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Unternehmensanalyse
MEDICAL FITNESS GESUNDHEITSMANAGEMENT
www.bodylife.com76 body LIFE 7 I2011
kommen auf einen Erwerbstätigen zweiRentner. 30 Mrd. Euro kostet den Mittel-stand der Fachkräftemangel jetzt schon,hat das Beratungsunternehmen Ernst &Young laut Schönberger ermittelt.
Arbeitswelt der ZukunftDie Entwicklungspsychologin und Alters-forscherin Ursula Staudinger fordert einenradikalen Perspektivenwechsel: „Unter-nehmen müssen ihre Personalpolitikgrundlegend ändern und sich Gedankendarüber machen, wie sie ihre Mitarbeiterso lange wie möglich fit und motiviert hal-ten, weiterentwickeln und von ihrem Wis-sen profitieren.“ Außerdem, so die Psy-
Nach Schätzungen des BKK Bun-desverbandes verursachten lautBartholdt/Schütz Erkrankungen
durch arbeitsbedingten Stress alleine imJahr 2008 jährliche Kosten in Höhe von43,9 Mrd. Euro. 10,5 Mrd. Euro kosten al-leine krankheitsbedingte Frühberentun-gen. In Deutschland ist laut Schönbergernur noch etwas mehr als die Hälfte derüber 55-Jährigen erwerbstätig. In Schwe-den oder in der Schweiz liegt die Beschäf-tigungsquote bei knapp 70%.
Um den momentanen Lebensstandardzu halten, müsste die Erwerbsquote die-ser Altersgruppe in den nächsten Jahrenmindestens auf 65% steigen. In 25 Jahren
Überblick über die 7-teilige Serie
Teil 1: Betriebliches Gesundheits- und Kom-petenzmanagement – Innovation alsWachstumsmotor
Teil 2: Bedarfsanalyse on the Top – Auftragsklärung
Teil 3: Analysephase/Benchmarks
Teil 4: Interventionsplanung
Teil 5: Umsetzung von Maßnahmen
Teil 6: Evaluation
Teil 7: Nachhaltigkeit
Teil 3: Analysephase BGKM
Eine fundierte Analyse des Unter-
nehmens ist das Herzstück für ein
erfolgreiches betriebliches Gesund-
heitsmanagement. Im dritten Teil
unserer Serie erläutern wir auszugs-
weise die wichtigsten Verfahren zur
Unternehmensanalyse.
Exklusiver Service
unter www.bodylife.com/service
Download: Tools Analyseverfahren Manage-ment-/Mitarbeiterbefragung
076_BGM_Teil3 20.06.2011 11:59 Uhr Seite 76
vor Ort
� Arbeitszeitregelung� Kennzahlen (Abwesenheitsquote, Un-
fallquote, Betriebsklima, Fluktuations-quote etc.)
� Planung betriebliches Gesundheits-management
Einige dieser hier genannten Analyse-punkte wurden in Anlehnung an die Lu-xemburger Deklaration zur betrieblichenGesundheitsförderung in der EU 1997 undKMU-vital (Bauer/Schmid) erstellt.
Diese Managementbefragung soll alserstes Analyseinstrument zur Standortbe-stimmung und systematischen Selbstein-schätzung in puncto BGM dienen.
In einem anschließenden Manage-mentmeeting werden die Ergebnisse undeinzelnen Themen diskutiert. Idealerweisemoderiert die (externe) Projektleitung die-ses Meeting. In einigen Situationen sindauch Einzelgespräche mit Führungskräf-ten sehr ratsam. Gerade Führungskräftewollen überzeugt werden. Mit Change-Ma-nagement-Prozessen müssen Projektleiterbestens vertraut sein. Ziel ist es, aus Be-troffenen Beteiligte zu machen. Und daserreicht man über eine Sensibilisierungdurch gezielte Fragestellungen zum The-ma BGM im Sinne „Wer fragt, der führt!“.
Analysetool 2: GesundheitszirkelIn der Praxis existieren verschiedene Kon-zepte. Das Berliner Modell, einer der ers-
ten Gesundheitszirkel, wurde in den Acht-zigerjahren von der TU Berlin und derVolkswagen AG entwickelt.
