgefiihrter Versuche iiber die Bewegungswahrnehmungen bei Tragheitsbemegungen diskutiert aerden. Von einem einheitlichen Ge- sichtspunkt aus soll die Grundlage der Gleichheitsurteile der Versuchs- personen, ihre sog. Wahrnehmungsobjektivierung und ihre ganze Ver- haltungsweise analysiert werden. Von einem Gesichtspunkt aus , der sich ans unseren Bewegungswahrnehmungsversuchen ergibt, aber auch andere Sinnesgebiete sowie auch die Resultate der reizphysiologischen Untersuchungen zu beriicksichtigen versucht.

An den Anfang der Besprechung soll der erste Versuch zur Unter- suchung der Schwereempfindungen, der v. F r e y sche Stemmversuch, ge- stellt werden. Bei diesem Versuch vergleicht die Versuchsperson mit wagerecht gestreckteni Arm die Schwere zweier an verschiedenen Stellen am Arm (in verschiedener Entfernung vom Schultergelenk) befestigter Gewichte; der Arm wird kaum bewegt, nur ganz langsam auf- und ab- gehoben. Die einzige auf den Armmuskeln wirkende Kraft ist also die Schwerkraft. v. F r e y stellte fest, da8 gleichen Schwereempfindungen gleiche am Arm wirkende Krafte (Gravitationskrafte, gleich gro8e Dreh- momente im Verhaltnis zum Schultergelenk der am Arm aufgelegten Gewichte) entsprechen. Hier haben wir also den Fall einer ausschlie8- lichen Wirkung der Schwerkraft; mathematisch K = &I - g (Kraft =

I ) Der Redaktion am 20. Oktober 1929 zugegangen.

54 I'RJO XESQVIST:

Nassc x Beschlcunignng der Schv crkraft). 1 )a nun q. tlic Schn (w- I~eschleunigung, eine lionstant? ist. Schwerlxaft uiicl Jlaxse also iniincr proportional sind, lmagt das Hesultat von Y. Fre y . dal3 Iwi reiiieii Sch\\-cre\~irkungcii, glciehcn Kraftempfindungcn (in dicscni Falle cignct sich auch wortlich die Bezeichnung Schffereenipfiiiduiig). gleiche auf die Jluskeln wirkende Krafte und auch glciche Xassen (natdrlich nur fdr den Fall. daW Iiraftc und Nassen an drniselben Hebclariii wirken) entsprechen.

:<hnlieh ist es auch bei den 'J'rlghcitsvcrsuclieii. Bei reincii Trhg- d 2s lieitsbewegungen lautet dic Forniel fur die Iiraft K = rlt" (Kraft =

t r a p Jlasse x Bcschleunigung). Die Yersuche haben gezeigt. dafi ~ e i i 11

die trage DIasse bci den Bewcgungen konstant gehalteii wird. gleichen Spannungs- odcr Krafteinpfindungen (hicr ist der Same Sch\wre- cnipfiiidung ungecignetcr) auch hicr gleich< groBe Krafte entsprechen. 1 )ie Spaiinuiigsempfindung grundet sich also soxohl bei Gravitations- wirkung M ie bei Traghcitswirkung mit konstanter llasse auf die zu ent- wickelnde Kraft der JTuslieln. Uas Unterschicdliehe liegt dariii. da13 lwi den Schwereversuchen die Beschleunigung 9 koiistaiit ist (ohne daB Uc- wegungen ausgefiihrt werden !), bei den Tragheitsrersuclien dagegen dic wirklich auszufuhrenden Bewegungen mit glcicher Beschleunigung ail>- gefiihrt werden mussen, uin Enipfindungsaquivalenz zu erhalten. Dai Xeagieren der Versuchspersonen (die Grundlagc des Gleichheitsurteils) sowohl auf Schwere als auf Tragheitswirknngen ist, trotz im Grunde so verschiedener aullerer Umstande, also ganz gleichartig. Kur auf die Kraft der Wirkung kommt es an.

Sobald aber die Tragheitsbexegungen mit verschieden groBcii tragcii Massen ausgefuhrt werden, kommt es beim Gleichheitsurteil nicht niehr iiur auf die Kraft an, sondern auch die Zeit erlangt bei den Urteilen Be- deutung. Bei Bewegungen mit verschiedenen tragen lllassen ist erstens ein Gleichheitsurteil vie1 schwerer zu erhalten als bei den vorgesprochenen Bewegungen. Die Yersuchsperson merkt, sie wird dessen bewullt, daS die zu bewegenden trlgen Massen verschieden sind und infolgedesscn widerstrebt es ihr. die Bewegungen durch dic Art der Bewegung als gleich schwer zu erkennen. Xach einiger Ubung gelingt es aber der Ter- suchsperson, die Bexegungen richtig so auszufuhren, daW sie als g1eic.h schwer empfunden werden. Es ergibt sich dann, dall gleichen Emp- findungen nicht gleich grolle Krafte ( K ) , sondern gleich grolle Spannungs- zciteii (Spannmg oder Kraft ma1 deren Zeitdauer; K . f) entsprechen.

