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ubersichtsreferat iiber die Stoffwechselstiirungen beim Schwein vom Standpunkt des Klinikers aus W. SCHULZE Die Stoffwechselkrankheiten konnen nur so betrachtet werden, wie der lebende Korper in standiger Wechselwirkung mit seiner Umwelt steht, wozu auch d e r Vorgang gehort, dai3 stoffliche Bestandteile, die den Tieren auf oralem oder auch parenteralem Wege zugefuhrt worden sind, von den Tieren aufgenommen, verarbeitet, umgewandelt und zur Unterhaltung der Lebens- vorgange verwendet werden. Die Ausscheidungen sind naturlich auch Stoff- wechselprodukte. Voraussetzung ist, dai3 das betreffende Tier dazu befahigt ist, diese als Stoffwechsel bezeichneten Vorgange geordnet ablaufen zu lassen, und die aufgenommenen Stoffe mussen als Einzelbestandteil wie auch in ihrer Gesamtheit fur diese Vorgange geeignet sein. Die Ernahrung kann dabei, wie wir von Herrn BRUGGEMANN gehort haben, als pathogenetischer Faktor fur Stoffwechselstorungen bei den Haustieren eine sehr groi3e Rolle spielen. Der Physiologe und auch der Pathologe werden entsprechend ihrer anders ge- arteten Arbeitsrichtung den Stoffwechsel und seine Erkrankungen von einem anderen Standpunkt aus als der Kliniker tbetrachten. Der Kliniker mui3 durch griindliche Untersuchung bei Betrachtung sowohl des Einzeltieres als auch des Bestandes und der Umwelteinflusse zunachst eine Diagnose stellen, und da- nach mui3 er bemuht sein, durch therapeutische, diatetische und hygienische Mafinahmen den p h y s i o 1 o g i s c h e n Zustand wieder herzustellen. Der Kliniker mui3 also die Denk- und Arbeitsmethoden des Physiologen und die des Pathologen verbinden! Hierbei ist es dem Kliniker nur moglich, durch sorgfaltige Beobachtung u n d durch das Experiment gleichermai3en seine Vorstellungen von den einzelnen Krankheiten zu erweitern; denn Be- obadxung und Experiment sind die wichtigsten Bedingungen fur die Begriin- dung und Erhaltung der tierarztlichen Klinik auf wissenschaftlichem Boden. - Es sol1 hier einmal der Versuch unternommen werden, in kurzester Form eine Auswahl von Stoffwechselstorungen zusammenzustellen, denen wir in der Praxis immer wieder begegnen. Zunachst einiges zu rein futterungsbedingten Stoffwechselstorungen. Unter den Fehlern in der qualitativen Futterzusammensetzung rangiert an erster Stelle die fehlerhafte EiweiJversorgung, wobei nochmals betont werden mu& ldai3 sich nur ein Mange1 an Eiweii3 gesundheitsstorend auswirkt, wahrend die noch oft anzutreffende Vorstellung des Vorkommens von ,,Eiweiflvergiftung" durch zu hohe Eiweiflgabcn nicht mehr vertretbar ist. Es konnen aber Eiweiakonzentrate, die fettreiche Fischmehle enthalten, durch fehlerhafte Lagerung verderben und dann durch ihren hohen Gehalt an Spalt- produkten des Fettes zu Leberschadigungen fiihren, die entweder unter dern Bilde der toxischen Dystrophie todlich verlaufen oder, was wir in den letzten Jahren haufiger gesehen haben, zur Leberzirrhose und damit zum Kummern mit allen seinen Begleiterscheinungen fiihren. Klinische Hinweise hierauf kann

Übersichtsreferat über die Stoffwechselstörungen beim Schwein vom Standpunkt des Klinikers aus

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ubersichtsreferat iiber die Stoffwechselstiirungen beim Schwein vom Standpunkt des Klinikers aus

