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umwelterziehung praktisch nr. 47 Pädagogisches Zentrum Landwirtschaft macht Schule

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umwelterziehungpraktisch nr. 47

Pädagogisches Zentrum

Landwirtschaft macht Schule

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umwelterziehung praktisch 47

2 Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

„Wo wachsen eigentlich Pommes?“,„Sind Kühe lila?“, sind so die Standard-fragen, die, mal ernst gemeint, malschmunzelnd, immer wieder auftauchen,wenn es um die landwirtschaftlichenKenntnisse unserer Kinder geht. Aberdahinter steckt eine durchaus ernst zunehmende Entwicklung, denn wir sinddabei, völlig den Bezug zu den Ursprün-gen unserer Nahrung zu verlieren. AuchErwachsene haben keine Ahnung mehrvon Ackerbau und Viehzucht, auch nichtvom Gartenbau. Wir bekommen nichtmehr mit, wo unsere Lebensmittel er-zeugt werden, weil wir nur noch Fertig-produkte aus dem Supermarkt kaufen.Wir sähen keine Radieschen mehr ausund pflanzen keinen Salat, denn es lohntsich nicht, da dies doch alles viel billigerund bequemer zu kaufen ist.

In Rheinland-Pfalz sind es noch 3, inBaden-Württemberg nur noch 0,7 Pro-zent der Bevölkerung, die ihr Einkom-men aus der Landwirtschaft beziehen,und ein Großteil der anderen ist dabei,alles zu vergessen, was mit Nahrungs-mittelerzeugung zu tun hat. Landwirtewerden, wenn überhaupt, nur als Pesti-zide versprühende Traktorfahrer wahr-genommen, oder als profitgierigeMassentierhalter. Damit will man nichtszu tun haben. Also am besten mikro-wellengerechte Gerichte, bei denen mansich keine Gedanken über die Herkunftmachen muss! Oder man greift gleich zuFastfood, denn die gemeinsame Mahl-zeit in der Familie gehört vielerorts auchder Vergangenheit an.

Landwirte bemerken diesen Wissens-verlust in Bezug auf die Nahrungsmittel-erzeugung oft und auf vielfältige Weise.So stoßen sie z. B. im Frühjahr auf demWeizenfeld auf zeltende oder grillendeMitbürger, die sich auf einer Wiese wäh-

Herausgeber: Pädagogisches Zentrum des Landes Rheinland-Pfalz, Europaplatz 7-9, 55543 Bad Kreuznach; Redaktion: Dr.Rainer Tempel (verantwortlich), Gabriele Schmidt; Fotos: S. Tausch-Treml (Titelbild, S. 2), M. Müller (S. 6, 8, 9, 10, 11, 12), H.Heidweiler (S. 14, 16), K. Storrer (S. 18, 19), H. Justinger (S. 20, 21), Gajewski (S. 22, 23 oben, 24, 25, 26, 27), M. Reimann (S. 23unten), U. Hampl (S. 28, 29, 30), U. Andres-Eich (S. 35, 36 rechts, 37), I. Köhler-Heymann (S. 32, 33, 34), C. Kruft (S. 42, 45); DTP-Layout: Gabriele Schmidt; Druck: Rheinhessische Druckwerkstätte, Alzey; Erscheinungsweise: unregelmäßig; Auflagenhö-he: 4500 Exemplare; Bezugsbedingungen: Lieferung von Einzelheften gegen eine Schutzgebühr von 1,50 Euro zzgl. Versandko-sten; ISSN 0948-7360; Anschrift der Redaktion: Pädagogisches Zentrum, Redaktion „umwelterziehung praktisch“, Europa-platz 7-9, 55543 Bad Kreuznach, Tel.: 0671/84088-0, Fax: 0671/84088-10, E-Mail: [email protected] oder [email protected] .

nen. Im Hofladen ernten sie Unverständ-nis, wenn sie im Februar keine Erdbee-ren anbieten, und dass der Milchvieh-betrieb so viele Kälbchen zum Schlach-ten verkauft, versteht auch keiner.

Lehrkräfte sind in ihrer großen Mehrheitvon diesem Wissensverlust nicht aus-genommen, und ihre Kenntnisse bezüg-lich Landwirtschaft beziehen sie ausBüchern und den Medien, nicht mehraus eigener Erfahrung.

Das Dauerprojekt „Landwirtschaftmacht Schule“, durchgeführt von PZ,IFB und den staatlichen landwirtschaft-lichen Dienststellen, unterstützt von derLandwirtschaftskammer und ihren Ver-bänden, wie den Landfrauen oder derLandjugend, bietet hier seit Jahren Fort-bildungsveranstaltungen und Unter-stützungsangebote für die Schulen. Diesgeschieht weniger um Werbung für dieheimische Landwirtschaft zu machen,sondern es ist Bildung für eine nachhal-

tige Entwicklung. Ohne Landwirtschafthätten wir keine artenreiche Kulturland-schaft in Mitteleuropa (auch wenn durchdie intensive Bewirtschaftung in man-chen Bereichen Fauna und Flora beein-trächtigt wurden). Ohne Landwirtschaftgehen Genressourcen (z. B. im Bereichder lokalen Haustierrassen, Obst- undGemüsesorten) verloren. Ohne Land-wirtschaft vergessen wir, was wir essen.Regionale Spezialitäten, hergestellt mitfrischen einheimischen Produkten, er-sparen nicht nur energieintensive Trans-porte, sie erhalten auch die Vielfalt un-serer Kultur.

Zur Zeit wachsen Menschen heran, dievon Ernährung keine Ahnung haben,von Kochen schon gar nicht. Fehl-ernährung, Fettleibigkeit und ein gewis-ser Bildungsmangel auf der einen Seite,sowie fehlendes Wissen über grundle-gende Zusammenhänge zwischen Natur,Kulturlandschaft und gesundem Essenauf der anderen, sind zwei Seiten derselben Medaille. Wer keine Wildtiereund keine Haustierrassen kennt, keineWildkräuter und keine Apfelsorten, derwird dies alles nicht vermissen, wenn esverschwindet.

Die Beiträge in diesem Heft zeigen Mög-lichkeiten auf, wie Kinder und Jugendli-che an landwirtschaftliches Basiswissenherangeführt werden können. Es sindBemühungen, die bei weitem nicht aus-reichen, um die Bildung für eine nach-haltige Entwicklung im Bereich der Land-wirtschaft entscheidend zu verbessern,aber es sind gute Ansätze. Das Bemü-hen wird weiter gehen, Schülerinnen undSchüler durch Öffnung von Schule,durch den Einbezug außerschulischerPartner in das Schulleben, sowie durchhandlungsorientiertes Lernen an denaußerschulischen Lernorten Bauernhofund Feld mit zukunftsfähigem Wissenauszustatten.Dr. Rainer Tempel Bad Kreuznach im November 2004

Erfolgserlebnisse im Hühnerstall: DieHühner haben gut gelegt!

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Inhalt 3

umwelterziehung praktisch 47

Seite 5

Seite 13

Seite 14

Seite 16

Seite 18

Seite 19

Seite 22

Seite 28

Seite 32

Seite 35

Beiträge in diesem Heft

Den Bauernhof als außerschulischen Lernort neuentdeckenDr. Monika Müller

Landwirtschaftliche ThemenSchwerpunkte der Umwelt- und Nachhaltigkeitserziehung inder Fortbildung von LehrkräftenDr. Peter Sabel

Landwirtschaft macht SchuleDLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück - Versuchs- undBeratungseinheit in Neustadt/WeinstraßeHermann Heidweiler

Projekt „Landwirtschaft und Weinbau zumAnfassen“Bauernhöfe und Weingüter in der Region TrierJutta Wirtz

Lern- und Erlebnisort BauernhofArche-Hof-StorrerKarin Storrer

Eine Woche auf dem Schulbauernhof in SchwerbachHelmut Justinger

Die SchUR-Station Hofgut NeumühleZehn Jahre Projektwochen für allgemeinbildende Schulen ander Lehr- und Versuchsanstalt für ViehhaltungHofgut NeumühleDr. Monika Reimann

Seminarbauernhof Gut HohenbergLernen für Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und LehrerDr. Ulrich Hampl

Rund um die KartoffelEin vegetationsbegleitendes Projekt an der GanztagsschuleUrsula Andres-Eich

Lernen auf dem Bauernhof mit der „Milchkiste“Ursula Andres-Eich

Grundsätzliches

Projekte derDienstleistungszentrenfür den ländlichenRaum (DLR)

Schulbauernhöfe

Schulpraxis

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umwelterziehung praktisch 47

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an dieser Ausgabe

Projektbericht Klassenweinberg - klasse WeinbergCornelia Löwenstein

Der Schulweinberg NeuwiedIdee, Erfahrung und PerspektivenClaus Kruft

Seite 38

Seite 41

Ursula Andres-Eich ist Lehrerin an der Grund- und Hauptschule St. Barbara in Höhn im Westerwald. Sie ist an das Pädagogi-sche Zentrum für den Arbeitsbereich Umwelterziehung teilabgeordnet und seit 1991 intensiv mit der Thematik Schule undLandwirtschaft befasst.

Ulrike Bahl ist Oberstudienrätin am Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium in Neustadt an der Weinstraße und unterrichtet die FächerBiologie, Chemie und Naturwissenschaften. Seit 10 Jahren führt sie mit 5. und 6. Klassen regelmäßig Projektwochen mitlandwirtschaftlichen Bezügen durch.

Dr. Ulrich Hampl, Diplom-Landwirt, ist Leiter von Gut Hohenberg, dem Seminarbauernhof der Stiftung Ökologie und Landbau(SÖL).

Hermann Heidweiler, Diplom-Agraringenieur für Landwirtschaft, ist Berater für Pflanzenbau und Pflanzenschutz amDienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück mit Dienstsitz am DLR Rheinpfalz in Neu-stadt an der Weinstraße. Hermann Heidweiler ist Mitinitiator des Projektes „Landwirtschaft macht Schule“.

Helmut Justinger, Diplom-Biogeograf, ist Mitarbeiter am Schulbauernhof des Vereins für Ökologie, Gesundheit, Erziehung undKultur (ÖGEK) in Schwerbach.

Ilona Köhler-Heymann ist Agrartechnikerin und leitet als Mitglied des Landfrauenverbandes Rhein-Lahn als außerschulischePartnerin der Ganztagsschule Marksburgschule in Braubach eine Arbeitsgemeinschaft.

Claus Kruft ist Lehrer an der Regionalen Schule Neuwied-Niederbieber und unterrichtet die Fächer Mathematik, Physik undWirtschaftslehre. Er hat außerdem die Prüfung als Winzer abgelegt.

Cornelia Löwenstein ist Fachleiterin für Allgemeine Didaktik und Englisch am Studienseminar für das Lehramt an Grund- undHauptschulen in Simmern und unterrichtet an der Hauptschule Overberg in Koblenz.

Dr. Monika Müller ist promovierte Agraringenieurin und bewirtschaftet gemeinsam mit ihrer Familie (Ehemann und 3 Kinder)einen modernen Milchviehbetrieb in Irmtraut im Westerwald. Im Rahmen einer einjährigen Weiterbildung hat sie sich inten-siv mit umweltpädagogischen Lerninhalten auseinander gesetzt und hier gewonnene Erkenntnisse auf den Bereich derAgrarpädagogik umgesetzt.

Dr. Monika Reimann, Dipl.Agraringenieurin mit Fachrichtung Tierproduktion, ist die stellvertretende Leiterin der Lehr- undVersuchsanstalt Hofgut Neumühle in Münchweiler an der Alsenz. Sie betreut die schulischen Projekte und wirkt seit Jahrenan den Lehrgängen des IFB und PZ zum Themenkomplex „Landwirtschaft macht Schule“ mit.

Dr. Peter Sabel, Regionaler Fachberater für Biologie an Gymnasien, unterrichtet als Oberstudienrat in den Fächern Biologie,Chemie und Erdkunde am Konrad-Adenauer Gymnasium Westerburg und ist als Pädagogischer Referent für den Arbeitsbe-reich Umwelt- und Nachhaltigkeitserziehung an das Regionale Fortbildungs- und Beratungszentrum des IFB in Boppardteilabgeordnet.

Karin Storrer ist selbstständig mit einer Werbeagentur und Nebenerwerbslandwirtin. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann denArchehof und Außerschulischen Lernort Bauernhof der Familie Storrer in Eulenbis.

Jutta Wirtz, Diplom-Oecotrophologin (FH), ist Beraterin am DLR Eifel in Bitburg. Ihr Beratungsschwerpunkt liegt im Bereichregionaler Projekte , außerdem ist sie Öffentlichkeitsbeauftragte des DLR Eifel. Jutta Wirtz ist Mitinitiatorin des Projektes„Landwirtschaft und Weinbau zum Anfassen“, das 2001 in der Region Trier gestartet wurde.

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5Grundsätzliches

Vorbemerkung

Das Lebensumfeld der Heranwachsen-den gestaltet sich über die Generatio-nen immer wieder neu. Noch vor 50 Jah-ren beispielsweise wurde das Leben vie-ler Menschen in besonderer Weise vonder Landwirtschaft geprägt. Viehhaltungmit Grünlandbewirtschaftung, Getreide-anbau oder auch ein großer Garten wa-ren für die Großfamilien im ländlichenRaum eine wichtige Lebensgrundlage.Dabei mussten viele Arbeiten oftmalsmühselig von Hand verrichtet werden,Maschinen und Technik waren kaumbekannt. Kinder und Jugendliche warenin diese Arbeitsbereiche fest eingebun-den und lernten auf diese Weise sehrfrüh verantwortungsvoll mit Tieren undNatur umzugehen. Zugleich lernten sie,ihre eigenen Kräfte und Fähigkeiten ein-zuschätzen und einzusetzen sowie ihresozialen Kompetenzen auszubauen. In-zwischen hat sich ein grundlegenderWandel vollzogen. Natur und Landwirt-schaft werden zunehmend zu fremdenLebensbereichen. Stattdessen zähleninsbesondere Fernseher, Computer,Internet und Handy zu den zentralen Ele-menten im Leben vieler Kinder und Ju-gendlicher. In der Regel lernen sie sehrschnell, die High-Tech-Welt für sich zuerschließen und in ihr Leben zu integrie-ren. Visuelle Eindrücke, vielfältigste In-formationen sowie Wissensvermittlungauf theoretischer Ebene dominieren ihreWelt. Bei allen Vorzügen und Annehm-lichkeiten, die damit verbunden seinkönnen, rückt inzwischen immer stärkerins Bewusstsein, dass mit dieser Ent-wicklung eine tiefgreifende Entfremdungzu praktischen, emotionalen und sinnli-chen Erfahrungsfeldern einhergeht. Ent-sprechend werden elementare Lebens-bereiche, wie die Erzeugung von Nah-rungsmitteln sowie der Umgang mit Na-tur und Tieren, zunehmend ausgeblen-det. Aus dieser Erkenntnis heraus sol-len die folgenden Ausführungen dazubeitragen, den Bauernhof als außerschu-

lischen Lernort neu zu entdecken. Da-bei geht es nicht darum, rückwärts ge-richtet nostalgische Erinnerungen an diefrühere Landwirtschaft und damit die„gute alte Zeit“ zu verklären. Vielmehrsucht der folgende Beitrag nach Wegen,die heutige moderne Landwirtschaft alsbedeutsamen Ausschnitt unserer Le-bens- und Existenzgrundlage in derSchule praxisnah zu vermitteln und da-bei zugleich das Potenzial zu erschlie-ßen, welches der Bauernhof als außer-schulischer Lernort bietet. Damit richtetsich dieser Beitrag sowohl an Pädago-gen und Interessierte, die im Rahmen derschulnahen Umwelterziehung dasLebensfeld Bauernhof neu erschließenmöchten. Er richtet sich zugleich anLandwirte und die landwirtschaftlicheFachwelt, die ein Interesse daran haben,über eine pädagogisch ausgerichteteKommunikations- und Öffentlichkeitsar-beit ein realistisches Bild der modernenLandwirtschaft von heute zu vermitteln.

Der Bauerhof als außerschulischerLernort

Das Themenfeld Landwirtschaft ist inder Schule über Lehrpläne in den einzel-nen Unterrichtsstufen fest verankert. ImBereich der schulischen und damit inerster Linie theoretischen Wissensver-mittlung existieren pädagogische Kon-zepte und Unterrichtshilfen, auf die andieser Stelle verwiesen wird. Theoreti-sche Lernkonzepte stoßen jedoch an ihreGrenzen. Sie können nicht die direkteBegegnung mit dem Leben auf dem Bau-ernhof, den unmittelbaren Kontakt zuNatur und Tieren sowie die damit ver-bundenen emotionalen und sinnlichenErfahrungen ersetzen. Dieses Defizitwächst mit zunehmender Entfremdungder Gesellschaft zu Landwirtschaft undNatur. Heute wissen selbst Kinder aufdem Land immer weniger über denErfahrungs-, Lebens- und ArbeitsraumBauernhof. Entsprechend eröffnen sich

mit der Einbindung des Bauernhofes alsaußerschulischem Lernort ganz neuePerspektiven für die Unterrichts-konzeption. Insbesondere bietet derBauernhof die spezielle Möglichkeit,Wissen rund um das Thema Landwirt-schaft, Natur und Ernährung in einerauthentischen Lernumgebung zu vermit-teln. Der Lernort Bauerhof kann damiteine Bereicherung im methodischen Feldder praxisnahen Umweltbildung undnicht zuletzt eine Chance für Landwirt-schaft und Schule sein. Grundsätzlichist diese Erkenntnis nicht neu. Entspre-chend haben sich bereits unterschied-lichste Formen der Zusammenarbeit vonSchule und Bauernhof entwickelt. Ne-ben Hofbesuchen in diversen Variantenbefassen sich beispielsweise auch Ganz-tagsschulen damit, die Zusammenarbeitvon Schule und Bauernhof zu intensi-vieren. Selbst die Gründung eigenerSchulbauernhöfe ist zu nennen.

Im folgenden soll der Lernort Bauern-hof in zwei Varianten vorgestellt und dis-kutiert werden. Auf diese Weise wirdzugleich versucht, ein Bewusstsein fürdie Bandbreite der unterschiedlichenGestaltungsmöglichkeiten zu prägen.Zum einen ist die klassische Form der„Führung auf dem Bauernhof“ zu nen-nen. Diese Variante des Bauerhof-besuchs erfreut sich großer Beliebtheitund hat entsprechend eine hohe Verbrei-tung gefunden. Als weitere Alternativesoll die Bauernhoferkundung auf derGrundlage einer pädagogischen Kon-zeption vorgestellt werden. Diese Formder Hofbesichtigung hat sich erst in jün-gerer Zeit entwickelt. Mit wachsenderEntfremdung der Gesellschaft von derLandwirtschaft gewinnt sie jedoch zu-nehmend an Bedeutung.

Während beide Ansätze in der prakti-schen Umsetzung zu rechtfertigen sind,sollen durch ihre Gegenüberstellung Er-kenntnisse darüber vermittelt werden,welches Potenzial der Bauernhof als au-ßerschulischer Lernort birgt.

Monika Müller

Den Bauernhof als außerschulischen Lernortneu entdecken

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6 Grundsätzliches

Die klassische Betriebsführung

In vielen Schulen ist ein Besuch auf ei-nem im Haupterwerb geführten Bauern-hof auf der Basis der klassischen Be-triebsführung eine etablierte Form derUnterrichtsergänzung. Dabei geht dieMotivation sowohl von der Landwirt-schaft als auch von der Schule aus. Land-wirte möchten einen realistischen Ein-druck ihrer Arbeit auf dem Bauernhofvermitteln, zugleich möchten sie in derGesellschaft bestehenden Vorurteilenentgegen steuern. Daher wird diese Lei-stung im Rahmen einer aktiven Öffent-lichkeitsarbeit oftmals unentgeltlich bzw.gegen ein Kosten deckendes oder ge-ringes Entgeld vom Landwirt erbracht.Die Schule möchte den Schülerinnen undSchülern die Möglichkeit geben, eineninteressanten Lernort zu besuchen undrealistische Einblicke in landwirtschaft-liche Produktionsabläufe, beispielswei-se die Milchgewinnung oder Fleisch-produktion, zu erhalten. Es wird aberauch die Chance gesehen, über den au-thentischen Lernort das Interesse amThema zu wecken, um damit den Lern-effekt zu steigern. Die Wissensvermitt-lung erfolgt in der Regel auf der Basiseiner 2 - 3stündigen Führung über denHof. Der Landwirt oder seine Ehefraustellen beim Betriebsrundgang die un-terschiedlichen Betriebsbereiche vor,stehen Rede und Antwort bei aufkom-menden Fragen und ermöglichen denKindern oder Jugendlichen unter Um-ständen sogar, einmal auf einem moder-nen Traktor zu sitzen. Erfahrungen zei-gen, dass Schülerinnen und Schüler hiereinen Eindruck vom Geschehen auf demHof erhalten. Sie können die Stallungen,die Tiere und Maschinen anschauen,Fragen stellen und bekommen Zusam-menhänge und Arbeitsabläufe erklärt.Eine gute Vorbereitung im Unterrichtkann diese Hofführung deutlich unter-stützen. Der Landwirt als Fachmann istin der Regel sehr motiviert, den Schü-lern seine Fachwelt zu vermitteln. Dabeiist es für ihn nicht immer ganz einfach,die Wissensvermittlung auf die Aufnah-mefähigkeit der Schüler auszurichten.Ebenso muss der Landwirt aufpassen,nicht zu sehr in den Fachjargon zu ver-fallen. Begriffe, die dem Landwirt selbst-verständlich sind, sind den Besuchernnicht immer geläufig. Schließlich ist zubeobachten, dass die Konzentration der

Kinder und Jugendlichen im Verlauf derFührung nachlässt. Hinzu kommt, dassder Bauernhof viel Platz und Ab-lenkungsmöglichkeiten bietet und derAktivitätsdrang der Schülerinnen undSchüler gelenkt bzw. sogar deutlich ge-bremst werden muss. Insgesamt lässtsich festhalten, dass eine Führung aufdem Bauernhof den Schülern sehr wohleinen Eindruck vom Leben und Arbei-ten auf dem Hof vermittelt. Ein solcherBesuch kann entsprechend deutlichmehr bieten als die theoretische Unter-richtsstunde in der Schule. In der Regelist eine solche Hofführung ohne größe-re Vorbereitung für den Landwirt durch-führbar, so dass kurzfristig und flexibelgeplant werden kann. Die Wissensver-mittlung selbst erfolgt überwiegend aufsachlicher Ebene in Vortragsform, wo-bei je nach Vorbereitung und Interesseder Besuchergruppe auch lebhafte Ge-spräche entstehen können. Eine solcheFührung sollte jedoch zeitlich begrenztwerden, da ansonsten die Konzentrati-on und damit auch der Lerneffekt deut-lich nachlassen. Damit ist die klassischeForm der Hofführung eine reelle Ergän-zung zum Schulunterricht. Sie nutzt je-doch nur einen begrenzten Teil desPotenzials, welches ein Bauernhof zubieten hat! Genau dieses Potenzial ver-suchen neuere Entwicklungen auf derBasis der Hoferkundung zu erschließen.

Die Bauernhoferkundung auf derGrundlage einer pädagogischenKonzeption

Die Bauernhoferkundung auf der Grund-lage einer pädagogischen Konzeption istdarauf ausgerichtet, den Bauernhof alsaußerschulischen Lernort in der Weisezu nutzen, dass neben fachlichen Infor-mationen zur Landwirtschaft derErlebnisraum von Natur, Tier undMensch neu erfahrbar gemacht wird.Warum eine solche Konzeption in derheutigen Zeit von besonderer Bedeu-tung ist und wie die konkrete Umsetzungaussehen kann, soll im Folgenden nä-her dargestellt werden. Dazu sind einigeneurodidaktische Hintergründe aufzuar-beiten.

Neurodidaktische Hintergründe

Um Lerninhalte nachhaltig vermitteln zukönnen, ist zunächst zu ergründen, wasbeim Lernen im Gehirn vor sich geht. Diessoll im Folgenden in sehr vereinfachterForm dargestellt werden. Es wäre sicher-lich vermessen, in diesem Beitrag Auf-bau und Abläufe im Gehirn und Prozes-se des Lernens in ihrer Gesamtheit undKomplexität darzustellen. Doch bereitsvereinfachte Ausführungen können hel-fen, eine zielgerichtete pädagogischeAusrichtung der Lernkonzepte vorzu-nehmen.

Erläuterung des Melkvorgangs im Melkstand

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7Grundsätzliches

Beim Gedächtnis ist zunächst zwischendem deklarativen (bewussten) und demnichtdeklarativen (unbewussten) Ge-dächtnis zu unterscheiden. Während derdeklarative Teil für das Abspeichern vonFakten, Erlebnissen und Emotionen ver-antwortlich ist, werden im nichtdekla-rativen Bereich Abläufe der Motorik (bei-spielsweise gehen, Fahrrad fahren) oderauch Reize (häufig im Bereich der Wer-bung eingesetzt) verarbeitet. Erst wennFakten oder Abläufe im Gedächtnis ver-ankert sind, kann man sich an sie erin-nern bzw. können sie genutzt werden.

Um Fakten oder Vorgänge dauerhaft imGedächtnis zu speichern, müssen dieInformationen zusätzlich vom Kurzzeit-gedächtnis in das Langzeitgedächtnisgelangen. Hier wirkt der Hippocampusals Schleuse, und damit quasi als Fla-schenhals für das dauerhafte Gedächt-nis.

Wie lässt sich nun die Chance erhöhen,diesen Flaschenhals zu passieren? For-schungen haben ergeben, dass derLernprozess durch die gezielte Gestal-tung von Einflusskomponenten bewusstgefördert werden kann. So ist beispiels-weise festzustellen, dass mit einer ge-steigerten Aufmerksamkeit und damitdurch bewusstes Wahrnehmen die Lern-leistung erhöht werden kann. Ebensokann es sehr hilfreich sein, Erinnerun-gen in unterschiedliche Teilkompo-nenten zu zerlegen. Indem beispielswei-se eine Information in unterschiedlicheSinneswahrnehmungen aufgeteilt wird,wird sie mehrfach und an unterschiedli-chen Orten im Gehirn abgespeichert, sodass sich auch die Chance zur Aktivie-rung dieser Information erhöht. Indemzusätzlich Assoziationen zum Themahergestellt werden, kann ein ganzes Netz-werk im Gehirn angelegt werden, wo-durch wiederum das Erinnerungsvermö-gen deutlich gesteigert werden kann.Aber auch die Schaffung einerWohlfühlkomponente kann dazu beitra-gen, die Gedächtnisleistung zu erhöhen.So ist es in der Natur des Menschen

angelegt, dass Negativereignisse eherverdrängt werden, während man sich anpositive Erlebnisse gerne zurück erin-nert.

Auf einen Punkt gebracht lässt sich sa-gen, dass positive Sinneserfahrungenund in diesem Zusammenhang das Ler-nen durch eigenes Handeln zu einemlernphysiologisch hohen Erinnerungs-vermögen und damit einem hohen Lern-effekt führen.

Pädagogische Ausrichtung

Aufbauend auf den neurodidaktischenErkenntnissen, geht es im nächstenSchritt darum, eine pädagogische Aus-richtung für den Bauernhof als außer-schulischen Lernort aufzuzeigen. So istzunächst einmal festzustellen, dass derBauernhof im Vergleich zur Schule dieBesonderheit einer authentischen Lern-situation bietet. Eine authentische Lern-umgebung wiederum erhöht in der Re-gel die Aufmerksamkeit und steigert dieMotivation der Lernenden, sich mit denanstehenden Aufgaben oder Lernzielenintensiver auseinander zu setzen. Zu-sätzlich herrscht auf dem Bauernhof fürviele Besucher eine einzigartige Atmo-sphäre, geprägt durch die direkte Begeg-nung zu Pflanzen und Tieren in ihrenLebensräumen. Diese Einzigartigkeitstellt das Themenfeld Bauernhof bzw.Landwirtschaft nochmals in ein ganzbesonderes Licht. Die Schülerinnen undSchüler sprechen mit dem Bauern, wassonst kaum vorkommt. Sie können aufdem Hof etwas erleben, was normaler-weise nur selten erlebt wird. Diese be-sondere Situation gilt es den Kindernund Jugendlichen bewusst zu machen.Darauf aufbauend bietet der Bauernhofvielfältige Möglichkeiten, die Natur unddie Tiere mit allen Sinnen zu erleben,wodurch sich Erinnerungen in viele Teil-komponenten zergliedern lassen. Nichtnur die Dinge aus der Distanz betrach-ten, sondern zusätzlich durch Fühlen,Riechen und sogar Schmecken einen

nachhaltigen Lernerfolg herbeiführen!Diese verstärkt erlebnisorientierte Formder Informationsvermittlung spricht ge-rade Kinder und Jugendliche in beson-derer Weise an. Durch den direkten Kon-takt zu Tieren, Pflanzen aber auch zurTechnik bauen sich Emotionen auf, diedas Erlebte zu einem unvergesslichenEreignis werden lassen. Gelingt es da-bei, den Lernprozess durch die Entfal-tung eigener Aktivitäten zu unterstüt-zen, so lassen sich Themenkomplexeganz neu erschließen. Darüber hinausist der soziale Zugewinn nicht zu unter-schätzen. Die Kinder werden bewusstin ihrer Persönlichkeit wahrgenommen.Beim Erforschen, beispielsweise im Um-gang mit Tieren und Technik, überwin-den sie mitunter bestehende Hemmnis-se. Das Präsentieren der Ergebnisse vorder Gruppe fordert sie in besondererWeise. Aber auch der Respekt unterein-ander wird gefördert, beispielsweise in-dem die Gruppen sich gegenseitig zu-hören müssen, und es auch tun. Anderesuchen ihre Grenzen im körperlichen Ein-satz und finden diese auch, was ganzneue Erkenntnisse mit sich bringen kann.

Die Bauernhoferkundung in derpraktischen Umsetzung

Nachdem nun neurodidaktische Hinter-gründe sowie die daraus resultierendepädagogische Ausrichtung dargestelltsind, geht es als nächstes um die prakti-sche Umsetzung. Am Beispiel„Bauernhoferkundung auf demHubertushof in Irmtraut“ sollen nach-folgend Möglichkeiten aufgezeigt undin ihrer Wirkung diskutiert werden. DasProjekt Bauernhoferkundung gliedertsich dabei in unterschiedliche Phasen.Zunächst steht mit der Begrüßung dieEinstimmungsphase der Schülerinnen,der Schüler und ihrer Lehrkräfte an. Die-se Phase ist von besonderer Bedeutung,um die Motivation und die Neugier derBesuchergruppe zu wecken. Zugleichwird die Grundstimmung für den gesam-ten Projektverlauf gelegt. Anschließenderfolgt die eigentliche Arbeitsphase, inder Kinder zu Forschern und Lehrendenwerden. Hier haben die Schülerinnenund Schüler die Möglichkeit, selbst Ak-tivitäten zu entfalten und im Projekt ei-nen persönlichen Stil zu entwickeln.Höhepunkt des Projektes auf demHubertushof ist die gemeinsame Erkun-

Kurzzeitgedächtnis

deklarativer Bereichnicht deklarativer Bereich

Hippocampus Langzeitgedächtnis

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umwelterziehung praktisch 47

8 Grundsätzliches

dung der wichtigsten Arbeitseinheit,nämlich das Melken im Melkkarussell.Hier treffen Tier- und Technik-begeisterung aufeinander und weckendie Neugier und Motivation der Kinder.In der Abschlussphase macht es sichimmer gut, ein Resümee des Bauernhof-besuchs zu ziehen. Hier haben die Kin-der die Möglichkeit, ihre wichtigstenErfahrungen zu formulieren. Der Land-wirt erhält auf diese Weise ein Feedbackund kann auf dieser Grundlage seinKonzept der Bauernhoferkundung wei-ter verfeinern. Von großer Bedeutung fürdas Gelingen des gesamten Projekts istschließlich die Notwendigkeit, ausrei-chend Pausen in den Tagesablauf ein-zubauen. Die Kinder benötigen Zeit zumpersönlichen Austausch. Ebenso meldetsich irgendwann der Hunger, dem dieKinder in einer gemeinsamen Mahlzeitauf dem Hof nachkommen können - im-merhin ist eine WohlfühlatmosphäreGrundlage für positives Lernen. Einübervolles Programm geht letztendlichauch nur zu Lasten der Konzentration,so dass auch hier das Motto gilt: Weni-ger ist manchmal mehr!