Es handelt sich um eine regelmäßigstattfindende Gesprächsgruppe. Die An-zahl der Sitzungen variiert nach Bedarf.Sogenannte Gesundheitszirkel analysie-ren physische und psychische Belastun-gen und identifizieren mögliche Ressour-
cen. Und letztendlich erarbeiten sie Lö-sungsvorschläge, im Idealfall unter Füh-rung eines externen Moderators. Jede Ab-teilung sollte durch einen Mitarbeiter imGesundheitszirkel (insgesamt sieben bismaximal 15 Personen) vertreten sein.Chef, Führungspersonen, Betriebsarzt, Si-cherheitsfachkraft und Personalverant-wortliche gelten ebenso als Zielpubli-kum. Die konkrete Zusammensetzunghängt von der jeweiligen betrieblichen Si-tuation ab. In der Tabelle ist eine Maxi-malvariante von sieben Sitzungen darge-stellt. Diese Variante kann auch auf dreibis vier Sitzungen – je nach Situation undBedarf – reduziert werden. Der Zeitauf-wand pro Sitzung beträgt zwischen zweiund vier Stunden. Alle zwei bis vier Wo-chen sollte eine Sitzung stattfinden.
chologin weiter, müssten sich Unterneh-mer/Personaler mehr Gedanken machen,welche Anforderungen zu welchem Mitar-beiter passen, und viel mehr in betriebli-ches Gesundheitsmanagement investie-ren. In der neuen Arbeitswelt, die Staudin-ger sich vorstellt, könne man problemlosbis 70 beruflich aktiv bleiben. Zukunftsori-entierte Unternehmen sehen die Ressour-ce Gesundheit als wertvollen Leistungs-treiber.
Verfahren zur UnternehmensanalyseUm den „Gesundheitszustand“ eines Un-ternehmens zu analysieren, werden unter-schiedliche Analyseverfahren und Messin-strumente benötigt. Erst dann kann einesinnvolle Interventionsplanung/Strategie-entwicklung als nächster Schritt erfolgen.
Analysetool 1: ManagementbefragungDie Managementbefragung gehört zu denersten Aufgaben bei einer Unternehmens-analyse. Gerade das Management ist ent-scheidend, ob die Implementierung imgesamten Unternehmen und/oder in ein-zelnen Abteilungen nachhaltig wirkt. Ins-besondere die persönliche Einstellungdes Chefs und der übrigen Führungskräftekann analysiert und gegebenenfalls inEinzelgesprächen „optimiert“ werden.
In dieser Befragung geht es in erster Li-nie um eine Selbsteinschätzung des Ma-nagements zu exemplarisch folgendenPunkten:� Welche vorrangigen Ziele werden ver-
folgt? (Fragebogen siehe Download-Bereich „Abb. 1“)
� Bisherige Umsetzung des betriebli-chen Gesundheitsmanagements (Fra-gebogen siehe Download-Bereich„Abb. 2“)
� Einstellung zum BGM� Unternehmenspolitik/Leitkultur im
Unternehmen in Sachen Gesundheit� Einschätzung der Personalführung und
-entwicklung� Anforderungen und Belastungen am
Arbeitsplatz
GESUNDHEITSMANAGEMENT MEDICAL FITNESS
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�
Bei sogenannten Gesundheitszirkeln analysieren ausgewählte
Vertreter des Unternehmens physische und psychische Belas-
tungen und identifizieren mögliche Ressourcen
Besuchen Sie uns unter:www.bodylife.com/IFAA
Link-Tipp
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Exemplarischer Gesundheitszirkel mit sieben Sitzungen
Zirkelsitzung 1 Gegenseitiges Kennenlernen der Teilnehmer – Persönliches Erleben von Arbeitsplatz und Arbeitsumfeld – Austausch von Erfahrungen – Feedbackrunde