Varum sind nun die Grundlagen der Gleichheitsurteile bei Tragheits- bewegungen mit gleichen tragen Massen andere als bei Tragheitsbewegungeii rnit versehiedenen tragen Massen ? Zur Beantwortung dieser Rage wollen wir das Phanomenale dieser beiden Verhaltungsv eisen soITie des Ver-

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haltens beim Schwerevergleich untersuchen. Bei dem tagtaglicli vor- liommenden Schwerevergleich verschiedener und gleicher Massen be- findet man sich in einer gewohnten, gelaufigen Situation. Beim Vergleich objektiviert man das Empfundene, Wahrgenommene in &uBeres, ein Gleichheitsurteil bezieht sich auf gleich schwere au13ere Gegenstande. Die Gegenstande sind gleich oder ungleich schwcr; man weiB zunachst in ciiier solchen Situation nichts von gleichen oder ungleichen Kraften. . Da 111111 aber bei Schiyerewirkung (Gravitationswirltung) Masse und Iiraft inimer proportional sind, ist der Massen- oder Gegenstandsvergleich ohne witeres identisch niit den1 abstraktcren Kraftvcrgleich. Auf Kraftc- gleichheit oder -ungleichheit griindet sich also das tagliche Gegenstaiids- gewichtsbeurteilen. und besonders auffiiliig wird dieses Verhalten dam, \wnn die (;rhBe der Gegenstande. die Massen, der Yersuchsperson nicht hekannt, z. B., wie beini Stemmversuch, verdeckt sind uiid an rer- schiedenen Hebelarmen zur Wirkung kommen. Alle Urteile iiber Schwere- wirkungen griiiiden sich auf die GroBe der dabei wirkenden Krafte uncl sind ganz unabhangig von der Zeitdauer der Wirkung. Dieses Verhalten steht sicherlich in nahem Zusammenhang mit der Haufigkeit und Ge- laufigkeit der Schwerewirkungen auf uns ; fast andauernd sind die IIuskeln Scliwerewirkungen unterstellt. Ware die Beurteilung der Schwere- wirkungen von der Zeitdauer der Virkungen abhangig, so wiirden alle fortwahrend vorkommenden Gewichtsschatzungen und -urteile von ganz zufalligen Umstanden abhangen. ] l ie Inva r i anz des Verha l tens z u d e n umgebenden schweren Gcgens tanden h a n g t eng nii t d e r 2 e i t un a b h an gig ke i t (Adapt a t i on s l o sig ke i t)' de s S c hw e re k r a f t - s i n ii e s z u s a mm e n.

Vie1 weniger gelaufig als die Schwerebewegungen und der Schwere- rergleich sind die Tragheitsbewegungen und Tragheitsvergleiche. Mit dieser groBeren bzw. kleineren Haufigkeit der beiden Wirkungsarten der Ilasse auf uns hangt es wohl zusammen, da13 die schwere Iasse uns den Ifassenbegriff verstandlicht, die trage Masse dagegen einen vie1 schwerer zii erfassenden Begriff darstellt. Bei reinen Trlgheitsbewegungen. wic cs unsere Versuchsbewegungen sind, hat die Versuchsperson nur eine sehr vage Yorstellung von Massen, sie vergleicht vielmehr zwei zu uber- windende Widerstande. Bei den ihr sehr gelaufigen Schwereurteilen da- gegen hat die Versuclisperson eine feste Grundlage, auf die sie die Gleich- heitsurteile grundet. Diese fehlt bei den ungewohnten Trtigheitsbeaegungen iin Anfang, die Versuchsperson hat nichts, worauf sie das Gleichheits- urteil grunden, sie hat nichts. worin sie ihre Wahrnehmung objektivieren konnte.

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Renqvist , P., Zeitschriftf. Biologic. 1927. Bd. LXXXV. S. 408.

56 , YRJO REXQBIST :

Nit Objektivierung eines Bewuheinsinhaltes wird gemeint, cla6 der Inhalt eine so festgelegte phanomenale Konstitution , Erschei- nungsart, hat, da8 er einer verstandesmafiigen Erfassung zugang- lich ist. Diese verstandesmLBige Erfassung geht stets darauf Bus, das XuBere , den1 Enipfindungsinhalt Entspreehende , d. h. den Reiz , begriffsinakiig (physikaliseh) zu beschreiben , zu definieren. Objektivierung und Reiz hangen eng zusammen, wofiir das folgende Belege geben wird.

Bei den ungewohnlichen Tragheitsbewegungen sind nun die Wahr- nehmungen anfanglich so diffus und formlos, dalj sie schwerlich auf etwas XuWeres zu beziehen sind, sie konnen nieht objektiviert aerden und darum ist es der Versuchsperson auch schwer, Gleichheitsurteile abzugeben. Bald wird aber die Erscheinungsart der Tragheitsbewegungen ihr klarer und die Versuchsperson gewinnt, sie ,,entwickelt" fur sich cine Urteilsgrundlage, d. h. sie fangt an, ihre Enipfindungen auf AulSeres zu objektivieren. Und diese Entwieklung geschieht in Analogie mit dem Verhalten bei den Schwerewahrnehmungsurteilen. Schon bei diesen letzteren kann man ja eine Entwicklung von dem materiellen Gegenstandsvergleichen in das abstraktere Kraftvergleichen merken ; die wissenschaftlich beobachtende Versuchsperson griindet beim Schwere- vergleich ihr Urteil immer auf Kraftegleichheit, sie objektiviert ihre Spannungsempfindung in Kraft (eine physikalische Grol3e). Beim Triigheitsvergleieh verhalt sich nun die Versuchsperson ganz ahnlieh. Bei der Tragheit kennt sie, der Seltenheit der Situation gemaS, niehts der Empfindung entsprechendes gegenstandliches AuSeres , worauf ein Gleichheitsurteil gegriindet werden konnte ; in der Kraft, der Spannung der Glieder ergibt sich aber ein UrteilsmaBstab, der mit demjenigen der Schwerevergleiche identisch ist. Die Versuchsperson objektiviert also ihre durch Muskelwirkung zustandegekommenen Enipfindungen, mogen sie durch Schwerewirkungen oder durch Tragheitswirkungen auf die Muskeln herriihren, in Spannung oder Kraft, welche in die Muskeln lokalisiert wird. Bei den reinen Tragheitsbewegungen (mit gleicher Masse), das sol1 nochmals hervorgehoben werden, ist die Objektivierung auf Nuskelkraft die einzig mogliche, wahrend dagegen beim Sehwere- vergleich die natiirliehere Objektivierung sich auf Gegenstande, Massen, bezieht, wahrend sich die Objektivierung auf Kraft erst durch eine mehr abstrakte Einstellung ergibt.

