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Uber Trischwefel-distickstoff lpentoxyd Von MARGOT GOEHRING, HEINZ HOHENSCHUTZ und JORANNES EBERT Mit 1 Abbildung Inhaltsubersicht Durch Umsetzen von S,N, mit Schwefeltrioxyd und durch Oxydation von S,N,O, mit SO, wurde Trischwefel-disticktoff-pentoxyd, S,N,05, erhalten. Die neue Verbindung ist farblos, gut kristallisiert und leicht sublimierbar. Sie lost sich in einigen organischen Liisungsmitteln. Mit Wasser findet heftige Reaktion statt. Zur Ermittlung der Kon- stitution von S,N,05 wurden Hydrolysenversuche durchgefiihrt, die Umsetzung mit Pyridin zu Pyridin-SO, wurde studiert und die Bildungsreaktion wurde durch Verwendung von mit BS gekennzeichnetem SO, naher untersucht. Im S,N,05 liegen zwei Schwefel- atome der Oxydationszahl +6 neben einem Schwefelatom der Oxydationszahl +4 vor. Sehr wahrscheinlich ist S,N,05 ein ringformig gebautes Derivat der Dischwefelsaure. In dem Bestreben, Verbindungen zu synthetisieren, die neben Schwefel nur Stickstoff und Sauerstoff enthalten, versuchten wiry in der Hoffnung, so vielleicht zu Nitrilen von Schwefelsauerstoffsauren zu ge- langen, Schwefelnitrid, S,N4, rnit Schwefeltrioxyd zu oxydieren. S,N4 setzt sich bei vorsichtiger Behandlung rnit Schwefeltrioxyd zu einer Ver- bindung S4N, . 2 SO, um, rnit mehr Schwefeltrioxyd entsteht S,N4 - 4 S0,l); aus diesen Verbindungen ist beim Erwarmen auf mehr als 50" tatsachlich ein Oxydationsprodukt des Schwefelnitrids zu erhalten. In besserer Ausbeute findet man dieses Produkt, wenn man auf S4N4 iiber- schussiges Schwefeltrioxyd aufdestilliert. Es setzt d a m schon bei Zimmertemperatur eine exotherme Reaktion ein, bei der Schwefeldioxyd frei wird. Nachdem man das uberschiissige Schwefeltrioxyd abgedampft hat, kann man aus dem Reaktionsgemisch bei 70" bis 80" und 1 Torr eine schon kristallisierende, fast farblose Substanz heraussublimieren. Analyse und Molekulargewichtsbestimmung ergaben, da13 es sich hierbei um Trischwefel-distickstoff-pentoxyd, S,N,O,, handelt. Wir konnten S,N,05 in etwa 1 mm grooen, stark lichtbrechenden Kristallen erhalten, die ein sehr linienreiches DEBYE-SCHERRER-Dia- 1) H. HORENSCHIJTZ, Dissertation, Heidelberg 1953.

Über Trischwefel-distickstoff-pentoxyd

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Uber Trischwefel-distickstoff lpentoxyd

Von MARGOT GOEHRING, HEINZ HOHENSCHUTZ und JORANNES EBERT

Mit 1 Abbildung

Inhaltsubersicht Durch Umsetzen von S,N, mit Schwefeltrioxyd und durch Oxydation von S,N,O,

mit SO, wurde Trischwefel-disticktoff-pentoxyd, S,N,05, erhalten. Die neue Verbindung ist farblos, gut kristallisiert und leicht sublimierbar. Sie lost sich in einigen organischen Liisungsmitteln. Mit Wasser findet heftige Reaktion statt. Zur Ermittlung der Kon- stitution von S,N,05 wurden Hydrolysenversuche durchgefiihrt, die Umsetzung mit Pyridin zu Pyridin-SO, wurde studiert und die Bildungsreaktion wurde durch Verwendung von mit B S gekennzeichnetem SO, naher untersucht. Im S,N,05 liegen zwei Schwefel- atome der Oxydationszahl +6 neben einem Schwefelatom der Oxydationszahl +4 vor. Sehr wahrscheinlich ist S,N,05 ein ringformig gebautes Derivat der Dischwefelsaure.