W. SCHULZE

Die Stoffwechselkrankheiten konnen nur so betrachtet werden, wie der lebende Korper in standiger Wechselwirkung mit seiner Umwelt steht, wozu auch d e r Vorgang gehort, dai3 stoffliche Bestandteile, die den Tieren auf oralem oder auch parenteralem Wege zugefuhrt worden sind, von den Tieren aufgenommen, verarbeitet, umgewandelt und zur Unterhaltung der Lebens- vorgange verwendet werden. Die Ausscheidungen sind naturlich auch Stoff- wechselprodukte. Voraussetzung ist, dai3 das betreffende Tier dazu befahigt ist, diese als Stoffwechsel bezeichneten Vorgange geordnet ablaufen zu lassen, und die aufgenommenen Stoffe mussen als Einzelbestandteil wie auch in ihrer Gesamtheit fur diese Vorgange geeignet sein. Die Ernahrung kann dabei, wie wir von Herrn BRUGGEMANN gehort haben, als pathogenetischer Faktor fur Stoffwechselstorungen bei den Haustieren eine sehr groi3e Rolle spielen. Der Physiologe und auch der Pathologe werden entsprechend ihrer anders ge- arteten Arbeitsrichtung den Stoffwechsel und seine Erkrankungen von einem anderen Standpunkt aus als der Kliniker tbetrachten. Der Kliniker mui3 durch griindliche Untersuchung bei Betrachtung sowohl des Einzeltieres als auch des Bestandes und der Umwelteinflusse zunachst eine Diagnose stellen, und da- nach mui3 er bemuht sein, durch therapeutische, diatetische und hygienische Mafinahmen den p h y s i o 1 o g i s c h e n Zustand wieder herzustellen. Der Kliniker mui3 also die Denk- und Arbeitsmethoden des Physiologen und die des Pathologen verbinden! Hierbei ist es dem Kliniker nur moglich, durch sorgfaltige Beobachtung u n d durch das Experiment gleichermai3en seine Vorstellungen von den einzelnen Krankheiten zu erweitern; denn Be- obadxung und Experiment sind die wichtigsten Bedingungen fur die Begriin- dung und Erhaltung der tierarztlichen Klinik auf wissenschaftlichem Boden. - Es sol1 hier einmal der Versuch unternommen werden, in kurzester Form eine Auswahl von Stoffwechselstorungen zusammenzustellen, denen wir in der Praxis immer wieder begegnen.

Zunachst einiges zu rein futterungsbedingten Stoffwechselstorungen. Unter den Fehlern in der qualitativen Futterzusammensetzung rangiert an erster Stelle die fehlerhafte EiweiJversorgung, wobei nochmals betont werden mu& ldai3 sich nur ein Mange1 an Eiweii3 gesundheitsstorend auswirkt, wahrend die noch oft anzutreffende Vorstellung des Vorkommens von ,,Eiweiflvergiftung" durch zu hohe Eiweiflgabcn nicht mehr vertretbar ist. Es konnen aber Eiweiakonzentrate, die fettreiche Fischmehle enthalten, durch fehlerhafte Lagerung verderben und dann durch ihren hohen Gehalt an Spalt- produkten des Fettes zu Leberschadigungen fiihren, die entweder unter dern Bilde der toxischen Dystrophie todlich verlaufen oder, was wir in den letzten Jahren haufiger gesehen haben, zur Leberzirrhose und damit zum Kummern mit allen seinen Begleiterscheinungen fiihren. Klinische Hinweise hierauf kann

