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188 Zeitschrift fiir anorganische nnd dlgemeine Chemie. Band 242. 1939 Uber thermische Eigenschaffen von Halogeniden. 13. ') Siittigungsdrucke von Zinn It-halogeniden Von WERXER FISCHER und RUDOLF GEWEHR 2, Wir hatten friiher 3 bei den gesattigten Halogeniden der Elemente der Haupt- und Nebengruppen bestimmte RegelmiiBigkeiten im Ver- lauf der Schmelz- und Siedepunkte, der Verdampfungswarmen usw. aufgefunden. Fur die ungesattigten Halogenide mit Kationen vom Thallo-Typus (18 + 2 Elektronen in der auBeren Hulle) fehlte es an MeBwerten fur einen ahnlichen uberblick. Als Beitrag zur Aus- fullung dieser Liicke teilen wir im folgenden Messungen der Satti- gungsdrucke von ZinnII-chlorid, -bromid und -jodid mit. Zur Messung diente eine Quarzapparatur mit einem mit ge- schmolzenem Zinn beschickten Manometer, das als Nullinstrument benutzt wurde; Apparatur und Arbeitsweise sind fruher 4, ausfuhrlich beschrieben. Die Temperaturmessung erfolgte mit geeichten Platin/ Platinrhodium-Thermoelementen und Millivoltmeter. Die Praparat e wurden durch Erhitzen von Zinn ,,Kahlbaum" im getrockneten Chlorwasserstoffstrom bzw. im Brom- oder Jod- beladenen Wasserstoffstrom in einer Quarzapparatur hergestellt, an- schlieBend im Hg- Dampfstrahl-Vakuum destilliert und auf einzelne Quarzkiilbchen in den notwendigen Mengen verteilt. Vom ZinnII- jodid wurde ein zweites Praparat (Nr. 11) auf nassem Weg bereitet (AuflGsen von metallischem Zinn in siedender konzentrierter Jod- wasserstoffsaure bis zur beginnenden Kristallisation des Jodids, Ab- kuhlen, Umkristallisieren aus Alkohol, Trocknen uber P,O, im Va- h u m ) und anschliebend ebenfalls im Vakuum destilliert. Die Ergebnisse der Messungen sind in Tabelle 1-3 in der S. 168/169 beschriebenen Weise dargestellt und in den beiden letzten l) Nr. 12: Vgl. voranstehende Abhandlung. 4 Vgl. auch Dissertation R. GEWEHR, T. H. Hannover, 1936. 3) W. FISCHER, Z. anorg. dlg. Chem. 211 (1933), 321. 4, W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Z. anorg. allg. Chem. 205 (1932), 15 und 4; 211 (1933), 352.

Über thermische Eigenschaften von Halogeniden. 13. Sättigungsdrucke von Zinn II-halogeniden

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Page 1: Über thermische Eigenschaften von Halogeniden. 13. Sättigungsdrucke von Zinn II-halogeniden

188 Zeitschrift fiir anorganische nnd dlgemeine Chemie. Band 242. 1939

Uber thermische Eigenschaffen von Halogeniden. 13. ')

Siittigungsdrucke von Zinn It-halogeniden Von WERXER FISCHER und RUDOLF GEWEHR 2,

Wir hatten friiher 3 bei den gesattigten Halogeniden der Elemente der Haupt- und Nebengruppen bestimmte RegelmiiBigkeiten im Ver- lauf der Schmelz- und Siedepunkte, der Verdampfungswarmen usw. aufgefunden. Fur die ungesattigten Halogenide mit Kationen vom Thallo-Typus (18 + 2 Elektronen in der auBeren Hulle) fehlte es an MeBwerten fur einen ahnlichen uberblick. Als Beitrag zur Aus- fullung dieser Liicke teilen wir im folgenden Messungen der Satti- gungsdrucke von ZinnII-chlorid, -bromid und -jodid mit.

Zur Messung diente eine Quarzapparatur mit einem mit ge- schmolzenem Zinn beschickten Manometer, das als Nullinstrument benutzt wurde; Apparatur und Arbeitsweise sind fruher 4, ausfuhrlich beschrieben. Die Temperaturmessung erfolgte mit geeichten Platin/ Platinrhodium-Thermoelementen und Millivoltmeter.

Die P r a p a r a t e wurden durch Erhitzen von Zinn ,,Kahlbaum" im getrockneten Chlorwasserstoffstrom bzw. im Brom- oder Jod- beladenen Wasserstoffstrom in einer Quarzapparatur hergestellt, an- schlieBend im Hg- Dampfstrahl-Vakuum destilliert und auf einzelne Quarzkiilbchen in den notwendigen Mengen verteilt. Vom ZinnII- jodid wurde ein zweites Praparat (Nr. 11) auf nassem Weg bereitet (AuflGsen von metallischem Zinn in siedender konzentrierter Jod- wasserstoffsaure bis zur beginnenden Kristallisation des Jodids, Ab- kuhlen, Umkristallisieren aus Alkohol, Trocknen uber P,O, im Va- h u m ) und anschliebend ebenfalls im Vakuum destilliert.