In dem Bestreben, Verbindungen zu synthetisieren, die neben Schwefel nur Stickstoff und Sauerstoff enthalten, versuchten wiry in der Hoffnung, so vielleicht zu Nitrilen von Schwefelsauerstoffsauren zu ge- langen, Schwefelnitrid, S,N4, rnit Schwefeltrioxyd zu oxydieren. S,N4 setzt sich bei vorsichtiger Behandlung rnit Schwefeltrioxyd zu einer Ver- bindung S4N, . 2 SO, um, rnit mehr Schwefeltrioxyd entsteht S,N4 - 4 S0, l ) ; aus diesen Verbindungen ist beim Erwarmen auf mehr als 50" tatsachlich ein Oxydationsprodukt des Schwefelnitrids zu erhalten. In besserer Ausbeute findet man dieses Produkt, wenn man auf S4N4 iiber- schussiges Schwefeltrioxyd aufdestilliert. Es setzt d a m schon bei Zimmertemperatur eine exotherme Reaktion ein, bei der Schwefeldioxyd frei wird. Nachdem man das uberschiissige Schwefeltrioxyd abgedampft hat, kann man aus dem Reaktionsgemisch bei 70" bis 80" und 1 Torr eine schon kristallisierende, fast farblose Substanz heraussublimieren. Analyse und Molekulargewichtsbestimmung ergaben, da13 es sich hierbei um Trischwefel-distickstoff-pentoxyd, S,N,O,, handelt.

Wir konnten S,N,05 in etwa 1 mm grooen, stark lichtbrechenden Kristallen erhalten, die ein sehr linienreiches DEBYE-SCHERRER-Dia-

1) H. HORENSCHIJTZ, Dissertation, Heidelberg 1953.

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gramm zeigten. S,N,O, ist trocken aufbewahrt vollig bestandig. Die Verbindung ist unloslich in Heptan; sie ist ohne Zersetzung loslich in Nitrobenzol; mit Benzol, Toluol und Xylol entstehen gelb bis rot gefarbte Losungen, wahrend mit Ather, Alkoholen, Nitromethaa und Formamid eine noch nicht naher untersuchte Reaktion eintritt. Mit Spuren von Luftfeuchtigkeit reagiert S,N,O, sehr lebhaft ; die Kris talle zerfliel3en an der Luft, und es tritt Geruch nach Schwefeldioxyd auf. Mit Wasser reagiert die Verbindung unter Zischen und Entwicklung von Schwefel- dioxyd und Schwefelsaurenebeln heftig. Die Losung reitgiert stark sauer. Mit Alkalilauge liefert die Verbindung Ammoniak neben Schwefelsauer- stoffsauren bzw. deren Amiden, aber kein Nitrit oder Nitrat.

Angewandt Gef unden ______ ___

Fur eine Substanz der Formel S,N,O, mit zwei S-Atomen der Oxyda- tionszahl + 6 und einem S-Atom der Oxydationszahl -+ 4 sind die Kon-

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gramm zeigten. S,N,O, ist trocken aufbewahrt vollig bestandig. Die Verbindung ist unloslich in Heptan; sie ist ohne Zersetzung loslich in Nitrobenzol; mit Benzol, Toluol und Xylol entstehen gelb bis rot gefarbte Losungen, wahrend mit Ather, Alkoholen, Nitromethaa und Formamid eine noch nicht naher untersuchte Reaktion eintritt. Mit Spuren von Luftfeuchtigkeit reagiert S,N,O, sehr lebhaft ; die Kris talle zerfliel3en an der Luft, und es tritt Geruch nach Schwefeldioxyd auf. Mit Wasser reagiert die Verbindung unter Zischen und Entwicklung von Schwefel- dioxyd und Schwefelsaurenebeln heftig. Die Losung reitgiert stark sauer. Mit Alkalilauge liefert die Verbindung Ammoniak neben Schwefelsauer- stoffsauren bzw. deren Amiden, aber kein Nitrit oder Nitrat.

Die Hydrolyse von S8N,05 Zur Aufklarung der Konstitution von Trischwefel-distickstoff-pent -

oxyd ermittelten wir zunachst die Oxydationszahl des Schwefels in der Verbindung. Dazu hydrolysierten wir S,N,O, durch uberleiten von feuchtem Kohlendioxyd. Das hierbei entstehende Schwefeldioxyd wurde in Jodlosung eingeleitet und bestimmt. Es zeigte sich, da13 bei der Hydro- lyse l j g des in der Molekel vorhandenen Schwefels als Schwefeldioxyd frei wird. In dem nicht fluchtigen Ruckstand konnten wir Sulfat, Amido- sulfonsaure und Sulfamid nachweisen. 21, des vorhandenen Schwefels gehen bei der Hydrolyse in diese Derivate des Schwefels der Oxydations- zahl + 6 uber. Diese Hydrolysenversuche, von denen einige in Tab. I zusammengestellt sind, zeigen, daB in der S,N,O,-Molekel ein Schwefel- atom die Oxydationszahl + 4 hat und zwei Schwefelatome die Oxyda- tionszahl + 6 besitzen.