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man oft ldadurch erhalten, dai3 sich unter einer kummernden, sich schlecht ent- wickelnden Ferkelgruppe Tiere befinden, die als Folge der daraus resultieren- den Pfortaderstauung eine Ascites-Bildung zeigen. Daher sollen Eiweii3- futtermittel nur fur den absehbaren Bedarf trocken und in verschlossenen Sicken gelagert werden. - Unter den Organen, die primar durch Mangel an tierischem Eiweii3 geschadigt oder funktionsmindernd beeinflufit werden, steht an erster Stelle die Leber. Die zentrale Stellung der Leber im Stoffwechsel- geschehen macht uns die vielseitigen Schaden verstandlich, die auf ein Fehl- angebot von Eiweii3 zuruckgefuhrt werden. Beachtung hat in letzter Zeit auch der Mangel an Eiweii3 aus dem Blickwinkel des Adaptationssyndroms erlangt. Es bestehen wohl kaum noch Zweifel, dai3 einige der Schweinekrankheiten primar als ein Versagen der unspezifischen hormonalen Abwehrfunktion des Organismus aufgefai3t werden mussen, oder aber dai3 beim primaren Vorliegen anderer Erkrankungen das sekundare Versagen der strapazierten hormonalen Abwehrregulationen zum Tode fuhrt.

Die Bedeutung des Adaptationssyndroms 1ai3t sich dabei wie folgt zu- sammenfassen: Jede neue Situation, also jede Belastung irgendwelcher Art lost im Organismus I . spezifisclhe, der jeweiligen Situation entsprechende Reak- tionen und 2. unspezifische Abwehrreaktionen, die in ihrer Gesamtheit als Adaptationssyndrom bezeichnet werden, aus. Alle Erkrankungen, die auf ein Versagen oder auf Fehlleistungen dieses Adaptationssyndroms zuruckzufuhren sind, bezeichnet man als Adaptationskrankheiten. Die Storung der Adaptation erfolgt im wesentlichen durch das Hypophysen-Nebennierenrinden-System, die Reizbeantwortung erfolgt dabei in einer gesetzmai3igen Reihenfolge. Der Gesamtablauf dieses Adaptationssyndroms erfolgt nach SELYE (1 953) in drei Phasen:

1. Alarm-Reaktion (Schock und Gegenschock), 2. Widerstandsphase, 3. Erschopfungsphase. An dieser Stelle sei in diesem Zusammenhang lediglich darauf verwiesen,

dai3 qualitativ hochwertiges Eiweii3 in einem ausreichenden Anteil im Futter vorhanden sein mui3, wenn die hormonalen Funktionen auch unter Belastung ausreichend gewahrleistet sein sollen, denn Eiweii3mangel fuhrt zu einer ver- minderten ACTH-Produktionsfahiglceit und damit zu verminderten unspezi- fischen Abwehrleistungen des Organismus. Hiermit sollte ,die Bedeutung der ausreichenden Eiweii3versorgung fur den ungestorten Stoffwechselablauf nochmals hervorgehoben werden.

Eine relativ haufige Mangelsituation sind Erkrankungen, die man zu den Vitaminmangelkrankheiten rechnet. Hier sei nur stichwortartig auf die Be- fdeutung des Vitamin A und besonders seine Wichtigkeit fur tragende Sauen hingewiesen, aber auch andere Vitaminmangelkrankheiten (z. B. Pantothen- sauremangel) sind beim Schwein bekannt.

Mineralstoffmangelsituationen haben, wenn sie auch gegenuber ver- gangenen Jahren zahlenmaflig etwas abgenommen haben, so doch noch eine Bedeutung. Hypo-Calcaemien sind beim Schwein klinisch hinreichend be- kannt. Es fehlten aber bisher in der Literatur ausreichende Untersuchungs- reihen an klinischem Patientengut, insbesondere fehlten Untersuchungen uber den Magnesium- und Cu-Gehalt des Blutplasmas bei klinisch erkrankten Schweinen. D a vom Wiederkauer und vom Menschen her die Bedeutung des Magnesiums bei Tetanien, Trachtigkeitstoxikosen u. a. m. bekannt ist, besteht das Bedurfnis, auch beim Schwein hieriiber Untersuchungen anzustellen. Die