Zirkelsitzung 2 Sensibilisierung für gesundheitsrelevante Problembereiche mittels einer imaginären Reise durch einen typischen Arbeits-tag – Sammeln von Belastungen und Ressourcen einzelner Arbeitsbereiche – Feedbackrunde
Zirkelsitzung 3 Überprüfung der Zusammenhänge aufgelisteter Belastungen – Setzen von Prioritäten bei den Belastungen und Beschwerden – Feedbackrunde
Zirkelsitzung 4 Kennenlernen von Ressourcen in der Arbeit – Entwicklung von Visionen eines gesundheitsförderlichen Unternehmens –Feedbackrunde
Zirkelsitzung 5 Bewertung der Visionen nach Wichtigkeit und Umsetzbarkeit – Festlegung der Themen für die Maßnahmenliste – Feedbackrunde
Zirkelsitzung 6 Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für die Problembereiche – Formulierung von Maßnahmen – Notieren von allfälligenHindernissen – Vorstellung der erarbeiteten Verbesserungsvorschläge und Aufnahme von Ergänzungen – Feedbackrunde
Zirkelsitzung 7 Analog Zirkelsitzung 6, angereichert mit Optimierungen – Aufbereitung der erarbeiteten Maßnahmen für die Präsentationin der Geschäftsleitung – Feedbackrunde
In starker Anlehnung an Bauer/Schmid
Gesundheitsmanagement. Durch die Bril-le der Ergonomie wird die Arbeitssitua-tion ganzheitlich gesehen und hat dieZielsetzung, die Arbeit dem Menschen alsIndividuum anzupassen. Mit dieser Maß-nahme können die Effizienz und dasWohlbefinden eines jeden Mitarbeitersgesteigert werden.
Kriterien eines modernen Bürostuhls
(Quelle: Sicherheitsreport1/2011, www.vbg.de)
Die Arbeitsplatzanalyse sollte durcheine oder zwei Personen erfolgen, die inAnlehnung an Bauer/Schmid über folgen-de Kompetenzen verfügen:� Hohe Kundenorientierung� Fundierte Kenntnisse der Ergonomie� Kenntnisse im Bereich Gesundheit� Kommunikationsfähigkeit� Präsentationsfähigkeit� Didaktische Kenntnisse� Vermittlungsgeschick� Kenntnisse von Geschäftsprozessen� Sensibilität für UnternehmenskulturIm Rahmen professioneller BGM-Projekteempfiehlt es sich, ausgebildete Ergono-men zur Seite zu haben. Checklisten fürArbeitsplatzanalysen gibt es aus den un-terschiedlichsten Branchen.
Der ideale ArbeitsplatzWie sieht z.B. idealer-weise ein Büroar-beitsplatz aus? Die Auswahl bzw. die rich-tige Einstellung des Bürostuhls hilft erheblich, Rückenverspannungen, Rü-ckenschmerzen, Konzentrationsmängeln,Venenproblemen etc. vorzubeugen.
Die Ausgangssituation für die Opti-mierung aus ergonomischer Perspektiveerfolgt nach Bauer/Schmid über:� Direkte Beobachtung der Tätigkeiten
und Arbeitsbedingungen einer Per-son/Gruppe
� Befragung der Personen über Arbeits-bedingungen und Befindlichkeit
� Soll-Ist-Analyse von Betriebsdaten(Pflichtenhefte, Zielvereinbarungen,Abwesenheits-/Fluktuationsrate etc.)
Analysetool 3: ArbeitsplatzergonomieSehr wertvoll sind durchgeführte Arbeits-platzbegehungen/-analysen. Ergänzend zuden schriftlichen Befragungen ermögli-chen sie eigene, gezielte Beobachtungen.
Grundsätzlich ist die Ergonomie einwesentlicher Baustein im betrieblichen
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� Diskussion der Untersuchungsergeb-nisse und Vorschläge für Verbesse-rungsmaßnahmen im Betrieb
Durch die durchgeführten Arbeitsplatzbe-gehungen gewinnen Sie – gerade als Ex-terner – oft wertvolle zusätzliche Eindrü-cke, Informationen in puncto Wertschät-zung innerhalb des Teams und zwischenden Teams, Informationsaustausch, Füh-rungsverhalten etc.