Einstimmungsphase

Bei der Ankunft auf dem Hubertushofwerden zunächst alle Schülerinnen,Schüler und Lehrkräfte begrüßt und derTagesablauf vorbesprochen. Dazu ver-sammeln sich alle im sogenannten„Freilandklassenzimmer“. Es besteht ausBierzeltgarnituren, die im Kreis zueinan-der angeordnet sind, bei schönem Wet-ter unter freiem Himmel, bei wenigerschönem Wetter in der Maschinenhalle.Die kreisförmige Anordnung ist bestensgeeignet für die Konzentration auf denPunkt, an welchem der Landwirt oderdessen Ehefrau stehen und die Lern-gruppe begrüßen kann. Dadurch, dassalle einen Sitzplatz finden, ist zugleichdie beste Voraussetzung dafür geschaf-fen, dass der Landwirt (oder auch derLehrer, die Lehrerin) seine Botschaftverständlich und für alle hörbar an dieSchülerinnen und Schüler richten kann.Zu Beginn stellt der Bauer sich selbstund sein Team (evtl. Lehrlinge, Prakti-kanten usw.) vor. Damit die Kinder da-von überzeugt werden, dass es heuteinsbesondere um sie selber geht und derErfolg des Tages von ihrer Einsatzbe-reitschaft abhängt, sollten sie nicht „als

Menge der Schüler“ wahrgenommenwerden, sondern jeder individuell ange-sprochen werden können. Daher erhal-ten sie gleich zu Beginn ansprechendbunte Schilder, auf die sie ihren Namenschreiben können. Je nach Ausführungkann das Namensschild als Aufkleberoder über einen Clip am T-Shirt befestigtwerden. Die Erfahrungen zeigen, dassdies bei den Jugendlichen sehr gut an-kommt. Es vermittelt ihnen den Eindruck,in ihrer Persönlichkeit wichtig genom-men zu werden. Damit steigt in jedemFall die Bereitschaft, sich anschließendauch auf das einzulassen, was der Land-wirt zu erzählen hat. „Er nimmt michernst, also werde ich ihm auch zuhören.“In wenigen Worten wird der Hof (Größe,Arbeitsschwerpunkte usw.) vorgestellt.Ebenso werden Tagesablauf, Anforde-rungen und Aufgaben der Schülerinnenund Schüler erläutert. Ihre Neugierdewird insbesondere durch die Ankündi-gung geweckt, dass sie selbst zu For-schern und Lehrenden werden sollen.Dieser Rollentausch fasziniert immer wie-der. Es hat sich als sehr sinnvoll erwie-sen, den Tagesablauf auf einer Flip-Chartfestzuhalten, damit auch zwischendurchder Tagesverlauf immer wieder einge-ordnet werden kann. Nach dem Motto„Den Hof sicher und gesund erleben“sind an dieser Stelle auch klare Hinwei-se zum sicheren Umgang auf dem Hofsowie zur Gesundheitshygiene ange-bracht. Um ein unkontrolliertes „Essenzwischendurch“ und damit auch „Müllfortschmeißen zwischendurch“ zu ver-meiden, sollte auch aufgezeigt werden,

wann Pausen anstehen und dass einegemeinsame Mahlzeit geplant ist.

Arbeitsphase

Im Anschluss an die Begrüßung schließtsich die eigentliche Arbeitsphase an. Siegliedert sich zunächst in den einenArbeitsschwerpunkt Gruppenarbeit undwird dann vom Schwerpunkt Highlight-Forschung abgelöst. Zunächst werdendie Jugendlichen in Gruppen eingeteilt;je nach Größe und Alter der Klasse soll-ten 5 -7 Kinder in einer Gruppe arbeiten.Um heftigen Diskussionen bei der Grup-penbildung vorzubeugen, bekommendie Jugendlichen die klare Anweisung,sich entsprechend der Farbe der Na-mensschilder zu gruppieren. Die Na-mensschilder werden farblich so ausge-geben, dass die Gruppenbildung genaupasst. Die Jugendlichen zeigen sich oft-mals überrascht, lassen sich jedoch aufden Zufall der Gruppenbildung problem-los ein. Anschließend wird ihnen derArbeitsauftrag erläutert. Dazu bekommtjede Gruppe einen altersgerechten La-geplan ausgehändigt. Dieser zeigt denStandort sowie die Gebäude des Hofes.Bei jeder Gruppe ist ein anderes Gebäu-de rot gekennzeichnet. Die Aufgabe be-steht darin, genau dieses Gebäude bzw.diesen Hofteil aufzusuchen und näherzu erforschen. Beispielsweise wird eineGruppe den Kälberstall unter die Lupenehmen, eine andere Gruppe befasst sichmit dem Kuhstall, der Biogasanlage, derMaschinenhalle oder den Futtermittelnin den Fahrsilos. Jede Gruppe ist mit dreiFragen bzw. Aufgaben ausgerüstet, diees zu bearbeiten gilt. Dabei sollten mög-lichst auch praktische Vorführungen er-möglicht werden, ganz nach dem Motto„Denken und erleben müssen sich ge-genseitig ergänzen“. Damit die Aufga-ben auch ernst genommen werden, wirddarauf hingewiesen, dass sich an dieForschungsphase die Lehrphase an-schließt. Hier werden die Stationen aufdem Hof von der ganzen Klasse besuchtund die jeweilige Forschergruppe hatden anderen zu berichten, zu welchenErkenntnissen und Ergebnissen sie ge-kommen ist. Es wird noch eine genaueZeit verabredet (20 bis 30 Minuten),nach der die Gruppen sich wieder amAusgangsplatz zusammenfinden. Danndürfen die jungen Forscherinnen undForscher mit ihrer Aufgabe beginnen.

Kennenlernen unterschiedlicherFuttermittel

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umwelterziehung praktisch 47

9Grundsätzliches

Damit sie nicht ganz unbeaufsichtigtbleiben, werden die Gruppen jeweils vomLandwirt persönlich, von der Lehrkraft,vom Auszubildenden oder auch vomPraktikanten begleitet. Diese halten sichjedoch in ihren Ausführungen zurück.Sie halten der Gruppe keinen Fachvor-trag sondern antworten lediglich auf Fra-gen, die an sie gerichtet werden. Auf die-se Weise können die Kinder nun selbsteinen Teil des Hofes unter die Lupe neh-men. Sie können ihrer Neugier nachge-ben und die Dinge genau beobachten,anfassen usw. . Vor allem aber könnensie eigene Schwerpunkte bilden. Siekönnen selber herausfinden, was ihnenbei der jeweiligen Station wichtig ist undes später den Mitschülern in ihren eige-nen Worten darlegen. Damit wird zu-gleich einer zu sehr fachlich ausgerich-teten Sprache vorgebeugt. Diese ersteArbeitsphase bietet den Kindern vieleneue Eindrücke. Sie können ganz neueErfahrungen machen, beispielsweise einKälbchen streicheln oder es auch malam Finger saugen lassen, auf den Trak-tor klettern oder die Kühe füttern. Daherist im Anschluss an diese Arbeitsphaseeine Pause anzuraten. Erfahrungsgemäßkommen zahlreiche Kinder ohne Früh-stück auf den Hof und lassen sich garnicht länger vom Essen abhalten. Dahererfolgt vor der nächsten Phase, der Prä-sentation der Ergebnisse, zunächst eineFrühstückspause. Diese wird bei unsgenutzt, um den Kindern Milch, Kakaooder Tee anzubieten. Je nach Vereinba-rung mit der Klasse bringen sie ihr Brotselber mit oder es werden Brötchen oderauch Kuchen vom Betrieb bereit gestellt.Bei dieser Gelegenheit können zugleicheinige Worte zu Produkten des Bauern-hofes eingebracht werden. Allerdingssollte die Pause ansonsten den Schü-lern gehören, da ein großer Drang zuverspüren ist, sich gegenseitig auszu-tauschen. Erst wenn alle gesättigt undgestärkt sind, geht die Arbeit weiter. Jetztwerden die Stationen des Hofes der Rei-he nach besucht. Die jeweilige Forscher-gruppe stellt den anderen ihreErkundungsergebnisse vor. Auch prak-tische Vorführungen sind eingebunden.Es beginnt bei den unterschiedlichenFuttermitteln, die in Form einer Sinnes-station für die anderen Gruppen präsen-tiert werden. In Eimern werden die Fut-termittel offen dargestellt und erklärt.Über Tastsäcke und Riechflaschen kann

anschließend jeder testen, ob er sieschon am Geruch oder durch Tasten er-kennen kann. Hier sind die Kinder im-mer ganz bei der Sache und vergesseninsbesondere die besonders intensivriechenden oder sich matschig anfüh-lenden Futtermittel so schnell nicht wie-der. Im Kuhstall können neben den Aus-führungen zum Leben der Kuh weitereBesonderheiten beobachtet werden. Vondeutlichem Interesse ist immer wieder derSchrittzähler, den jede Kuh am Fuß trägt,oder das „Wellness-Center“ für Kühe,in welchem diese sich ganz nach Bedarfüber rotierenden Bürsten (fast wie in derAutowaschanlage) ihr Fell bis hinter dieOhren bürsten und scheuern können.Die stärksten der Kinder sind mit Eiferdabei, wenn es darum geht, die Futter-menge, die eine Kuh am Tag frisst, abzu-wiegen. Auch beim Ausrollen von Heu-rundballen können die Kinder ihre Kräf-te auslassen. Im Kälberstall kann gezeigtwerden, wie das Kalb aus dem Nuckel-eimer die Milch saufen kann. Dabei kön-nen die Kälber gestreichelt und umhegtwerden. Für manche kostet es schonenorme Überwindung, ein solches Le-bewesen überhaupt anzufassen. DasEinstreuen der Boxen mit Stroh ist fürviele Kinder ein besonderes Vergnügen.Von größtem Interesse sind außerdemdie Schwalbennester mit dem Vogel-nachwuchs. Der Landwirt hatte sie beider klassischen Hofführung nie erwähnt,ging es ihm doch immer um Erklärungen

zu den Kälbern. Doch seit die Besucherden Hof selbst erkunden und präsentie-ren, sind die Schwalben immer wieder imGespräch. Auch die zahlreichen Katzensind insbesondere für Mädchen ein be-sonderer Anziehungspunkt. Bei denMaschinen darf der Traktor auch einmalvon innen begutachtet werden, was ins-besondere die Jungen herausfordert.Ansonsten ist ein Vergleich von Hand-und Maschinenarbeit immer wiederspannend. Die Biogasanlage schließlichkann über ein Modell näher erläutertwerden. Überlegungen, wie unser Stromsonst noch erzeugt werden kann und waswir alles nicht machen könnten, wennkein Strom da wäre, führen immer wiederzu angeregten Diskussionen.

Diese Ausführungen deuten an, wie in-tensiv die Begegnung auf dem Bauern-hof für Schülerinnen und Schüler seinkann, wie vielfältig die Sinneserfah-rungen sind, die dabei gemacht werdenkönnen und dass immer wieder eigeneAktivitäten entfaltet werden können.Aufgrund der vielfältigen Möglichkei-ten integrieren sich selbst Außenseiteroder auffällige Kinder sehr gut in dasGeschehen. Dabei stellt das Überwindenvon Hemmnissen immer wieder eine Her-ausforderung dar, stärkt jedoch bei über-wundener Herausforderung dasSelbstbewusstsein in herausragenderWeise. Insbesondere das Präsentiereneigener Forschungsergebnisse vor derGruppe ist für manche sehr ungewohnt.

Zusammenstellen der Tagesration für eine Kuh

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10 Grundsätzliches

Da jede Gruppe mit ihrer Präsentationeine herausragende Arbeit leistet, wirdsie jeweils mit einem kräftigen Applausvon allen belohnt. Zudem erfolgt nachjeder Präsentation eine Reflexionsphase,in der die anderen Schülerinnen undSchüler ihre Beurteilung abgeben kön-nen. Was war gut, was hätte noch mehrvertieft werden können? Diese Fragengeben den Lehrenden ein Feedback überihre Arbeit. Zugleich gelingt es auf die-se Weise, der Präsentation eine hoheBedeutung zukommen zu lassen. Ent-sprechend reicht in der Regel ein Appellan die Solidarität, um die notwendigeDisziplin der Zuhörer herbeizuführen. ImAnschluss an diese harte Arbeit in derGruppe, sei es durch Zuhören oder auchPräsentieren, haben sich die Kinder nunerneut eine Pause verdient.

Nun schließt sich das eigentliche High-light des Tages an. Der Hubertushof istein Milchviehbetrieb und somit in ersterLinie auf die Milchproduktion ausge-richtet. Zum Melken kommen die Kühein ein Melkkarussell. Während einerKarussellfahrt werden sie dann gemol-ken. Allein die Vorankündigung zu die-sem Highlight macht die Besucher sehrneugierig und weckt ihre Begeisterung.Immer wieder wird nachgefragt, ob siedenn auch mal eine Kuh melken dürfen.Die Kühe werden jedoch morgens um6.00 und abends um 18.00 Uhr gemol-ken. Somit fällt die Melkzeit nicht mit demBesuch zusammen. Dennoch versuchenwir den Schülerinnen und Schülern den

Melkprozess in praxisgerechter Weise zuvermitteln. Dazu wird zunächst an einemLehreuter der Prozess des Melkens er-klärt und die Schüler dürfen selbst amProbeeuter Hand anlegen. Dabei stellensie sehr schnell fest, dass das Melkengar nicht so einfach ist. Es bringt jedochauch viel Spaß und Vorfreude auf das„richtige Melken“ mit sich. Anschlie-ßend wird der Melkraum in Augenscheingenommen. Es ist ein großer Raum, indem wie von einer Zuschauertribüne ausder Melkprozess beobachtet werdenkann. Von hier können sich die Schüle-rinnen und Schüler einen ersten Eindrucküber modernste Melktechnik verschaf-fen. Dabei ist offensichtlich, dass höch-sten Hygieneansprüchen Rechnunggetragen wird. Allein dieser Eindruckhinterlässt in der Regel bleibende Erin-nerungen. Auf eine kurze Erklärung desMelkvorgangs folgt die Besichtigungdes Melkkarussells vom Melkplatz desMelkers aus. Die Jugendlichen dürfenmit ins Melkkarussell, können die Melk-zeuge und die Technik direkt in Augen-schein nehmen. Dann startet das „Mel-ken life“. Zwar sind die Kühe am mor-gen schon gemolken worden, doch zurDemonstration werden ein oder zweiKühe ins Melkkarussell geholt. Dazumüssen zunächst einige vorbereitendeArbeiten ausgeführt werden, bei denendie Kinder mit Begeisterung mitmachen.Die Spülstöpsel müssen von den 24Melkzeugen abgezogen werden und dieMelkzeuge in Melkposition gebracht

werden. Wird die Melkmaschine ange-macht, muss auf den Displays der 24Melkplätze die Stop-Taste gedrückt wer-den. Die Kinder sind kaum zu bremsen.Dann betreten die Kühe die Plattformund das Karussell beginnt sich zu dre-hen - immer wieder ein begeisternderMoment für die Kinder. Als nächsteswird gezeigt, wie das Euter zum Melkenvorbereitet wird: Erste Milchstrahlenwerden mit der Hand ausgemolken unddas Euter mit Papiertüchern gereinigt.Anschließend kann jeder, der möchte,versuchen, mit der Hand einige Strahlenaus dem Euter der Kuh zu melken. Man-che sind ganz vorwitzig und möchtenunbedingt als erste dabei sein, anderewarten eher ab und schauen erst mal zu,was da auf sie zu kommt. Am Ende je-doch haben fast alle ihre Versuche durch-geführt und in der Regel gelingt es ih-nen auch, einige Milchstrahlen zu er-melken. Insbesondere dann, wenn inne-re Hemmungen überwunden werdenmussten, steigt der Stolz in den Kindernüber die vollbrachte Leistung auf. In die-ser Phase sind alle voll konzentriert beider Sache. Hier erfolgt Wahrnehmungmit allen Sinnen auf höchstem Niveau.Die Kuh wird in Augenschein genom-men, das Euter der Kuh wird gefühlt, derGeruch der Kuh dabei wahrgenommen.Es können eigene Aktivitäten entfaltetwerden, indem sie „melken life“ in diePraxis umsetzen. Ebenso kommen sie inengste Berührung mit modernster Tech-nik, denn nun wird das Melkzeug an derKuh angesetzt. Zuvor erhalten die Kin-der Gelegenheit, auch diese Technik nä-her zu begreifen. Indem sie einen Dau-men in den Melkbecher des saugendenMelkzeuges halten, können sie sich ei-nen Eindruck vom Saugprozess am Eu-ter machen. Sie spüren die Vibration imMelkbecher und erfahren die Saugkraft,die auch ein Kälbchen an der Kuh ent-faltet. Dann können die Kinder beobach-ten, wie die Milch durch durchsichtigeSchläuche vom Euter der Kuh in eineMilchkanne fließt. Dabei fährt die Kuhlangsam ihre Runde im Karussell. Wäh-rend dieser Phase können die Kindernicht mehr aktiv mitmelken, da die Ma-schine diese Arbeit nun übernimmt.Doch sie klettern mit Begeisterung aufsKarussell und drehen gemeinsam mit derKuh ihre Runde. Ab und zu kommt esvor, dass eine Kuh wegen der unge-wohnten Melkzeit und den vielen Besu-

Pferde sind besondere Sympathieträger

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11Grundsätzliches

chern selbst etwas nervös wird und danngenau das macht, was alle Kühe machen,wenn sie nervös werden: sie setzt einenKuhfladen ab. Hier wird den Kinderngezeigt, wie dieser sauber und hygie-nisch mit einer Wasserspitze entferntwerden kann, wobei die Kinder dieseArbeit begeistert und gewissenhaftselbst zu Ende führen. Ist die Kuh leergemolken, wird das Melkzeug automa-tisch abgenommen und die Kuh verlässtam Ausgang das Karussell. Jetzt mussjedoch das Karussell wieder gereinigtwerden, denn Sauberkeit und Hygienesind gerade in der Milcherzeugung vongrößter Wichtigkeit. Auch dabei helfendie Kinder gerne mit. Manche möchtenes gar nicht wahr haben, dass dannschon alles vorbei ist. Dieses einzigarti-ge Erlebnis bleibt als Highlight lange inErinnerung, wie uns die Lehrkräfte auchMonate später noch bestätigen. „Washier an praktischen Erkenntnissen ver-mittelt wurde, kann selbst in zahlreichenUnterrichtsstunden nicht geleistet wer-den“, so der Kommentar eines Lehrers.Auf diesen Höhepunkt folgt schließlichdie letzte Phase, der Abschluss.

Abschlussphase

Zum Abschluss versammeln sich dieSchülerinnen und Schüler wieder imFreilandklassenzimmer. Je nach Zeit-rahmen kann ein Abschlussspiel einge-leitet werden, beispielsweise alsWissensquiz. Spannend wird es, wenndie Gruppen gegeneinander antretenund Fragen beantworten müssen. DieFragen müssen an die jeweilige Alters-gruppe angepasst sein. Dabei könnensich diese Fragen auf das Lernfeld desVormittags beziehen, beispielsweise aufFutterbedarf oder Milchleistung einerKuh. Sie können jedoch auch darüberhinaus Felder aus anderen Unterrichts-bereichen wie Erdkunde und Biologieberühren. So lösen Fragen nach derdurchschnittlichen Niederschlagsmengeauf dem Hubertushof, der Höhenlagedes Hofes oder dem Gewicht einer Kuhimmer wieder interessante Diskussionenaus. Über eine Punktbewertung kann einangeregter Wettbewerb zwischen denGruppen ausgelöst werden, der allensichtbar Spaß macht.

Ganz zum Abschluss ist es für die Wei-terentwicklung der Konzeption „Land-

wirtschaft macht Schule“ von Bedeu-tung, insgesamt ein Resümee zu ziehen.Soweit es der zeitliche Rahmen erlaubt,ist es sinnvoll, im Kreis jeden darüberberichten zu lassen, was besonders ge-fallen hat, was man sich vielleicht auchetwas anders gewünscht hätte, oderauch einfach was am meisten beein-druckt hat. Auch der Landwirt gibt derGruppe ein Feedback, ob es Spaß ge-macht hat, mit ihnen zu arbeiten oder obsie sehr anstrengend waren. Anschlie-ßend gilt es „Auf Wiedersehen“ zu sa-gen. Immer wieder wird dabei der Wunschgeäußert, irgendwann noch einmal aufden Hubertushof kommen zu dürfen.

Besondere Projektformen

Die Bauernhoferkundung, wie sie obenbeschrieben wurde, füllt den Vormittageiner Schulklasse aus. Damit ist dasThemenfeld der Milcherzeugung sicher-lich noch nicht erschöpfend abgehan-delt. Beispielsweise könnte noch sehrviel intensiver auf die Verarbeitung derMilch eingegangen werden. Schülerkönnten selber Milch zu Quark oder Jo-ghurt verarbeiten. Der Bogen zum ge-sunden Frühstück und zur gesundenErnährung überhaupt könnte geschla-gen werden. Eine Untergliederung inkonkrete Themenbereiche, beispielswei-se artgerechte Tierhaltung, Aufzucht derKälber, High-Tech im Kuhstall erweistsich für die Planung und Durchführungeiner Konzeption als äußerst sinnvoll.Je nach Programmablauf reicht ein ein-zelner Vormittag gar nicht aus. Schulen

bieten jedoch zunehmend auch Projektean, an denen einzelne Themenfelder übermehrere Tage sehr intensiv beackertwerden können. Ein Beispiel für einesolche Projektgestaltung soll nachfol-gend in Kurzform dargestellt werden.Ziel ist es, auf diese Weise die Vielfaltder Gestaltungsmöglichkeiten, die einBauernhof zu bieten hat, zumindest an-zudeuten.

Diskussion der Ergebnisse undImpulse für die Zukunft

Die Ausführungen zeigen auf, dass derBauernhof in unterschiedlichen Varian-ten als außerschulischer Lernort genutztwerden kann. Er bietet die Besonderheitder authentischen Lernsituation sowiedie Einzigartigkeit der direkten Begeg-nung zu Nutztieren und Technik. Beson-dere Erfolge können auf der Grundlageeiner pädagogischen Ausrichtung übereine erlebnisorientierte Informationsver-mittlung erzielt werden. Indem Kinderselbst in die Rolle der Forscher und Leh-renden schlüpfen, lassen sich höchsteLernerfolge erzielen. Zugleich bietet die-ser Ansatz Chancen, kommunikative undsoziale Kompetenzen der Schülerinnenund Schüler zu fördern und zu festigen.Von daher sollte unbedingt daran gear-beitet werden, das Themen- und Lern-feld Landwirtschaft stärker ins Be-wusstsein zu bringen. Ernüchternd mussjedoch auch gesehen werden, dass einesolche Form des Bauernhofbesuchs miteinem hohen Aufwand für den Landwirtverbunden ist. Eine pädagogische Kon-zeption kann wegen der Einzigartigkeitder Betriebe nicht von einem Betrieb aufden anderen übertragen werden, son-dern muss für jeden Betrieb individuellerstellt werden. Entsprechend muss sichder Landwirt mit pädagogischen Lern-konzepten auseinander setzen. Damitder Landwirt diesen Weg geht, müssenjedoch wesentliche Kriterien erfüllt sein.Zum einen muss er selbst Spaß am Um-gang mit Kindern und Jugendlichen ha-ben und sich auf pädagogische Zusam-menhänge einlassen. Zum anderen wirdein finanzielles Entgelt für diese Formder Arbeit unausweichlich, da ein hoherAufwand damit verbunden ist. Nebendem zeitlichen Einsatz stehen für denLandwirt mitunter auch bauliche Inve-stitionen an, beispielsweise in eineBesuchertoilette oder einen Besucher-

Faszination Traktor

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12 Grundsätzliches

raum. Darüber hinaus hat er grundsätz-lich Gesundheits- und Hygienevor-schriften zu beachten. Ebenso muss erden Anforderungen der Berufsgenos-senschaften Rechung tragen bzw. füreinen ausreichenden Versicherungs-schutz sorgen. Entsprechend müssensich die Schulen darüber im Klaren sein,dass genau wie beim Besuch derEissporthalle oder einer anderenBesucherstätte, ein Obulus einzulösenist. Auf dieser Basis bietet die vorge-stellte Ausrichtung des Betriebes hin zueiner pädagogisch anspruchsvollenKonzeption sogar die Chance auf eineechte Einkommensergänzung und sogarEinkommensalternative. Insbesondereauch kleinere Betriebe scheinen geeig-net, sich in dieser Hinsicht stärker aufden gesellschaftlichen Bedarf auszu-richten. Dies kann auch über den An-satz der Schulbesuche hinaus gehen. DieKonzeption könnte sich auch auf ande-

re interessierte Besuchergruppen aus-dehnen lassen, bis hin zur Organisationvon Kindergeburtstagen bzw. Erlebnis-tagen auf dem Bauernhof. Auch kanndie soziale/gesellige Ausrichtung hiernoch stärker hervorgehoben werden. Dieerfolgreiche Umsetzung derartiger An-sätze zeigen einzelne Beispielbetriebebereits auf. Dennoch wäre es sicherlichvermessen zu denken, Landwirte wür-den nun in größerem Stil in diese Formder pädagogischen Arbeit einsteigen.Insbesondere für Haupterwerbsbetriebesteht die fachliche Informationsvermitt-lung oftmals über der pädagogischenAusrichtung. Selbst bei Interesse fehltoftmals die Zeit, eine solche Konzepti-on für den eigenen Betrieb zu entwik-keln. Daher sollte über Möglichkeitennachgedacht werden, wie Landwirte füreine effektive und pädagogische Wis-sensvermittlung zu interessieren seinkönnten, bei welcher sich aber der Auf-

wand in Grenzen hält. Ein solcher An-satz wurde beispielsweise mit dem Pro-jekt „Milchkiste“ verwirklicht, die ananderer Stelle in diesem Heft vorgestelltwird. Ein weiterer Ansatz zur Vermittlungnaturkundlicher und sozialer Kompeten-zen läuft über die Einrichtung sogenann-ter Schulbauernhöfe. Hier steht nicht derwirtschaftende landwirtschaftliche Be-trieb im Vordergrund sondern die päd-agogische Arbeit mit Kindern in Bezugauf das Tätigkeitsfeld des Bauernhofes.Diese unterschiedlichen Formen von„Landwirtschaft macht Schule“ stehendabei nicht in Konkurrenz zueinander.Jede Form für sich weist herausragendeBesonderheiten auf, die es als Stärkenauszubauen gilt. Jede Variante kann eineigenständiges Profil entwickeln und jenach Zielvorgabe der Betreiber stärkerlandwirtschaftlich-fachlich, landwirt-schaftlich-naturkundlich oder auch land-wirtschaftlich-erlebnisorientiert ausge-richtet sein.

Tagwerk Ruanda

Rheinland-Pfalz ist Partnerland von Ru-anda. Alljährlich läuft die Hilfsaktion„Tagwerk Ruanda“ im ganzen Lamd. DieRealschule in Rennerod bette im Jahr2003 diese Aktion in 3 Projekttage ein.Eltern, Schülerinnen, Schüler und Lehr-kräfte waren aufgerufen, sinnvolle Pro-jekte zu diesem Thema anzugehen. Einsolches wurde auch auf dem Hubertus-hof umgesetzt. Die Schülerinnen undSchüler kamen dazu 2 Vormittage auf denHof. Der erste Tag stand unter dem Motto„Deutschland-Tag“. So wurde derHubertushof in Deutschland erkundet.Das Ergebnis: viel Technik, hohe Inve-stitionen, modernste Maschinen, vieleTiere, Erwachsene bewirtschaften denHof. Dazu gab es ein üppiges „Deutsch-land-Frühstück“. Anschließend wurdediskutiert: Wie ist es in Ruanda? Die Kin-der kamen schnell zu der Erkenntnis,dass es dort deutlich anders sein muss.Kein Geld, keine Technik, wenige Tiere,Kinder arbeiten mit usw. Um einen reali-stischen Eindruck zu bekommen, folgteanschließend ein Dia-Vortrag mit Bildenvom Leben in Ruanda. Der zweite Tagwurde als „Ruanda-Tag“ erlebt. Die Kin-der starteten den Tag mit einem Fuß-marsch zur Heuwiese. Hier war das Grasbereits gemäht und von der Sonne ge-trocknet. Aufgabe der Kinder war es nun,

das Heu auf einen bereit gestellten Wa-gen zu laden. Dazu standen natürlichkeine Maschinen zur Verfügung, die Kin-der mussten Hand anlegen. Mit Begei-sterung nahmen sie die Arbeit auf.Schon bald wurde ihnen aber auch deut-lich, wie mühselig diese Handarbeit ist.Doch hielten sie tapfer durch, bis derWagen gut gefüllt nach Hause gefahrenwerden konnte. Die Kinder durften nachder anstrengenden Arbeit ebenfalls aufdem Wagen mitfahren. Auf dem Hof an-gekommen, wurde ein Ruanda-Früh-stück eingenommen. Mineralwasser,

Müsli und Crepes waren diesmal dieHauptbestandteile. Anschließend wur-de diskutiert, wie denn die Situation derMenschen in Ruanda wohl verbessertwerden könne. Dabei kamen die Kinderschnell auf die Idee, Produkte zu erzeu-gen und diese zum Verkauf auf demMarkt anzubieten, damit dann von die-sem Geld notwendige Geräte für die täg-liche Arbeit angeschafft werden könn-ten. Entsprechend wurden anschließendvom geernteten Heu Heufiguren geba-stelt, die dann in der Familie zum Ver-kauf angeboten werden sollten. Aller-dings waren nicht alle Kinder vom Er-gebnis ihrer Heufiguren begeistert, sodass ein Verkauf wenig lohnend er-schien. Andere wiederum fanden so gro-ßen Gefallen daran, dass sie ihre Versi-on gerne behalten wollten. Damit war derVerkauf nicht ganz so erfolgreich, wieursprünglich angedacht. Aber auch inRuanda lassen sich nicht alle gute Ide-en immer gleich erfolgreich umsetzten.Der dritte Projekttag schließlich war da-von gekennzeichnet, das Erlebte in Formeiner Fotowand in der Schule zu präsen-tieren. Eine Digitalkamera machte dieseprompte Umsetzung möglich. Ebensokonnten die Projekte der anderen Klas-sen bestaunt werden. Insgesamt standauch dieses Projekt ganz unter demMotto „Lernen durch aktives Erleben“.Heuladen

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umwelterziehung praktisch 47

13Grundsätzliches

Das Institut für schulische Fortbildungund schulpsychologische Beratung(IFB) mit dem Regionalen Fortbildungs-und Beratungszentrum Boppard (RFBZBoppard) besteht seit Januar 2000 undging aus dem Staatlichen Institut fürLehrerfort- und –weiterbildung sowiedem Schulpsychologischen Dienst desLandes Rheinland-Pfalz, beide gegrün-det 1970 hervor.

Das IFB unterstützt in enger Zusammen-arbeit mit Kooperationspartnern dieSchulen bei der

• Wahrnehmung ihres Bildungs- undErziehungsauftrages,

• Pädagogischen Weiterentwicklungsowie

• Bewältigung aktueller Probleme.

Zur Umsetzung dieser Zielvorgaben undim Sinne von Nachhaltigkeit wurden undwerden geeignete Kooperationsprojektemit Netzwerkcharakter für die Schulenin Rheinland-Pfalz im Rahmen der Lehrer-fortbildung installiert.