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Aufgabe der noch laufenden Untersuchungen besteht darin, daf3 in Form von Verlaufsuntersuchungen in festgelegten Abstanden festzustellen ist, ob und in welchem Ausmaae bei in der Geburt befindlichen Schweinen Veranderungen des Calcium-Magnesium-Spiegels auftreten, und in welcher Weise unter Um- standen klinische Storungen wie Festliegen, Agalaktie, Kreislaufversagen usw. damit in Verbindung zu bringen sind. Zunachst wurde neben den von Herrn PLONAIT vorgetragenen Untersuchungen der Serum-Calcium-Gehalt von Sauen unmittelbar vor der Schnittentbindung und einige Tage danach be- stimmt und diese Werte mit denen bei klinisch gesunden Schlachtschweinen verglichen. Als Beitrag zur Methodik der Calcium-Bestimmung wurde dabei gleichzeitig die Permanganat-'I'itrationsmethode (Pincussen) und die kom- plexometrische Titration (Titriplex-Methode) einer Prufung unterzogen. Bei 21 klinisch gesund erscheinenden Schlachtschweinen, bei 55 Mutterschweinen unmittelbar vor der Schnittentbindung und 53 Mutterschweinen 40-50 Stun- den nach der Schnittentbindung wurden jeweils mittels Methode Pincussen und Titriplexmethode Serumkalziumbestimmungen durchgefuhrt.

Ascites beim Schwein

Der Mittelwert betragt bei Schlachtschweinen 10,55 k 0,17 rng? (Methode Pincussen) bzw. 10,04 f 0,18 mg % (Titriplexmethode), be1 Schweinen vor der Schnittentbindung 9,65 0,15 mg% bzw. 9,22 5 0,13 mg% und bei Mutterschweinen 2 Tage nach der Schnittentbindung 9,89 f 0,13 mg% bzw. 9,43 f 0,12 mg%. Die mittlere Abweichung des Einzelwertes war bei Schlachtschweinen -t 0,80 bzw. !c 0,81 mg%, bei Schweinen vor der Schnittentbindung k 1,09 bzw. 1,OO mg% und bei Mutterschweinen 2Tage nach der Schnittentbindung !c 0,95 bzw. k 0,85 mg%. Hypokalzamische Serumwerte traten bei Mutterschweinen vor der Schnitt- entbindung bedeutend haufiger auf als 2 Tage danach. Mit der Methode Pincussen wurden signifikant hohere Werte erzielt als mit der Titriplex- methode. Der mittlere Fehler des Mittelwertes betrug bei der Methode Pin- cussen, bei Doppelbestimmungen mit je 2 ml Serum f 11 m g p . Bei der

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Titriplexmethode, bei Dreifachbestimmungen mit je 1 ml Serum, war der mittlere Fehler des Mittelwertes k 0,17 m g p .

Die Permanganattitration ist mit erheblichen Fehlerquellen behaftet. Bei der Titriplexmethode war der Umschlagspunkt nicht immer zufriedenstellend.

Sieht man in dieser Hypokalzamie ein Symptom einer Storung Ides inner- sekretorischen Gleichgewichts (BENESCH, 1957; GOTZE, 1932 u. 1934), so kann festgestellt werden, dai3 diese Storung vor der Schnittentbindung, also praktisch zur Zeit der Geburt, bedeutend haufiger ist als 2 Tage danach. So ist es nicht verwunderlich, dai3 Erkrankungen, fur die ein akut auftretendes Versagen des vegetativen Systems verantwortlich gemacht wird, wie Eklampsie und Ge- burtstetanien, in der Mehrzahl direkt zur Zeit der Geburt auftreten. Eine Beziehung zwischen Ferkelzahl und Serumkalziumgehalt lai3t sich nicht erkennen.

