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IGOST „Es darf getrost davon ausgegangen werden, dass unter den Ärzten kein Jubel darüber ausbricht, dass es nun endlich ein Patientenrechtegesetz gibt.“ Heiko Schott Rechtsanwalt, Justitiar der IGOST Schmerzspitzen Und die Kanzlerin sprach: „Wohlan, gehet hinaus und heilet den Feind von morgen!“ A m 29.11.2012 hat der Bundestag das Patientenrechte- gesetz beschlossen. Die Verabschiedung erfolgte auf Grundlage der Koalitionsstimmen, SPD und Linke stimmten dagegen, die Grünen enthielten sich. Das Vorhaben begann als „Patientenschutzgesetz“, was zum einen für Aufregung und Proteste der Ärzteschaſt sorgte, zum anderen die inhaltliche Intention deutlich werden ließ. Nun tritt am 1. Januar 2013 ein Gesetz in Kraſt, mit dem sämtliche Beteiligte unzufrieden sind. Der Patientenbeauſtragte der Bundesregierung warb noch für das Vorhaben und meinte: „Wir legen einen Grundstein für eine neue Kultur in den Praxen und den Gesundheits- vorsorgehäusern (…).“ Unzweifelhaſt wird dies so sein! Der Vorsitzende der deutschen Hospizstiſtung Eugen Brysch bezeichnete den Gesetzentwurf als „Riesenent- täuschung“, Prof. Karl Lauterbach (SPD) sprach von einer „Mogelpackung“ und einem „Ärzteschutzprogramm“. Die Ärzteschaſt wird aber dennoch dergestalt zu reagieren ha- ben, da sich der Praxisalltag an dem neuen Gesetz orien- tieren wird. Zwar ist es richtig, dass im Wesentlichen ärztliche Pflichten jetzt in den §§ 630a-h BGB normiert werden, die in den zurückliegenden Jahren im Richter- recht entwickelt wurden und insofern dem Gesetz wenig Neues zu entnehmen ist. Allerdings muss sich die Bun- desregierung fragen lassen, wem hier ein Gefallen getan wurde. Beim Lesen der Normen kann man sich des Ein- drucks nicht erwehren, dass die Ärzte, die übrigens ab Januar 2013 im Vertragsrecht nun „Behandelnde“ ge- nannt sind, einen Hauch kriminalisiert werden. Man darf getrost davon ausgehen, dass auf dieser Seite des Vertrags kein Jubel darüber ausbricht, dass es nun endlich ein Pa- tientenrechtegesetz gibt. Auf der anderen Vertragsseite gibt es Patienten – die übrigens 2013 ihren Namen behalten dürfen. Diese ha- ben zusammen mit den Patientenrechteorganisationen beschlossen, ebenfalls völlig unzufrieden und unglück- lich über das Gesetz zu sein. Zu vernehmen ist ein lautes Wehklagen darüber, dass es nicht gereicht hat für eigene Patientenentschädigungsfonds. Diese sollten von Ärzten und deren Haſtpflichtversicherern gefüllt werden, damit im Schadenfall ein Geschädigter unbürokratisch und ohne das Beschreiten des Rechtsweges ausbezahlt werden könnte. Da dieser Gedanke bei den Ärzten und deren Versicherern nicht den größten Anklang fand, war auch hier wieder ein Feindbild geboren. Der Gedanke des Entschädigungsfonds hätte nun aber auch einmal ohne intellektuelle Höchstleistungen auf den der völligen Systemwidrigkeit treffen können. Man stelle sich vor, bei der nächsten Pkw-Inspektion erwartet einen der Werkstattmeister mit den Worten: „Auto ist gleich fertig, wenn Sie nicht zufrieden sind, können Sie sich da svorn Geld aus dem Sack nehmen – die Sache mit dem Klagen haben wir abgescha!“. Das Zwischenergebnis ist also: Ärzte unzufrieden mit dem Gesetz, Patienten unzufrieden mit dem Gesetz, SPD und Linke völlig unzufrieden mit dem Gesetz. Hingegen sieht der Spitzenverband der GKV das Gesetz als ersten Schritt in die richtige Richtung, wobei in einem nächsten Schritt die Patienten bei der Frage der Beweislast bei Be- handlungsfehlern besser gestellt werden müssen. Dies alles ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass der Bundesgerichtshof seit Jahrzehnten davon ausgeht, dass am Anfang einer Behandlung das vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und Patient steht. Vielleicht be- kommt jetzt schon der eine oder andere Mediziner ein wenig Angst vor den eigenen Patienten. Es wird vermut- lich nicht lange dauern, bis ein Patient internetbloggetrig- gert den Arzt darauf hinweist, das seines Erachtens in dem gerade geführten Gespräch der Arzt ein wenig zu schnell über seine Verpflichtung gemäß § 630e Abs. 1 BGB hinweggegangen ist. Oder bis ein Patient den Behan- delnden darauf hinweist, dass § 630e Abs. 2,S. 2 BGB noch nicht erledigt sei und dies wiederum kausal für den steigenden Blutdruck des Kranken ist. Es ist schwer vor- stellbar, dass all dies zu einem entspannteren Verhältnis zwischen Arzt und Patient beiträgt. © IGOST ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2012; 15 (6) 57

Und die Kanzlerin sprach: „Wohlan, gehet hinaus und heilet den Feind von morgen!“

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IGOST

„Es darf getrost davon ausgegangen werden, dass unter den Ärzten kein Jubel darüber ausbricht, dass es nun endlich ein Patientenrechtegesetz gibt.“

Heiko SchottRechtsanwalt, Justitiar der IGOST

Schmerzspitzen

Und die Kanzlerin sprach: „Wohlan, gehet hinaus und heilet den Feind von morgen!“

Am 29.11.2012 hat der Bundestag das Patientenrechte-gesetz beschlossen. Die Verabschiedung erfolgte auf

Grundlage der Koalitionsstimmen, SPD und Linke stimmten dagegen, die Grünen enthielten sich.