Tabelle 1 Die Hydrolyse von S,N,O,

Fur eine Substanz der Formel S,N,O, mit zwei S-Atomen der Oxyda- tionszahl + 6 und einem S-Atom der Oxydationszahl -+ 4 sind die Kon-

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stitutionsformeln I bis IV denkbar :

0 0 0

I I1 111 IV

Um zwischen diesen Formeln zu entscheiden, haben wir die Produkte der Hydrolyse sehr grundlich auf Dithionsaure hin untersucht ; denn I1 ware ja ein Derivat von H,S,O, und sollte vielleicht bei der Hydrolyse S,Oy liefern. Obgleich wir unter verschiedenen Bedingungen arbeiteten, bei denen S,Oy hatte bestandig sein mussen,), fanden wir unter den Hydrolysenprodukten niemals Dithionat-Ion. Auch nach vorheriger Um- setzung mit gasformigem oder flussigem Ammoniakl) konnte S,O," unter den Hydrolysenprodukten nicht nachgewiesen werden 3). Formel I1 scheidet somit aus.

Die Umsetzung von SsNzOs rnit Pyridin Einen weiteren Einblick in die Konstitution des S3N,0, schien uns

die Umsetzung rnit Pyridin bieten zu konnen. S,N,O, reagiert schon rnit Pyridin-Dampf bei Zimmertemperatur sehr lebhaft.

Wir brachten eine gewogene Menge von Trischwefel-distickstoff-pentoxyd und ein Ge- fZS mit Pyridin in eine geschlosseue Apparatur, die evakuiert und dann hei Zimmer- temperatur sich selbst uberlassen wurde. Die Substanz zog Pyridin an und verflussigte sich innerhalb einiger Stunden. Nach dem Abdampfen des uberschussigen Pyridins im Vakuurn blieb eine feste weiSe Masse zuruck; die Gewichtsaufnahrne zeigte, daS pro Mol S,N,O, zwei Mole Pyridin aufgenommen worden waren.

Als wir das Reaktionsprodukt mit Wasser von 0" behandelten, blieb eine Substanz zuruck, die sich durch ihr DEBYE-SCHERRER-Diagramm als Pyridin-N-sulfonsaure-betain erwies. Dieser Stoff entsteht bekannt- lich sonst leicht aus Schwefeltrioxyd und Pyridin nach ( 1 ) 4 ) :

,) Vgl. H. STAMM u. M. GOEHRINQ, Z. physik. Chem., Abt. A 183, 89 (1939). 3, Zu dem Nachweisverfahren vgl. E. M. CHAYOT u. R. W. BRICKENKAMP, Mikro-

4, P. BAUMQARTEN, Ber. dtsch. chem. Ges. 69,1166 (1926); Chemie 66,115 (1942). chemie 16, 121 (1935).

Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 276. 4

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Zur quantitativen Bestimmung von C,H,N - SO, wurde die wafirige Losung des gesamten Reaktionsproduktes in Glutacon-dialdehyd-diani- liniumchlorid ubergefuhrt. Aus 0,63 mmol S,N,O, elmhielten wir so 0,44mmol des Anils. Da man unter unseren Bedingungen, wie Blind- versuche zeigten, immer nur etwa 70% der Theorie an dem Anil erhielt, spricht dieser Versuch dafur, da13 aus einem Mol S,N,O, e in Mol C,H,N . SO, herstellbar ist. Das Entstehen von Pyridin-SO, setzt die Anwesenheit einer SO,-Gruppe in der Trischwefel-distickstoff-pentoxiyd-Molekel vor- aus. Unser Versuchsergebnis lafit sich demnach nur mit, den Formeln I und I11 fur S,N,O, vereinbaren; neben Formel I1 scheidet somit auch IV aus.

