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UM Papers Veröffentlichungsreihe des Internationalen Instituts für Management und Verwaltung Wissenschaftszentruni Berlin IIM/79 - 4 WIRTSCHAFTLICHE PERSPEKTIVEN FÜR BERLIN' ECONOMIC OUTLOOK FOR BERLIN (WEST) von Prof. Dr. Gerhard Mensch •unter Mitarbeit von Dipl.-Volkswirte Klaus Kaasch, Alfred Kleinknecht und Prof. Dr. Ayse Kudat 3o. März 1979 Vorbereitet als Beitrag zum Buchprojekt "The Future of West 3erlin" UM Papers Publication Series of the International Institute of Management

UM Papers Veröffentlichungsreihe des Internationalen ... · schätzung, die ich im folgenden dann begründenwerde: Ein Vergleich der Berliner Wirtschaftsentwicklung mit der in anderen

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UM Papers

Veröffentlichungsreihe des Internationalen I n s t i t u t s für Management und Verwaltung Wissenschaftszentruni B e r l i n

IIM/79 - 4

WIRTSCHAFTLICHE PERSPEKTIVEN FÜR BERLIN' ECONOMIC OUTLOOK FOR BERLIN (WEST)

von

Prof. Dr. Gerhard Mensch

•unter Mitarbeit von

Dipl.-Volkswirte Klaus Kaasch, Alfred Kleinknecht und Prof. Dr. Ayse Kudat

3o. März 1979

Vorbereitet a l s Beitrag zum Buchprojekt "The Future of West 3 e r l i n "

UM Papers

Publication Series of the International I n s t i t u t e of Management

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ZUSAMMENFASSUNG

In diesem Beitrag wird eine günstigere Perspektive für die Berliner Wirtschaft aufgezeigt, als sie sonst üblicher­weise gezeichnet wird.

Die s t a t i s t i s c h e Analyse zeigt, daß die Berliner Wirtschaft mit H i l f e des Blindes die i n der Vergangenheit notwendigen über-^ mäßigen Strukturanpassungen weitgehend g e l e i s t e t hat. Sie i s t deshalb für die Zukunft besser gerüstet als e t l i c h e andere Regionen.

Die w i r t s c h a f t l i c h e n Chancen sind gut für die .Realisierung dieser Perspektive, w e i l P o l i t i k und Marktdynamik den üblichen Unterlassungsgründen und Verzögerungen entgegenwirken.

•SUJV1MARY

This paper depicts a rather favorable .perspective of the v i t a l i t y of the B e r l i n econamy. The S t a t i s t i c a l analysis indicates t h a t B e r l i n , w i t h the help of .the Federal Republic, not-only achieved a s t r u c t u r a l s h i f t , . which, due t o ' h i s t o r i c a l f a c t o r s , was larger than i n other regions. B e r l i n also reached an advantageous p o s i t i o n f o r dealing w i t h future economic developments.

The economic odds seem to werk i n favor of an o p t i m i s t i c rather of a pessimistic scenario, as p o l i t i c a l pressure and market dynamics both tend t o counteract the usual delaying routines.

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GLIEDERUNG

Seite

1. LAGE UND IMAGE DER BERLINER WIRTSCHAFT. 1

11. Die Lage der Berliner Wirtschaftist besser als ihr Ruf............... ... 3

12. Das Image der Berliner Wirtschaftist schlechter als die Wirklichkeit..... 14

2. DER ZUSTAND DER BERLINER WIRTSCHAFT ..•........ 22

21. Der gemischtwirtschaftliche Kreislaufder Berliner Wirtschaft ist im Fließ-gleichgewicht; wenn auch in einemlabilen, das durch die Bundeshilfestabilisiert wird ..........•............. 26

211. Die Berliner Leistungsbilanzist positiv, obwohl die Zahlungs-bilanz negativ ist 30

212. Die Bundeshilfe zum BerlinerEtat e ••••••• 37

22. Das warenproduzierende Gewerbe Berlinsverdient inzwischen die Berliner Waren-bezüge durch die Berliner Warenliefe-rungen CI •••• lO ti 46

221 . "Made in Berlin". o ••••••••••• o ••• ~ • 50222. Die Berliner Einfuhren 55

23. Die Berliner Industrie - im Mittelbauüberdurchschnittlich produktiv unddurch die Berlinförderung für denStrukturwandel gut gerüstet 57

231. Der Industriestrukturwandel -Schwächung der großen und Stär-kung der kleinen, mittleren undmittelgroßen Unternehmen 58

232. Die Wirtschaftsförderung in Berlin. 66

24. Das Berliner ~andwerk - gestärkt undverj üngt CI til·.. • .. .. .. • • • .. • 70

25. Der überstürzte Strukturwandel imBerliner Handel beruhigt sich ... o.o •••••• 72

26. Die Berliner Bau',virtschaft im Umbruchund nicht ohne gute Chancen o ••• 75

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Seiteill

3. ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN FÜR DIEBERLINER WIRTSCHAFT.. ....................... 83

31. Aussichten: Zuversicht................. 87

32. Berlins Stadtfunktionen im Wandel 96

33. Der Wandel der Leitbilder in Berlin .... 104

34. Die Berliner Wirtschafts-Strategieim Wande 1.. . .. . . .. . .. . . .. . .. . . . .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. . ... 111

4. AUSBLICK ••••••••••.•••.• ~ 122

5. ÜBERSICHT : 130

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1. LAGE UND IMAGE DER BERLINER WIRTSCHAFT

Eine Darstellung der Berliner Wirtschaft ergibt erstein realistisches Bild, wenn die besorgniserregendenbzw. hoffnungsvollen Momente mitgenannt werden, dieeine Verschlechterung bzw. eine Verbesserung der Ver-hältnisse erwarten lassen.

Zunächst können wir ganz summarisch feststellen: DieLage der Berliner Wirtschaft ist besser als ihr R~(Abschnitt 11), und das Berlin-Image ist schlechterals die Wirklichkeit (Abschnitt 12).

Infolge der schwierigen Anpassungen in den verflossenenJahrzehnten trägt die Berliner Wirtschaft die Bürdeeines Vorurteils, das heute kaum noch berechtigt ist ..Freilich: "Ein Vorurteil ist schwerer zu zertrümmernals ein AtomI! (AEG-Vorstandssprecher Cipa). Der Senatvon Berlin und die Berliner sind aufgerufen, darüberzu wachen, daß der von den Entwicklungen in der Ver-gangenheit geprägte Negativ-Image nicht länger in dengegenwärtigen Zustand hineininterpretiert wird. Aufkeinen Fall darf dieses Vorurteil unwidersprochen indie Zukunft fortgedeutet werden. Sonst werden die Ber-liner Vorzüge ausgeblendet, und viele Zukunftschancenwerden nicht wahrgenommen.

Nicht nur die traditionellen Risiken, mit denen dieBerliner Wirtschaft inzwischen umzugehen gelernt hat(s. Teil 2), gehören in ein realistisches Bild derBerliner Wirtschaft. Auch die Zukunftschancen für dieBerliner Wirtschaft (s, Teil 3) gehören in ein reali-stisches Bild.

Die ~unst, ein realistisches Bild der BerlinerWirtschaft auf ca. 100 Seiten zu bringen, be-steht weniger in der Darstellung statistischer Fakten,sondern mehr in der Beurteilur.g von Risiken und Chancen:

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Mag der "Zustandfl der Berliner 1iIlirtschaftnoch sotreffend mit Statistiken beschrieben sein - dieFrage wird sein, ob die "Lage" der Berliner Wirt-schaft gut ist oder schlecht.

Mag die "Entwicklun:i: der Berliner Wirtschaft nochso treffend beschrieben sein - die Frage wird sein,ob die "Aussich~ günstig sind oder ungünstig.

Deshalb dürfte selbst eine sehr sinnvolle und darinrealistische Darstellung des Zustands und der Ent-wicklung der Berliner Wirtschaft für Sie, verehrterLeser, doch nur eine Häufung trockener Fakten bleiben,wenn wiruns nicht vorab über das zugrundeliegendeDeutungsmuster verständigen, das den statistischenFakten Aussagekraft verleiht.

,Als Vorabinformation gebe ich Ihnen de sheLb meine Ein-schätzung, die ich im folgenden dann begründenwerde:Ein Vergleich der Berliner Wirtschaftsentwicklung mitder in anderen Regionen und Nationen zeigt, daß die Re-zession in den vergangenen sieben Jahre grundsätzlichnicht berlinspezifisch war, daß aber einige BerlinerBesonderheiten in der Vergangenheit teilweise zu stär-keren Ausprägungen führten; beispielsweise der über-durchschnittliche Abbau industrieller Arbeitsplätze inBerlin. _

Andererseits deuten óiese ungünstigeren Ergebnissean, daß Berlin die berlihspezifischen Problemenunmehr weitgehend gemeistert und die Berliner Industriebereichsweise sogar Produktivitätsvorsprünge erzielt hat,so daß die Lage der Berliner Wirtschaft zwar nicht be-friedigend, aber doch viel besser ist, als das schlechteBerlin-Image sie erscheinen läßt.

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11. Die Lage der Berliner Wirtschaft ist besserals ihr Ruf

Betrachtet man die langfristige Entwicklung der BerlinerWirtschaft mit der in anderen Regionen und Industrie-nationen, so stellt man in großen Zügen in Berlin eineanaloge Entwicklung zu anderswo fest. Die weltweitenmarktspezifischen Generaltendenzen, die sich in derHöhe des Wachstums und in der Geschwindigkeit desStrukturwandels niederschlagen, wirken sich in Berlinwie anderswo auch recht ähnlich aUSi dagegen sind dieregionalen Sonderentwicklungen eher kleine Abweichungen.Ohne Berlin zu einer "normalen Stadt" umdeuten zu wollen,läßt sich doch für die Entwicklung der Berliner Wirt-schaft in den vergangenen 28 Jahren folgendes Analogie-PrinziE aufstellen und nachweisen:

Der im Mfrrktwettbewerb stehende Teil der Berliner Wirt-schaft hat sich strukturell (gemessen am Einsatz vonArbeitsstunden und Investitionskapital in der Produktion)in der Vergangenheit nicht wes'entlich 'anders entwickeltals die Wirtschaft in vergleichbaren Stadt- oder Flächen-staaten innerhalb der Bundesrepublik (s. Abbildung 1),wie auch die Wirtschaft der Bundesrepublik insgesamtähnlichen makroökonomischen Tendenzen des Wandels inder Faktorallokation unterworfen war und ist wie dieWirtschaft in anderen Industrienationen (s. Abbildungen2 bis 6).

Der Leser mag fragen, warum hier die generellen Markt-tendenzen nicht an der Höhe der Produktion gemessen wer-den, sondern am Einsatz von Arbeitsstunden und Investitions-kapital. Der Grund ist einmal, daß sich mit dem Umfangder Produktion bzw. des Umsatzes die dahinterstehendenStrukturverschiebungen nicht ins Bild rücken lassen.Der Strukturwandel, wie er die Menschen betrifft (alsBeschäftigte, als Kapitaleigner) , läßt sich am bestendurch Verschiebungen im Verhältnis von A = Arbeits-

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Die makroökonomischen Generallinien in der Wirtschafts-entwicklung im interregionalen und internationalenVergleich zeigen die folgenden Strukturbilder (Abbil-dungen 1 bis 6). Danach hat auch in anderen Bundes-ländern, im Bundesgebiet und in anderen Industrieländern inin den sechziger Jahren ein rezessiver Strukturwandeleingesetzt, und dieser Marktwandel hat in den siebzigerJahren die Wirtschaften in allen Bundesländern undIndustrieländern in ähnlicher Weise betroffen. DieserWandel ist ein weltwirtschaftliches Phänomen.

1. Fazit: Die marktwirtschaftlichen Hauptten'de'nzenhaben überall ähnlich gewi'rkt¡der größte Teilder wirtschaftlichen Probleme in der Produktions-sphäre Berlins_ ist nicht berl~n-spezifisch I

sondern ist von Änderungen in der internationalenArbeitsteilung und der ~eltmarktnachfrage verur-sacht worden.

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l\rlJeits-stundon-Index(1962=100)

100

90

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70c. j.

60

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SO 75

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~,,~1"rInvestitions-In-dex (1962=100)

100 , 2·5 150 175

Langzeit-Vergleich

des Arbeitsstunden- und Investitionskapital-einsatzes in der Gesamtindustrie der Bundes-republik (BRD) und in den größten Flächen-(NRW) und Stadtstaaten (Berlin) innerhalbder Bundesrepublik Deutschland (s. Tabelle1)

Abbildung 1

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6

I

\ ...

.'

Fertigungsstunden- und Investitionskapital-Einsatz(Index 1962 = 100) in der deutschen Industrie (BRD)und in den größten Flächen-(NRW) und -Stadtstaaten.(Berlin) der BRD

..NRW BRD .Berlin

A I A I A I,

1950 71.1 29.5 61.9 51.951 79.2 33.8 65.2 57.652 80.8 34.0 67.5 56.353' 83 •.7 37.0 73.2 57.454 91.2 44.4 82.8 63.5

1955 99.1 57.9 96.3 89.956 103.0 61.5 103.7 93.457 100.3 60.9 100.r 91.258 101.0 61 ..9 101.2 84.659 99.8 67.2 102.7 94.1

"1960 103.0 87.8 109.0 102.061 _- 103.1 99.4 108.9 102.0 .62 100.0 100.0

»Ó,100.0 100.0 100.0 100.0

63 96.8 96.4 95.6 93.664 96.2 96.2 97.0 101.9 93.1 97.1

1965 95.8 104.4 97.4 114.9 93.0 133.666 90.9 103.5 94.0 117'.5 88.9 I 140.067 80.5 91.7 84.5 105.8 79.1 112.868 82.2 85.5 87.1 100.5 79.5 119.669 85.8 116.8 91.9 138.7 82.1 I 166.4

1970 87:1 163.0 94.2 184.4 82.7 185.371 83.6 171.7 90.2 • 195.3 '77.2 181.372 79.2 153.7 86.2 179.0 .-71 .8 182.073 78.5 '135.1 85.7 171.1 70.3 181.554 73.6 120.6 80.4 168.0 65.1 164.8

1975 65.9 128.6 71.8 164.0 56.5 146.476 65.6 71.8 165.9 53.9 135.077 69.2 177.7 51.1 135.278 68.5 185.3

IIMV/GM Tabelle 1

, .

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Abbildung 2:

A =Arbeits-stundenC 109 )

Kennzahlen der Faktorallokation CA,I)in der bundesdeutschen Industrie

lJ.51I

"II1).<J1

IIII

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I1I

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I1 --'IQ60.9.01I, III

B.51 I I5 10

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I 1 I I20 25

1JO , ,'IJ5,

, 1 'I40 _ 45

I = Brutto-Anlageinvestitionen

Abbild~~g 3: Kennzahlen der Faktorallokation CA,I)

A =Arbeits-stundenC 107 )

in der ja:eanischen IndustrielA f963 ,q7-3. 'II .

2'2!101I /1ro1t

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1'1{,5"1 /q bO2l!QI1I IQ1S" 'II • ¡tiS;2Il~01III1

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ln~J¡ ¡qfo I i I I I I 1 I I I 1 I Io :'>I11}(J 11l(lQ() 15000 2000:J 25000 30000 35000

I = Brutto-Anlageinvestitionen

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8.

Abbildung 4: Kennzahlen der Faktorallokation CA,I)in der niederländischen Industrie

A ::Arbeits-stundenC 108 )

62.5'111,

GO.OI1I,1

57.!Jl1I {q(¡!I

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52.51,,I .I

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I ::Brutto-Anlageinvestitionen

Abbildung 5: Kennzahlen der Faktorallokation CA,I)in der britischen Industrie

A =:Arbeits-stundenC 107 )

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l~O' , I , I I I I I I , , I I!fI 12 1. I I I16 16 20 ' 22 24 26

I :: Brutto-Anlageinvestitionen

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Abbildung 6: Kennzahlen der Faktorallokation CA,I)in der US-Manufacturing Industrie

.'. 69A = .- 68 3

600 74Arbeits- 66stunden " 67 ,70 /2

C 109 ) 750 671

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6 1975700 6 J

55 62o

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1950 .600

4 5 6 7 a 9 10 15 20 25'

I = Brutto-Anlageinvestitionen

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10(!#J

.~

Von den Grundtendenzen der Wirtschaftsdynamik ausbetrachtet liegt Berlin durchaus im Trend mitanderen Wirtschaftsregionen und dem gesamten Bun-

t

desgebiet. Trotzdem gibt es in Berlins Entwicklungeine Reihe von besonderen Ausprägungen, die durchden Vergleich in Abbildung 1 deutlich werden:

- Die Berliner Wirtschaft hat am Investitions-und Arbeitsplatzwachstum in der Wiederaufbau-phase der Nachkriegszeit bis 1960/61 analogzur bundesd,eutschen 'vVirtschaftpartizipiert;sie hat das vorhandene gewerbliche und mensch-liche Leistungspotent~al remobilisiert .und dabeibis zum Hauerbau 1961 sogar vergleichsweise mehrArbeitsplätze geschaffen als die bundesdeutscheWirtschaft. Berlin bewies seine Stärke in derReorganisation jener Gewerbezweige, die sichohne großen Kapitalaufwand reorganisieren ließen.

- Im Vergleich zur bundesweiten Investitition tratdann in den letzten fünfziger Jahren und in derZeit nach dem Hauerbau (1961) in Berlin einedeutliche Zurückhaltung bei den industriel~en,kapitalintensiven Investitionen ein. Dieser Unter-invest~tionseffekt ist eindeutig auf die politi-schen Wirren und Schocks jener Jahre zurückzuführen.

- Die berlinspezifische Investitionslücke der Jahre1958 - 1962 und der aufgestaute Nachholbedarfhaben dann Echo-Effekte in Berlin ausgel6st: Erstgab es einen gewalt~gen Investitionsstoß in denJahren 1965/66, der dengleichzeitigen (konjunktur-bedingten) Investitionsstoß im Bundesdurchschnittum etwa das Doppelte übertraf, und dann nach einerZwischenpause wieder eine Investitionskonjunktur inden Jahren 1969-73, die mit Ausnahme von 1971 weitüber dem Bundesdurchschnitt lag, und schließlich

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gab es nach einer weiteren Zwischenpause drittenswieder eine berlinspezifische Sonderkonjunktur beiden Ausrüstungsinvestitionen von 1976 bis insJahr 1978 hinein. Die Spitzen in der Investitions-quote sind in Berlin seit 20 Jahren ausgeprägterals im Bundesgebiet (s. Abbildung 1).

- So wie die Bundesrepublik im Vergleich zum Auslandein arbeitskräfteknappes Land ist, so ist es Berlin(West) im Vergleich zum Bund. So g~b es 1976 inBerlin eine offene Stelle für. je drei Arbeitslose,im Bundesdurchschnitt nur eine offene Stelle fürvier Arbeitslose, und die Zahl der 'Kurzarbeiterwar in Berlin 10 % kleiner als die Zahl der offenenStellen, im Bund aber um 20 % größer. Diese BerlinerBesonderheit wurde durch den Schock der Zugangs-sperre für Ostberliner Arbeitskräfte 1961 teilsausgelöst, teils verschärft, und dieser Mangel vorallem bei. qualifizierten Arbeitskräften wurde vonder Wirtschaft mit vergleichsweise arbeitssparende-ren Investitionen beantwortet. Weil solche produktivi-tätssteigernden Maßnahmen überdurchschnittlichkapitalintensiv sind, brachten sie in den vergangenen17 Jahren in der Berliner Industrie einen deutliche-ren Arbeitsstundenrückgang'mit sich, als er bundes-durchschnittlich zu verzeichnen war. Die damit ver-bundenen Arbeitserleichterungen haben der BerlinerArbeitswelt den Ruf eingetragen, vergleichsweiseentspannter (leichter, geringerer Arbeitsdruck) zusein. Auch dies ist ein Echo-Effekt.

- Diese Echo-Effekte prägten die Schwankungen in derBerliner Investitionstätigkeit schärfer aus als imkonjunkturellen Zyklus des Bundesgebietes. Das istzudem bei der unterschiedlichen Größenordnung beiderWirtschaftsgebilde nicht anders zu erwarten: Berlinerzeugt nur knapp 4 Prozent des bundesdeutschenSozialproduktes, und in kleinen Wirtschaftsräumen

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. ,

tritt das Investitionsvolumen ohnehin wenigerstetig auf als in groBen. Die tatsächlicheInvestitionstätigkeit und WirtschaftsentwicklungBerlins muB also gerechterweise im mehrjährigenüberblick ger,vlirdig'twerden. Die Berliner Investi-tionsstöBe stechen dann, wie der Wirtschafts-dienst der Berliner Handels- und FrankfurterBank (BEF) vom 29. 7. 1978 schreibt, 'um so deut-licher hervor: als ein Einzelfall, als ein wohl-tätiges Beispiel: nObwohl weder der Bund noch derSenat spektakuläre neue Förderungsmaßnahmen einge-führt haben, sind im vergangenen Jahr nach einemlang anhaltenden Rückgang die Ausrüstungsinvestitio-nen in Berlin wieder kräftig gestiegen. Währendder Rückgang nach Ausschaltung der Preiseinflüsseim Jahre 1975 9,8 Prozent und 1976 noch 6,2 Prozentbetragen hatte, wurden im vergangenen Jahr in Ber-lin real wieder 5,3 Prozent mehr als im Vorjahrinvestiert,,1). Der BEF-Wirtscha-ftsdienst, derseinen Bericht "Berliner Barometer" überschreibt,spricht von einem Umschwungin der Einschätzung derwi'rtschaftlichenZ·ukunft B'erlins.

Offenbar hinkt die Lagebeurteilung, die vom chronischschlechten Berlin-Image negativ verfärbt ist, hinterder tatsächlich günstigeren Realentwicklung hinter-her. "Wie gering derzeit das politische Berlin-Risiko eingeschätzt wird" konstatiert auch Die Wirt-schaftswoche, die angesichts der Dividendenpolitikder Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-AG 2) bemerkt,daß die früher üblichen Berlinrücksichten wohl nichtmehr für nötig erachtet wurden. Einen Stimmungs-umschwung zumindest bei den Wirtschaftsführern ergabeine Umfrage, die wir durchgeführt habèn 3); s. Teil 3.

1) Berliner Handels- und FrankfurterBank,WirtschaftsdienstHr. 1129 vem 29. 7. 1978

2) Die WirtschaftswocheHr. 49 van 1. 12. 1978, S. 973) Umfrage lmter Wirtsc~ßftsführernL~ Berlin, International

Instituteof ~1anagement,dp-SeriesNr. 79-19, Berlin y¿æz 1979

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Die Lage der Berliner Wirtschaft, insbesondereder Berliner Industrie, wurde in den vergangenenJahren als alarmierend empfunden vor allem deshalb,weil die Zahl der industriellen Arbeitsplätze von1970 auf 1976 um 26 % gesunken war, im Bundesdurch-schnitt aber nur um die Hälfte dessen (- 13 %).Um abschätzen zu können, wie weit dieser schmerz-liche Arbeitsplatzabbau ein günstiges bzw. ungünsti-ges Licht auf die Zukunftsaussichten am BerlinerArbeitsmarkt wirft, muß der Vergleich zum Bundgezogen werden:· Laut Mikrozensus war die Arbei ts-losenquote in Berlin trotz des überdurchschnitt-lichen Beschäftigtenabbaus in der Industrie ins-gesamt unterdurchschnittlich:

Arbeitslosenquote in Prozent..

1974 1975 1976 1977..

Berlin 2,0 3,7 3,9 4,5

Bund 2,6 4,7 4,6 4,5

Hinter dem überdurchschnittlichen Arbeitsplatzabbauin der Berliner Industrie wird d~r eigentliche An-passung-svorgang sichtbar: Die Arbeitslosigkeit imarb~itskräf.teknappen Berlin pendelte sich auf diehöhere Arbeitslosigkeit im Bundesgebiet ein.

2. Fazit: Sowohl von der Warte der Beschäftigungals auch von der Warte der Investitionstätigkeither betrachtet ist die Lage der Berliner Wirt-schaft nicht als "kritisch", sondern als "sichweiter normalisierend" zu bezeichnen. Die Lageist besser als ihr Ruf.

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12. Das Image· der Berliner 1i'Hrtschaftistschlechter als die Wirklichkeit

liIsBerlin a dying city?" lautete der Aufhänger einesArtikels im International Herald Tribune, SpecialReport on West Germany (April 1978).

Es ist bekannt, daß ein Teil der Presse Berlin. gerngrau in grau malt. Dabei werden. häufig einzelne poli-tische Faktoren auf die Wirtschaftsverhältnisse alsGanzes übertragen. Die Üb€rtragung undGeneralisierungwerden aber der Wirtschaft der Stadt oft nicht gerecht.Sie ist objektiv besser als ihr Ruf, der sich freilichin den Jahren nach dem Viermächteabkommen auch schonsehr gebessert hat. Ein Beispiel dafür ist die imFigaro erschienene "Liebeserklärung eines Franzosenan eine europäische Metropole" (Die Welt vom 25.8.78),in der Jean-Paul Picaper Berlin als "Die Stadt derZukunft" und als "Modellstadtll für Attraktivität undLebensqualität ~ezeichnet.

Auf das wohlverstandene Interesse mancher Verantwort-licher und ·Unverantwortlicher, Berlin in Grau zu malen,und auf den Nutzen der Taktik des Jammerns braucht hiernur kurz hingewiesen zu werden. Es gibt subjektive Vor-urteile, die Bestand haben. Merkwürdigerweise sindaber auch scheinbar objektive Kennzahlen,bei Normal-verwendung in der Wirtschaftsberichterstattung manchmal- und ganz unbeabsichtigt- geeignet, dem Berlin-Imagesystematisch zu schaden. So wie man ein Glas Wasserals halb volloder als halb leer bezeichnet, je nach-dem, obman damit zugleich andeuten will, daß das Glasentweder am Leerlaufen oder am Vollaufen ist, so istdie übliche Wirtschaftsstatistik objektiv dazu ange-tan, die wirtschaftlichen Verhältnisse in Berlin in einungünstigeres Licht zu tauchen, als es der Sache nachin dynamischer Sicht gerechtfertigt. ist.

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Für die wirtschaftlichen Verhältnisse in einem Stadtstaat·wie Berlin sind manche volkswirtschaftlicheKennziffern ganz einfach unpassende und unfaireMaßstäbe. Selbst die wohlmeinendste Berlinwerbungkann die unbeabsichtigte Verzeichnung des Berlin-Images durch unpassende Maßstäbe nicht korrigieren.Manche Statistiken sind aùßerdem vieldeùtig •.

Mit vieldeutigen Kennzahlen der Wirt-schaftsentwicklung kann man recht willkürlichpositive bzw. negative Eindrücke vermitteln undsomit fast beliebig Stimmung machen. Wer will, kanndoppeldeutige Kennz~ffern leicht dazu verwenden,Schatten auch auf die lichten Seiten der Wirtschafts-entwicklung zu werfen. Es li.egt demnach im subjek-tiven Spielraum des Wirtschàftsberichterstatters,ob erunpassende oder doppeldeutige Statistikenüberhaupt verwendet uhd sie zum Vorteiloder NachteilBerlins auslegt.

Nehmen ..wir als Beispiel für DoppeldeutigkeitdieKennzahlen über die Entwicklung des Bruttoinlands-produkts je Erwerbstätigen in Tabelle 2. Danach steht,wenn wir wie üblich positive Ziffern mit einem.positi-ven Eindruck gleichsetzen, die Produktivitätsentwick-lung in Berlin in den Jahren 1974/75 außerordentlichpositiv da, wohingegen das Jahr 1976 ein schlechtesAbschneiden Berlins im Vergleich zum Bund signalisiert.Würdigt man jedoch d~e zweischneidige Bedeutung dieserKen~zahl in ihrem dynamischen Aspekt, nämlich, daß einestagnierende Produktion mit einer schrumpfenden Zahlvon Arbeitskräften erzeugt wurde, so läßt sich miteiner hohen Bruttoinlandsproduktion je Erwerbstätigenebensogut ein beschäftigungspolitisch negatives Bildzeichnen. Beides wurde in der Berichterstattung überdie Berliner Wirtschaft getan - mit denselben Zahlen.