Als weitere Untersuchungsmethode soll noch eine Simultan-Bestimmung fiir Calcium-Magnesium gepruft werden (komplexometrisch mit Erythro- chromblau), die sich durch einfache und schnelle Handhabung auszeichnet. Das Untersuchungsmaterial ist bei diesen noch laufenden Untersuchungen in zwei Gruppen, namlich mit und ohne ACTH-Gaben eingeteilt. Bei allen diesen Untersuchungsgangen stehen begreiflicherweise methodische Fragen mit im Vordergrund.

Als Faustregel fur die Mineralstoffversorgung des Scbweines kann gelten, dai3 bei Jung- und Zuchttieren 2 %, bei den iibrigen Tieren 1 % der Kraft- futterration aus einer Mineralstoffmischung bestehen soll. Nach oben sollte dieser Prozentsatz besonders im Saugferkelbeifutter nicht uberschritten wer- den, da hierdurch die Schmackhaftigkeit erheblich beeintrachtigt wird, was sich besonders am Anfang der Beifutterung durch zu geringen Futterverzehr nach- teilig auswirkt.

Es wurden in der Klinilr auch Untersuchungen der Alkali-Reserve in systematischen Reihen durchgefuhrt. Bisher lagen die Angaben uber das Saure- Basen-Gleichgewicht beim Schwein nur sparlich vor. Es wurde dabei an 87 klinisch gesunden Schweinen unterschiedlichen Gewichtes, Geschlechtes und Alters die Alkalireserve (,,AR") im Blutplasma bestimmt. Dabei erfolgte eine willkurlich vorgenommene Einteilung der Tiere nach dem Gewicht in zwei Gruppen.

Die 1. Gruppe umfai3t Tiere rnit einem Korpergewicht bis zu 60 kg, wahrend die 2. Gruppe Tiere mit einem Gewicht uber 70 kg darstellt. Es handelt sich ausschliei3lich um Tiere des veredelten deutschen Landschweines. Der Mittelwert der leichteren Gruppe betrug 43,21 Val.% und der Mittelwert der schwereren Gruppe betrug 49,79 Vol. 5%. Die Differenz der Mittelwerte betragt 6,53 und ist nach Anwendung des t-Testes signifikant. Andere Autoren (TRAUTMANN, LUY und SCHMITT) ermittelten gleichfalls ein Ansteigen der Alkalireserve mit zunehmendem Alter bzw. Gewicht. Ferner wurden orien- tierenderweise, d. h. zur Feststellung ob und in welchem Mai3e bei den in klini- scher Behandlung stehenden Tieren Veranderungen vorkommen, an erkrankten Tieren Bestimmungen des C0,-Bindungsvermogens durchgefiihrt. Es handelt sich dabei um 33 Kummerer, 21 Schweine mit innerer Erkrankung, 23 Schweine nach chirurgischen Eingriffen und 27 Sauen nach Schnittentbindungen. Bei Schweinen nach chirurgischen Eingriffen ist der relativ hochste Mittelwert von 50,O Vol.o/o festgestellt worden. Der Hochstwert lag bei 64,4 und der tiefste bei 37,6 Val.%. Erwahnenswert erscheint die Feststellung, dai3 in dieser Gruppe bei 19 Tieren ein Korpergewicht von unter 65 kg ermittelt wurde. Dagegen erreichten die untersuchten Sauen nach Schnittentbindung den relativ

Zentralblatt fur Veterinarinedirin, Bd. VlII , Heft 8 52

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niedrigsten Mittelwert von 42,75 Vol.%, obwohl jedes Tier dieser Gruppe auf ein Mindestgewicht von uber 100 kg geschatzt wurde.