Reaktionen mit radioaktivem Schwefel Die Tatsache, da13 bei der Hydrolyse von Trischwefel-distickstoff-

pentoxyd Sulfamid, O,S(NH,),, entsteht, schien uns zunachst fiir die Konstitutionsformel I11 zu sprechen ; denn nur hier ist sechswertiger Schwefel an zwei Stickstoffatome gebunden, und zwanglos konnte d ie Hydrolyse, falls diese Bindungen dabei erhalten bleiben, zu Sulfamid fuhren. Aber Formel I lafit sich durch eine solche Beobachtung nattirlich nicht ausschliefien. Um eine Entscheidung zwischen den Formeln I und I11 zu treffen, haben wir daher versucht, in die S,N,O,-hiolekel radioak- tiven Schwefel einzubauen ; das Verhalten der Schwefelatome von ver- schiedener Oxydationszahl mufile dann bei der Hydrolyse besser zu er - kennen sein. Wir stellten Schwefeltrioxyd her, das eine gut nachweisbare, unwagbare Menge 3 6 s enthielt. Dieses Schwefeltrioxyd wurde mit S,N, umgesetzt. Es zeigte sich, dafi im entstehenden S,N,O, zwei der Schwefel- atome von dem markierten SO, herruhren mufiten; dlenn es war im Schwefel des S,N,O, 66,7 % der Aktivitat des Schwefeltrioxyd-Schwefels enthalten. Bei der anschliefienden Hydrolyse, bei der der vierwertige Schwefel quantitativ in SO, ubergeftihrt wurde, zeigte sich, dafi nur im sechswertigen Schwefel des S,N,O, Alrtivittit vorhandeni war ; das ent- stehende Schwefeldioxyd war vollig inaktiv. Der vierwertige Schwefel des S,N,O, muflte also aus dem inaktiven Schwefelnitrid stammen. Dieses Ergebnis lafit sich folgendermaflen deuten :

Aus Schwefelnitrid, das die Formel V besitzts), entsteht das SO,- Addukt VI. Aus dieser Substanz kann der zweiwertige Schwefel durch SO, herausoxydiert werden, wie das schematisch V I I zeigt. So kann die Verbindung der Formel I a oder I I I a entstehen, die eirt Schwefelatom der Oxydationszahl + 4 und zwei Schwefelatome der Oxydationszahl

5 , CHIA-SI LU u. J. DONOHUE, J. Amer. chem. SOC. 66, 818 (1944); M. GOEHRING, Chem. Ber. 80, 110 (1947); D. CLARK, J. chem. SOC. [London] 1962, 1615.

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+ 6 enthalt. Wenn I I I a entsteht, mu13 man allerdings eine Wanderung von Sauerstoff, also eine intramolekulare Oxydation des urspriinglichen vierwertigen Schwefelnitrid-Schwefels, annehmen. Bei der Hydrolyse sollte IIIa Sulfamid, Schwefelsaure und Schwefeldioxyd liefern ; das entstehende Schwefeldioxyd sollte radioaktiven Schwefel enthalten. Dn

- V VI

0 0

NH, SO, so2

HN NH,

O,S* *SO,H

H3N

H,O,S* * A 0, I 1 I HO/

l I \.o/’ o s* *S=O

IX

stets iiur inaktives SO, bei der Hydrolyse gefunden vvurde, ist dieser Reaktionsweg und damit die Konstitutionsformel I I I a auszuschliehn. Die Verbindung der Formel Ia hydrolysiert dagegen immer zu inaktivem Schwefeldioxyd und au13erdem entweder nach VIII zu Ammoniak. Schwefelsaure und Amidosulfonsaure oder nach I X zu Amidosulfonsiiurc und Sulfimid. Die Hydrolyse nach VIII mag uber das von H A Y E K ~ ) entdeckte Pyrosulfurylamid verlaufen, das in der nngedeuteteii Weise

6, E. HAYEK, A. ENGELBRECHT u. F. WAGNER, Mh. Chem. 83, 939 (1952). 4*

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mit Wasser weiter zu reagieren vermag. Das nach I X gebildete Sulfimid kann bei der Hydrolyse in saurem Medium nach (2) Sul.famid, Amido- sulfonsaure und Schwefelsaure liefern :

6 HNSOa + 3 H,O + 3 NH, 4 4 H2N - SO, * NH, + HZN SO,H + H,S04. (2)

F o r m e l I a e r l a u b t a l so c i n e v o l l s t a n d i g e D e u t u n g d e r e x p e r i - men te l l en E r g e b n i s s e , \vie wir sie fur die Hydrolyse von S,N,O, gefunden hatten.