Landwirtschaft macht Schule – EinNachhaltigkeitsprojekt stellt sich vor

(1993 – 2001: Landwirtschaft und Um-welt im Unterricht)

Seit 1993 besteht eine enge Kooperati-on zwischen den pädagogischenServiceeinrichtungen (IFB RFBZBoppard, PZ) und den staatlichen land-wirtschaftlichen Dienststellen (seit 2003Dienstleistungszentren ländlicher Raum)sowie der Landwirtschaftskammer mitden inhaltlichen Schwerpunkten Ernäh-rung, Landwirtschaft und Umwelt.

In der Schule werden Themen der Land-wirtschaft in den Lehrplänen immer wie-der angesprochen. Hilfsmittel sind Lehr-buch und Film – beide leider oft mit ver-alteten Darstellungen. So kann schwer-lich ein realistisches Bild der heutigen

Landwirtschaft vermittelt werden, zumaldie unterrichtenden Lehrkräfte mögli-cherweise Landwirtschaft auch nur ausden genannten Quellen kennen. DasProjekt „Landwirtschaft macht Schule“will sowohl einen wirklichkeitsnahen alsauch einen schülerorientierten Unterrichtfördern, indem vielfältige Verbindungenzwischen Schulen, landwirtschaftlichenDienststellen und Landwirtschafts-betrieben gezogen werden. Themen-stellungen sind beispielsweise:

• Moderne Landwirtschaft,

• Europäische und globale Dimensio-nen der Landwirtschaft,

• Landwirtschaft als Grundlage der Er-nährung.

Die Dienstleistungszentren übernehmendabei eine „Agenturfunktion“ und ste-hen den Schulen bei der Realisierungeines handlungsorientierten und regio-nale Besonderheiten berücksichtigen-den Unterrichts zur Seite. Sie helfen:

• bei der Suche nach Betrieben, die vonSchulklassen besucht werden kön-nen,

• unterstützen die Lehrkräfte bei ihrerfachlichen Vorbereitung,

• geben Hinweise auf Informationsma-terialien und nützliche Adressen und

• organisieren fachpraktische Unter-richtstage bzw. schulische Projekte.

Dabei liegen die Schwerpunkte in denBereichen:

• Ackerbau,

• Weinbau und Kellerwirtschaft,

• Gartenbau,

• Sonderkulturen,

• Hauswirtschaft und Ernährung,

• Grüne Gentechnik sowie

• Tierzucht und -haltung.

Mehr als 20 Publikationen am Pädago-gischen Zentrum, bis zu zehn RegionaleArbeitsgemeinschaften im Jahr und mehrals 50 Fortbildungstage in zehn Jahrenzeigen den hohen Stellenwert dieserKooperation für die Lehrerschaft.

Die neue Ganztagsschule: Mehr Zeitin der Schule - Mehr Zeit für dieSchule

Neue Schwerpunkte ergaben sich für dasProjekt mit der Einführung der Ganztags-schulen in Rheinland-Pfalz seit demSchuljahr 2001/2002.

Schulische und außerschulische Aktivi-täten miteinander zu verbinden, ist einwichtiger Bestandteil des Konzepts derGanztagschule in Rheinland-Pfalz. Da-her ist es nahe liegend, außerschulischeFachleute in die Ganztagsschularbeit einzu binden. Außerschulische Partnermüssen zum einen die Bereitschaft zei-gen, einen längerfristigen Auftrag wahr-zunehmen und zum anderen in der Lagesein, mit Schülerinnen und Schüler ingekonnter Weise umzugehen.

Mehr als 150 Fachkräfte aus den „Grü-nen Berufen“, oft Land- und Hauswirt-schaftsmeisterinnen, stellten bzw. stel-len sich dieser Herausforderung undhoffen so, Schülerinnen und Schüler alsmündige Verbraucher von morgen fürsich zu gewinnen.

Die Vermittlung von Alltags-kompetenzen und der aktive Erzeuger-Verbraucher-Dialog sollen dazu beitra-gen junge Menschen in ihrerVerbraucherkompetenz zu sensibilisie-ren. Themen wie:

• Kartoffelprojekt

• AG Schulgarten

• Essen aus der Region

• Gesunde Ernährung (Fünf am Tag)

stehen weit vorne in der Beliebtheits-

Peter Sabel

Landwirtschaftliche ThemenSchwerpunkte der Umwelt- und Nachhaltigkeitserziehung in der Fortbildung von Lehrkräften

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14 Projekte der DLR

1. Die Idee - Intaktes Ökosystem

Wie kein zweites Lebewesen hat derMensch die Erde verändert und sichuntertan gemacht. Beständig wirkt er aufseine Umwelt ein, von der seine Lebens-möglichkeiten abhängen. Arbeit an undmit der Natur hat unsere Lebenserwar-tung erhöht und erlaubt es, dass wir unsimmer mehr Wünsche erfüllen können.Das Ökosystem ist normalerweise in derLage, sich ständig zu regenerieren. Wirkönnen diese Fähigkeit allerdings über-fordern.

Transparenz der Produktion

Landwirte gehen seit Jahrhunderten mitdiesem Spiel der Kräfte um. Deshalbwerden sie häufig auch als erste genannt,wenn es um die Zerstörung unserer Le-bensgrundlage geht. Da aber die Pro-duktion durch die Wünsche und Bedürf-nisse der Konsumenten maßgeblich be-stimmt werden, ist es an der Zeit, die teil-weise sehr komplizierten Vorgänge derNahrungsmittelproduktion den Verbrau-chern transparent zu machen.

Verhaltensänderung durch Lernen

Der jetzige Weg in immer schlimmereErnährungskatastrophen kann nur ver-lassen werden, wenn alle Konsumentenerkennen, dass wir in ineinandergreifen-den, sensiblen biologischen Systemen

leben. Das heißt, das Verhalten der Men-schen muss sich ändern. Sie müssen zuTaten veranlasst werden, die helfen diezu erwartenden negativen Folgen abzu-wenden.

„... Die beiden wichtigsten Prozesse,durch die wir Menschen unser Verhal-ten verändern, sind Reifung und Lernen.... Kennzeichnend für Lernprozesse istes, dass Informationen verarbeitet wer-den, die aus der Umwelt des Individu-ums stammen. Erst wenn solche Reizeim Lernenden eine Erfahrung bewirken..., findet Lernen statt. ...“ J u. M Grell:Unterrichtsrezepte 1983, S. 172 f.

In den allgemeinbildenden Schulen wirdüber Landwirtschaft unterrichtet. Hilfs-mittel sind überwiegend (Lehr-)Buchund Film. Vermitteln diese ein realisti-sches Bild der heutigen Landwirtschaft?Kennen die unterrichtenden Lehrkräftemöglicherweise Landwirtschaft auch nuraus den genannten Quellen? „Herbst ist,wenn die Ähren reifen ...“, dieseGedichtspassage wurde von Zweit-klässlern in der Grundschule Ottersheim

Hermann Heidweiler

Landwirtschaft macht SchuleDLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück - Versuchs- und Beratungseinheit in Neustadt/Weinstraße

skala der nachmittäglichen Arbeitsge-meinschaften.

Die Methoden des projekt- underfahrungsorientierten Lernens habendabei eine zentrale Bedeutung.

Zur Schulung für die außerschulischenPartner aus dem landwirtschaftlichenBereich bietet das IFB zur Zeit pro Jahrvier Fortbildungstage an. Es werdenmethodische und didaktische Hinweisegegeben für eine zielgruppenorientierteUnterrichtsgestaltung, die praktisch undhandlungsorientiert ausgerichtet ist. InWorkshops erhalten die PraktikerinnenUnterstützung bei der Erstellung vonJahres- bzw. Wochenplänen und Projek-ten.

Ausblick:

• Weiterentwicklung und Verstärkungder Zusammenarbeit zwischen denDienstleistungszentren des ländli-chen Raums und den allgemeinbilden-den Schulen („Halbtagsschulen“)und hier im Besonderen den Ganz-tagsschulen.

• Fortführung der zentralen Lehrer-fortbildungsveranstaltungen unterFederführung des IFB RFBZBoppard.

• Unterstützung regionaler Aktivitätenzur Förderung der Kooperation zwi-schen Schulen und Landwirten (Ler-nen auf dem Bauernhof).

• Editierung der vorhandenen Internet-Homepage (www. Landwirtschaft–macht-Schule.rlp.de).

• Erstellung bzw. Fortentwicklung ent-sprechender Schulungsunterlagen inZusammenarbeit mit PZ und LMZ.

Anregungen und Kritik bitte an:

Dr. Peter SabelIFB RFBZ BoppardMainzer Str. 4656154 Boppard

Tel.: 06742/871017Fax: 06742/871099Email: [email protected]

Was krabbelt da?

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15Projekte der DLR

auswendig gelernt und zierte im gleichenWortlaut den Herbstwagen anlässlichdes Sommertagsumzuges in 2004.

Das Projekt „Landwirtschaft machtSchule“ soll sowohl einen wirklichkeits-nahen als auch einen schülerorientiertenUnterricht fördern und die Beziehung derKulturpflanze zum daraus hergestelltenProdukt aufzeigen.

2. Das Projekt: „Landwirtschaftmacht Schule”

Engagierte Berater und Lehrer an derehemaligen Staatlichen Lehr- und For-schungsanstalt in Neustadt a. d. Wein-straße (jetzt DLR Rheinpfalz) haben des-halb das Projekt „Landwirtschaft machtSchule“ konzipiert. Interessierte Schü-ler sollten entsprechend ihrer Alters- undBildungsstufe die Chance erhalten, un-ter fachkundiger Anleitung die Reize deragrarischen Umwelt aufzunehmen undzu verarbeiten. Dies sollte nicht – wiesonst üblich im Klassenzimmer – son-dern auf dem Acker, mitten in den wach-senden und reifenden Nahrungsmittel-pflanzen erfolgen. Natürlich muss nebenden objektiven Fachinformationen auchdie soziale und emotionale Komponen-te des direkt betroffenen Landwirts ge-hört und erfahren werden. Erklärtes Zielist es, gerade den heranreifenden jun-gen Verbraucher dauerhaft zu einembewussteren und gezielteren Umgangmit Nahrungsmitteln zu bewegen.

Neun Themen wurden sowohl theore-tisch ausgearbeitet, als auch in der Pra-xis im Feld zur Demonstration angelegt.Bei einigen Themen wurde bewusst einmehrtätiger Verlauf gewählt. Dadurchwurde den Schülern die Chance gege-ben, durch aktive Mitarbeit einen Ein-fluß auf Ertrag und Qualität des Ernte-produkts zu nehmen.

3. Der Landwirt im Team

Natürlich gehört neben der rein fachli-chen Aufklärung auch ein Landwirt mitins Team. Seine Aufgabe besteht in er-ster Linie darin, stellvertretend für alleBetriebsleiter Fragen über die soziale undwirtschaftliche Situation zu klären.Berufsidee und Ideale sollen den Inter-essierten vermittelt werden. Nicht zuletztjedoch ist es wichtig, die besondere fa-miliäre Situation eines landwirtschaftli-

chen Betriebes zu beleuchten.

Im Beratungsgebiet Neustadt wird seit2001 dieses jeweils an wechselndenStandorten vielfältige Programm ange-boten.

4. Wie kommt das Angebot zumKunden?

Ungefähr 400 allgemeinbildende Schu-len befinden sich im Beratungsbezirk desDLR Rheinpfalz, die als potentielle Kun-den informiert werden sollen. Sicherlichist es heutzutage kein Aufwand, einenSerienbrief los zu schicken, der in weni-gen Sätzen das Projekt beschreibt.

Meistens jedoch beginnt erst danach dieKommunikation, die das Interesse unddie Idee weckt, den Unterricht um die-ses Angebot zu erweitern.

Aufgrund der begrenzten Beratungs-kapazitäten mussten also andere Mög-lichkeiten gefunden werden, umfassendund aktuell zu informieren. Ebenso be-grenzt waren die finanziellen Ressour-cen, die eine mehrmalige Information perPost oder Fax nicht zuließen.

Was lag da näher, als die Einrichtungeiner Web-Site, die auf einen Schlag alleProbleme löste. Selbstverständlichmusste sowohl die optische, als auchdie EDV-mäßige Gestaltung und Umset-zung mit eigenen Kapazitäten realisiertwerden. Da die Mehrheit aller Schulenin Rheinland Pfalz mittlerweile über ei-

nen Internet-Anschluß verfügt, konntensomit alle Forderungen der Kommuni-kation erfüllt werden.

Unter der Adresse:www.Landwirtschaft-macht-Schule.definden alle Interessenten:

• umfassende Information

• Hintergründe und Visionen

• ständig Aktuelles

• zeitnahe Dokumentation der Aktivi-täten

• einfache Kontaktaufnahme und Da-tenübermittlung

5. Der Verlauf

Kaum Rückmeldung erhielten wir vonden angeschriebenen Schulen. Indes hatdie „Mund zu Mund Propaganda“ ihreWirkung getan. Alleine im Jahr 2004 ha-ben mehr als 15 Schulklassen an unse-ren Projekten teilgenommen. Das Spek-trum erstreckte sich von einerKindergartengruppe bis zur 4. Klasse.In den vergangenen Jahren haben wa-ren mit großem Engagement aber auchBehindertengruppen und einige Sonder-schulklassen bei uns zu Gast. Leiderverzeichnen wir kaum Interesse bei denhöheren Jahrgangsstufen. In den 4 Jah-ren hatten wir lediglich einmal eine 10.Klasse begleitet vom Südwest-Fernse-hen zu einem Tabakprojekt auf dem Feld.

Thema Dauer

eintägig mehrtägig

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Warum düngen wir?1. - 13. Klassenstufe

Nutzung des Ackers, Erkennung undVerwendung 1. - 13. Klassenstufe

Warum Pflanzenschutz?1. - 13. Klassenstufe

Unser Kartoffelacker1. - 9. Klassenstufe

Mais - selbst gepoppt1. - 9. Klassenstufe

Rüben, die Süße vom Acker1. - 9. Klassenstufe

Was verdient ein Bauer?5. - 13. Klassenstufe

Botanik und Züchtung vonNutzpflanzen 10. - 13. Klassenstufe

Was ist Bodenfruchtbarkeit?5. - 13. Klassenstufe

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umwelterziehung praktisch

16 Projekte der DLR

Jutta Wirtz

Projekt „Landwirtschaft und Weinbau zumAnfassen“Mehr als 80 Bauernhöfe und Weingüter laden Schüler in der Region Trier ein

Aus dem Spektrum der Themen wurdenallerdings nur wenige ausgewählt. Ab-soluter Spitzenreiter war das mehrtägi-ge Thema „Unser Kartoffelacker“. Andrei bis vier Terminen bearbeiteten dieGruppen den Anbau der Kartoffel vomPflanzen über Pflege (Unkräuter, Schäd-linge) bis zum Ernten. Natürlich beinhal-tete dies auch eine kleine Kostprobe dergeernteten Produkte im Rahmen einesLagerfeuers mit gerösteten Kartoffeln amSpieß.

Das gleiche Procedere wurde beim The-ma „Mais – selbst gepoppt“ durchge-führt, wobei die Kostproben in Form vonGemüsemais und Popcorn getestet wer-den konnten.

Im Rahmen der eintägigen Veranstaltungwurde ausschließlich das Thema „Nutz-pflanzen des Ackers“ gewählt. Hierbeikonnten durch den vermehrten Einsatzvon diversen Spielen (Pflanzen-Puzzle,Zuordnungswettkämpfe etc.) eine enor-me Nachfrage konstatiert werden.

Nach Rückfragen bei den Lehrern be-züglich der Auswahl bzw. Nichtwahl vie-ler Themen kristallisierte sich überwie-gend die Begründung heraus, dass inder entsprechenden Klassenstufe dieangebotenen Themen abstrakter oder ananderen Beispielen bearbeitet werden,d. h. der Bezug zur Landwirtschaft wirdnicht aufgebaut. Beispielsweise wirdZüchtung und Populationsgenetik mehrmit biochemischem Hintergrund darge-

boten, vielen Lehrern ist gar nicht be-kannt, dass die praktischen Auswirkun-gen im Ackerbau erkennbar sind.

Das gleiche gilt auch für die ThemenDüngung und Bodenfruchtbarkeit. Stan-dardisierte Laborversuche sind vielenLehrern bekannt und in der Durchfüh-rung besser planbar als die wenig be-kannte praktische Anwendung in der frei-en Natur.

6. Fazit

Die hohe Anzahl an Gruppen, besondersauch der mehrfach angereisten Gruppenzeigt, dass ein großes Interesse an die-

sen Themenbereichen besteht. Auchdas hohe Engagement der Kinder, auchgekennzeichnet durch private Besuchemit den Eltern, z. B. an „ihrem Kartoffel-feld“ zeigt, wie sehr man Lern- undVerhaltensprozesse durch solche Maß-nahmen initiieren kann.

Damit die ganze Breite des Themen-spektrums genutzt werden kann,müssten vermehrt Lehrer der unter-schiedlichen Fächer informiert und mitentsprechend aufgearbeitetem Materialversorgt werden. Besonders in denLehrerplänen der Mittel- und Oberstufetut es Not, den ausgewiesenen Lernzie-len den Lernort „Landwirtschaft“ zuzu-weisen, handlungsorientiertes Lernenfindet dann eine praktische Umsetzung.

Da solche Maßnahmen natürlich sehrzeitaufwendig sind, ist zu überdenken,ob man im Rahmen der Ganztagsschu-len, speziell für den Nachmittag, solcheThemenkomplexe aufgreift, die in letzterKonsequenz sogar zur Zubereitung vonselbst erzeugten Nahrungsmitteln mitentsprechender Ernährungsberatungführen könnten.

Abschließend bleibt zu bemerken, dasssowohl den Beratern als auch dem be-teiligten Landwirt, trotz des enormenZeitaufwandes, diese Arbeit große Freu-de bereitet hat. Deshalb wird eine redu-zierte Form im Rahmen eines Tages „Fa-milien im Feld“ auch in Zukunft beibe-halten.

Kühe sind lila und die Milch kommt ausder Tüte. Solche „Erkenntnisse“ vonKindern und Jugendlichen sind auch inder ländlich geprägten Region Trier keinEinzelfall mehr. Ursache hierfür ist derMangel an Möglichkeiten, Landwirt-schaft hautnah zu erleben. Zeit für dieAktion „Landwirtschaft und Weinbau

zum Anfassen“ findet man beim Arbeits-kreis „Landwirtschaft/ländliche Entwick-lung“ der Initiative Region Trier schonseit langem und setzt dabei auf direkteund umfassende Information vor Ort.Worum geht es? Landwirtschaft undWeinbau prägen seit Jahrhunderten dieRegion Trier. Doch immer weniger Men-

schen bei uns haben eine Vorstellungdavon, wie Bauern und Winzer arbeiten;in den Medien bestimmen reißerischeMeldungen die Berichterstattung. Die-ses schiefe Bild möchten die Bauern undWinzer der Region durch aktive Aufklä-rungsarbeit für den bäuerlichen Berufs-stand wieder gerade rücken. In Zusam-

Familientag im Feld

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umwelterziehung praktisch

17Projekte der DLR

menarbeit mit den Dienstleistungs-zentren Ländlicher Raum, den Bauern-verbänden und der Landwirtschaftskam-mer beschreiten sie in einer beispielhaf-ten Gemeinschaftsaktion neue Wege imErzeuger-Verbraucher-Dialog und öffnenihre Höfe.

Mit dem Projekt „Landwirtschaft undWeinbau zum Anfassen“ möchten sieinteressierten Besuchergruppen, insbe-sondere Schulklassen, den Weg zu ge-eigneten Betrieben erleichtern, den Lehr-kräften eine umfassende Hilfe für densachkundigen Unterricht anbieten unddie Betriebsleiter/innen bei der Durch-führung von Hofbesuchen unterstützenund begleiten.“

87 Betriebe stehen für Erkundungen zurVerfügung. Die Begleitbroschüre zumProjekt stellt die teilnehmenden Betrie-be in einer Übersichtskarte vor und in-formiert über die jeweiligen Produkte:Milch, Fleisch, Feldfrüchte, Wein, Säfteund vieles mehr. Daneben findet man hierdie Ansprechpartner der landwirtschaft-lichen Fachorganisationen, die mit Ratund Tat sowohl den Betrieben als auchden Schulen zur Seite stehen.

Das Projekt richtet sich an die allgemein-bildenden Schulen der gesamten Regi-on Trier. Seit August 2001 können Klas-sen auf den Bauern- und Winzerhöfenzu Besuch sein, Stall-Luft schnuppernund viele Fragen stellen. Mehr als 2.000Kinder haben im Rahmen des Projektesbisher die Gelegenheit gehabt, sich vorOrt auf den land- und weinbaulichenBetrieben ein Bild von der Situation bäu-erlicher Familienbetriebe und den tat-sächlichen Verhältnissen in Landwirt-schaft und Weinbau zu machen.

Wie funktioniert das Projekt?

Das Projekt „Landwirtschaft und Wein-bau zum Anfassen“ der Initiative Regi-on Trier richtet sich in erster Linie anallgemeinbildende Schulen aus der Re-gion Trier. Wie findet nun eine Lehrkraftden für Ihre Interessen und Zielsetzunggeeigneten Betrieb und wie läuft die prak-tische Abwicklung des Projektes?

1. Hofvermittlung

Die Kooperationspartner des Projektes„Landwirtschaft und Weinbau zum An-fassen“ (Adressen siehe unten) vermit-teln interessierten Lehrkräften geeigne-te, standortnahe Bauern-/ Winzerhöfe,je nach gewünschtem Betriebszweigoder Themenschwerpunkt des Unter-richts. Das weitere Vorgehen wird be-sprochen und der Betriebsleiter einge-bunden.

2. Planung Hofbesuch

Die Lehrkraft nimmt Kontakt zu demLandwirt/ Winzer auf. Gemeinsam pla-nen die Beteiligten den Aufenthalt aufdem Hof (Ablauf, Dauer, Themen-gebiete, Schüleraufgaben, Logistik etc.),ggf. mit Unterstützung durch den Ko-operationspartner.

3. Unterrichtsvor-/ -nachbereitung

Der Betriebsbesuch wird im Unterrichtvor- und nachbereitet. Bei Bedarf sollteder beteiligte Landwirt/ Winzer und/oder Kooperationspartner stundenwei-se mitwirken (z.B. Diskussion, Frage-stunde, Elternabend, vorbereitende oderweiterführende Projekte).

4. Hofbesuch auf dem Betrieb

Die Kosten für die Anreise zum Hof hatin der Regel der Schulträger zu tragen.Im Rahmen des Projektes können 50 %der entstandenen Kosten (max. 75,- •)übernommen werden.

Hinweis: Erfahrungsgemäß sind dieSchulbusunternehmen auch zu „Frei-fahrten“ bereit, als Ersatz für ausgefalle-ne Touren während des Schuljahres.

5. Abrechnung

Der Fahrtkostenzuschuss wird vom be-teiligten Landwirt/ Winzer mit einem Vor-druck bei der Initiative Region Trier ab-gerufen.

6. Unterrichtsmedien und Hilfsmittel

Zum Thema „Landwirtschaft und Wein-bau im Unterricht“ gibt es zahlreiche

Medien und Anschauungsmaterial so-wohl für den Einsatz im Unterricht alsauch in der Praxis. Informationen erhal-ten Sie bei den Kooperationspartnern.

Ansprechpartner:

Dienstleistungszentrum LändlicherRaum (DLR) EifelBrodenheckstr. 354634 BitburgTel.: 06561/ 9648-0, Fax: 9648-300

Kreisbauernverband Bitburg/ PrümMötscherstr. 14b54634 Bitburg

Dienstleistungszentrum LändlicherRaum (DLR)MoselTessenowstr. 654295 TrierTel.: 0651/ 9776-0, Fax: -330

Kreisbauernverband DaunHolunderweg 554550 Daun-BoverathTel.: 06592/ 9620-0, Fax: 9620-40

Landwirtschaftskammer Rheinland-PfalzAußenstelle TrierGartenfeldstr. 12a54295 TrierTel.: 0651/ 94907-0, Fax: 94907-77

Kreisbauern- und WinzerverbandTrier-SaarburgGartenfeldstr. 12a54295 TrierTel.: 0651/ 46056-0, Fax: 46056-22

IRT - Initiative Region Trier e.V.Herzogenbuscherstr. 1254292 TrierTel.: 0651/ 97075-0, Fax: 97075-25

Kreisbauern- und WinzerverbandBernkastel-WittlichFriedrichstr. 2054516 WittlichTel.: 06571/ 9159-0, Fax: 9159-49

Broschürenbestellung:

Internet: www.region-trier.de(Download-Möglichkeit)

E-Mail: [email protected]

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umwelterziehung praktisch

18 Schulbauernhöfe

Unser Hof wird als Nebenerwerbsbetriebnach den Richtlinien von Bioland öko-logisch bewirtschaftet. Als anerkannterArchehof (GEH – Gesellschaft zur Erhal-tung alter und gefährdeter Haustier-rassen) haben wir uns der Erhaltungs-zucht der bedrohten Nutztierrassen ver-schrieben. So werden auf unserem Be-trieb neben Lamas, Kaninchen, Gänsen,Border Collies und Hühnern auch Rhön-schafe, Poitou-Esel, Rotbunte HusumerSchweine und Sundheimer Hühner ge-halten und gezüchtet.

Neben den rund 30 ha Grünflächen, dieunseren Tieren als Weiden dienen undzur Heugewinnung genutzt werden, sindunsere Schafe auf rund 15 ha Natur-schutz-gebietsflächen als Landschafts-pfleger im Vertragsnaturschutz im Ein-satz.

In unserem Hofladen „Schäferstübchen“werden Lammprodukte (Wurst, Fleisch,Felle) direkt vermarktet.

Seit September 2001 sind wir vom Mini-sterium für Bildung, Frauen und JugendRheinland-Pfalz als Schulnahe Umwelt-erziehungseinrichtung Rheinland-Pfalz(SchUR-Station) anerkannt und Ökolo-gischer Partner des Studienseminars fürGrund- und Hauptschulen von Stadt undLandkreis Kaiserslautern.

Zahlreiche Studien haben belegt, dassbei Kindern und Jugendlichen eine zu-nehmende Entfremdung zur Landwirt-schaft sichtbar wird. Exkursionen zu ei-nem Bauernhof, bei denen Anschaulich-

keit, Lebensnähe und die unmittelbareBegegnung mit Tieren eine herausragen-de Rolle einnehmen, können dieser Ent-wicklung entgegen wirken.

Bei den auf unserem Bauernhof stattfin-denden Exkursionen wird ein Zugangüber erlebnisreiches, entdeckendes Ler-nen favorisiert. Die Unterrichtskonzeptesind auf Alter und Vorwissen derBesuchergruppen abgestimmt, wobeiErkunden im Team bei jeder Altersgrup-pe eine zentrale Rolle einnimmt. Diesbedeutet zwangsläufig eine Abkehr vonbelehrend gehaltenen Führungen hin zueinem ereignisreichen, eigenständigenLernen mit allen Sinnen.

Unsere Exkursionskonzepte orientierensich an der Erlebnispädagogik und derProjektmethode und können entwederhalbtägig oder zweitägig mit Übernach-tung im Heulager gebucht werden. ImRahmen der Exkursionen kann eine Fül-le von Themenbereichen bearbeitet wer-den.

Themen sind:

• Kriterien artgerechter Nutztier-haltung,

• Huf- und Fellpflege,

• Verhaltens-anreicherung bei Tieren,

• Der Bauernhof wird zum Supermarktund

• Landwirtschaft gestern-heute-mor-gen.

Start einer Exkursion ist im Bauernhof-klassenzimmer. Hier werden die Klassenmittels verschiedenfarbiger Namens-schildchen in Kleingruppen aufgeteilt,bevor die jeweiligen Themen vor Ortbearbeitet werden. Die Gruppen werdennach einer bestimmten Zeit gewechselt,so das alle Themen von allen Gruppenbehandelt werden können.

Ein Reporterteam, eine Person aus jederGruppe, begleitet die einzelnen Statio-

nen, ausgestattet mit Digitalkamera undAufnahmegerät. Diese Reporter könnendie Tierstimmen aufnehmen und Inter-views sowohl mit Mitschülerinnen undMitschülern, Lehrkräften und natürlichauch mit uns führen. Die aufgenomme-nen Fotos werden direkt auf eine CDgebrannt und zusammen mit demAufnahmeband der Klasse mitgegeben,damit sie in der schulischen Nachberei-tung eine Dokumentation erstellen kön-nen.

Bei zweitägigen Aufenthalten erstellendie Schülerinnen und Schüler nach An-leitung mit dem Text- und Fotomaterialeine Power-Point-Präsentation, die sieebenfalls auf CD mitnehmen können.

Das Thema „Huf- und Fellpflege“ be-inhaltet z. B. das Klauenschneiden beiden Schafen, die Hufpflege bei den Eselnund die Fellpflege bei den Lamas, denEseln und den Schweinen. Diese Pflege-maßnahmen werden von den Schülerin-nen und Schülern nach Anleitungselbstständig ausgeführt und sie erfah-ren, dass und warum diese Arbeiten zurGesunderhaltung der Tiere notwendigsind.

Das Thema „Verhaltensanreicherung beiTieren“ wird z. B. an der Ausbildungvon Border Collies zu Hütehunden undderen Arbeit mit den Schafen verdeut-licht.

Karin Storrer

Lern- und Erlebnisort BauernhofArche-Hof Storrer

RhönschafeFellpflege

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umwelterziehung praktisch

19Schulbauernhöfe

Dass der Bauernhof zum Supermarktwerden kann, erfahren die Schülerinnenund Schüler am deutlichsten, wenn siesich von den Hofprodukten ihre Mahl-zeiten selbst zubereiten können. Bröt-chen backen, Butter machen, Marmela-de kochen, Korn zu Mehl mahlen unddamit selbst Pizza backen und aus Kar-toffeln Pommes machen – das sind Ar-beiten, die von den Kindern und Jugend-lichen mit Begeisterung erledigt werden.Vor allem sind es aber Erfahrungen, dieden meisten fremd sind.

Kriterien artgerechter Nutztierhaltungwerden an den Beispielen Hühner-haltung, Schweinehaltung und Schaf-haltung aufgezeigt. Warum müssenHühner scharren können, warum brau-chen sie ein Sandbad, wozu dient dieSitzstange – all das sind Fragen, die vorOrt in der Praxis geklärt werden können.

Das Wissen wird am Ende der Exkursio-nen in spielerischer Form mittels einerRallye überprüft, wobei die richtigenAntworten zu den nächsten Fragen füh-

ren. Das bietet zum einen die Möglich-keit, sich den Hof nochmals anzusehenund sich von den Tieren zu verabschie-den, zum anderen wird das letzte Erleb-nis und vielleicht sogar der Sieg bei dem

Wettbewerb noch lange Gesprächsthe-ma bleiben.

Die jungen Menschen verabschiedensich mit glänzenden Augen, und wennsie dann, wie die meisten, mit ihren El-tern und Geschwistern nach einiger Zeitwiederkommen, kann man sich nur wun-dern, was sie alles an Wissen in sichaufgenommen und vor allem auch be-halten haben, wenn sie dann stolz dieFührung zu den Tieren übernehmen dür-fen.

Das bestätigt unsere These: Lernen mitKopf, Herz und Hand bürgt für die be-sten Lernerfolge und Behaltens-leistungen.

