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W. Fischer. Bemerkungen iiber die Fiihigkeit von Halogeniden USW. 97 Uber thermische Eigenschaften von Halogeniden. 7.7 Bemerkungen iiber die Fahigkeit von Halogeniden, im Dampf polymere Molekiile zu bilden Von WERNER FISCHER Die fruher vie1 umstrittene Frage nach der Art der Bindung in polymeren Molekulen gasformiger Halogenide, wie z. B. Al,C1,, durfte durch eine Reihe neuerer Arbeiten2) zugunsten einer koordi- nativen Verzahnung entschieden sein, wie sie WERNER~) wohl als erster fur moglich gehalten hat. Darnach ist der Vorgang der Doppel- molekulbildung wesentlich mit einer Erhohung der Koordinations- eahl (KZ.) verbunden, wie das Beispiel des Aluminiumchlorids zeigt : :i>AI-Cl + Cl-A1<cI c1 = c1 cl>Al<~~>Al<cl. c1 4, Insofern zeigen also diese Doppelmolekule eine enge Verwandt- schaft mit den Koordinationsgitterstrukturen binlrer Verbindungen, denn auch diese lassen sich aus Einzelmolekulen durch - allerdings noch weitergehende - gegenseitige Verzahnung unter Erhohung der KZ. aufbauen. Wenn aber diese Verwandtschaft besteht, so muB die Molekular- groBe im Dampf in ahnlicher Weise von den geometrischen Verhaltnissen abhangen, wie dies KOSSEL fur die Gitterstruk- turen fand. Halogenide, bei denen infolge des GroBen- und Zahlenverhaltnisses von Kationen zu Anionen das Kation im Einzelmolekiil bereits vollstandig umhiillt ist und deshalb kein l) Nr. 6: 0. RAHLFS u. W. FISCHER, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 349. 2, K. FAJANS, Z. Elektrochem. 34 (1928), 510; H. HANSEN, Z. phys. Chem. (B) 8 (1930) 10; W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 379; H. ULICH, Z. phys. Chem. BODENSTEIN-Festband (1931), 423; Z. Elektrochem. 37 (1931), 559; W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Z. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 32; J. A.M. VAN LIEMPT, Rec. Trav. Pays-Bas 51 (1932), 1131. 3, A. WERNER, Neuere Anschauungen. 2. Aufl. Braunschweig 1909. S. 94. 4) Dabei sind die beiden mittleren C1-Partikel senkrecht zur Zeichenebene iibereinander liegend zu denken, so daD jede Al-Partikel tetraedrisch von 4 C1- Partikeln umgeben ist. Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 213. 7

Über thermische Eigenschaften von Halogeniden. 7. Bemerkungen über die Fähigkeit von Halogeniden, im Dampf polymere Moleküle zu bilden

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W. Fischer. Bemerkungen iiber die Fiihigkeit von Halogeniden USW. 97

Uber thermische Eigenschaften von Halogeniden. 7.7

Bemerkungen iiber die Fahigkeit von Halogeniden, im Dampf polymere Molekiile zu bilden

Von WERNER FISCHER

Die fruher vie1 umstrittene Frage nach der Art der Bindung in polymeren Molekulen gasformiger Halogenide, wie z. B. Al,C1,, durfte durch eine Reihe neuerer Arbeiten2) zugunsten einer koordi- nativen Verzahnung entschieden sein, wie sie WERNER~) wohl als erster fur moglich gehalten hat. Darnach ist der Vorgang der Doppel- molekulbildung wesentlich mit einer Erhohung der Koordinations- eahl (KZ.) verbunden, wie das Beispiel des Aluminiumchlorids zeigt :

:i>AI-Cl + Cl-A1<cI c1 = c1 cl>Al<~~>Al<cl. c1 4,

Insofern zeigen also diese Doppelmolekule eine enge Verwandt- schaft mit den Koordinationsgitterstrukturen binlrer Verbindungen, denn auch diese lassen sich aus Einzelmolekulen durch - allerdings noch weitergehende - gegenseitige Verzahnung unter Erhohung der KZ. aufbauen.