Die Oxydation von S3Np02 zu S3N,06 In einer fruheren Arbeit war gezeigt worden’), da13 man von S,N,

ausgehend leicht zu Trischwefel-disticksoff-dioxyd, S,N,O,, gelangen kann. Fur diese Verbindung hatten wir Formel X oder X I vorgeschlagen. Wir versuchten, S,N,O, in S,N,O, uberzufuhren. Dazu oxydierten wir S,N,O, mit Schwefeltrioxyd. Kondensiert man SO, auf festes Trischwe- fel-distickstoff-dioxyd auf, so findet eine nicht merklich exotherme Reak- tion statt, bei der Schwefcldioxgd entwickelt wird. Aus diem Reaktiuns- gemisch lafit sich mit 82proz. Ausbeute S,N,O, heraussublimieren. Als wir zur Reaktion mit 3 5 s markiertes SO, verwendeten, sahen mir, daI3 die Umsetzung na.ch (3) verlauft:

S,N20, + 3 *SO, + S,N20s + 3 *SO,. (3)

Schwefeltrioxyd wirkt also bei der Umsetzung (3) tatsrichlich nur als Oxydationsmittel ; der Schwefel der SO,-Molekeln wirdl nicht in das S,N,O, eingebaut. Interessanterweise wird bei Reaktion (3) nur ein Teil des im S,N,O, vorhandenen Schwefels zu Schwefel der Oxydations- zahl + 6 aufoxydiert. Beim ubergang von XI zu I bleibt der zweibindige Schwefel der Oxydationszahl t 4 der S,N,O,-Molekeln erhalten. Dieses Schwefelatom befindet sich nun , wie man besonders durcln Vergleich der Formeln XI b und X I c mit X I I a und XI1 b sieht, im gleiohen Bindungs- zustand wie der Schwefel irn Schwefeldioxyd. SO, wird aber nach den Untersuchungen von HUSTON s, durch Schwefeltrioxyd nicht oxydiert.

- - - X XI& Xlb XIC I

M. GOEHRING u. J. HEINKE, 2. anorg. allg. Chem. 272, 297 (19153). 8 ) J. L. HUSTON, J. Amer. chem. SOC. 78, 3049 (1951).

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&I. GOEHRINU, H. HOHENSCHUTZ u. J. EBERT, Trischwefel-distickstoff-pentoxyd 53

Das analoge Verhalten des einen Schwefelatoms der Oxydationszahl +4 im S,N,O, war also fur diesen zweibindigen Schwefel zu erwarten und stellt einen Hinweis auf die Richtigkeit von Formel XI dar.

Auch aus diesen distickstoff -pen toxyd

XIIa XIIb

Versuchen ergibt sich wieder, da13 fur Trischwefel- die Formel I vorzuschlagen ist.

Experimentellea Hers te l lung v o n S,N,O,. Zur Herstellung von S,N,05 benutzten wir ein Rohr

von etwa 200 ml Inhalt, in das durch einen Schliffstopfen ein Sublimationsfinger einge- fiihrt war. Der Sublimationsfinger fiillte etwa 4/5 der Hohe des Rohres aua. Das Reaktions- rohr war durcb einen Hahn mit einem Kolben verbunden, der mit 66proz. Oleum gefiillt war. Das Robr war weiter durch angesetzte Hahne mit einer Vakuumleitung verbunden und mit einem mit Schwefelsaure gefiilltem uberdruckventil. Alle Hahne waren niit Sili- konfett geschmiert.