Informationen bei:

Karin StorrerLern- und Erlebnisort BauernhofArche-Hof StorrerIm Steineck 4567685 Eulenbis

Der Verein für Ökologie, Gesundheit,Erziehung und Kultur e. V. (ÖGEK e. V.)betreibt seit 1996 den ersten Schul-bauernhof in Rheinland-Pfalz. Seit 1997ist der Schulbauernhof Schwerbach an-erkannte „Schulnahe Umwelter-ziehungseinrichtung in Rheinland-Pfalz“. Der Schulbauernhof ist ein Erleb-nis-, Lern-, Handlungs- und Experi-mentierfeld, auf dem ökologisches Ler-nen statt findet. Ziele: sinnliche Natur-erfahrung, einen emotionalen Bezug zurNatur gewinnen, Begreifen von ökolo-gischen Kreisläufen und Zusammenhän-gen, kognitive Auseinandersetzung mitökologischen Problemen, mit Freudeund Spaß verbundenes Arbeiten undLernen. Arbeitsbereiche: Grundlagen derNahrungsmittelproduktion: säen/pflan-zen, pflegen, ernten; Naturschutz und

Helmut Justinger

Eine Woche auf dem Schulbauernhof inSchwerbach

Landschaftspflege; artgerechte Tierhal-tung; Tier- und Pflanzenbeobachtung.Besucher sind insbesondere Schulklas-sen aller Schulformen, die in der Regeleine Woche auf dem Schulbauernhofarbeiten und lernen. Aber auch Lehrerund Studenten nutzen die Einrichtung.

Ein Schulbauernhofaufenthalt inSchwerbach könnte wie folgt gestaltetwerden:

Der Schulbauernhofaufenthalt inSchwerbach beginnt mit dem Ein-führungstag. Nach der Begrüßung neh-men die Kinder/Jugendlichen die Räum-lichkeiten ein und es erfolgt eine kurzeEinweisung. Zum ersten Kennenlernender Umgebung gehört ein kurzer Spa-ziergang durch das kleine Dorf Schwer-bach und die Erkundung der Tieraus-

läufe und Ställe des Schulbauernhofs –Kuh- und Schafweiden, Pferdekoppeln,Hühner-, Enten- und GänseausläufeKaninchenstall- sowie des Hofgeländes.Erste Kontakte mit den Tieren gibt esbeim Füttern der Hühner und Kanin-chen.

Nach einem Imbiss - zum Teil aus Pro-dukten des Hofes - wird ein Feuer imLehmbackofen und auf einer Feuerstel-le für das spätere „Null-Abfall-Essen“entfacht. Nach der anschließenden Fahrtmit dem Traktor und Wagen in eineWacholderheide werden die Lern- undArbeitsprojekte der nächsten Tage vorOrt vorgestellt, etwa:

• Naturschutzgruppe: Biotoppflege inder Wacholderheide (Entbuschungs-arbeiten) und Aufbau einer Ben-

Eigenes Essen aus Hofproduktenselbst zubereitet

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umwelterziehung praktisch

20 Schulbauernhöfe

jeshecke auf der offenen Feldflur

• Feld- und Bodengruppe: Untersu-chung der Bodenfruchtbarkeit,Bodenverbesserungsmaßnahmen,Anpflanzen von Feldsalat und Kar-toffelernte

• Gruppe Streuobstwiese: Obstbaum-pflanzung im Rahmen der Anlage ei-ner Streuobstwiese auf einer Pferde-weide und Bau eines Verbissschutzesum den Baum

Im Anschluss daran ernten die Kinder/Jugendlichen Kartoffel, die im Frühjahrvon anderen Gruppen gepflanzt und imSommer gepflegt wurden.

Danach geht es an die Zubereitung ei-nes „Null-Abfall-Essens“, bestehendaus Lehmkartoffeln (Kartoffeln im Lehm-mantel), Spiegeleiern, Kräuterquark undBratäpfeln.

Nach dem gemeinsamen Essen wird dasSpülwasser in einer Pflanzenkläranlageentsorgt, Essensreste und Eierschalenwerden an die Hühner verfüttert undkompostiert, der Lehm wird in die Hek-ken gestreut. Der Einführungstag istbeendet.

Die Kinder/Jugendlichen können sichfür eine der drei vorgestellten Lern- undArbeitsgruppen entscheiden, in der siewährend der nächsten drei Vormittage(9.00 Uhr bis 12.00 Uhr) tätig sein möch-ten. Zwei Projektgruppen werden vonMitarbeiterinnen des Schulbauernhofes,eine Lern- und Arbeitsgruppe von einer

Begleitperson (Lehrer/in, Elternteil) betreut.

Der konkrete Arbeitsplan der verschie-denen Projektgruppen ist flexibel undrichtet sich zum einen nach den anste-henden Arbeiten auf den Hof, zum an-deren nach dem Alter und den Interes-sen der jeweiligen Schulklasse(Kindergartengruppe, Studierenden-gruppe).

Die Vormittage der nächsten drei Tagewerden folgendermaßen gestaltet:

Die Naturschutzgruppe sammelt an ei-nem Tag Restholz –grobes Geäst- imWald in einer forstwirtschaftlichen Nutz-fläche für die zu bauende Benjeshecke.Der Anhänger mit dem Geäst wird mit

dem Traktor an den Heckenstandort aufder offenen Feldflur gebracht. Themenwie Forst, Naturwald, Waldnutzung undWaldentwicklung werden den Kindern/Jugendlichen nahe gebracht.

Am Tag darauf baut die Gruppe auf deroffenen Feldflur mit dem Geäst aus demWald eine Benjeshecke auf. DieBenjeshecke wird so gestaltet, dass einLebensraum mir großer Strukturvielfalt

-z. B. hohe, niedrige, dichte, lockere Be-reiche- entsteht. Dabei lernen die Kin-der/Jugendlichen die Bedeutung vonHecken/Feldgehölzen insbesondere inder offenen Feldflur sowie die Entwick-lungsstadien einer Benjeshecke kennen.

Am folgenden Tag führt dieNaturschutzgruppe Entbuschungsar-beiten in der Wacholderheide durch(Biotoppflege). Hierbei wird Gehölz-jungwuchs entfernt, der in die offenenRasenflächen der Wacholderheide ein-dringt und die wertvolle Trockenfloraverdrängt. Die Kinder/Jugendlichen ler-nen die speziellen ökologischen Zusam-menhänge einer Wacholderheide ken-nen und somit den Sinn ihrer Pflege-arbeiten verstehen. Das geschnitteneGehölz wird auf das Feld gebracht undin die Benjeshecke eingearbeitet.

Die Feld- und Bodengruppe wird ameinem Tag verschiedene Bodenprobenauf Schichtung, Struktur, Durch-wurzelung, Geruch, Luftgehalt, evtl. auchpH-Wert untersuchen. UnterschiedlicheStandorte werden verglichen.

Kartoffelernte

Die Naturschutzgruppe sammelt Restholz

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umwelterziehung praktisch

21Schulbauernhöfe

An einem weiteren Vormittag wird dieGruppe zum Thema Bodenverbesserungarbeiten –bestehende Wurmkompostewerden betreut (befüllt oder geerntet),neue Wurmkompostbeete werden ange-legt.

Am nächsten Tag findet die Kartoffel-ernte mit Einlagerung der Kartoffelnstatt.

Wichtige Inhalte wie der Einsatz vonkünstlichen Düngemitteln, Schädlings-bekämpfung, Bodenleben und Nah-rungsketten und ökologisches Gleich-gewicht werden angesprochen.

Die Gruppe Streuobstwiese pflanzt anden folgenden drei Tagen einen Obst-baum (Hochstamm, alteingebürgerteSorte) auf einer Pferdeweide, die zu ei-ner Streuobstwiese werden soll -Aus-heben der Pflanzgrube, Mischen desPflanzsubstrates, Einpflanzen des Bau-mes, Anlegen einer Baumscheibe- undbaut einen Verbissschutz als handwerk-liche Lern- und Arbeitseinheit weiträu-mig um den Baum.

Den Kindern/Jugendlichen wird die Be-deutung von Streuobstwiesen im Hin-blick auf Strukturvielfalt, Artenvielfaltund Biotopvernetzung nahegebracht. ImZusammenhang mit dem Verbissschutz-bau wird das Problem Umweltgifte in derLandschaft, z. B. Behandlung der Höl-zer mit Teer oder ähnlichem und die Nut-zung von heimischen, am Standort vor-kommenden Rohstoffen mit begrenzterHaltbarkeit angesprochen.

Die Nachmittage stehen z. B. für Wan-derungen (Naturerlebnis), sportlicheAktivitäten, Besuche von kulturellenEinrichtungen der näheren Umgebungoder Gruppenarbeit wie z. B. Gewässer-untersuchung, Pflanzenbestimmungu.s.w. zur freien Verfügung. Interessier-te kleinere Gruppen können auch, jenach anfallender Arbeit auf dem Hof, z.B. Kartoffelernte, Rübenernte, nachmit-tags mitarbeiten.

Neben den drei Lern- und Arbeitsgrup-pen mit fester Besetzung gibt es einetäglich wechselnde Gruppe „Haus undKüche“,die sich zusammen mit einerBegleitperson im Rahmen der Selbstver-sorgung um die Zubereitung des Essens,die Müllentsorgung und das sauber hal-ten aller genutzten Räumlichkeiten küm-mert.

Eine ebenfalls täglich wechselndeFüttergruppe hilft früh morgens undabends die Hoftiere zu versorgen.

Am letzten Aufenthaltstag unternimmtdie gesamte Klasse vormittags einenRundgang zu den Lern- und Arbeit-sorten der vergangenen Tage. Die ein-zelnen Projektgruppen stellen ihre Ar-beiten vor und erläutern die ökologi-schen Zusammenhänge sowie Sinn undBedeutung ihrer Arbeiten.

Der Schulbauernhofaufenthalt endet mitder Reinigung aller genutzten Räumlich-keiten.

Weitere Informationen über unserenSchulbauernhof erhalten Sie im Internetunter:

http://www.oegek.de, unter Ökologie.

Anschrift:

Verein für Ökologie, Gesundheit, Erzie-hung und Kultur e. V. (ÖGEK e. V.)SchulbauernhofDorfstr. 10 a55624 Schwerbach

Telefon: 06544/9310;Telefax: 06544/9551;e-Mail-Adresse: [email protected]

Düngen der Baumscheibe

Bratäpfel aus dem Lehmbackofen

Infos - Infos - Infos

Aktuelle Informationen zu Umwelt-und Nachhaltigkeitserziehung inRheinland-Pfalz mit zahlreichennützlichen Links finden Sie unter

www.nachhaltigkeit.bildung-rp.de

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umwelterziehung praktisch

22 Schulbauernhöfe

Was als Pilotprojekt mit zwei engagier-ten Biologielehrerinnen – namentlichzunächst mit Annemarie Schmidt von derSophie-Scholl-Realschule in Hasslochund später auch mit Ulrike Bahl vomKurfürst-Ruprecht-Gymnasium in Neu-stadt vor zehn Jahren begonnen hat, istmittlerweile zum festen Bestandteil desAus- und Fortbildungsprogrammes derLehr- und Versuchsanstalt für Vieh-haltung Hofgut Neumühle geworden:Projektwochen für Schulklassen, bevor-zugt der fünften und sechstenJahrgangsstufen.

Die Premiereveranstaltung fand im Juni1994 mit Annemarie Schmidt statt undhatte eine überwältigende Resonanz.„Aug in Aug“ echten Milchkühen ge-genüber zu stehen, sie zu füttern, derenKälber zu tränken oder sogar selbst ein-mal im Melkstand zu stehen – eine über-wältigende Erfahrung für Kinder, die zumgroßen Teil aus dem städtischen Bereichkommen und sich mit Zootieren besserauskennen als mit landwirtschaftlichenNutztieren. Oder aber die hautnahe Be-gegnung mit den Schweinen, die, wie dieKühe, lebenswichtige Nahrungsmittelfür unseren täglichen Bedarf produzie-ren, was die meisten der Kinder bishernicht miteinander in Verbindung ge-bracht haben.

Verständnis für die Erzeugung unsererNahrungsmittel und damit verbunden einspäterer bewusster Einkauf und Konsumsind wichtige Ziele, die mit dem Projekt-wochenangebot erreicht werden sollen.Milch kommt eben nicht so einfach ausdem Tetrapack, sondern ist mit hartertäglicher Arbeit im Kuhstall verbunden.Jeden Tag – wirklich jeden, auch anWeihnachten und an Ostern - ,morgensum 5.00 Uhr und abends um 5.00 Uhrmelken, eine Erkenntnis, die den Kindernsicherlich im Gedächtnis bleiben wird!Sie lernen Leistungen kennen und schät-zen, die unsere heimische Landwirtschaft

erbringt, auch solche, die weit über dieeigentliche Tierhaltung hinaus gehenund dadurch die Erhaltung und Pflegeunserer Kulturlandschaft gewährleisten.Gleichzeitig bieten die Projektwochen fürdie Biologielehrer der fünften und sech-sten Klassen eine einmalige Möglichkeit,den angestrebten handlungs-orientierten Unterricht zu realisieren,wenn die Nutztierhaltung im Lehrplanerscheint.

Die Projekte am Hofgut Neumühle sol-len dabei nicht einen sonstigenSchullandheimaufenthalt ersetzen. Siewerden nur dann zum Erfolg, wenn diebetreuenden Lehrpersonen sie gut vor-bereiten, begleiten und vor allem nach-bereiten. Hierfür ist ein hohes persönli-ches Engagement erforderlich, wobeidem Einfallsreichtum keine Grenzen ge-setzt sind. Viele Schulen besuchen dieLVAV Neumühle regelmäßig und derenLehrkräfte und die Ausbilder der Neu-mühle sind mittlerweile ein eingespiel-tes Team.

Was ist die LVAV Hofgut Neumühle ?

Aufgrund seiner Ausstattung und Ziel-setzung bietet das Hofgut Neumühleideale Voraussetzungen für die Gestal-tung des handlungsorientierten Unter-richtes für Schulklassen.

In der Trägerschaft des BezirksverbandsPfalz unterhält die Einrichtung für dieAus- und Fortbildung in der landwirt-schaftlichen Tierhaltung Lehrwerkstät-ten für Milchviehhaltung, Schweine-zucht und Schweinemast, Schafhaltungund Rindermast. Hier werden Teilneh-mern aus Rheinland-Pfalz und dem Saar-land Grundlagenkenntnisse und spezi-elles Wissen durch kompetente Ausbil-der vermittelt, wie zum Beispiel das Mel-ken von Kühen oder Schafe scheren. Derartgerechte Umgang mit dem Tier stehtdabei im Vordergrund. Die Kombinationvon Theorie und den praktischen Übun-gen direkt am Tier ermöglicht einen sehrguten Lernerfolg. Insgesamt verzeichnetdie Einrichtung über alle Bereiche be-trachtet rund zehntausend Lehrgangs-tage im Jahr.

Dr. Monika Reimann

Die SchUR-Station Hofgut NeumühleZehn Jahre Projektwochen für allgemeinbildende Schulen an der Lehr- und Versuchsanstalt fürViehhaltung Hofgut Neumühle

Schafe füttern

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Eine weitere wichtige Aufgabe ist dieDurchführung praxisnaher Versuche inden Bereichen Fütterung und Haltungwie zum Beispiel die Klärung der Frage,auf welcher Matratze sich Kühe amwohlsten fühlen oder welches Ferkel-futter am liebsten gefressen wird. Desweiteren ist seit über dreißig Jahren hierdie Bundesfachschule Vieh und Fleischetabliert – eine private Schule zur Aus-bildung speziellen Berufsnachwuchsesfür die Vieh- und Fleischbranche.

Während der mehrtägigen Kurse kön-nen die Lehrgangsteilnehmer im ein-richtungseigenen Internat unterge-bracht und durch die hauseigene Kü-che verpflegt werden.

Für die interessierte Öffentlichkeit wer-den Führungen angeboten und alle zweiJahre ein Tag der offenen Tür veranstal-tet. Darüber hinaus nimmt die Einrich-tung an öffentlichen Veranstaltungenwie zum Beispiel Bauernmärkten teil.

Der Lehrgangsbetrieb am Hofgut Neu-mühle läuft während des ganzen Jahres,jedoch mit eindeutigen Schwerpunktenim Winterhalbjahr, da zu dieser Zeit dieLandwirte eher die Möglichkeit haben,Angebote zu nutzen. Sobald bzw. solan-ge die Arbeit draußen im Feld möglichist, wird dieser berechtigterweise Vor-rang eingeräumt. Anfragen von Schu-len nach einer Besichtigung wurden be-reits früher bevorzugt im Sommerhalb-jahr gestellt, so dass sich die Projekt-tage und -wochen auch auf den Zeit-

raum von April bis September konzen-triert haben. Mittlerweile übersteigt dieNachfrage von Schulen oft den für die-sen Zweck zur Verfügung stehendenZeitrahmen der Einrichtung.

Ablauf von Projektwochen amHofgut Neumühle

Grundsätzlich können von den Schulenein- oder mehrtägige Projekte gebuchtwerden, höchstens jedoch drei Tage. ImLaufe der Jahre hat sich herausgestellt,dass die Durchführung über drei Tagefür die fünften und sechsten Klassen amsinnvollsten ist. Zum Einen passt dasThema Nutztiere ideal in den Lehrplan,zum anderen ist diese Altersstufe für das

gewählte Thema am ehesten aufnahme-bereit. Jüngere Schüler möchten ehernur einmal die Tiere anschauen oderstreicheln; sie haben weniger den An-spruch, Wissen vermittelt zu bekommen.Ältere Schüler haben andere Interessen,möchten lieber exklusivere Ausflügemachen (z. B. Ski fahren in Italien), fin-den den Geruch in den Ställen störendund möchten sich dort auch nicht betä-tigen (sicherlich bestätigen auch hierAusnahmen die Regel, aber im allgemei-nen sind das unsere Erfahrungen). Dazukommen andere Probleme wie z. B., dassman darauf achten muss, dass im Stallnicht geraucht wird. Eine erhöhte Bereit-schaft, sich mit dem Thema Nutztierewieder auseinander zu setzen, findetman dann jedoch in der Oberstufe. Hierkönnen Themen wie die MendelscheGenetik auf einmal interessant werden

Lehrkräften, die erstmalig eine Projekt-woche buchen, empfehlen wir dringendein persönliches Gespräch hier vor Ort,um sich über die Örtlichkeiten und denAblauf zu informieren. Im Idealfall kom-men sie, wenn gerade eine andere Klas-se da ist, oder nehmen an der einmal jähr-lich angebotenen Lehrerfortbildung teil,die hier gemeinsam mit dem Pädagogi-schen Zentrum Bad Kreuznach durch-geführt wird (Anmerkung der Redakti-on: Bitte beachten Sie die entsprechen-den Ankündigungen im Fortbildungs-katalog des IFB, in der umwelterziehungpraktisch aktuell sowie unter http://nachhaltigkeit.bildung-rp.de). Insbe-sondere für ein im Vorfeld stattfinden-

Die Projektwochen lassen sich in fast alle Fächer einarbeiten - hierMathematik zum Anfassen: Futter abwiegen und berechnen

Lehrerfortbildung im Schafstall

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des Elterngespräch sind detaillierte In-formationen wichtig. So gibt es immerwieder Probleme mit der Ausstattung derKinder mit sauberen Gummistiefeln undeinem Satz frischer Kleidung für denSchweinestall, was an der Einrichtungaus seuchenhygienischen GründenPflicht ist und im Übrigen auch für dieLehrkräfte gilt! In jedem Fall sollen dieSchüler im Vorfeld Aufgaben bekommen,mit denen sie sich während ihres Auf-enthaltes beschäftigen. Hierfür gibt esgute Anregungen von Schulen, die eineProjektwoche gemacht haben. Dies kön-nen z. B. Beiträge für eine Schülerzei-tung sein, Mappen über verschiedeneTierarten oder Poster, die später in derSchule ausgestellt werden. Die Bereit-schaft der Kinder, so etwas zu erstellen,ist sehr groß, und die Ergebnisse kön-nen sich sehen lassen.

Für einen eintägigen Aufenthalt empfeh-len wir ein Schwerpunktthema, welchesvon der Lehrkraft ausgewählt und vor-bereitet wird, damit die Kinder nicht über-fordert werden. Das kann beispielswei-se das Thema Milchkuh sein, wobei dieKinder den einen Tag nur in der Lehr-werkstätte Milchviehhaltung verbrin-gen. Um Einblicke in alle Fachbereichezu erhalten, empfiehlt sich ein Aufent-halt von drei Tagen zuzüglich An- undAbreise. Die Schüler lernen dabei inKleingruppen die einzelnen Lehrwerk-stätten kennen und erfahren grundsätz-liche Dinge über die Haltungsansprücheunser landwirtschaftlichen Nutztiereund die Erzeugung wichtiger Nahrungs-mittel wie Milch und Fleisch. Im Rah-men ihrer Möglichkeiten können sie sichan den praktischen Stallarbeiten beteili-gen. Die jeweiligen inhaltlichen Schwer-punkte können nach Absprache mit denzuständigen Lehren festgelegt werden.

Die Stallzeiten sind morgens von 9.00bis 11.00 Uhr und nachmittags von 14.00bis 16.00 Uhr, beziehungsweise in derLehrwerkstätte Milchviehhaltung von14.30 bis 16.30 Uhr. Die Schüler müssenvon den begleitenden Lehrpersonen andie einzelnen Lehrwerkstätten gebrachtund wieder abgeholt werden. Währendder Stallzeit werden sie von unserenAusbildern betreut, außerhalb der ge-nannten Zeiten sind die Lehrkräfte fürdie Beaufsichtigung der Kinder verant-wortlich. Auch wenn während der Stall-zeiten die Betreuung durch Mitarbeiter

der Einrichtung erfolgt, stellen wir unsfür eine erfolgreiche Projektwoche Leh-rerinnen und Lehrer vor, die auch mit anden Unterweisungen teilnehmen. Dennviele Ereignisse, wie beispielsweise eineGeburt, sind sehr einprägsame und emo-tionale Erlebnisse für Kinder und bedür-fen einer gemeinsamen Aufarbeitung.Weiterhin sollte die Bearbeitung der ver-teilten Aufgaben auch durch die Lehrerbegleitet werden.

Bei der Betreuung der verschiedenenTiere dürfen die Kinder im Rahmen ihrerpersönlichen Möglichkeiten selbst ein-mal tätig werden, auch wenn die Erledi-gung vieler Arbeiten heute nicht mehrper Handarbeit, sondern mit Hilfe spezi-eller Maschinen erfolgt. Die Befolgungder Vorgaben unserer Ausbilder ist da-bei zur Sicherheit von Kindern und Tie-ren ein unbedingtes Muss.

Nach Beendigung der Stallzeiten gibt esverschiedene Möglichkeiten der Freizeit-gestaltung. Für Schulklassen aus derVorderpfalz ist die Walderkundung, zumBeispiel in Form einer Nachtwanderung,immer ein besonderes Ereignis. Der Be-zirksverband Pfalz hat gemeinsam mitdem betreuenden Forstamt inWinnweiler im Forst des Hofgutes Neu-mühle einen sehr beeindruckendenWalderlebnispfad eingerichtet. FörsterAndreas Alter ist nach vorheriger Ab-sprache gerne zu einer interessantenFührung bereit.

Es kann immer wieder beobachtet wer-den, wie die Kinder den Aufenthalt inder Natur genießen. Im vergangenenFrühjahr konnte sich eine sechste Klas-se unglaublich für eine blühende Wiesebegeistern, in die man sich hinein legenkonnte. Solche Erlebnisse sind sehrwichtig, um ein Gefühl bei den Kindernfür die Natur zu wecken. Wer würde denneine Wiese vermissen, wenn er sie nierichtig wahrgenommen hat?

Des weiteren gibt es einen Bolzplatz undeinen Aufenthaltsraum mit einer Tisch-tennisplatte und verschiedenen anderenSpielen. Die Unterbringung der Jungenund Mädchen erfolgt getrennt in zweiverschiedenen Häusern, wobei Vier- bzw.Sechsbettzimmer zur Verfügung stehen.

Weitere Informationen

Die LVAV Hofgut Neumühle hat in einerkleinen Broschüre Informationen überdie Projektwochen zusammengestellt.Zur Zeit beträgt der Tagessatz pro Per-son (auch für die Lehrkräfte) 22,- Euroinklusive Unterkunft und Verpflegungzuzüglich rund 4,- Euro für einen Overallin der Lehrwerkstätte Schweinehaltung.Die Projekttage und -wochen werdenschwerpunktmäßig von April bis Sep-tember angeboten.

Eine Anreise mit der Bahn bis zur Halte-stelle in Münchweiler ist möglich. Biszur Einrichtung ist ein kurzer Fußwegvon etwa 2 Kilometern zurück zu legen.Nach vorheriger Absprache kann dasGepäck durch den Hausmeister am Bahn-hof abgeholt werden.

Schäden, die der Einrichtung durch dieteilnehmenden Schüler entstehen, stel-len wir der betroffenen Schule in Rech-nung. Daher empfiehlt sich derAbschluss einer entsprechenden Versi-cherung.

Anschrift:

Lehr- und Versuchsanstaltfür ViehhaltungHofgut Neumühle67728 Münchweiler/Alsenz

Tel: 06302 – 6030e-mail: [email protected]

Kontaktperson:Dr. Monika Reimann

Und immer wieder wird der Kontaktzu den Tieren gesucht, bevorzugt beiden Kleinsten. Hier wird festgestellt,wie rauh die Kälberzunge ist und,dass im Oberkiefer wirklich keineZähne wachsen.

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Eng gedrängt steht eine kleine GruppeSchüler des Kurfürst-Ruprecht-Gymna-siums Neustadt vor dem Eingang desGästehauses der Neumühle und wartetungeduldig auf Einlass. Der Hausmei-ster, ein Nordpfälzer Urgestein, öffnetdie Tür und die staunendenSechstklässler stehen zwischen Dusch-kabinen und Kleiderhaken. „Do hinnzieh ner immer eier Schdallkläder ausun eier Gummistiwwel. Nohd kännereich dusche. Awwer dass mer kännermid de Stiwwel enuff gehd, gell?“ Ver-ständnislose Blicke. „Wahrscheinlichist das so ähnlich wie beim Skifahren,da muss man ja auch die Schuhe undAnzüge unten lassen“, flüstert Danielseinem Nachbarn zu. Aha, jetzt wird dieSache verständlich! Währenddessen istder Hausmeister schon bei den Haus-regeln angelangt. „Un dass ehr mer jode Melkermäschder schlofe losd. Derwohnd newer eich un muss um Viereraus!“ „Das ist ja noch mitten in derNacht , da ist es doch noch dunkel –oder?“ Rat suchend schaut Daniel sei-nen Kumpel Max an , aber diesmal hatder keine Erklärung parat. Gemeinsamschleppen sie die viel zu schweren Kof-fer die engen Stiegen hinauf. „Ko-misch“, keucht Daniel, „jetzt sind wirgerade eine Zugstunde von zu Hauseweg und es kommt mir vor, als ob ich ineiner völlig anderen Welt wäre!“ „Jagenau“, murmelt Max, „wie auf demMars oder so!“

Vor dem Fenster quieken dieSchweine

Schmunzelnd überlasse ich meinemKollegen die Beaufsichtigung des Bet-ten Machens und schaue nach denMädchen im Haupthaus. Sie sind schonfertig und testen bereits die Tischten-nisplatten und den Billardtisch im Auf-enthaltsraum.

Langsam füllt sich der große, gemütli-che Seminarraum mit erwartungsvollenSchülerinnen und Schülern und ich er-läutere das Programm der folgenden 4Tage. Jeden Vormittag von 9°° bis 11°°Uhr und jeden Nachmittag von 14°° bis

16°° Uhr ist Stallzeit. Die 26 Kinder mei-ner Klasse werden in drei Gruppen auf-geteilt und rotieren nach einem vorge-gebenen System so zwischen den Stäl-len, dass jede Gruppe alle Stationendurchlaufen kann. Zwischen diesenStallterminen liegen die Essenszeitenund jede Menge freie Zeit, die ich gernefür die Aufarbeitung der Erlebnisse, dieEinbindung in den Fachunterricht ,aber auch für gemeinsame Spiele, Fe-derball- und Fußballturniere usw. nut-ze. Heute Abend ist zunächst einmaleine Nachtwanderung geplant, die rundum die zwischen Feldern und Wald ein-gebettete Neumühle führen soll. Dochbis zum Abend ist es noch lang, und dieKinder freuen sich vor allem auf die Tie-re.

Heute begleite ich zunächst die Kuh-gruppe. Spätestens beim Gang über dieLöwenzahn getupfte Maiwiese lernendie Schülerinnen und Schüler den Vor-teil von Gummistiefeln kennen, in de-nen sie noch recht unbeholfen durchdas hohe, feuchte Gras schlurfen. Aufdem Informationsabend vor vier Wo-chen war es nicht ganz einfach, die El-tern von der Notwendigkeit diesesSchuhwerkes zu überzeugen. Aus hygie-nischen Gründen besteht die Leitungder Anstalt jedoch zu Recht auf ab-

waschbaren und desinfizierbaren Stie-feln. Vor dem Kuhstall sind schon vonweitem kleine weiße Plastik-Iglus zusehen, aus denen ein brauner, zierlicherBewohner uns mit großen Augen undaufgestellten Ohren beobachtet. „EinHund!“ freut sich Moritz, „nein , einReh!“ Beim näher Kommen entpupptsich das Tier in der Hütte als neugebo-renes Jerseykalb, das sofort ausgiebigvon 16 Händen gestreichelt wird. Un-bemerkt ist der Melkermeister heran-getreten und erklärt den Kindern, dassdie Neugeborenen bei Wind und Wetterdraußen sind, um sie vor den gefährli-chen Keimen im Stall zu schützen undsie ab zu härten. „Stimmt“, sagt Moritz„meine Mutter sagt auch immer, frischeLuft ist gesund!“. Damit ist das Eis ge-brochen. Der Meister wird sofort mitFragen bestürmt: „Wie alt ist das Kalb,warum ist es nicht bei seiner Mutter,was bekommt es zu fressen, wie langebleibt es da drin?“ usw. Der Meisterreagiert gelassen, beantwortet einigeFragen sofort, schiebt andere für spä-ter auf, denn zuerst will er ja seine Ab-teilung „Milchvieh“ vorstellen. Nunstellt er die Fragen: „Wie viele Kühehabe ich wohl in meinem Stall? 30 – 70– 300?“ fragt er die Kleine in der hin-tersten Reihe. Lisa zuckt mit den Schul-

Ulrike Bahl

Erfahrungsbericht Hofgut Neumühle

Entspannung im Heu

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tern, aber so leicht lässt sich der Mei-ster nicht abspeisen. „50% Chance,Telefonjoker, Publikumsjoker?“ Lisahat sich schnell für den Publikumsjokerentschieden und der Rest der Gruppehilft ihr weiter. Klar, 70 sind’s! „Aberbevor wir diese kennen lernen, erklärich euch erst einmal den Lebenslauf ei-ner Kuh. Das Neugeborene kommt ausder Säuglingsstation“, dabei zeigt HerrHamann auf die Kälberhütten, „ in dieKrabbelguppe und dann in den Kin-dergarten, wo sie außer Milch schonkleine Mengen feste Nahrung zum Aus-probieren und Spielen bekommen.“ DieKinder folgen ihm in den luftigen offe-nen Stall, wo verschiedene Altersgrup-pen von Kälbern in den Stroh gefülltenGehegen herumtollen. Seine Erklärun-gen unterbricht er immer wieder durchFragen und verknüpft geschickt dieverschiedenen Altersstufen der Kälbermit der Schullaufbahn der Schüler. Solernen die Kälber in der Grundschuledas Fressen von Heu und Silage, wo-durch die vier Mägen ausreifen, und inder Orientierungsstufe werden sie aufihre zukünftigen Aufgaben als Milch-,Zucht- oder Mastvieh vorbereitet. DieSchülerinnen und Schüler lauschenaufmerksam und beteiligen sich eifrigan der abschließenden Quizrunde. ZurBelohnung dürfen sie Milchpulver ko-sten, mit Gabel und Schaufel Grassilagein die Raufen verteilen oder auch malein Kalb in eine andere Bucht bringen.Mittlerweile haben die Kinder dieScheu vor den Tieren ganz verloren undwagen sich auch zwischen die größtenKälber. Jetzt ist die Zeit reif für die ganzgroßen Tiere. Ich teile die Gruppe in

zwei Hälften und liefere eine davon imMelkstand ab. Die andere darf erst mal„Spalten säubern“. Was das heißt, wirdden Kindern schnell klar, als sie die rie-sigen Gummischaber an der Wand undden verkoteten Spaltenboden im Lauf-stall sehen. Aber sie verkraften diesenSchock erstaunlich gut. Eifrig schiebensie die Hinterlassenschaften der Kühein die Spalten des Bodens. Der Meistererklärt ihnen in der Zwischenzeit dieUnterteilung des Laufstalls in „Schlaf-zimmer, Esszimmer und Toilette“ undwie sich die Kühe durch Computerchipsihre persönliche Futtermischung jenach Bedarf im Kraftfutterautomaten„herunterladen“ können. Besondersdie Jungs staunen. Computer im Kuh-stall? Das haben sie nicht erwartet.Noch mehr Hightech gibt es im Neben-raum zu bestaunen. Der Fachbereichs-leiter erklärt am Rechner, wie die kom-plizierte Datenmenge vom Herkunfts-nachweis bis zur Milchquote verwaltetwird. Während einige Mädchen - ki-chernd über einen dicken Katalog mitZuchtbullenfotos gebeugt – sich gegen-seitig die Vererbungsmerkmale derSamenspender vorlesen, will Nico un-bedingt wissen, was sich in dem seltsa-men, edelstahlglänzenden Behälter inder Ecke verbirgt. Mit geheimnisvollerMiene greift der Fachmann zwei unför-mige Handschuhe und dreht den Dek-kel auf. Weiße Dampfschwaden quellenhervor, und der Blick fällt kurz auf einganzes Bündel von dünnen Kunststoff-röhrchen. Spermaportionen in flüssi-gem Stickstoff, eingefroren bei -191°C .Herr Hamann ist noch dabei, den Kin-dern den Vorgang der künstlichen Be-fruchtung zu erklären, als die Klassen-kameraden hereinstürzen und begei-stert vom Melken erzählen. Bevor icheingreifen kann, sind die vorher so auf-merksamen Zuhörer aufgestanden undstreben zum Ausgang. Herr Hamann hatVerständnis. Die Praxis schlägt haltalle Theorie.