Wenn aber diese Verwandtschaft besteht, so muB die Molekular- groBe im Dampf in ahnlicher Weise von den geometrischen Verhaltnissen abhangen, wie dies KOSSEL fur die Gitterstruk- turen fand. Halogenide, bei denen infolge des GroBen- und Zahlenverhaltnisses von Kationen zu Anionen das Kation im Einzelmolekiil bereits vol ls tandig umhiil l t ist und deshalb kein

l) Nr. 6: 0. RAHLFS u. W. FISCHER, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 349. 2, K. FAJANS, Z. Elektrochem. 34 (1928), 510; H. HANSEN, Z. phys. Chem.

(B) 8 (1930) 10; W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 379; H. ULICH, Z. phys. Chem. BODENSTEIN-Festband (1931), 423; Z. Elektrochem. 37 (1931), 559; W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Z. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 32; J. A .M. VAN LIEMPT, Rec. Trav. Pays-Bas 51 (1932), 1131.

3, A. WERNER, Neuere Anschauungen. 2. Aufl. Braunschweig 1909. S. 94. 4) Dabei sind die beiden mittleren C1-Partikel senkrecht zur Zeichenebene

iibereinander liegend zu denken, so daD jede Al-Partikel tetraedrisch von 4 C1- Partikeln umgeben ist.

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Raum zur Anlagerung weiterer Anionen vorhanden ist, sollten a u s - s c h l i e 13 li c h monomolekulare DBmpfe geben, wahrend Polymeri- sation nur bei unvo l lkommener Umhullung mogl ich sein sollte. Vollig umhullte Halogenide kristallisieren aber nach KOSSEL in Molekulgittern, wahrend unvollkommen umhullte Ionen-Koordina- tions- oder Ubergangsstrukturen bilden ; es sollten demnach also Beziehungen awischen der Kristallstruktur und der MolekulargroBe im Dampf bestehen.

Ob bei unvollkommener Umhullung aber die Doppelmolekul- bildung tatsachlich eintritt, ist weiterhin von einer ene rge t i s chen Bedingung abhangig, auf die bereits HANS EN^) hinwies. In all- gemeinster Form ausgedruckt besagt diese, daB die Moglichkeit , bei einem Stoff gasformige Doppelmolekule au beobachten, durch die Konkurrenz von Dissoziationswarme der Doppelmolekiile mid Sublimationswarme beherrscht wird. Bei grol3er Dissoaiationswarme, also groBer Stabilitat der Doppelmolekule, aber kleiner Sublimalions- warme wird der Stoff bei steigender Temperatur verdampfen, bevor der Zerfall der Doppelmolekule einsetat. 1st dagegen die Sublimations- warme grol3 gegenuber der Dissoziationswarme, so kann man den Dampf erst bei so holler Temperatur beobachten, daB er praktisch schon vollig dissoziiert ist.

Die GroLien, deren man zu einer Auswertung dieser beiden Uber- legungen bedarf, sind vorlaufig aber noch unvollkommen bekannt. Zur Beurteilung der Vollstandigkeit der Umhullung fehlt die genauere Kenntnis der IonengroIjen in Einzelmolekulen ; denn bei deren stark einseitigen elektrostatischen Kraftfeldern ist es unsicher, wie weit man mit der Vorstellung starrer, kugelformiger Ionen arbeiten darf. Zur Anwendung der aweiten Beziehung mangelt es fast vollig an Zahlen- material fur die Dissoziationswarmen. Zwar konnte HANSEN den Energie-Inhalt der hypothetischen Doppelmolekule von Kalium- chlorid an Hand eines vereinfachten Modells ermitteln, doch diirfte diese Uberschlagsrechnung kaum auf mehrwertige und andere Halo- genide mit starken Polarisationseffekten erfolgreich ubertragen werden konnen. Sicher ist ferner die Vermutung HANSEN’S, daB die Dissozia- t,ionswiirme von Al,CI, einen Maximalwert fur diese GroBe bei den Halogeniden darstelle, nicht allgemein gultig, denn mit dieser An- nahme steht in Widerspruch, da13 die Dampfe von Cupro- und Auro- chlorid (vgl. Tabelle 1) bei Temperaturen wesentlich oberhalb von 1000° C noch dimolekular sind.