Die anfangs gestellte Prage: worauf beruht es, da13 das Gleichheits- urteil bei Tragheitsbewegmgen mit gleicher Masse auf gleiche Krafte, bei Bewegungen mit verschieden groBen Massen aber auf gleiche GroSe der Produkte: Kraft x Zeitdauer, sich griindet, wird im Lichte der obigen Darlegungen dem Verstandnis naherriicken.

SPANNUNGSEMPFIXDUNG, KRAFTBEGRIFF u. BEDEUT. D. ZEIT usw. 57

Der Unterschied des Verhaltens bei den beiden Tragheitsbewegungs- arten ist ihr verschiedenes Verhaltnis zu dem gelaufigsten und bestimmen- den Vergleich, dem Schwerevergleich. Aus dem Schwerevergleich ist die Erkenntnis von der Proportionalitat von Kraft und Masse gewonnen, und diese Erkenntnis mu13 auch beim Triigheitsvergleich unverletzt bleiben. Werden gleiche t r age Massen verglichen, so griindet sich das Gleichheitsurteil auf gleiche Kra f t e. Empfindungslquivalenz wird konstatiert bei Aquivalenz der Krafte und der (tragen) Massen. Es ent- steht kein Widersprnch zu der entsprechenden Erkenntnis bei Ver- gleichen von schweren Rhssen. Bei verschieden grol3en t r agen 11 ass en kame aber ein Widerspruch zur genaiinten Erkenntnis zustande, falls das Gleichheitsurteil auch hier auf Kraftegleichheit beruhen wiirde. In diesem Falle wiirde sich namlich der bei Schwereurteilen gewonnenen Erfahrung: gleiche Krafte - gleiche (schwere) Massen, eine neue Er- fahrung: gleiche Krafte - ungleiche (trage) Massen, gegeniiberstellen. Solche Widerspruche vermeidet die Natur ; wenn einmal unsere Kraft- und Massenbegriffe so eng miteinander verbunden sind und die Art der Verkniipfung eben durch das Vorherrschen der Schwerewirkungen auf uns bedingt ist, wurde es eine schwere Vemirrung bedeuten, wenn die triige Masse in einer anderen Art mit der ihr entsprechenden Kraft Lei unseren Triigheitsempfindungen zusanimenhinge. Um also mit der vorherrschenden Gravitationserfahrung nicht in Widerspruch zu gernten, kann als Grundlage der Gleichheitsurteile der Spannungsempfindungen bei den Tragheitsbewegungen mit verschiedener Masse, nicht die Kraft der Bewegungen gelten, sondern es mu6 eine andere GroBe, und zwar, wie die Versuche lehren, die GroBe Kraft in der Zeitdauer, die Grund- lage abgeben.

Noch ein zweiter Umstand, der die Zeitabhangigkeit dieser Grund- lage, dieses Reizes bedingt, diirfte hierbei von Bedeutung sein. VC'ie spater des naheren dargelegt werden soll, sind die gelaufigsten, differen- ziertesten, objektivierten Empfindungen im allgemeinen zeitunabhangig, wogegen die selteneren, ungewohnteren, mehr diffusen, subjektivistischen Empfindungen, die mehr den Charakter der erlebten Eindriicke haben, Zeitabhangiglieit aufweisen (zeitintegrierte Enipfindungen). Das Ver- gleichen zweier Schwere- und desgleichen zweier Trgheitsbewegungen mit der gleichen Rlasse ist, da alle unsere taglichen Gewichtsschatzungen der Gegenstande zur ersteren Vergleichsart, alle die TragheitsauBerungen unseres Korpers und unserer Glieder (immer dieselben Massen) zur zweiten gehoren, nun etwas sehr Gelaiifiges. Es sind ja - wie gesagt - aus den Erfahrungen dieser Bewegungsarten unsere Kraft- und Massen- begriffe iiberhaupt herausgewachsen ; die entsprechenden Empfindungen sind also genau objektivierbar. Dieser genauen Objektivierbarkeit ent-

3s YRJO REXQVIST :

spricht bei dieseii beideii I3e\~-egungsvergleicheii die Zeitunabhkngigkeit : nur die Kraft als solchc stellt die Grundlage des Urteils dar. ]>as Ter- glcichen zwier Tra~heitsbe~~eguiigeii mit ungleich groBcn triigen Masscn iqt dagegen et\Tas sehr Estraordinarec;. Die Versuchsperson hat sich aiifaiigs schver zurechtzufinden. Wcnn sic schlieBlich Gleichhcitsurteile fallt, gilt das inehr gleichen (subjektiven) Eindrucken, als gl.ichen, ohjektirierten Enipfindnngen. Bei einani derartigen J7erhalten erlaiigeii die zeitlichen Verhaltnisse EinfluB auf das Urteil. Ilcr Rciz, die Oh- jektivierung , die begriffliche Beschreibung dcr $:nipfindung, oder viic inan das ausdriicken mag, wird zeitabhangig, und in unserem Falle der 'I'raghcitsbewegungen niit verschiedenen DIassen griiiidet sich das Gleich- heitsurteil auf Gleichheit der Kraftzeitdaucrprodukte.