Der Melkstand ist zwar geräumig, abermit einem Melker , 5 Kindern und einerLehrerin gut gefüllt. Geduldig erklärtHerr Backhaus, der Melker, wie manKontakt mit der Kuh aufnimmt, vor-melkt, das Euter säubert und die Melk-maschine ansetzt. Während Lisa nochsehr zaghaft das Euter berührt, gehtCeline beherzter ans Werk. „Das ist jaganz warm und weich!“ ruft Anton über-

rascht aus. „Meine zuckt immer mit demBein“, beschwert sich Sebastian. DerMelker ist die Ruhe in Person. Er führtLisa die Hand, bis aus der Zitze der er-ste dünne Strahl spritzt. Dann beruhigter Sebastians Kuh und zeigt dem Jun-gen, wie man das Euter am besten säu-bert, ohne das Tier zu kitzeln. Celinekommt alleine zurecht. Maximilian istmit dem Vormelken und Säubern schonfertig. Er darf mit dem Daumen die Saug-kraft der Melkmaschine testen. Beein-druckend! Das Anlegen des Melk-geschirrs bereitet den Kindern keineSchwierigkeiten. Gespannt schauen sieauf die Anzeige. Wessen Kuh gibt wohldie meiste Milch? Sebastian hat gewon-nen. Fast 20 l sind selbst für dieHochleistungskühe der Neumühle einbeachtlicher Wert.

Beim Abendessen fragt mich Maximili-an, wo die Milch herkommt, die in gro-ßen Glaskannen auf den Tischen steht.„Die ist direkt vom Hof, vielleicht ist esdie, die du heute Nachmittag gemolkenhast“, antworte ich. „Zwei oder dreiTropfen davon sind bestimmt drin“ ver-mutet Sebastian und beißt herzhaft insein Schinkenbrot.

Zwischen Abendessen und Nachtwan-derung haben wir noch viel Zeit. Ichsammle die Klasse im Seminarraum, undwir besprechen die unterrichtliche Auf-arbeitung der Projekttage. Im Lehrplanfür Biologie sind Nutztiere vorgeschrie-ben, und jedes Kind darf seinen eige-nen Schwerpunkt legen in Form einersorgfältig ausgestalteten Mappe überein bestimmtes Tier. In der Mitte der Ti-sche habe ich Stapel von verschiede-nen Schulbüchern, Lexika und kopier-ten Arbeits- und Infoblättern ange-häuft. Die wichtigsten Kapitel wie Ab-stammung, Ernährung, Körperbau usw.gebe ich vor, andere interessante The-men dürfen die Schülerinnen und Schü-ler ergänzen. Wie viele originelle undwunderschön gestaltete Schweine-mappen, Kuhhefte oder Schaffibelnhabe ich so schon bekommen. Da machtdas Korrigieren richtig Spaß, denn be-notet wird das Ganze schon. Die Schü-ler nehmen so den Bauernhofbesuchauch ernst und lernen die Informatio-nen, die sie in den Ställen erhalten, rich-tig zu schätzen. Gezielte Fragen an dieMeister ersparen ihnen so langes Blät-tern in den Büchern. Bis es dämmrig

Die Ferkel müssen in einen anderenStall

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wird, stöbern sie also in den Büchern,stellen Interviewfragen zusammen odermalen den Schädel eines Wildschweinsab. Auf der Neumühle werden nur In-formationen beschafft, das Ausformulie-ren der Texte und die Fertigstellungerfolgt im Unterricht oder zu Hause.

Am nächsten Vormittag begleite ich dieSchafgruppe. Die Attraktion sind na-türlich die Lämmer im Boxenstall. Ganzfrech sind einige auf den Rücken ihrerMütter geklettert und begrüßen dieSchüler mit einem lauten Mäh. FrauBazar, die Fachbereichsleiterin, wirdsofort mit Fragen bombardiert: „Wieviele Lämmer hat ein Schaf normaler-weise, warum sind die Schwänze derKleinen so lang, ist das Fell immer sodick, schwitzen die nicht?“ usw. DieDiplomlandwirtin beantwortet gedul-dig alle Fragen. Annkatrin darf in eineBox klettern und soll eines der beidenLämmer herausheben. Gar nicht so ein-fach. Das Tierchen springt aufgeregtherum und auch die Mutter versuchtdas Vorhaben zu unterbinden, indem siesich geschickt zwischen das Mädchenund ihr Lamm stellt. Aber mit der Hilfeder Mitschüler klappt es, und natürlichdürfen dann alle auch mal streicheln.So wie in dieser Situation passiert esauf dem Hof oft: Die Schüler merkenschnell, dass sie nur im Team weiter-kommen, sei es beim Rinder treiben,Schweine wiegen oder dem Herbei-schaffen der Grassilage in schwerenSchubkarren. Gemeinsam kommt manweiter, auch wenn es in der von mir zu-sammengestellten Gruppe nicht gera-de die besten Freunde sind, mit denenman sich arrangieren muss.

Nach dem leckeren Mittagessen ist erstmal Freizeit. Mein Kollege und ich gön-nen uns eine Tasse Kaffee in der Sonnevor dem Verwaltungsgebäude. Von hieraus haben wir alle im Blick: die Fuß-baller, die Federballspieler, die Tisch-tennis- und Billardliebhaber. Fast wieUrlaub. Doch die Ruhe wärt nicht lan-ge. Die Kids aus der Stadt haben etwasweit Interessanteres als Spiele nachsportlichen Regeln entdeckt – eine Wie-se! Immerhin fragen sie, ob sie da malhinein dürfen. Nach Rücksprache mitdem Meister für die Grünland-bewirtschaftung steht fest, dass die aus-erkorene Wiese nächste Woche gemähtwerden soll und daher nicht nieder-

getrampelt werden darf. Freundlicher-weise empfiehlt er den Schülern aberden Hang beim Fußballfeld, der erstspäter von den Schafen beweidet wird.Ideal zum Herunterrollen! Und dannmuss ich doch staunen, mit welcherBegeisterung sich die Gymnasiasten indie Wiese stürzen. Sie spielen Verstek-ken, winden Kränze aus Löwenzahnund tollen wie junge Katzen. Noch lan-ge diskutiere ich mit meinem Kollegenüber die Tatsache, dass nur diejenigensich später für den Erhalt unserer Kul-turlandschaft einsetzen werden, deneneine Wiese etwas bedeutet – und dasgeht auch über Hautkontakt.

Vor einen Besuch des Schweinestallshat das Veterinäramt strenge Hygiene-regeln gesetzt. Zum Glück haben sichalle an meine ständig wiederholten Auf-forderungen gehalten, nur mit penibelgesäuberten Gummistiefeln und einerfrisch gewaschenen „Schweine-garnitur“ vor dem Schweinestall zu er-scheinen. Leider erfordert die auch inden Wäldern um die Neumühle vorkom-mende Schweinepest solch strenge Vor-gaben. Zuerst geht es in die Hygiene-schleuse. Die Kinder ziehen ihre fri-schen Kleider und Gummistiefel an,darüber kommt ein weißer Einmal-Over-all, in dem jeder Schüler wie ein Astro-naut aussieht. Erst wenn Hände undStiefel desinfiziert sind geht es weiter.Herr Scheu, der Schweinemeister, er-klärt zunächst die Funktion der beidenTeilbereiche Zucht und Mast und zeigtdabei den Schülern das Gerät zur

künstlichen Besamung. Beeindrucken-der finden diese allerdings den Eber,der für den Natursprung zuständig ist.Plötzlich wird es aufregend. Eine Sauwirft gerade. Ganz leise, um die wer-dende Mutter nicht unnötig zu beunru-higen, schleichen sich die Kinder in denStall. Da zappelt schon das erste Fer-kel im Stroh. Die Geduld der Schülerwird auf die Probe gestellt. Immer wie-der muss ich sie durch Zeichensprachezum Stillhalten zwingen. Dann geht esplötzlich ganz schnell. Eins nach demanderen gleitet heraus. Der Meister legtsie behutsam unter die Rotlichtlampezum Wärmen. Schon nach kurzer Zeitrappeln sie sich auf und suchen nachden Zitzen der Mutter. Vorsichtig hu-schen wir hinaus. Die Schüler sind nocheine Weile ganz still – so berührt hatsie das Geschehen. Aber dann werdensie wieder lebhaft, und wir sprechennoch lange von Schweine- undMenschengeburten.

Im Schweinemaststall herrscht imwahrsten Sinne des Wortes ein andererTon. Die Jungschweine können sogarnoch lauter schreien als meineFünftklässler auf dem Pausenhof. DieKinder beeilen sich mit dem Verteilendes Futters, um die Schreihälse zu be-ruhigen. Besonders hier zwischen denengen Boxen wird klar, dass die mo-derne Landwirtschaft wenig mit derBilderbuchidylle gemein hat. Auchwenn die Neumühle sich bemüht, eineartgerechte Tierhaltung anzubieten,muss sie dennoch nach wirtschaftlichenGesichtspunkten arbeiten, um denLandwirten ein finanziell tragbaresKonzept anbieten zu können. VielenKindern ist bis dahin die Herkunft ih-rer alltäglichen Lebensmittel nichtklar. Um so wichtiger ist es, ihnen klar-zumachen, dass diese Tiere der mensch-lichen Ernährung dienen und zu die-sem Zweck als Nutztiere gehalten wer-den. Beim Abendessen sehe ich einigeMädchen mit nachdenklichen Gesich-tern auf ihr belegtes Brot schauen. „Istdas auch Schwein?“ fragt eine. AmEnde siegt aber doch der Hunger undes wird noch ein lustiger Abend.

Auf der Säuglingsstation desMilchviehbetriebes: Bei den kleinenTieren fällt die Annäherung leichter.

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Lernen durch Erleben – dieses Mottogilt für die Bildungsmöglichkeiten, dieein Schulbauernhof bietet. Schulbauern-höfe als außerschulische Lernorte sindbestens geeignet, nicht nur Ökologieund viele Bereiche der Biologie, sondernauch Themen aus der Erdkunde, Sozial-kunde und vielen anderen Fächern biszu Religion und Ethik vor Ort „im Ge-schehen“ erlebbar und verstehbar zumachen. Gut Hohenberg, der Seminar-bauernhof der Stiftung Ökologie &Landbau, bietet Klassenaufenthalte undLehrerfortbildungen zu allen Themenrund um das Zusammenleben vonMensch und Natur in der Landwirtschaftan.

Ein Bauernhof ist für Kinder immer fas-zinierend: Sie können laufen und sichaustoben, allein das große Gelände wirktbefreiend auf die Kinder. Dabei gibt esso viel Interessantes zu entdecken: Über-all stehen interessante Gerätschaften,unbekannte Geräusche und Gerüche re-gen den Entdeckertrieb an und natür-lich sind die Tiere aus nächster Nähe zuerleben.

Auf Gut Hohenberg in der Südpfalz kanneine Schulklasse für ein paar Tage, eineWoche oder sogar länger in die Rolleder Bauern schlüpfen: Der ökologischbewirtschaftete Seminarbauernhof derStiftung Ökologie & Landbau bietet „Ler-nen am anderen Ort“: Im Rahmen vonKlassenfahrten können Lerninhalte derLehrpläne aus allen Schularten und al-len Altersstufen beim Erleben auf demBauernhof vermittelt werden.

Zur Vorbereitung der Besuche auf demHof werden neben organisatorischenDingen die inhaltlichen Schwerpunktedes Aufenthaltes mit den Lehrern abge-sprochen. Hier können dann auch be-stimmte Themen wie Energie, Wald,Wasser, Klima, aber auch Ethik, Umgangmit der Schöpfung u. ä. auf dem Bauern-hof angeboten und gezielt vertieft wer-den.

Hauptthema aller Besuche auf dem Bau-ernhof ist aber immer wieder: „Wie kommtdas Essen auf den Tisch?“ Das konkre-te Erleben der Zusammenhänge von bäu-erlicher Tierhaltung, Pflanzenbau undunserem Essen ist am Bauernhof, demEntstehungsort der Lebensmittel, au-thentisch möglich.

Nach der Ankunft der Klasse und derZimmerbelegung wird der Hof erkundet- zunächst sind dabei natürlich die Tieremagnetische Anziehungspunkte, dennkaum jemand hat schon einmal eine Kuhaus der Nähe gesehen, ein Schweinangefasst oder ein Huhn auf dem Armgehalten.

Die Schülerinnen und Schüler erfahren,dass es gerade für das Wohlergehen derTiere nötig ist, ein paar grundsätzlicheRegeln für das Verhalten auf dem Bau-ernhof einzuhalten. Die Hofmitarbeitererklären deshalb bei einem ersten Hof-rundgang, dass Ruhe im Umgang mitTieren oberstes Gebot ist. Die Schülerverstehen schnell, dass auch Tiere vor

einer brüllenden Meute Kinder entwe-der flüchten oder sich angegriffen füh-len und selbst zum Angriff übergehen.Hier können sich die Kinder darin üben,sich ganz in Ruhe den Tieren zu nähernund stellen bald fest, dass die Tiere im-mer neugierig sind und bald von selbstdie Besucher interessiert begrüßen. Soentsteht ein fast persönlicher Kontaktzu den Ziegen, Hühnern, Kühen, Kanin-chen, Schweinen und auch Pferden.Schnell funktioniert auch die sozialeKontrolle untereinander und die Schü-ler achten gegenseitig auf die Einhaltungder Regeln.

Gleich am ersten Tag werden die Schü-lerinnen und Schüler in Kleingruppeneingeteilt, die jeweils von einem Betreu-er des Hofes angeleitet werden. Da gibtes die Gruppe, die für das Melken undMilch verarbeiten zuständig ist, da gibtes die Feld- und Gartengruppe, die auchdie Kleintiere versorgt sowie die Grup-pe rund ums Getreide, die in der Back-stube für frisches Brot und Kuchen

Ulrich Hampl

Seminarbauernhof Gut HohenbergLernen für Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer

Pflügen ohne Pferd oder Traktor erfordert riesigen Kraftaufwand

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sorgt. Die Kochgruppe kümmert sich umalles rund ums Essen – gemeinsam miteinem Betreuer wird das Mittagessenaus den saisonal verfügbaren Hof-produkten bereitet und auch Obst undGemüse zur Lagerhaltung verarbeitet.

Die angeleitete Arbeit in den Klein-gruppen ist dabei immer geprägt vom„Selbst Tun“, wobei die Zusammenar-beit, das soziale Lernen, oft eine neueund tief befriedigende Erfahrung ist.

Die Beschreibung eines typischen Ta-gesablaufs auf dem Seminarbauernhofzeigt die vielfältigen Lern- und Erlebnis-möglichkeiten für die Schülerinnen undSchüler in der Landwirtschaft:

Nach dem Aufstehen geht im Winter-halbjahr, also von November bis ein-schließlich April, die Tiergruppe zu-nächst in die Ställe, um die erste Fütte-rung von Kühen, Pferden, Ziegen undSchweinen zu machen und die Hühneraus dem Stall zu lassen. Im Sommer sinddie großen Tiere Tag und Nacht auf derWeide, da muss man erst nach dem Früh-stück nach den Tieren sehen. Das Früh-stück wird inzwischen von einer ande-ren Gruppe zusammen mit den Lehrkräf-ten in der Schülerküche vorbereitet: Ne-ben frischem Vollkornbrot gibt es Müsli,für das zum Beispiel Joghurt aus derMilchkammer geholt wird und die Ha-ferflocken mit der Flockenquetsche vonden Schülern selbst frisch hergestelltwerden. Die hofeigene Milch schmecktnatürlich besonders gut, manche verfei-nern sie noch mit Öko-Kakaopulver.Ansonsten gibt es selbst gemachteMarmelade sowie Honig von den Bie-nen. Die meisten Kinder haben aber früh-morgens nur wenig Hunger vor lauterAufregung, welche neuen Eindrücke beider nun folgenden Bauernhofarbeit aufsie zukommen. Auf einem Plan, der imAufenthaltsraum hängt, können sie se-hen, zu welchen Tätigkeiten ihre Grup-pe heute eingeteilt ist.

Um 8.30 Uhr beginnt der erste Vormit-tags-Lernblock, zu dem die Hof-mitarbeiter die Schüler abholen.

Die Kochgruppe wandert zum Beispielauf den Dinkelacker, um das Getreidekennen zu lernen, aus dem heute dieSpätzle hergestellt werden. Anschlie-ßend wird im Garten Unkraut gejätet undSalat für das Mittagessen geerntet.

Die Milchgruppe geht sofort ans Mel-ken – im Sommer werden dazu die Zie-gen von der Weide geholt, im Winterwerden die Kühe gemolken, die dannschon im Stall stehen. Das Melken istimmer ein besonders intensives Erleb-nis für die Schüler und auch für vieleLehrer. Die ruhige Atmosphäre im Melk-stand mit zufrieden kauenden Ziegenoder Kühen und der direkte Körper-kontakt mit den Tieren beim Reinigen,Melken und Einstreuen schafft eine be-sondere Nähe zwischen Mensch undTier. Und das Ergebnis der Arbeit, süßduftende Milch, begeistert regelmäßigalle Besucher.

Die Backgruppe hat sich auf einemDemonstrationsfeld die verschiedenenGetreidearten angesehen – im Winter diegetrockneten Getreidegarben – und fin-det sich in der Backstube ein, um zu-nächst einmal die Körner zu mahlen.Dabei dürfen die Schüler auch probie-ren, wie das von Hand mit zwei Steinenfunktioniert, um dann die heute zuverbackende Getreidemenge mit der elek-trischen Steinmühle zu Vollkornmehl zuverarbeiten. Und bald geht es dann ansKneten von Hefe- oder Sauerteig, jenachdem, welches Gebäck heute einge-plant ist.

Die vierte Gruppe versorgt die restlichenTiere, also die Schweine, Hühner, Ka-ninchen und Pferde mit Futter und Was-ser und mistet bei Bedarf die Ställe undGehege aus. Manche Kinder ekeln sichzunächst vor dem Stallmist, den meistenmacht aber die Arbeit mit Mistgabel undbesonders das Balancieren der Schub-

karren auf dem Misthaufen einen Riesen-spaß.

Besonders diese Gruppe hat jeden Tagandere Aufgaben, je nachdem was dieJahreszeit oder der Arbeitsablauf erfor-dern. Im Sommer müssen Zäune umge-stellt, Weidefässer mit Wasser gefülltwerden, das Hacken der Kartoffeln stehtan oder es muss ein neues Freigehegefür Kaninchen gebaut werden. Auch dasArbeitspferd Emma wird zur Unterstüt-zung mit eingesetzt – Emma hilft im Som-mer beim Kartoffelhäufeln oder im Win-ter beim Mistfahren und Holzrücken.Das Pferd als Sympathieträger für fastalle Kinder sorgt dabei regelmäßig fürleuchtende Augen bei den mithelfendenSchülern.

Um etwa zehn Uhr gibt es dann eine halb-stündige Pause, in der schnell der Spiel-platz mit Schaukel besucht, ein Apfelgegessen oder den Klassenkameradenvon den neuen Erlebnissen erzählt wird.

Inzwischen haben die Hofmitarbeiter dieweiteren Vormittagsarbeiten vorbereitet,die dann bis zum Mittagessen mit denSchülergruppen fortgesetzt werden.

Nun wird draußen etwa das Mist fahrenauf den Acker fortgesetzt oder derKoppelzaun repariert.

Die Backgruppe geht ans Fertigstellender Brote und schiebt sie in den Ofen,so dass sich bald ein feinwürziger Ge-ruch aus der Backstube über den Hofverbreitet. Jeder Schüler formt sein Brotselbst und zeigt sein Werk später stolzseinen Mitschülern und –schülerinnen,die es dann meist auch mit Begeisterungessen.

Die Milchgruppe verbringt den zweitenTeil des Vormittags in der Milchkammer,um die soeben gewonnene Milch zu-nächst zu pasteurisieren und dann selbstzu erleben, wie mit genauer Temperatur-führung und Zugabe von verschiede-nen Kulturen und Lab das hergestelltwird, was sie als fertige Produkte ken-nen: Joghurt, Quark, Frischkäse, aberauch Sahne und Butter. Da wird alles eif-rig probiert, mache erfinden sogar neueProdukte wie Molken-Joghurt-Getränke,mit Obst verfeinert zu speziellen„Shakes“ oder ähnliches.

Die Kochgruppe hat jetzt alle Hände vollzu tun, um das Mittagessen für Schüler,Lehrer und Hofmitarbeiter fertig zu stel-

Heute gibt es gefüllte Bauernpfann-kuchen

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umwelterziehung praktisch

30 Schulbauernhöfe

len – meist sind es doch um die dreißigMenschen, die um 12.30 Uhr hungrigaus allen Ecken zum Mittagstisch eilen.

Wenn alle versammelt sind, erzählt zu-nächst die Kochgruppe, was sie heutezubereitet hat und woher die Zutatenstammen. Auch hier wird für alle nocheinmal deutlich, dass ein Bauernhof dieQuelle aller Lebensmittel ist und mit Zu-taten aus Feld, Stall, Garten, Milch- undVorratskammer immer wieder wechseln-de Menüs zubereitet werden können.

Beim Mittagessen werden wieder dieErlebnisse der einzelnen Gruppen leb-haft ausgetauscht, bevor nach gemein-samem Abwasch erst einmal Freizeit an-gesagt ist. Während die Hofmitarbeiterliegen gebliebene Arbeiten verrichtenoder die nächsten Arbeiten vorbereiten,können die Schüler entweder selbst-ständig noch mal die Tiere besuchen,sich ausruhen, am Spielplatz toben oderauch mit den Betreuern Zusatz-programme absolvieren: Ein Wald-besuch mit dem Förster, die Besichti-gung einer Mühle im Nachbarort oderauch der Besuch bei einem „echten“Bauernhof in der Nachbarschaft, derhunderte von Schafen und Rindern hat,können eingeplant werden.

Um fünf Uhr ist wieder Treffpunkt: DieKühe oder Ziegen müssen noch einmalgemolken werden – jetzt ist meist schoneine andere Gruppe dran - , der Brötchen-teig fürs Frühstück wird vorbereitet, undalle anderen Tiere müssen mit Futter undWasser versorgt werden.

Manchmal stehen auch noch andereArbeiten für die gesamte Klasse an: ImSommer etwa die Heuernte, wo alle Hän-de zum Aufstapeln der Heuballen auf denAnhänger und dann im Heuboden ge-braucht werden oder im Herbst bei derKartoffelernte oder beim Aufsammeln derÄpfel für Apfelsaft.

Dieses Erlebnis, dass in der großen Grup-pe auch große Arbeitsberge schnell er-ledigt werden können und gemeinsamBerge von Heu oder viele Säcke Kartof-feln oder Äpfel geerntet werden konn-ten, ist immer wieder faszinierend für alle.

Das ist auch meist der Zeitpunkt, wo dieSchüler nach dem Abendessen, viel-leicht am Lagerfeuer im Sommer oder ambullernden Ofen im Winter dann ganzschnell müde Augen bekommen und

auch für die Lehrer die Nacht wieder ein-mal erholsam wird.

Je länger die Aufenthalte einer Klassesein können, desto mehr verschiedeneTätigkeiten können die Schüler kennenlernen und mitmachen. So haben sie dieMöglichkeit, Zusammenhänge zu erken-nen, selbst gewisse Verantwortungsbe-reiche zu übernehmen und bekommendas Gefühl, dass ihre Tätigkeiten wich-tig sind für das Wohlergehen von Pflan-zen, Tieren und Menschen.

Bei der Verabschiedung mit Gruppenfotound Rückblick auf die vergangenen Tagesind dann alle immer überrascht, wieschnell die Tage verflogen sind und dieKinder verlassen nur ungern „ihren“ Hofund „ihre“ Tiere – wie gut, dass es dasInternet gibt, wo man nachschauen kann,was aus den Kälbchen, Kartoffeln undden Hühnern geworden ist!

Die von den Hofmitarbeitern angeleite-te Arbeit in den Kleingruppen wird als„Unterricht am anderen Ort“ verstanden:Es sind bei allen Arbeiten kurz- und mit-telfristige Arbeitsziele zu erreichen, de-ren Sinn während des Tuns erkannt wirdund deren längerfristige Vernetzung mitanderen Arbeitsbereichen vor Ort erleb-bar ist. Wenn z. B. aus der Milchkammerbeim Käsemachen Molke übrig bleibt,bekommen sie die Schweine im anderenStall, und die sind wieder die Lieferan-ten für die leckeren Bratwürste am La-gerfeuer.

Ganz von selbst entstehen während derArbeit Gespräche mit und unter denSchülern, die von den Mitarbeitern auf-gegriffen, mit gezielten Nachfragen wei-tergeführt und mit Informationen ergänztwerden. Im unmittelbaren Umfeld desTuns tauchen Fragen auf, werden Ge-danken angeregt, und es gibt ganz oftdie Gelegenheit, die Problemlösung wirk-lich ganz den Schülern zu überlassen.Praktisch-soziale Lernprozesse entste-hen nicht nur bei der Aufgabe, eine Kuh-box mit Mistgabeln und Schubkarrenauszumisten, sondern in vielen weiterenArbeitsbereichen wie beim Kochen,Backen und Basteln. Das Erlebnis vonTeamarbeit und sinnvoller Arbeitsteilungsteht dabei immer wieder im Mittelpunkt.Gleichzeitig haben die Schüler die Mög-lichkeit, sich selbst in verschiedenenFertigkeiten auszuprobieren.

Komplexe Zusammenhänge wie zumBeispiel die Zusammensetzung derMilch und deren Fraktionierung undVerarbeitung in Butter, Sahne, Käse undJoghurt oder die vielfältige Verwendungdes Getreides als Lebensmittel fürMensch und Tier müssen hier nicht theo-retisch dargestellt und „gepaukt“ wer-den, sondern werden unter größtmögli-cher Beteiligung der Schüler praktischdurchgeführt.

Dabei ergibt sich zum Beispiel automa-tisch, dass über die physikalischen Vor-gänge in einer Zentrifuge nachgedacht

Ziegenmelken lernt man schnell

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umwelterziehung praktisch

31Schulbauernhöfe

und diskutiert wird, aus der die leckereSahne rinnt.

Messen, Wiegen, Zählen und Rechnenhaben bei ganz vielen Tätigkeiten einenechten Anlass, so dass z. B. Mathema-tik, Geometrie oder Physik im praktischenTun angewandt und erlebbar werden.

Die Lehrkräft und Betreuungspersonenwerden auch während des Aufenthaltesin die Themenbereiche mit einbezogen– sie sind meist positiv überrascht, wel-che neuen Seiten sie dabei an ihrenSchülern kennen lernen. Oft sind diesonst stillen Kinder urplötzlich aus sichheraus gegangen und die schlimmstenRabauken haben sich als fürsorglicheTierpfleger entpuppt. Die Betreuungs-personen haben oft auch selbst vielUnbekanntes erlebt und gelernt – au-ßerdem haben sie wichtige Aufgabenzwischen den einzelnen Lernblöcken.

Da müssen offene Fragen gesammeltwerden, noch einmal erklärt werden,warum es im Winter keine frischen To-maten gibt oder dass man Süßigkeits-hunger auch sehr gesund mit einemHonigbrot stillen kann. Außerdem kannauch ganz konzentriert ein bestimmtesThema mit den Lehrern vertieft werden.

Lehrer als wichtige Bezugspersonen derSchüler können durch ihr Beispiel, etwabeim Essen, entscheidend dazu beitra-gen, dass die Schüler offen bleiben fürNeues und echte Lernprozesse in Gangkommen.

Zudem sind die Betreuungspersonenwichtig, um während des Aufenthalts fürdie organisatorischen und „haushalt-lichen“ Dinge zu sorgen – Frühstückund Abendessen werden selbstständigbereitet, und es ist mit den Schülern im-mer wieder die Küche zu säubern undam Schluss der Schülertrakt zu reinigen.

Nicht allen Lehrern ist bewusst, dassinsbesondere auch der Winter für Kin-der auf dem Bauernhof sehr attraktiv ist:Im Winter sind alle Tiere im Stall undganz nahe am Hof. Es muss mindestenszweimal am Tag gefüttert werden, es sindStälle auszumisten und einzustreuen, esmuss Futter hergerichtet werden. All diesfindet in unmittelbarer Nähe zu den Tie-ren statt und auch in der Freizeit kannman die Tiere besuchen, beobachtenund streicheln.

Melken, Milch verarbeiten und Kochensind sowieso regelmäßige Tätigkeiten imWinter wie im Sommer. Aber auch drau-

ßen kann in der milden Südpfalz vielunternommen und auch Sinnvolles ge-tan werden, zum Beispiel bei der Wald-arbeit.

Gut Hohenberg bietet auch spezielleLehrerfortbildungen an, wo Lehrkräftedie Gelegenheit haben, in die Rolle derSchüler zu schlüpfen und die Themen-bereiche rund um die Landwirtschaftpraktisch und theoretisch kennen zu ler-nen.

Zusätzlich wird einmal pro Monat einInfotag für Lehrkräfte veranstaltet, andem die gebuchten Schüleraufenthaltevorbereitet und die Lehrerinnen undLehrer über inhaltliche und organisato-rische Fragen der Klassenbesuche aufdem Bauernhof informiert werden.

Kontakt:

Gut HohenbergSeminarbauernhof der Stiftung Ökolo-gie & LandbauKrämerstraßeD-76855 Queichhambach,Tel: 06346 / 928 555Email: [email protected]

Veröffentlichungen des PZ zum Thema „Landwirtschaft“

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32 Schulpraxis

Ilona Köhler-Heymann istAgrartechnikerin. Zusammen mitHauswirtschaftsmeisterin Dagmar Paulführte sie als außerschulische Partnerinvon Februar 2002 bis Endes des Schul-jahres 2002/2003 ihr Unterrichtsprojekt„Rund um die Kartoffel“ an der Marks-burgschule (Grund- und Hauptschule)in Braubach durch.