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Ein anderes Beispiel: Man könnte dieunterdurch-schnittliche Verbesserung des Bruttoinlands-produktes je Erwerbstätigen von 1975 auf 1976 inBerlin (3,1 % im Vergleich zu 6,7 % im Bund) alsein Positivum werten, nämlich als ein Erfolgs-kri ter1tun¡ weil dahinter steht, daß die WirtschaftBerlins bis zum Jahre 1976 bereits die verfügbarenRationalisierungspotentiale weitgehend wahrgenommenhatte, darin also dem Bund voraus war. Man kann also,je nachdem, ob man diese statistischen Zahlen positivoder negativ mit Bedeutung besetzt, diese scheinbarganz objektiven Kennzahlen positivoder negativ ver-wenden.

TABELLE 2

,-------------------------------------------------------------Prozentuale Veränderung des Bruttoinlands-produktes je Erwerbstätigen in Berlin undin der Bundesrepublik (in Preisen von 1962)

Berlin .'Bundesgebiet

1972 + 3,6 + 3 I 6

1973 + 4,7 + 4,91974 + 3,5 + 2,61975 + 2,0 + 0,0

(+ 3,1) (+ 6,7)1976 + 5 I 1 + 6 I 7

Quelle: Statistisches Landesamt Berlin

Hinter dem Verzeichnen mit Statistiken muß nichtAbsicht stehen. Paradoxerweise wirken sich oft auchganz eindeutige und richtige Kennziffern selbst inder wohlmeinenden Berichterstattung nachteilig aus.Unpassende Maßstäbe müssen bei Gebrauch einen falschen I

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Eindruck erwecken. Diese.im falschen Gebrauchder Statistik angelegte, oft unbeabsichtigte Ver-zeichnung Berlins beruht auf zwei Fehlern, diedarauf beruhen, daß man hochaggregierte Kennzahlenauf so kleine Wirtschaftsaggregate wie Berlin oderBremen anwendet;

1) Der erste statistiqche Fehler beruht aufdem vorgenannten Echo-Effekt: damit ist dieTatsache gemeint, daß in der Berliner Wirt-schaftsentwicklung mehrjährige Investitions-lücken mit ausgeprägten Investitionsstößenin den Vorjahren und Folgejahren in engemZusammenhang stehen. Weil bei dieser stoß-weisen Investition auf mehrere schlechteJahresberichte nur manchmal ein guter kommt,'der dann womöglich auch noch untergeht, erscheintdie mehrjährige Berichtsbilanz Berlins negativ,obwohl sie bei dynamischer Sicht ausgeglichen.sein müßte.

2) Der zweite statistische Fehler beruht aufeinem Dramatisierungs~Effekt: damit ist dieTatsache gemeint, daß in einem kleinen Land(Berlin erzeugt nur 3,7 % des·Brutto-Inlands-produktes des Bundes) solche Ausschläge vieldramatischer erscheinen als sie im mehrjährigenRhythmus tatsächlich sind. Für Berlin, wo dieEcho-Effekte zudem noch politisch mitausgelöstwaren, sind diese Statistiken besonders unfair.

Der Echo-Effekt und der Dramatisierungseffekt inder Wirtschaftsberichterstattung wirken sich alsoregelmäßig zum Nachteil des Berliner Images aus.Auch dafür ein paar Beispiele:

Etlichen Schaden für die Berliner Reputation richtetendie statistischen Berichte Anfang 1977 an, wonach

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Ein anderes Beispiel für die 'Image-Verzerrung durchdie Statistik bietet die folgende Abbildung 7überdie Wachstumsunterschiedezwischen den Bundesländern.Darin erscheint Berlin als Schlußlicht. Dieserschlechte EinQruck ist nun aber stark vom gewähltenMaßstab (reales Bruttoinlandsprodukt) und vom ge-wählten Zeitpunkt der Berichterstattung (1976 gegen-über 1975) abhängig. Das Bild wird nämlich erheblichbesser, wenn man einen für Berliner Verhältnisseaussagekräftigeren Maßstab anlegt (norninelles Brutto-inlandsprodukt) , siehe Tabelle 3. Dann rückt Berlinvom letzten auf dén viertletzten Platz vorim Ver-gleich von 1976gegenüber 1975; und 'sehon im folgendenJahresvergleich (1977 gegenüber 1976) liegt Berlinim vorderen Mittelfeld, nämlich auf dem S. Platz,und sieben andere Bundesländer folgen mit niedrigerem I

Wachstum. Solche Statistiken sind einfach willkürlich. !

18

Berlin (West) 1976 gegenüber 1975 sein Brutto-inlandsprodukt pro Erwerbstätigen nur um 3,1 % ver-bessert habe, wohingegen im Bundesdurchschnitteine Verbesserung um 6,7 %, also mu mehr als dasDoppelte, erzielt worden wäre. Hier wurde aus demZusammenhang gerissen: Die vollständigen Zahlen-reihen in Tabelle 2 stellen den falschen Eindruckrichtig.' Berlin lag 2 Jahre lang (1974 und 1975).deutlich über dem Bundesdurchschnitt, so daß dienun relativ kleinere Verbesserung 1976 nur auf derBasis eines höheren Vorjahrsniveaus so niedrigausfiel.

..

'V'lieunfair die gesamtwirtschaftliche (Makro-) Statistiksein kann, wenn man sie in relativ kleinen Stadt-staaten anwendet, und wie sehr damit falsche Ein-drücke erweckt bzw. gepflegt werden, zeigt das Bei-spiel Bremens in Tabelle 3. Der kleine StadtstaatBremen kommt in der Wirtschaftsberichterstattung ,häufig noch schlechter weg als Berlin: so rangiert

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Berlin - Schlußlicht im regionalen Wachstum?

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Quelle: IHD Informationsdienst des Institutesder Ceutsc hen Wirtschaft, Jg. 3(1977),Nr. 25·vom 23.6.77)

lIMV/GM Abbildung 7

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Bremen 1976 gegenüber 1976 auf dem letzten (11.)Platz in der regionalen Rangordnung, 1977 gegenüber1976 aber schon auf dem 2. Platz. Das ist reinestatistische Willkür. Echo- und Dramatisierungs-Effekt wirken zusammen in der übertreibung guterund schlechter Eindrücke, denn daß die Wirtschafteines kleinen Landes wie Bremen in jährlichem Wech-sel heute kaputt und morgen wieder sehr gut seinsoll, ist nur eine statistische Fehlleistung in derBerichterstattung, nicht aber Realität.

3. Fazit: Die üblichen, verfügbaren Kennziffernüber die Leistungen der Berliner Wirtschaftzeichnen systematisch ein vergleichsweisenachteiliges Bild. Die Statistik wirft auchbei wohlmeinender Berichterstattung nochSchatten, wo keine sind. Deshalb 'ist dasImage der Berliner Wirtschaft' durchwegschlech-ter,' ails es derReal'i tät' ents'Oricht.

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2. DER ZUSTAND DERBERLINER WIRTSCHAFT

.Die BerLí.ne r Wirtschaft ist eine gemischtwirtschaft-liche: Allein schon die Berliner Eigenbetriebe leistendurch Versorgung und Entsorgung der Bevölkerung einenwirtschaftlich gewichtigen Beitrag ,(Gesamtleistungder' Eigenbetriebe, gemessen an ihrem addierten Umsatz1977, rund 1,34 Mrd. DM) und regen dafür mit rund1,04 Mrd. DM Personalkosten,pro Jahr (1977) denBerliner Wirtschaftskreislauf an (s. Tabelle 4 )•Zählt man die vielen Unternehmen mit Landesbeteiligungwie die Berliner Bank, die Berliner Kraft- und Licht(BEWAG) AG (Gesamtleistung 1977 ca. 1,3 Mrd. DM), dieverschiedenen Berliner Wohnungsbaugesellschaften undmarktmäßigen Dienstleistungsunternehmen wie dieBerlin-Consult mit hinzu und klammert die kommunalenBetriebe wie'die Landes- und Bezirks-Krankenhäusersowie die Bundesunternerunen wie die DIAG, die Postoder die Bundesdruokerei nicht aus, so ergibt sichin Berlin ein Wirtschaitsgefüge, in dem sich staat-liche und private Unternehmen ergänzen und vermischen

..w_ie_z ,_E_o die fast 100 Firmen, die medizintechnischeGeräte aller Art herstellen, und die privaten undstaatlichen Klinikbetriebe.

Dieser gemischtwirtschaftliche Leistungsverbund leistetan Berliner und Nichtberliner¡ er leistet zum Markt-wert oder gegen Anerkennungsgebühren und Ausgleichs-zahlungen, wo sich solche direkt kassieren lassen(etwa im Kultur-, Verkehrs- oder Gesundheitsbetrieb) ,oder zum Nulltarif (wie im Bildungswesen) , wo einInkasso nicht opportun oder nicht praktikabel ist.Berlin hat als ehemalige Hauptstadt eine Reihe vonSektoren, wo es zum Nulltarif oder gegen niedrigeAnerkennungsgebUhren etwas leistet, was auch und vorallem Nichtberlinern zugutekommt, und wofür Berlinvom Bund im allgemeinen auch Ausgleichszahlungenerhält.

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Die vornehmste unter den Leistungen der Stadt istdas Vorhalten der Kapazität für den Sitz derRegier~ng des wiedervereinigten Deutschlands. Dasist ein öffentliches Gut, mit dessen ErstellungBerlin den grundgesetzlichen Willen aller Bundes-länder zur Wiedervereinigung und unseren völker-rechtlichen Anspruch darauf glaubhaft macht voraller Welt.

Betrachtet man die Berliner Leistungsbilanz nichtnur im Bereich der am Markt direkt abrechenbarenWaren, sondern zi~ht auch den Bereich der gemischt-wirtschaftlich und staatlich erzeugten öffentlichenGüter und deren Fernabsatz, wofür es den Zahlungs-ausgleich durch die Bundeshilfe gibt, mit in Betracht,dann läßt sich feststellen:

(1) Die ohne die großzügige Bundeshilfe negativeZahlungsbilanz Berlins vermittelt einen un-fairen Eindruck; denn die gemischtwirtschaft-liche Leistungspilanz Berlins ist positiv.

(2 ) Der gemischtwirtschaftliche Kreislauf derBerliner Wirtschaft ist im Fließgleichgewicht,wenn auch in einem labilen, weil so vieleBerliner Leistungen nicht direkt vom Markt,sondern indirekt über den Etat bezahlt werden.

(3) Der marktwirtschaftliche Teilbereich der Ber-liner Wirtschaft (Industrie, Handwerk, privateDienstleistungen) hat sich in der Vergangenheitan die geänderten politischen Verhältnisse,Standortnachteile und Marktänderungen anpassenmüssen. Dies ist, wie ich im folgenden zeigenwerde, der Privatwirtschaft weitgehend gelungen- dank der stabilisierenden Wirkung der Ein-bettung in den gemischtwirtschaftlichen Leistungs-

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·25

verbund, dank der Ausgleichshilfen nach demBerlinförderungsgesetz und dank der "Bundes-präsenz" von etwa 45 000 Bundesbedienstetenin Bundeseinrichtungen in Berlin.

Die meisten Kenner der Wirtschaftsabläufe stimmen darinweitgehend überein, daß in den nächsten Jahren derStrukturwandel in den verschiedenen Wirtschaftssektorenmit beschleunigtem Tempo stattfinden wird, weil dieweltwirtschaftliche Arbeitsteilung sich rapide wandelt.Berlin als offene Stadt, deren Industrieprodukte vonAlaska bis zu den Antipoden gehen, wird weiterhinunter Umstellungsdruck stehen. Für die Umstellungender Zukunft ist die Berliner Wirtschaft inzwischenim Vergleich zu anderen Regionen gut gerüstet. Durchdie Einbettung in einen großen gemischtwirtschaftlichenVerbund wird das Bestehende gestützt, und der Staathat Mittel ersonnen, um auch das Entstehende wirksamfördern zu können. Letztere Perspektive wird imTeil 3 behandelt.

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21. Der gemischtwirtschaftliche Kreislauf derBerliner Wirtschaft ist im Fließgewicht;wenn auch'in einem labilen, das durch dieBundeshilfe stabilisiert wird

Eine Momentaufnahme der Mächtigkeit des Kreislaufsder Berliner Wirtschaft Ende 1977 zeigt, daß etwa dieknappe Hälfte (20,5 Mrd. DM) des Berliner Sozialproduktesvon 44 Mrd. DM vom Berliner Handwerk und der BerlinerIndustrie (verarbeitendes Gewerbe) erarbeitet wordenist: von etwa 310 000 Beschäftigten in Industrie undHandwerk, während die ungefähr 186 000 Beschäftigtenim öffentlichen Dienst rund ein Fünftel (8,6 Mrd. DM)des Berliner Sozialproduktes erarbeiteten, aber mehrals ein Viertel verwendeten (s. Tabelle 5 ).

Kritiker dieses Zustandes beklagen dies als ein be-denkliches Mißverhältnis zwischen dertlPYoduktivität"der Berliner Wirtschaft und der Berliner Verwaltung,und sie beklagen.besonders ein Mißverhälthis von"'Produktivität" und "Kon sunrtLv í.t.ät;" der öffentlichenHand (1/5 vs. 1/4).

Diese statistische Betrachtung wird aber der Sachlagenicht gerecht. Eine Kompensation durch den staatlichenSektor war unvermeidlich, damit die laufenden Produk-tivitätsfortschritte in den westlichen Industrieländernauch von der Berliner Industrie mitvollzogen werden .konnten, und um den Hauptbeitrag zum Sozialproduktzu sichern, den das warenproduzierende Gewerbe leistete,nämlich 46,6 %. Um die Stellung im überregionalenMarktwettbewerb halten zu können, der zu einem Rück-gang derIndustriebeschäftigten von etwa 300 000 (1965)auf 176 000 (1977) geführt hat, war ein Anstieg beiden Beschäftigten im öffentlichen Dienst von wenigerals 140 000 (1965) auf über 180 000 (1977) vonnöten(s. Abbildung 3). Ohne Abpufferung dieses Beschäftigten-

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27

Kreislauf der Berliner Wirtschaft 1977-~------------~-----------------------1. Entstehung des Berliner Sozialproduktes 1977

Sektor:WarenproduzierendesGewerbe (ohneEnergiewirtschaft)Staat (einschI.Energiewirtschaft)

20,5 46,6

8,6 19,0

Sonstige (Handel,Verkehr u~ DienstI.)

14,9 34,4

44,0 Mrd. DM 100,0 %============ =======.2. Verwendung des Berliner Sozialproduktes 1977

Ausgabenart:Privatkonsum 26,0 58,4Staatskonsum 11 ,6 26,1Investitionen 6,9 15,5 ...

44,5 Mrd. DM 100,0 %============ --------------

Quelle:Der Senator von Berlin,13. Bericht zur Lage der Berliner Wirtschaft, 1978S. 43 - 45

TABELLE 5

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1

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Verschiebung in der Beschäftigtenstrukturvon Berlin (Wes~)

Beschäftigte (in 1000)

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Abbildung 8

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strukturwandels wäre es auch ,dem privaten Dienst-leistungssektor nicht möglich gewesen; seinenBeitrag zum Berliner Sozialprodukt inzwischen zuverdoppeln (Handel und Verkehr: 1965 3,A Mrd. DM,1977 6,5 Mrd. DM) bzw. zu verdreifachen (privateDienstleistungsunternehmen: 1965 2,6 Mrd. DM,1977 8,4 Mrd. DM).

Bei dynamischer Betrachtung zeigt sich, daß die Aus-weitung der öffentlichen Dienstleistungen die Stei-gerung des Exportes von und der Versorgung mit öffent-lichen Gütern, privaten Dienstleistungen und Industrie-produkten ermöglicht und stabilisiert hat. Ohne dieseSteigerung bei der Produktion öffentlicher Güter wäredas dynamische Fließgleichgewicht des Berliner Wirt-schaftskreislaufes zwischenzeitlich vermutlich kolla-biert.

Trotzdem wird von vielen Beobachtern dieses Fließ-gleichgewicht für labil gehalten, weil die Produktionöffentlicher Güter zwar mit den zahlbaren Kosten,nicht aber mit dem nicht zählbarenNutzen in dieSozialproduktsrechnung eingeht. Denn gezählt wirdstatistisch nur, wenn jemand zahlt, und dem Nutzervon öffentlichen Gütern werden häufig keine Zahlungenabverlangt (Nulltarif) oder können ihm nicht kosten-deckend abverlangt werden. Deshalb gibt es bei vielenDienstleistungen eine Differenz zwischen Kostenauf-wand und direktem Nutzenentgelt, die oft nur mittelbar,unter Einschaltung des staatlichen Inkasso und desFinanzausgleichs zwischen Bund und Ländern ausgeglichenwerden kann. Dieser "Ausgleichsposten" wird von manchenBeobachtern als unzuverlässig empfunden, weil demdirekten Kostenaufwand in Berlin nur ein mittelbaresInkasso gegenübersteht. Dieses indirekte Inkasso fürBerliner Leistungen wird unter den Bedingungen einessich verschärfenden interregionalen Wettbewerbs in der

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föderalistischen Politik von manchen als störungs-anfälliger empfunden als etwa das direkte Inkassoauf den Märkten, wo die Berliner Unternehmen rund80 % des Berliner Industrieproduktes vom Erzeugerzum Verbraucher umsetzen.

Außerdem gibt es keinen objektiven Maßstab für diefaire Höhe dieses "Ausgleichspostens". In der Ver-gangenheit hat sich ein Bundeszuschuß zum BerlinerEtat in Höhe von 6 Mrd. (1975) bis 8 Mrd. DM (1978)als ausreichend erwiesen, um das Fließgleichgewichtder Berliner Wirtschaft zu finanzieren. Die Größen-ordnung entspricht dem Bundeszuschuß zur Bundesbahn(1975.: 6,25; 1977: 7,27; 1978: 7,66 Mrd. DM).

2.11. Die Berliner Leistungsbilanz ist positiv,obwohl die Zahlungsbilanz negativ ist

Die Gesamtleistung der gemischten Berliner Wirtschaftist viel höher 'als es in der Volkseinkormnens- (Sozial-·produkts)Rechnung erscheint.

Gesamtwirtschaftliche ErgebnisseBerlins

Bruttosozialprodukt Volkseinkommen VolkseinkommenIn Mrd. Veranderungen In Mrd. Veranderungen Ie Ernerbstàllgen I)

DM In% DM ¡nOlo In DM Verànderungennominal I) real ') nominal I} in%

1970 26.3 19.4 201991971 28,6 + 8 + 2 21,0 + 9 22202 + 10 I

1972 30,7 + 7 + 1 22.2 + 5 23884 + 71973 34,1 +11 + 3 24.8 + 12 26967 +131974 37,3 + 9 + 2 27,3 + 10 30286 + 11 I

1975 38,6 + 3 - 2 28,2 + 3 32420 + 51976 41.5 + 7 + 4 30.8 + 9 35932 + 111977 ') 44.2 + 6 + 1 32.8 + 6 38800 + 8

') In Jeweiligen Preisen'\ In Preisen von 1970II Eigene Schátzung

Quella: Statistisches Landesamt 8erlin

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Denn in diese Rechnung geht nur ein, wofür undinsoweit es eine direkt zurechenbare Zahlung gibt.Deshalb gehen z. B. die privaten Gratisleistungen(Hausarbeit, Erziehung, Nachbarschaftshilfe usw.)nicht in die Sozialproduktrechnung ein, denn sieerzeugen kein Gel~einkommen; und deshalb gehenz. B. öffentliche Güter, für die es keine Verkaufs-preise gibt, mit den Kosten (Personal-, Material-,Verwaltungskosten u. a.) in die Sozialprodukts-rechnung ein. Dieses geldwirtschaftliche Rechnungs-verfahren (es zählt als ~utzen,' wenn gezahlt wurde)führt zu eine~ systematischen Unterschätzung dersozialen Gesamtleistung eines Gemeinwesens - inSonderheit', wenn es wie die Stadt Berlin einen hohenAnteil an öffentlichen Gütern erzeugt; für Berlinerund Nichtberliner.

Insoweit, als Berlin öffentliche Güter erzeugt, dí.ein Berlin nur zum Teil genutzt und von Nichtberlinernmitbenutzt werden, exportiert Berlin Nutzen. Oft wer-den diese von Berlin gestifteten Nutzen aber gar nichtim Zählwerk der Statistik sichtbar.

Es hat in fast allen modernen Ländern den Versuch ge-geben, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung durchein Sys,tem sozialer Indikatoren zu ergänzen, welchesauch den Nutzen öffentlicher Güter erfaßbar macht. DieVersuche sind alle nicht sehr weit gediehen, weilnationale Daten zu grob sind. Auf regionaler Ebenewäre diese Schwierigkeit geringer. Es dürfte evidentsein, daß ein solches Sozialindikatorensystero für denStadtstaat Berlin sehr viele Vorteile bringen würde.Denn es würde den "Ausgleichsposten", die Differenzzwischen positiver Leistungsbilanz und negativerZahlungsbilanz, vom Geruch der öffentlichen Verschwen-dung befreien, und es würde den im Wert weit unter-schätzten Export von in Berlin erzeugten öffentlichen

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Gütern in sinnvollen Zusammenhang mit der Bundes-hilfe bringen, die manche als Geschenk mißverstehen.Sozio-ökonomisch, polit-ökonomisch ist sie eineGegenleistung. Eine Reihe von öffentlichen Güternerzeugt Berlin für Deutschland in Wahrnehmung ehe-maliger Hauptstadtfunktionen, die Bonn nicht über-nommen hat und nicht übernehmen soll. Für weitblickendeNichtberliner und Berliner wie Herbert Kundler "bestehtdie Grundfunktion Westberlins nach wie vor darin, inder gespaltenen Nation ein geographischer und geistig-politischer Mittelpunkt des Ganzen zu sein und voraller Welt deutlich zu machen, daß dieser nationaleMittelpunkt nicht aus der unmittelbaren Nähe kommu-nistischer Wirklichkeit zurückverlegt undallmählicherDesintegration preisgegeben wird. Die Aufwendungen,die in diesem Zusammenhang erforderlich werden, sindnicht an denen des Finanza~sgleichs zwischen deri wohl-habenderen und ärmeren Bundesländern zu messen; esentspricht nicht den.Denkkategorien des Kalten Krieges,sondern eher einer historischen Betrachtungsweise,we~n man feststellt, daß die Größenordnung der Auf-wendungen~it den Etat-Positionen des Verteidigungs-haushaltes verglichen werden sollte" 1).

..

32

Ein konkretes Beispiel für den Export von öffentlichenGütern ist der Bereich der Ausbildungsleistungen derBerliner Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen,die (in Anlehnung an den Königsteiner Studentenschlüssel)zu etwa 60 % an das übrige Bundesgebiet und das Auslandgehen.

Die Berliner Leistungen·für die Universitäten undHochschulen lagen 1977 bei rund 1 Mrd. DM Etatauf-

1) HerbertKundler,KulturzentrumBerlin -IrrtÜIœr,Chancen,Hoffnungen,in: E. Schmacke (Hr8g.),Berlin auf dem Weg in das Jahr 2CCO, Düsseldorf1974/S. 114

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33

wendungen:

- Freie Universität rund 650 Mio. DM,'- Technische Universität gut 300 Mio.DM und- Hochschule der Künste knapp 50 Mio.DM.

Zählt man die Ausgaben für die Pädagogische Hochschule(37 Mio. DM) und die Fachhochschulen für Wirtschaft(7 Mio. DM), Sozialarbeit und Sozialpädagogik (5 Mio.DM)und die Technische Fachhochschule (50 Mio.DM) hinzu,so waren dies 1977 insgesamt rund elfhundert MillionenMark AufwendungenfÜrqualif'izîerte Ausbildung, dieaus dem Berliner Etat gezahlt wurden.

Aufgrund verschiedener Schätzungen wird gerechnet,daß nur etwa 40 % dieser Ausbildung auf den BerlinerNachwuchs entfällt, so daß - gemessen an den BerlinerEtataufwendungen - ein Kostenersatz von etwa 660 Mio.DMein in etwa angemessener Ausgleich wäre. Dieser Ansatzläßt unberücksichtigt, welchen viel höheren sozio-ökonomischen Nutzen diese Ausbilç1ungsleistung für dieEmpfänger besitzt.

Dieser Ausç ï.eí.chapos.eenläßt auch die. Folgekosten unbe-rücksichtigt, die Berlin in Abwicklung der Ausbildungs-~unktion trägt. Wegen der allgemeinen Schwierigkeitenfür Jungakademiker, in Berlin und auch anderswo imBundesgebiet eine erste Stelle zu finden, verbleibendie arbeitslosen. Akademiker für eine Ubergangsfristam Ort der Ausbildung. Vergleicht man die vermuteteBerliner Exportquote von Ausbildung (e,twa 60 %) mitderAbweichung der Berliner Akademikerarbeitslosenzahl vomBundesdurchschnitt, so findet man die Größenordnung40:60 = 0,66 annähernd bestätigt; siehe Spalte D derfolgenden Tabelle 6.

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TABELLE 6 34Ii) Arbeitslose mit abgeschlossener Hoch- und

Fachhochschulausbildung (Anteile)

Jahr A B C D

Berlin B-und A-B B:C

1975 7,0 2,5 4,5 0,551976 9,7 3,4 6,3 0,561977 11 r 4 4,2 7,2 0,58

I

Arbei tslose mitabgeschlossener Hoch-« und Fachhochschul-,ausbildung nach Landesarbeitsamtbezirken

TABELLE 7

d

Akademikerarbeitslosigkeit--

Arbeltslose mit al::g.eschlossenerHochschul-Landesarbeits- und Fachhochschulausbildung:

bezirke Anteil an der Gesamtzahl derArbej.tslosen

Ende ~íai,

1975 1976 1977-

ISchleswig-Holstein, 4,3 4,1Hamburg I 3,5Niedersachsen , Brerne.l1 I 1,5 2,5 3,3Nordrhein-Westfalen I 2,2

I2,9 4,0

j

IHessen ' 3,0 4,5 5,1

Rheinland-Pfalz,Saarland 1,7 2,1 2,5Baden-Württernberg 2,8 I 4,2 5,1

I

Bayern 2,5 I 3,3 3,8II

Berlin. (West) 7,0 I 9,7. I 11,4 I

Bundesgebiet I 2,5 I 3,4 Î 4,~I ....

Quelle: Bundesanstalt für Arbeit

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35

Also stehen eigentlich ~uch rd~ 60 % der Folgekostender Akademikerarbeitslosigkeit in Berlin in Kausal-zusammenhang mit den Ausbildungsleistungen, die Berlinzum überwiegenden Teil für das übrige Bundesgebieterbringt (vergleiche Tabelle 7).

Ähnlich wie mit dem Export von qualifizierter Ausbildungsteht es mit dem Export von anderen öffentlichen Güternim Bildungssektor , z..B. bei Berliner Museen undTheatern.

Gemessen an der Zahl der Theatersitzplätze 1973/74unterhält Berlin (West) mit 12.346 Plätzen die größteKapazität vor Wien (11.854) und Hamburg (9.329), MUn-·ehen (8.641) und Ostberlin (8.575); und von den BerlinerKapazitäten sind 70 vH. Privattheater, in Hamburgnur 50 vH. in den übrigen Städten der Bundesrepublikwesentlich weniger 1). Berlin wendet jährlich rund100 Mia. OM Etatmittel (1977 96,9 Mio; 1978 104,4 Mio.DM)sowohl für die Pflege von Aufführungen von Weltrang alsauch für die Unterstützung der nachwuchsförderndenKleinstruktur auf. Diese Etatmittel bemessen freilichnur einen Bruchteil der in Berlin insgesamt geschaffenenund zum Teil exportierten Nutzen.

Es ist keineswegs mein Anliegen, eine kleinkrämerischeRechnung auf.aumachen , als deren Ergebnis die Bundes-hilfe zum Ausgleich der negativen Berliner Zahlungs-bilanz als ein Entgelt für den positiven BerlinerLeistungsbilanzsaldo gedeutet wird. Weder ließe sichdie richtige Höhe aus den Leistungen bemessen, nochwäre eine solche Rechnung überhaupt wünschenswert,weil sie den ideellen Charakter der Solidargemeinschaftauf einen materiellen Utilarisrnus herunterstufen wUrde.Das liegt mir fern.