Alles Besprochene erhalt nun cine willkommene Erganzung durcli die in den1 vorigen Artikel beschriebenen Versuche mit Reibungs- bewegungen. Das Ergebnis dieser Versuche jst folgendes: 1. Zwei Rei- lmngsberegnngen. welche mit derselben Xeibungskonstantc ansgefuhrt mrden, aber verschiedcne Strecken durchlaufen, werden gleich schwer cinpfuiiden, wenn die KrLfte der Bewegungen gleich grofi sind (sind die Krafte gleich grofi, so sind auch die Geschwindigkeiten gleich, da bei Keibung K = R . Kraft = Reibungskonstante x Geschlyindigkeit, ist); 2. zwei Bewegungen, die niit verschieden grofien Xeibungskonstantcn ausgefiihrt werdcii, sind etwas schwieriger gleich schwer zu cnipfiiiden. Gelingt es aber, so gilt auch bei ihnen: gleiche Spannungsempfind~ingen eiitsprechen gleich grofien Kraften. Dasselbe gilt schliefilich auch noch dann, wenn die zwei zu vergleichenden Reibungsbewegungen sich somohl hinsichtlich der Reibungskonstanten wie der Bewegungsstrecken unter- scheiden, und die Bewegung mit der groaeren Reibungskonstante (die .,zahere'.) gleichzeitig auch die langere, die Bemgung mit der ,kleineren Reibungskonstante also die kurzer dauernde ist. Bei drr gekreuzten Kombination von Reibungskonstante und Bexegungsstrrcke, in der also die grofiere Konstante mit der kiirzeren Strecke und umgekehrt, die kleinere Konstante mit der langeren Strecke gekoppelt ist, wird das Urteilen sehr schwierig und die obige Regel von Spannungsempfindungs- und Kraftgleichheit gilt nicht mehr. In diesem letzten Falle sind bei Empfindungsgleichheit die Krafte nicht gleich groB, vielmehr gewinnt auch hier wieder die Zeitdauer der Bewegung 13influfi. Dies kommt in der zuweilen, aber nicht immer, zu konstatierendeii GesetzmaBigkeit der gleichen GroBe des Kraft-Zcitproduktes zum Ailsdruck.

Versuchen wir nun alles in die oben dargelegte Atiffassung ein- zufugen. Reibungsbewegungen sind nicht gelanfig. Nur beim Schwimmen kommen sie nehst den sich anschliefienden Wahrnehmungen in ihrer

dP

~l ' IS~URGSEMPFIr \ 'DUr \ 'G , E(RAFTBEGR1FT V. BEnKW. D. %I:l'l' USK. 39

1Sigenart zur Geltuiig und starker Zuni Bea-ulltsein. Die Seltenheit der Bewegungsart gibt sich in den vie1 unscharferen Anssagen uiid Urtcileu clrr Versuchsperson jm Vergleich zu den genauen Aussagen bei den l'ragheitsbea egungen kund. Man vergleiche die Tabellen mit den Zahleii tlcr als gleich schwer empfundenen Tragheitsbew-egungen und die als gleich schn-er empfundenen Rcibungshe~~egungen. Letztere weisen riel groBerc Schn ankungen auf. Unter allcii Xeibungsbe~~eguiigeii sind die- .jciiigeri mit unrcrinderter Xeibungskonstantr (gerade so wie die Trag- Iiritsbewegungcn mit einer und derselhen tragen Nasse untcr den Trag- Iititsbe~~egungcii) die iins am wnigsten fremden. Hierzu gehhreii clic ;;ch.\~ininibe\~cgniigeii uud die Bex-egungen ini starken Kind. Dagegen bind Xeihuiigsbe\\-cgungeii mit mranderlicher Reibungskonstante sehr iingrn-ohnt (genau wio die 'l'raghritsbewegungen niit reranderlicher triiger Jlasse). L)emgernaB sind auch die letztgenaniiten Reibungs- hewegungen schwer enipfindungsaquivaleiit zu niachen und die Urteile sind - gelingt es schliePJlich - iiicht so sicher wie bei anderen Be- 11 rgnngcn.

Die 1Snipfindungen bei den Reibungsbewegungen zeigen also sowoh1 Cpterschiedlichcs wie Gemeinschaftliches mit den Tragheits- bewegungsempfindungen. Das Unterschiedliche ist : bei den Tragheits- bewegungen wird die Emprindung zwar nicht als Bewegung einer iiiilleren tragen Masse objektiviert (gegensatzlich zur reineii Schwere- cnipfindung, die ehcii als schwere Masse objektiviert werdeii kann), aber die Tragheitsbewegungen stchen doch den Schwerebewegungen nahe, pin , Jlasseiigefuhl-. komint lsei ihrer Wahrnehmung wohl deutlich zum BewA3tseiii. Dieses ,,Nassengefuhl" fehlt nun ganz bei den Reibungs- bewegungcn. Das Gemeiiischaftliche des Empfindens bei Tragh.its- sowohl als Reibungsbeffegungeii liegt darin, dalS bei beiden eine Ob- jektivierung, wenn sic moglich ist, sich als Spannung, als Kraft aullert, also abstrakter Art ist.