Ilona Köhler-Heymann betreibt zusam-men mit ihren Eltern in Dornholzhauseneinen landwirtschaftlichen Betrieb mitMilchkuhhaltung, Bullenmast, Ferkeler-zeugung und Schweinemast. Es werdenauch Kartoffeln für den Eigenbedarf undin geringen Mengen zum Direktverkaufangebaut, so dass der Betrieb als außer-schulischer Lernort in das Projekt ein-bezogen werden konnte.

Umwelterziehung praktisch (UP) inter-viewte Ilona Köhler-Heymann (K-H) zudiesem Unterrichtsprojekt.

UP: Sie sind eine der ersten außerschu-lischen Partnerinnen seit Einfüh-rung der Ganztagsschule in Rhein-land-Pfalz. Wie kam es dazu, dass Siesich für die Mitarbeit als außerschu-lische Partnerin im Rahmen einesUnterrichtsprojekts an einer Ganz-tagsschule interessiert haben?

K-H: Mein Anliegen war es eigentlichschon immer Kindern die heimischeLandwirtschaft näher zu bringen. Alsdann die Landfrauen des Rhein-Lahn-Kreises eine Veranstaltung über GrüneBerufe in der Ganztagsbetreuung hatten,dachte ich, dass dies der Weg wäre mei-ne Vorstellungen zu verwirklichen undstellte mich, für den Fall, dass irgendwoBedarf an außerschulischen Kräften seinsollte, zur Verfügung.

UP: Haben Sie selbst nach einer Ganz-tagsschule für Ihr Projekt gesuchtoder kam der Kontakt auf andere Artzustande?

K-H: Der Kontakt mit der Schulleitungder Marksburgschule Braubach kamüber den Landfrauenverein Rhein-Lahnzustande. Die Schulleitung startete alserste Schule im Rahmen der Ganztags-betreuung bereits im Februar 2002. Das„Pilotprojekt GTS“ wurde bis zu denSommerferien 2002 vom Schulträger fi-nanziert. Ich hatte einen Vertrag mit derVe r b a n d s g e m e i n d e v e r w a l t u n gBraubach. Mittlerweile schließen dieLandfrauen ihre Verträge über die Land-wirtschaftskammer ab.

UP: Was wollten Sie den Schülerinnenund Schülern durch dieses Projekthauptsächlich vermitteln?

K-H: Wie schon im Vorfeld gesagt, ist esmein Hauptanliegen den Kindern dieheimische Landwirtschaft näher zu brin-gen. Mich erschreckt es immer wieder,dass selbst Kinder aus kleineren Städ-ten, wie z. B. Braubach nicht wissen, wieeine Kartoffel wächst, woher das Mehlkommt oder warum ein Rind nicht immereine Kuh ist und Milch gibt. Das Projekt„Rund um die Kartoffel“ bot sich des-

halb an, weil es sehr vielfältig ist - theo-retisch sowie praktisch - und einen gu-ten Einblick in die Vorgänge in der Natur(Keimung – Wachstum – Reife – Ernte)gibt.

UP: Wie haben Sie sich auf diese neueAufgabe vorbereitet?

K-H: Ich habe sehr große Unterstützungbei den Landfrauen gefunden, die zu-sammen mit dem PZ verschiedene Schu-lungen und Informationsveranstaltun-gen durchgeführt haben. Die von mirbesuchten Tagungen waren sehr, sehrgut und man konnte immer wieder neueIdeen und Konzepte mit nach Hausenehmen. Auch durch mir überlasseneBroschüren und z. T. richtige Lehrbü-cher hatte ich genügend Material michvorzubereiten und das Projekt durchzu-führen. Mein Dank gilt Herrn Dr. Tempelund Herrn Dr. Sabel, die mir bei Gesprä-chen immer das Gefühl gaben, keineAushilfskraft zu sein, sondern mich unddas Projekt als richtig und wichtig ansa-hen.

Ursula Andres-Eich

Rund um die KartoffelEin vegetationsbegleitendes Projekt an einer Ganztagsschule

Alte Kartoffellegemaschine, für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern gutgeeignet

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umwelterziehung praktisch 47

33Schulpraxis

UP: Da Sie zu zweit arbeiteten, hattenSie eine relativ große Schüler-gruppe. Haben die Kinder das Pro-jekt selbst gewählt und wie war IhreProjektgruppe zusammengesetzt?

K-H: Zu Beginn des Projektes waren dieSchülerinnen und Schüler von derSchulleitung zugeteilt worden. Es waren20 Kinder, elf Jungen und neun Mäd-chen. Sie kamen aus der Klassenstufe 4und 5. Heute ist es so, dass sich dieSchüler zu den einzelnen Projekten ein-tragen können, je nach Neigung undWünschen. Diese Regelung halte ichauch für besser. Auch war die damaligeGruppe für eine Person zu groß, da wäh-rend des ersten halben Jahres nochSchüler dazu stießen. So fing dann auchnach Ostern 2002 Frau Paul noch in derSchule an, und wir konnten die Gruppeteilen.

UP: Haben Sie schnell Zugang zu denKindern gefunden?

K-H: Ja, das ging ganz flott. Die Kindersind sehr frei und wenn man einbisschen auf sie zu- und eingeht, danngibt es z. T. richtig herzliche Verbindun-gen. Das hat mich schon etwas erstaunt,denn wenn ich mich so an meine Schul-zeit zurückerinnere, wäre das nicht somöglich gewesen. Das ist aber auchschon länger her!

UP: Ihr Projekt war als Unterricht imKlassenraum und im Freiland ange-legt. Welche organisatorischen Rah-menbedingungen hatten Sie hierbeijeweils?

K-H: Die Schule gab auf meine Bitte hin- und für die Durchführung des Projek-tes war es auch unabdingbar - ein Stückihres Gebäudes ab, was wir dann als klei-nen Kartoffelacker anlegten. Leider dau-erte dies schon ziemlich lange, so dasswir unsere Kartoffeln erst mal in Blumen-töpfen stecken mussten. Die Kostenhierfür und für alle benötigten Materia-lien, wie z. B. Hacken oder auch Lebens-mittel für die Zubereitung von Kartoffel-gerichten, übernahm im ersten halbenJahr die Verbandsgemeinde. Nach denSommerferien 2002, also im Schuljahr 02/03 mussten die Kinder für die Lebens-mittel selbst aufkommen und auch fürdie Busfahrt. Mein Betrieb liegt 15 kmvom Schulort entfernt und kann mit demregionalen Bus bis zum Nachbarort er-reicht werden. Von dort werden die Kin-

der dann in privater Regie bis zum Hofgebracht. Leider ist solch ein Hofbesuchin der regulären Unterrichtszeit (momen-tan eine Zeitstunde) nicht möglich, sodass die Kinder dann länger an diesenTagen schulisch unterwegs sind. ZurZeit übernimmt der Schulförderverein dieKosten für die Fahrten.

Die Kosten sind ein wirkliches Problem,denn viele Schülerinnen und Schülerbringen das Geld nicht mit, andere müs-sen die AG wegen dieser Kosten verlas-sen, wieder andere dürfen erst gar nichtdaran teilnehmen. Da muss in meinenAugen noch viel verbessert werden, aberwie, das weiß ich leider auch noch nicht.

UP: Ihr Projekt fand vegetations-begleitend statt, das heißt die Kin-der konnten den Kartoffelanbau vomSetzen der Kartoffeln bis zur Ernteverfolgen. Wie sah das in der Praxisaus?

K-H: Ja, leider ist das Vegetationsjahrnicht identisch mit dem Schuljahr. Sokonnte es kommen, dass einige Schülerzwar im April die Kartoffeln gesetzt hat-ten, sie im September / Oktober abernicht geerntet haben, da sie aus ver-schiedenen Gründen nicht mehr in derAG waren. Dafür haben dann neue Schü-ler geerntet, und im folgenden April Kar-toffeln gesetzt, so dass sie die Vegetati-on im Prinzip rückwärts durchmachten.Aber alles in allem hat das eigentlichganz gut geklappt.

UP: Es gab vermutlich Tätigkeiten, die

den Schülerinnen und Schülern da-bei besonderen Spaß machten undsolche, die nicht so beliebt waren.

K-H: Sehr viel Spaß hatten die meistenbeim Verarbeiten der Kartoffeln, sprichbeim Kochen und Essen. Auch interes-sierten sich einige für bestimmte Versu-che, z. B. den Stärkegehalt oder den Fett-gehalt der Kartoffeln fest zustellen. Amwenigsten Lust hatten alle auf theoreti-schen Unterricht z. B. Herkunft und Zu-sammensetzung der Knolle o. ä.. AuchUnkraut jäten in der Sonne kam meistensnicht gut an.

UP: Wie gestalteten Sie den Unterrichtin der Schule, insbesondere auch inden Wintermonaten?

K-H: Durch Theorie, wie vorhin schongenannt, durch Verarbeiten der Kartof-feln, oder auch durch Basteln, z. B.Kartoffeldruck.

Wir haben aber auch schon mal, wenn’sgar so „kartoffelig“ wurde, was anderesgemacht, z. B. uns über die Tiere in derLandwirtschaft unterhalten.

UP: Hatten Sie während des Projektesein besonderes Erlebnis, das Sie ger-ne kurz schildern möchten?

K-H: Immer wieder gut waren die Hof-besuche. Viele Kinder haben zuerst eineScheu vorm Vieh, doch wenn sie dieKälber sehen, dann vergessen sie dieseganz schnell. Kälber sind dann richtige„Herzensbrecher“ - oder auch kleine Fer-kel. Einmal beim Besuch unseres Hofes

Kartoffelernte

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34 Schulpraxis

sahen zwei Schüler unseren kleinenNachbarsjungen mit auf dem Traktorfahren. Da sagten sie: „Der hat´s gut,der muss nicht mittags in die blöde Schu-le.“ Das hat mir zu denken gegeben. Essollte einen anspornen, den Unterrichtmittags so gut und abwechslungsreichzu gestalten, dass die Kinder Spaß dar-an haben.

UP: Es ist eine beachtliche Leistung,ein Projekt über ein ganzes Schul-jahr hindurch tragfähig zu gestal-ten. Gab es für Sie persönlich auch„Durststrecken“?

K-H: Sicher die gab´s schon mal. Wenndie Kinder z. B. immer nur kochen woll-ten, was ja meinem eigentlichen Anlie-gen, der Landwirtschaft, nicht so entge-gen kommt. Aber im Großen und Ganzengibt es so vieles zum Thema Kartoffelund auch Hilfestellung von allen Seiten

(Landfrauen, PZ), so dass man schonein Jahr damit bestreiten kann.

UP: Wie sah Ihre Bilanz als außerschu-lische Partnerin am Ende des Pro-jekts aus?

K-H: Ich hoffe, dass bei den Kindernwenigstens ein bisschen hängen geblie-ben ist, was die Kartoffel betrifft. Aufjeden Fall haben Sie etwas von den Hof-besuchen mitbekommen, was Fühlen,Sehen, Riechen und Schmecken angeht.Unterm Schlussstrich gesehen, würdeich sagen, es ist ganz gut gelaufen.

UP: Was würden Sie jemandem raten,der ein ähnliches Kartoffelprojektwie Sie durchführen möchte?

K-H: Ganz wichtig ist eine nicht zu gro-ße Gruppe, 10 Kinder sind genug! Dannmüssen die Kinder freiwillig dabei sein,d. h. sie sollten sich schon für diese AG

interessieren, eine Neigung und auchden Wunsch dabei zu sein haben. DasAlter muss auch etwas passen, das istfür die praktischen Sachen zwar relativegal, wenn´s aber an das Theoretischegeht, passen Drittklässler nicht zuAchtklässlern.

UP: Welche Pläne haben Sie für Ihreweitere Tätigkeit als außerschuli-sche Partnerin?

K-H: Nach den Sommerferien 2004, alsofür das Schuljahr 04/05 werde ich wahr-scheinlich in die Taunusschule nachNastätten wechseln. Ich werde dort einanderes Projekt anfangen. Ich denke, ichnenne es „Mit den Bauern durch dasJahr“, und es soll alle landwirtschaftli-chen Arbeiten und Produkte umschlie-ßen. Also mehr Übersicht statt so insDetail wie beim „Kartoffelprojekt“. Viel-leicht wird’s ganz gut?!

UP: Wir wünschen Ihnen weiterhin vielErfolg und danken Ihnen für das Ge-spräch

Das Pädagogische Zentrum des LandesRheinland-Pfalz entwickelt zur Zeit einesog. „Kartoffelkiste“ mit Unterrichts-materialien und Utensilien zur interakti-ven Erkundung eines Kartoffel erzeu-genden Betriebes und zu einemhandlungsorientierten und vegetations-begleitenden Unterricht zum Thema Kar-toffeln. Ilona Köhler-Heymann ist an derEntwicklung der „Kartoffelkiste“ betei-ligt und bringt Ihre Unterrichts-erfahrungen mit ein. Wir danken ihr andieser Stelle für ihr Engagement.

Das Interview führte Ursula Andres-Eich.

Projektpräsentation auf der Ganztagsschulmesse in Bad Kreuznach 2003

Die Arbeitsgemeinschaft der Land-frauenverbände verfügt über eine Reihedurch Fortbildungsmaßnahmen von PZund IFB für den schulischen Einsatzqualifizierte Kräfte. Diese stehen für denEinsatz in Arbeitsgemeinschaften, vorallem an Ganztagsschulen, zur Verfü-gung. Schulleitungen, die an der Errich-tung einer Arbeitsgemeinschaft oder ander Durchführung von Projekten in den

Bereichen Ernährung, Hauswirtschaft,Landwirtschaft, Weinbau, Gartenbau,Umwelt interessiert sind, können unterder unten genannten Adresse Kontaktaufnehmen. Ein entsprechender Koope-rationsvertrag zwischen dem Ministeri-um für Bildung, Frauen und Jugend undder Arbeitsgemeinschaft der Land-frauenverbände regelt die Einsatz-bedingungen.

Kontakt:

Arbeitsgemeinschaft derLandfrauenverbändeBurgenlandstraße 755543 Bad Kreuznach

Tel.: 0671/794151E-Mail: [email protected]

Schulisches Engagement der Arbeitsgemeinschaft der Landfrauenverbände

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umwelterziehung praktisch 47

35Schulpraxis

Wie die „Milchkiste“ entstanden ist

Wie kann man Schülerinnen und Schü-lern möglichst effektiv und nachhaltigvermitteln, wie heute in einem modernenMilchviehbetrieb im Westerwald Milcherzeugt wird und damit ein zeitgemäßesrealistisches Bild von moderner Land-wirtschaft aufzeigen? Diese Frage be-schäftigte einige Landfrauen desLandfrauenverbandes Westerwald un-ter Leitung von Dipl. Ing. agr. Dr. Moni-ka Müller und Inge Weyel zunächst imZusammenhang mit einer Sonderaus-stellung zum Thema „Vom Gras zurMilch“ im Landschaftsmuseum Wester-wald in Hachenburg.

Die interaktive, von Landfrauen und ei-ner Museumspädagogin betreute Aus-stellung erfuhr eine so große Resonanzseitens der Schulen, dass die engagier-ten Landfrauen beschlossen, bereits er-arbeitetes Material auch nach der Aus-stellung zu nutzen und weiterzuentwik-keln. Es sollte künftig zur interaktivenErkundung Milch erzeugender Betriebeeingesetzt werden. Unterstützt wurdendie Landfrauen durch Brigitta Poppevon der Staatlichen Lehr- und Versuchs-anstalt für Landwirtschaft Montabaur-Altenkirchen (jetzt: Dienstleistungs-zentrum Ländlicher Raum Westerwald-Osteifel, DLR). Das Ergebnis dieser Zu-sammenarbeit war die so genannte„Milchkiste“, ein großer Aluminium-koffer, in den das gesammelte Materialund die nötigen Utensilien gepackt wur-den, und der sich gut im Kofferraum ei-nes Pkw transportieren lässt.

Was die „Milchkiste“ bietet

Mit der so genannten „Milchkiste“ wirddie Erkundung eines Milch erzeugendenBetriebes noch interessanter und Ge-lerntes und Erlebtes bleibt noch besserim Gedächtnis haften, denn die „Milch-kiste“ bietet:

• eine handlungsorientierte Bauernhof-erkundung mit allen Sinnen

• ein höheres Maß und eine größereVielfalt an Schüleraktivitäten als beireiner Interview-Methode

• eine Fülle von Materialien, die je nachAlter und Leistungsniveau der Schü-ler ausgewählt und eingesetzt wer-den können.

Die „Milchkiste“ enthält auch Materiali-en, die über die Hoferkundung hinausim vor- und nachbereitenden Unterrichtzum Thema „Rund um die Milch“ einge-setzt werden können.

Wie die „Milchkiste“ genutzt werdenkann

Inhalt

In der „Milchkiste“ findet man folgendeMaterialien und Utensilien

1. Eimer, Fühl-Säcke, Riechflaschen zumThema Futtermittel

2. Nuckeleimer zum Tränken eines Kal-bes

3. Becherlupen, z. B. zum Betrachtenvon zerkleinertem Futter oder von zu-fällig entdeckten Insekten und Spin-nen

4. Laminierte Informationsplakate:

- Blutkreislauf der Kuh und dieMilchbildung

- Das Euter einer Kuh- Die Verdauungsorgane der Kuh- Rinderrassen in der Welt- Milchrassen im Westerwald- Ernährungspyramide einer Kuh

Ursula Andres-Eich

Lernen auf dem Bauernhof mit der„Milchkiste“

Am Beispiel eines Milchviehbetriebeserhalten Schülerinnen und Schüler soeinen unmittelbaren und intensiven Ein-blick in einen modernen landwirtschaft-lichen Betrieb, seine Struktur, Organisa-tion und Betriebsabläufe und die Ver-marktung sowie den weiteren Werde-gang seiner Produkte.

Die Eimer sind mit verschiedenem Futter (Heu, Grassilage, Kraftfutter,Biertreber, gemahlenem Körnermais) gefüllt, ebenso die „Fühlsäcke“ und„Riechflaschen“.

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umwelterziehung praktisch 47

36 Schulpraxis

- Zusammensetzung von Milchund Milchprodukten

5. Verschiedene Handreichungen fürden Unterricht z. B.

- Milchwerkstatt: „Von der Kuh inden Kühlschrank“ des Verlags ander Ruhr;

- „Rinderhaltung- Beispiel: Milch-viehhaltung in der Eifel“ aus derReihe Landwirtschaft und Um-welt, Heft 14 des PädagogischenZentrums des Landes Rheinland-Pfalz

6. Zwei Videokassetten über Milch

7. Eine Videokassette über das Abfül-len und die Verpackung von Milch inMilchtüten

8. CD: „Geräusche auf dem Bauernhof“

9. Mandalas zum Thema „Bauernhof“

10.Auch ein „Probiereuter“ zum Probe-melken kann mit der Milchkiste aus-geliehen werden.

Die verschiedenen Materialien undUtensilien sind vor dem Unterrichts-projekt zu sichten und wie bereits er-wähnt je nach Altersgruppe entspre-chend dem Leistungsniveau und demzeitlichen Rahmen auszuwählen.

Die o. g. Handreichungen enthalten zahl-reiche Arbeitsblätter, die ggf. individu-ell abgeändert werden können. Bei derHoferkundung sollte jedoch der direkteZugang zum jeweiligen Lerngegenstand

intensiv genutzt werden und das „Be-greifen“ den Vorrang haben. Schriftlicheoder auch zeichnerische Arbeiten soll-ten lediglich dem kurzen Protokollierendienen.

Die Ergebnisse des vor- und nachberei-tenden Unterrichts und auch die Hof-erkundung können in einer Projekt-mappe, deren Deckblatt von den Schü-lerinnen und Schülern selbst gestaltetwird, dokumentiert werden.

Einsatzbeispiele für den Inhalt der„Milchkiste“ auf dem Hof und in derSchule“

Vorexkursion

Vor der Hoferkundung mit den Schüle-rinnen und Schülern ist eine rechtzeiti-ge Absprache mit dem Landwirtunerlässlich, ebenso eine „Vorerkun-dung“ der Lehrkraft. Diese erhält dabeiselbst einen Überblick über den Betrieb,kann Lernstationen planen und vorbe-reiten, eventuelle Gefahrenstellen sich-ten und umgehen und weitere organisa-torische Punkte (WC?) klären. Auch aneine Sitzgelegenheit für kurze Pausen (z.B. Heuballen) für die Schülerinnen undSchüler ist zu denken.

Bei größeren Klassen/Lerngruppen soll-te eine Einteilung in Kleingruppen vor-genommen werden. Die verschiedenenLernstationen sollten Zeit versetzt an-gegangen werden. Evtl. sind dann auchzusätzliche Helfer/Aufsichtspersonenerforderlich.

Anzahl und Ort der Lernstationen unddie dort vorgesehenen Aktivitäten rich-ten sich zum einen nach den möglichenAngeboten der Milchkiste und zum an-deren nach der Anlage der Betriebsge-bäude (Ställe, Melkstand, Lagerhalle fürFuttermittel und Maschinen, Büro usw.)

Eimer, Fühlsäcke und Riechflaschensind die Utensilien, mit denen der Spei-seplan eines Rindes mit allen Sinnen fürdie Schüler/innen erfahrbar wird.

Vorbereitung:

Die verschiedenen Futterarten wie z. B.Heu, Grassilage, Kraftfutter, gemahlenerMais und Biertreber werden in die fünfblauen Eimer, die Fühlsäcke und dieRiechflaschen verteilt. Die Riech-flaschen sind eigentlich Trinkflaschen

aus Kunststoff, über die schwarze Sok-ken gezogen werden, damit man den In-halt nicht sehen kann. Vor die aufgereih-ten Eimer werden Schilder, mit der Be-zeichnung der Futterarten gestellt.

Durchführung:

Die verschiedenen Futterarten werdenden Kindern erläutert. Sie können sieanfassen und daran riechen und sichBezeichnung, Konsistenz und Gerucheinprägen.

Anschließend werden sie aufgefordertin die Fühlsäcke zu greifen und das Fut-ter an der Konsistenz zu erkennen. Ent-sprechend wird mit den Riechflaschenverfahren. Durch den kurzen Trinkhalmam Deckel wird die nach dem Futter rie-chende Luft gepresst, so dass das Fut-ter am Geruch erkannt werden kann.

Kälber ziehen bei Hoferkundungen dieAufmerksamkeit schnell auf sich. Esmacht den Kindern viel Spaß, ein Kalbmit dem Nuckeleimer, in den mitMilchaustauschern vorbereiteter Milch-ersatz gefüllt wurden, zu tränken.

An dieser Stelle kann darüber berichtetwerden, welche Bedeutung die Kälberim Bezug auf die Milchproduktion ha-ben, weshalb sie frühzeitig von derMutterkuh entfernt werden usw.. Ganzmutige Schülerinnen oder Schüler kön-nen ein Kalb auch an ihrem Finger sau-gen lassen und das Saugen später mitdem Saugen der Melkmaschine verglei-chen.

Mit den Becherlupen kann z. B. zerklei-nertes Futter wie gemahlener Mais ver-größert betrachtet werden oder auch

Schülerin übt am künstlichen Euter

Welcher Geruch kommt aus derRiechflasche?

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37Schulpraxis

zufällig gefundene Kleintiere wie Spin-nen u. ä..

Die laminierten Informationsplakatezu verschiedenen Themen sind sowohlim vor- und nachbereitenden Unterrichtals auch auf dem Bauernhof an einerLernstation einsetzbar. Zu den dargebo-tenen Informationen soll ein entspre-chendes Arbeitsblatt zur Bearbeitungausgegeben werden.

Die Videokassetten über die Milch (Zu-sammensetzung der Milch, Rohmilch,Behandlung der Milch durch Homoge-nisieren und Pasteurisieren, Bedeutungals Nahrungsmittel) und das Abfüllenund Verpacken von Milch in Milchtütenkönnen in der Nachbereitungsphaseeingesetzt werden.

Die CD „Geräusche auf dem Bauern-hof“ bietet 60 verschiedene, z. T. sehrdifferenzierte Geräusche („Kuhherde aufSchwarzwaldweide“, „Kühe fressen undSchnauben“, „Traktor nah und fern“),die man auf einem Bauernhof hörenkann. Es ist eine Herausforderung fürdie Schülerinnen und Schüler, in derNachbereitungsphase die Geräuschewieder zu erkennen und zu identifizie-ren. Damit geht gleichzeitig eine Hör- undKonzentrationsübung einher. Man soll-te allerdings einige Geräusche gezieltauswählen und nicht alle 60 nacheinan-der abspielen.

Die beigefügten Informationen zur CDsind auf Deutsch und Englisch („FarmSounds“). So besteht die Möglichkeit,

die entsprechenden Englischvokabelnim Englischunterricht unter Nutzung derCD auf originelle Art und Weise einzu-führen.

Das Ausmalen von Mandalas sollgrundsätzlich einen meditativen undentspannenden Charakter haben. Dahersollten die Mandalas zum Thema Bau-ernhof auch nicht nur wie Ausmalbilderverwendet, sondern entsprechend ein-gesetzt werden.

ErgänzendeHoferkundungsmöglichkeiten

Neben den zuvor beschriebenen Hof-erkundungsmöglichkeiten mit der

„Milchkiste“ können selbstverständlichdie sonst üblichen wie z. B. Interviewdes Landwirts mit einem vorbereitetenFragebogen in Verbindung mit der Be-sichtigung der verschiedenen Betriebs-gebäude treten.

Es sollte noch genug Zeit für spontaneBeobachtungen bleiben und auch fürspielerische Aktivitäten, z. B. einenSprung ins Heu.

Eine „Milchverkostung“ (Hygienevor-schriften beachten!) bzw. ggf. dieVerkostung von Milchgetränken bildeteine passende Abrundung der Hof-erkundung mit allen Sinnen.

Wie finde ich einen geeignetenBetrieb zu einer Hoferkundung?

Die zuständigen DienstleistungszentrenLändlicher Raum (DLR) benennen Ihnengerne landwirtschaftliche Betriebe inSchulnähe, die auf die Besichtigungdurch Schülergruppen eingestellt sind.

Wo kann die „Milchkiste“ausgeliehen werden?

Zwei Exemplare der „Milchkiste“ könnenausgeliehen werden über:

Ingrid Weber, 56470 Bad Marienberg-Langenbach, Westerburger Str. 7, Tel.:02661/4471 (nach 18.00 Uhr); Fax: 02661/2 03 96.

Eine weitere „Milchkiste“ kann beimDienstleistungszentrum LändlicherRaum Westpfalz (DLR), Lehr- und Ver-suchsanstalt für Viehhaltung HofgutNeumühle , 67728 Münchweiler an derAlsenz ausgeliehen werden. Ansprech-partnerin ist Frau Dr. Monika Reimann,Tel.: 06302/6030, Fax: 06302/603-50

Die Fotos wurden bei der Hoferkundungdes Rosenthaler Hofs in Ailertchen,Westerwald, durch das fünfte Schuljahrder Grund- und Hauptschule St. Barba-ra, Höhn, am 6. Juni 2003 aufgenommen.Wir danken Familie Mulder für ihre Gast-freundschaft und die gute Zusammen-arbeit.

Der Landwirt hilft bei denArbeitsblättern

Die Schüler notieren ihre Erkenntnisse zum „Speiseplan eines Rindes“ auf einem vorstrukturierten Protokollblatt.Heuballen statt Schulbank:

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38 Schulpraxis

Nun sollte ich also nach den Sommerfe-rien eine der neuen 5. Klassen überneh-men! Zur Vorfreude auf die Chance, eineGruppe Kinder mehrere Jahre lang durchihr Schulleben nicht nur zu begleiten,sondern durch Umsetzung alternativermethodischer Ideen, Berücksichti-gungneuer pädagogischer und lern-psychologischer Erkenntnisse unddurch viel persönliches Engagement et-was zu bewirken, das sich für das späte-re Ausbildungs- und Berufsleben derJugendlichen als wirklich sinnvoll erwei-sen könnte, gesellte sich aber auch dieBefürchtung, dem eigenen Anspruchnicht gerecht werden zu können, sichvon Zeit- und Lehrplandruck auf einge-fahrene Wege zurückdrängen zu lassenund im Schulalltag das Wesentliche, dieEr-ziehung zu Sozialkompetenz undTeamfähigkeit aus den Augen zu verlie-ren.

Nachdem mir die Zusammensetzung derKlasse bekannt war - Schüler und Schü-lerinnen mit Lernbehinderungen,Teilleistungsschwächen, Sprachstörun-gen, körperlichen Behinderungen, ge-schickt von sieben verschiedenenGrundschulen - wurde mir klar, dass ichzunächst viel Zeit in die Bildung undFestigung der Lerngruppe als soziale Ge-meinschaft investieren musste.

Deshalb suchte ich nach Möglichkeiten,Lernort und Lebensraum der Schüler undSchülerinnen kongruenter werden zu las-sen, d.h. gemeinsam viele außerschuli-sche Aktivitäten zu planen, durchzufüh-ren und in den Unterricht mit einzubau-en. Zunächst legten kleinere Einzel-unternehmungen wieSchulübernachtung, Grillfeste, Klassen-feiern, Ausflüge, Unterrichtsgänge u.ä.den Grundstock für das größere Vorha-ben, das nicht nur eine Unter-brechungdes Schulalltags sein sollte, sondern dasals wichtige, das Schulleben begleiten-de längere Aktion höhere Ansprüche anPlanung, Zielgerichtetheit, Ausdauerund Konsequenzen stellen und von den

Schülern als eigenes, als das Wir-Gefühlstärkende Vorhaben empfunden werdenkonnte, den Klassenweinberg.

Die Idee dazu war mir aus zwei Gründengekommen:

1. Der Schulstandort Koblenz wird um-rahmt von zwei Weinanbaugebieten(Mosel-Saar-Ruwer und Mittelrhein).Der Weinbau als die die Kulturland-schaft prägende Größe ist deshalbauch Sachkundethema in der Grund-schule und wird laut Erdkunde-lehrplan noch einmal in der Haupt-schule behandelt.

2. Mein Mann, Besitzer einer kleinenWeinbergsparzelle nicht allzu weitvon der Schule entfernt, war bereitmir und meiner Klasse dieses ca. 300Stock große Gelände, das Arbeits-material sowie das Werkzeug zur Ver-fügung zu stellen und den späterenWeinausbau zu übernehmen. Mirsind die anfallenden Arbeiten in ei-nem Weinberg vertraut, so dass derRealisierung des Plans jetzt nur nochorganisatorische Absprachen undnatürlich die didaktische Umsetzungvorausgehen mussten.

Die Schulleitung begrüßte die Idee alspädagogische Chance mit sozialinte-grativer Funktion und therapeutischenAspekten und sicherte mir ihre Unter-stützung zu.

Die Schüler und Schülerinnen, mittler-weile waren sie in Klasse 6, reagiertenbegeistert, als sie von dem Vorschlaghörten einen Klassenweinberg zu be-treuen. Sie wollten -sehr motiviert- gleichan die Arbeit gehen, akzeptierten jedochdie Notwendigkeit der theoretischenVorbesprechungen, der Planung allernötigen Schritte, der Aufgabenvertei-lung. Der Projektname war schnell ge-funden: „Klassenweinberg - klasse Wein-berg“. Die ganze Klasse (21 Kinder)konnte ich aus Transportgründen undwegen Aufsichts- bzw. Überblicks-

problematik nicht gleichzeitig zu Außen-arbeiten einsetzen. Daher mussten auchdie „Daheimgebliebenen“ zumindesttheoretisch Bescheid wissen, was dieArbeitskleingruppe jeweils vorhatte,bzw. diese musste hinterher berichten,was und wie gearbeitet wurde, wasschwierig, schön, langweilig o.ä. war.Deshalb suchten wir zunächst im Brain-storming-Verfahren nach Vorkenntnis-sen. Zwei Schüler konnten bereits voneigenen Erfahrungen mit Weinbergs-arbeiten berichten. Im gelenktenUnterrichtsgespräch entstand eine lan-ge Liste anfallender und möglicher er-gänzender Arbeiten. Um die Fülle zustrukturieren, ordneten wir jedem Mo-nat eine Aktion zu. Die Überlegung war,wenn wir ein bis zwei Nachmittage proMonat für den Klassenweinberg ansetz-ten, hätte jeder mindestens zweimal dieGelegenheit des persönlichen Einsatzes.Diese Vorplanung machte jedem deut-lich, dass es bis zum vorzeigbaren End-ergebnis vielfältiger Schritte bedarf, dasses zwar lange dauert, bis die Aktion ab-geschlossen sein wird, dass aber nie-mand mittendrin aufhören oder, weil erdie Lust verloren hat, einfach aufgebenkann. Es wurde jedem klar, dass es hierden „Knopf zum Abschalten“ nicht gibt,dass verantwortungsvoll weitergemachtwerden muss, damit die nächste Gruppeihren Einsatz sinnvoll und effektivdurchführen kann, dass sich niemandausklinken darf, weil jeder in seiner Grup-pe wichtig ist. Dieses Bewusstwerden,dass wirklich jeder gefordert ist, sich ge-mäß seiner Fähigkeiten einzubringen,förderte schon während der Planungs-phase das Gemeinschaftsgefühl derKlasse.

