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Nicht jede ulnare Kollateralbandruptur muß operiert werden. Im Gegenteil, bis zu 70% aller Patienten können durch konservative Therapiemaßnahmen er- folgreich behandelt werden. Anatomie und Physiologie des ulnaren Kollateralbandkomplexes Der Schlüssel für eine erfolgreiche konservative – und auch operative – Therapie liegt in der exakten Kenntnis der Anatomie und Pathophysiologie des Metakarpophalangealgelenks des Daumens (MP-I-Gelenkes). Das MP-I-Gelenk ist ein Eigelenk mit 3 Freiheitsgraden: 1. Flexion/Extension, 2. Abduktion/Adduktion und 3. axiale Rotation [5, 13]. Das Bewegungsausmaß ist individuell unterschiedlich, jedoch im Seitenver- gleich relativ konstant. Die Gelenk- führung ist bedingt durch einen kom- plexen Kapsel-Band-Apparat (Kolla- teralbänder, ulnarer und radialer Meniskus, palmare Platte, dorsale Kapselanteile) sowie eine dynamische Muskelzügelung durch intrinsische und extrinsische Muskeln im Bereich des 1. Strahls. Die stabilisierenden Strukturen der ulnaren Seite werden als der sog. ulnare Kollateralband- komplex zusammengefaßt und umfas- sen: 1. das ulnare Kollateralband: horizontaler Anteil (metakarpo- phalangealer Faszikel), absteigender Anteil (akzessori- scher Faszikel): metakarposesamoidaler Anteil, sesamoidophalangealer Anteil; 2. den ulnaren Meniskus; 3. die ulnaren Anteile der palmaren Platte; 4. die ulnaren Anteile der dorsalen Kapsel. Am ulnaren Seitenband können 2 Fas- zikel unterschieden werden: Da das horizontal verlaufende solide und kräf- tige Hauptbündel (metakarpophalan- gealer Faszikel) in Extension entspannt und in Flexion angespannt ist, ist es für die laterale Stabilität während des Fle- xionsvorgangs verantwortlich. Der akzessorische oder absteigende Anteil kann noch weiter in einem me- takarposesamoidalen und einen se- samoidophalangealen Anteil unterteilt werden. Da er während der Extension angespannt und während der Flexion entspannt ist, ist er für die laterale Sta- bilität in Extensionsstellung verant- wortlich. Wie neuere Untersuchungen zeig- ten [12], ragen ulnar und radial feste keilförmige Platten vor, die sich in ihrem Aufbau und in ihrer Funktion als direktes Druckaufnahmepolster mit den Menisken des Kniegelenks ver- gleichen lassen. Sie sind aus kolla- genen Faserbündeln aufgebaut, die Trauma Berufskrankh (2000) 2 [Suppl 1] : S115–S119 © Springer-Verlag 2000 Ulnare Kollateralbandruptur am Daumengrundgelenk Muss operiert werden? Konservative Therapie R. Hierner, A. Berger Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Schwerverbranntenzentrum, Medizinische Hochschule Hannover Priv..-Doz. Dr. R. Hierner, Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Schwer- verbranntenzentrum, Medizinische Hochschule Hannover, Podbielskistraße 380, D-30695 Han- nover S115 Zusammenfassung Exakte Kenntnisse der Anatomie und Biomechanik des Metakarpo- phalangealgelenks des Daumens (MP-I-Gelenks) sind absolute Vor- aussetzung für eine differenzierte Behandlung der Kollateralband- ruptur. Die Wahl des therapeuti- schen Vorgehens ist abhängig von den Ergebnissen der klinischen und radiologischen Untersuchung sowie der manuellen Stabilitätste- stung. Abhängig von der Zusam- mensetzung des Krankenguts kön- nen bis zu 70% der Patienten durch eine konservative Therapie erfolgreich behandelt werden. Schlüsselwörter Distorsion · Metakarpophalangeal- gelenk des Daumens · Anatomie · Diagnostik · Therapie BEHANDLUNGSVERFAHREN

Ulnare Kollateralbandruptur am Daumengrundgelenk

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Page 1: Ulnare Kollateralbandruptur am Daumengrundgelenk

Nicht jede ulnare Kollateralbandrupturmuß operiert werden. Im Gegenteil, biszu 70% aller Patienten können durchkonservative Therapiemaßnahmen er-folgreich behandelt werden.