Und doch ist die Kraftempfindung bei beiden Bewegungsarten ver- whiedenartig. Bei den Tragheitsbeffegungeii ,,beruht" die Kraft auf der Beschleunigung der Bewegung, ist diese konstant, dann ist es die Kraft auch. Bei den Reibungsbewegungen hangt die Kraft von der Geschwindig- keit der Bewegung ab und nur bei konstanter Geschwindigkeit wird auch sie konstant. So ist die Bewegungsform dieser beiden Bewegungsarten verschieden. Bei den Tragheitsbewegungen ist die Kraftentfaltung in- mitten der Bewegungsphase gleich Kull, bei den Reibungsbewegungen ist sie an den Enden der Phase Null. Die Versuchsperson fiihlt also die Haupt- anstrengung, an die sich die Grundlage ihres Urteils anschlieBt, bei beiden Terschiedenen Bewegungsarten in verschiedenen Phasen des Bewegungs- ablaufes. Bei den Tragheitsbewegungen urteilt sie hauptsachlich auf

60 YR JO RENQTIST :

Gruncl der Empfiudung an den Umkehrpunkten der Hin- und Her- beweguiig , bei den Reibungsbewegungen gemiiB der Empfindung an der mittleren, mit gleicher Geschwindigkeit vor sich gehenden Bewegungsphnhe.

Bei den Iieibungsbe\vegungeii niit gleicher sovohl als auch bei den- jenigen mit ungleicher Reibungskonstante w r e n bei Spannungsemp- findungsaquivalcnz die Spannungen. die Krafte, gleich groll. Es wurde bei den Bewegungen mit verschiedenen Iieibungskonstanten also keine Abhangigkeit des Urteils von der Zeitdauer, wie man vielleicht in Xnalogie mit dem Yerhalten hei TragheitsbeJvegungen mit rerschiedencn tragcn Massen erwartet hatte, konstatiert. Die Zeitunabhangigkcit eines Gleich- heitsurteils (also die Kraftgrundlage des Urteils) ist das zweckmalligere Verhalten : die Zeitabhangigkeit der Urteile das aeniger zweckmallige. Bei den Reibungsbewegungen, sowohl denjenigen mit gleicher. als den- jenigen mit ungleicher Reibungskonstante und ebenso bei den Tragheits- bewegungen mit gleicher trager Masse, bedingt diese .,Zaeckmalligkeit'- das Verhalten. Anders ist es aber bei denjenigen mit ungleich grollen tragen Massen, und zwar, wie schon friiher auseinandergesetzt wurde, wegen des in diesem Falle eintretenden TViderspruchs Zuni Verhalten bei Schwerccmpfindungen. Wegen des Fehlens jeglichen Nassengefuhls (und Massen-Dingbewegens) bei den Reibungsbewegungen, kann hei diesen dieser Widerspruch nicht vorkommen und demgemall setzt sich das auf Kraft objektivierende Verhalten hier auch im Falle der ver- schiedenen Reibungskonstanten durch. Und auch noch in dem kom- plizierten Falle der Variation, sowohl der Reibungskonstante wie der Bewegungsstrecke rnit der ungekreuzten Kombination dieser Grollen (also grolle Konstante und grolle Strecke sowie kleine Konstante und kleine Strecke) setzt sich das auf Kraft objektivierende Verhalten durch, obwohl etwas zaghaft, wie es das etwas unsicherc Verhalten der Versuchs- person und die Versuchsergebnisse dartun. Erst bei dem am meisten verwirrenden Versuche mit gekreuzter Kombination der Reibungs- konstanten und der Strecken, kann die Versuchsperson nicht mehr auf Kraft objektivierend die Grundlage des Gleichheitsurteils finden, sondern die zeitlichen Verhaltnisse, zunachst wohl die Dauer der Kraftentfaltung, erhalten Bedeutung.

Die im vorhergehenden behandelten Verhaltnisse bei den Bewegungs- wahrnehmungen fordern nun auf, das Verhaltnis zwischen Empfindung, Objektivierung und Reiz auch allgemeiner zu behandeln.

Bei den Bewegungsvergleichen konnten wir folgendes feststellen: die Empfindung der Versuchsperson objektiviert sich in Spannung, und als Reiz (d. h. als Grundlage des Gleichheitsurteils) wirkt die physikalische Spannnng oder Kraft der Bewegung. Objektivierte