~1) DeutschesInstitut für Wirtschaftsforschung, Volkswirt-schaftlicheEntscheidungskriterienfür die mittelfristigeGestaltungdes öffentlichenHaushaltsvon Berlin (West),Berlin,Juni 1976

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36

Worauf es mir hier anko~nt ist vielmehr, die Tat-sache zu unterstreichen, daB der gemischtwirtschaft-liche Kreislauf Berlinsviel mehr Werte erzeugt,verteilt und austeilt, als die auf dem Zählen vonZahlungen bqsierende Sozialproduktsrechnung BerlinsbemiBt. Die Berliner Wertschöpfung ist viel höher alsdas statistischeSozialprodukt. Die Stadt ~erlin,(West)als Ganzes bekommt oft die direkten und indirektenKosten vorgehalten, die bei der Erzeugung der privatenund der öffentlichen Güter sichtbar anfallen, währendihr meistens ein Gutteil ihrer Wert~chöpfung nichtzugutegehalten werden, einfach weil es dafür keinestatistische Berechnung gibt.

4. Fazit: Die gernischtwirtschaf'tliche BerlinerLei'stunSIsbila'nzist posi t'iv ,obwohldie Zahlungs-bi'lanz ("ohne'Bun'd"eshilfe')'nega'tlvist.

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212. Die Bundeshilfe zum Berliner Etat

Die wesentliche Hilfe, die der Bund Berlin gewährt,ist die sogenannte "Bundespräsenz". Viele Bundes-einrichtungen aller Art gibt es in Berlin. Etwa45 000 der 180 000 Beschäftigten im öffentlichenDienst in Berlin sind Bundesbedienstete. Die bundes-eigenen Unternehmen haben 1978 für 351 Mio.DM(1977: 318 Mio¥ 1974: 220 Mio) Aufträge nachBerlin vergeben. Die "Bundeshilfe" im finanzwirt-schaftli~hen Sinne gleicht die negative ZahlungsbilanzBerlins aus und stabilisiert dadurch den Leistungs-verbund aus öffentlicher und privater Wirtschaft. Dieim Marktwettbewerb stehenden privaten und gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen iriBerlin werden dadurchwiederum fähiger, den weltweiten Strukturwandel derWirtschaft besser zu bestehen. So wird die Bundeshilfein der Berliner Finanzplanung durchaus mit dem Kampfgegen Engpässe und Erschwernisse begründet, die in derungünstigen Altersstruktur der Bevölkerung, dergeographi~chen R~ndlage und der fehlenden Verflechtungmit dem Umland und damit letztlich in historischenHypotheken ihren Ursprung haben (s. nachstehendeTabelle 8 "Bundeshilfe zum Berliner Etat") .

Neben dem allgemeinen Bundeszuschuß zum BerlinerEtat, der von 5,88 Mrd. DM (1975) auf 7,6 Mrd. DM(1978) stieg, dabei 50 Prozent am.Etat übersti~g undbis 1982 auf über 10 Mrd. DM steigen soll, ist dieVielfalt der Ersatzzahlungen, Zuweisungen und Nach-lässe zu sehen, die in den Berliner Haushalt, inSonderhaushalte und in nichtbudgetierte Zwecke ein-fließen. Tabelle 9 ("Zuweisungen und Zuschüsse") gibteinen überblick über das fiskalische Zahlungswirrwarrzwischen dem Berliner Haushalt und anderen Bundes-,Landes- und sonstigen Haushalten.

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II

-~~~-I-~~"Dîe ungünsfige ATeersst.ruK"Eur,aer-BevöTJ<erung i'-s~-t~~~-l~ein solcher Faktor ebenso wie die Standortnachteile 1

für die Wirtschaft aufgrund der geographischen Rand- 'Il

lage und der fehlenden Verflechtung mit dem Umland.Die insbesondere auch wegen qer steuerpolitischen , 1Fördermaßnahmen aufgrund des Berlin-Förderungsgeset- I,zes extrem niedrige Steuerauote'des Berliner Haushal- ¡

,1haltes von 25,5 v.H. (1979) ist Ausdruck dieser Er- !schwernisse. Ein Vergleich der Steuerquóte Berlins jmit der durchschnittlicheri Steuerauote der anderen 1

Stadtstaaten, die für 1978 in Hamburg bei 59,0 v.H.,iin Bremen bei52,S v.H. liegt, läßt die struk-' 1turelle Bedeutung der Bundeshilfe für den Berliner lHaushal t deutlich werden." 2) I

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,-------------------------------------------------------------------Bundeshilfe zum Berliner Etat

• ~11g~~~~n~f_ê~n9~~~~~9h~~_1~è_~E9~_~~1"Die Verbesserung der politischen Lage Berlins,die das Viermächteabkommen und die Verträge derBundesregierung in der Ost- und Deutschlandpoli-tik gebracht haben, schlagen sich bisher nicht 'in gleicher Weise in der finanziellen SituationBerlins nieder. Von entscheidender Bedeutung fürBerlin bleibt nach wie vor die Bundeshilfe nach§ 16 des Dritten überleitungsgesetzes. Denn Ber-lin wird weiterhin mit gewichtigen Engpässen undErschwernissen zu kämpfen haben. II,1)

Finanzströme (in Mrd. DM) 1978 1979 1980 1981 1982Berliner Etat~Ausgaben:Bundeshilfe-Zuschuß:

14,77,6

15,68,3

16,58,9

17,39,5

18,410,2

., Struktureller Effekt 'der Bundeshilfe (in %)-------------------------------------------

Einnahmearten (in %) 1978 1979 1980 1981 1982Steuern 24,4 24,5 24,6 25,6 26,2Kreditmarktmittel 7,6 6,2 6,7 5,2 5,0Bundeshilfe 50,4 52,1 52,8 54,0 54,0übrige Einnahmen • 17 I 6 17,2 15,9 15 ,2 14 ,8

100,0 100,0 100,0 100,0 100,0------ ----- ----- -----_ =====----- ....._---.._ -_--- -----I

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1) Finanzplan von Berlin 1978 bis 1982, S. 142) ebendort

Tabelle ' 8

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40

1977

Die Struktur der Bundeshilfe 1975 und 1977 ist- ausTabelle 10 ersichtlich. Die haushaltsmäßigen undinstitutionellen (Post, Bahn, ERP u.a.) Bundes-leistungen an Berlin haben 1975 rund 10 Milliarden DMbetragen.

Zuschuß zum Berliner Etat

Finanzausgleich

Transferzahlungen(Sozialvers., Pensionen,Besatzungskosten u.a.)

Transport-Subventionen(Flug- u. Transitverkehr)Institutionelle Bundes-leistungen (Bahn, Post,ERP u , a. )

Die Struktur der Bundeshilfe (in Milliarden DM)

7,01

~----------------------------------------------------------------~

Steuer-Nachlässe(Berlin-Präferenz)

Abzüglich:Berliner SteuerabgabenZinsen und Tilgungen

1975

5,880

0,785

2,763

0;476

2,750

0,675

0,88

3,17

0,70

(2,80 )

0,99"(15,55)13,329

2,9410,1423,083

10,246

3,2 /6,40/(O, 2") '( O r 2O)

(3,4) "/6,60/

(12,15)/8,95/Insgesamt:

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Amtliche Statistik i (..• ) geschätzt; / .../ lEK-Rechnung

Tabelle 10

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10 Mrd. DM ist ein guter Richtwert für die Größen-ordnung der Bundeshilfe¡ denn die gegenseitigeVerrechnung von direkten Zahlungen, indirekten Ver-günstigungen, Rechnungsabgrenzungen usw. machen einegenaue Rechnung unmöglich. Das zeigt die Rechnungfür 1977,wobei offenbar Berlin' auch anders rechnetals der Bund.

Wie sich die Bundeshilfe 1977 aus der Sicht des Bundeszusammensetzt, steht im Finanzbericht 1977 der Bundes-regierung geschrieben, der Anfang 1979 vorliegt. Da-nach hat die Unterstützung Berlins den Bundeshaushalt1977 um 9,1 Mrd. DM belastet. Dabei sind freilich dieEinnahmen des Bundes aus Berlin bereits gegen dieLèistungen des Bundes an Berlin aufgerechnet worden.Neben der pauschalen Bundeshilfe von 7,01 Mrd. DM(1975: 5,88 Mrd.) standen weitere 0,88 Mrd. DMLeistungen aus dem Bundeshaushalt an den BerlinerHaushalt für spezielle Zwe~ke, ferner 3,17. Mrd. DMunmittelbare Leistungen aus dem Bundeshaushalt undschließlich noch 0,70 Mrd. DM sonstige Leistungendes Bundes. Amtliche Zahlen für die institutionellenBundesleistungen liegen fü~ 1977 noch nicht vor.

Onter den durch den Berliner Haushalt laufenden Beträ-gen von 0,88 Mrd. DM (1975: 0,785 Mrd.) finden sichunter anderem so verschiedene Dinge wie Entschädigungender Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung,Zuschüsse zum Straßen- und O-Bahn-Bau, Wohngeld, Woh-,nungsbauprämien und Ausbildungsbeihilfen. Zu den,unmittelbaren Leistungen aus dem Bundeshaushalt von3,17 Mrd. DM (1975: 2,763 Mrd.) gehören z. B. Zuschüssefür Sozialversicherung (0,8 Mrd. DM), Besatzungskostenund dergleichen (0,8 Mrd. DM), Kriegsopferversorgung(0,5 Mrd. DM), Kindergeld (0,24 Mrd. DM), Sparprämien(0,14 t<lrdo DM) und Zuschüsse für verschiedene BerlinerForschungsinstitute. Onter den sonstigen Leistungenvon 0,7 Mrd. DM (1975: 0,476 Mrd.) sind die Hauptposten

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die pauschale Zahlung für den Transitverkehr an qieDDR von 0,5 Mrd. DM und die Subvention des Luftreise-verkehrs von 45 Mio, DM, die 1979 sprunghaft erhöhtwurde.

Die Höhe einiger dieser Zahlen wird nun zum Teildurch Faktqren beeinflußt, die mit Berlin nichtsunmittelbar zu tun haben, z. B. durch den Anteilvon Empfängern von Versorgungs- und Entschädigungs-leistungen an der Berliner Bevölkerung. Grundsätzlichgehören aber praktisch alle diese Positionen indiese Rechnung hinein, wenn man andererseits auch dasan den Bund abgeführte Berliner Steueraufkolnmen be-rücksichtigen will. Diese Abgaben möchte man .~Berlinêr Sicht explizit berücksichtigen, denn dabeiergeben sich Sichtverschiedenh~iten bei einigenBewertung~- und Zurechnungsfragen.

So stehen im Finanzbericht 1977 der Bundesregierungan Steuereinnahmen des Bundes aus Berlin 3,2 Mrd. DM(1975: 2,941 Mrd.). Dagegen führt die Industrie- undHandelskammer zu Berlin in ihrem Jahresbericht 1977in einer übersicht über das Steueraufkommen in Berlinim Jahre 1977 EinnaD~en des Bundes von 6,4 Mrd. DMauf (s. nachstehende Tabelle 1J). Der Unterschiedergibtsich vor allem aus der unterschiedlichenZurechnung von Verbrauchssteuern: Nach der IHK-Auf-stellung schlagen sie allein mit insgesamt 4,5 Mrd. DMzu Buche, in der Rechnung der Bupdesregierung abernur ,mit 1,1 Mrd. DM. Wie ist diese Diskrepanz zuerklären?

Von den 4,5 Mrd. DM nach der IHK-Rechnung entfielenrund 3,9 Mrd. DM auf die Tabaksteuer und jeweils rund270 Hio. DM auf die Kaffeesteuer und auf die Brannt-weinsteuer. Die gesfu~ten Einnahmen des Bundes aus derbundesweit erhobenen Tabaksteuer beliefen sich 1977

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cDas Steueraufkommen in Berlin 1977(in Mill, DM)Einnahmen Bertins 3640.7 Einnahmen des Bundes 6395.4darunter darunterLohnsteuer ')3) 1040.8 Lohnsteuer 740.8Veranlagte Elnkommensteue~) 424.0 Veranlagte Einkommensteuer 319.8Nicht veranlagte Stèuem Nloht veranlagte Steuernvom Ertrag 49,4 vom Ertrag 60.1

Kiirperschattsteuer' ) 96.7 Kiirperschattstouer 39.1Umsatzsteuer 397.1 Umsatzsteuer 519.3Elntuhrumsatzsteuor (vom Bund Elntuhrumsatzsteuer (nachUberwlesener Betrag) 231.3 Ab~ug des dem land Ober-Gewerbesteuerumlage 124.2 wiesen en Betrages) .J. ro.aVermögensteuer 156.6 Gewerbesteuerumlage 124.2Erbschattsteuer 50.a Stra6engOterverkehr- undGnmderwarbsteuer 53.0 Belörderungsteuer 0.0Krattlahr%eugsteuer 146.4 Versicherungsteuer 20.9Rennwett- und Lotteriesteuer 58.1 Wechselsteuer 3.5Feuerschutzsteuer 2.4 Gesellschaftsteuec 8.3BIersteuer 33.6 Börsenumsatzsteuer 4.0Grundsteuer 191.4 I:rgänzungsabgabe zur Ein-Gewerbesteuer ') 377.2 kommen- u. Kõrperschett-Lohnsummensteuar 196.2 steuer 4.5Hundesteuer 9.6 Zölle 74.3

Verbrauchsteuern 4472.8Lastenausgleichsabgaben 14.5

Einnahmen Insgesamt 10036.1

') einschließlich Lohnsteuer-Gemalndeantell1) Einschließlich Elnkommensteuer·Gemelndeanteil') Nach Zerlegung') Ohne Gewerbesteuerumlage

Quelle: IHK Jahresbericht 1977

Tabelle ,11

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44 ~

auf 9,8 Mrd. DM. Der hohe Berliner Anteil (3,9 von 9,8)erklärt sich aus der starken Ansi~dlung der deutschenZigarettenindustrie in Berlin aufgrund der steuerlichenBerlin-Präferenzen. Die Bundesregierung nimmt deshalbbei der Tabaksteuer eine Herabsetzung vor, indem siediese Steuern, die zwar aus Zweckmäßigkeitsgründenbeim Berliner Produzenten erhoben werden, aber denVerbrauch allerorten betreffen, nur nach dem vermut-lichen Verbrauch aufgrund des Berliner Bevölkerungs-anteils anrechnet. Spricht die Logik für die BonnerRechnung, so spricht die Steuersystematik für dieBerliner.

Die Leistungen aus dem Bundeshalt sind aber nochnicht alle Leistungen Westdeutschlands zugunstenBerlina. Indirekte Leistungen, z. B~ die Berlin-Präferenzen bei der Umsatzsteuer und die Einkommen-steuer-Begünstigungen bei Berlindarlehen, schmälernnicht nur die Steuerabgaben Berlins an den Bund, wasin den genannten Zahlen bereits berücksichtigt ist,sondern schmälern als Fol~ewirkung auch die Einnahmenin Westdeutschland aus der Umsatzsteuer und aus derEinkommensteuer. Diese Folgewirkung läßt sich kalku-lieren: Nach dem Subventionsberichtder Bundesregierungvom Oktober 1978 beliefen sich die Mindereinnahmenbei der Umsatzsteuer im Jahre 1977 auf insgesamt1,6 Mrd. DM. Der Anteil, der auf westdeutsche Unter-nehmen entfällt, wird auf 46 % des gesamt.en Ausfallsveranschlagt, was im Hàushaltsjahr 1977 rund 740 Mio. DMausmachen würde, die praktisch der Berlinhilfezugerechnet werden müssen. Die Mindereinnahmen ausder Einkommensteuer aufgrund von Berlindarlehenschwankten wegen der Entwicklung des Kapitalmarktesund der Änderungen der Konditionen stark. Waren es1976 gut 600 Mio. DM, so beliefen sie sich 1~77 nurnoch a.uf knapp 300 Hio.DlvI..Davon entfallen nachSchätzungen rund vier Fünftel auf Westdeutschland,

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so daß hier für 1977 ein weiterer Subventionseffektvon rund 250 Mio DM zu berücksichtigen ist.

Insgesamt wird man je nach Bewertung (3,2 Mrd. bzw.6,4 Mrd. DM Berliner Steuerabgaben, aus Berliner bzw.aus Bonner Sicht) zur Zeit auf eine Subvention Berlinsaus dem Bundeshaushalt in einer Größenordnung von6 Mrd. bis 10 Mrd. DM kommen. Zählt man die institutio-nelle Hilfe (Post, Bahn, ERP u. a.) mit hinzu, sobeträgt die Bundeshilfe für Berlin 1977 ungefähr9 Mrd. bis 12 Mrd. DM (s. Tabelle10); also rundein Viertel des Berliner Bruttosozialprodukts von45 Mrd. DM 1977.

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22. Das warenproduzierende Gewerbe Berlins verdientinzwischen die Berliner Warenbezüge durch dieBerliner Warenlieferungen

Gemessen an der Zahl der 865 000 erwerbstätigen Personenist die Stadt Berlin (West) die größte Wirtschaftsmetro-pole zwischen Paris und Moskau und der geballteste,diversifizierteste Industrie-Komplex in Europa über-haupt. Der produktive Sektor erwirtschaftet fast dieHälfte des Berliner Volkseinkommens und Sozialprodukts.Für die ehemalige Hauptstadt mit seiner Bevölkerungs-konzentration, die historisch gewachsen ist~ ist dieserhohe Produktionsanteil Ausdruck sehr hoher Leistungs-fähigkeit.

"Wichtigste Grundlage der Wirtschaftskraft Berlins istder Absatz der produzierten Erzeugnisse a~ßerhalb derStadt. Die gesanlten Lieferungen Berlins nach außerhalb(ohne Verbrauchsteuern) erhöhten sich (von 1976 auf1977) um nominal 6 % auf 22,3 Mrd. DM. Die War,enbezügeBerlins nahmen um 3 % auf 23,6 Mrd. DM zu. Der Fehlbetragim WarenverkehrBerlins betrug demnach 1,3 Mrd. DModer 5 % der Bezüge. Rund 95 % aller Warenbezüge derStadt konnten also aus den Erlösen von Warenlieferungender Berliner Industrie finanziert werden. Die Zahlendokum:entier'en die volle Integra'tion Berline in die Volks-wirtschaftder Bundesrepublik Deutschland." ,1)

Was die IHI, die "volle Integration Berlins" nennt istein wirtschaftlicher Erfolg von historischem Rang. Dennin den vergangenen dreiß~g Jahren nach dem Zweiten Welt-krieg hatte, Berlin ein strukturelles Anpassungsproblemzu lösen, das erst jetzt als weitgehend gemeistert geltendarf. Infolge der historischen Entwicklung Berlins alsHauptstadt hatte sich hier eine Bevölkerung angesiedelt,

1) IHK-Inforrnationen,November 1978, S. 4

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die 'nach Kriegsende zu groß und zu heterogen war, alsdaß jeder Berliner in der wieder aufgebauten BerlinerWirtschaft hätte beschäftigt werden können. So lag bis1967 die Arbe~tslosenquote in Berlin immer deutlich überdem Bundesdurchschnitt (siehe Abbildung 9 ), und es bedurfteder arbeitsplatzschaffenden Anstrengungen zweier·Jahr-zehnte (1945 - 65), um die Berliner Arbeitslosenquotedem Bundesdurchschnitt anzunähern. Zwischen 1967 und1977 liegt die Berliner Arbeitslosenquote unter oder naheam Bundesdurchschnitt.

Eine andere Folge des Verlustes der HauptstadtfunktionBerlins war, daß das wiederaufgebaute warenproduzierendeGewerbe lange Zeit nicht so hohe Kapazitäten besaß, umden Warenbedarf irider bevölkerungsreichen Stadt zu decken.Deshalb überstieg 30 Jahre lang der Warenbedarf der Ber-liner Bevölkerung die Produktion des warenproduzierendenGewerbes in Berlin (s. Abbildung10). Der daraus resultie-rende Fehlbetrag im Warenv~rkehr (Importsaldo) belief sich1950 auf 50 %; er fiel iriden SOer Jahren auf etwa 15 %,

wo er während der 60er Jahre stagnierte. Er~t in den70er Jahren konnte der Fehlbetrag unter 10 % gebrachtwerden.

Indem die Berliner Arbeitslosenquote seit 1973 die•bundesdeutsche unterschritten hat und seither nichtwesentlich von ihr abweicht¡und indem die Fehlbeträgeim Berliner Warenverkehr unter die Schwelle der Fühlbar-keit von 5 % gesunken sind, muß die Berliner gewerblicheWirtschaft an der Schwelle der 80er Jahre als weitgehendnormalisiert bezeichnet werden.

Das bedeutet nicht, daß die gewerbliche Wirtschaft Berlinsnun aller Sorgen enthoben wäre. Das bedeutet lediglich,daß die Berliner Wirtschaft die berlinspezifischen Eng-pässe und Schwierigkeiten überwunden hat und nun vor

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48

8

c: Berlin (West)<lJ 6~ c:

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JahrAr be i t s lo s fi'n en t w-¡c..,.k-l-u-n-9-....--r-U-a-"r-1 ,-n--I

im Bundfi'sge biet Lehrstuhlund Berlin ,(West) Prol.Or-lng,G.5pur1955 bis 1975 GO 676

St c t l s t l schesBundesamtWi.shod.n

Abbildung 9

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1950 '55 '60 '65 '70 '75 'eoJahr

lndustr le- und Fe>hlbetràge im -u a.rl,n

Hcndal s- Worr;¡nv ..rkehr von und noch L.hrstuhl

Kammer BE.>rlin (West) Prol Or.1n9.0Spur

a.r t,n 1950 bi s 1975 40678'

Abbildung 10

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allem die marktbedingten Faktoren berücksichtigen muß -wie alle nichtberliner Unternehmen auch. Die "volleIntegration Berlins in die Volkswirtschaft der Bundes-republik Deutschland" bedeutet, daß die marktspezifi-schen Daueraufgaben der Unternehmensführung in Berlin

~wie anderswo auch das wirtschaftliche Tagesgeschehenbestimmen. Es ist eines der Ergebnisse unserer Umfrageunter Wirtschaftsführern in Berlin (1978/79) I daßstandortbedingte, berlinspezifische Schwierigkeitennur noch selten als vorrangige Probleme der Unter-nehmensführung in Berlin genannt werden (s. S. 89ff).

~

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------ -- I

I

tivität) maßgeblich. Die hohe Fernabsatzquote (86 % 1977)

50

221 . "Made in Berlin"

Das Hauptproblem des warenproduzierenden Gewerbes istder Absatz der Produkte. Für die Absatzgängigkeit derProduktesind hohe Qualität und Preiswürdigkeit (Produk-

der Berliner Industrieproduktion ist ein Hinweis auf dieLeistungsfähigkeit der Berliner Industrie.

.-"~.,Die neuen IBM-Kopierer der Serie III verlassen dasBerl;iner Werk mit dem Aufkleber 11Made in Berlin"; siegehen in 90 Länder der Welt, und 600 Berliner Firmenliefern dem Berliner ,IBM-Werk zu. Eine 'Reihe von innova-tiven Berliner Unternehmen sind in amerikanischem Besitzwie die Kaiser Ãluminium Kabelwerke oder die Auergesell-schaft; .etwa 16 % der Umsätze der Berliner Wirtschaft wirdin Firmen mit US-Beteiligung erzielt und von 8 % derBerliner Beschäftigten erarbeitet 1), u. a. "in Zweigwerkenvon Flohr-Otis, Phillip 'Morris, Gilette, SEL und, natür-lich, Coca-Cola. BHW (Bundespräsident Scheel: "Berliner1v19toren-W~rk") baut seit 1978 alle BMW-Motorräder imneuen Werk in Berlin; alle Mercedes-Benz-Wagen enthaltenTeile, die nur in Berlin hergeste~lt werden. Antibaby-pillen aus Berlin gehen' bis zu den Antipoden-Inseln undKugelhähne aus Berlin bis Alaska.

Gewiß gibt es branchenspezifische Unterschiede im Manage-ment von Erzeugung und Absatz. Zum Beispiel ist Berlin ausGründen der Steuerpräferenz ein bevorzugter Standort fürdie de~tsche Zigarettenindustiie, während die ModeindustrieBerlin trotz fehlender Präferenzierung als ihren Standortschätzt.

Neben der Größe der Berliner Produkte wirkt die Vielfaltder Produktpalette auf" die Stabilität des Absatzes derBerliner Wirtschaft. Ein Blick auf die differenzierte

1) Robert Layton,,derGenera1beauftragtefür Wirtschaftsförderungin Berlin, anläßlich seines Vor-..xagsbei der p_mericanC1"..amberof Ccmnerce in Berlin am 14.11.78

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Industriestruktur Berlins zeigt, daß die ChancenBerlins breitgestreut sind und die Absatzrisikennicht etwarnonokulturell gebündelt (s. Tabelle 12).

Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe in Berlin

(Betriebe mit 20 und'mehr Beschäftigten)

ít ,

1975- 1976 1977 1976 1977

, ~ in Mio. DM Veränderung gegenUberdem Vorjahr in v. H.

Verarbeitendes Gewerbe insgesamt 1) 20 0-30 21 967 23 856 .. 9,7 + 8,6- 2) 11aschinenbau 1 755 1 729 1 till 1,5 4-,7darunter: - +

Elektrotechnik 5 693 6 053 6 286 + 6,3 .jo 3,8Chem isehe Industr í.e 1 562 1 597 1 710 + 8,6 .. - 0,8

Bekleidungsgewer?e 815 326 808 .. 1.1¡. - 2,2. I, Ernährungsgewerbe . 3 536 I¡. 334 5 566 ..22,5 .. 28,1¡.

Tabakverarbeitung 1 251¡. 1 357 1 597 + 7,1¡. .. 17,7

1) Ohne Verbrauehsteuer, ejnsehl. Kaffee- und B~anntwe¡nsteuer.2) Nach techno (bEtei11gten) Einheiten.

Quelle: Statistisches Landesamt Berlin.

Tabelle 12

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1936195019601977')

22402414

32536570

35211

115

1015

52

Hinter dem enormen Umsatzwachstum (1976/75: + 9,7 %i

1977/76: + 8,6 %) der Berliner Industrie in den ver-gangenen ~ahrzehnten steht ein starker Strukturwandel:nicht nur haben sich die Gewichte der einzelnen ·Branchenverschoben, sondern auch der Anteil an Zwischen- undEndprodukten am Fernabsatz. Als die Berliner Industrie 1950für etwa 3,9 Mrd. DM Produkte erzeugte, setzte sie 40 %(1,6 Mrd. DM) in Berlin ab und 60 % .. (2,3 Mrd. DM) auBer-halb der Stadt. 1977 lieferte Berlin 86 % der Industrie-erzeugung vOn etwa 44 Mrd. DM nach auBen und behielt nur14 % (6,2 Mrd. DM) der Produkte in der Stadt.

Es dominiert die Verflechtung mit dem Bund: Die BezügeBerlins aus dem Bundesgebiet erreichten 1977 einen Wertvon rund 19 Mrd. DM, denen Lieferungen ins Bundesgebietvon 17,1 Mrd. DM gegenüberstanden.

Absatzgebiete der Berliner lndustrie(1936 GroB-Berlin; Berlin '(West) ab 1950)

Serlin West- DOR ') Auslanddeutsohland

Anteile In % des Industrieumsatzes

') 1936 Gebiet von ost- und MItteldeutschland: ') Sohátzung

Nach dem Bundesgebiet sind die EG-Nachbarländer Frankreich,die Niederlande, Italien und Belgien die größten Abnehmervon Berliner Gütern¡ an fünfter Stelle kommen die USA.

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Einen Gesamtüberblick über die Berliner Exporte undImporte geben die Tabelle 13 und 14.