H. HANSEN, 2. phys. Chem. (B) 8 (1930), 1, besonders Qff.

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Da also vorlaufig die beiden besprochenen Beziehungen keine eindeutige Entscheidung daruber zulassen, in welchen Fallen Poly- merisation im Dampf zu erwarten ist, wollen wir im folgenden eine 0 be r s i c h t uber die bisher vorliegenden D a m p f d i c h t e m e s sungen an Halogeniden geben und an Hand dieser dann versuchen, in Um- k e h r u n g jener Beziehungen Rucksch lusse auf die r a u m l i c h e n und ene rge t i s chen Verha l tn i s se zu ziehen. Die raumlichen Betrachtungen mussen dabei erganzt werden durch die Schlusse, die man aus dem Charakter der k o n d e n s i e r t e n Stoffe als Molekul- aggregate, Ubergangsglieder oder Ionenaggregate ziehen kann. Die Einteilung der Halogenide in diese drei Klassen haben wir kiirzlichl) ausfuhrlich besprochen ; auf diese Ausfuhrungen und die dort zitierte Literatur2) stutzt sich die im folgenden benutzte Zuordnung der Stoffe zu einer dieser Klassen.

In Tabelle 1 sind die MolekulargroBen fur die Dampfe der ein- bis vierwertigen gesattigten Halogenide der Haupt- und Nebengruppen zusammengestellt. Die meisten Werte gelten fur die Nahe der Siede- temperatur und den Druck einer Atmosphare. Wenn nicht besonders bemerkt, sind die Angaben den Handbuchern von ABEGG bzw. GMELIN entnommen. Bei einer Anzahl von Ubergangsgliedern konnten wir uns auf Messungsergebnisse stutzen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeitsreihe mitgeteilt wurden (vgl. auch die hier folgende Abhandlung). - Im folgenden merden zunachst die ge- siittigten Halogenide der Hauptgruppen und anschlieBend diejenigen der Nebengruppen besprochen; schlieBlich sind einige Bemerkungen uber das Verhalten der ungesattigten Halogenide angefugt.

I. H a u p t g r u p p e n . Die e inwer t igen Alkalihalogenide sind, soweit untersucht, im Dampf samtlich monomer. Eine raumliche Behinderung einer eventuellen Doppelmolekulbildung kommt hier nicht in Frage. Bei diesen typischen Ionenaggregaten ist aber die Sublimationswarme sehr groB, andererseits ist es nach der erwahnten Modellrechnung von HANSEN plausibel, daB die Dissoeiationswarme der hypothetischen Doppelmolekule erheblich lileiner ist ; das Ver- halten der Alkalihalogenide liegt also prinzipiell klar.

Die einzigen untersuchten zweiwer t igen Halogenide der Haupt- gruppen, BeCI, und BeBrz, sind im Dampf polymer; im kondensierten

1) W. FISCHER, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 321. 2, Beziiglich der Al-Halogenide vgl. ferner: W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Z.

anorg. u. allg. Chem. 206 (1932), 1 sowie die dort zitierte Literatur. 7*

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I F C1 Br J - - Li Na 1

Cs 12) l10) 1l0)

K 12) 1 110) Rb 12) 1lo) 1l0)

-

__. ~

IF2 C1, Br, J, F, C1, Br, J3 IF, C14 Br, J,

Be1 ~1,7~)-1,6~) B 1") 1 1 c 118) - 112)