Analysetool 4: MitarbeiterbefragungDie Mitarbeiterbefragung ist ein personal-politisches Führungsinstrument. DiesesInstrument ist sinnvollerweise in Organi-sations- und Personalentwicklungspro-zesse eingebunden. Das Repertoire anFragebögen ist hier sehr groß. Bei der Be-fragung nach Bauer/Schmid werden fol-gende Bereiche analysiert:� Körperliche Beanspruchung und Ar-
beitsumgebung� Arbeitsaufgabe/Arbeitsanforderungen� Arbeitszeit und Freizeit� Unternehmensleistungen� Informationspolitik/Mitarbeiterbeteili-
gung� Zufriedenheit mit Führungsstil/-kultur� Betriebsklima� Arbeitseinstellung/Unternehmensbin-
dung� Häufigkeit körperlicher Beschwerden� Gefühlszustand/GemütsverfassungBeispielhaft finden Sie in unseremDownload-Bereich in Abbildung 4 einenMitarbeiterfragebogen für die Punkte„Körperliche Beanspruchung und Arbeits-umgebung“ und „Gefühlszustand/Ge-mütsverfassung“. Dieser Fragebogen istnicht als hochwissenschaftliches psycho-logisches Analyseinstrument konzipiert.Die Selbsteinschätzung der Befragten solldem Unternehmen aufzeigen, wo ausSicht der Mitarbeiter Stärken, Schwächenund Lücken allgemein und speziell vorlie-gen. Erst in Verbindung mit Gesundheits-zirkeln, weitergehenden Arbeitsplatzana-lysen, Managementbefragungen unddurchaus auch weiteren speziellen Analy-sen wird eine zielgerichtete Interventions-planung bzw. Strategieentwicklung durch-geführt. Die Voraussetzungen für dieDurchführung von Befragungen sindgrundsätzlich
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Karl Drack – Abschluss als Magis-ter der Wirtschafts- und Sozialwis-senschaft an den Universitäten inLinz (A) und Passau. LangjährigerGeschäftsleiter und seit 1998knapp 60 Unternehmensbera-
tungsprojekte und ca. 400 Einzelcoachings.Seit 1998 Dozent und Prüfer an der BSA undDHfPG.
Barbara Hägel – die Dipl.-Fitness-Ökonomin hat mehrjährige Erfah-rung in leitender Position imDienstleistungssektor in Deutsch-land und Indien. Der Schwerpunktihrer Arbeit liegt in der Implemen-
tierung ganzheitlicher Gesundheitsmanage-ment-Systeme verschiedenster Branchen.Infos: www.emkarldrack.de
Ihr FeedbackStichwort: [email protected]
� Freiwilligkeit,� Anonymität und� Vertraulichkeit.Der Erfolg einer Befragung hängt maßgeb-lich davon ab, ob der Inhalt und die Ziel-setzung für die befragte Zielgruppe (Ma-nagement, Mitarbeiter etc.) verständlichund von Relevanz sind. Der Grad der Ak-zeptanz lässt sich an der Beteiligungsquo-te erkennen. Vertrauen, Ehrlichkeit undGlaubwürdigkeit sind grundlegende Pfei-ler in Unternehmen, Organisationen undTeams. Natürlich spielen diese Werte – al-len voran die Vorbildfunktion der Füh-rungsmannschaft und Projektleitung – beider Implementierung von BGM eine be-deutende Rolle. Ideelle Werte wie Vertrau-en und Integrität lassen sich direkt in Um-sätze, Gewinne und Erfolg ummünzen.
Im nächsten Fachartikel „Interven-tionsplanung“ werden Analyseergebnissedargestellt, um einen zielgerichtetenMaßnahmenplan abzuleiten.
Karl Drack, Barbara Hägel
Literatur:Bartholdt, L./Schütz, A.: Stress im Arbeitskontext 2010
Covey S. M. R.: Schnelligkeit durch Vertrauen 2009
Herrmann, N.: Erfolgspotenzial älterer Mitarbeiter 2007
Drack, K.: Erfolgsfaktor Mensch – Personalmanagement inder Fitnessbranche 2011
iga report 20 (Initiative für Gesundheit & Arbeit)
Badura et al.: Fehlzeiten-Report 2010
Schönberger, B.: Ältere Arbeitnehmer: Erfahrung steigt imWert. In: Psychologie heute – Juni 2011
Bauer, G./Schmid, M.: KMU-vital 2008
Sicherheitsreport 1/2011 – Ratgeber Büro: Sitzen, rollen, stützen – www.vgb.de
www.altern-in-deutschland.de
www.psychologie-heute.de
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