SP~N~U~GSE~I IPFINDUNG, KRAFTBEGRIFF u. BEDEUT. D. ZEIT usw. 6 1

1i;nipfindungsspannung und physikalische Reizspannung sind nun aber nur verschiedene Ausdrucksweisen eines und deselben Verhaltens. Und zwar Ausdrucksweisen von verschiedener Begriffsscharfe. Der begrifflich noch ziemlich vage erfnBte BewuBtseinsinhalt, welcher als Spannungs- empfindung oder in Spannung objektivierte Wahrnehmung bezeichnet wurde, wird in der physikalischen ReizgroBe Kraft, mit Hilfe genauer begrifflieher GroBen beschrieben. Ilas, was als Reiz bezeichnet wird, ist cigentlich nichts anderes als die Beschreibung der Empfindung mit Hilfe begrifflicher GroBen, die hier auf dem Gebiete der Bewegungs- wahrnehniungen direkt von eben diesen Wahrnehmungcn stammen. Ohne die Kraftenipfindungen uuserer Glieder wiirde sich liein Kraft- begriff entwickelt hahen. Der geschlossene Kreis von Enipfindung, deren begrifflicher Beschreibuvg (Keiz), den wrwendeten Begriffen und der Empfindung, aus welcher die Begriffe ihren Ursprung haben, dieser Kreis, der sich nur auf den1 Gebiete der Ben egungswahrnehmungen schlieBt, 1aBt auf diesem Gebiete Empfindung und Reiz beinahe in- eiiiander iiberflieBen. Die genaueste Objektivierung einer Empfindung ist also eben das, was wir deren Reiz nennen.

Bei denjenigen Gleichheitsurteilen von Bew~egungsempfindungen, bei denen die Grundlage des Urteils nicht Kraft, sondern Kraft x Zeit- dauer (Spannungszeit) ist, stellt diese letztere GroBe die Objektivierung dar. Ob die Objektivierung die (zeitunabhangige) Kraft oder die (zeit- abhangige) GroBe, Kraft x Zeit ist, davon ,,weiB" die Versuchsperson bei der Abgabe des Urteils nichts, ihr sind beide Verhaltungsweisen solche der ,,Spannungsenipfindung". Diejenige Verhaltungsweise, bei der die Kraft als Grundlage dient, ist sicherlich aber die mehr differen- zierte, die mehr objektive, darauf deutet ihr Vorherrschen bei den ge- laufigsten und genauesten Bewegungen. Nu. bei diesen sind Spannunqs- empfindung und Spannungsreiz direkte Abkommlinge voneinander. Bei den Urteilen der weniger gelaufigen Bewegungen entspricht der Spannungsmpfindung eine zeitabhangige ReizgroBe , hier ist also das Enipfindungs-Reizverhaltnis schon undurchsichtiger , wie es das auf allen anderen Sinnesgebieten in noch vie1 hoherem Grade ist.

Wie wir spater des naheren besprechen werden, scheinen aeniger gelaufige Enipfindungen nicht scharf objektiviert werden zu konnen, und d a m erlangen die zeitlichen Verhaltnisse in der Grundlage der Wahrnehmungsurteile Bedeutung. Es wurde eben gesagt, daB die Ver- suchsperson nicht ,,weiB", ob ihr Gleichheitsurteil zweier Spannungs- empfindungen als Grundlage die Kraftegleichheit oder dig Gleichheit der GroBen, Kraft x Zeitdauer hat. Die Versuchsperson verhalt sich aber in beiden Fallen etwas verschieden. In dem Falle der Kraftegleich- heit als Grundlage des Urteils, kann das Verhalten der Versuchsperson

62 J-IiJ6 W1:XQVIS’l’ :

so beschriebcn wrdcii. d s vergliche sic z w i Spannurigen niiteinandci~, in den1 Falle der Spaiiriuiigszcitcngleichheit, also iiii Palle der AbhangiF- keit voii der ZeitgroBe, rergleicht die Yersuchsperson zwei Anstrengung- gefuhle, z m i Eindrdcke, die ihr vie1 subjektiver scheincii 31s die scharf objektirierten Spaniiungscnipfindungcl7. Das Erleben voii Eindrdclien, diese subjektivistische Art der Be~wBtseinsinhalte, ist cin Terhalten, dessen unscharfe (oder fehlende) Objelitivierung ebcn in tler Zeitabh6ngig- keit ihrer Urteilsgrundlagcn, ihrer Kcize sich kundtut. Ilas scharfe oh- jektivierende Enipfinden driickt sich dcnigegeniiber i n viilliger Zeit- unabhangigkeit seiner lieize ails.

Die Zeitverhaltnissc der Reize der Bewegungswahrnehmungen sollen nun noeh im Zusammenhang mit Zeitverhaltnissen anderer Reize be- sprochen \yerclen. Bei den objektivierten Beffegungscnipfiiidnngcn ga lt bei gleichen Spannuiigscmpfiiidungm die Reizbeziehung S = b. wo ,V die Spannung oder Kraft und b eine Konstante ist. Bei den Spannungs- empfindungen von weniger objektivierteni Charakter galt die Reiz- beziehung S. t = i i , odcr S = 5, wo X die Kraft, t deren Zeitdaiicr und (1 eine Konstante bedeuten.

Nan kann nun nicht dcr Beobachtung entgehen. dalS diese beidcn Reizbeziehungen Abkiirzungen drs allgemeinen Hyperbelausdrucks S = 4 + b sind, der der Form nach die allgrmeine Weiss -Hoor- wegsche Reizbeziehung widergibt. GewiB ist zu beachten, daB die Weiss-Hoorwegsche Reizgleichung fur elektrisehe Reize, deren Wir- kungsdauer im allgemeinen nur Bruchteile einer Sekunde betragt, auf- gestellt ist; in den Formen i = + b, oder V = f- + b, zeigt sie die Zeitabhangigksit der Reizstromstarke ( i ) bzw. der Reizvoltspannung (I7). DaD aber eine Hpperbelgleichung auch die Resultate der ganz anders ausgefiihrten Beffegungsversuche umfaDt, zeigt jedenfalls, wie allgemeiii eine Gleichung dieser Form die zeitlichen Beziehnngen der Reize dar- zustellen vermag. Eine graphische Darstellung der obeii gegebenen Gleichungen verdeutlicht gut ihren Sinn. In der Fig. 1 haben wir links die Spannung S in ihrer Abhangigkeit von der Zeit t dargestellt, rcchts ist die GriiDe Spannungszeit, S . t , als Funktion r o n t gegeben.