.~-~ "_- --

Der Export Berlins(in Hill. DM)

1976 1977 Anteile in %1976 1977

Europa 2.703,0 2.885,6 62,1 59,6davonEG 1.602,7 1.661,8 35,7 34,3osteuropa 243,7 230,1 5,4 4,8übrige Länder 856,5 993,6 19,1 20,S

Übersee 1.781,7 1.957,3_"o_

39,7 40,4davonAsien 847,9 943,8 18,9 19,5Amerika 520,1 613,5 11,6 12,7

darunterU.S .A. 201,5 228,0 4,5 4,7

Afrika 348,3 336,8 7,8 6,9Australien u. Ozeanien 65,3 63,2 1,S 1,3Insgesamt 4.484,7 4,832,8 100,0 100,0

davonWestl. Industrieländer3.029,7 3.251,8 67,6 67,1

" Entwicklungsländer 1.160,8 1.326,4 25,9 27,4Ostblockländer 294,1 264,7 6,6 5,5

Abwe í.chunqen in den Summen durch Auf- oder Abrundungen

Tabelle 13

Insgesamt exportiert die Berliner Wirtschaft an die DDRund an die osteuropäischen RGW-Länder nicht in einemsolchen 'Umfang, wie man erwarten würde, wenn man diegeographische Nähe als Hauptdeterminante des Handelsansieht.

Die DDR nimmt nur etwa 1 % der IndustrieproduktionBerlins ab (1977 321 Mio. DM). Die direkten Bezüge ausder DDR betrugen 1,1 Mrd. DM. Für eine politisch motivierte

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fel

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Kaufenthaltsamkeit gegenüber Berlin (West) gibt esjedoch keine unverrückbaren Beweise. Während z. B.die westdeutschen Lieferungen an die DDR von 1975auf 1976 um 8,9 % stiegen, stiegen die Berliner Liefe-rungen an die DDR um 21,1 %.

Der Anteil der Berlin.er Wirtschaft am innerdeutschenOst-West-Handel liegt auf der Lieferseite bei knapp7 %, auf der Bezugsseite aber bei 27 %.

Unter den osteuropäischen Staatshandelsländern istdie Sowjetunion der·Hauptabnehmer von Waren aus Berlin(West) .'-Der Anteil der UdSSR war 1977:' 46,4 %. Die

, '

UdSSR kaufte vor allem elektrotechnische und chemischeProdukte und hat ihren Anteil seit 1975 ausgebaut(+ 7,4 %), z. B. durch den Ausrüstungsauftrag von50 Mio. DM an die Berliner Chemie-Anlagenbau GmbH. Hin-gegen hat Ungarn seinen Anteil nur leicht erhöht (+ 2,8 %).Andere E~7G-'Länder schränkten ihre Käufe ,soga.rein(Tschechoslowakei - 2,3 %i Rumänien - 4,2 %¡ Polen~ 19,2 %; Bulgarien - 20,8 %).

Kraftige Zuwachsraten 1976 und 1977 hatte der ExportBerliner Waren in die USA (+ 13,1 %) und Japa.n (+ 12,1 %),die ihrerseits uneinheitliche Verkaufserfolge in Berlinerzielten (USA +20,6 %, Japan - 1,4 %).

Am kräftigsten nahmen die Ausfuhren in Länder der Drittenund Vierten ~elt (Entwicklungsländer) zu (+ 17,7 %). Eineder erfolgreichsten und publikumswirksamsten BerlinerMessen ist die, "Partner des Fortschritts". Dort könnenHe'rsteller vor allem aus Entwicklungsländern ihre Warenvorstellen. Offenbar hilft diese partnerschaftliche Aus-stellung zu einem guten Teil auch den Berliner Exporten:Der Absatz in den Entwicklungsländern stieg von 1976 auf1977 vom Vierfachen auf das Fünffache des Absatzes in dieOstblockländer.

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222. Die Berliner Einfuhren

Den Löwenanteil seiner BezUge von Waren undDienstleistungen empfängt Berlin aus der Bundes-republik und dem westlichen Ausland (1976 20,2Mrd. DM, 1977 20,8 Mrd. DM, + 3 %); darunter istder Zuwachs an land- und forstwirtschaftlichenErzeugnissen und Nahrungs- und Genußmitteln amgrö sten (+ 14 %).

Der Import Berlins(in Mill. DM'*)

EuropadavonEG .Osteuropaübrige Länder

ÜberseedavonAmerika

darunterU.S.A.

AfrikaAsienAustralien u. Ozeanien

1976 1977

2.051,4 2.096,4

1.256,4406,2388,8993,3

529,3

260,1293,1 .157,713,2

1.238,7432,3425,4

1.342,8

701,6

281,3444,9161,934,S

Anteile in %1976 1977

67,4

41,313,312,832,6

17,4

8/59,65,.20,4

61,0

36,012,612,439,0

20,4

8,212,94,71,0

InsgesamtdavonWestl. Industrieländer 2.031,0Entwicklungsländer 599,2Ostblocklãnder 414,6

3.044,7 3.439,2

2.091,7910,1437,5

100,0

66,719,713,6

100,0

60,826,512,7

!I':~Einschließlich der fndirekten Einfuhr über nestdeutscheImporteure, Einfuhr nach dem ZiellandAbweichungen in den Summen ergeben sich durch Auf- oderAbrundungen

Tabelle 14

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Dabei haben sich die Bezüge aus der Bundesrepublik und. . ,

den westlichen Industrieländern mäßig (+ 3 %) gesteigert,die Einfuhren aus den Entwicklungsländern haben dagegensehr kräftig zugenommen (+ 52 %). Am stärksten sind dieFernbezüge aus Afrika (52 %) und AustralienjOzeanien( + 151 %) angewachsen.

Die'hohen Umsatzsteigerungen im Fernabsatz und dieinsgesamt geringen Wachstumsraten im Berliner Import habendie Warenbilanz Berlins dem Ausgleich angenähert.

5. Fazit: Das große Ungleichgewicht der Nachkriegs-zeit (überhang von Erwerbsfähigen über Arbeits-]2lätze und Warenbedarf über P'roduktionskapazitätin der bevölkerungsreichen St'adt)'hat sich 'iÑeit-gehendangeglichen : D~ie Arbei tslosenguote in Berlinhat sich aufd'enBundesdu'rchs'chn2: tt e:ingependelt,und de.r Warenfehlbedar'fist 'unter 'die 5 P'rozent-schwelle gesunken.

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Of 57

23. Die Berliner Industrie - im Mittelbau über-durchschnittlich produktiv und durch die Berlin-förderung für den Strukturwandel gut gerüstet

In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die ,BerlinerIndustrie infolge der Abschnürung von den umliegendenAbsatzgebieten und infolge der periphären Lage innerhalbdes sich entfaltenden Europa-Marktes stärker umstellenmüssen als die bundesdeutsche Industrie. Spuren dleserUmstellung sind etwa die doppelt so große Schrumpfungs-rate an Arbeitsstätten in der Berliner Industrie imJahrzehnt zwischen Mauerbau (1961) und Viermächteabkommen.(1971), nämlich - 24 '% im Vergleichzu - 12 % im Bundes-durchschnitt. Der arbeitssparende industrielle Struktur-wandel 'in den sechziger 'Jahren wurde in Berlin einmal.durch die geo-politischen Umstände verschärft,zumanderen aber durch das Nachholen der Mechanisierungin einer Industrie, die in den SOer Jahren vergleichsweisekapitalsparend/arbeitsintensiv aufgebaut worden war.

Insofern ist die überdurchschnittliche Produktivitäts-entwicklung der 1970er Jahre eine Fernwirkung der Ent-wicklung in den 1950er Wiederaufbaujahren, als im bevölke-rungsreichen Stadtstaat Berlin mit relativ wenig Kapitalrelativ viele Arbeitsplätze geschaf.fen wurden.

AUßerdem werden gewisse Struktur- und Funktionsverände-rungen in d~n 1970er Jahren auch als Mittelfristwirkungvon Entwicklungen in den 1960er Jahren erkennbar. DieseWandlungen betreffen besonders die Unternehmensgrößen-struktur der Berliner Industrie.

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231. Der Industriestrukturwandel - Schwächung dergroßen und Stärkung der kleinen, mittlerenund mittelgroßen Unternehmen

( 1 ) Die im Vergleich zum Bund etwas verzögerte,arbeitssparende Strukturanpassung während derzehn Jahre von 1961 bis 1971 ist außerdemgekennzeichnet durch den Wegzug der gewinnträch-tigsten, forsc~ungs- und entwicklungsintensiv-sten Großunternerunensbereiche, ohne daß diesdem Gesamturnsatz Berlins abträglich war. Denn,so berichtete 1968 der Berliner Senat: "dieExpansion der Umsätze der Berliner Industrie(hat) seit 1965 voll mit der verarbeitendenIndustrie, Westdeutschlands Schri t'tgehalten" 1).

(2) So hat sich die Berliner Industriestruktur nichtnur sektoral verändert (s. Tabelle 12, sondernauch.9}'ö'ßensp'ezifisch entwickelt (s. Tabelle 15 ):

I Zunächst und auf Dauer ungünstig war die Ent-wicklung im Bereich der Großunternehmen. Diearbeitsintensiveren, traditionelleren Betriebe(über 1000 Beschäftigte), die überdurchschnittlichstark von öffentlicheti Aufträgen zehren und einengeringen Umsatz pro Beschäftigten erzielen, ver-blieben in Berlin, während die dynamischeren,ergiebigeren, mobileren Betriebe zum Teil abwan-derten. Manche Berliner Großunternehmen wurdenstützungsbedürftig; daran hat der seinerzeitigeWirtschaftssenator Karl Schiller gelernt, wie manmit öffentlichen Mitteln und Aufträgen des Staateseinen Konjunkturboom erzeugt. Diese Berliner Lehrehat Schiller dann als Bundeswirtschaftsministerangewendet.

1) 6. Bericht über die Lage der BerlinerWirtschaft,8. yfuz 1968, S. 14

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Betriebe mit .... bis • • (I • Beschäftigten in Berlin

10 100 2CO 500 1CCO

bis bis bis bis und.,- 99 199 499 999 ræhr

Umsatz_je Beschäf-tigten 1970 57 56 64 69 49(in TDM) 1975 93 110 114 122 85

Anteil der LDhn-kosten am Umsatz(in %) 1970 21 24 21 20 29

1975 22 20 21 20 30

Anteil öffentlicherAufträge am Umsatz(in %) 1970 1,8 1,3 2,0 6,7 8,3

1975· 1,8 1,0 2,8 3,7 10,6

Tabelle 15

Infolge des Auftragsbooms der späten sechziger Jahrewar am Ende des Jahrzehnts (1970) der Anteil öffent-licher Aufträge am Umsatz der mittelgroßen Industrie-betriebe in Berlin auf 6,7 % und bei den großen sogarauf 8,3 % gestiegen. Dieser Tendenz haben sich diemittelgroßen Unternehmen in den siebziger Jahrenwieder entzogen, während die Berliner Großbetriebenoch stärker an Staatsaufträge gewöhnt wurdèn.

Die sogenannte Subventionsmentalität, die man derBerliner Wirtschaft gern zum Vorwurf macht, ist, wennüberhaupt, dann eher eine Erscheinung bei den großenUnternehmen in Berlin.

Die mittelgroßen und mittleren Industriebetriebe habensich flexibler gezeigt und besser entwickelt als diein Berlin verbliebenen Großunternerunen. So bietet

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sich dem Betrachter des Berliner Industriegefügesheute ein sehr uneinheitliches Bild (s. Tabelle 16).

- Die industriellen Großbetriebe (über 1000 Be-schäftigte) stellen in Berlin wie im Bundes-gebiet gut 1 % der Betriebsstätten. Doch währenddie Berliner Großbetriebe einen fühlbar größerenAnteil der Beschäftigten haben (40,3 gegenüber37,3 % in bundesdeutschen Großbetrieben), er-zeugen sie damit einen deutlich geringerenUmsa tzant.eil (nur 30,2 % gegenüber 39 % imBund). Dies istein sehr großer Unterschied,der auch durch die Wegrechnung der Umsatzsteuer-präferenzen in den Berliner Umsätzen nicht auf-gehoben wird.

Die mittelgroßen und mittleren Industriebetriebe(200 bis 999 Beschäftigte) stellen hingegen inBerlin nur 4 % der Betriebe (Bund 6,2 %), er-zeugen in diesen Unternehmen aber 36,5 % (Bundnur 33,1 %) des Umsatzesí und 'sie produzierenso effizient, daß sie nur 24,3 % (Bund immerhin31,2 %) der Industriebeschäftigten dafür einsetzenmüssen. Die mittleren und mittelgroßen Unternehmenin Berlin dürfen als eine Starkstelle in derBerliner Wirtschaft gewertet werden (s. Abbildung 11) .

._-~.-. - _-- . ---

""~-A;;-tail der Betrlab", d¿, Be$chäftigten und der Umsätzs in dan einzal~"n Gróßdnklauender Verarbeitenden Industrie in Barlin (Wart) und im Bundesqebiat im Saptambar 1975(ln v.H.) ,

Betriebsgrößenk lassen

mit weniger als 200 Beschäftigten mil 200 Be~t:hahlg{enund flhlhr~ --- ..------'-

insgas. 1-9 10-99 100 bio msqes 2uO 1)15 1000199 0:;h) und

mehr

BetriebaBerlin 94.8 45,0 44,2 5,6 5,2 4,0 1,2Bund 92,7 44,1 42,1 6,5 7,3 6,2 1,1

Besehe ¡¡ig reBerlin 35,4 2,6 21,5 11,3 64,6 24,3 40,3Bund 31,5 2.0 18,3 11,2 68.5 J 1,2 37,3

UrnsärzeBerlin 33,2 1,0 19.3 1'2,1 6â,8 3',:},5 30,2aund 27,9 2,0 15,9 10,0 72,1 33,1 39,0

Tabelle 16

-- -

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. .Die Beschäftigten-Größenstruktur der Industrie in Berlin'und im Bundesgebiet 1974

"

40 30 20 '10 O/o 10 20 3J 40I J I I , , , ,

1 1 - 9 Beschäftiote ilI 10- 49 Beschöftiote ft;]

~ 50-99 Beschäftigte

Betriebe mit ... I - T 100-199 Beschäftigteß,~ I 200 - 499BeschäftigteI 500- 9998eschäftigte

1CCOu. m. BeschäftioteI M 1 - 9 Beschäftigte

I ~. 10-49 Beschäftigte

Beschäftigte in. . I ti SO-99 Beschäftigte

Betrieben mit ... I 1-100 -199 Beschäftigte~3%1 1200-400 Beschäftigte

Et I SOQ-æ3 BeschäftiGteI 1000u.m. Beschäftigte ~-"]

.

(: BRO BerlinQuelle: Stat.Jahrbuch Tur die Bundesrèpublik

Berliner Statistisches Jahrbuch

Abb í.Ldunq 11

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62

(3) Für viele mittlere und mittelgroße Unternehmenin Berlin brachte der Selektionsvorgang unterden großen Unternehmen einen Zwang zum Funktions-wandel mit sich.

O Erstens mußten diejenigen, die Zulieferer fürdie modernsten, entwicklungsintensiven Groß-produktionen in Berlin waren, mit dem Weggangder Großkunden zwischen 1961 - 1971 ihren Ver-kaufsapparat ausdehnen und leistungsfähiger ge-stalten, um den Lieferkontakt zu halten (in-dustrielles Marketing) .

o Zweitens mußten diejenigen, die Zulieferer fürtraditionelle Großproduktionen in Berlin.waren,wegen des Preisdrucks in diesen örtlichen Liefer-beziehungen nach alternativen Absatzmöglichkeitenaußerhalb Berlins Ausschau halten (Produkt-differenzierung und räUmliche Diver~ifizierung) .

d Drittens mußten die mittleren und mittelgroßenUnternehmen zur Bewältigung dieses Funktions-wandels nicht nur Marktforschungs-, sondern auchTechnik~Entwicklungskapazitäten aufbauen bzw.solche Dienstleistungen im Auftragswege beschaffen(unselbständige und selbständige produktionsnaheDienstleistungen) .

Durch funktionelle Anpassung hat die mittlere undmittelgroße Industrie in Berlin ihre Marktverflech-tung mit den dynamischen Industr i.enweitgehend gebal-ten und ein effizientes absatzpolitisches Instrumenta-rium (Marktforschung, Marketing) entwickelt. Sie hatden Strukturwandel der Größkunden in sehr differen-zierter Weise aufgefangen und dadurch teilweise ver-hindert, was der 6. Wirtschaftsbericht des BerlinerSenats im März 1968 schon als vollendetes Geschehen

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beklagte: "Die Minderung des Ranges Berlins alsStätte industrieller Forschung und Entwicklung".Richtig an dem. damaligen Bericht ist, daß die"Forschungs- und Entwicklungsabteilungen dergroßen und leistungsfähigen Unternehmen mehr undmehr an bestimmten regionalen Schwerpunkten inWestdeutschland konzentriertll werden (S. 15); nichtganz richtig ist die Implikation, daß diese räum-liche Verlagerung der industriellen Großforschungdie mittelgroßen und mittleren Industriefirmendauerhaft geschädigt hätte. Im Gegenteil; der Struk-turwandel bei den Großen hat einen günstigen Funk-tionswandel bei den Mittlerep und Mittelgroßen aus-gelöst.

So hat Prof. Strebel, Freie Universität Berlin, ineiner Umfrage 1977/78. unter ca. 100 Berliner undwestdeutschen Unternehmungen mittlerer Größe gefun-den, daß sich Berliner Firmen stärker auf Marktfor-schung und verkaufsfördernden Rat eingeschalteterBeratungsfirmen verlassen (ex~erne Kapazitäten) alsvergleichbare westdeutsche Unternehmen, die sichweder interne noch externe Kapazitäten in dem Maßehalten. Der Kontaktreichtum Berliner Klein- undMittelunternehmen fällt auf.

Unsere Innovationsforschung hat in 118 BerlinerUnternehmen 64 Innovationsprozesse in Begleitforschungunter Obversation. Von den-innovationsgeneigten unterdiesen mittelständischen Firmen haben nur wenige einenennenswerte, auf Dauer eingerichtete Forschungsab-teilung, treiben aber in der einen oder anderen FormEntwicklung neuer Produkte und Verfahren, und siekaufen bei Bedarf zwischendurch fachmännische Beratungbei einschlägigen Forschungsiristituten und Service-unternehmen in Berlin oder im In- und Ausland ein 1).

-1) G.'Mensch, B€obachtungen zum Irmovationsverhaltenkleiner,mittlerer und mittelgroßer Unternebnen, IIM/dp 79-3, in: Zeit-schrí.ft; für Betriebsv-Tirtschaft,49 (1979), Heft 1

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64

'(4) Der Strukturwandel in den Berliner Großunternehmenhat den Staat zu Hilfsmaßnahmen (Berlinpräferenzen)und die mittelständische Wirtschaft zum leistungs-steigernden Funktionswandel gezwungen. Die positive _Wirkung dieser Reaktionen wird deutlich an einemVergleich Berliner und westdeutscher Firmen, die dieIndustriekreditbank AG, Düsseldorf/Berlin, durchge-führt hat. Die Bank veröffentlichte 1977 einenBilanzvergleich von 144 kleinen unq mittleren Firmen:

- "je 72 Berliner und westdeutsche Firmen, diehinsichtlich Branche und Umsatzgröße möglichstgenau passend zueinander ausgesucht wordensind" •

- "Es wurden für jedes Firmenpaar - z. T. jeweilsmehrere aufeinanderfolgende - Bilanzen aus denJahren,1973-75 ausgewertet".

Ergebnis 1: "Die Berliner Firmen haben,ihreBetriebsleistung in der Vergleichszeit durch-schnittlich gut doppelt so stark steigern könnenwie die westdeutschen Vergleichsfirmen, und die

..-

Investitionen erreichten 8,2 vH des Umsatzesgegenüber n"ur 6,4 vH bei den'Vergleichsfirmen".

Er.gebnis 2: liDie Berliner Sonderabschreibungs-möglichkeiten .•. Das reichliche Angebot an lang-fristigem Fremdkapital zu günstigen Zinssätzenkommt in der hohen Anlagendeckung mit lang-fristigen Eigen- und Fremdmitteln von 196 vI-!(westdeutsche Firmen nur 152 vH) zum Ausdruck ...Die Berlin-Präferenzen gleichen die Standort-nachteile aus" 1).

1) Industriekredithank AG DeutscheIndustriebank, Bericht über dasC~schäftsjahr1976/77,S. 19-21

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In einem gemeinsamen Gutachten der Treuarbeit

AGund des Deutschen Instituts für Wirtschafts-forschung (DIWBerlin), das Anfang 1979 im Auf-

trage des Senators für Wirtschaft veröffentlichtwurde, wird anhand der Fallstudien sogar ein

Förderungsvorsprung Berlins errechnet. DieseRechnungen werden aber von der Industrie- und

Handelskammer zu Berlin bezweifelt.

6.Fazit: VomStandpunkt der Produktivität und der,Absatz,leistung haben sich die mitt'elgroB'en Unter-

nehmen 'und der kleinstrukturierte Teil de'rBerlinerIndustriedeutli'ch besser behauptet alsdergroB-

s'trukturierte' T'eil, obwohl di'eser von' öffentlichen

Auf'trägen noch begünstigt wurde.

7.Fazit: t'ürdi'e meisten Berliner Unternehmen hat die

~taatliche uBerlinförderung" einen Ausgleich der

Standortnachteilegebracht , so daB' auch die Profi tabi-lität der berlinansässigen Unt'ernehmen im Endergebnis

kaumnoch von geo-politischen Faktoren beeinträchtigtis't', sondern fas'tausschlieB'lich von Marktfaktorenbestinunt wird.

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232. Die Wirtschaftsförderung in Berlin

~Mit der Förderung der Berliner Wirtschaft werden kurz-,mittel und längerfristige Ziele verfolgt. 'Kurzfristigmuß zunächst eine Stabilität der Zahl der Arbeitsplätzein der Stadt erreicht werden~, heißt es im 13. Bericht überdie Lage der Berliner Wirtschaft (4. Oktober 1978).

Die folgende Übersicht (Tabelle 17) zeigt anhand der Ent-wicklung des Arbeitsmarktes in Berlin im Vergleich zumBundesgebiet, daß das vorrangige Ziel der Berlinförderung,die Arbeitsplatzstabilität, zum Teil erreicht wurde; wobeiin der Rückschau gar nicht mehr auszumachen ist, ob dieAbschwächung des Arbeitsplatzschwundes auf der Wirkung derstaatlichen Berlinförderung oder auf der Konjunkturbelebungin den Märkten beruht. Unstreitig ist, daß die Berlin-präferenzen unverz~chtbar sind, weilohne sie der Arbeits-markt in Berlin zusanunenbrechen würde.

r-- ,_.....___ -._ .-Bar lin 19741 ) 19751 ) 19761 ) 19771) 19782)

I

Arbeitslose insgesamt 17 677 31 223 31 288 35 091 38 009 II

, I

ArbeitslosenQuote3) in v.H. I2,0 3,7 3,9 4,5 4,8IOffene Stell en 11 773 9 819 8 950' 8 190 '9 180

Kurzarbei ter 4 775 17 339 8 043 5 647 3 87/t.~

--- - S.Q -Bunde sgebi et

Arbeitslose, insgesamt 582 481 1 074 217 1 060 336 1 029 995 1 021 714

Arbeitslosenquote3) in v.H. 2,6 4,7 4,6 4,5 4,5Offene Stell en 315 375 236 174 234 997 231 227 251 131KurzarlJeiter 292 403 773 334 277 008 231 329 m 467

1) Jahresdurchschnitt auf der Grundlage von Monatsdurchschnitten.2) Durchschnitt Januar - August auf der Grundlage von Monatsdurchschnitten.3) Arbeitslose in v.H. der abhängigen Erwerbspersonen lt. Mikrozensus.

Quelle: Landesarbeitsamt Berlin, Bundesanstalt für Arbeit, Senator für Arbeit und Soziales.-

Tabelle 17

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67 ...

Die' Wirtschaftsförderung, konzipiert als Hilfe zurSelbsthilfe, wurde von der Berliner Wirtschaft ange-nommen und in ein befriedigendes Ergebnis umgesetzt,denn 1978/79 befindet sich auch das industrielle Wachs-tum im Gleichschritt mit dem im Bundesgebiet.

(1) Die Berlinförderung besteht hauptsächlich ausdem 'indirektenI'nstrumentariurn (Steuerkürzungs-ansprüche und Investitions- und Arbeitnehrner-zulagen). Das. Volumen dieser Hilfen lag in denletz.ten Jahren bei 5 Mrd. DM (s. Tab.elle 18 ~•

Gesamte Steuermindereinnah~en auf Grund derSteuervergünstigungen des Serlinförderungs-

gesetzes(in Hi.oOM)

Kennzeichnung der Reehtsgrundlagesteuervergünsti g,ung· Serli nFG 1975 1976 1977

Umsatzsteuerkürzungsansprüche §§ 1, 1a, 2, 13 1 360 1 511 1 611

steuerermäßigung fOr die Hingabe §§ 16, 17 421 605 297von Industrie- und WohnbaukreditenInvestitions2ulagen § 19 374 465 402Steuerpräferenzen für Berlin §§ 21, 22, 26 401 422 450

Arbeitnehmerzulagen §§ 28, 29 1 558 1 719 1 739

naehr; chtlich 1)Erhöhte Absetzungen für be- § 14 290 290 310triebliche InvestitionenErhöhte Absetzungen für § 14a 20 20 20Wohngebäude + Eigentumswohnungen

Steuermindereinnahmen insgesamt It 424 ; 032 4 829

Que 11e~ Senator für Finanzen, 1) Sechster SuhveniionsbArl cht der Bundesregi erunç,

Tabelle 18

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(2) Die indirekten Mittel der Berlinförderung stehenim Verhältnis zehn zu eins zu den direkten Mittelnder Berlinförderung (ERP-Mittel, Landesbürgschaften,Haushaltszuwendungen u. a., s. Tabelle 19). Diedirekten Mittel werden dem Unternehmen auf Antragbewilligt; ein Verfahren, das die administrations-scheu~n Unternehmer ungern wählen. In letzter Zeitmehren sich die Kl~gen, daß auch die indirektenMittel, auf die das Unternehmen nach dem Berlin-förderungsgesetz einen Rechtsanspruch hat, von derBerliner Verwaltung mit einer Prise Willkür vergebenwerden, so daß der Verfahrensunterschied zwischendirekter und indirekter Förderung praktisch ver-

1977M,io DM

4 829 5)

5439866

1125 61+8

1) Ohne Frachtkostenanteil fUr Elsen und Stahl,'Senkung der Selbstbeteiligung bei Ausfuhrgarantien,Gebührenvergünstigungen Im Postwesen und Bevorratung.

2) vgl. hierzu auch Ubersicht 19.

3) z, B. Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, '~ertausgleich für Grundstücke des allgemeinen Grund-vermögens zur Gewerbe- und Industrieansiedlung, Sonderkosten der Industrieansiedlung.

4) z, B. Förderung von Entwicklung und damit zusammenhängener Forschung in der Berliner Industrie,Förderung der Er~erbstätigkeit in Berlin.

5) Rückgang vor a 11em \fegen Konditionsänderung bei § 16 f Berli nförderungsgeseh.

Que 11e: Sechster Subvent icnsberí cht der Bundesregi erung, Senator für Finanzen und e igene Berechnungen.

Tabelle 19

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OJ

69

(3) Andererseits hat der Berliner Senat 1978 einenGeneralbevollmächtigten für Wirtschaftsförderungberufen, Herrn Robert Layton, und eine Wirtschafts-förderungsgesellschaft (WFB) eingerichtet, dieUnternehmungen (zumindest ansiedlungsgeneigten)helfen soll, im Paragraphendickicht der Berlin-förderung sich zurechtzufinden.

(4) Es ist zu erwarten, daß mit der Erweiterung derBerlinförderung ,durch Halbierung (1978) undAnnullierung (1979) der Hebesätze für die Lohn-summensteuer ein wirksames, indirektes Mittelzur S~arkung der Wirtschaftskra~t Berlins gefundenwurde, das überdies für die Beteiligten den Vorteilhat, durch Fortfall von Verwaltungsaufwand auch dasManagement zu erleichtern.