Das mir zugangliche Schrifttum enthielt keine Mitteilungen anderer Autoren uber AR-Bestimmungen beim Schwein bei Erkrankungen oder nach operativen Eingriffen, so dafl es mir nicht moglich war, Vergleiche daruber anzustellen. Soweit es uberhaupt angangig ist, Beziehungen zwischen den AR- Werten bei Mensch und Schwein nach Schnittentbindung herzustellen, zeigen die von uns ermittelten Werte annahernd die gleiche azidotische Tendenz wie beim Menschen, wie aus Mitteilungen der Humanmedizin hervorgeht (BOCKEL- MANN und ROTHER, 1923; UMBRICH und M ~ A N , 1943; BURTSCHER und MAL- FATTI, 1931).

Nach 48stundiger Aufbewahrung des Blutplasmas im Kuhlschrank (Temp. + 8' C) wurde eine Differenz der Mittelwerte zwischen diesem und dem Ausgangsplasma von 4,79 Vol.% ermittelt. Diese Differenz konnte statistisch gesichert werden. Nach 24stundiger Aufbewahrung ergaben sich noch keine signifikanten Differenzen. Der methodische Fehler der AR- Bestimmung betragt s = k 0,69 Vol.76. Obgleich die Bestimmung der AR einen Hinweis auf den jeweiligen Zustand des Stoffwechsels im Organismus zulaRt, so zeigt doch andererseits auch diese Arbeit die grofle Variation der C0,-Kapazitat. Es spricht fur eine auflerordentliche Anpassung der Regula- tionsmechanismen des Korpers an die sich standig verandernden Stoffwechsel- vorgange. Es mussen schon Einwirkungen schwerer Art vorliegen, bevor es zu einer ernstlichen Verschiebung des Saure-Basengleichgewichtes und damit des pH-Wertes im Blut kommt.

Zusammenfassend laflt sich aus den erhaltenen Werten von post opera- tionem entnommenen Proben schlieflen, dafl es bei komplikationslosem post- operativen Verlauf, der ja mit wenigen Ausnahmen bei den untersuchten Tieren zu beobachten war, nicht zu starkeren Verschiebungen im Saure- Basengleichgewicht kommt.

Die Bilirubinbestimmung besitzt eine, wenn auch stark beschrankte Be- deutung als Leberfunktionsprobe. Es war zunachst die Frage von Interesse, ob man bei Sauen wahrend der Geburt und in den ersten Tagen des Puer- periums Storungen in der Leberfunktion mit Hilfe der Bilirubinbestimmung ermitteln konnte. Es wurden zunachst 52 Mastschweine auf Normalgehalt an Bilirubin im Blutserum untersucht. Die physiologischen Grenzen beim Schwein reichen von nicht meflbaren Spuren bis 0,17 mg% Bilirubin im Serum, das direkte Bilirubin betragt ungefahr die Halfte.

Es wurden 102 Sauen auf Bilirubingehalt wahrend der Geburt und in den ersten Tagen des Puerperiums untersucht. Bei 81 Tieren wurde eine Schnittentbindung durchgefuhrt, 21 wurden auf naturlichem Wege entbunden. Der Bilirubinspiegel ist dabei relativ regelmafligen Schwankungen unter- worfen. Das Serumbilirubin steigt ein paar Tage oder Stunden vor der Geburt an, erreicht wahrend der Geburt oder 1 bis 2 Tage danach ein Maximum und fallt nach 2 bis 4 Tagen wieder zur Norm ab. Von Einflufl auf die Hohe des Bilirubinspiegels sind besonders Appetitmangel, ferner Verschleppung der Geburt, Komplikationen mit Storungen des Allgemeinbefindens und Fieber sowie Bewegungsstorungen aller Arten, vermutlich auch das Alter und Vitamin-A-Mangel, Ohne EinfluR bleibt die Laparotomie, die Zahl der Ferkel und die Menge der Kolostralmilch. Zur Beantwortung der gestellten Frage, ob Storungen in der Leberfunktion wahrend der Geburt und in 'den ersten Tagen des Puerperiums auftreten, kann folgendes gesagt werden: Soweit die quanti- tative Serumbilirubinbestimmung allein ulberhaupt einen diagnostischen Schlufl

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zulai3t, brauchen an die Funktion der Leber des Schweines nach unseren Unter- suchungsergebnissen zu dieser Zeit keine Zweifel gestellt zu werden. Eine eventuell auftretende Hypeubilirubinamie verschwindet nach einigen Tagen von selbst.