Die Ergebn i s se der Messungen sind in Tabelle 1-3 in der S. 168/169 beschriebenen Weise dargestellt und in den beiden letzten

l) Nr. 12: Vgl. voranstehende Abhandlung. 4 Vgl. auch Dissertation R. GEWEHR, T. H. Hannover, 1936. 3) W. FISCHER, Z. anorg. dlg. Chem. 211 (1933), 321. 4, W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Z. anorg. allg. Chem. 205 (1932), 15 und 4;

211 (1933), 352.

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W. Fischer u. R. Gewehr. Sattigungsdrucke von ZinnII-halogeniden 189

Tabelle 1 DamDfdrucke von eeschmolzenem ZinnII-chlorid

25,s 73

113 288 358

CTers.-Nr.

710 + 5 764 - 1 790 - 3 851 - 8 866 - 3

t o c

1 I 456 2 471 3 502 4 547 5 557 6 579 7 592 8 610 9 611

442 490 514 570 590 594 617 634

729 25 I 729 0 744 37 746 - 2 775 67 774 +1 820 166 820 0 830 191 827 + 3 852 294 852 0 865 364 865 0 883 484 882 4-1 884 490 883 fl

T o K

5 11 23 28 37 71

135

715 763 787 843 863 867 890 907

709 + 2 741 - 3 775 + l 785 0 799 - 2 833 - 2 870 - 3

p mm Hg I T o K ber.l)I A T

I; 3 I, 4

11, 2 I, 5 4 6

11, 4 I, 7

558 594 597 620 649 681 683

339 863 + 4

553 f 8

log p(mm Hg) = - 20500 + 7,73; Siedetemperatur,,,: 6520 C = 925O K

Tabelle 2 Dampfdrucke von geschmolzenem Zinn 11-bromid

L'ers.-Nr.\ t ° C 1 T o K 1 p mm HE I T o K ber .9 A T I

24500 + 8,76; Siedetemperatur,,,: 639O C = 912O K log P(mm Hg) = -

Tabelle 3 DamDfdrueke von eeschmolzenem Zinn 11-iodid

438 I 465 11. 9 503 11; 10 1 512 I. 2 524

T o K

711 738 776 785 797 831 867 870 893 922 954 956

- 5 203 i - 2 308 922 0 485 1 1 - 1 481 f 3

I

log P(mm Hg) = - .m 25000 + 8,42; Siedetemperatur,,,: 714O C = 987O K

I) Berechnet nach den unter den Tabellen aufgefiihrten Interpolations- gleichungen.

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Spalten jeder Tabelle mit den nach Interpolationsgleichungen zuriick- berechneten Werten verglichen. Die Streuung der Einzelwerte liegt beim Bromid und Jodid innerhalb der Grenze der MeBfehler; bzgl. des Chlorids vgl. weiter unten. Bei der Wabl der Interpolations- gleichung des Jodids wurden die in der voranstehenden Abhandlung mitgeteilten, nach einer anderen Methode erhaltenen Werte mit gleichem Gewicht gewertet. Beide Reihen zeigen eine kleine syste- matische Sbweichung gegeniiber der Interpolationsgleichung von im Mittel - 1 bzw. + lo, d. h. ebenfalls noch innerhalb der Fehler- grenze. - Tabelle 4 gibt eine kurze Zusammenstellung unserer Er- gebnisse nebst Literaturwerten fiir die Schmelzpunkte.

Tabelle 4 Thermische Daten von Zinn 11-halogeniden

I I SnC1, I SnBr, 1 SnJ, I I I

Absolute Schmelztemperatur I) T, . 1 Absolute Siedetemperatur T,, . : I j j j 1 :i 1 :: 1 iii Verdampfungswiirme der Schmelze I kcal/Mol 20,, 247, TRoUrON'scher Quotient A/T,,

Nach einem Teil der Messungen am Bromid und J o d i d ver- blieb beim Abkiihlen ein geringer Restdruck, ,,Fremdtension", von wenigen mm Hg, wahrscheinlich als Folge eines Umsatzes mit Wasser- spuren (etwa 0,l-0,2 mg). Die in den Tabellen angegebenen Druckwerte sind bereits entsprechend korrigiert ". Analy s e n der Bodenkorper nach Beendigung der Messungen zeigten, daB die Praparate keine nennenswerte Veranderungen erlitten hatten:

Zinn 11-bromid ZinnII-jodid (Prtip. II) Ber. 42,62O/, Sn, 57,38O/@ Br 31,86O/, Sn Gef. 42,'32°/0 Sn, 57,39O/, Br 31,48O/, Sn.