El

A1 2') 2') 1,6') Si 'le) 1 1*) sc Ca

Sr Y Be Ra

1 Zr 111) 15) 15) 15) Hf Th

Mg

1) K. JELLINEK u. A. RUDAT, Z. phys. Chem. 143 (1929), 55. 2) H. v. WARTENBERG u. 0. BOSSE, Z. Elektrochem. 28 (1922), 384. 3) W. BILTZ, W. FISCHER u. R. JUZA, Z. anorg. u. allg. Chem. 176 (1928), 121. 4) Vgl. H. BRAUNE u. S. KNORE, Z. phys. Chem. (A) 152 (1931), 409. 6 , 0. RAHLFS u. W. FISCHER, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 349. 6 , Siehe die hier folgende Abhandlung. ?) W. FISCHER u. 0. RAHLFS, Z. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 1. *) 0. RUFF u. R. KEIM, 2. anorg. u. allg. Chem. 192 (1930), 249.

E. POHLAND, Z. anorg. u. allg. Chem. 201 (1931), 265. lo) A. SCOTT, Proc. Roy. SOC. Edinburgh 14 (1886/87), 410. 11) 0. RUFF, Die Chemie des Fluors. Berlin 1920. S. 49. 12) Ber. nach YOUNG in LANDOLT-BORNSTEIN, Tabellen. Hw. S. 2821283.

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W. Fischer. Ekmerkungen uber die Fiihigkeit von Halogeniden usw. 101

der KZ. auf 4 eintreten. Vier Br-- oder J--1onen reichen aber zur Umhullung hin ; deshalb kondensieren die Doppelmolekule des Bromids und Jodids - ohne weitergehende Verzahnung - zu Molekulgittern. Die kleineren C1--1onen vermogen aber auch zu viert noch keine vollkommene Umhullung zu bewirken, und so verzahnen sich die Doppelmolekiile im Kristall zu Schichten, in denen je 6 C1-Ionen ein Al-Ion umgeben; dabei ist vorausgesetzt, daB das Al-Chlorid eine dem Ferrichloridl) ahnliche Struktur besitzt, wie es nach der besonders engen Verwandtschaft beider Stoffe sehr wahrscheinlich ist.

Durchlauft man die Reihe der dreiwertigen Halogenide in Richtung steigenden GroBenverhBltnisses von Kation zu Anion, so erhalt man also folgende Reihe fur die Gitterstrukturen: 1. Molekulgitter aus Einselmolekulen (z. B. BCI,) ; 2. Molekiilgitter aus Doppelmolekulen (Al, J6) ; 3. Obergangsstrukturen (AlCl,) ; 4. Ionen-Koordinations- gitter (LaFJ. DaB die Bildung von doppelmolekularen Dampfen schon bei der Gruppe 2, also fruher als das Auftreten von Ubergangs- strukturen einsetzt, ist verstandlich, da zu einer lioordinativen Ver- knupfung zweier Molekule eine Erhohung der KZ. auf 4 ausreicht, sur Bildung eines Schichtengitters ahnlich dem PeCl,-Typ die KZ. aber auf 6 steigen muB. - Ob bei den unter 4. genannten Ionen- aggregaten auch noch polymere Dampfe auftreten, ist noch nicht untersucht; es ist zweifelhaft, da bei diesen der Siedepunkt sehr hoch liegt und es fraglich ist, ob die Dissoziationswarmen von eventuellen Doppelmolekulen dieser Verbindungen eine entsprechende starke Er- hohung erfahren.

Eine Ausnahme von dem geschilderten Verhalten stellt das Borfluorid dar. Es ist im kondensierten Zustand als Ubergangs- glied anzusprechen, und man wurde es darnach in der obigen Struktur- reihe etwa zwischen den Gruppen 2 und 3 einzuordnen haben. Nach dem Ubergangscharakter wurde man auf unvollkommene TJmhullung schlieBen und dementsprechend Polymerisation im Dampf erwarten. Fur die Moglichkeit der Koordination yon vier F--1onen urn ein B3+-Ion spricht ferner die Existenz des BF,--Ions. Trotzdem gibt BF, aber nur monomeren Dampf, wie in der folgenden Abhandlung gezeigt wird. Es hebt sich damit von dem Verhalten der anderen dreiwertigen Halogenide scharf ab und schlieBt sich vielmehr dem vierwertigen SiF, an, dem es auch in allen anderen Eigenschaften weitgehend gleicht. Wir haben also hier eine der gerade zwischen

l) N. WOOSTER, Z. Kristallogr. 88 (1932), 35.