Es mu13 erinnert werden, da13 unsere Bewegungswahrnehmungsversuche, als nach der Methode der Gleichheitsurteile ausgefuhrt, ja immer nur zwei Bestimmungen von X bzw. t ergeken, so da13 aus ihnen eine graphische Darstellung, wie die obige, also nicht konstruiert werden kann. Die zahl- reichen Versuchsresultate geniigen aber den Gleichungen, wenigstens in den Grenzen der von uns benutzten Zeit- und Spannungswerte; es geben

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SP~-~"UR'GSE~\IPFINDUNG. KRAFTBEGRIFF u. BEDEUT. D. %Err u sw. 6:;

also die graphiichen Aufzeichnungen ein Bild von den zeitlichen Beziehuiigeii cler Reize.

In der Fig. 1 stellen die ausgezogenen Linien das Verhalten S = 11 dar, zeigen also die Zeitunabhiingigkeit der Spannung, des Reizes, sowie das Q u e r s c hn i t t s v e r h a 1 t e n in zeitlicher Beziehung der entsprechen- den Empfindung. Die gestrichelten Linien entsprechen den1 Verhalten S = +, also dcr Zcitabhangigkeit des Reizes, dem subjektivistischen, zeitint~g.rierendeii. 1 an gs s c h n i t t l i c hen Yer h a1 t en der Enipfindunp.

- S = b a ---- s =

........ &+& t Fig. 1.

Vnd die punktierten Linien stellen schlieDlich den Yerlauf der Hyperbel X = + b, dar. Renn wir die zwei erstgenannten Reizgleichungen als Abkommlinge der allgemeineii Hyperbelgleichung ansehen, kanu die GroDe b (Spannung) als eine rheobasenartige GroDe betrachtet wer den.

Auf dem Gebiete des Gesichtssinnes gilt ein dem oben dargestellteu analoges Verhalten. Beim helladaptierten Sehcn, mit seinem stark objektivierenden ISmpfinden, ist die Intensitat der Liehtempfindung iiur von der Intensitat des Lichtes abhangig, also 1 = b nach unserer Bezeichnungsweise. Beim Dunkelsehen ist der Sachverhalt schon kom- plizierter, hier gewinnt die Belichtungsdauer Bedeutung ; in welcher Weise diirfte aber noch nicht naher untersucht sein. Auch beim hell- adaptierten Auge sind die zeitlichen Verhaltnisse des Reizes dann voii Bedeutung, wenn die Reizdauer auBerordentlieh kurz ist, die Situation also aller Gelaufigkeit mangelt. Bei ganz kurzzeitigen Reizen ( t < 26).

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gilt namlich die Beziehung I - f = a, d. h. cine ganz analoge Bcziehung wie die 5' = - bei den schwerer objektivierbaren Spannungsvergleichen.

TYir sehen also. daB die stark objektivierten, gelaufigen Gesichts- empfindnngen, unser eigentliches Sehen der Gegenstande, der AuBen- welt, dis gelaufige Hellsehen, ganz ahnlich, nie das gellufige Bewegungs- empfinden, ein zeitunabhangiges Yerhalten aufweist, wogegen das seltene, kaum oder gar nicht objelrtivierende Dunkelsehen, das mehr ein Erleben von Gesichtseindriicken ist, ganz wie das ungelaufige Be- wegungswahrnehmen ein Erleben von Be\\-egungseiiidriicken, von An- strengungsgefiihlen ist, ein zeitabhangiges Yerhalten aufweist.

SchlieBlich muB betont werden, daB das Gleichenipfinden zweier verschiedener trlger Massen, vie es bei den entsprechenden Versuchen von der Versuchsperson gefordert wurdc, etwas Gekunsteltes ist, ebenPo wie es das Gleichhellempfinden bei kurzer Darbietungsdauer zweier ,,in Wirklichkei t", d. h. beim gewohnlichen, langdauernden Hellsehen nicht gleich heller Lichter ist. Beide diese Beobachtungs- oder Vcrhaltungs- weisen sind gekunslelt ; im allgemeinen will man ja nicht verschiedene illassen oder Liclitintensitaten gleich konzipieren, sondern alles geht ganz umgekehrt darauf aus, das Unterschiedliche hierbei herauszuspuren. Nur durch das integrierende Verhalten wird diese natiirliche Einstellung zu- gunsten des Gleichwerdens iiberwunden.

Das zeitunabhangige Verhalten (S = konst.), dagegen la& die ,,Gegenstlnde", mogen sie gesehene Gegenstande, Sehdinge oder durch den Bewegungssinn wahrgenommene Krafte, Spannungen sein, sich moglichst konstant ergeben, unabhangig von den mehr oder weniger zufalligen Zeitverhaltnissen der Wahrnehmimgssituation. Die Kon- s t a n z der Sehdinge , der Parben, und die Kons tanz der Bewegungs- emp f i n dungen , uberhaupt die Konstanz dler Enipfindungsinhalte wird wahrscheinlich eben auch durch dieses Verhalten fundiert. Dem- gemaB hangt auch, mie stets wenn S = konst., das Auftreten des Kon- stanzphanomens, z. B. bei der Konstanz der Farbenl, davon ah, daB die Beobachtungsdauer lang genug und die ganze Wahrnehmungssituation gelaufig ist.