Wir fiillten 5 g S4N4 in das Reaktionsrohr. Die Apparatur wurde dann auf 15 Torr evakuiert, und der mit Oleum gefiillte Kolben wurde erwarmt, bis Schwefeltrioxyd heraus- zudestillieren begann. An dem rnit Wasser gekiihlten Sublimationsfinger kondensierte sich das Schwefeltrioxyd; es troplte von dort aus fliiesig auf das Schwefelnitrid. Bei Zugabe des Schwefeltrioxyds farbte sich das Schwefelnitrid schwarzbraun, und es ent- stand Schwefeldioxyd. Sobald die Reaktion in Gang gekommen war, wurde das Reaktions- rohr mit Eiswasser gekiihlt. Wir kondensierten etwa 2 Stunden lang SO, in das Reaktions- rohr hinein, bis die Substanz wieder gelb geworden und von fliissigem Schwefeltrioxyd bedeckt war. Durch das entwickelte SO, entstand dabei in der Apparatur ein uberdruck; das Schwefeldioxyd mudte daher gelegentlich durch das Druckventil abgelassen werden. Wir entfernten anschliedend die Kiihlung und iiberlieden das Reaktionsgemiscb bei Zimmertemperatur 6 Stunden lang sich selbst. Nach dieser Zeit wurde das iiberschiissige SO, bei 20 Torr und 30" in den Obnmkolben zuriickdestilliert. Wir erreichten dies dadurcb, daf3 wir die Apparatur evakuierten und deo Oleumkolben auf 0" kiihlten, wahrend wir Reaktionsrohr und Sublimationsfinger auf 30" erwiirmten. AnschlieSend erhitzten wir den Reaktionsraum kurz auf 60". Dabei destillierten die letzten Reste an SO, heraus, die Substanz verfarbte sich nach Braunviolett, und am Sublimationsfinger traten die ersten Kristalle von S,N,05 anf. Nun wurde der Zugang zum Oleumkolben verschlossen, die Apparatur auf 1 Torr evakuiert und das Reaktionsrohr auf 70-80" erwarmt. Unter diesen Bedingungen sublimierte die Hauptmenge des S,N,O, an den auf 20-30" gekiihlten Sublimationsfinger. Die Ausbeute an Trischwefel-distickstoffpentoxyd betrug etwas mehr als 5 g, d. h. etwa 50% der Theorie.

Die Analyse ergab: 46,5; 47,2; 46,9% S; 13,6; 13,7; 13,750/, N. Fur S,N,05 be- rechnet sich: 47,10% S und 13,72% N.

Zur Analyse, oxydierten wir die Substanz in einem geschlossenen GefaS mit rau- chender Salpetersaure und Brom. Nach dem Verdampfen des Broms und der Salpeter- saure wurde der Schwefel als BaSO, bestimmt. Zur Stickstoffbestimmung wurde die Substanz teils nach DUMAS verbrannt, teile 4 Stunden lang rnit 50proz. Schwefelsaure

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aufgeschlossen und anschlieaend mit Natronlage behandelt. wobei der Stickstoff in Form von NH, frei wurde. Nach den Methoden der Mikro-Elementaxanalyse konnte in der Verbindung kein Wasserstoff gefunden werden.

Die Molekulargewichtsbes t immung nahmen wir kryoskopisch mit Nitro- benzol als Losungsmittel vor. Wir fanden M = 208; 207. Dieser Wert veranderte sich nicht, wenn man die Losungen 24 Stunden sich selbst uberliell. Selbstverstandlich muBte bei der Bestimmung Feuchtigkeit sorgfaltig ausgeschlossen werden. Fiir S,N,05 berechnet sich M = 204,2.

Umsetzungen m i t r a d i o a k t i v e m Schwefel. Wir gingen bei unseren Ver- suchen von Schwefel aus, der in 21 g 2 m Curie 35S enthielt. Diesen Schwefel losten wir in Schwefelkohlenstoff, und dieser Losung setzten wir so vie1 inaktiven Schwefel zu, daB der urspriingliche Schwefel auf das 6fache verdunnt war. Nach dem Verdampfen des Schwefelkohlenstoffs blieb der Schwefel mit giinstiger Aktivitat zuriick.

Wir verbrannten 1 g Schwefel im Sauerstoffstrom und fingen das gebildete SO, zusarnmen mit dem iiberschussigen Sauerstoff in einer Falle auf, die rnit flussigem Stick- stoff gekiihlt war. An diese Falle schlossen wir ein rnit Platinasbest gefulltes, auf 400" er- hitztes Quarzrohr an. Durch einen langsamen Strom von Sauerstoff trieben wir das Schwefeldioxyd durch dieses Reaktionsrohr. Das entstehende SO, wurde in einer auf -80" gekiihlten Falle ausgefroren. Diese mit SO, gefiillte Falle konnte direkt an das Reaktionsrohr zur Darstellung von S3N,0, angesetzt werden. Wir gingen dann nur von 500 mg S,N, aus, der Oleumkolben wurde durch die SO,-Falle ersetzt und die Dimensionen der Gesamtapparatur wurden den kleineren Mengen angepaat. Im iibrigen aber verfuhren wir zur Darstellung von S,N,05 so, wie das oben beschrieben ist.

Zur Messung der Aktivitat fuhrten wir Ausgangsstoffe und Reilktionsprodiikte je- weils in Bariumsulfat uber. Wir zahlten die Teilchen bei Verwendung einer unendlich dicken Schicht an Bariumsulfnt.