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der I. und 2. Horizontalreihe des Periodischen Systems hiiufigen Schragbeziehungen vor uns; in bezug auf die Dampfdichte finden wir solche Beziehungen ferner besonders ausgepriigt zwischen den Halogeniden von Beryllium und Aluminium.

Die vierwertigen Halogenide verhalten sich durchaus ver- schieden von den zwei- und dreiwertigen. Wahrend bei den letzteren Doppelmolekiilbildung im Dampf nicht nur bei t ypische n Ober- gangsgliedern, sondern auch bei den an der Grenze zu den Molekiil- aggregaten stehenden auftritt, ist bisher bei keinem einzigen vier- wertigen Halogenid, selbst nicht bei den sicher unvollstandig umhullten ausgesprochenen Obergangsgliedern, wie z. B. TiF,, ZrCI,, ThCl,, eine Polymerisation im Dampf beobachtet w0rden.l) Die Ursache dieser Erscheinung kann sicher nicht rein geometrischer Natur sein. Denn eine Erhohung der KZ. auf 5 oder 6, wie sie zur Doppelmolekul- bildung durch Koordination notwendig ware, sollte aus raumlichen Grunden wenigstens bei den Verbindungen mit grol3em Kation und kleinem Anion durchaus moglich sein ; nach rontgenographischen Untersuchungen ist auch tatsachlich im (NH4)3ZrF,2) das Zr, im (NH,),SiF,3) sogar das kleine Si von 6 F oktaedrisch umgeben. Da13 trotzdem die Dampfe der vierwertigen Halogenide keine E r - hohung der KZ. uber 4 zulassen, kann nur darauf zuruckgefuhrt werden, daB dieser Vorgang aus vorlaufig unbekannten Grunden4) einen vie1 geringeren Energiegewinn mit sich bringen wurde, als er beim Ubergang der KZ. von 3 auf 4 bei der Doppelmolekul- bildung der Al-Halogenide auftritt.

Aus dieser Erscheinung kann man gewisse Ruckschlusse auf die Kr is ta l l - s t ruk tu ren der Stoffe vom Typus der Zr-Halogenide ziehen. Reine Molekiil- gitter kommen bei diesen Stoffen wegen des ausgesprochenen Obergangscharakters nicht in Frage. Ein reines Koordinationsgitter oder ein Schichtengitter vom Charakter des FeC1,-Gitters miiDte bei einem vierwertigen Halogenid die KZZ. 8 (fur das Kation) und 2 (fur das Anion) aufweisen. Da nun aber im Dampf der

1) Im Gi t te r des SnJ,-Typus ist, allerdings nur geometrisch-formal, eine Doppelmolekiilbildung angedeutet ; doch ist dabei die Verkniipfung der beiden Molekiile anders geartet als etwa in Al,Br, und ohne Erhohung der KZ. erreicht.

2) A. E. VAN AREEL u. J. H. DE BOER, Chemische Bindung, Deutsche Aus- gabe von L. u. W. KLENM, Leipzig 1931. S. 183.

3) P. P. EWALD u. C. HERMANN, Strukturbericht. Leipzig 1931. S. 431. 4) Vielleicht spielt die Tatsache eine Rolle, daD man durch Koordination

zweier AB,-Molekule nicht zu einer ebenso hochsymmetrischen Form gelangen kann, wie sie in dem S. 97 gegebenen Schema fur ein Doppelmolekul eines drei- wertigen Halogenids vorliegt. Vgl. auch S. 104.