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24. Das Berliner Handwerk - gestärkt und verjüngt

Die Handwerkskammer Berlin kann in ihrem Bericht 1977 einsehr positives Bild des Berliner Handwerks geben:

nln den Handwerkszweigen und -gruppen waren amJ.ahresende 1977 mit insgesamt 132.232 Personen~~er4.000 mehr beschäftigt als ein Jahr zuvor.Der Dmsatz stieg im Ber ichtsj ahr 001 11,° % auf7,53 Mrd. DM. Erstmals seit Kriegsende vermehrtesich auch die Zahl der zur Handwerkskammer Berlingehörenden Betriebe (per Saldo um 81) auf 13.493zum Jahresende. 1977 i dabei ging im Handwerk dieBetriebszahl um 87 auf. 11.625 zurück, währendsie sich in den handwerksähnlichen Gewerben um168 auf 1.868 erhöhte. Entgegen.der Entwicklungin anderen Wirtschaftsbereichen war das Jahr 1977~n Berlin für das Handwerk und für das handwerks-ähnliche Gewerbe insgesamt also positiv verlaufen.".

Dieses Bild ist erfreulich im zeitlichen und räumlichenVergleich.

nSeit zwei Jahrzehriten gab~es keinen so geringen·Rückgang der Betriebszahl im Berli.ner Handwerkwie 1977. Die Verlustquote sank mit 0,7 % erst-mals unter ein Prozent. Sie ist damit geringerals im Bundesdurchschnitt. Dieses ungünstige Er-gebnis ist im wesentlichen auf die auffälliggestiegene Zahl der Eintragungen in die Handwerks-rolle zurückzuführen, dí.e'1977 mit 1.177 um 196höher lag als ein Jahr zuvor, während die Zahlder Löschungen nur um 16 auf 1.264 anstieg."

Die Berliner Handwerkskammer begrüßt in ihrem Bericht 1977vor allem die Verjüngung des Handwerks und eine günstigeEntwicklung in der Nachfolgefrage und der Neigung zur Selb-ständigkeit:

nZur Gesamtzahl der Löschungen zählt ein hoher Anteilvon Betrieben, die auf einen Nachfolger übergingen.So fanden im Berichtsjahr 569 Betriebsübergabenan Nachfolger statt gegenüber 487 Betriebsüber-tragungen im Vorjahr. Dagegen verminderte sichdie Zahl der endgültigen Betriebseinstellungenaus persönlichen und wirtschaftlichen Gründenbeträchtlich·um 53 auf insgesamt 487. Hier gingdie Zahl der Betriebsaufgaben aus Alter, Krankheitund Tod der Inhaber erneut zurück und war mit 368so gering wie seit Jahrzehnten nicht. Damit wirddie 1975 bereits registrierte Tatsache bestä~igt,daß die ehemals starke Überalterung der selbständigen

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Handwerksmeister vorüber und einer sehr vielgünstigeren Altersstruktur gewichen ist. Auchdie Zahl der Betriebseinstellungen mit Aufgabeder Selbständigkeit zugunsten eLrier künftigenArbeitnèhmertätigkeit nahm im Vergleich zu 1976ab (um 21), während die Zahl der Insolvenzen imHandwerk (58) auf der Vorjahreshöhe (59) blieb."

Einen umfassenden überblick über die Leistungs- undBeschäftigungsstruRtur des Berliner Handwerks geben dieTabellen 20 und 21.

Umsatz.) des Berliner Handwerks 1976 und 1977nach Handwerksgruppen

(Ergebnisse einer Umfrage der Handwerkskammer Berlin)

I Gesamtumsatz in Mill. DM IHandwerksgruppe I---.....:::...:...:....:::...,I:..:........__;_----.-------¡

1977 , 1976 i Veränd. in %

, I

I

I. Bau 1714,2 I 1525,5 'I + 12,4II. Metall 2653,1 ¡ 2260,4 i + 17,4III. Holz 285,1 261,1 I + 9,2IV. Bekl., Textil, Leder 303,4 280,9 + 8,0V. Nahrung 1323,1 1 298,7 + 1,9VI. Gesundheits- und I

Kõrperpfleae 772,9! 694,9"..

IVII. Glas, Papier,

I 3,7Sonstige 180,1 173,7 I +Handwerk insgesamt I 7231,9 I 6495,3

I+ 11,3

IHandwerksähnliche

Ii

Gewerbe 298,1 I287,7 + 3,6

I

Alle Betriebe 7530,0 I 6783 O + 110

+ 11,2

') eínscbl. Handel, ohne Mehrwertsteuer

Tabelle 20

Beschäftigte im Berliner Handwerk 1976 und 1977*)nach Handwerksgruppen

(Ergebnisse einer Umfrage der Handwerkskammer Berlin)

I! Handwerksgruppa 1! ---,-_---=B=-e=s-=ch:::;a;::Ï:..::ti:.::g~te=n=z:.c:_ah=l~,.._;;.__:_:__=__;,__!

977 I 1976 I' Veränd. in iAusländ. TeiJzeitbesoh. :1: ,% I In % von 1976 :26146377314073539014851

I27848344954247

I' 5642, 15 ·~85

I+ ~:¡-4,1

i - 4,5: -4,1

i + 10,6, .

I! -3,5

I 7,7, 6,0

II 8,35,9

. 44

116:2 I

i ,í 3,9 i

4,97,77,9

15,22'1,9

'\ I. Bau III. Metall I

I III. Holz !IV. Bekl., Textil, Leder I

I ¡ V. Nahrung ;. VI. Gesundheits- und ¡I Körperpflege ¡;VII. Glas, Papier, I! Sonstige !

I34581 i 31 270I

3389 ! 3510

34,4

14,4

Handwerk insgesamt,Handwerksähnliche.Gewerbe

1126161 i 122497, i

i 6071 I 5709!

i + 3,0

! + 6,3

i 9,0Ii 10,5

17,0

21,5

¡Alle Betriebe ,1322::l2 128 206 : + 3,1 9,0 17,2

') jeweils Jahresende

Tabelle 21

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72<?

25. Der überstürzte Strukturwandel im BerlinerHandel beruhigt sich

Wir haben bereits (im Abschnitt 22) die gewaltige Um-strukturierungsleistung gewürdigt, die das warenprodu-zierende Gewerbe in der Nachkriegszeit bewältigen mußte.Im warenverteilenden Gewerbe (Handel) waren die Anpassungs-leistungen sogar noch größer. ~Der Groß- und Einzelhandelleiden besonders unter der Abschnürung vom natürlichenUmland und dem Fehlen des Hinterlandes. In der Bundes-republik insgesamt ist 'die Zahl der steuerpflichtigenUnternehmen ~m Einzelhandel nach der, Umsatzsteuerstatistikvon 1962 bis 1974 um 22 % zurückgegangen, in Berlin dagegenum 43 %, und zwar von knapp 22 000 im Jahre 1962 auf gut12 000 im Jahre 1974. Der Rückgang der Zahl der steuer-pflichtigen Unternehmen im Großhandel ging in der Bundes-republik in der gleichen Zeit um 11 % zurück, in Berlinaber um 39 %, und zwar von 4 700 auf 2 800. Der Rüçkgangder Zahl der steuerpflichtigen Großhandelsunternehmenwar in Berlin also mehr als dreimal so s·tark wie imB J bi t II 1)'uno.es,ge e ,,•

Die mit ,den Umstellungen und Stillegungen von Handels-betrieben verbundene Konzentration im Handel girig mit derStagnation der Urnsä t.ze auf einem nominalen Niveau von11 Mrd. DM im Großhandel bzw. 13 Mrd. DM im Einzelhandeleinher (s. Tabelle 22) und verschärfte die Anpassungs-lasten. Sie waren in Berlin deutlicher ausgeprägt als imBundesdprchschnitt und führten zu einer Verschiebung derMarktanteile zugunsten von Großbetrieben und zu Lastenvon verstreut gelegenen Kleinbetrieben.

Die kleineren Einzelhandelsgeschäfte waren 1976/77 aberweniger starken Marktanteilsverlusten ausgesetzt als in,früheren Jahren, und der Anteil von Großbetriebsformen

1) Dr. G. Braun, in: Die BerlinerWirtschaftv. 30.9.1977,S. 835

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wuchs nur noch relativ wenig. Die geringste durch-schnittliche Umsatzerhöhung zeigte sich 1976/77 beiden Warenhausunternehmen (+ 1,6 vH). Danach fOlgte mitleicht höherem Umsatzzuwachs der mehrbetriebliche Fach-einzelhandel mit 1 bis 4 Verkaufsstellen (+ 2,6 vH) ..überdurchschnittlich, aber weniger stark wie in früherenJahren expandierten weiterhin die Großfilialunternehmen(+ 5,6 vH). Der Konzentrationsprozeß .in Berlin hält nachwie vor an, wenn er sich auch relativ beruhigt hat.

Umsätze des Handels in Berlin(in Mrd. DM)

Großhandel Einzelhandel

1960 2.7 1,61961 6.7 5.01965 7,0 6.61970 8.2 9.0'1971 8,0 9.91972 8.3 -10.51973 9,2 11.11974 10,5 11.71975 10.7 12.51976 11,5 13.01977 11,2 13,4

Tabelle 22

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.'

74

Die relative Beruhigung des Strukturwandels im Groß-und Einzelhandel kommt auch in dem verlangsamtenPersqnalabbau zum Ausdruck (s. Tabelle 23).

Beschäftigte im Berliner Groß- und Einzel-handel (1970 = 100 )

1970 1974 1975 "1976 1977Einzelhandel 100 91 ,3 87,6 85,3 82,6Gr:oBhandel 100 91,1 83,7 ,82,7 81,3

-

Tabelle 23

8.,Fa;z'it: Im warenverteilenden Gewe'rbe '(Handel)hat der überstürzte Strukturwandelein'erelati veBe'ruhi'gungerfahren.

I,.

,¡..

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26. Die Berliner Bauwirtschaft im Umbruch undnicht ohne gute Chancen

Für die Wirtschafts- und Kommunalpolitik ist die Bau-wirtschaft ein strategischer Ber~ich. In Berlin werdennach Angaben der Fachgemeinschaft Bau Berlin e.V.70 - 80 % der Bauleistungen direkt oder indirekt vomStaat gesteuert. Der öffentliche Auftraggeber kann denöffentlichen Hoch- und Tiefbau steuern, der Gesetzgebersetzt vielfältige Rahmenregelungen fü~ den gewerblichenBau, und die Stadt greift massiv in den Wohnungsbau ein.

In Berlin ist der gemischtwirtschaftliche Bausektor jahre-lang auf ein Neubauvolumen von etwa 5 Mrd. DM eingeübt;nach einer Reihe von öffentlichen Pannen wie dem Steg-litzer Kreiseloperieren Stadt- und Bezirksverwaltungenbetont vorsichtig mit großen Bauvorhaben. Der Hochbau-komplex des Internationalen Congress Centrums (ICC) stehtnach langen Debatten über die Nützen/Kosten-Relation kaumvor der Vollendung, da wird das nächste Großprojekt, derAutobahnausbau, sehon zum Gegenst"and der Koalitionsver-einbarung von SPD und FDP, den Siegern in der Wahl vomMärz 1979. Denn dieses Tiefbauprojekt verspricht immerhindie Weiterbeschäftigung von ca. 1000 Bauarbeitern.

Das Bauvolumen in Berlin (in Mill. DM)1974 1975 1976 1976 gegen 1975 In %

nominal real ')

Wohnungsbau 2104 2052 2194 + 6,9 +4,0Gewerblicher 8au 1360 1347 1361 + 1,0 -1,7Öffentlicher 8au 1299 1334 1342 +0,6 - 2,3

davon Hochbau 615 614 622 + 1,3 -1,7Tiefbau 684 720 720 - -2,7

Gesamtes 8auvolumen 4763 4733 4897 + 3,5 +0,5

') In Preisen von 1970

Angaben fOr das Jahr 1877 liegen wegen der Umstellung der Statistik im Produzierenden Gewerbenoch nicht 'lor

Ouelle: Statistisches Landesamt 8erlln

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Entwicklung und Zusammensetzung des Bauvolumens imJahre 1977 lassen nur unzureichend erkennen, mitwelchen Schwierigkeiten die Berliner Bauwirtschaft zukämpfen hatte. Zwar konnte die Leistung des Vorjahresfast behauptet werden: Das Bauvolumen stieg von4,9 Hrd. DH im Jahre 1976 auf 5,0 Mrd. DM im Jahre1977¡ ein nominaler Anstieg um 1,7 % bei einem Preis-anstieg von reichliéh 4 %¡ real bedeutet das jedocheinen Rückgang des Bauvolumens um rund 2 %. Neben derBodenknappheit behindern freilich auch die hohen Bau-preise die Entfaltung der Baunachfrage. Die Preise fürBauleistungen am Bauwerk stiegen von 1970 = 100 bis 1978in Berlin auf 175,8 im Vergleich zum Bundesdurchschnitt(159,7). Nur Hamburg übertrifft Berlin in der Baupreis-entwicklung (176,0) wu ein Quäntchen.

Immer noch wurde die Entwicklung des Bauvolumens ent-scheidend durch den Wohnungsbau bestimmt, obgleich sicheine Verminderung der Bedeu·t.ungdieses Baubereichs nacheinem vorübergehenden Aufschwung im Jahre 1976 b~reits

\

ankündigte. Der Anteil des Wohnungsbaus am gesamten'Bauvolumen betrug 1975 rund 43%, 1976 dann 45%, 1977etwa 44% und wird für 1978 auf nur noch 40% geschätzt.Der Anteil des öffentlichen Baus nahm dagegen von 27,5%im Jahre 1976 auf 29% im Jahre 1977 zu und könnte 1978auf mehr als 30% ansteigen. Das Gewicht des gewerbl~chenBaus blieb in den beiden letzten Jahren mit 27% gleich;bei nur geringfügigen Veränderungen und insgesamt sinken-dem Bauvolumen dürfte sich jedoch auch dieser Bereich1978 der 30%-Marke nähern.

Die Berliner Handwerkskammer und die Industrie- undHandelskammer zu Berlin hegen in ihren Jahresberichten1977 große beschäftigungspolitische Sorgen. Besonders die

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rasch abfallende Nachfrage nach Neubauleistungen imWohnungsbau bei insgesamt abnehmendem Volumen signali-siert eine zunehmend labilere Beschäftigungslage inder Bauwirtschaft, vor allem im Bauhauptgewerbe.

Die Beschäftigung des Bauhauptgewerbes war zu keiner Zeitdes Jahres 1977 kapazitätsdeckend. Zu Beginn des Jahreswaren mehr als 4.000 Bauarbeiter arbeitslos. Der Viertel-jahresbericht 1978 über die Entwicklung der Berliner Bau-wirtschaft spricht von einer im Frühjahr 1978 einge-setzten Aufwärtsentwicklung der Baunachfrage, die sichfortsetzte (+ 14,2 % über dem entsprechenden Vorjahres-quartal) ; und - gemesse'n am bauaufsichtlich genehmigtenHochbau - erhöhte sich der reale Wert aller Hochbaupläriein den ersten neun Mon'7lten1978 um 24 % gegenüber demvergleichbaren Zeitraum 1977; im Tiefbau erhöhte dieöffentliche Hand das Auftragsvolumen im 3. Quartal 1978um 62, cr' % gegenüber dem Vorquartal und' um 44,5 % gegen-über dem entsprechenden Vorjahresquartal. InsbesondereGro~aufträge im U-Bahn-Bau führten zu diesen ~stabili-'sierenden ~mpulsenll, die die öffentliche Hand gab. Wie

~ gering die Spielräume für den Tiefbau sind zeigt die Tat-sache, daß die mitregierende FDP gegen die Autobahnpläneder regierenden SPD Stellung bezogen hat.

Nach den Plänen des Senats sollen in Zukunft nur noch eineabnehmende Zahl von Wohnungen im sozialen und steuerbe-günstigten Wohnungsbau öffentlich gefördert werden. Des-halb wird die Modernisierung von Altbauwohnungen und dieöffentl~che Förderung von Modernisierungsmaßnahmen dring-licher. ~Wie dringlich eine forcierte Modernisierung ist,wird deutlich, wenn man bedenkt, daß sich die Zahl dermehr als 75 Jahre alten Wohnu'ngen in Berlin von 183.000im Jahre 1976 auf 340.000 im Jahre 2000 selbst dann fastverdoppeln wird, wenn die Stadterneuerung in dem bis-herigen Tempo fortgesetzt werden kannll 1).

1) lEK-Bericht1977, S. 67

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78

1977 wurden in Berlin sage und schreibe 10 000 Moder-nisierungsmaßnahmen vergeben i und auch diese war en..meistens nur sogenannte "Mini-Modernisierungen". Fürdurchgreifendere Modernisierungsmaßnahmen fehlen dieerforderlichen Ausführungsbestimmungen. In keinerBranche der gemischten Berliner Wirtschaft zeigt essich so deutlich wie in der Baubranche, daß eine nach-haltige Qualitätsverbesserung der Wohnungssituation(qualitatives Wachstum) und eine Lösung des Beschäfti-gungsproblems (quantitatives Wachstum) eng verbundenist mit der Ordnungs- und Leistungsfunktion der' öffent.-lichen Hand; zwischen den politischen Zielen des Ber-liner Senats und dem Verwaltungsprozeß der BerlinerBehörden herrscht eine gewisse Diskrepanz selbst dort,wo man es infolge der politischen Potenz der negativBetroffenen nicht erwartet hätte.

Der Nachholbedarf bei der Modernisierung der Altbau-Substanz in Berlin, überhaupt die ganze Wohnungssituationin Berlin enthält für die Bauwirtschaft große Chancen,und Berlin könnte eigentlich aus der Not eine Tugendmachen. Eine von den Unternehmungen oft, genannte Schwie-rigkeit bei der Anwerbung von Fach- und Führungskräftenist die Enge auf dem Markt für Wohnungen des gehobenenBedarfs, und für viele ansässige Führungskräfte ist dieseWohnungssituation ein ec~tes Ärgernis').

Aus den Angaben über die quantitative Wohnungsversorgung,der Größe der vorhandenen Wohnungen und der BerlinerHaushalte lassen sich die Engpässe auf dem Wohnungsmarkt,vor allem der Mangel an größeren Wohnungen, eindeutigablesen.

1) Das ergab unsere-n'LJmfrageunter Wirtschaftsfübre.rnin Berlin",Inte.rnationalesInstitutfür Managementund Verwaltung,dp 79-19,Mßrz 1979

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Der Bestand an Wohnungen in Berlin setzte sich am31. 12. 1976 zusammen aus Wohnungen (einschließlichKüchen)

mit 1 Raum: 35 479 = 3,3 %

mit 2 Räumen: 222 979 = 20,6 %

mit 3 Räumen: 411 423 = 38,0 %

mit 4 Räumen: 271 189 = 25,0 %

mit 5 Räumen: 95 860 = 8,9 %

mit 6 Räumen: 27.653 = 2,5 %

mit 7 oder mehr Räumen: 18 070 = 1,7 %

Dem steht zum JahreSbeginn 1976 folgende Größenstrukturder Haushalte gegenüber - nach Angaben aus dem DIW vom29. November 1976 (Vortrag Dr. Watter) - ...Einpersonenhaushalte rund 485 000 = 45 %

Zweiperson~nhaushalte rund 320 000 = 30 %

Dreipersonenhaushalte rund 158 000 = 1-5 %

Vier~ersonenhaushalte rund 78 000 = 7 %

Fünf- u. MehrpersS'nen-haushalte rund 34 000 = 3 %..

Unterstellt man einmal, wie es die Enquetekommission inihrem Bericht vom März 1978 tut, daß

50 % aller Einpersonenhaushalte Wohnungen mit1 oder 2 Räumen,

50 % aller Einpersonenhaushalte und 50 % allerZweipersonenhaushalte Wohnungen mit 3 Räumen,

50 % aller Zweipersonenhaushalte und 50 % aller Drei-personenhaushalte Wohnungen mit 4 Räumen usw.

wünschen, so ergibt sich ein Fehlbestand von ca.50 000 Großwohnungen.

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Wohnungenmi t ... Räumen

Bedarf

l~------------~--------~----------~--------------

ein und zweidrei

243 000403 000239 000118 00073 000

II vierfünfsechs und mehr

Bestand

258 000411 000271 00096 00046 000

I -Uberschuß bzw.Fehlbestand

+++

15 0008 000

32 00022 00027 000

Der Mangel an geeigneten Großwohnungen geht mit einemUberschuß an Kleinwohnungen einher, wobei diese "'Woh-nungshaldelI aus Preisgründen (es ~urde in den vergangenenJahren in Berlin teurer gebaut als im Bund), und auch ausQualitätsgründen (es wurden zu viele standardisierte Woh-nungen gebaut.) nicht hoch in der Gunst der Wohnraum-suchenden liegt.

Der Berliner Senat hat Maßnal~en eingeleitet, um aus derNot eine Tugend zu machen. So lobt die HandwerkskammerBerlin im Jahresbericht 1977: lIüberall ist die Entschlos-senheit spürbar, Berlin lebensfähig zu erhalten und dieSituation seiner Bewohner zu verbessern. Wesentlich dafürist, die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt zu erhaltenund die Wohnungssituation zu verbessern", und für beides,bietet die Stadterneuerung einen wirkungsvollen Ansatz-punkt.

Am 31. Dezember 1976 gab es in insgesamt 167 340 Wohn-gebäuden in Berlin insgesamt 1 082 563 = 100 % Woh-nungen. Davon waren nach der Ausstattung:

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ohne WC, ohne Badmit WC,· ohne Badmit WC, mit Bad- davon mit Sammelheizung

ohne Sammelheizungmit Sammelheizung insges.mit Ofenheizung insges.

100 518

146 005

836 130

517 664318 466531 569551 084

= 9,3 %13,5 %=

= 77,2 %= 47,8 %

29,4 %== 49,1 %

50 ,9 .% •=

Unterstellt man, daß Innentoilette, eigenes Bad undSammelheizung zum allgemein gewünschten Ausstattungs-standard gehören, so wäre die Hälfte der Wohnungenin Berlin modernisierungsbedürftig. Diese Mängel derAusstattung hängen mit der Altersstruktur der Berliner~vohngebäude zusammen. Andere Mängel sind statistischüberhaupt nicht erfaßt, so zum Beispiel zu schwacheelektrische St~igeleitungen, verrottète Be-und Ent-wässerungsinstallationen, verzogene Türen, Fensterund Trepp~n, unterlassene Schönheitsreparaturen an denFassaden, Treppenhäusern und Innenwänden, die nichtnur im Althausbestand, sondern zum Teil auch in denSozialwohnungen des ersten Nachkriegs-Wohnungsbau-programms verbreitet sind. Nach dem Alter der Gebäudestammen aus der Bauzeit

bis 1900 182 558 Wohnungen = 16,9%1901 bis 1918 244 101 Wohnungen = 22,4%1919 bis 1948 175 404 Wohnungen = 16,2%Altbau insgesamt 602 063 Wohnungen = 55,6%nach 1948 (Neubau) 480 590 Wohnungen = 44,4%.

Das Erste und Zweite Stadterneuerungsprogramm von 1963bis 1985 bzw. von 1974 bis 1995 haben eine Bauleistungvon je rund 34 000 zu modernisierenden oder neu zu bauen-den Wohnungen zum Ziel. Davon sind derzeit im ErstenProgramm rund 20 000 Wohnungen noch nicht bewilligt.Von den zusammen rund 54 000 noch nicht bewilligten Wohnun-gen sollen nach den Planungen des Senats jährlich ins-gesamt 3 000 -Wohnungen modernisiert oder neu gebaut werden.

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&)

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Die beiden Stadtern~uerungsprogramme beziehen gegenwärtig110 000 Altbauwohnungen ein, von denen mindestens 70 000abgerissen werden sollen, weii ihre Substanz so schlechtist oder das städtebauliche Ziel der Entkernung so vor-dringlich, daß auch Modernisierung ausgeschlossen er-scheint. Auch außerhalb der förmlich ausgewiesenen Sanie-rungsgebiete werden noch einmal mindestens 50 OOO·Wohn-einheiten geschätzt, die bereits jetzt oder jedenfalls infünf bis zehn Jahren zum Substandard gezählt werdenmüssen, der noch abrißwürdig ist. Nicht alle ~it Aus-·stattungs- und Instandhaltungsmängeln behafteten Wohnun~·gen können modernisiert werden. Die Planungsleitstelledes Senats schätzt - in einer Auskunft vorn 2 'l, Dezember1976 an den Vorsitzenden der Enquete-Kommission. -, daßvorn Bestand der Baujahre vor 1918 rnodernisierungsfähigsind

rund 20 000 Wohnungen durch Einbau von Bad, we undSammelheizung

rund 80 000 Wohnungen durch Einbau von Bad undSammelheizung

rund 170 eco Wohnungen durch Einbau von Sammelheizung

270 000 Wohnungendarüber hinaus vom Bestand der Baujahre zwischen 1919 und1948rund 130 000 Wohnungen durch Einbau von Sammelheizung,

also zusammen400 000 Wohnungen.

9 .Fazi t: Die als problembereich in der Berliner Wirt-schaft empfunde.ne Wohnungssituation stell t also fürdie Zukunft eine große Herausforderung und damit ,einBedarfsfeld mit guten Beschäftigungschancen dar.

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3. ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN FÜR DIEBERLINER WIRTSCHAFT

Im Teil 1 haben wir festgestellt: Das weitverbreiteteImage der Berliner Wirtschaft ist schlechter als dieWirklichkeit. Das von den Erfahrungen der Vergangenheitgeprägte. Interpretationsmuster verändert sich langsamerals der Zustand der Berliner Wirtschaft. Die Analyse imTeil 2 ergab: Die Lage des gemischtwirtschaftlichenLeistungsverbundes in Berlin hat sich objektiv stabili-siert und subjektiv verbessert:

o Berlin erreichte 1978 nach drei Jahrzehnten einerchronisch unausgeglichenen Warenbilanz endlich"die volle Integration Berlins in die Volkswirt-schaft der Bundesrepublik Deutschlandll (Informa-tionen der Industrie- und Handelskammer zu Berlin,November 1978) und

o "Die Tatsache, daß sich die psychologische Lageder Stadt merklich gebessert hat, muß als das großeAktivum des Jahres 1977 für Berlin angesehen wer-den" (Geschäftsbericht 1978 der Berliner Landes-.zentralbank) .

Die gewandelte Lage und die Zuversicht unter den Wirtschafts-führern (Abschnitt 31) hat sich noch nicht in dem Maße auf.das allgemein gehegte Zukunftsbild von der Stadt ausgewirktwie das überkommene, festgefressene Vorurteil. Offenbar hataber die gemischtwirtschaftliche Berliner Wirtschaft ihreSonderprobleme (politischeHypotheken, Standortnachteile)inzwischen weitgehend gemeistert - mit Unterstützung durchdie Bundeshilfe, die die Berliner Zahlungsbilanz stabili-siert, und mit Hilfe zur Selbsthilfe durch die Berlin-förderung, die der Wirtschaft eine größere Struktur-flexibilität ermöglichte als andernorts. Der Strukturwandel

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zwang viele Berliner Unternehmen - vor allem im Bereichder mittleren und mittelgroßen Unternehmen (200 bis1 000 Beschäftigte) - sich früher als viele Flrmen inanderen Regionen mit den Marktveränderungen auseinan-derzusetzen: durch Stärkung der Absatzfunktionen. So istder Teil der Berliner Wirtschaft, der im Marktwettbewerbsteht, durch den Funktionswandel und durch die Einbettungin den gemischtwirtschaftlichen Leistungsverbund Berlinsbesser für die kommenden Marktstrukturänderungen gerüstetals die~Wlrtschatt mancher anderer Regionen. Die Zuver-sicht unter den Wirtschaftsführern könnte sich durchaus~uf die mittelständische Wirtschaft übertragen.

Berlin ist dabei, seine Position in den überregionalenund internationalen Wirtschaftsbeziehungen neu zu bestim-'men. Die Ratlosigkeit vergangener Jahre, die mit demVerlust der Hauptstadtfunktion und dem Weggang etlicher

.Konzernhauptverwaltungen einherging, weicht einer zuver-sichtlicheren Identifikation der Wirtschaftsführung mit

- .. . einer neuen Rolle: der Rolle des Vorreiters im qualitativen

Wachstum (Abschnitt 32).