D i e HydroIyse von S,N,O,. Wir hydrolysierten die Substanz durch langsames uberleiten von feuchtem Kohlendioxyd. Zur Bestimmung der Menge des entstandenen Schwefeldioxyds leiteten wir das Gas in mit Jodlosung gefiillte Volhard-Vorlagen. Das reduzierte Jod wurde bestimmt..

Die hydrolysierte und vom Schwefeldioxyd befreite Substanz nahmen wir mit Wasser auf. Die sauer reagierende Losung wurde mit Ammoniakwasser neutralisiert und dann bei Zimmertemperatur in Vakuum eingedampft. In einem Teil des trockenen Ruckstandes bestimmten wir dae vorhandene Sulfat nach der Method'e von BAUMQARTEN und KRuMMACHERg) als BaSO,. Einen anderen Teil des Riickstandes digerierten wir mehrnials mit trockenem Aceton. Die Losungen wurden einged.ampft; der Ruck- stand wurde analysiert - er erwies sich auch dem DEBYE-SCHERRER-Diagramm nach als Sulfamid. Der Riickstand voin Acetonauszug wurde in wenig Wasser gelost. Diese Losung versetzten wir unter Kuhlung mit soviel konz. Schwefelsaure, daB die Losung 50proz. an Schwefelsaure war. Aus dieser Losung fie1 beim Kiihlen auf etwa 0" Amidosulfonsaure aus. die durch ihr DEBYE-SCHERRER-Diagramin identifiziert wurde.

Zur quantitat,iven Bestimmung von Sulfat, Sulfamid und Amidosulfonat nebenein- ander benutzten wir folgendes Verfahren : Die hydrolysierte Substanz wurde in Wasser gelost und weitgehend neutralisiert. Dann wurde aus der kalten Losdng das Sulfat als BaSO, gefallt. Das Filtrat versetzten wir mit 5 ml 2 n Salzsaure und titrierten mit 0,l ni

9) P. BAUMQARTEN u. A. H. KRUYMACHER, Ber. dtsch. chem. Gles. 67, 1257 (1934).

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Katriumnitritlosung lo) bei Zimmertemperatur unter Verwendung von Kaliumjodid als iuJ3eren Indikator. In der austitrierten Losung fallten wir wiederum das entstandene Sulfat in der Kalte als BaS04. Sowohl aus dem Nitritverbrauch wie auch aus dem zweiten Sulfatwert ergibt sich der Gehalt der Losung an Amidosulfonsaure. Zur Bestimmung des Sulfamids wurde iiberschiissiges Nitrit zugesetzt und zum Sieden erhitzt. Das nunmehr aus dem Sulfamid gebildete Sulfat konnte als BaSO, in der Hitze gefallt werden. Durch Blindversuche uberzeugten wir uns von der Brauchbarkeit des Analysenverfahrens.

D a s DEBYE-SCHERRER-Diagramm von S,N20,. Die unter Feuchtigkeitsaus- schlul gepulverte Substanz wurde in Markrohrchen von 0,5 mm Durchmesser mit Cu- Ka-Strahlung 5 Stunden bei 35 kV und 30 mA belichtet,.

0 Abb. 1. DEBYE- SCHERRER-Di a g r a m m von S3Nz05

Versuche zur H y d r o l y s e von Sulf imidl l ) . Bei der Hydrolyse von S,N205 sollte nach dem durch Formel IX gekennzeichnetem Reaktionsweg Sulfimid entstehen, das sich dann in dem sauren Medium weiter zu dem tatsachlich gefundenen Sulfamid und zu Amidosulfonsaure und Schwefelsaure urnsetzen miiBte. Wir versuchten zu priifen, ob eine derartige Reaktion moglich ist.