Anatomie und Physiologie des ulnaren Kollateralbandkomplexes

Der Schlüssel für eine erfolgreichekonservative – und auch operative –Therapie liegt in der exakten Kenntnisder Anatomie und Pathophysiologiedes Metakarpophalangealgelenks desDaumens (MP-I-Gelenkes).

Das MP-I-Gelenk ist ein Eigelenkmit 3 Freiheitsgraden:

1. Flexion/Extension,2. Abduktion/Adduktion und3. axiale Rotation [5, 13].

Das Bewegungsausmaß ist individuellunterschiedlich, jedoch im Seitenver-gleich relativ konstant. Die Gelenk-führung ist bedingt durch einen kom-plexen Kapsel-Band-Apparat (Kolla-teralbänder, ulnarer und radialerMeniskus, palmare Platte, dorsaleKapselanteile) sowie eine dynamischeMuskelzügelung durch intrinsischeund extrinsische Muskeln im Bereichdes 1. Strahls. Die stabilisierendenStrukturen der ulnaren Seite werdenals der sog. ulnare Kollateralband-

komplex zusammengefaßt und umfas-sen:

1. das ulnare Kollateralband:• horizontaler Anteil (metakarpo-

phalangealer Faszikel),• absteigender Anteil (akzessori-

scher Faszikel):– metakarposesamoidaler Anteil,– sesamoidophalangealer Anteil;

2. den ulnaren Meniskus;3. die ulnaren Anteile der palmaren

Platte;4. die ulnaren Anteile der dorsalen

Kapsel.

Am ulnaren Seitenband können 2 Fas-zikel unterschieden werden: Da dashorizontal verlaufende solide und kräf-tige Hauptbündel (metakarpophalan-gealer Faszikel) in Extension entspanntund in Flexion angespannt ist, ist es fürdie laterale Stabilität während des Fle-xionsvorgangs verantwortlich.

Der akzessorische oder absteigendeAnteil kann noch weiter in einem me-takarposesamoidalen und einen se-samoidophalangealen Anteil unterteiltwerden. Da er während der Extensionangespannt und während der Flexionentspannt ist, ist er für die laterale Sta-bilität in Extensionsstellung verant-wortlich.

Wie neuere Untersuchungen zeig-ten [12], ragen ulnar und radial festekeilförmige Platten vor, die sich inihrem Aufbau und in ihrer Funktion alsdirektes Druckaufnahmepolster mitden Menisken des Kniegelenks ver-gleichen lassen. Sie sind aus kolla-genen Faserbündeln aufgebaut, die

Trauma Berufskrankh (2000) 2 [Suppl 1] : S115–S119 © Springer-Verlag 2000

Ulnare Kollateralbandruptur am DaumengrundgelenkMuss operiert werden? Konservative Therapie

R. Hierner, A. BergerKlinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Schwerverbranntenzentrum, Medizinische Hochschule Hannover

Priv..-Doz. Dr. R. Hierner, Klinik für Plastische,Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Schwer-verbranntenzentrum, Medizinische HochschuleHannover, Podbielskistraße 380, D-30695 Han-nover

S115

Zusammenfassung

Exakte Kenntnisse der Anatomieund Biomechanik des Metakarpo-phalangealgelenks des Daumens(MP-I-Gelenks) sind absolute Vor-aussetzung für eine differenzierteBehandlung der Kollateralband-ruptur. Die Wahl des therapeuti-schen Vorgehens ist abhängig vonden Ergebnissen der klinischenund radiologischen Untersuchungsowie der manuellen Stabilitätste-stung. Abhängig von der Zusam-mensetzung des Krankenguts kön-nen bis zu 70% der Patientendurch eine konservative Therapieerfolgreich behandelt werden.