Anders verhielt sich das Chlorid. Hier bildete sich eine er- hebliche F r e m d t e n s i o n , die bis zu 25 O/,, des gemessenen Druckes ausmachte. Die durch Abzug der Fremdtension korrigierten Drucke schlieBen sich aber der gleichen Interpolationsgleichung wie die unter ganz anderen Bedingungen erhaltenen Werte der voran- stehenden Abhandlung (vgl. S. 169) an. Die Fremdtension

I) Nach LANDOLT-B~RNSTEIN, Phys.-&em. Tabellen, 5. Auflage. e, vgl. 0. RAHLFs u. w. FISCHEB, z. anorg. allg. Chem. 211 (1933), 352.

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mufi') hier durch Umsetzung rnit dem Quarz des MeBgefaBes ent- standen sein (SiC1,Bildung 9. Auf eine Analyse verzichteten wir deshalb; denn vor der Messung war das Priiparat bei der sorgfaltigen Darstellungsart sicher formelgerecht zusammengesetzt, nach der Messung aber sicher nicht mehr; eine Analyse hatte also keine neuen Gesichtspunkte ergeben.

Zum Vergleich mit unseren Ergebnissen liegen folgende Li te - r a t u r w e r t e vor : REINDEES und DE LANGE 3, fanden den Siedepunkt des ZinnII-jodids zu 720° gegeniiber unserem Wert von 714O C. Stiirker weicht eine altere Angabe fur den Siedepunkt des ZinnII- bromids von FREYER und MEYER') ab (619 statt 639O C). Von den Resultaten C. G. MAIER'S~) fur das Zinn II-chlorid stimmt die Ver- dampfungswarme mit 21,l kcal/Mol leidlich rnit unserem Befund (20,5) iiberein, die von ihm angegebenen Siittigungsdrucke liegen aber wesentlich hoher, der Siedepunkt entsprechend tiefer (623 statt 652OC) als unsere Daten. Wir halten unsere Werte fur zuverlassiger, erstens weil sie auf einem unabhangigen Wege bestatigt wurden (vgl. S. 168ff.), und zweitens weil MAIER in einer Glasapparatur anscheinend nur e ine MeBreihe bei s te igender Temperatur aufgenommen hat, wobei die vermutlich auch bei seinem Versuch aufgetretene Fremdtension der Beobachtung entgehen und zu hohe Dampfdrucke vortauschen muBte.

Insgesamt konnen wir die Zinn II-halogenide wie folgt be- urteilen: Nach der noch ziemlich groBen elektrischen Leitf ahigkeit der Schmelze 6 , und nach seinen Volumenverhaltnissen 7 beurteilt ist das ZinnII-chlorid zwar ein Ionenaggregat, aber kein vollkommenes, wie es auch aus seiner Nachbarschaft zu dem schlecht leitenden und wesentlich leichter schmelz- und verdampfbaren AntimonIII- chlorid hervorgeht. Fur eine solcbe Grenzstellung spricht auch unser Befund, daB Schmelz- und Siedepunkt vom ZinnII-chlorid zum -bromid f a l l en (vgl. Tabelle 4), wie es bei Ionenaggregaten die Regel ist, dagegen vom Bromid zum Jodid nach Art der Molekiilaggregate

I) Das Priiparat und sein Dampf standen ja wiihrend der Messung nur

2) Vgl. 0. RAHLFS u. W. FISCHER, Z. anorg. allg. Chem. 211 (1933), 364. ') w. REINDERS u. 8. DE LANGE, z. anorg. a&. Chem. 79 (1913), 236. 4, F. FREYER u. V. MEYER, Z. anorg. Chem. 2 (1892), 4. 6, C. G. MAIER, Techn. Paper 360, Dep. of the Interior, Bureau of Mines,

B) W. BILTZ u. W. KLEYM, Z. anorg.allg. Chem. 152 (1926), 294. ') W. KLEMM, Z. anorg. allg. Chem. 152 (1926), 295, 307.

in Beriihrung mit Quarz und mit dem Zinn des Manometers.

Washington 1925.

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steigen. Das Bromid wird weiterhin durch seinen absolut und - im Vergleich zu Chlorid und Jodid - relativ hohen TROUTON- Quotienten als nbergangsglied zwischen Ionen- und Molekiilaggre- gaten gekennzeichnet. Aber alle diese fiir fjbergangsglieder charakte- ristischen Erscheinungen sind bei den ZinnII-halogeniden nicht so kraB ausgepragt, wie wir es bei den Halogeniden der Hauptgruppen beobachtet haben. Das diirfte darauf zuriickziifiihren sein, dal3 die Polarisationswirkungen der Kationen mit 18 und besonders derjenigen mit 18 + 2 AuBen-Elektronen auf viele Eigenschaftsunterschiede zwischen Ionen- und Molekulaggregaten nivellierend oder wenigstens abschwachend einwirken l).

l) Vgl. W. FISCHEB, Z. anorg. allg. Chem. 211 (1933), 339-342.

li’miburg d. Br., Anorganische Abteilung des chemischen Uni- oersituts-Laboratoriums.

Bei der Redaktion eingegangen am 11. Juli 1939.