Auffallend ist aber ein unterschiedliches Reagieren zwischen alteren Sauen und Erstlingssauen. Bei den alteren Sauen wurden im Durchschnitt hohere Werte gemessen. Dabei ist allerdings zu bedenken, dai3 der Klinikeinweisungs- grund fur ,die Erstlingssauen meist der zu enge Geburtsweg war, wahrend die alteren Sauen wegen Wehenschwache cider sichtbaren Stoffwechselstorungen eingeliefert wurden. Ein weiterer Umstand, der fur die Bilirubinbestimmung zum Zwecke einer Leberfunktionsprobe als sehr storend anzusehen ist, ist der Einflui3 der Nahrungsaufnahme. In 69 Fallen wurde auf Inappetenz bzw. auf Appetit geachtet und dabei eine sehr auffallende Parallelitat von Bilirubin- anstieg und Inappetenz festgestellt: Bei Inappetenz steigt der Bilirubinspiegel an und fallt nach Nahrungsaufnahme rasch wieder ab. Aber auch hier gab es in beiden Richtungen mehrere Ausnahmen. Es mui3 in diesem Zusammenhang mit darauf hingewiesen werden, dai3 die Leberfunktion sehr von der Nah- rungsaufnahme abhangig ist. So lassen sich nach einer Zusammenstellung von GLYNN (1 950) viele Leberveranderungen durch diatetische Maanahmen kunst- lich erzeugen. Auffallend hohe Werte finden sich unter unserem Untersuchungs- material bei den Tieren mit Bewegungsstorungen, wobei ganz verschiedene Ursachen vorliegen konnen. Dabei haben diese Tiere z. T. nicht weniger ge- fressen als andere, deren Werte in physiologischen Grenzen liegen. Auch ihre sonstige Verfassung war zum Teil als gut anzusprechen.

Hohere Werte wurden auch gefunden bei Sauen, bei denen man Vitamin A-Mangel vermuten konnte. In einem Falle waren bei den vier Ferkeln keine Bulbi ausgebildet. Die Schnittentbindung verlief ohne Kom- plikationen. In einem weiteren Fall war die Sau selbst blind (Mikrophthalmie und Hornhauttriibung), doch lag daneben auch eiiie verschleppte Geburt rnit leichter Temperaturerhohung vor. Bei einer anderen Sau zeigte ein Ferkel Hornhauttriibung; es ist zweifelhaft, ob das durch Vitamin A-Mangel ver- ursacht wurde, da das andere Ferkel aus dem gleichen Wurf keinerlei Schaden an den Augen aufwies.

Ein unterschiedliches Verhalten von direktem und indirektem Bilirubin konnte bei unseren Untersuchungen nicht beobachtet werden. In den niedrigen Bereichen uberwiegt nicht selten das direkt reagierende Bilirubin, jedoch mui3 berucksichtigt werden, dai3 der prozentuale Fehler relativ hoch ist und sehr zu beeinflussen ist durch unterschiedliche ,,Mei3geschwinldigkeiten". Ein schnellerer Abfall des direkten Bilirubins war in 4 Fallen zu beobachten. - Weiterhin wurde der Gesamtbilirubingehalt im Nabelblutserum von naturlich geborenen und von durch Kaiserschnitt mit Thiogenalnarkose entwickelten Ferkeln be- stimmt.