Des Weiteren fiel allen schnell auf, dassdas Thema „Klassenweinberg“ nicht ei-nem einzelnen Schulfach zuzuordnenwar, was meiner Einstellung zurSinnhaftigkeit fächerübergreifendenUnterrichts sehr entspricht. Wir fandenumsetzbare Themen für die Fächer: Bio-

Cornelia Löwenstein

Projektbericht Klassenweinberg- klasse Weinberg

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umwelterziehung praktisch 47

39Schulpraxis

logie, Chemie, Erdkunde, Deutsch, Ma-thematik, Englisch, Arbeitslehre/Haus-wirtschaft, Arbeitslehre/ TechnischesWerken, Bildende Kunst und TextilesGestalten, die im Folgenden näher dar-gestellt werden

Organisatorisch vereinbarten wir denEinsatz der Arbeitsgruppen für den Mitt-woch nach der 4. Stunde. Für die betref-fenden Schüler bedeutete dies eine Stun-de weniger Unterricht, dafür ca. 3 Stun-den Arbeitseinsatz. Die anderen Kinderhatte die letzte, die 5. Stunde, unterrichts-frei, waren aber dafür in einem der kom-menden Monate bei anderen Einsätzenin ihrer jeweiligen Gruppe bei denen, dielänger arbeiten mussten. Da ich vieleFächer selbst unterrichte und durchWochenplanarbeit die Unterrichts-inhalte einer Woche variabel sind, fielauch nicht immer der gleiche Unterrichtaus. Absprachen mit Kollegen warennoch nicht notwendig, weil entweder derUnterricht in diesem Schulhalbjahr vonmir abgedeckt wurde oder die Fächer(z.B. Chemie und Arbeitslehre) erst in dersiebten Klasse auf dem Stundenplan ste-hen würden.

Zunächst jedoch war eine Eltern-information nötig, nach deren Rücklaufdie vorläufige freiwillige Gruppenein-teilung erfolgte. Ein großes Wandplakatentstand, auf dem die monatliche Ar-beitsplanung, Zeichnungen und Kopi-en von bei der Arbeit entstandenen Fo-tos gesammelt wurden und das im Laufedes Jahres immer voller wurde.

Januar:

Das Schneiden

Zum Schneiden der Reben war dann dieerste Gruppe mit Eifer bei der Sache. Ar-beit an der frischen Luft, das ungewohnteStehen und Agieren auf steinigem, stei-len Untergrund, das Gefühl beim Zurück-schauen die Anzahl der fertig bearbeite-ten Rebstöcke wachsen zu sehen, d.h.erfolgreich zu sein, etwas zu können,verantwortlich zu sein für das, was rich-tig oder vielleicht auch falsch abge-schnitten worden war, am Ende die „an-dere Sicht der Welt von oben“, das alleswaren neue Erfahrungen für die Kinder,die ihre Begeisterung bis zum nächstenSchultag konservieren konnten unddann ihren Mitschülern vorschwärmten,wie schön es gewesen sei, trotz Blasenan den Händen und Höhenangst, und

trotz integriertem Mathematikunterricht(Anzahl der Stöcke schätzen, Über-schlagrechnung, Anzahl der noch zu be-arbeitenden und der schon fertigen Stök-ke, kurz: 1x1- Training).

Kleine Begebenheit am Rande: ein nichtunproblematischer Schüler, verhaltens-auffällig und teilleistungsgestört, dernicht zu der ersten Gruppe gehörte, aberin der Nähe wohnt, erschien plötzlichund wollte „mal gucken“; dann half erfleißig mit und beim Abschlussfoto stell-te er sich -ungewöhnlich genug für densonst fotoscheuen Jungen- nicht nurdazu, sondern strahlte nur so in dieKamera .

Die anschließend fälligen Berichte fürden Deutschunterricht wurden erwar-tungsgemäß nicht gerade mit Begeiste-rung geschrieben, die Aussicht auf dieVeröffentlichung in einem Klassen-weinbergstagebuch, vervielfältigt undgebunden für alle Eltern und dieSchulleitung ließ die Schüler trotzdemwillig daran arbeiten. Die Texte spiegelndie positiven Eindrücke der Schüler undSchülerinnen wider und wurden zum Teilliebevoll verziert.

Februar:

Das Biegen

Als Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit un-sere Schule, aber besonders als Moti-vation für die Schüler und Schülerin-nen hatte ich die Rheinzeitung über un-ser Projekt informiert und einenInterviewtermin vereinbart. Wie wichtigdies den Kindern war, zeigte die Tatsa-che, dass alle sich intensiv und erfolg-reich an einer großen Klassenaufräum-und Putzaktion beteiligten. Sie wollteneinen guten Eindruck machen. Beim In-terview selbst benahmen sie sich aus-gesprochen gut und der Fototermin beimzweiten großen Arbeitseinsatz, dem Bie-gen der Reben, wurde aufgeregt erwar-tet. Der Bericht in der Zeitung schließ-lich und die darauf folgenden Nachfra-gen und Lobesäußerungen von Kolle-gen und Eltern machte die Klasse sehrstolz.

März:

Das Pflanzen

Um das Projekt noch mehr in die Schulehineinzubringen, andere Schüler dafürzu interessieren und sensibilisieren und

die eigene Klasse auch Jahre nach ihrerSchulentlassung an der Schule in Erin-nerung zu behalten, hatten wir uns vor-genommen, auf dem Schulgelände eini-ge Reben zu pflanzen. Die Reben wur-den neben dem unüberdachten Gehwegzu einem Seitenpavillon gesetzt. Bei ent-sprechender Finanzlage der Schule sollhier einmal eine rebenbewachseneHolzpergola entstehen, die es ermögli-chen soll trockenen Fußes zum Unter-richt in besagten Pavillon zu gelangen.Unter Umständen werden die Schülerspäter einmal im Fach Arbeitslehre/Tech-nisches Werken selbst daran mitarbei-ten können. Tränen gab es kurze Zeitspäter, als diese gepflanzten Reben mit-samt den die Pflanzstäbe ersetzendenWeinbergspfählen herausgerissen, zer-stört bzw. zerbrochen worden waren.Zwar meldeten sich schließlich die Übel-täter, Schüler einer 8. Klasse, die unterder „fachmännischen Anleitung“ meiner6b den Schaden zum Teil wieder gutma-chen konnten, vier Reben waren jedochnicht mehr zu retten und müssen im näch-sten Frühjahr nachgepflanzt werden.Meine Schüler, sonst eher etwas gleich-gültig beim Zu-Bruch-Gehen fremdenEigentums, hatten hier plötzlich mit Un-verständnis, Wut und Trauer reagiert,was im Unterrichtsgespräch aufgegrif-fen und bewusst gemacht werden konn-te und vielleicht dazu beiträgt, das eige-ne Verhalten anderen und Dingen ande-rer gegenüber zu reflektieren, bzw. zuändern. Die vier verbliebenen Rebenwurden jedenfalls häufiger kontrolliert,von Grasbewuchs freigehalten, gegos-sen und beim Wachsen beobachtet.

April:

Das Herstellen von Stickbildern fürGeleegläser

Die Gruppe, die in diesem Halbjahr imFach Textiles Gestalten unterrichtet wur-de und gerade Kreuzstiche übte, entwik-kelte die Idee für das im Herbst geplanteTraubengelee Deckchen für dieGeleegläserdeckel mit Traubenmotivenzu besticken. Diese Eigeninitiative, diedankenswerterweise von der Kolleginaufgegriffen wurde, zeigte, dass dieSchülerinnen das Ganze wirklich als ihreeigene Sache ansahen. Gerne nahm ichdeshalb diese Aktion in den Gesamt-arbeitsplan mit auf.

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umwelterziehung praktisch 47

40 Schulpraxis

Mai:

Das Abfüllen

Da auch im Mai keine Außenarbeitenanstanden, nutzten wir die Gelegenheitzu einem Unterrichtsgang zum Weingutmeines Bruders, der am 14.5. die Abfül-lung seiner Weine geplant hatte. Die-sen Vorgang wollte ich meinen Schülernund Schülerinnen nicht vorenthalten.Interview- und Beobachtungsaufträge,die anschließend in Berichtform zu brin-gen waren, sowie die Aufgabe, die Füll-anlage zu skizzieren oder zu zeichnenwaren die Aktivitäten, die sich in denDeutsch- bzw. den Kunstunterricht in-tegrieren ließen.

Juni/ Juli:

Das Auspflücken und Binden

Das Auspflücken Anfang Juni bei schö-nen warmen Temperaturen klappte gut.Die Kinder hatten schon ungeduldig aufden Arbeitstermin gewartet, denn schonso lange waren wir nicht mehr im Wein-berg gewesen. Der Schulleiter war dies-mal mitgekommen und die Schüler undSchülerinnen konnten zum ersten Malstolz vor Ort berichten, was sie schonalles gearbeitet und gelernt hatten. Daszweimalige Binden der Sommertriebe warfür die Kinder sehr anstrengend.. Un-übersichtliche Triebe, motorische Unge-schicklichkeit beim Knotenmachen undregnerisches Wetter stellten hohe An-forderungen an das Durchhaltevermö-gen. Die Tatsache, dass der Konrektorunserer Schule, der die Klasse in Erd-kunde (Fachbezug lt. Lehrplan und Lehr-buch bzg. Geologie und Umwelt-problematik/Landschaftsschutz) undMathematik unterrichtet, zum Helfen mit-gefahren war, motivierte jedoch mancheaufkommende Lustlosigkeit zu ignorie-ren.

September:

Das Pflanzenbestimmen

Ich hatte aus dem Weinberg eine Viel-zahl von verschiedenen Wildkräutern alsgroßen Strauß mit in die Klasse gebracht,außerdem einige Bücher und Lexika zurPflanzenbestimmung. Die Schüler hattennun die Aufgabe, sich in Partnerarbeiteine der Pflanzen auszuwählen, sie in denNachschlagewerken zu suchen, abzu-zeichnen und die Beschreibung zu no-tieren. Die so entstandene Wandzeitung

diente als Grundlage zur Besprechungim Biologieunterricht, als Gedanken-stütze beim Vortrag der Schüler ihrer Er-gebnisse vor der Klasse, als Klassen-schmuck und letztendlich als neues Ka-pitel in unserem Klassenweinberg-Projekttagebuch. Neben dem biologi-schen Aspekt (Pflanzenschutz/ „Un-kraut“-Bekämpfung/ Gründüngung) hat-te dieses Teilthema natürlich auch einenästhetischen Anspruch, d.h. zeichneri-sche Qualitäten waren gefordert undkonnten als Leistungsnote im Fach Bil-dende Kunst ihren Niederschlag finden.Hier hatte sich übrigens schon eine Fül-le von Projekt bezogenen Themen erge-ben. Natürlich wurden im Laufe des Jah-res die Arbeitsschritte zeichnerisch do-kumentiert. Die Arbeit einer Schülerinüber das Vorher und Nachher beim Bie-gen war so dekorativ, dass wir es alsUmschlagmotiv für unser Projekt-tagebuch auswählten. Junge Trieb-spitzen und kleine Blättchen wurdengepresst und für einen späteren Eltern-abend zu Tischkarten verarbeitet (Anla-ge 15 a), bzw. als Schulung der Fein-motorik und als Training zum genauenBeobachten abgezeichnet. Aus dem glei-chen Grund ließ ich Arbeitsgeräte wieDrahtscheren oder Rebscheren abzeich-nen. Die Etiketten für das Traubengelee,den Federweißen und den fertigen Weinwaren neben der Bastelarbeit eines Zier-korkens (Modelliermasse) die bildneri-schen Themen des 1 Halbjahres derKlasse 7.

Für das Fach Deutsch wurden die stän-digen Berichte der einzelnen Arbeits-schritte bereits erwähnt. Im kommendenHalbjahr werden diese Berichte noch ein-mal Unterrichtsgegenstand sein, wennwir versuchen werden, die persönlichenAspekte, die Formulierungen, die auf dieBeziehungsebene abheben, von den reinsachlichen fachlich begründeten Infor-mationen zu trennen, um die Aufsatz-gattung „Bericht“ korrekt zu bearbeiten.

Die Wortspiele und Gedichte, die imDeutschunterricht auch entstanden,haben den Schülern und Schülerinnenbesonders viel Spaß gemacht. Sie wa-ren im Schwierigkeitsgrad differenziert,dadurch war auch für die schwächerenSchüler ein Erfolgserlebnis zu erwarten.So sollten als einfachste Übung mit denBuchstaben des Projekttitels „Klassen-weinberg“ neue, inhaltlich zum Thema

passende Wörter gebildet werden. Au-ßerdem hatte ich zwei verschieden„Gedichtgerüste“ vorgestellt, die durchihre strenge Strukturierung den Kindernermöglichten, rhythmisierte Aussagenzum Thema, kurz, ein Gedicht zu verfas-sen. Ich wählte das bekannte„Elfchen“(elf Wörter, zeilenweise stei-gernd gegliedert, mit der letzten Einwort-zeile als Höhepunkt) und das etwasschwierigere Wortart bezogene Gedicht,von uns „Wobi“ genannt, (1. Zeile: Sub-jekt, 2. Zeile: 2 Adjektive durch und /oder verbunden , 3.-5. Zeile Verb + Er-gänzung, Subjekt bezogen, 6. Zeile: zu-sammenfassendes Adjektiv). Für denEnglischunterricht hatten wir alle mögli-chen Vokabeln aufgeschrieben und beimNachschlagen im Wörterbuch gleichzei-tig wieder den Umgang mit Lexika trai-niert. Die gefundenen englischen Begrif-fe sollten nun zu einem Wortbild zusam-mengefügt werden. Die schwächerenSchüler bekamen als differenzierte Auf-gabe den Auftrag Wortlisten entspre-chend den Wortarten zu bilden.

Im Fach Biologie behandelten wir außerder oben bereits angesprochenen Pflan-zen-bestimmung der Weinbergswild-kräuter besonders die Problematik desTraubenwicklers und die Weinbergs-schnecke, der in unserem Biologie-lehrbuch „zufällig“ ein Kapitel gewid-met war.

Oktober:

Die Weinlese

Kurz vor den Herbstferien konnte eineSchülergruppe bei schönstem Wetter beider Ernte der Trauben dabeisein. MitFeuereifer waren alle bei der Arbeit undbedauerten, dass die Parzelle so schnellabgeerntet war. Anschließend - dreiSchüler durften mit dem Traktor mitfah-ren- gab es im Weingut meines Mannesdie Gelegenheit, die Kelter in Aktion zusehen und frisch gepressten Most zuprobieren. Zunächst wurde den Kindernerklärt, wie ein Refraktometer funktioniertund wozu man ihn benutzt, danach gabes eine kleine Kellerführung und einenkurzen Ausflug in die Weinchemie, bzw.Erläuterungen zur alkoholischen Gärung.

In Arbeitslehre/Hauswirtschaft stelltedie Gruppe nun nicht nur das schon er-wähnte Traubengelee her. Ca. zwei Wo-chen nach der Ernte hatte sich der Fe-derweißer soweit entwickelt, dass wir je

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41Schulpraxis

eine Flasche davon dem Schulleiter unddem Konrektor schenken konnten, ver-schönert durch ein von einem Schüleraus eigenem Antrieb selbst am Compu-ter gestaltetes Etikett und gedacht alsDank für die praktische und organisato-rische Unterstützung unseres Projekteswährend der letzten zehn Monate. Die-se Überreichung wollten wir gerne wie-der von der Rheinzeitung dokumentierthaben und baten noch einmal die Jour-nalistin und den Fotografen zu uns. Da-mit das Ganze noch pressewirksamerwurde, backten wir mit der Arbeitslehre-Gruppe noch einen Zwiebelkuchen, dernach dem Fototermin gemeinsam ver-speist wurde.

November/Dezember:

Die Endprodukte

Die bereits erwähnte Etiketten-gestaltung für Wein und Traubengelee,die Zierkorken-herstellung und die Ver-packung als Geschenke fiel in die Vorbe-reitungen zur Weihnachtsfeier und war

dadurch entsprechend motivierend. DieFreude und das Lob der Eltern nach derÜberreichung, die positive Resonanzdurch die Presse und durch das Kollegi-um und die Erfahrung von solidarischemHandeln, gemeinsamer Anstrengung,neuen, bisher kaum bekannter Fähig-keiten wie ein Ziel langfristig verfolgen,etwas schaffen, etwas gut machen kön-nen, durchhalten, kurz, Erfahrungen, diemeine Schüler und Schülerinnen im nor-malen Schulalltag selten machen, führ-ten dazu, dass die Klasse dieses Jahres-projekt sehr positiv bewertete, mit Be-geisterung davon erzählt und mich bat,es als freiwillige Arbeitsgemeinschaft imnächsten Jahr fortzuführen.

So werden wir im kommenden Januarwieder mit dem Rebschnitt beginnen.....

Nachwort:

Das Projekt „Klassenweinberg – klasseWeinberg“ ist schon einige Jahre alt.

Mittlerweile haben diese Schülerinnenund Schüler ihre Schulzeit hinter sichund sind längst entlassen. Ich selberunterrichte nicht mehr an dieser Schuleund konnte so auch dieses Projekt nichtmehr mit anderen Schülern fortsetzen.Im Rückblick kann ich jedoch sagen,dass sich der Aufwand und der Einsatzauf jeden Fall gelohnt haben: Bei allenBeteiligten ist diese Projektzeit in sehrguter Erinnerung geblieben ist. Das so-ziale Miteinander ist in hohem Maßepositiv geprägt worden. Der Lernstoff,der innerhalb des Projektes angespro-chen und vermittelt wurde, blieb lange -und ich schätze im Sinne einerNachhaltigkeitserziehung in der Tat überdie Schulzeit hinaus - verfügbar. Auchich habe viel dabei gelernt. Ich habemeine Schüler und Schülerinnen in ganzanderen Situationen kennen gelernt alsnur im Schulalltag und dadurch vielesviel besser verstanden.

Der Wingert, die Kultur und dieMenschen an Rhein und Mosel

. Bedrückend und schmerzlich zugleichhat mich in den letzten Jahren die zu-nehmende Anzahl von Brachflächen amMittelrhein und dabei besonders in denSteillagen berührt. Arbeits-intensität,Nachfolgeprobleme, Kosten-Nutzen-Relation und eine Vielzahl wei-tererSchwierigkeiten und teilweise un-ein-sehbare Reglementierungen wurden imGespräch mit Winzerfreunden als Ursa-che für Betriebsaufgaben formu-liert.Aus Anlass einer Weinprobe, bei der dasschwere Gitter einer „Schatz-kammer“geöffnet worden war, wurde ich vor ei-nigen Jahren, als ich die zuneh-mendeVerwilderung einiger Parzellen ansprach,spontan dazu eingeladen, doch selbst

die Arbeit im Wingert in die Hand zunehmen. An guten Rat-schlägen werdees nicht mangeln; es ließe sich alles er-lernen; man wolle mir behilflich sein; mei-ne berufliche Tätig-keit ließe mir dochwohl genug Zeit und ich hätte bestimmtinteressierte Ju-gendliche, die ich begei-stern könnte ... und überhaupt ... undso! Es kam, was kommen musste!

Ich hatte vor einigen Jahren meine selb-ständige Erwerbstätigkeit gegen die Tä-tigkeit eines Lehrers in einer Haupt-schu-le getauscht. Alsbald fand ich mit Zu-stimmung des Schulleiters eine Gruppevon Mädchen und Jungen, die sich fürdie Aufgaben von Land-schaftsschutzund Naturschutz, wie auch für die Ar-beit in einer Steillage im benachbartenWeinort begeistern konnte.

Es waren keine Kinder aus Winzer-familien, keine Öko-Freaks, keine Al-ternativen: die Arbeitsgemeinschaft be-stand aus lernwilligen jungen Men-schen unterschiedlichster Sprache undKulturkreise!

Die Idee vom Schulwingert war entstan-den und musste nun mit Leben gefülltwerden.

Der zeitliche Rahmen

• die Vorlaufzeit von der Idee bis zurersten Arbeit im Weinberg

• welche zeitliche Dimension kann fürdie Gesamtlaufzeit der Maßnahmevorgesehen werden

Nachdem die grundsätzlichen recht-

Claus Kruft

Der Schulweinberg NeuwiedIdee, Erfahrung und Perspektiven

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42 Schulpraxis

lichen und organisatorischen Überle-gungen zumindest formuliert waren,konnte ich dem Leiter der Schule einenVorschlag machen, in welchem Rahmeneine Arbeitsge-meinschaft „Weinberg“gestaltet wer-den könnte:

Als Alternativen stellten sich:

• allwöchentlich freitags am Ende desSchulvormittags 2 Schulstunden

• monatlich ein kompletter Schulvor-mittag

• freiwillige Arbeitsgemeinschaft an ei-nem außerschulischen Lernort

• Nutzung von Projekttagen und Wan-dertagen

Bereits nach Ablauf des ersten Arbeits-jahres im Wingert machte ich, wie aucheigentlich nicht anders zu erwarten war,die Erfahrung gemacht, dass eine Misch-form aus den formulierten Alternativeneine vernünftige Lösung ergab.

Die allwöchentlichen 2 Schulstun-densind dringend für die theoretische Er-schließung des Stoffes erforderlich; fürdie Frühjahrs- und Sommerarbeiten kön-nen im Rahmen einer Exkursion auchSchülerinnen und Schüler gewon-nenwerden, die sowohl die körperliche Ar-beit im Steilhang als auch für andere Ar-beitsgemeinschaften Ziele verfolgenkonnten (Umweltschutz, geologischeFragestellungen, Biologie, Erdkunde).Laubarbeit im Sommer kann durch stun-denweisen Einsatz bewältigt wer-den.

Spritz- und grobe Bodenbearbeitungs-maßnahmen werden gegen entspre-chendes Entgelt vom partnerschaftlichverbundenen Winzer übernommen.

Die Lesearbeit im Herbst ist ein all-seitsbeliebtes Ereignis, zu dem sich viele In-teressenten schon weit im vor-aus mel-den.

In der Retrospektive kann zusam-mengefasst werden, dass der Einsatzvon ca. 12 Jugendlichen aus den 8./9.Klassen gut zu organisieren und die an-fallenden Arbeiten zu erledigen sind.

Nicht absehbar ist die Laufzeit derGesamtmaßnahme „Weinberg“, da auchhierfür die Unwägbarkeiten finan-ziellerArt, der gesundheitlichen Ver-fassungdes zuständigen Lehrers, der Bereit-schaft des mitwirkenden Winzers undnicht zuletzt des, die „Störungen erdul-

denden Lehrerkollegiums“ zu be-rücksichtigen sind.

Wünschenswert ist jedoch eine Laufzeitund darauf sollte auch eine evtl. Förde-rung abgestimmt sein, die die investier-te Arbeit der Rekultivierung sowie Bo-den-, Pflanzen- und Landschaftspflegevertretbar erscheinen lässt. Unter 5 Jah-ren Laufzeit sollte eine solche Maßnah-me nicht in Angriff genommen werden.

Das Gelände

• welches Gelände kann mit Jugend-lichen bearbeitet werden

• welche Lage ist wünschenswert undwas ist kostengünstig zu bekommen

• Steillage oder Ebene; Gerätschaft etc.

Schnell beantwortet ist die Frage nachder Ideallage. Was für einen Winzer einegut und schnell zu bearbeitende Lageist, ist für eine Arbeitsgemeinschaft vonund mit Schülern erst recht eine guteAusgangsbedingung. Die Schwierigkeitbesteht eben nur in der Freigabe einersolchen Parzelle durch einen Winzer. DerWinzer, der sich bereitfand, eine Parzellezu über-lassen, bearbeitet selbst über-wiegend Steillagen; die Jugendlichenfanden sich schnell mit den Gegeben-heiten in einem Hang von ca. 35° - 40°Neigung zurecht. Es bereitet auch imzweiten Jahr die Bereitstellung geeigne-

ten Schuhwerks erhebliche Schwierig-keiten. Da die Schülerinnen und Schülerüberwiegend modischen Trends nachTurnschuhen und deren Abwandlungenfolgen und Eltern häufig Ausgaben füreng begrenzte Anwendungsgebietescheuen, mussten zuweilen Schüler vonder Teilnahme an Arbeiten im Steil-hangausgeschlossen werden.

Abgesehen von der Möglichkeit, ei-neEbene leicht bearbeiten zu können undauch entsprechende Gerätschaft einset-zen zu können, sofern sie verfüg-bar ist,werden die Überlegungen hin-sichtlichder Bearbeitung eines Steil-hangs vonden finanziellen Möglichkeiten derSchülergruppe beeinflusst. Ein wenig er-tragreicher Hang beinahe in einer Nord-west-Lage mit schwerem Boden wirdunter dem Gesichtspunkt einer evtl. Be-rücksichtigung bei der Mengen-regulierung überall sehr schnell für dieBearbeitung durch Schüler zu findensein. Jedes weitere zugestandeneQualitätsmerkmal eines Weinbergs soll-te froh und dankbar angenommen undauch deutlich erwähnt und gelobt wer-den!

Die Frage nach der Winzerschaft

• Freunde oder unerbetene Eindring-linge; Ablehnung oder Unterstüt-zung

Auf dem Weg zur Weinlese

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umwelterziehung praktisch 47

43Schulpraxis

• die Mentalität der Einheimischen undder Kulturfremden

• am Rande die Frage nach einer Reli-gionszugehörigkeit

Wenn man weiß, dass ein Weinort seitvielen Jahren, z. T. Jahrhunderten voneiner überschaubaren Anzahl vonWinzerfamilien ihr Gepräge erhalten hatund auch heute noch vielerorts trotz al-ler Schwierigkeiten ein gesundesSelbstbewusstsein hinsichtlich der ei-genen Möglichkeiten besteht, so wirdsich ein Fremdling, der zwar als Be-sucher und auch als Weinfreund ge-schätzt wird, zunächst einer gewissenReserviertheit begegnen, sollte er sichals Winzer bestätigen wollen.

Unumwunden seine Lernbereitschaftund Wissbegier zu bekunden, hilft evtl.Zurückhaltung abzubauen. Wer erzähltnicht gerne von der Geschichte seinesHeimatortes, wer möchte nicht seinevon der großen Politik beeinflusstentäglichen Schwierigkeiten mitteilen undsomit um Verständnis werben. Wer alsFremder die Arbeit des Winzers einzu-schätzen und zu schätzen lernen möch-te, wird sich alsbald im Steilhang in ei-ner Arbeitsgruppe wiederfinden können.

Die örtlichen Winzer der Gemeinde, inder unser „Schulwingert“ liegt, habenalsbald gesehen, dass es bei dem Vorha-ben nicht um eine vollmundige Ab-sichtserklärung ging, sondern dass dieüberlassene Steillagen-Fläche mit har-tem körperlichem Einsatz von den Ju-gendlichen bearbeitet wurde.

Teilweise wurde im kleinen Kreis dieÜberlegung angestellt, ob denn keineÜberforderung der jungen Leute zu ver-zeichnen sei?

Nachdem der erste Wein abgefüllt warund verkostet werden konnte, kam ausdem Kreis der Winzerschaft der Vor-schlag, diesen Wein aus demSchulwingert bei einer öffentlichenWeinprobe, außer Konkurrenz – ver-steht sich – mit zu präsentieren. Die Ar-beitsgemeinschaft war stolz auf dieseAnerkennung.

Unterrichts und Arbeitszeiten

• Zeiten, Inhalte und Einbindung in denUnterricht

• Fragen von Eltern und Erziehern: Auf-klärungsarbeit durch wen?

• wessen Liebhaberei wird ausgenutztoder unterstützt?

Wie bereits an anderer Stelle dargelegt,stellt sich die Frage nach den erforderli-chen Arbeitszeiten in den dem Winzergut bekannten Jahreszeiten mit demhöchsten Arbeitsaufkommen sehr deut-lich. Sind doch zumeist diese Arbeits-zeiten im Wingert zugleich auch Zeiten,die im schulischen Alltag eine gewisseHektik mit sich bringen. Die Zeit zwi-schen Karneval und den Osterferien sollden Kollegen die Möglichkeit bieten,Wissensstandkontrollen vorzunehmen,Schülern gezielte Hilfestellung zu leistenund im Hinblick auf besondere Lei-stungsstärken oder mögliche Schwä-chen hinsichtlich einer Berufs-orientierung Empfehlungen zu formulie-ren.

Fallen für Schneidearbeiten im Wingertaus einem Klassenverband mehrere Teil-nehmer aus, so lässt sich die entstehen-de Ärgerlichkeit der Kollegen nachemp-finden.

Andererseits muss die Arbeit erledigtwerden und kann nicht auf einen demSchulleben angenehmeren Zeitpunktverschoben werden, wenn nicht erheb-liche Qualitäts- oder Mengeneinbußenakzeptiert werden sollen.

Der Einwand der evtl. in Nachmittags-stunden zu verlegenden Arbeiten soll ananderer Stelle noch ausführlicher beant-wortet werden. Es sei hier jedoch bereitsauf die Situation der Schule als einerHauptschule mit einem Einzugsgebietvon bis zu knapp einer Fahrstunde zwi-schen Wohn- und Schulort verwiesen.Die Fahrt zum Weinberg kommt dann mitöffentlichen Verkehrsmitteln noch hin-zu. Insgesamt betrachtet, handelt es sichum An- und Abfahrtwege, die ohne ei-nen Charterbus kaum darstellbar sind.

Die im Jahreskreislauf auftretenden Ar-beiten und Fragestellungen sind sicher-lich in das Unterrichtsgeschehen vielerKollegen einbaubar, doch zeichnet sichin diesem Zusammenhang ausgespro-chen oder unartikuliert der Vorbehalt ab,was denn wohl ein Weinbau betreiben-der Kollege „ausgerechnet mir“ an neu-en Aspekten aufzeigen könne. „MeinSystem läuft seit Jahren und Neuerun-

gen bringen nur Unruhe!“

Dieser Aspekt der unterrichtlichen Ge-staltung mag noch ein gewisses Ver-ständnis für statische Denkweisen fin-den; viel schwieriger sind Vorbehalteüberhaupt in Erfahrung bringen, die ei-nem Bierkonsumenten oder Wein-Fer-nen im Kopf herumspuken. Unausge-sprochen kann man argumentativ nichtbegegnen; es handelt sich hierbei umatmosphärische Dinge, die immer wie-der „feinsten Sand“ ins Getriebe derAktivität streuen.

Da nicht jedes Kollegium in der glückli-chen Lage ist, den Wein als ein die Um-gebung bestimmendes Medium zu erle-ben, muss oder besser müsste der„Weinbergs-Lehrer“ immer wieder Auf-klärungsarbeit bei Lehrern, Eltern,Schulleitung und möglicherweise vorge-setzter Behörde leisten.

Eigene Begeisterung ist nur bruchstück-haft weiterzugeben und ... unterliegt demRisiko, als persönlichen wirtschaftlichenInteressen entsprungen, interpretiert zuwerden.