Schlüsselwörter

Distorsion · Metakarpophalangeal-gelenk des Daumens · Anatomie ·Diagnostik · Therapie

BEHANDLUNGSVERFAHREN

Page 2: Ulnare Kollateralbandruptur am Daumengrundgelenk

sich in der Peripherie überkreuzen undin die angrenzenden Anteile der fibrö-sen Gelenkkapsel übergehen. IhreOberfläche ist von einer dünnen Knor-pelzellschicht bedeckt. Sowohl diecharakteristische Faserverflechtungvon Menisken und Gelenkkapsel so-wohl im radialen als auch im ulnarenGelenkkompartment als auch der cha-rakteristische Ausbau stellen den Aus-druck der besonderen lokalen Bean-spruchung bei der Begrenzung desAusmaßes radialer und ulnarer Abduk-tionsbewegungen dar.

Die Basis der Grundphalanx ist so-lide mit dem fibrokartilaginären Ge-lenkkomplex verbunden, der die 2 Se-sambeine enthält, die unter sich durchdas intersesamoidale Band verbundensind. An den Sesambeinen inserierendie akzessorischen lateralen Ligamen-te mit ihren metakarposesamoidalenAnteilen. Durch seine Anordnung ver-hindert der palmare fibrokartilaginäreGelenkkomplex („Check rain“) Trans-lationsbewegungen in der Sagittalebe-ne [10].

Im Bereich der dorsalen Gelenkan-teile ist die Kapsel mit der Faszie desExtensorenapparats verbunden [14].Dieser Verbund verhindert eine dorsa-le Luxation im Sinn einer „Knopfloch-deformität“. Eine Läsion dieser Antei-le führt neben der genannten Defor-

mität zu einer lateralen Instabilität undv.a. zu chronischen Beschwerden.

Alle intrinsischen und extrinsischenMuskeln, welche im Bereich des 1.Strahls ansetzen, haben eine dynami-sche Stabilisierungswirkung. DieseWirkung allein ist jedoch nicht ausrei-chend, um eine kapsulo-ligamentär be-dingte Gelenkinstabilität zu kompen-sieren.

Klassifikationen

Für den Vergleich verschiedener The-rapieformen ist es notwendig, eine ein-heitliche Klassifikation der Läsion so-wie eine einheitliche Klassifikation derTherapieergebnisse anzuwenden.

Plötzliche Hyperabduktion (z.B.Ballsportarten) und/oder Valgusstel-lung (z.B. Skilaufen) des MP-Gelenksführen je nach Höhe der appliziertenKraft zu unterschiedlichen Distorsi-onsformen.

Für den klinischen Gebrauch hat essich bewährt, Distorsionen im Bereichdes ulnaren Kolateralbandkomplexesin 3 Schweregrade in Anlehnung an die Klassifikation nach Posner und Retaillaud [11] einzuteilen (Tabelle 1).Eine Erweiterung dieser Klassifikati-on erfolgt durch die Berücksichtigungder dorsalen und palmaren Luxationendes MP-I-Gelenks.

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BEHANDLUNGSVERFAHREN

Trauma Berufskrankh (2000) 2 [Suppl 1] : S115–S119© Springer-Verlag 2000

Rupture of the ulnar collateral ligament of themetacarpophalangeal articulation of the thumb.Is surgery necessary?Conservative treatment

R. Hierner, A. Berger

Abstract

Rational treatment is based on de-tailed knowledge of the anatomyand biomechanics of the MP-Ijoint, it depends on the clinicalsymptoms, the radiological find-ings and the pattern of instability.Up to 70% of patients can be suc-cessfully treated by nonoperativeprocedures.