Dies ist nicht die ambitiöse Rolle einer Modellstadt, diees im Zuge einer Flucht nach vorn auf sich-nimmt, ihrHeil in Experimenten zu suchen, sondern die es sich zu-traut, unter Verzich"c auf unrealistische Ziele und Ambi-tionen in ein paar Innovationsbereichen in Kunst, Wissen~schaft und Wirtschaft führend zu sein, um so nicht nurmit dem Wandel, sondern ~ Wandel zu leben. Was Berlinvon den .al.ten Hauptstadtfunktionen immer noch für sichreservieren kann ist die Trendsetzungsfunktion instrategisch ausgewählten Beredehen. Die von Wirtschafts-führern und Politikern geäußerten LeitvorstellUngenspiegeln einen Wandel von ängstlichen zu zuversichtlichenLeitbildern (Abschnitt 33) wider.

Wirtschaftsführer und Wirtschaftspolitiker stehen vor derAufgabe, die zuversichtlichen Leitbilder in der mittel-ständischen Wirtschaft zu stärken. Dadurch "kann Berlin

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in der Tat Modellstàdt für eine forschungsintensiveWirtschaft mittelständischer Struktur werden", schreibtKoautor R. Scholz¡ "Voraussetzung hierfür ist aller-dings, daß entsprechend wirksame Strategien entwickeltwerden".

Für die Abschätzung der Zukunftsaussichten steht zunächstdie schmerzliche Erfahrung mit dem stattgefundenen'Wirt-schaftsstrukturwandel in verwirrendem Kontrast dazu, daßeine wachsende Teilgruppe von leitenden Angestellten undselb$tändigen Unternehmern in Berlin eine positive Ein-schätzung der Lage geben. Die Kernfrage ist, ob dieRezession der vergangenen Jahre per Saldo eine Des-investition in den unhaltbaren Wirtschaftsteilen unddamit eine Stärkung der Wirtschaftskraft des Ganzengebracht hat, oder ob die Rezession per Saldo die Neu- ~investition in leistungsfähige Wirtschaftsteile verhin-dert und damit das ganze Wirtschaftsgefüge krisenanfälligergemacht hat. Der beobachtete Geisteswandel bei den Wirt-schaftsführern in Berlin bedeutet, daß eine abnehmendeGruppe von Unternehmern den stattgefundenen Strukturwandelals krisenhafte Vorboten von kommenden Krisen empfinden,und daß eine zunehmende Gruppe von Unternehmern dieSítuation eher als I'bereinigt" beurteilen. Unbekannt istbisher, bis zu welchem Grade die Zuversicht untar denWirtschaftsführern von der breiten Schicht der mittel-ständischen Unternehmungen (3 000 in Berlin) inzwischengeteilt wird.

Z,uversicht ermöglicht es den Unternehmungen, vom Krisen-management zum Chancenmanagement überzugehen und einemarktoffensive Unternehmensstrategie einzuschlagen.Der Präsident der mächtigen Industrie- und Handelskammerzu Berlin, Horst Elfe, forderte in seiner Neujahrsansprache1979 im Berliner Fernsehen, Berlin müsse eine Innovations-offensive starten. Berlin bietet gute Voraussetzungen, um

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mit hier ansässigen Menschen, hier verfügbarem Kapital,verfügbarer Organisation und Technologie, und durchAusnutzung, der Testmarkteigenschaft Berlins ein paarneu~ Beschäftigungsfelder zu erschließen (Basis-innovationen) bzw. auszubauen. Dies ist die Quintessenzder Innov~tionsstrategie für Berlin (Abschnitt 34).

Eine optimistische Perspektive scheint mir auch deshalbnicht unrealistisch zu sein, weil der politische Zyklusund der Marktzyklus wie selten in sachdienlicher überein-stimmung sind und nicht wie so of·t in verschiedene Rich-tung drängen und Reibungsverluste bewirken. Die Rezessionder siebziger Jahre und das verzögerte Anpassungsverhaltender Wirtschaft wird ja von vielen Wirtschaftlern als"Politikversagen", von vielen Pol.itikern als "Marktver-sagen" und von vielen Wirtschaftlern und Politikern als"Bürokratieversagen" interpretiert. Die gegenwärtigeParallelität der Phasen des Wahlzyklus und des Konjunktur-zyklus könnte Wirtschaftsführér und Politiker dazu bewegen,vereint vorzugehen und in den vielen Klein- und Mittel-betrieben und in den vielen auch mit zuständigen.Verwal-tungsstellen den Unternehmungsgeist zu stärken und denUnterlassungsgeist' zu mindern.

Dann ließe sich für die Berliner gemischte Wirtschaft einehoffnungsvollere Entwicklung denken, als die Fortschreibungder vergangenen Trends befürchten läßt.

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31. 'Aussichten: Zuversicht

Wie kommt es nur, daß sich dí.e Menschen einen Trend-wechsel so schwer vorstellen können?

Zum einen von der Beharrung auf Erfahrungen, auch wenndiese von der Realität überholt werden. Schreibt man dieungünstigen Trends der vergangenen Dekade in die Zukunftfort (Status-Quo-Prognose), so ergeben sich für die Be-vÖlkerungsentwicklung, für die Zahl der E'rwerbspersonenund die Zahl der Beschäftigten ~m privaten Dienstleistungs-und warenproduzierenden Gewerbe in der Tat ziemlichschlechte Aussichten: Danach stände die Wirtschaft Berlinsvor einern fortgesetzten Niedergang auf ein niedrigesBevölkerungs- und Beschäftigtenniveau, das niemandbeziffern kann. Meines Wissens hat der Senat von Berlinbislang die eventualpolitische Frage noch ~nicht unter-suchen lassen, bei welchem Untetbeschäftigun~sniveàu:die Berliner Wirtschaft dennoch bestandsfähig ist~,

Zum anderen besteht durchaus die Neigung bei einigenVerantwortlichen, die positiven Seiten eines weiterenSubstanzverzehrs zu betonen: Denn einmal bietet dieStrategie des Gesundschrurnpfens, die nach dem Verlustder Hauptstadtfunktionen und der zentralen Lage imHauptabsatzgebiet unvermeidlich war, für die Zukunfteine günstigere Ausgangslage für die Stadterneuerungund für die Modernisierung der Betliner Wirtschaft (tabula.rasa) i und außerdem darf die alte Bauerntaktik nicht ver-gessen werden, daß sich das Klagen in guten wie inschlechten Zeiten bezahlt macht. Diese Subventions-mentalität könnte für die wirtschaftliche und moralischeBerlinförderung durchaus einmal kontraproduktiv werden.

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Zu einem realistischen Bild der Lage und Aussichtender Berliner Wirtschaft gehört also nicht nur dieDarstellung der Verhältnisse, sondern auch die Beifü-,gung der psychologischen Kräfte, die den Rezessions-trend verstärken, und der Wandlungen in den Einschätzun-gen,Zielvorstellungen und Stimmungen der BerlinerWirtschaftler, die eine Trendumkehr plausibel erscheinenlassen.Aus der Darstellung der Entwicklungen in der Vergangen-heit und der Verhältnisse in der Gegenwart ergab sichbereits der Eindruck, daß sich die meisten Krisenfaktoren¡die von den Außenmärkten auf die Berliner Wirtschafteinwirken bzw. in der ~trukturschwäche und im Standort-nachteil der Berlinr Wirtschaft,selbst begründet liegen,in den vergangenen Jahren größtenteils schon ausgewirkthaben. Es bestehen gute Aussichten, daß das verbleibendeKrisenpotential (im Zuliefererbereich der Produktions-sphäre und im.Bürobereich des Dienstleistungssektors)mit den entwickelten Berlinförderungsprogrammen aufge-fangen werden können, und daß sich die wirtschaftlicheEntwic,klung Berlins insgesamt zum Besseren wenden läßt -durch die in Berlin wirkenden und nachrückenden Unter-nehmerpersönlichkeiten in den öffentlichen, privatenund gemischtwirtschaftlichen Sektoren der Stadt.

Es ist eine geschichtliche Erfahrung, daß sich solchePersönlichkeiten dort einfinden, wo die Frühindikatoreneine Tendenzwende ankündigen, und daß sich solche Früh-indikatoren verstärken, wo solche Persönlichkeitenzuversichtlich ans Werk gehen 1). Es ist eine dazugehörigegeschichtliche Erfahrung, daß es nur eine Frage der Zeitist, bis die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft an-springen, wenn die öffentliche Hand die strukturellen

1) H. Freudenl::;ergerund G. Me..nschIVon der Provinzstadtzur Industrieregien,Göttingerl1975

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Hemmnisse wirklich ernsthaft beseitigt, die derInnovation und der Umstrukturierung im Wege stehen.Nach unseren Erkenntnissen zeichnet der Stimrnungs-wandel in Berlin einen Trendwe~hsel vor:

In-'den vergangenen sechs Monaten habe ich miteinerReihe von Topmanagern, leitenden Angestellten, Inhabernund Mitunternehrnern von Berliner Privatunternehrnen,städtischen Eigenbetrieben, gemeinwirtschaftlichen undöffentlichen Unternel;unen Orientierungsgespräche geführt.

Im Wege der "konversationellen Befragung" anläßlich vonunverabredeten Zusammentreffen in den Berliner RotaryClubs, im Marketing Club Berlin, in der Gesellschaftfür öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft und imVerein Berliner Kaufleute und Industrieller fragte ich96 Wirtschaftsführer 1),

1. wie sie die Lage-und Aussichten in 1h~emMetier einschätzen, und

2. welche Schwierigkeiten von ihnen auf d~m Wegezu einer Besserung zu überwinden sein würden.

Die Antworten auf Frage 1 waren in das folgende Raster zubringen:

"schwierig und kritisch";"schwierig, aber tragbar";"ausgeglichen";"günstig, aber labil";"günstig,und stabil".

Eine Detailübersicht über die Antworten gibt Tabelle 24

1 ) 72 Industrie.5 Bauwirtscbaft7 Banken und Versicherungen6 Handel und Verkehr2 kanmunale VersorgungsuntemehrrEn2 Berliner Eigenl:::€triel:e2 Bunè.esuntemehrnen

96

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Die Gruppe der Befragten ist keinesfalls repräsenta~ivfür die Gesamtheitder Berliner Unternehmer. ~'Ïedernachder Zahl sind die 96 Befragten repräsentativ für die"oberen Zehntaus·endll. in den 3000 Berliner ün-=ernehmungen,noch sind sie es von der Qualifikation her. Vielmehrkann die befragte Gruppe als repräsentativ für die nam-hafteren Berliner Unternehmen gel ten, die iii Gegem-¡artoder Vergan~enheit eine überdurchschnittliche Marktsteilungbeanspruchten. In den von den befragten Wirtschaftsführerngeleiteten Firmen sind etwa ein Viertel der nicht aus dem,..,t' hit B l' 1:' b b L. •• "' ... ' t1)~ta Deza en er ~ner ....rÑer spersonen escnaz\..~g .

Die Wirtschaftsführer in den regional bedeutendsten Unter-nehmen schätzen die Lage und die Aussichten in ihremMetier offenbar viel zuv~rsichtlicher ein, als dies fürden Branchendurchschnitt der Fall sein mag. Fast dieHä~fta der befragten Unternehrnensleiter sehen die Aussich-ten günstig¡ über zwei Drittel halten sie für ausgeglichenodergünstig.

Aber doch ein Drittel der befragten Wirtschaftsführerfindet die Lage ihres Unternehmens ausgesprochen schwierig.

\ Jeder zweite von ihnen, also insgesamt ein Sechstel, fin-det die Lage sogar schwierig und kritisch, während dasandere Sechstel der Manager s ie' zrÑar schw í.e.rí.q, aber dieRisiken doch f~r tragbar hält. Fünf Sechstel der BerlinerÇürtschafts führer schätzen also die ZTikunft als. "manageab le "..ein.

1) Die Abgrenzung ist bei den ëf2entlichen (3undes-, Landes-,Beteiligungs-) Unternehmen oft schv í.erí.q, 'deil zum 3ei-spiel bei ¿en Berline~ 2iger~etrieben . .....manene vOJ...L ::"::1

Markt stehen (RPM), andere quasi auch (Gasag) / andereeigentlich nicht (3VG), andere teilweise nicht (2S~)

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Gewichtet man die Aussagen der Wirtschaftsführer miteinem Sicherheitsgrad, der zwischen -2 und 2 liegt, soergibt sich insgesamt ein positiver Bias von 14, dersignifikant ist (nach dem Likelyhood Ratio Test Verfah-ren). Weil der Anteil der Befragten aus der öffentlichenWirtschaft relativ klein ist (siehe Fußnote S. 89),dürfte es nicht ungerechtfertigt sein, für die absehbareEntwicklung in den marktwirtschaftlichen Teilen derBerliner Wirtschaft eine positivere Perspektive insAuge zu fassen, falls sich diese Zuversicht auf einegrößere Zahl von Berliner Unternehmungen überträgt.

Dieser positive Grundtenor dürfte bereits jetzt schonals eine Starkstelle der B~rliner Wirtschaft zu wertensein f auch wenn inunerhin rund 16 % der Berliner liV'irt-schaftsführer eine' negative Perspektive angeben. Dieserkritische Anteil ist zahlenmäßig vielleicht gar nichte:i,.nmalgrößer als in der Bundesrepublik (Vergleichs-zahlen Liegen nicht vor), doch ist im Stàdtsta·at Berlin:die Schockempfindlichkeit vermutlich ganz anders als imFlächengebiet des Bundes: vielleicht größer wegen dergeopolitischen Lage, vielleicht aber auch kleiner'wegendes Gewichts der ,Berliner Eigenbetriebs,Versorgungs-unternehmen, gemischtwirt.schaftlichen Bet rLebe und wegender Bundespräsenz in Form von ca. 45 000 Bundesbedienste-ten in Berlin.

Es gibt außerdem einen Hinw~is darauf, daß die negativeTeilperspektive des kritischen Sechstels eine subjektiveEinfärbung von persönlichem Pessimismus enthält, der derobjektiven Lage Ln ihrer Unternehmung nicht entsprechenmuß. Bei unternehmensgrößenspezifischer Auswertung derUmfrageergebnisse ergibt sich bei den kleinen und mi.tt-·leren Unternehmen (bis 500 Beschäftigte) eine unsymmetrischeVerteilung mit deutlichem Überwiegen der Fälle mit günstigenAussichten (Tabelle ,Spalte 1). Bei den mittelgroßen(500 - 999) und großen (ab 1 000 Beschäftigte) Unternehmen

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Unternehmensgröße

kleine und große und•

mittlere .mittelgroße(bis 500) (ab 500)

."schwierig" 1 5 16

"ausgeglichen" 16 5

IIgünstigJ' 25 19

Tabelle 25

sind die Aussichten bipolar verteilt (Tabe~le 25, Spalte 2):die meisten mittelgroßen und großen Unternehmen tun sichnach Auskunft der Topmanager dieser Firmen ausgesprochengut oder ausgesprochen schlecht, und das bietet einenAnsatzpunkt zu einer Erklärung, auf die mich JoachimNawrocki aufmerksam machte:

Eigentümlicher~Ñeise sind von den 19 Wirtschaftsführerngroßer und mittelgroßer Firmen, die sich "günstigJl äußer-ten, 12 (also fast zwei Dritt~l) ~chonlange (über vierJahre) in Berlin; hingegen haben von den leitenden Ange-stellten, die "schwierigll äußerten, ebenfalls 12 (alsodrei Viertel) erst relativ kurz (unter vier Jahre) ihrenManagementposten in Berlin inne. Sehr aufschlußreich ist,daß gerade die letztere Gruppe der Neuberliner Manageraus den mi·ttelgroßen und großen Unternehmen viel deut-licher "Standortnachteile", insbesondere die IIWohnungs-situation für Führ1..lngskräftellansprechen, so daß derEindruck entsteht, als ob die anfänglichen persönlichenAnpassungsschwierigkeiten aus der Privatsphäre in denUrteilen mitschwingen, die 'sie über die Lage und Aus-sichten des von ihnen geleiteten Unternehmens abgeben.

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Die Wirtschaftsführer, die die Situation ihrer Firmaausgeglichen oder günstig sehen, sprechen die berlin-spezifischen Standortnachteile deutlich weniger oderschwächer an als ihre Kollegen, die die Lage in ihremMetier für schwierig halten. Die Sorgen, die diesezuversichtlich gestimmten Un-ternehmer Z"lUTI Ausdruckbringen, richten sich typischerweise auf markt- bzw.bereichsspezifische Schwierigkeiten (innerbetrieblicheOrganisationsprobleme, überbetriebliche Kooperations-probleme mit Kunden, Zulieferern, Konkurrenten, oderõffentlichen Instanzen, internationale Preis- und Aus-fallr~siken, weltweiter technischer Wandel), und dieseUnternehmer lassen erkennen, daß sie ihre Kräfte vor-dringlich auf eine unternehmerische Lösung dieserspeziellen Probleme ausgerichtet haben.

Die Wirtschaftsführer lassen also erkennen, daß siein der Mehrhei t vom Krisenmanagement zum Chancen-·management übergehen.

Die Berliner Wirtschaftspolitik wird lernen müssen, Uberdas image-schädigende Argument der Standortnachteile nochsorgfältiger zu wachen, damit die mark~bedingten Schwierig-keiten einiger Berliner privater und öffentlicher Groß-betriebe nicht mit einern Standortnachteil Berlins erklärtwerden, und damit das Faktwu nicht ausgeblendet wird,daß dle Mehrheit der Wirtschaftsführer zuversichtliChist und ihre Schwierigkeiten weniger in berlinspezifi-sehen als in marktspezifischen Problemen sieht.

Auch die Berliner Wirtschaftspolitiker geben sich zuver-sichtlich. Der Berliner Senat bekennt sich nun in seinem13.Bericht zur Lage der Berliner Wirtschaft ganz beherztzu der Aufgabe, die dem Chancenmanagement auf Unter-nehmensebene entspricht:

"In den kommenden Jahren müssen die wirtschaft-liche und Wissenschaftlich-technologische Mod~r-nisierung und Zukunftsorientierung der Berliner

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Wirtschaft weiterhin im Zentrum einer aktivenund vorausschauenden Strukturpolitik stehenIl 1),

und der Bericht gibt einen überblick über die zahllosenAnsätze und Unterstützungen, die in ihrer Gesamtheitdurchaus einehohe Zielerreichung versprechen. Gleichnach seiner Wiederwahl im März 1979 hat der RegierendeBürgermeister von Berlin dieser Aufgabe Vorrang für diePolitik der nächsten Jahre eingeräumt.

10.Fazit: Eine Umfrage unter Topmanagern,leitendenAngestellten, Inhabern und MitUnternehmerninprivat.en',öffentlichen und gemischtwirtschaftlichenBerliner Unternehmungenläßt einen· S'tintmun·gsuntschwungund mehrheitlich Z'uversicht unter den Wirtschafts-führern erkennen.

1) Der Senat von Berlin,.13. Bericht ücerDie Lage der Berliner Wirtschaft und die Maßnahmen.zu ihrer Weiterentwicklung,Berlin, den 4. Oktober 1978, S. 3

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32. Berlins Stadtfunktionen im Wandel

Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Berliner Wirt-schaft n!hrt auch die Besinnung auf die eigenen Kräfteund die Rückbesinnung auf die chancenreiche StadtfunktionBerlins, die in der Wirtschaftsführung und Wirtschafts-politik Berlins zu spüren ist. "Erkennen, wo es langgeht", sagt der Senior der Berliner Unternehmerschaft,Fritz M. 'rUbke, II ist die wesentliche Voraussetzung fürdas unternehmerische Handelnll

Als die preußische Landeshauptstadt Berlin vor ~uthundert Jahren zur deutschen Reichshauptstadt best Lmmt;worden war, wirkte die Stadt wie ein Magnet auf dieDeutschen. Berlin wurde lIeine Art Zauberwort'! 1), einSchmelz·tiegel für hunderttausenc1e von Menschen, die vonnah und fern herbeiströmten. So wuchs Berlin in der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts zur bevölkerungsreichstendeutschen Stadt heran: 1877 1 Million, 1910 2 Millionen,1920 4 Millionen Einwohner. Die Hauptstadtfunktionen,Schmelzt:Legelfunktionen und das örtliche Nachfragepotentialließen hier den größten öffentlichen und privaten Dienst-leistungssektor in Deutschland entstehen, und Berlin wurdezur größten Wirtschaftsmetropole zwischen Paris und Moskau.

Die G~ldenen Zwanziger Jahre markieren den vorläufigenkulturellen Höhepunkt der Stad~ in einer Zeit, als dasseit der Jahrhundertwende sprudelnde Wirtschaftswachstumin Berlin bereits seine stärkste Motorik eingebüßt hatte.Die Weltwirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit1929-1933 wurden deshalb von den Ober- und Unterschichtenin Berlin als besonders peinliche und schmerzhafteMißgunst der Weltgeschichte empfunden - eine Mischungaus Hochmut und Elend, die Berlin zum Verhängnis wurde.

1) Ina Seidel, Berlin, ich vergessedich nicht!, Berlin 1962, S. 4

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-Vor und im Zweiten Weltkrieg spielte Berlin einebesondere Rolle als Multiplikator des Verhängnisses.

Mit dem Kriegsende und. dem Eintritt ins Atomzeitaltererlitt Berlin das Schicksal all jener Städte und Länder,in den~n sich die Präsenz der Großmächte überlappte,und wo das globale Gleichgewicht nur durch Teilung(Korea) oder Abtrennung (Hong-Kong) bewah~t werdenkonnte. Berlin wurde geteilt, und Berlin (West) wurdeabgetrennt.

Die insulare Lage der Stadt und der Verlust anHauptstadtfunktionen und Schmelztiegelfunktionen be-deuteten einen geschichtlichen Einschnitt, der dieWirtschaftsentwicklung Berlins in der Nachkriegszeitgeprägt hat. Durch diesen Einschnitt mußte sich dieBerliner Wirtschaft unter erschwerten Bedingungen anstark veränderte Risikoverhältnisse und Absatzbedingun-gen anpassen, weil die Entfaltungsmöglichkeiten und Wachs-tumschancen dauernd an die Teilungsgrenzen und Abtrennungs-linien stießen und viele Investitionspläne zerschlagenwurden.

o Die Teilung, und die permanente Bedrohung durchden "Wettkampf der Systeme" in Ost und West,bewirkte, daß das Leben mit der äußeren Unsicher~heit den Charakter'der Stadt als "Frontstadt"prägte, wobei das vorrangige politische Zielder Existenzsicherung sich voll auf die wirt-schàftlichen und wirtschaftspolitischen Strategienübertrug: Bestandswahrung und Strukturerhaltungwaren ~ie vorherrschende Wirtschaftsphilosophieder fünfziger und sechziger Jahre.

O Bis zum Abschluß des Viermächteabkornmens 1971,das die politische Unsicherheit für Investorenkalkulierbarer machte, stellte die "Außenfront"das Hauptrisiko für Investoren in Berlin dar,und sie verprellte viele Investoren.

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o Die Abtrennung, und die damit verbundenenStandortnachteile für den Wettbewerb auf denMärkten in den bundesdeutschen und europäischenHauptabsatzgebieten, bewirkte, daß eine Reihevon berlinansässigen Produktionen und Dienst-leistungen abwanderten, um der ferngerückt,en"Verkaufsfront" näher zu sein, und daß dieBerliner Wirtschaft ihre stärksten Unt.er-stützungen (Berlinförderung) und Wachstums- undKonjunkturimpulse vom Bundesgebiet her empfing(Lokomotiv-Theorie) .

Nach dem Abschluß des Viermächteabkornrnens 1971traten die bis dahin verdeckten Strukturschwächender Berliner Wirtschaft offen zutage. Sie zwangendie Bundes- und Landespolitiker, die künstlichetwas verzögerte Strukturanpa~sung, die nun zuüberstürzen drohte, einerseits durch wirksamereStandortpräferenzen abzufedern und andererseitsdurch Kompensation (AUSdehnung des öffentlichenDienstes) aufzufangen und.durch eine aktive Struk~turpolitik (Unterstützung von Forschung, Entwicklung)und Intensivierung der Wirtschaftsförderung(akcLve Ansiedlungspolitik) in gewünschte Gleisezu lenken (Neu- und Neuerungsinvestitionen) . Unddie Strukturschwächen zwangen viele Unternehmenin Berlin, Spitzenreiter in der Effizienz zu werden.Diese Strukturanpassung hat zu einern überdurch-schnittlichen Abbau von Arbeitsplätzen in derBerliner Industrie geführt.

Der Anpassungsprozeß hat der Berliner Wirtschaft abernicht nur geschadet, sondern auch genutzt: Die Des-investition in Wirtschaftsteilen, die auf die ehe-maligen Aufgaben Berlins (Hauptstadt- und Schmelz-·tiegelfunktionen) zugeschnitten waren, und der

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Produktivitätsfortschritt konnte unter Schmerzen,jedoch ohne eine Wirtschaftskrise frühzeitig ge-meistert werden, und Berlin wurde, früher alsandere Orte, in den Stand versetzt, Z·ukunftsinvesti-tionen wahrzunehmen und vorzubereiten. ]j,affu' .haben

meine Innovationsstudien in 64 Berliner Industrie-unternehmen Hinwe'ise gegeben 1).

Sowohl im Abbau überkommener Strukturen (Desinvesti-tion) als auch im Vorfeld des Aufbaus zukunfts-trächtiger.Wirtschaftsbereiche (Software, Umwelt-technik u.a.) hat Berlin einen zeitlichen Vorsprungvor anderen Orten gewonnen; andere Orte werden nochjahrelang mit dem Desinvestieren und dem dazugehören-den Krisenmanagement zu tun haben, wofür sie imVergleich zu Berlin weniger gut gerüstet sind; andereOrte werden auch noch Jahre brauchen, ehe sie denzeitraubenden Prozeß des sozialen Lernens durch-laufen haben, an dessen Ende erst jenes regionen-spezifische Innovationsklima herrscht, das eineStadt benötigt, wenn dort Zukunftsindustrien ent-stehen sollen und Chancenmanagement betrieben werdensoll. In diesem Lernprozeß liegt Berlin vorn.

Von demVerlust der Hauptstadtfunktionen undSchmelztiegelfunktionen hat sich Berlin also soweiterholt, daß bei vielen Berlinern und berlin-geneigten Politikern die soziopsychologische Bereit-schaft zu merken ist, die Funktion Berlin neu zubestimmen und sie statt an der Vergangenheit ander Zukunft zu orientieren. Infolge des zeitlichenVorlaufs, infolge der Absicherung durch die Bundes-hilfe und - nicht zuletzt - durch die sprichwört-liche Helligkeit der Berliner und den exemplarisch

1) G. Mensch, Beobachtungenzum Innovationsverhaltenkleiner,mittlerer und mittelgroßerUnternclm1enin Berlin, Zeit-schrift für BetriebSWirtschaft,49(1979), 72-79

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hohen Ausbildungsstand der Berliner ist die Stadtbestens dafür gerüstet, den "Trial-and-Error-Prozeß" der Suche nach zukunftsträchtigen Ent-'wicklungslinien erfolgreich zu bestehen. Der welt~.-.- --, ._-~. -~ -..~-------_._- __ ._ - -. -~ - _-_. - .

weite Strukturwandel schafft einen starken Bedarfnach Vorreitern, die zeigen, wohin die Evolutionder Technik und d~r Nachfrage tendiert.

Berlin wäre wie kaum eine andere Stadt im Stande, alstrend setter zu fungieren. Es geht nicht darum, Berlinzu einer Modellstadt zu machen, sondern darum, ein,paar Basisinnovationen, die ohnehin anstehen, stattsie anderswo geschehen zu lassen, nach Berlin zuholèn.