AußerunterrichtlicheArbeitsgemeinschaft als Sozialarbeit

• Arbeitszeiten des Lehrers; Anrechen-barkeit auf Unterrichtsstunden

• der Lehrer als Sozialarbeiter und Ani-mateur

„Wir müssen unserer Jugend die Mög-lichkeit bieten, die Freizeit sinnvoll zugestalten“... gut!

Mir sei nur angesichts immer weiterschrumpfender Finanzmittel die Frageerlaubt, die bereits vor vielen Jahren inForm eines Karnevalsschlagers ihrenNiederschlag fand: „ Wer soll das be-zahlen?“

Die für den Unterricht und entsprechen-de Vorbereitung vorgesehene Zeit istklar umrissen; für Lehrer und auch fürSchüler, so sie ihre Arbeit in der Schuleernsthaft als solche in ihrem Tagesab-lauf eingeplant haben. Wer sich als jun-ger Mensch durch sportliche Tätigkeit,sein „Jäger- und Sammler-Dasein“ oderseine Einbindung in Familie den Sinnseiner Freizeit selbst gibt, kommt nichtin Bedrängnis dergestalt, dass er ohnedie Anleitung eines Animateurs seinLeben nicht zu füllen wüsste.

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umwelterziehung praktisch 47

44 Schulpraxis

„Wir müssen als Lehrer mehr für die Ju-gend tun!“ gut!

Wann bitteschön und wo? Aus Sozial-verbänden herausgerissene Schüler fin-den sich in der Überzahl nicht in dörf-lich strukturierten Wohnplätzen; dort istdie Welt weitgehend in Ordnung. Hiergibt es eine Großmutter, einen Garten,eine Pferdekoppel ... man versteht mich?

Die inzwischen in Rheinland-Pfalz vie-lerorts eingeführte „Ganztags-Schule“lässt Hoffnung schöpfen, dass vielleichthier und da an günstig gelegenenSchulstandorten die in einer Arbeitsge-meinschaft gemachte Erfahrung derge-stalt umgesetzt werden kann, dass einlangfristig angelegtes Projekt darauswird. Ungeklärt ist jedoch die Frage nachgeeignetem, entsprechend begeistertemund begeisterndem Personal.

Ein in den Fächern Mathematik und Phy-sik ausgebildeter Lehrer ist nichtzwangsweise auch ein Mensch, dernachmittags mit Jugendlichen Tischten-nis spielt oder spielen möchte, oderLaubarbeit im hochsommerlichenWingert erbringt.

„Am Gelde hängt, zum Gelde drängtdoch alles!“

Ohne eine wesentlich großzügere Aus-stattung mit Finanzmitteln werden Be-schädigungen, Übergriffe, Lustlosigkeitund Erkenntnis von Perspektivlosigkeitbei Jugendlichen in Stadtkernen undVororten mit noch so viel guten Wortennicht aufzufangen sein. Es bleibt weiter-hin die Frage, wer denn letztlich die hierangedeutete Jugendarbeit zu seiner Auf-gabe machen will!

Fächerübergreifendes Arbeiten

• die Illusion des gemeinsamen Han-delns oder: wer kann mit wem?

• Eifersucht und Empfindlichkeiten

• die Angst vor der Ent-Deckung

• die Utopie von den erfüllten Wün-schen

Einen Mitarbeiter kann man sich (nicht)aussuchen. Kann man wirklich nicht,oder kann man doch? Viele Kollegen ineinem Lehrerkollegium harmonieren undkönnen gewiss miteinander ein gesteck-

tes Ziel beschreiben, eingrenzen undkonstruktiv angehen, solange ..., ja, so-lange sie jeder für sich an der Sache ar-beiten können. Das gemeinsame Ergeb-nis kann dann, wenn’s gutgeht eineminteressierten Publikum vorgeführt wer-den. Dies ist eine Methode; es gibt auchnoch andere Möglichkeiten, Gemeinsam-keit darzustellen.

Diese Art von Zusammenarbeit ist aberhier nicht gefragt. Das gemeinsame Han-deln bezieht sich auf eine Gruppe, diesowohl im Fachgebiet Biologie, als auchChemie/Physik, noch mehr Arbeitslehreund vielleicht auch Kunst und Rechnenharmonisch eingestimmt, ihrenSchulalltag themenbezogen gestaltenkönnen muss.

Der Lernprozess bezieht sich sicherlichnicht auf das eng umgrenzte Gebiet desfachlichen Denkens, Handelns, Erken-nens und Anwendens; hier werden Pro-zesse der Gruppendynamik auszufech-ten sein. Streit wird entstehen umZweck, Zielrichtung, sinnvolle Umset-zung von Ideen, kurz: hier wird eine Grup-pe zu etablieren sein, die sich als Sozial-verband verselbständigen darf und soll.Verhaltensformen, die in der Arbeitsgrup-pe gewünscht und gefördert werden,können im Klassenverband als störendund unangemessen empfunden werdenetc.

Der häufig zitierte Erziehungsauftragwird, abhängig vom sozialen Bezugsfeldin unterschiedlichsten Betrachtungs-weisen zu interpretieren sein und somitheftige Diskussionen der beteiligten Er-zieher herbeiführen. Dies kann der Stand-ortbestimmung der Erzieher und Lehrerdienlich sein, hilft dem eigentlichen Pro-jekt jedoch nur sehr bedingt weiter. Hierkann nicht der Weg zum Ziel erklärt wer-den.

Sollte der Lernprozess auch für die be-teiligten Jugendlichen auf das vorer-wähnte Feld ausgedehnt werden, wirdsich die mit besten Absichten angetre-tene Arbeitsgruppe zum Heil- und Le-bensraum ausweiten und therapeutischeZüge annehmen. Das geht vollends ander Intention vorbei und führt die Vor-stellung vom tatsächlich gemeinsamenHandeln, betrieben auf ideeller Grundla-ge „ad absurdum“.

Wird der Gedanke von nachprüfbaren

Leistungen des Einzelnen in der Gruppeaufgenommen, so steht dem das seit frü-hester Kindheit trainierte Verhalten ent-gegen, das die Vorzeigbarkeit des Eige-nen, des Individuellen fordert. Nicht dasGesamtergebnis ist Erziehungsziel, ob-schon immer wieder von Teamfähigkeitund Gruppenarbeit gesprochen wird.Gefordert wird die klare Grenzlinie zwi-schen dem „IHR“ und dem „ICH“, weileine Verantwortlichkeit für Misserfolgeletztlich nicht der Gruppe angelastetwerden soll, sondern einem Individuumdas durch Fehlverhalten einen Misser-folg verursacht hat und von dem mansich folglich trennen können muss. EineGruppe kann sich nicht von sich selbsttrennen! Schmerzhafte Trennungen undNeukonstitutionen sind zwar denkbaraber unerwünscht.

Der Begriff von Arbeit in „Gruppe“ und„Team“ in der Schule wird unter den ge-nannten Gesichtspunkten und im Hin-blick auf Tätigkeit im Berufsleben immerwieder zu neuen Ansätzen führen müs-sen.

Die Angst vor der Ent - Deckung:

Ich meine damit, das unbestimmte, vonUnsicherheit bestimmte Gefühl, sich ineiner Gruppe mit allen persönlichenSchwächen, allem Unvermögen, dem„Mitarbeiter“ zeigen zu müssen, um denErfolg der Gruppe nicht zu gefährden.Dieser Prozess der Ent – Deckung machtschutzlos, zunächst misstrauisch, mög-licherweise sogar aggressiv und nurdann, wenn der Gruppe ausreichendEntfaltungszeit zur Verfügung steht,wird ein zuträglicher Grundkonsenswachsen.

Die Sehnsucht nach Gemeinsamkeit wirdbestehen bleiben: Das zuweilen gehör-te, im Scherz gesprochene „ ... wir soll-ten mal wieder etwas gemeinsam ma-chen!“ ist Wunsch, ist Projektion, istvielleicht Anker, um sich des Anderenzu versichern. Mehr als jeweils ein kur-zes Innehalten und Umschauen nachdem Standort und der augenblicklichenBefindlichkeit des Kollegen kann nichtgeleistet werden. Eine Erfüllung vonnoch so gut formulierten Wünschen oderZielvorstellungen tritt nicht ein.

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45Schulpraxis

Das Kollegium

• die Sache mit dem Wein als alkoholi-schem Getränk

• Frau Kollegin, Herr Kollege als Mit-Winzer oder als potentieller Kunde

Nach der Vielzahl von Überlegungen undEventualitäten zurück zur Beschreibungdes ersten „Weinjahres“ in der Schule:

Je näher der Zeitpunkt einer möglichenFertigstellung des Weines rückte, umsoindifferenter wurden die Stellungnahmenzum Thema ob „Wein, als alkoholischesGetränk als Produkt der Schule“ in derNähe einer Gesundheits- oder Sucht-gefährdung, und der damit im Zusam-menhang stehenden Diskussion anzu-siedeln ist.

Die vereinbarte Handhabung löst nichtgrundsätzlich das Problem, bietet aberHandlungsspielraum:

Das Endprodukt Wein aus demSchulwingert kann über einen Auftrags-zettel beim Hausmeister der Schule zurAbholung durch Eltern oder Erziehungs-berechtigte abgerufen werden. Schüle-rinnen und Schüler bekommen den Weinnicht ausgehändigt; selbst dann nicht,wenn sie maßgeblich an der Entstehungbeteiligt waren. Für diese Schülerinnenund Schüler wurde die Sonderregelunggefunden, dass Eltern oder Erziehungs-berechtigte eine Anzahl von Flaschenzu einem Vorzugspreis erwerben können.

Bei einem Ertrag von insgesamt 400 Fla-schen zu 0,75 Litern hat sich gezeigt,dass bei Schulentlassfeiern, Elternaben-den, Schulfest etc. sinnvoll Werbung be-trieben werden kann. Die Notwendigkeiteiner kleinen Einführung bei einem wein-fernen Publikum ist nicht von der Handzu weisen, doch kann der die Arbeitsge-meinschaft leitende Lehrer nicht dauer-haft zum Weinverkäufer oder Ansprech-partner von Mini-Weinproben etabliertwerden. Insofern wird es sich weitest-gehend um „good will“ Käufe vonSchülereltern handeln oder beiWiederholungskäufen um Eltern, die sichum das Thema „Wein“ ernsthaft bemü-hen.

Hat sich doch im ersten Jahr der Wein-bergs-Erfahrung herausgestellt, dassder größte Teil der Verkäufe an Schüler-eltern in der Dimension von einer oderzwei Flaschen angesiedelt war.

Im Kollegium begegnete man einer wohl-wollend freundlichen Aufnahmeanlässlich einer Präsentation des Wei-nes bei einer Gesamtkonferenz; der Ab-verkauf an diesen potentiellen Kunden-kreis ist jedoch sehr gut überschaubarund lässt vermuten, dass überwiegendaus Höflichkeit denn aus der Überzeu-gung gekauft wurde, einen gepflegtenleichten Tischwein zu erwerben.

Letztlich ist Wein ein Genussmittel, des-sen Auswahl einem höchst individuel-len Prozess der Geschmacksentwicklungentspringt und aus diesem Grund wirdein Wein aus dem Schulwingert ebenkein Produkt sein, auf das man mit Sehn-sucht gewartet hat.

Schülerinnen und Schüler: Quantitätund Qualität?

• Arbeitswille und Arbeitsfähigkeit

• welche Klassenstufen können ange-sprochen werden?

Spätestens zur Zeit der ersten größerenPause in der Schule sind bei Schülerin-nen und Schülern als Weinbautätigeheftige Ermüdungserscheinungen zuverzeichnen. Offenbar ist das Phänomender „inneren Uhr“ bei einer solchen Tä-tigkeit besonders gut ausgeprägt. Auchder Arbeitseinsatz des begleitendenLehrers, der eben diese Rebzeile nochzu Ende bringen will und glaubt, durch

sein eifriges Beispiel eine Fortsetzungder Tätigkeit der Schüler um vielleicht10 Minuten herbeizuführen, bleibt erfolg-los. Jetzt ist die Zeit da; jetzt ist Pause.Damit muss ich leben; das ist für michein Lernvorgang.

Der Arbeitswille der Jugendlichen, diesich für den Einsatz im Weinberg ent-schieden haben ist, wie immer - vonAusnahmen abgesehen – erfreulichgroß.

Es ist jedoch erforderlich, den Arbeits-einsatz sehr genau zu planen und zudosieren, da die ungewohnte Tätigkeitim Steilhang recht früh zu Ermüdungs-erscheinungen führt, die zunächstscherzhaft simuliert, dann aber deutlicherkennbar werden. Hierbei macht sichauch die beschriebene Ausstattung mitgeeigneter Kleidung und festem Schuh-werk bemerkbar. Ungeeignetes, weichesSchuhwerk und eine Steillage machensich auch bei trainierten Körpern rechtbald im Hüftgelenk bemerkbar; der Un-wille der Beteiligten wächst und dasObjekt des Unwillens wird der Lehrersein, der sich über die Unzumutbarkeitdieser Tätigkeit für Schüler offenbarüberhaupt keine Gedanken gemacht hat.

Eine gezielte Frage in einer solchen Si-tuation bezüglich des Preises für eineFlasche Wein könnte das Herz einesProfiwinzers erfreuen. ... Die Erlöse wä-ren traumhaft.

Weinlese am Steilhang hoch über Niederbieber

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46 Schulpraxis

Der Effekt der Einschätzung der Arbeitdes Winzers in einer Steillage und dasErkennen der Relation zwischen Lei-stung und Preis sind ein überaus star-ker Impuls, der über den Augenblick hin-aus bei den Betroffenen unterrichtlichgenutzt werden kann.

Die Bereitschaft zur Mitarbeit im Wein-berg besteht bereits in den 7. Klassen,von sinnvollem Tun und Aufgaben-bewältigung kann jedoch erst etwa ab 8.Klasse besser noch Klasse 9 und 10 ge-sprochen werden. Das spielerische Ele-ment überwiegt bei den 7. Klassen nochzu sehr, wohingegen bei den oberenKlassen doch zielgerichtet auf Fertigstel-lung der Arbeit gedrängt wird.

Was sollen wir mit den Traubenmachen?

• eigener Wein und das deutsche/eu-ropäische Weinrecht

• Ablieferung bei einer Genossen-schaft und evtl. entstehender Erlös

• Weintrauben sind keine Tafeltrauben

• Vermarktungsfragen

Dem in der hiesigen Region üblicherwei-se angebauten Rebstock ist es zu eigen,dass er bestimmt ist, Früchte zur Wein-bereitung zu tragen. Dieser Vorgabe fol-gend lassen sich, von Rebstöcken ab-gesehen, die in Privatgärten gedeihen,wohl kaum Tafeltrauben in einemSchulwingert ernten.

Wenn nicht ein frühzeitiges unrühmli-ches Ende der Früchte in Kauf genom-men werden soll, wird man sich zur Wein-bereitung entschließen. Dies muss nichtin den Räumlichkeiten der Schule ge-schehen; es wäre auch nicht sonderlichsinnvoll, wenn auch für bestimmte Vor-gänge die unmittelbare Nähe zumUnterrichtsort von Vorteil sein kann.

Eine uneingeschränkt autonome Keller-wirtschaft kann nicht Gegenstand vonschulischer Tätigkeit sein; sie muss derberuflichen Ausbildung vorbehaltenbleiben. Von den Fragen technischerAusstattung und den damit im Zusam-menhang stehenden Kosten sei bei derhier vorgelegten Betrachtung völlig ab-gesehen.

Durch kooperative freundschaftlicheZusammenarbeit mit dem Winzer, der eine

seiner Parzellen der Schule überlassenhat, lässt sich der Arbeitsbereich „Kel-ler“ in einem überschaubaren Rahmenzu einem vertretbaren Ergebnis bringen.Wird nach Absprache zwischen Arbeits-gemeinschaft und Winzer zu den für dieWeinbereitung wichtigen Zeitpunktenein gemeinsames Arbeiten möglich ge-macht, so werden für die Jugendlichendie erforderlichen Erkenntnisse ermög-licht und der vielfach zitierte „außerschu-lische Lernort“ kann erkundet werden.Auf diese Weise kann gesichert werden,dass aus dem Lesegut aus demSchulwingert auch die dort entstande-ne Qualität objektiv bewertbar wird undnicht in der Masse der bei einer Genos-senschaft abgelieferten Trauben unter-geht.

Die weinrechtlichen Überlegungen hin-sichtlich der Erzeugerangaben evtl.Qualitätsmerkmale, einer Amtl. Prüf-nummer etc. sollten seitens des zustän-digen Ministeriums geklärt werden undalsbald den interessierten Gruppen zu-gänglich gemacht werden.

Bekanntlich darf Wein nur dann in denVerkehr gebracht werden, wenn be-stimmte klar definierte Kriterien erfülltsind. Es wäre für eine Arbeitsgemein-schaft „Schulweinberg“ sehr hilfreich,sich an bestimmte, verständliche Vorga-ben hinsichtlich der Bezeichnung undauch hinsichtlich der Etikettenge-staltung halten zu können und somitweder einen Winzer noch den begleiten-den Lehrer an die gerade in der Wein-wirtschaft sehr niedrig angesiedeltenGrenze zur Kriminalisierung zu bringen.

Dies ist sowohl dringender Wunsch alsauch Bitte des Schreibers dieses Auf-satzes an die Verantwortlichen!

Am Inhalt dieser Aussage hat sich inden vergangenen Jahren keinerlei Ver-änderung ergeben; die Erschwernissesind im Gegenteil noch gravierender ge-worden, wenn ich an die Diversifizierungdes Bezeichnungsrechtes denke !

Hier werde ich ergänzend eine redaktio-nelle Anmerkung einfügen, welche diestaatlichen Vorgaben darlegt und evtl.auch schulische Beispiel zum Etiketten-thema.

Musteretiketten könnten von hier aufAnforderung per e-mail übermittelt wer-den.

Wird zudem eine aus einemSchulweinberg erwirtschaftbare Ober-grenze definiert, so lässt sich diese fest-gelegte Menge über den mit der Eltern-schaft, einem evtl. Schul-Förder-Vereinund dem Kollegium definiertenKonsumentenkreis vermarkten und dieentstehenden Erlöse können sowohl der„Weinbergs-Arbeitsgemeinschaft“ alsauch dem Förderverein der Schule zu-gute kommen.

Wie man mit Widersachern umgeht,oder: wie komme ich zu einer positi-ven PR?

• die persönlichen Kontakte zurWinzerschrift

• das Verhältnis zur Stadt-/Orts-/Ge-meindeverwaltung und zur örtlichenPresse

• die Eitelkeit der Menschen

Ehe eine abschließende Betrachtung desbehandelten Themas formuliert werdenkann, bleibt noch einmal die Überlegung,inwieweit das Kulturgut „Wein“ sowohlaus dem Bereich des Lehrerkollegiumsals auch der Elternschaft oder fernste-hender Öffentlichkeit zumindest als Un-terrichtsgegenstand in Zweifel gezogenwird oder gezogen werden kann.

Da es sich bei der Maßnahme einer Ar-beitsgemeinschaft nicht um das persön-liche Vergnügen eines Lehrers handeltund auch der Wein nicht sein Produktist, wird sich zunächst die „XY-Schule“möglichen Fragen zu stellen haben. Isteine Entscheidung für das Projekt „Wein-berg“ einmal gefallen, so ist unabding-bar, dass das schulische Umfeld dazusteht. Nörglerische mäkelnde Kommen-tare, die zum Endprodukt abgegebenwerden, mögen die Qualität des Weinesbetreffen; jeder Winzer weiß um die vie-len Fehlerquellen bei der Weinbereitung.Diskussionen zur Tätigkeit des Wein-baues durch Schule können und müs-sen möglicherweise in bestimmten Zeit-abständen erfolgen; sie gehören abernicht an die Öffentlichkeit. Das Erschei-nungsbild einer Institution, auch der In-stitution Schule, ist von ihrem Selbst-verständnis und dem Geschick der Ver-antwortlichen abhängig, sich positiv inder Öffentlichkeit darzustellen.

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umwelterziehung praktisch 47

47Schulpraxis

„ Klappern gehört zum Handwerk“

Zur Darstellung gehört z. B. die öffentli-che Präsentation des „Schul-Weines“;gelingt es, einen oder mehrere Winzerund Repräsentanten der Verwaltungoder des zuständigen Schulamtes füreine Teilnahme zu gewinnen, wird sichdie örtliche Presse für dieses „Ereignis“interessieren lassen. Selbstverständlichgehört eine fachlich fundierte Vorgabein Form einer „Presse-Erklärung“ alsHandreichung für einen evtl. Reporterbei einer solchen Veranstaltung dazu. Sieist bereits frühzeitig erstellt, enthält Fo-tos aus dem Arbeitsverlauf und bietetweitergehende Informationen. Die Ar-beitsgemeinschaft muss zeigen, dass siekompetent ist und eben nicht nur einerNeigung von Lehrer und Schülern ent-sprungen ist.

Welche Schulleitung kann schon vonsich sagen „... unsere Weinbau-Arbeits-gemeinschaft“ und dabei gekonnt einewohltemperierte Flasche auf den Tischbringen?

Solche Situationen, geschickt inszeniert,vermitteln den Teilnehmern einerGesprächsrunde die Offenheit undWagnisbereitschaft einer Schulgemein-schaft.

Die Preis-Leistungs-Relation

• bezüglich des Einsatzes von Finanz-mitteln

• hinsichtlich des emotionalen Engage-ments

Was nichts kostet, das ist auch nichts:Ein bekannter Spruch; auch dort anzu-wenden, wo nicht zwingend wirtschaft-liche Überlegungen im Vordergrund ste-hen müssen. Bei der hier besprochenenWeinbergs-Arbeitsgemein-schaft einerHauptschule hat der Förderverein eineAnschub-Finanzierung geleistet. Im er-sten Jahr mussten Pacht, Fremdleistung,Fahrgelder, Pflegemittel und zum TeilWerkzeuge bezahlt werden. Die Gesamt-heit aller Kosten belief sich auf etwa •800,00. Der Ehrgeiz der Arbeitsgemein-schaft war darauf gerichtet, möglichstbald eine Rückzahlung dieses Betragesaus den Erlösen des Weinverkaufs vor-zunehmen. Bis auf einen geringen Rest-betrag ist diese Rückzahlung erfolgt unddie Arbeitsgemeinschaft kann noch auf

einen Bestand an Wein verweisen, derals Grundstock anzusehen ist, um dasnachfolgende Weinbaujahr finanzielldarzustellen.

Um einen Abverkauf zu erleichtern, wur-den sowohl Flaschen mit 0,5 Liter Inhaltals auch solche mit 0,75 Liter Inhalt ab-gefüllt. Der Preis war zugegebenerma-ßen kein Preis, der als marktorientiertanzusehen war. Es wurden für 0,75 LiterTafelwein mit einer originellen, jedocheher bescheidenen Ausstattung • 3,75gefordert und auch erlöst!

Eine kommunale Einrichtung mit Publi-kumsverkehr hat sich um den Abverkaufinsofern verdient gemacht als die Dauer-präsentation ständig auf die Existenz die-ser Arbeitsgemeinschaft hinwies.

Die Exklusivität eines Weines aus demSchulweinberg erleichterte den Abver-kauf, der zudem von den lebhaften Dar-stellungen in der Schülerzeitung über dieschwere Arbeit im Steilhang unterstütztwurde.

Schüler, Schulleitung, Eltern und der be-gleitende Lehrer waren nach Ablauf desersten Weinjahres mit dem Gesamtergeb-nis zufrieden.

Der Schulweinberg: wem nutzt er?

• Schüler

• Schule

• Nützt der Allgemeinheit

• Erhalt der Kulturlandschaft

• Weltkulturerbe Mittelrheintal

Der Nutzen für Schüler und Schule, wieauch für einen kleinen Teil derWeinbergsparzellen im Nachbarort liegtweniger in konkret messbaren wirtschaft-lichen Ergebnissen; diese Intention istauch niemals formuliert oder in Erwä-gung gezogen worden. Der Nutzen liegtoffenkundig in der Möglichkeit, währendeines Vegetationsjahres die Entwicklungeiner bestimmten Nutzpflanze zu beob-achten und zu leiten. Der Nutzen, dersich aus den Früchten dieser Pflanze er-gibt, kann unterschiedlicher Natur sein;es gibt, wie im Laufe der Darstellungenformuliert, eine Vielzahl davon. Für denbegleitenden Lehrer bestand der Nutzendarin, das Kulturgut „Wein“ behutsam

einer neuen Generation nahezubringen.

Mit der Umgestaltung der Hauptschulein eine Regionale Schule und der damitverbundenen Änderung der Stunden-tafel war das Ende der Arbeitsgemein-schaft Weinberg gekommen. Die Ar-beitsgemeinschaften aus der Haupt-schule wurden nicht zwangsläufig zuWahlpflichtfächern der RegionalenSchule. Das freiwillige und vielleichtauch das heitere und spielerische undentdeckende Element ging verloren.Wahlpflichtfächer, oder vielleicht bessergesagt „Pflicht-Wahlfächer“ sind, da sieals versetzungsrelevant im Fächerkanonder Regionalen Schule eingebaut sind,ungeeignet die Intentionen der „alten“Arbeitsgemeinschaften weiterzuführen.

Die Entwicklung einer Arbeitsgemein-schaft in einer Schule mit nachmittägli-cher Betreuung der Schüler mag eineAussicht sein; die Beteiligten der hierbeschriebenen ArGe hat ihre Tätigkeitviele Erfahrungen und und sehr viel Freu-de gebracht.

Anmerkung:

Von der Arbeit in dem hier beschriebe-nen Schulweinberg gibt es eine Video-dokumentation, die auf Wunsch ausge-liehen werden kann oder zum Selbstko-stenpreis des Herstellers erworben wer-den kann.

Bei der Lese

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48 Schulpraxis

Das Weltendorf bei derKaiserbacher Mühle

Das Gesamtprojekt

Auf einem ca. 20 ha großen Land-schaftsraum sollen nach dem Prinzip derMuseumsdörfer die typisch dörflichenStrukturen der ländlichen Regionen Afri-kas, insbesondere des pfälzischen Part-nerlandes Ruanda, eingebettet werden.Dabei sollen Themenfelder wie Land-wirtschaft, Forstwirtschaft, Wasser, Be-siedlung, Handwerk, Kultur und sozia-les Gefüge und Gesellschaft anschau-lich und lebensnah aufbereitet werden.

Besucher des Weltendorfs wie Schul-klassen, Eine-Welt-Engagierte und Inter-essierte, Touristen und Ausflügler sol-len so einen realistischen Einblick in dieWelt des Südens erhalten.

Auf aktive Weise können sie das Lebender Bewohner des Süden selbst erleben,indem sie beispielsweise bei einer Tanz-gruppe mittanzen, dem Töpfer dieruandische Töpferkunst abschauen,beim traditionellen Anbau im Welten-garten mitarbeiten, eine Lehmhütte re-parieren oder mitkochen. Kinder könnenWasser aus dem entfernten Brunnenholen und es auf dem Kopf transportie-ren, angeleitet Spielzeug aus Konserven-dosen erstellen oder mit einer altenFahrradfelge „Radlaufen“ spielen.

Kurz: Es soll nicht nur das Wissen überdie afrikanische Kultur vermittelt wer-den, sondern auch authentisch erlebbarund mit allen Sinnen begreifbar werden.Insgesamt soll es ermöglicht werden,sein Wissen über den Alltag, die Lebens-bedingungen und die Kultur andererVölker zu erweitern, ohne gleich selbstins Flugzeug steigen zu müssen. Durchdie bessere Kenntnis der Lebensweltenund Lebensumstände der afrikanischenVölker entsteht trotz der Entfernung einegrößere Nähe zu den Menschen des afri-kanischen Kontinents, Vorurteile werdenmit realistischen Einschätzungen undWissen eingetauscht.

Die Elemente des Weltendorfes imEinzelnen

Das Weltendorf

Auf einem ca. 20 ha großen Land-

schaftsareal werden entsprechend dervereinzelten dörflichen Struktur der länd-lichen Regionen Afrikas landestypischeLehmhütten mit verschiedenen Nut-zungsschwerpunkten (Familie, Dorfge-meinschaft, Werkstätten und Arbeitsbe-reiche), land- und forstwirtschaftlicheSchaunutzflächen und Brunnen ange-legt. Inhaltlich werden folgendeThemenfelder authentisch und lebendigabgedeckt und durch einzelne Elementeanschaulich vermittelt:

• Wasser: Wasserwirtschaft, Trink-wasserversorgung, Brunnenbau,Wasserqualität;

• Besiedlung: Dörfer, Höfe, Hütten,Plätze, Versammlungsorte

• Infrastruktur: Straßen, Wege, Brük-ken

• Handwerk: Schreinerei, Töpferei,Schusterei, Schneiderei, Imkerei;

• Kultur: Bräuche, Feste, Tänze, Reli-gion;

• Soziales Gefüge, Gesellschaft: Hier-archien, Gesellschaftsformen, Ent-scheidungsfindungen, Konbit (Ge-meinschaftsarbeit in Haiti)

• Tierhaltung: Zucht, Fütterung undPflege, traditionelle Verarbeitung vonTierprodukten

Der Weltengarten

Ca. 1000 m2 Anbaufläche stehen auf demGelände der Kaiserbacher Mühle für dasProjekt Weltengarten zur Verfügung.Dort sollen anhand eines traditionellenBauerngartens Methoden ökologischerBewirtschaftung, die Anwendung tradi-tioneller Kulturtechniken sowohlaus Europa als auch aus Übersee ver-anschaulicht werden. Bei der Produkt-verarbeitung und -vermarktung soll dasThema „fairer Handel“ schwerpunkt-mäßig behandelt werden. Auch sollen indiesem Garten auf der Biotopebene so-wohl die kleinen wie auch die großenWelten ihren Raum finden.

Inhaltlich sollen folgenden Themenfelderdurch die einzelnen Elemente veran-schaulicht werden:

• Landwirtschaft: Traditionelle An-baumethoden in Europa und Über-

see, Subsistenzwirtschaft, Monokul-tur, Düngung, Bewässerung, Vieh-zucht und Tierhaltung, Überwei-dung, Vermarktung, fairer Handel

• Forstwirtschaft: Waldwirtschaft,Abholzung, Brandrodung, Energie-gewinnung, Erosion;

Bildungs- und Kulturprogramm

Das Angebot des Weltendorf wird miteinem Jahresprogramm, das typischeFeste, themenspezifische Tage und Füh-rungen, zielgruppenspezifische Angebo-te u. ä. enthält, abgerundet. Durch dasProgramm kann immer wieder die Öffent-lichkeit auf das Weltendorf angespro-chen werden. Besondere Zielgruppenund Interessierte erhalten speziell auf siezugeschnittene Angebote. Durch Festeund Feiern werden am besten Vorbehal-te abgebaut und Grenzen überwunden.Hier wird zudem dem Spaß- und Erlebnis-faktor zusätzlich Rechnung getragen.

Freizeiten

Einmal eine Woche in Afrika leben, inden typischen Lehmhütten schlafen, ander Feuerstelle kochen, Landwirtschaftund Handwerk kennen lernen, das isteine intensive, unvergessliche Erfah-rung. Kinder und Jugendliche, aber auchErwachsene können als Gruppe die Un-terkünfte mieten und erhalten aufWunsch ein angeleitetes Programm ge-staltet von Einheimischen, Pädagogenund Landschaftsgärtnern. Ziel ist einetiefergehendere Erfahrung der anderenKultur, indem man für eine kurze Zeit indie Rolle des anderen schlüpft. Dadurchkönnen Kulturtechniken nicht nur an-geschaut und beobachtet, sondern in-tensiv erlebbar und erlernbar gemachtwerden.

Weitere Informationen zum Thema fin-den sich auf der Homepage der LZUwww-umdenken.de/akademie/index, id,573.html

oder über

Norbert Schäfer, Mail: [email protected]