Zusammenfassung. 1. Die Grundlage des Gleichheitsurteils zweier Epannungsenipfin-

dungen, d. h. die ReizgroBe der Spannungsempfindung ist bei haufig rorkommenden, also gelaufigen Bewegungsarten, die Kraft der Be- vegung.

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A. Gelb, Die ,,Farbenkonstanz" der Sehdinge, im Betheschen Hand- bitch der norm. u. pathol. Physiol. Bd. XII. I. Halfte. s. 594.

SPANNUNGSENPFINDUKG, KRAFTBEGRIFF u. BEDEUT. D. ZEIT usw. 65

Bei Be.vvegungsvergleichen, die selten und der Yersuchsperson un- gelanfig sind, bildet eine zeitabhangige GroBe, die GroBe: Kraft s Zeit- dauer der Bcviegung, die Crteilsgrundlage, den Reiz der Spannungs- cnip findung.

2 . Bei den gelaufigen Ben-egungsvergleichen vergleicht die Versnchs- person z m i Spannungsempfindungen miteinander. Sie objektiviert ihre lhpfindung in Spannung. in Kraft, d. h. dir RcizgroBe dcr Spannungs- cmptindung ist die physikalische (mcchanische) Kwft der Hewegung.

Bei den ungelaufigen Yergleichen macht die Yersuchsperson eincn, iiii Yerhaltnis ZU clcni vorigcn, mehr vagcn Vergleich. Sie sucht clic unsrhkrfere Xquimlenz zwicr Eindruckc, zweier subjektiver Anstrcn- gungsgcfuhle. Die Objektivicrung drr Empfindung, der Reiz, ergibt hier nicht dic GrolSe: Kraft, sondcrn: Kraft x deren TVirkungsdauer.

3. Auf den1 Gcbiete der Gesichtsempfindungcn gilt ein analogrs Verhalten der Bedeutung dcr Zeitdauer gegenuber. Die Ohjektiviermg, die KeizgroBe cler gewohnlichen Lichtenipfindungen beim Hellsehen, ist ausschlieBlich die Intensitat des Lichtes, eine zeitunabhangige GriiBe. Bei ungelaufigen Wahrnehmungsverhaltnissen, beim Dunkelsehen oder auch bei sehr kurzzeitigem Hellsehen, gcivinnt dagegen die Zeit Bedeutung. Den Reiz bilden zeitabhangige GroBen.

4. Die Zeitunabhangigkeit des Reizes (= Zeitunabhangigkeit der Urteilsgrundlage der Wahrnehmung) bildet einen der Grunde fur die sog. Konstanz der Enipfindungsiiihalte (Konstanz der Sehdinge, Farbenkonstanz). Die Invarianz der gelaufigen AuBenwelt ist durch sie bedingt (Querschnittsenipfindung in zeitlicher Beziehung, differen- zierendes Empfinden).

Anders bei ungelaufigen Empfindungssituationen, in denen die Zeitabhangigkeit des Keizes (Langsschnittsrmpfindungen, integrieren- des Empfinden in zeitlicher Beziehung) eine Inkonstanz der Enipfin- dungsinhalte bedeutet.

5. Auf der Grundlage der gelaufigen Schwere- oder Spannungs- empfindnngen ist der Kraftbegriff entstanden. Spannungsempfindung wird in Spannung, in Kraft objektiviert, oder aiiders ausgedruckt: die Kraft ist die ReizgroBe der Spannungsempfindung. Diese Beziehungen erleuchten den Ursprungszusammenhang beider GroBen. Unser Kraft- begriff ist objektivierte Spannungswahrnehmung, ist die begrifflich er- fal3te Spannungs e m p f in dung.

Auf anderen Wahrnehmungsgebieten als demjenigen der Bewegungs- wahrnehmungen ist der Zusammenhang zwischen Empfindung und deren begrifflicher Objektivierung , Reiz , undurchsichtig (Farben- empfindung - physikslisches Licht). Und das deswegen, weil die physi- kalischen Begriffe, mit Hilfe derer die Reize beschrieben werden, sich

Skandinav. Archiv. LIX. 5

6G YRJO KESQVIST: S l~ .~zn-r \UScSI~nt rFI~DUSr; USW.

iiur yon den Ue\\-cguiigs\\ ahrnehiiiungen ahleiten : folglich auf alleii anderen Gebieten der Empfiiiduiig~objcl~tirieruiigen, die lieize nicht adaquat auszudriicken verinogen.

Unserc physikaliscli-mechanischen Begriffe xind nnr den Xeizgroflcn der mechanischeii Be\~egnngs\\-ahriichniuiigeii ndhquat. den ReizgroBen aller anderen Sinne sind sie es nicht. Aber auch auf dicsen anderen Ge- hieten lverden die auf tlcr Grnndlage dcr Br\~cgungs\\-ahrncliniiingen cntstandenen Begriffe zur Bcschrciliung clcs Tl’ahrqenonimcnen. ihrer Iieize, verwendet. Und hirrin ist dcr Grund zu dem transzeiidcnten Zusammenhang zwischen den physikalischcn RcizgroBen dicser Gcl)icte und den entsprechenden psychkchen lnhalten zu suchcn.