Wir erhitzten Sulfamid, OzS(NH2),, in einem geschlossenen GefaB auf 180". Es trat eiue exotherme Reaktion ein, die bewirkte, daB die Temperatur im ReaktionsgefaB ohne weitere Erwarmung von aulen auf 210" stieg. Wir beobachteten, daB bei dieser Umsetzung etwa 1% des eingesetzten Stickstoffs in Form von Ammoniak frei wurden und da5 sich die Masse bei der Reaktion dunkel farbte. In einem geringen Ausmal findet also eine Zersetzung des Sulfamids statt. Wir hielten die zuerst leichtfliissige, spater zahfliissige Schmelze 2-3 Stunden auf einer Temperatur von 180" und erhielten so als Reaktions- produkt eine harte, glasige Substanz. Das Reaktionsprodukt wurde abgekiihlt, in Wasser gelost und mit Tierkohle geschiittelt, um eine geringe Menge von schwarzem Neben- produkt zu entfernen. Das Wasser wurde dann bei 30' im Vakuum verdampft. Den Riickstand trocheten wir bei 68" uber P4Ol0 im Vakuum. Die nunmehr farblose, glasig aussehende Substanz, die stark hygroskopisch war, loste sich im Gegensstz zu Sulfamid nicht mehr in organischen Losungsmitteln. Bei der Titration mit Nitrit und Kaliumjodid 31s auleren Indikator konnten 14,5% N als Amido-Stickstoff erfalt werden, wahrend Sulfamid bei der Titration in der Hitze die doppelte Menge an Amidostickstoff erkennen lieB. Beim Erhitzen mit Natronlauge entwichen aus dem Reaktionsprodukt 14,40,!, N als NH,. Die Analyse des Reaktionsproduktes ergab im ubrigen: 29,O; 28,8% N und 32,s; 33,1% S. Analyse und Verhalten der Substanz spricht dafiir, d a l eine Reaktion (3) stattgefunden hat:

OzS(NHA2 -+ INHd"SO2I. :3)

lo) M. GOEHRINO u. J. SCHLAICH, Z. analyt. Chem. 129, 319 (1949); vgl. a. M.

11) Bearbeitet von G; Roos, Dissertation, Heidelberg 1953. GOEHRINO, J. HEINKE, H. MALZ u. G. Roos, Z. anorg. allg. Chem. 273, 205 (1953).

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56 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 276. 1954

Sulfamid hat sich also umgelagert zu einem - vielleicht polymeren - Ammoniumsalz des Sulfimids. Aus der waBrigen Losung dieses Ammoniumsalzes fie1 in neutralem oder auch in saurem Medium bei Zusatz von Silberion ein Silbersalz, das iiich nach dem Um- kristallisieren aus Wasser und Trocknen als identisch mit dem schon fruher von HANTZSCR und HOLLIS) hergestellten Silbersalz des Trisulfimids, AgJNSO,],, erwies. Auch die Bildung dieses Silbersalzes deutet darauf hin, daB primar in der Losung Ammonium- sulfimid vorhanden war *).

Zum Stadium der H y d r o l y s e versetzten wir die wal3rige Losung von 14,O g Am- moniumsulfimid mit 75 ml 2 n Salzsaure und dampften diese Losung bei 30" im Vakuum zur Troclrne ein. Der entstandene Kristallbrei wurde bei 68" im Vakuum uber P,O, getrocknet. Bei mehrfachem Extrahieren mit kaltem Aceton lieBen sich 10,6 g einer weiden Substanz ausziehen, die sich durch Schmelzpunkt und Analyse als Snlfamid erwies. Der Ruckstand wurde ebenfalls aqalysiert. Wir bestimmten den Gehalt an Chlorionen, und damit den Gehalt des Ruckstandes an Ammoniumchlorid. Der Ruckstand, der 8,32 g betrug, enthielt 3,27 g N H P . Im Ruckstand waren enthalten 17,4% S; aber nur 7,1';, S waren in der Kalte als BaSO, fillbar. Bei einem Gehalt yon 20,396 N im Ruckstand waren nur 14,9y0 N mit Natronlauge ohne besonderen AufschluB als NH3 abdestillierbar. Aus diesen Werten lie13 sich berechnen, daI3 aus einem Mol Ammoniurnsulfimid 0,76 Mole Sulfamid, 0,15 Mole Ammoniumhydrogensulfat und 0,20 Mole Amidociulfonsaure gebildet wurden. Damit ist aber die G1. (2) fur die Hydrolyse des Sulfimids in saurem Medium so- weit wahrscheinlich gemacht, wie das rnit derartigen indirekten Analysenverfahren uberhaupt moglich ist.

Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft fur die U.nterstutzung dieser Arbeit durch eine Sachbeihilfe.

12) A. HANTZSCH u. A. HOLL, Ber. dtsch. chem. Ges. 34,3430 (1901). *) Anmerkung bei der Korrektur: Durch die jetzt veroffentlichten Versuchs-

ergebnisse von G. HEINZE u. A. MEUWSEN, Z. anorg. allg. Chern. 276, 49 (1954) wird die Richtigkeit unserer Vermutung bewiesen.

Heidelberg, Chemisches Institut der Universitat, Abteilung fur *4nor- ganische und analytische Chemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 14. Dezember 1953.