Key words

Sprain · Metacarpophalangeal jointof the thumb · Anatomy · Diagno-sis · Treatment

Tabelle 1Klassifikation der Distorsion des MP-I-Gelenks

Schmerzen Schwellung Fester Vermehrte TherapieAnschlag Aufklappbarkeit

Grad 1 (30%) + + + – Frühfunktionelle Therapie 3 Wochenevtl. Tape-Verband

Grad 2 (40%) + + + Unidirektional Immobilisation 4 WochenOhne dorsale Extension Physiotherapy

Sonderform: dislozierter ossärer BandausrißUnidirektional OperativMit dorsaler Extension + Immobilisation für 4 Wochen

PhysiotherapieGrad 3 (30%) + + – Multidirektional

Sonderform: Stener-DefektDisloziert ossärer BandausrißKombinationsverletzungen: Luxationen:

• Dorsale– Inkomplette einfache Luxation– vollständig einfache Luxation– Komplexe Luxation

• Palmare

Page 3: Ulnare Kollateralbandruptur am Daumengrundgelenk

Nach Moutet et al. [9] können dieErgebnisse der Therapie von Distor-sionen im MP-I-Gelenk aufgrund fol-gender Kriterien bewertet werden:Schmerzen, Stabilität, aktive und pas-sive Beweglichkeit des MP-I-Gelenks,Oppositionsfähigkeit des 1. Strahls [6]und Kraft bei Pinchgriff.

Ein sehr gutes Ergebnis liegt bei ei-nen schmerzfreien Daumen mit nor-maler Funktion und Stabilität vor. Alsgutes Ergebnis wird ein schmerzfreierDaumen mit guter Stabilität, aber einerBewegungseinschränkung von 10–15% definiert. Bei einem mäßigen Er-gebnis liegt ein schmerzfreier Daumenmit guter Stabilität, aber einer Bewe-gungseinschränkung von 20–30% vor.Ein schmerzhafter und/oder instabilerDaumen werden als schlechtes Ergeb-nis bezeichnet [9] (Tabelle 2).

Ergebnisse

Werden die operative und die konser-vative Therapie verglichen, ergebensich keine Unterschiede hinsichtlichder Stabilität, der Beweglichkeit (Fle-xion/Extension, Oppositionsfähigkeitdes Daumens) und der Kraft. Sehr guteErgebnisse können in 75%, gute in15%, mäßige in 8% und schlechte in2% der Fälle erwartet werden.

Die meisten Patienten (98%) kön-nen ihre ursprüngliche Arbeit wiederaufnehmen. Die Dauer der Arbeitsun-fähigkeit beträgt < 6 Wochen für etwa50%, > 6 < 12 Wochen für 42% und > 12 Wochen für 8% der Patienten [9].

Diskussion

Die Behandlung einer frischen, d.h.weniger als 10–15 Tage alten metakar-

pophalangealen Distorsion, hängt vomklinischen und röntgenologischen Be-fund ab. Folgende Fragen müssen sy-stematisch evaluiert werden (Abb.1):

1. Liegt ein knöcherner Bandausrißvor?

2. Liegt eine partielle oder kompletteBandruptur vor?

Liegt ein knöcherner Bandausriß vor?

Einfache Röntgenbilder (DI-Strahl, d.-p. und lateral) müssen vor jeder Ma-nipulation oder Prüfung der Gelenk-stabilität vorliegen. Bewertungskrite-rien sind das Fehlen oder das Vorhan-densein eines ossären Bandausrisses.Beim Bestehen einer ossären Läsion iststreng zu unterscheiden, ob ein nicht-dislozierter oder dislozierter knöcher-ner Bandausriß vorliegt [7]. Im Fall ei-nes nicht-dislozierten Bandausrissesmuß jede weitere Bewegung des Ge-lenks vermieden werden.

Die Läsion wird der konservativenTherapie zugeführt. Es erfolgt eine Im-mobilisation in einer Daumenortheseoder einem Daumengips (Abb. 2) für 4 Wochen. Das Handgelenk, die MP-Gelenke der Langfinger und das Inter-phalangealgelenk des Daumens müs-sen frei beweglich bleiben. Die 1.Kommissur wird in Funktionsstellungfreibelassen, eine Adduktionsbewe-gung des MP-I-Gelenks jedoch nichtzugelassen [1].