Der Gesamtbilirubingehalt im Nabelblutserzrm wurde nach der Methode vcn JENDRASSIK unld G R ~ F an 5 1 durch Kaiserschnitt mit Thiogenalnarkose entwickelten Ferkeln berechnet. Es wurden Extremwerte von 0,039 mg% und 0,333 mg% festgestellt. Der Mittelwert betrug 0,121 m g F . Nach der gleichen Methode wurde der Gesamtbilirubingehalt im Nabelblutserum von 11 3 natur- lich geborenen Ferkeln ermittelt. Bei Extremwerten von 0,039 mg% und C,372 mg% wurde ein Mittelwert von 0,162 mg% festgestellt. Der Unter- schied im Bilirubingehalt des Nabelblutserums von naturlich geborenen Ferkeln und von Ferkeln, die durch einen Kaiserschnitt rnit Thiogenalnarkose ent- wickelt wurrden, ist signifikant. Der Bilirubingehalt im Nabelblutserum von

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in Thiogenalnarkose schnittentbundenen Ferkeln ist nicht erhoht, sondern niedriger als bei den naturlich geborenen Ferkeln.

Neben den bereits skizzierten Untersuchungen zur klinischen Klarung von Stoffwechselstorungen beim Schwein zum Zwecke der Diagnose, Klar- stellung der Pathogenese und der Therapie wie Prophylaxe werden noch weitere Untersuchungen in der Klinik angestellt bzw. sind bereits abge- sdossen, auf die in diesem kurzen Obersichtsreferat nicht naher eingegangen werden kann. Aufgezahlt werden sollen nur einige: Polarographische Zink- bestimmung im Blutserum von klinisch gesunden Schweinen, von Geburts- schweinen, Ferkeln und Laufern; Blutzuckerbestimmung; Eisen- und Kupfer- bestimmung; vergleichende Untersuchungen des Chlorid- und Kochsalzgehaltes im Serum; Thrombozytenzahlung im Phasenkontrastmikroskop; Unter- suchung des Nabelblutes neulgeborenev Ferkel mit verschiedenen Methoden; Sternalmarkuntevsuchungen; Untersuchung der Sauenmilch und Untersuchung des Harnes. Besonders interessant erscheint dabei der Nachweis von Keto- Korpevn in Harn und Milch von Sauen. Selbstverstandlich werden die das Nebennierenrindensystem betreffenden Untersuchungen, von denen heute meine Mitarbeiter REICHEL und BOLLWAHN einen Teil vortragen, weiter ver- folgt. - Dem gesamten Elektrolythaushalt wird ebenfalls sowohl im Hinblick auf Ferkel- und Absatzferkelverluste als auch Kreislaufversagen klinische und experimentelle Beachtung geschenkt.

Abschliefiend mui3 im Hinblick auf Stoffwechseluntersuchungen bei kranken Schweinen no& davor gewarnt werden, Ursache und Folgen bei der Beurteilung von pathologischen Stoffwechselbefunden zu verwechseln.

Anschrift des Vortragenden: Prof. Dr. W. Schulze, Hannover, Hans-Bodcler-Strage 16 (Klinik f. kl. Klauentiere).

Diskussionsbemerkung

BRUGGEMANN, Miinchen: Herr Prof. SCHULZE hat auf Beziehungen zwischen Eiweig- qualitat und Leberschaden hingewiesen. Eine mogliche Ursache kann dabei die sein, dai3 die Ration der Schweine arm an gewissen essentiellen Aminosauren ist. In Frage kommt hierbei das Methionin. Dieses gehort zusimmen mit dem zu den Vitarninen gerechneten Cholin als Methylgruppendonator zu den sogenannten ,,lipotropen" Methylgruppen enthaltendcn Stoffen. Diese Stoffe, zu denen auch die Lecithine gehoren, befordern den Fetttransport. Fehlen sie, dann ist dieser aus dem Fettverteilungszentrum Leber gestort und es kommt zur Ausbildung einer schweren Leberverfettung. Man sol1 deshalb priifen, ob in den verwandten Rationen der Gehalt an Methionin oder Cholin ausreichend war.