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Zr-Halogenide nicht einmal die KZ. 4 (fur das Kation) iiberschritten werden kann, ist es sehr unwahrscheinlich, daB diese Verbindungen bei der Kondensation zum Kristall gleich einen Sprung dieser KZ. auf 8 erfahren wiirden. Wenn sie auf 6 anstiege, wiirde ein interessanter neuer Gittertyp auftreten, der, da das sthhio- metrische Verhiiltnis gewahrt bleiben mu& abwechselnd die KZZ. 6 : 1 und 0 : 2 besitmen miiBte; dieses Gitter wiirde wegen des teilweisen Auftretens der KZ. 1 den Molekiilgittern nahe stehen miissen, was mit den tatsiiohlichen Eigenschaften der Zr-Halogenide in Einklang stande.1) Eine zweite Moglichkeit, auf die bereits friiher aus anderen Griinden hingewiesen worden warz), wiire die, daB es sich um Molekiilgitter (KZ. 4 : 1) von besonderer Art handelt.

Die bisher bekannten sechswertigen Halogenide durften sHmt- lich vollstiindig umhullte Molekiilaggregate darstellen ; sie geben dementsprechend auch monomere Diimpfe.3) Zu einer Aussage uber die funfwert igen mangelt es an ausreichenden Unterlagen.

11. Nebengruppen. Die drei- und vierwertigen gesattigten Halogenide der Nebengruppen schlieSen sich hinsichtlich des Auf- tretens von gasformigen Doppelmolekulen denen der Hauptgruppen eng an, wiihrend die ein- und aweiwertigen charakteristische Unter- schiede zeigen, wie wir es fruher ganz entsprechend fur eine Reihe anderer Eigenschaften fanden,) und wie es sich zum Teil auch im chemischen Verhalten iiul3ert (z. B. Cu-1-Verbindungen unahnlich Na-Verbindungen, Ge-kverbindungen sehr iihnlich Si-Verbindungen).

Diese Behauptung wird durch folgende Tatsachen belegt : Von den vierwertigen Halogeniden der Nebengruppen sind keine gas- formigen Doppelmolekiile bekannt und auch das GeF, erweist sich, wie in der folgenden Abhandlung gezeigt wird, analog dem SiF, als monomer. Unter den Trihalogeniden ist nach FRIEDEL und CRAFTS u. a. das Galliumchlorid bei tieferen Temperaturen fast dimer, also dem Aluminiumchlorid Bhnlich , wahrend die Frage beim Indiumchlorid wegen des hoheren Siedepunktes noch nicht sicher entschieden ist. Eine Nachpriifung dieser alteren Messungen ist geplant. Die zweiwertigen Halogenide von Zn, Cd und Hg sind jedoch im Gegensatz zu den Be-Halogeniden, denen sie hinsichtlich des Siedepunktes und des ubergangscharakters, also wohl auch des Umhiillungsgrades iihnlich sind, siimtlich monomer ; unter den einwertigen Halogeniden liefern Cuprochlorid und -bromid sowie Aurochlorid5) im Gegensats zu den

1) Vgl. W. FISCHER, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 328, 329, Anm. 1. 2) W. FISCHER, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 328f. 3) Vgl. W. K L E ~ M u. P. HENKEL, Z. anorg. u. allg. Chem. 207 (1932), 73. *) W.FISCHER, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 348. Vgl. ferner:

5, In geringerem Grade vielleicht auch Silberchlorid; vgl. H. BIETZ u. W. K L E ~ , Z. phys. Chem. (B) 12 (1931), 12.

V. MEYEE, Ber. 22 (1889), 728.

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Alkalihalogeniden dimere Dampfe. Man konnte geneigt sein, diese Unterschiede gegen die Hauptgruppen auf die starkere deformierende Wirkung der Ionen vom Cuprotypus zuriickzufiihren ; doch bliebe dann unverstiindlioh, warum bei den zweiwertigen eine Abschwachung, bei den einwertigen eine Verstiirkung der Tendenz zur Doppel- molekulbildung im Vergleich zu den Hauptgruppen eintritt. Es scheint naherliegend, an eine Beteiligung der gerade bei Cu und Au leicht abtrennbaren weiteren Elektronen an der Bindung zu denken.