Berlin ist durch seine in den mittleren und mittel-großen Firmen entwickelten Suchfähigkeiten und Ver-suchskapazitäten, durch seinen Bestand an qualifiziert

, ,

Ausgebildeten, durch sein breites Spektrum anProduktions-' und'Dienstleistungsunternehmen,Bildungseinrichtungen,' Kulturstätten und nicht

,zuletzt'durch seine Testmarkteigenschaft geeignet,Trends zu setzen, damit anderen, zu dienenund sichselbst zu nutzen.

Die Trendsetzungsfunktion ist eine Teilaufgabeim BUndel der traditionellen Hauptstadtfunktionen.Es steht Berlin deshalb gut an, sich diese kreativeTeilaufgabe zu bewahren, in deren Erfüllung auf.künstlerischem, sozialinnovatorischem und techno-logischem Gebiet Berlin in seinen Glanzzeiten vielePionierleistungen aufzuweisen hatte. Von dieserAusstrahlung zehrt die Stadt zum Teil heute noch,'zum Teil hat sie es auch verstanden, d.i.esenAnspruchan sich selbst wachzuhalten und durch richtungs-weisende Beiträge ständig zu erneuern.

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Die Trendsetzungsfunktion soll nicht etwa beinhalten,daß Berlin nun versucht, eine Konjunkturlokomotivezu werden. Dazu wäre derkleine Stadtstaat, derweniger als 4% des Bruttosozialproduktes derBundesrepublik erwirtschaftet, niemals in der Lage~Vielmehr bedeutet die Trendsetzungsfunktion, daßBerlin in ausgewählten Märkten wie Energie- undLebensmitteltechnik eine Strategie des qualitativenWachstums betreibt, so daß die Berliner Wirtschaft anden Sonderkonjunkturen in Zukunft überproportionalpartizipiert. Robert ï.ayt.on,_der neu bestell te Berlin-Bevollmächtigte für Wirtschaftsförderung (und Geschäfts-fUhrer der 1978 neu geschaffenen Wirtschaftsförderungs-gesellschaft) drückt das so aus: "Berlin muß quantitativmit dem Bund Schritt halten, und es muß qualitativ ingeeigneten Bereichen Spitze sein".

Eine Reihe von Ereignissen aus den vergangenen 24Monaten können verdeutlichen, daß die Stadt in

Richtung Trendsetzungsfunktion aktiv wird oder akti-viert werden soll:

o Anläßlich des 10o-jährigenJubiläums des Ullstein-Verlags am 9.9.77 fordert Bundespräsident Sc'heeldie besten Köpfe im Lande auf, sich für und inBerlin zu ~ngagieren: "Nach Berlin gehört alles,~as heute in Europa gedacht und geschaffen wird".

o In den neugefaßten Leitlinien für die Stadtentwicklungbetont der Regierende Bürgermeister Stobbe die be-sondere Aufgabe, die Chancen für eine positiveEntwicklung und eine Stärkung der geistigen undkulturellen Ausstrahlungskraft zu nutzen und Impulsezu geben, die Vertrauen in die Zukunft schaffen¡

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o Die Berlin-Kommission der vier im Bundestagvertretenen Parteien beschließt im Juni 1978 einumfangreiches progranun zur Förderung der Berlinerwirtsc~aft, das neben der generellen Verbesserungder sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen eineReihe von Punkten enthält, die geeignet sind,Trends zu setzen; zum Beispiel im Aufbau derTechnologie-Vermittlungs-Verbundes von Wissenschaftund Wirtschaft, der Ausbau von Großforschungszentrenauf dem Gebiet der Nac~richtentechnik und Produktions-t~chnik, def Großversuch zur Demonstration alter-nativer Energieversorgung für den Straßenverkehr,der Wagnisfinanzierungsfond zur Innovationsförderung,oder die Förderung der Kinderfilmproduktion undeiner jährlichen Filmmesse¡

o Der Wirtschaftssenator Lüder legte neben dem14-Punkte-Programm zur Förderung der Arbeits-plätze in Berlin mehrere Konzepte vor, diegeeignet sind, Trends zu setzen; z.B. das ver-braucherpolitische Konzept (Nov. 1976) unddie Gründung des Verbraucherinstituts; das Aus-stellungs-, Messe- und Kongresse-Konzept (Jan. 1977)und das Hotelbauförderungsprogramm 1977-85¡ dasFilmförderungsprogramm (Dez. 1977; Mal 1978) i

o Der Verein Berliner Kaufleute und Industriellerbeschließt, seine 1oo-Jahrfeier im Oktober 1979unter das Motto "Tradition und Innovation"zu stellen;

o Das Deutsche Modeinstitut verlegt seinen Sitzzurück nach Berlin (April 1978).

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Der Berliner Senat hat sich die Tre.no.~.e·tzllngsfunktionzu eigen gemacht und das Prinzip der Ausnutzung derZukunftschancen für seine Stadtplanung gewählt. Die

Senatskanzlei verkündet in den Leitlinien für die,Stadtentwicklung:

"Stadtplanung in Berlin unterscheidet sich von deranderer Großstädte: Zum einen darf die heutigeBaupolitik ?lanungen für eine zukünftige Gesamt-stad·t nicht im Wege stehen, zum anderen muß die Stadt-planung von begrenzten Flächen ausgehen ..Diese Be-schränkungen sind zugleich eine Chance für dieEntwicklung modellhafter Lösungen von weltweiteninnerstädtischen Problemen. Eine InternationaleBauausstellung, die an vergangene Bauausstelltingenanknüpft, wird Mitte der So-iger Jahre ein Forumsein, auf dem die Berliner und die internationaleFachwelt über diese Lösungen diskutieren,,1).

Die Chancen ändern sich, und die Wirtschaftsführungstellt sich darauf ein. Für die Leistungsfähigkeitund dynamische Stabilisierung der Berliner Wirtschaftkommt es nun entscheidend darauf an, daß Wirtschafts-politik und Unternehmungen im Ubergang vom Krisen-management zum Chancenmanagement einander sinnvollergänzen.

11. Fazit: Von den ehemaligen Hauptstadtfunktionenbleibt Berlin immer noch ein wirtscha,ftlichsehr be-deutungsvoller Rest: die Trendsetzungsfunktion: Vor-reiterschaft in strategisch ausgewählten Bereichen desquali tativen Wachstums'

1) Der RegierendeBürgermeistervon Berlin (Senatskanzlei/Planungsleitstelle),Bericht ur~ Leitlinien für dieStadtentwicklung,Berlin 1978 ("Leitlinien").

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33. Der Wandel der Leitbilder für Berlin

Zuversicht in eine günstige Wirtschaftsentwicklungin Berlin vermittelt auch der sichtbare Wandel inden 6ffizi6sen Leitbildern.

Die wirtschaftliche Entwicklung Berlins wird ent-scheidend von Art und Umfang der Investitionen in Berlingeprägt. Investitionen sind 6ffentlich, privat odergemischtwirtschaftlich durchgeführte Unternehmungen,und der feine Un·t.erschied zwischen Unternehmen undUnterlassen liegt im Vertrauen darauf, daß die In-vestitionsmaßnahme sinnvoll und einigermaßen sicherist. Sinnhaftigkeit und Sicherheit sind hauptsächlichsubj ekti ve Faktoren, die wiederum s·tark von Vorur-teilen bestimmt sind.

Das Berlin-Image ist, wie wir'festgestellt haben,immer noch schlechter als die Wirklichkeit. Ebensoklafft eine LUcke zwisch~n Leitbildwandel undRealitätswandel. Die Realität hat sich schneller ge-ändert' als die meisten Menschen lernen. Früher wardas Leitbild der Bestandswahrung und Strukturerhaltungdas Pendant zu dem politischen Ziel, die Freiheit undExistenz der eingegrenzten Frontstadt zu bewahren.In d~r heutigen Praxis ist Berlin eine offene Stadt;auf wirtschaftlichem, sozio-politischem und kulturellemGebiet ist das Geschehen in Berlin eng mit dem Ge-schehen in anderen Regionen verzahnt. Deshalb kannein Le.H:bild,das auf da.s Bewa.hren von, stationärenZuständen abgestimmt ist, den Blick für die not-wendigen Initiativen und rechtzeitigen Vorkehrungenverstellen, die ergriffen werden müssen, um dasdynamische Fließgleichgewicht eines offenen Wirt-scha f tsraume s aufrechtzuerhalten.

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Spätestens mit den Verhandlungen über das Vier-mächteabkommen 1971 zeichnet sich ein deutlicherWandel in den wirtschaftlichen Leitbildern ab, derdem Prioritätenwandel von der politischen Außenfrontzur inneren Wettbewerbsfront entspricht.

In den siebziger Jahren wurde das leerformelhafteLeitbild von der "Stadt auf der Suche nach derZukunft" formuliert, wobei die Suche ~icht mehrvornehmlich an den makro-politischen Begrenzungen,sondern an den mikro-ökonomischen Gegebenheitenund Gelegenheiten (Risiken und Chancen) o.rientiertwurde, also an den Ein- und Ausflüssen, mit denenjede offene Stadt rechnen muß. Berlin ist weltoffen,und das heißt:

o Die Berliner sind für kulturelle und geistigeEinflüsse weit geöffnet, und wegen seiner vergan-genen Errungenschaften ist Berlin ein bes6ndersgeeignetes Milieu für die künstlerische undwissenschaftliche Avantgarde" von deren Aus-strahlung und Schaffen wiederum weitrechende Aus-wirkungen ausgehen, die zur Identifikation mitder Stadt und zur Stärkung der WirtschaftskraftBerlins beitragen könnten, wenn die Subventionenmehr auf Aussaat und weniger auf Abernten ausge-richtet würden.

o Sieben Achtel der Berliner Produktion gehen inden Fernabsatz nach außen; sieben Achtel deretwa 190 000 Arbeitsplätze in der BerlinerIndustrie sind direkt vom erfolgreich bestandenenWettbewerb um Außenaufträge abhängig. Die Tat-sache, daß seit 1970 mehr als ein Viertel derArbeitsplätze in der Berliner Industrie verloren-gingen (Bundesdurchschnitt -13%), zeigt die

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Empfindlichkeit dieses Bereiches für Nachfrage-wandlungen außerhalb dieser Stadt. Für diese Nach-fragewandlungen braucnt Berlin ein ~esonderesSensorium, wenn seine Wirtschaft florieren soll. DieMarkt- und Bedarfsforschung müßt.e eine Schwerpunktder Berliner Forschungsförderung sein.

o Von den etwa 200 000 Beschäftigten im öffent-lichen Dienst in Berlin arbeiten 45 000 anBundes- und Sozialdiensten und werden direktvon außen bezahlt; mehr noch werden indirektdurch die Bundeshilfe finanziert.

Der Bund hilft mit, die Minimalbedingungen für dieSchaffenskraft der Berliner und die Leistungsstärkeder öffentlichen und privatenWirtschaft zu sichern.Das tatsächliche Maß an Attraktivität der Stadt·und

.die Höhe des' Lebensstandards werden freilich vomKulturschaffen und von der wirtschaftlichen Leisturigder Berliner bestimmt, insbesondere von der For't-schrittlichkeit ihres Schaffens. Schon allein damitdie Wirtschaftskraft Beilins auf der Höhe der Zeitbleibt, muß es seine Innovationsfähigkeitund Innova'~tionswilligkei t we í ter errtwí.ckeLn , um das in derBerliner Beyölkerung und Wirtschaft angelegte Ent-wicklungspotential zu realisieren.

Unter dem alten Leitbild der Bestandswahrung undStrukturerhaltung in Berlin sähen die Zukunftsaus-sichten freilich nicht gerade rosig aus. ,Berlin lebtein der Vergangenheit mehr von der Substanz, diees aufgrund seiner ehemaligen Hauptstadtfunktion undseiner exponierten La.ge im mitteleuropäischen Absatz-gebiet genoß, und die Berliner Wirtschaft florierteweniger vom Erschließen von Entwicklungspotentialenals von der Konjunktur im Bundesgebiet. Die Reproduktionder Berliner Bevölkerung, die auf 1,75 MillionenMenschen zu schrumpfen droht, und die Reproduktion

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der Berliner Wirtschaft durch GrÜndungen,stockte.Justus Dornier: "Die Berliner Industrielandschaftist ein Wald mit altem Baumbestand. Es können keinejungen Bäume mehr nachwachsen. Die Berlinförderungzielt auf Vergünstigungen für den alten Baumbestanddes Waldes ab. Unternehmens-Neugründungen sind sehrschwierig,,1) .

Inzwischen bahnte sich eine Revision des Leitbildesder Stadt in der aktiven Bevölkerungsschicht anidie Stadt besinnt sich au~ ihre Starkstellen, undder junge Regierende Bürgermeister Stobbe akzentuiertdiesen Leitbildwandel in seiner "Politik der Hinwendungzur Stadt",· deren Schwerpunkte der Berliner Senat fürdie nächsten Jahre "in der'Stärkung der wirtschaft-lichen Leistungskraft Berlins, im Abbau ungleichwerti-ger Lebensverhältnisse zwischen den Stadtregionen, inder Erneuerung überalterter Bausubstanz und in derIntensivi,erung der kulturellen Aktivitäten" sieht.

Das angstgeprägte Leitbild der Existenzsicherung durchüberkompensieren der Standortnachteile weicht einemselbstsichereren Leitbild der Zukunftsgestaltung durchNutzung der Vo~züge Berlins. Mehrere Elektrokonzernebauen in Berlin neue Software-Zentren auf, weil sienur hier das ausgebildete Personal dafür finden.

Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Senats vonBerlin, z.B. die Gründung der Wirtschaftsförderungs-gesellschaft, die Änderung des ~ürgschaftsgesetzes fürdie Erschließung neuer Märkte und die Erleichterungenfür die Unternehmensgründungen und -moder'nisierungen I

<.

"J) protokoll der 1. SitZlID.gder ArbeitsgruPF€ III,(Forschill1g,Entwj,cklungund Investitionschancen)desGemeinschaftsvorhabens"Innovationsstrategiefür BerlinIIam9.S.77.

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zeigen eine Abschwächung des von der äußeren Bedrohunggezüchteten Geistes der Sicherung des Bestehenden, derin den sechziger Jahren lähmend auf die spontane Ent-faltung der Wirtschaftskräfte und auf die Bereitschaftzur Strukturanpassung (~innere Flexibilität~) gewirkthatte.

Will die Berliner Wirtschaft nitht weiterhin ein Qpferdes Wandels,sondern sein Meister ~erden, so muß siedas Leitbild der Bestandswahrung und Strukturerhaltungdurch ein Leitbild der Flexibilität und Zukunftsge-staltung ersetzen.

Die Schwäche des Leitbildes der. Bewahrung l.iegt inden ungünstigen Sekundäreffekten. Hoffnung ist der An-trieb zur Tat; doch wenn ein bewahrendes Leitbild zulange das wirtschaftliche Handeln bes·timmt, dann er--stickt die unternehmerische Initiative und Risiko-berei tschaft 1 und es erlahmt die Leistungsmo·tivation.Würde Berlin nich-t seine wirtschaf,t_lichen und IÑirt-schaftspolitischen Ziele unter das Motto der Zukunfts-gestaltung aus eigenem Willen und aus eigener Kraftstellen, so würde Berlin seinen größten und einmaligenStandortvorzug verschenken: Kaum eine Großstadt dí.e'serWelt genießt den Vorteil der äußeren Stabil~sierungund Sicherstellung in einem Maße wie Berlin.

Die Stadt könnte deshalb in einer Zeit der Zukunfts-unge:Ñißheit in allen westlichen Volkswirtschafteneine Vorreiterstellung auf vielen Gebieten des wirt-schaftlichen und sozialen Wandels. erringen. Nach demVerlust der Hauptstadtfunktionen könnte Berlin eineausstrahlungskräftigere Aufgabe in der Rolle desSchrittmachers der Innovation übernehmen: Die Trend-setzungsfunktion (Abschnitt 32).

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Eine fühlbare Schwachstelle in der Berliner Wirt-schaft und Verwal tung ist derweil aber noch die'Phasenverzögerung zwischen den neuen Prioritäten undden alten Aktionsmustern, die immer dann die Initiativelähmt, wenn ein Leitbild (Krisenmanagement; Struktur-erhaltung) verblaßt, ohne daß das neue Leitbild(Chancenmanagement, zukunftsoffene Flexibilität) schonzugkräftig genug wäre.Die Berliner Wirtschaft befindetsich zur Zeit noch in dieser Reorientierungsphase, dievon etlichen führenden Unternehmungen freilich schon

"durchschritten worden ist (siehe Abschnitt 31). EineReihe von Firmen haben den Übergang vom Krisen- z~Chancenmanagement eí.nqe.Le.í,tet bzw. vollzogen; dashaben unsere Begleituntersuchungen von Ihnovations-prozessen in 64 Berliner Firmen ergeben.

Kennzeichnend für den zögernden übergang von einemvergangenheitsgebundenen zu einem zukunftsorien-tierten Leitbild ist der Sprachgebrauch der Industrie-und Handelskammer zu Berlin. In ihren Jahre'sberichten1976 und 1977 spricht' die Kammer von der"'Z'ukunfts-siche'rung" als der gemeinsamen Aufgabe, und es istihr mit diesem Motto gelungen, den bewahrenden Aspektder Best.andssí.che-ruriqmit dem innovativen Aspekt derZukunftsgestaltung sinnfällig zu verknüpfen. Damit istes der IHK gelungen, die Vorreiter wie die Nachzüglerunter den ihr angehörenden Firmen anzusprechen.

Wie immer der Berliner das neue Leitbild auch in eingriffiges Motto kleiden wird: Der Leitbildwandel darfals vollzogen betrachtet werden, seit der Präsidentdes mittelständischen Vereins Berliner Kaufleute undIndustrieller, H~inz Mohr, in seinem Neujahrsrundbrief1978 zu mehr Innovationen in der Berliner Wirtschaftaufrief, und seit der Präsident der Industrie- undHandelskammer zu Berlin, Horst Elfe, in seinem Neujahrs-aufruf 1979 im Berliner Fernsehen forderte, in Berlineine Innovationsoffensive zu starten.

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10. Fazit: Das passivitätsfördernde Leitbild der Sub-stanzerhaltung und Bestand5sicherungi5teinemzuver-sichtlichen Leitbild der Z'ukunftsgestaltung gewichenund wirkt sich unter den Berliner Unternehmern aus.

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34. Die Berliner Wirtschafts-Strategie im Wandel

Die vorgenannten Verlautbarungen der Präsidenten derwichtigsten Standesorganisationen der Berliner Unter-nehmerschaft ergeben zusammen mit dem beobachtetenStimmungswandel in der Gruppe der in Berlin bedeutends.tenUnternehmensführer das Bild einer im Abschwung gebremstenTendenz, die nun entweder auf Talsohlen-Niveau verharrenoder durch zusätzliche Impulse mit nachhaltiger Wirkungwieder zum Ansteigen kommen wird.

In der weltweit verschärften Wettbewerbssituation istein "turn-around", ein dauerhafter Aufschwung, über-haupt nur als qualitatives Wachstum denkbar. Berlinhat mit ~em Einschwenken auf die Trendsetzungsfunktion(Abschnitt 32) und auf ein chancenbetontes Leitbild,(Abschnitt 33) zur rechten Zeit di.e richtigen sozial-dynamischenVoraussetzungen entwickelt, um. eineS'trate9'iedesqualitati:Ven· w-achst·umsüberhaupt wagenzu kannen. Denn sie erfodert Willen und menschlicheSpannkraft. Der beobachtete Stimmungswandel unter denBerliner Wirtschaftsführern bedarf nun freilich einesentsprechenden Geisteswandels der übrigen Wirtschaftund in der Verwaltung. Darum bemüht sich zur Zeit derSenat von Berlin.

Die jüngsten Leitlinien für die Stadtentwicklung (1978)des Senats von Berlin besagen: Es "ist für Berlin eineStrategie notwendig, die sich darauf konzentriert, ge-gebene Standortvorzüge zu nutzen und weiter auszubauen.Als Standortvorzüge Berlins kannen gelten:- d1e breit gefächerte,Wirtschaftsstruktur,- die hohe Qualifikation der Beschäftigten,- das überregional bedeutsame Angebot an

Forschung und Entwicklung,

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'"

- die urbanen Q'ualitäten,- der Vorsprung auf dem Gebiet des Bildungs-

und Erziehungswesens,- die in Deutschland und weiten Teilen Europas

einmalige Verdichtung an kulturellen undkünstlerischen Angeboten"1)

Auch hier beobachten wir eine Diskrepanz zwischen Ver-lautbarung ("gegebene Standortvorzüge zu nutzen") undPraxis. Praktiziert wird gegenwärtig von der Senatsver-waltung offiziell eine Wirtschaftsförderungs-Strategie,die an den Standortnachtailen ansetzt und sie entwederzu kompensieren +rach+e t (Berlinpräferenzen) oder zuüberwinden versucht (Ansiedlungspolitik~. Die prakti-zierte strategie ist eine" "HobJ.:li'tät'sstra:tegie",diedarauf abstellt, abwanderungsgen.eigte Unternehmen inder Stadt zu halten bzw. auswärtige Betriebe anzuziehen.Die Gründung der Berliner Wirtschaftsförderungsgesell-schaft erfolgte 1978 unter dem erklärten Ziel, trotzdes enorm verschärften Standortwettbewerbs zwischenden Regionen auswärtige Unternehmen für einen Zuzugnach Berlin zu gewinnen.

Aufgrund der allgemeinen Standortnachteile kann manleicht bestimmen, welche Industriebetriebe für einenZuzug nach Berlin kaum infrage kommen:

(1) Produktlinien, die transportkostenempfindlich sind,und deren Absatz nicht hauptsächlich im Osten oderSüden liegt;

(2) Produktionen, die einen hohen Energieverbrauch haben(Energiekosten sind teuerer in Berlin als ,in derBundesrepublik)

(3) Produktionen, die einen großen Bodenbedarf haben.

--,---1) IILei t.Liru en II I S. 6 .

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Das sindfreilich keine griffigen Kriterien für eine"Negativlistell¡ wie übrigens auch die StaridortvorzügeBerlins keine griffigen Kriterien für eine "PositivlisteIlabgeben, 'an der sich eine Industrieansiedlungspolitikorientieren könnte. Innerhalb der geographischen Be-grenzungen Berlins und infolge der Präferenzen und Rahmen-bedingungen, die das Geschäftsleben in Berlin bestimmen,haben folge_nde Wirtschaftszweige einen kompa~ativen Vorteil:(1) Neue Industrien (gegenüber hier etablierten),

denn sie können Sonderabschreibungen und Senats-bürgschaften in Anspruch nehmen;

(2) Kapitalintensive Massenanfertigungen wegen dergewährten Investitionszulagen und Umsatzsteuer-präferenzen;

(3) Unternehmen mit hohen Forschungs- und Entwicklungs-investitionen, denn sie können eine 30% Subventionauf F+E-Investitionen und einen 10%igen Berlinbonusbei Zuschüssen zu F+E-Projekten kassieren;

(4) Produktlinien mit hohen Gewinnmargenwegen derGewerbesteuernachlässe in Berlin;

(5) Produktlinien mit hoher Wertschöpfung in derZwischenproduktion infolge der ermäßigten Umsatz-steuersätze¡

(6) Geschäftszweige, die sehr informationsabhängig sind(Agglomerationsvorteile der Großstadt)

(7) Wàren und Dienstleistungen für den kommunalenBedarf (Testmarkteigenschaft Berlins)

(8) Produktlinien mit (auf die wandelnde Nachfrage in denStaatshandelsländern zugeschnittenen) "angepaßten"Technologien

(9) Produkte, die gut auf dem Wassenvege verschifft werdenkönnen (niedrige Frachtra~en, gute Kanalverbindungen)

(10) Produktionen, die einen hohen Lohnkostenanteil auf-weisen (Fortfall der Lohnsummensteuer ab Januar 1979).

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Die Chancen der Mobilitätsstrategie CAnsiedlungspolitik)werden von Experten sehr gering eingeschätzt. In einerZeit der Stagnation ist das nachlassende Marktwachstume.rst.ens von einem verminderten Potential mobiler Unter-nehmen und zwei tens von anem verschärften interregional enWettbewerb unl die mobilen Unternehmen gekennzeichnet.Die traditionelle Ansiedlungspolitik erweist sich deshalbals ziemlich wirkungslos. Die Aufrechterhaltung einesPräferenzgefälles ist vermutlich in der Gegenw~rt zurAbwehr von Wanderungsverlusten etwas weniger nötig,als gemeinhin angenonunenwird, weil die Mobilität derBetriebe stark eingeschränkt ist: Die Zuzugschancenwie die.Abwanderungsgefahren sind konjunkturbedingtgering. Das kann sich jedoch schlagartig ändern, wennmit einem Aufschwung wieder mehr Betriebe mobil werden.Deshalb muß der Berliner Präferenzvorsprung erhaltenbleiben.

In Antwort auf die zeitweilige Wirkungsschwäche derMob_ilitätsstrate_g_iehat der Senat Von Berlin sein ent-wicklungsstrategisches Konzept erweitert; er setzt nunstärker auf die Entwicklung aus dem endogenen Potential(Innovation~ptra~egi~), und er wird darin tatkräftigvon der Bundesregierung unt~rstützt.

Dieser Strategie-Wechsel wurde eingeleitet durch dieGespräche über die Stärkung der Wirtschaftskraft Berlin8unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Helmut Scpmidt imDezember 1974 und Juni 1975. Seither bemüht sich eineExper"tengruppe unter dem Vorsitz von Karl Otto HittelstenscheidVorstandsmitglied der Schering AG und Vizepräsident derIHK Berlin, um den Ausbau der Forschungsaktivitäten inBerlin. Aufgrund der Arbeit der Expertengruppe sind bereitsmehrere Projekte durch das Bundesministerium flirForschungund Technologie bewilligt worden; weitere,stehen mit gutenErfolgsaussiGhten vor der Entscheidung. Besonders dieBereiche Energiefo~schung, Technologie im Bauwesen,Neue Technologien, Umweltschutz und Datenverarbeitungsollen in Berlin verstärkt ausgebaut werden.

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Bund und Land Berlin unterhalten eine Reihe vonGroßforschungsinstituten mit Weltgeltung. Beispielesind das Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung BerlinGrubH und das Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichten-technik Berlin GrubH. Allein der Bund unterhält 30 Ein-richtungen für Grundlagenforschung und praxisorientierteEn·twicklung in Berlin. Wirtschaftsnahe Forschung undEntwicklung in Berlin betreiben auch die Bundesanstaltfür Materialprüfung, das Bundesgesundheitsamt mitSeinen sechs Instituten, die Physikalisch-TechnischeBundesanstal t und das Bundesumweltamt m.Lt;verstärktenForschungsaktivitäten im Dmweltsektor.

Zum institutionellen Forschungssektor zählen ebenso dieInstitute der Technischen Universität wie auch die ande-ren180 Einrichtungen, die das Handbuch des Senatorsfür Wirtschaft über den Berliner F+E-Sektor nennt.

\'" ..'

Zwischen diesem institutionellen F+E-Sektor und derIndustriefor~chung in Berlin besteht ein reger Austausch,der die Informationsbeschaffung und Informationsaufbe-reitung in der Berliner Wirtschaft sinnvoll ergänzt.Technologie-Transfer ist ein hervorstechendes Erfolgs-merkmal im unternehmerischen Innovationsprozeß. Das istdas Hauptergebnis unserer. Begleituntersuchungen bei64 Innovationen in Berliner Unternehmungen1). Nach denUmfragen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschungim Jahre 1977 bei 1600 Berliner Firmen mit mehr als10 ~eschäftigten ergab sich, daß etwa ein Fünftel dieserUnternehmen eigene Forschung und Entwicklung betreiben.

1) G. Mensch, Beobachtungen zum Innovationsver-halten kleiner, mittlerer und mittelgroßerUnternehmen, Zeitschrift für Betriebswirtschaft,49 (1979), Heft 1

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Es ist der vorsichtigen Kritik der IHK zuzusti~nen,daß dieses Fünftel eine viel zu niedrige Schätzungsein muß. Denn seit 1973 haben etwa die Hälfte derFirmen ein neues Produkt auf den Markt gebracht, undpraktisch ist keine Produktinnovation ohne Entwick-lungsarbeiten zu bewerkstelligen. Nach unseren Er-kenntnissen betreiben weit mehr als die Hälfte derBerliner mittleren und mittelgroßen Unternehmeneigene Entwicklungsarbeiten.