Das Vorhaben begann als „Patientenschutzgesetz“, was zum einen für Aufregung und Proteste der Ärzteschaft sorgte, zum anderen die inhaltliche Intention deutlich werden ließ. Nun tritt am 1. Januar 2013 ein Gesetz in Kraft, mit dem sämtliche Beteiligte unzufrieden sind. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung warb noch für das Vorhaben und meinte: „Wir legen einen Grundstein für eine neue Kultur in den Praxen und den Gesundheits-vorsorgehäusern (…).“ Unzweifelhaft wird dies so sein!

Der Vorsitzende der deutschen Hospizstiftung Eugen Brysch bezeichnete den Gesetzentwurf als „Riesenent-täuschung“, Prof. Karl Lauterbach (SPD) sprach von einer

„Mogelpackung“ und einem „Ärzteschutzprogramm“. Die Ärzteschaft wird aber dennoch dergestalt zu reagieren ha-ben, da sich der Praxisalltag an dem neuen Gesetz orien-tieren wird. Zwar ist es richtig, dass im Wesentlichen ärztliche Pflichten jetzt in den §§ 630a-h BGB normiert werden, die in den zurückliegenden Jahren im Richter-recht entwickelt wurden und insofern dem Gesetz wenig Neues zu entnehmen ist. Allerdings muss sich die Bun-desregierung fragen lassen, wem hier ein Gefallen getan wurde. Beim Lesen der Normen kann man sich des Ein-drucks nicht erwehren, dass die Ärzte, die übrigens ab Januar 2013 im Vertragsrecht nun „Behandelnde“ ge-nannt sind, einen Hauch kriminalisiert werden. Man darf getrost davon ausgehen, dass auf dieser Seite des Vertrags kein Jubel darüber ausbricht, dass es nun endlich ein Pa-tientenrechtegesetz gibt.

Auf der anderen Vertragsseite gibt es Patienten – die übrigens 2013 ihren Namen behalten dürfen. Diese ha-ben zusammen mit den Patientenrechteorganisationen beschlossen, ebenfalls völlig unzufrieden und unglück-lich über das Gesetz zu sein. Zu vernehmen ist ein lautes Wehklagen darüber, dass es nicht gereicht hat für eigene

Patientenentschädigungsfonds. Diese sollten von Ärzten und deren Haftpflichtversicherern gefüllt werden, damit im Schadenfall ein Geschädigter unbürokratisch und ohne das Beschreiten des Rechtsweges ausbezahlt werden könnte. Da dieser Gedanke bei den Ärzten und deren Versicherern nicht den größten Anklang fand, war auch hier wieder ein Feindbild geboren.

Der Gedanke des Entschädigungsfonds hätte nun aber auch einmal ohne intellektuelle Höchstleistungen auf den der völligen Systemwidrigkeit treffen können. Man stelle sich vor, bei der nächsten Pkw-Inspektion erwartet einen der Werkstattmeister mit den Worten: „Auto ist gleich fertig, wenn Sie nicht zufrieden sind, können Sie sich da svorn Geld aus dem Sack nehmen – die Sache mit dem Klagen haben wir abgeschafft!“.

Das Zwischenergebnis ist also: Ärzte unzufrieden mit dem Gesetz, Patienten unzufrieden mit dem Gesetz, SPD und Linke völlig unzufrieden mit dem Gesetz. Hingegen sieht der Spitzenverband der GKV das Gesetz als ersten Schritt in die richtige Richtung, wobei in einem nächsten Schritt die Patienten bei der Frage der Beweislast bei Be-handlungsfehlern besser gestellt werden müssen.

Dies alles ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass der Bundesgerichtshof seit Jahrzehnten davon ausgeht, dass am Anfang einer Behandlung das vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und Patient steht. Vielleicht be-kommt jetzt schon der eine oder andere Mediziner ein wenig Angst vor den eigenen Patienten. Es wird vermut-lich nicht lange dauern, bis ein Patient internetbloggetrig-gert den Arzt darauf hinweist, das seines Erachtens in dem gerade geführten Gespräch der Arzt ein wenig zu schnell über seine Verpflichtung gemäß § 630e Abs. 1 BGB hinweggegangen ist. Oder bis ein Patient den Behan-delnden darauf hinweist, dass § 630e Abs. 2,S. 2 BGB noch nicht erledigt sei und dies wiederum kausal für den steigenden Blutdruck des Kranken ist. Es ist schwer vor-stellbar, dass all dies zu einem entspannteren Verhältnis zwischen Arzt und Patient beiträgt.

©

IGO

ST

ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2012; 15 (6) 57