111. Ungesii t t igte Halogenide. Bei diesen Verbindungen konnen je nach dem stark wechselnden Charakter des elektropositiven Bestandteils sehr verschiedenartige Verhaltnisse obwalten, so da13 wir uns nur mit wenigen Hinweisen begnugen wollen.

Das Ferrichlorid entspricht mit seinem dimeren Dampf’) wie in den meisten anderen Eigenschaften vollig dem Aluminiumchlorid; als weiterer Verwandter dieser Stoffe ware das ebenfalls dimer verdampfende Aurichlorida) zu nennen. Merkwurdigerweise liefern aber die Halogenide der Reihe: PCl,, AsCl,, SbCI,, BiCI, samtlich monomere D&mpfe3); es ist wahrscheinlich, daB bei diesen Stoffen mit nicht edelgasahnlichem Kation die Bindung: Metall-Halogen schon starker von einer durch rein elektrostatische Krafte bedingten Ionenbindung abweicht4); damit wird die fehlende Tendenz zur Bildung koordinativer Doppelmolekule verstandlich, denn diese Koordination ist ja an das Vorhandensein elektro- statischer Krafte gebunden. Vielleicht ist ebenfalls das oben besprochene Fehlen von Doppelmolekiilen im Dampf siimtlicher vierwertiger Halogenide darauf zuruck- zufiihren, daB bei diesen auch keine ganz reinen Ionenbindungen mehr ~orliegen.~) In Verbindungen wie S2C1, schliel3lich liegt wahrscheinlich der vollige Gegensatz zur Ionenbindung vor ; hier ist wohl sicher die Verdoppelung der MolekulargroDe durch eine Atombindung zwischen zwei S-Atomen hervorgerufen, so daB die Doppelmolekiilbildung bei diesem Stoff in keiner Weise mit den oben besprochenen Fallen zu vergleichen ist.

Zusammenfassung

1. Eingangs wurde unter der Annahme, dal3 die Polymerisation der Halogeniddampfe in einer koordinativen Vewahnung besteht, eine Regel aufgestellt, wonach Halogenide, die im Einzelmolekul bereits im Kossm’schen Sinne vol ls tandig umhiillt sind, n u r mono mere Dampfe liefern sollen ; diese Regel ist durchweg im Einklang mit dem experimentellen Material.

1) E. STIRNEMANN, Neues Jahrb., Min. Beilagebd. (A) 53 (1925), 347. 2) W. FISCHER, Z. anorg. u. allg. Chem. 184 (1929), 333. 3) ABEGG’S Handbuch, Band 111, 3. Abteilung. 4) Vgl. W. KLEMM, Z. phys. Chem. (B) 12 (1931), 31. 5 , Vgl. L. PAULING, Journ. Amer. chem. SOC. 54 (1932), 1000.

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2. Bei den unvol ls tandig umhul l ten Halogeniden erweisen sich die Wert igkei t und die E l e k t r o n e n s t r u k t u r des Kations bestimmend fur die MolekulargroBe des Dampfes.

a) Von den im Einzelmolekul unvollstiindig umhullten Halo- geniden mit Kat ionen vom Edelgas typ sind nur die zwei- und dreiwertigen ubergangsglieder im Dampf in polymerisierter Form bekannt. Monomer verdampfen hingegen die einwertigen Alkali- halogenide - wohl vornehmlich wegen ihres bohen Siedepunktes - sowie samt l i c he vierwertigen Halogenide (nebst BF,) einschlieljlich der ubergangsglieder, t r o t z unvollkommener Umhullung und teil- weise niedriger Siedepunkte bei den letzteren.

b) Die drei- und vierwertigen Halogenide der Nebengruppen schlieljen sich denen der Hauptgruppen eng an, wahrend bei den eiii- und zweiwertigen betrtlchtliche Unterschiede bestehen; dabei ist die grol3e Stabilitat der Doppelmolekule Cu,Cl, und Au,C12 besonders auf f allig.

Hamaover, Technische Hochschule, Institut fiir anorganische Chemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 29. April 1933.