Diese Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten inBerlin werden prinzipiell staatlich gefardert, wennauch die Neigung der Firmen, Entwicklung~vorhabenzu offenbaren, gering ist.

Im Rahmen der Berlinförderung gibt es besondere Ver-günstigungen für Forschungs- urid Entwicklungs-In-vestitionen in bewegliche Anlagen, die aus~chließlichder Forschung und Entwickl~ng dienen; sie werdennach dem Berlinförderungsgesetz. durch eine Zulagein Höhe von 30 % der Anschaffungs- und Herstellungs-kosten gefardert. Gebäude, flie der Forschung und Ent-wicklung dienen, bekommen eine Invest.itionszulage von10 %. Außerdem ermaglicht das Berlinförderungsgesetzfür bewegliche Wirtschaft:sgü·ter des Anlagevermagens ,die der Forschung und Entwicklung dienen, Abschreibungenin Hahe von 75 %. Ferner kannen Umsatzsteuerpräferenzenvon 10 % für Forschungs- un~ Entwicklungsleistungengewährt werden, die ein Berliner Unternehmer für einUnternehmen in Westdeutschland ausführt. Aus demERP-Sondervermögen werden zinsgünstige Darlehen fürdie Finanzierung von F+E-Investitionsvorhaben zurVerfügung gestellt.

Zur strategischen Stärkung der Forschungs- " Enblick-•

lungs- und Umsetzungsaktivitäten in Berlin hilft derBund auch durch eine direkte Projektförderung, dieüber ein besonderes Antragsv~rfahrefi läuft. Sie wird

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e'

im wesentlichen aus Mitteln des Bundesministeriumsfür Wirtschaft und des Bundesministeriums für For-schung und Technologie finanziert. Der Bundesministerfür Wirtschaft stellt Mittel für ein Programm zur"Förderung von Entwicklung und damit zusa:rn:menhängen-der Forschung in der Berliner Industrie" zur Ver-fügung. Antragsberechtigt sind kleine und mittlereBerliner Industrieunternehmen, deren Jahresumsatzdie Grenze von 100 Mio. DM nicht übersteigt. DiesesProgramm wird von der Industrie- und Handelskammer

,zu Berlin betreut. Das Bundesministerium für For-schung und Technologie gewährt Berliner. Unternehmenund Forschungsinstitutionen im Rahmen seiner direktenProjektförderung seit dem 1. März. 1976 eine Präferenz--("Berlin-Bonus JI) von 10 % auf den Normalfördersatz.Bei öffentlichen Forschungsaufträgen kann BerlinerBewerbern auch dann der Zuschlag erteilt werden,wenn ihr Angebqt geringfügig über oem vergleichbareranderer Bewerber in Westdeutschland liegt. Durchsolche Anreize soll erreicht werden, daß Berlin mehrMittel des BMFT zugutekommen; denn bisher war Berlinaus Gründen, die in der Struktur der Industrie, aberauch in der Natur der vor allem geförderten Projekteliegen, an den Mitteln des BMFT unterdurchschnittlichbeteiligt (s. Kapitel von Koautor R. Scholz).

Im Bundesministerium für Forschung und Technologieist jüngst ein weiteres Programm zur Forschungs-förderung in kleinen und mittelständischen.Betriebenaupgearbeitet worden. Danach können Forschungs- undEntwicklungsaufträge, die von gewerblichen Unter-nehmen an Dritte vergeben werden, mit einern Zuschußin Höhe von 30 % des in Rechnung gestellten Betragesgefördert werden. Mit seiner Vielfalt an institu-tionellen Forschungs- und Entwicklungskapazitätensollte Berlin für mittelständische Unternehmen her-

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vorragende Möglichkeiten bieten, an diesem Programmzu partizipieren 1).

Damit hat der Bund das Land Berlin in den Standversetzt, Trendsetter in solchen Entwicklungenzu werden, die in der Stadt aufgegriffen werden.

Mi t der Bereitstellung von pördel;ungsinst.rumentendurch den Bund ging in Berlin die Einsicht unterden Politikern einher, daß Wirtschaft. und.Verwaltungbei Innovationsvorhaben nicht auf gegenseitigeUnterstützung und Zusammenarbeit verzichten können.Explizi t auf eine Tnnova~!:§Onss·t·ra.te_qieeí.nqeachwcnk t;

ist als erste parlamentarische Einrichtung in Berlindie 1. Enquetekommission des Abgedordnetenhauses zuBerlin. Sie stellte ihre Vorschläge. von Maßnahmenzur Belebung der Wirtschaftskraft Beiline unter denGesichtspunkt der Innovationsstrategie.

Aus innovationsstrat.egischen EDÑägungen ·wird dasfolgende Maßnahmenbündel als dringlich angesehen:

- Technologie-Transfer-Organisation (TTO)- Innovationsberatungsstellen

und eine schnèlle Bestandsaufnahme aller sich inForschung und Entwicklung abzeichnenden Entwicklungenin Energietechnik, Umweltschutz, Medizintechnik,Datentechnik u.a.

- Wagnisfinanzierungs-Fonds für Berlin- indirekte Förderung von mehreren Kapital-

beteiligungsgesellschaften in Berlinzur Wagnisfinanzierung

und ei.ne gezielte Anstrengung, um die am meistenWirkung versprechenden mittelgroßen Unternehmen

____.-------------1) IHK HL.'1tergrund,Informationenaus der

Industrie-und Handelskamrrerzu Berlin,August 1978

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in Berlin zur Wahrnehmung der in den großen Förde-rungsprogrammen des Bundes steckenden Chancen zubringen;

- Technologie-Management-Institut- Innovations-Management- Aus- und Fortbildung- Förderung des Personal-Transfers in

Forschung und Entwicklung- Kooperation zwischen Technischer Universität

und Praxis

und andere Maßnahmen zur Ermunterung und Unterstützungvon unternehmerischem Wagnis, z.B. auch durch ein

. " 1 )Demonstrationsprogramm von gelungenen Innovat~onen .

Dl.eses Maßnahmenbündel wur.de auf eine möglichstdezentrale, 'auf Erei.tenwirkung z.í.eLende AbwicklungderRisikokapitalvergabe, der Infor.mationsverteilungund des Personal transfers zugeschpitten (durch meinGutachten "Maßnahmen ~ur Forschungs-, Entwicklungs-und Innovationsförderung in Berlin", InternationalesInstitut für Management und Verwaltung, Berlin 1977 2).)

Bisher habe ich noch nicht den Eindruck, als ob diedezentralen, auf Breitenwirkung zielenden Maßnahmensich gegenüber den mehr zentralgesteuerten durchsetzenkönnen.

Grundzüge einer Innovationsstrategie für Berlin wurden1977 unter meiner Leit,ung von 48 Fachleuten ausIndustrie, Banken, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaf-ten) Selbsthilfeorganisationen, Bundesministerien,Senatsstellen, Abgeordnetenhaus, Wirtschaftsforschungund Wirtschaftspu.blizistik formuliert. Den Zwischen-bericht über die Ergebnisse hat die Gruppe am

1) Drucksache 7/1171 v. 15. 3. 1978, S. 442) Drucksache 7/1171 v. 15. 3. 1978, S. 74 ff

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27. 10. 1977 dem Herrn Bundespräsidenten anläßlich'I )seines Besuches an unserem Institut vorgetragen

Zur Zeit ist die innovationsstrategische General-linie noch der weitere Ausbau von Forschung und Ent-w.í ckLunq in Berlin. Darauf hat die Berlinkormnissionder im Bundestag vertretenen Parteien in ihrem am19. 6. 1978 verkündeten Berlin-Programrn einenSchwerpunkt gelegt, und darauf zielen auch die imApril '1978 vorn Bundesforschungsminister Volker Hauffanç ekünd í.q+en "Maßnahmen zur Förderung von Forschungund Entwicklung in Berlin".

Vorn Standpunkt der arbeitsplatzschaffenden und ein-kornmenserzeugenden Impulse, die die Berliner Wir-t-schaft erbringen soll, ist Forschung, Entwicklungund neue Technologie ein wichtiger Faktor, wenn auchoftmals nicht der ~.¡içhtigs.teFaktor im Entstehungs'~gang von wirtschaftlichen Ergebnissen. In der Er-kenntnis, daß oft nicht die Existenz von neuenTechnologien der Engpaß ist, sondern daß die Technikdem potentiellen Verwender bekannt ist, hat derBMFT 1978 die Technologie- Vermittlungs-Agentur inBerlin gegründet, und er unterstützt da~ 1978 inBerlin eingerichtete cI'echnologie-Zentrum des VereinsDeutscher Ingenieure.

Wegen ihrer im Fernabsatz trainierten Fähigkeitenbesonders vieler Berliner Unternehmungen gilt Berlinals "die heimliche deutsche Marketing-Hauptstadt" 2).Und der Bund und der Senat von Berlin flankieren dieseMarkterkundungsfähigkeiten durch die strategischeWirtschaftsförderung in Berlin, nämlich "durch dieSchaffung eines beispiellos günstigen Förderungs-

1) "Innovationsstrategiefür Berlin",E.rgebnisberichterhältlichals dp/77-114beim Internç¡.tionalenInstitu·tfür Ylanagerrentlti'1d Ver.valtung, Berlin

2) absatzwí.rt.schaft, Zeitschriftfür lvarketing,Septa~r 1978, S. 90

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instrumentariums für die Wirtschaft" 1). Was jetztnur noch fehlt zum Unternehmen ist das Unterlassenvon Investitionsbehinderungen.

13. Fazit: Durch die von Teilen der BerlinerWirtschaft (besonders der mittelgroßen undmittleren Unternehmen) geleîs·tete Struktur-anpassung und Produktivität sowie durch dasvon der politik bereitgestellte vielfältigeFörderungsinstrumentarium hat Berlin einengewissen Vorsprung im sozialen Lernen fürdie Zukunftsgestaltung. Dieser Vorsprungerlaubt es, eine Innovationsstrategîedesquali tati ven í'7achstums zu Verfolgen.

1) Der Senat von Berlin, 13. Bericht über die Lage derBP...rlinerWirtschaft, 4. oktober 1978,'S. 3

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fi122 ,

i

4. AUSBLICK

Ob nun die pessimistischen Prognosen oder die vonmir in Teil 3 aufgezeigte günstigere Perspektiverealistischer ("wahrscheinlicher") ist, das ist hierdie Fra.ge.

Eine Antwort darauf muß die Bedingungen nennen, unterdenen eine ungünstige oder günstige Entwicklung ange-nommen werden muß:

O Die landläufigen pessimistischen Prognosenberuhen auf den schmerzlichen Erfahrungen derVergangenheit und der Unterstellung, daß dieStandortnachteile auch in Zukunft die sich wan-delnde Wirtschaft in der Entfaltung hemmen wer-den, daB die Neigung zu und die Durchlässigkeitfür Investitionen in Berlin auch in Zukunftunterdurchschnittlich sein wird und daß dieZuversicht und Einsatzbereitschaft in der Wirt-schaftsführung und -politik eine flüchtige Er-scheinung bleibt, die die Mehrheit der kleinenund mittleren Unterne.hIDerund die Verwaltungnicht mißreiBen wird.

O Die optimistischere Perspektive beruht auf demErkennen des im Rahmen der Begrenzungen Mög-lichen und der Unterstellung, daß die Standort-nachteile die Zukun£tsindustrien und gewandeltenWirtschaftszweige in Zukunft weniger behindernals viele traditionelle Branchen, daB die Neigungzu innovativen Investitionen in den privaten undgemischtwirtschaftlichen Unternehmen in Beriinbesonders angereizt und durch günstige Faktorenerleichtert wird - in Sonderheit durch eine größereDurchlässigkeit für bedarfsnahe (kommunaler Bedarf) ,markterschließende (Fernabsatz) Innovationen, und

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daß der Unternehmensgeist in der Wirtschaftsführungund -politik sich auf noch mehr Unternehmungen undVerwaltungsstellen in Berlin überträgt.

Die Tatsache, daß Berlin nun über ein reichhaltigesArsenal von griffigen Instrumenten zur Wirtschafts-förderung verfügt wie es nirgendwo sonst zur Ver-fügung steht, genügt allein noch nicht zum Trend-wechsei. Gute Aussichten auf Erfolg bietet diesesvon der Politik angebot'ene Instrumentarium aber des-halb, weil die Zeit ,stimmt, in der es der Wirtschaftangeboten wird: Nicht zu früh, um nicht angenommenund deshalb wieder abgeschafft zu werden; nicht zuspät, um, weil der Wirtschaftszyklus zu anderenEngpässen fortgeschritten ist, ei,gentlich nicht mehrgebraucht zu werden.

Zuversicht in eine positive Entwicklung der BerlinerWirtschaft besteht also deshalb, weil Ende der 70erund Anfang der aOer Jahre d'er politische Zyklus inBerlin und im Bund und der Wirtschaftszyklus in Be'rlinund inseinen Hauptabsatzgebieten beide' im entsprechen'"deri Gleichtakt sind, was nach den bitteren politischenErfahrungen der vergangenen zehn Jahre fast schon einGeschenk des Himmels ist:

o Vor dem Hintergrund der weltweiten Stagnationund des rezessiven Strukturwa,ndels der vergan-genen sieben Jahre hat die Berliner Wirtschaftihre politisch und standortbedingten Sonderpro-bleme relativ gut gemeistert; schlecht genug,um sich die volle Unterstützung durch diein Zugzwang geratene Politik zu sichern; gutgenug, um noch eine Durststrecke durchstehen

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zu können, falls die Märkte sich in den folgen-den'Jahren noch nicht wieder beleben und sodie Politik von dem Zugzwang entlasten.

o Weil sich Berlin durch seine Sonderproblemefrüher als andere Regionen dem Strukturwandelstellen mußte und weil die Politik dafür rechtgeeignete Hilfsinstrumente geschaffen hat, gewanndie Berliner Wirtschaft einen zeitlichen Vor-sprung im Krisenm~nagement (Bewältigung vonDesinvestitionen und Rationalisierung derProduktion) und im Chancenmanagemel1t (im Fern"';absatz trainiertes Marketing und Vorbereitungvon Forschung, Entwicklung und Zukunftsinvesti-tionen) . Dieser Vorsprung ist einmalig in derNachkriegszeit und dürfte erhalten bleiben, wenndie Phasengleichheit von politischem Wahlzyklusund wirtschaftlichem Investitionszyklus nichtdurch Versäumnisse auf der po lí.tLaohen undadministrativen Seite verspielt wird.

o In den gemischtwirtschaftlibhen Sektoren derStadt, wo zahlreiche privatunternebmen mit öffent-lichen Aufga~enträgern zusarnnenarbeiten (imUmwelt-, Versorgungs- und Entsorgungsbereich,in der Energie-, Bau-, Medizin- und Nachrichten-technik, auf dem Verkehrs- und Kommun í.kat.Lons+gebiet usw.), hat Berlin es verstanden, etliche,Chancen für neue Technologien und bedarfsorien-tiérte prototypische Projekte hereinzuholen undfortzuentwickeln. Solche Chancen für Basisinnova-~ionen 1), die neue Märkte erschließen und Sonder-konjunkturen auslösen können, sind strategischeAnsätze, llinMultiplikatoreffekte zwischen öffent-

1) G. ~ænsch, Das tecrnolcgischePatt - Innovation~~Œber-Ñindendie Depression,Frankfurt 1975

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lichen und privaten Investitionen in Berlin zubewirken: Die Privatinvestitionen sind dieLokomotive, die öffentlichen Investitionen dasGleitmittel (Martin Grüner).

KAIROS nannten die alten Griechen eine für mutigeVorhaben günstige Stunde, in der die erfolgver-sprechende Konstellation der objektiven Voraus-setzungen und der menschlichen Einstellungen zumHandeln gegeben ist. In der gegenwärtigen Phase hatBerlin KAIROS: Die Voraussetzungen sind gegeben, umdie Erfolgsbedingungen für eine Berliner Strategiedes qualitativen Wachstums zu sichern und zu erfüllen.

Der Engpaß in Berlin liegt nun nicht mehr so sehrauf technologischem, personellem oder finanziellemGebiet (Faktorausstattung) , wie viele Berliner auf-grund ihrer Erfahrung in'der Vergangenheit,nochglauben, sondern auf dem sozialen Gebiet (Akzeptanzder Chancen): Um Initiative, Innovation, Investitionund Organisation in Schwung zu bringen, müssen .diebürokratischen Hemmnisse abgebaut wèrden,und die über-mäßigen Kontrollen, Zeit- und Reibungsverluste inden verschachtelten Gremien dürfen nicht länger derBreitenwirkung der guten Ansätze entgegenstehen.Bei manchen Förderungsinstrumenten besteht überdieseine Neigung zur Konzentration der Kompetenz und zurAustrocknung der Alternativen.

Die Gunst der Stunde besteht darin, daß sich Politikund Wirtschaftsführung darin weitgehend einig sind,daß ohne konstruktive Mitwirkung jeweils mehrererVerwaltungsstellen keine arbeitsplatzschaffendenNeuinvestitionen in Berlin noch machbar sind, unddaß hinter dem von Wirtschaftlern oft beklagtensogenannten "Politikversagen" und hinter dem von

•Politikern oft beklagten sogenannten IIHarktversagenll

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5

oft ein von Wirtschaftlern und Politikern sogenanntes "Bürokratieversagen" steckt. Das sindschreckliche Begriffe, die in ihrer Übertreibungdie berechtigten Kritikpunkte nicht treffen undAnsätze verschü·tten.

,So liegt zum Beispiel kein "Marktversagenll vor 1 wennvon 118 Berliner Unternehmen in unserer Untersuchunggerade nur 15 eine Innovation in den Markt brachten(vgl. Tabelle 26):

..:-..--_ ....

insgesamt

Beobacbtungs-Spektrum zur Innovazionspraxis Berliner Industriebetriebe

Zahi d:angesp;:chen::-r:'--------------·--------

Unternehmen 118 .. 52 44 2Z

E: davon halten am Ibewährten Produktfest ("abgenCÎgt") 29

D: davon würden gernein neues Produkteinführen, wenn sices.hätten ("innova-rionageneigt ")

Von den ínnovarionsgeneig-ren Unternehmenhabenratsächlich ein "Innovations-projekr" angefangen:

A + B + C:

C: davon sind nochschwebend

B: davon Wurdenabgebrochen

A: davon wurden erfolg-reich auf den Marktgebracht

,-----_,kleinere

Unternehmen50-249

Beschäftigte

13

89 39

mittlere mittelgroßeUnternehmen Unternehmen250-499 500-1000

Beschäftigte Beschäftigte

64 28

11

33

23

6

13

4

28 17

17

13

5

Quelle: G. Mensch, Eeobachtungenzum Innovationsverhaltenkleiner, mittlerer und mittelgroßerUnte1.11ehmenI

Zeitschriftfür Betriebswirtschaft,49 (1979)I S. 74

21

15 6

Tabelle 26

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Vielmehr sind 29 Unternehmen aus gutem Grund nichtinnovationsgeneigt, weil sie an einem bewährtenProdukt festhalten; 28 arbeiten noch an einem Inno-vationsvorhaben, das einfach längere Zeit erfordert;21 haben ein Projekt abgebrochen, weil es nicht hielt,was es versprach, und lediglich bei 25 der 118 Firmenist nicht offensichtlich, warum sie, obwohl innova-tionsgeneigt, kein Vorhaben in Angriffgenommenhaben. In einigen Fällen kommen medizintechnischeFirmen mit ihren Entwicklungen wegen der ei~gefahrenenBeschaffungspraxis der Gesundheitsverwaltung nichtvoran¡ in einigen Fällen kommen energietechnischeund nachrichtentechnische Kleinbetriebe mit ihrenKonzepten gegenüber den von der öffentlichen Handfavorisierten Großunternehmen nicht zum Zuge, und ineinigen Fällen haben bautechnische .Innovationen keineChance, sich gegen die von der Bauverwaltung vertei-digten gestrigen Bàunormen durchzusetzen. So wäre 'e~überzogen und falsch, von "Marktversagen" zu sprechen,wie auch der Vorwurf des "Bürokrati.eversagensll vonden Engpässen in der Verwaltung eher ablenkt; zumBeispiel im Berliner Bauwesen, das seit Jahren fürnicht mehr und nicht weniger als ein Bauvolumen vonfünf Milliarden DM durchlässig ist (trotz Nachfrage-und Kapazitätsüberhang und Unterbeschäftigung indiesem Sektor). Bei den meisten Investitions- undInnovationshenunnissen bedingen marktmäßige undverwal tungsmäßi.ge Schwierigkeiten einander wechsel-seitig. D~shalb ist eine Verbesserung der Kooperation. .

in ~er gemischten Wirtschaft Berlins eine der Grund-voraussetzungen für neue Impulse und nachhaltigeWirkung.

Angesichts der Zielkonformität bei Wirtschaftsführungund Wirtschaftspolitik in Berlin ist ein Interessen-ausgleich auf "höherer Ebene" leichter zu erreichenals eine ablauforganisatorische Terminharmonisierung

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auf "unterer Ebene", Jedenfalls haben die im ra.schenZeitverlauf eingespannten Politiker und Wirtschaftleroft den Eindruck, daß die Abstimmungsvorgänge in denbeteiligten Unternehmens- und Stadtverwaltungsstellenlänger dauern, als es dem Tempo im politischen Wett-bewerb und im Marktwettbewerb dienlich wäre. Indiesen Verzögerungen bei vielversprechenden, aberunkonventionellen Projekten sehe ich das Hauptrisikodafür, daß der politische Zyklus und der Marktzyklusin zwei/drei Jahren wieder auseinanderlaufen könnten,ohne daß die in der Wechselwirkung von Politik undWirtschaft sichtbaren. Chancen in Berlin im vollenMaße ausgeschöpft worden wären.

Die Frage, ob eí.ne Perspek·tive der Stagnation undResignation der Wirtschaft oder eine Perspektivedes Tendenzwechsels und des quali t.ací.veriWachstumsrealistischer erscheint, wird meines Erachtensletztlich dadurch beantwortet werden, ob die aufZeit gewählten Politiker und die privaten und öffent-lichen Unternehmer gemeinsam genug Uberzeug1.lngskraftentfalten, tun die Entscheidungs- und Organisations-f äh í.qkeí.t der zus·tändigen Firmen- und Verwal·tungs-gremien für die Zwecke der Markterschließung undBedarfsdeckung zu mobilisieren. Das ist freilich auchgar kein berlinspezifisches Probiem. Die Chancen.~tehen aber gut, daß es in den nächsten Jahren eineberlinspezifische Lösung gibt, die die günstige Ent-wicklungsperspektive für die Berliner WirtschaftRea·lität werden läßt.

14 • Fazit:. pie .S.han~cel1.ste.1].~~ ei~e qünstigePerspekti ve der :êer~iner vYirtschaft. 12..§'_rJ2.0..;..l..;..l_',__tl_'-_sch:= Wahl 2:.;:k1u~_und _~ konj unk tU.!_~1:..~_.Inves.!.!.:...tions~yklus sind im phase~~ T~~t. So könn~es qeJ.inaen( die wirtschaftl~ch..§.!}__.undadminis~

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ti ven Vorarbeitenfür Neue;rung'sinve:s,titionenzügig zu unternehmen; P'olitikund Marktdynamikwirken den üblichen Uhterlassungsg'ründen undVe·rzögerungenentgegen.

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5. ÜBERSICHT

1. Fazit:

2. Fazit:

3. Fazit:

4. Fazit:

130

Die marktwirtschaftlichen Haupt-tendenzen haben überall ähnlich ge-wirkt; der graßte Teil der wirtschaft-·lichen Probleme in der Produktions-sphäre Berlins ist nicht berlin-spezi-fisch, sondern ist von Änderungen inder internationalen Arbeitsteilungund der Weltmarktnachfrage verursachtworden.

Sowohl von der Warte der Beschäftigungals auch von der Warte der Investitions-tätigkeit her betrachtet ist die Lageder Berliner Wirtschaft nicht als "kri-tJ.schlt

, sondern als "sich weiter norma+lisierend 11 zu bezeichnen. Die Lage is·tbesser als ihr Ruf.

Die üblichen, verfügbaren Kennzifferntiber die Leistungender Berliner Wirt-schaft zeichnen systematisch ein ver-gleichsweise nachteiliges Bild. DieStatistik wirft auch bei wohlmeinenderBerichterstattung noch Schatten, wo .keinesind. Deshalb ist das. Image der BerlinerWirtschaft durchweg schlechter, als esder Realität entspricht.

Die gemischtwirtschaftliche BerlinerLeistungsbilanz ist positiv, obwohldie Zahlungsbilanz (ohne Bundeshilfe)negativ ist.

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5. Fazit:

6. Fazit~

7. Fazit:

8. ,Fazit:

9. Fazit:

131

Das große Ungleichgewicht der Nach-kriegszeit (Überhang von Erwerbs~fähigen über Arbeitsplätze und Waren-bedarf über Produktionskapazität in derbevölkerungsreichen Stadt) hat sichweitgehend angeglichen: Die Arbeitslosen-quote in Berlin hat sich auf den Bundes-durchschnitt ei~gependelt," und der Waren-fehlbedarf ist unter die 5 Prozent-schwelle gesunken.

"'Vom Standpunkt der Produktivität und derAbsatzleistung haben sich die mittel-großen Unternehmen und der kleinstruktu-rierte Teil der Berliner Industrie deut-lich besser behauptet als der großstruk-turierte Teil, obwohl dieser von öffent-lichen Aufträgen noch begünstigt wutde.

Für die meisten Berliner Unternehmen hatdie staatliche ßBerlinförderungß einenAusgleich der Standortnachteile gebracht,so daß auch die Profitabilität der berlin-ansässigen Unternehmen im Endergebnis kaumnoch von geo-politischen Faktoren beein-trächtigt ist, sondern fast ausschließlichvon Harktfaktoren bestinunt wird.

Im warenverteilenden Gewerbe (Handel)hat der überstürzte Strukturwandel einerelative Beruhigung erfahren.

Die als Problembereich in der BerlinerWirtschaft empfundene Wohnungssituationstellt also für die Zukunft eine großeHerausforderung und damit ein Bedarfsfeldmit guten Beschäftigungschancen dar.

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10. E'azit:

11. Fazit:

12. Fazit:

13. Fazit:

{~

132• I

Eine Umfrage urtter Topmanagern,leitenden Angestellten, Inhabern undMitunternehmern in privaten, öffent-lichen und gemischtwirtschaftlichenBerliner Unternehmungen läßt einenStimmungsumschwung und mehr-heí,tLichZuversicht unter den Wirtschaftsführernerkennen.

Von den ehemaligen Hauptstadtfunktionenbleibt Berlin iruner noch ein wirtschaft-lich sehr bedeutungsvoller Rest: dieTrendsetzungsfunktion: Vorreiterschaftin strategisch ausgewählten Bereichendes qualitativen ítllachstums.

Das passlvitätsfördernde Leitbild derSubstanzerhaltung und Bestandssicherung1st einem zuversichtlichen Leitbild derZukunftsgestaltung gewichen und wirktstch unt.er den Berliner Unternehmernaus.

Durch die von Teilen der Berliner Wirt-schaft (besonders der mtttelgroßen undmittleren Unternehmen) geleistete Struk-turanpassung und Produktivität sowie durchdas von der Politik bereitgestellte viel-fältige Förderungsinstrumen'tariu."U hacBerlin einen gewissen Vorsprung imsozialen Lernen für die Zukunftsgestaltung.Dieser Vorsprung erlaubt es, eine Innova-tionsstrategie des qualitativen Hachstumszu verfolgen.

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14. Fa,z:lt;

133

Die Cha,ncen stenen gut für einegünstige Perspektive der BerlinerWirtschaft. Der polit~sche Wahlzyklusund der konjunkturelle Investitions-zyklus sind im phasengleichen Takt.So könnte es gelingen, die wirtschaft-lichen und administra,t~ven Vorarbeitenfür Neuerungsinvestitionen zügig zuunternehmen¡ Politik und Mark.tdynamikwirken den üblichen Unterlassungsgründenund Verzögerungen entgegen.