Liegt auf dem Röntgenbild ein dis-loziertes ossäres Fragment vor, bestehtdie Indikation zur operativen Versor-gung. Weitere röntgenologische Krite-rien sind eine spontane palmare Sub-

luxation als Hinweis auf einen Einrißder dorsalen Gelenkkapsel, welcherebenfalls der operativen Therapie zu-geführt wird.

Liegt eine partielle oder komplette Bandruptur vor?

Im Fall einer einfachen ligamentärenDistorsion ohne ossären Ausriß ist dasweitere therapeutische Vorgehen ab-hängig vom Ergebnis der klinischenUntersuchung, indirekten röntgenolo-gischen Instabilitätskriterien sowie dermanuellen Stabilitätsprüfung.

Klinische Leitsymptome sindSchmerz über den ulnaren Gelenkan-teilen (diffus oder lokalisiert), Schwel-lung, eingeschränkte Daumenfunktionund evtl. Hämatom. Bei ausgedehntenHämatomen mit Ausbreitung entlangder EPL-Sehnen besteht der hochgra-dige Verdacht auf eine Mitbeteiligungder dorsalen Kapselanteile [9]. In eini-gen Fällen mit noch geringer Schwel-lung kann im proximalen Bereich desStrecksehnenhäubchens das zurückge-schlagene Kollateralband („Stener-De-fekt“) getastet werden [9, 15].

Eine spontane palmare Subluxationauf dem seitlichen Röntgenbild kannals indirektes röntgenologisches Insta-bilitätskriterium als Hinweis auf einenEinriß der dorsalen Gelenkkapsel, wel-cher ebenfalls der operativen Therapiezugeführt wird, gewertet werden.

Zur Bestimmung des Ausmaßesder Distorsion erfolgt die manuelleStabilitätstestung (Tabelle 3). Der Testvergleicht die Stabilitätsverhältnisseder MP-I-Gelenke auf der geschädig-ten und gesunden Seite. Eine ulnareAufklappbarkeit von durchschnitt-lich 20° bei Männern und 25° beiFrauen wird als physiologisch erachtet.Die manuelle Stabilitätstestung kannsehr schmerzhaft sein, weshalb eineLokalanästhesie notwendig werdenkann.

Die Prüfung der Seitenstabilität er-folgt durch Valgusstreß. Neben demAusmaß der vermehrten Aufklapp-barkeit werden das Vorhandenseinoder Fehlen eines federnden Gelenk-anschlags in 0° (Test für den akzesso-rischen Bandanteil) und 30° Flexion(Test für den horizontalen Bandanteil)geprüft. Eine Abweichung > 20–30°und das Fehlen eines federnden An-

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Tabelle 2Bewertungskriterien und Klassifikation der Ergebnisse nach konservativerund operativer Therapie bei Distorsionen im Bereich des ulnaren Kollate-ralbandkomplexes nach Moutet et al. [9]

Bewertungskriterien Sehr gut Gut Mäßig Schlecht

Schmerzen – – – +Stabilität + + + –Beweglichkeit – –10–15% –20–30%

– Flexion im MP-I-Gelenk– Oppositionsfähigkeit

des 1. StrahlsKraft bei Pinchgriff + + + –

Page 4: Ulnare Kollateralbandruptur am Daumengrundgelenk

schlags kennzeichnen eine Bandver-letzung. Die Prüfung der Stabilität derpalmaren und dorsalen Kapselanteileerfolgt mit dem sog. „Schubladen-test“ durch d.-p.-Streß. Eine röntge-nologische Dokumentation im Sinn

von „gehaltenen Aufnahmen“ kanndurchgeführt werden [4], ist abernicht obligat.

Patienten mit schmerzhaftem MP-I-Gelenk ohne ligamentäre Instabilität(Grad 1) werden der frühfunktionellen

Behandlung zugeführt. Ein zusätzli-cher Tape-Verband kann angelegt wer-den (Tabelle 1, Abb.1).

Patienten mit unidirektionaler In-stabilität ohne Extension der Läsion imBereich der dorsalen Kapselanteile(ausgedehntes Hämatom, dorsalerDruckschmerz) werden für 4 Wochenin einer Daumenorthese ruhiggestellt(Tabelle 1, Abb.1).

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BEHANDLUNGSVERFAHREN

Abb.1 Leitlinien für die Versorgung von Distorsionen im Bereich des ulnaren Kollateralband-komplexes

ANAMNESE:Valgus- und/oder HyperabdiktionstraumaSchmerzen, Schwellung, Bewegungseinschränkung⇓

INSPEKTION:Schwellung, Hämatom (Cave: Ausbreitung), Schonhaltung⇓

PALPATION:Schmerz (Cave: dorsaler Kapselschmerz), Tumor (Cave: Stener-Defekt)

⇓RÖNTGENUNTERSUCHUNG (DI-Strahl) a.-p./seitlich)

knöcherner Bandausriß

disloziert nicht disloziert=== OPERATION === KONSERVATIV

(Immobilisation 4 Wochen)

kein knöcherner Bandausriß

palmare Subluxationsstellung(seitliche Aufnahme)=== OPERATION

keine palmare Subluxationsstellung

MANUELLE STABILITÄTSPRÜFUNG(evtl. röntgenologische Dokumentation„gehaltene Aufnahme“)

keine Instabilität(Grad-1-Läsion)=== KONSERVATIV

(frühfunktionelle Therapie, evtl. Tape-Verband)

Instabilität

kompletter Bandabriß/multidirektionale InstabilitätSonderform: „Stener-Defekt“

MP-I-Gelenkluxationen=== OPERATION

partieller Bandabriß

mit dorsaler Extension ohne dorsale Extension=== OPERATION unidirektionale Instabilität

=== KONSERVATIV(Immobilisation für 4 Wochen)

Page 5: Ulnare Kollateralbandruptur am Daumengrundgelenk

Patienten mit einer unidirektionalenInstabilität mit Extension im Bereichder dorsalen Kapselanteile und Patien-ten mit multidirektionaler Instabilitätmüssen der operativen Versorgung zu-geführt werden [3]. Der „Stener-De-fekt“ stellt eine Sonderform der multi-direktionalen Instabilität dar. Bei einerkompletten Bandruptur kann der pro-ximale Bandanteil durch Retraktionauf dem Strecksehnenhäubchen desDaumens (Sehnenplatte des M. adduc-tor pollicis) zu liegen kommen. Dieseverhindert nun eine spontane Vernar-bung und liegt zwischen den beidenAnteilen des Ligaments, auch wennder Daumen sachgerecht immobilisiertwird. Nur eine operative Therapie kannbeide Bandanteile unter dem Streck-sehnenhäubchen vereinigen.

Die operative Versorgung der fri-schen Läsionen muß innerhalb der er-

sten 10 bis maximal 15 Tage nach demTrauma erfolgen, um das Risiko einerspäteren chronischen Instabilität zuvermeiden [8, 9]. Bei allen operativenVersorgungen nach diesem Zeitraum sollte eine Bandplastik durchgeführtwerden [9].

Aufgrund der Bedeutung des Dau-mens für alle „greifenden Aktionen“ isteine physiotherapeutische Nachbe-handlung als obligater Therapiebe-stand anzusehen. Unabhängig von dergewählten Therapieart (konservativ vs.operativ) sollten alle Patienten infor-miert werden, daß eine Bewegungsein-schränkung für mindestens 4–6 Wo-chen vorhanden ist. Körperliche Schwer-arbeit sollte erst nach Ablauf von 3 Monaten durchgeführt werden. Ge-ringe bis mäßige Beschwerden (Kälte-empfindlichkeit, Wetterfühligkeit) hal-ten bis zu 6 Monate an.

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Tabelle 3Manuelle Stabilitätstestung im Bereich des MP-I-Gelenks

Vermehrte Aufklappbarkeit Fester Anschlagim Seitenvergleich(Ja in °/Nein) (Ja/Nein)

Valgusstreß/Extension(akzessorisches Bündel)Valgusstreß/Flexion(horizontales Bündel)a.-p.-Streß nach palmara.-p.-Streß nach dorsal

Abb.2 Immobilisation des MP-I-Gelenks