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Univ.-Bibliothek Innsbruck 19026

Univ.-Bibliothek Innsbruck 19026...vortreffliche Neuausgabe der Briefe des hl. Bonifatius und des Lullus in der von ihm begründeten Serie der Epistolae selectae ge-schenkt (1916)

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Univ.-Bibliothek Innsbruck

19026

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INHALTDES XXXIX. BANDES.

SeiteGeländegestaltung und Urkundenwesen in den Alpen. Von Richard Heu-

b e r g e r 1Zur Frage des österreichischen Landrechts. Von Harold S t e i n a c k e r 58Papst Johann XV. und Ottos III. Romfahrt. Von Fedor S c h n e i d e r .193Heinrich von Treitschke in seinen Briefen. Von Ferdinand B i 1 g e r . . 219Allgemeine Urkundenlehre. Von Oswald R e d l i c h 337Sieben unveröffentlichte Königsurkunden. Von Emil O t t e n t h a i . . . 348

KLEINE MITTEILUNGEN

Astronomische Handschriften vom böhmischen Königshofe. Von KonradB e y e r l e 116

Die Festbezeichnung „Frauentag zer pelzmesse". Von Oswald Redl ich 122Zur Frage eigenhändiger Namensunterschriften in deutschen Königs-

urkunden. Von H. W i b el + 236Die staatsrechtliche Stellung der Ministerialen in Österreich. Von

A. D o p s c h 238Das „Fragment des Florianer Traditionskodex". Von Johannes H o 11 n-

s t e i n e r * * 366Eine neugefundene Handschrift der drei Chroniken Unrests. Von Karl

G r o ß m a n n 368

LITERATUR UND NOTIZEN

W. Bauer, Einführung in das Studium der Geschichte (W. Bauer) 301. —G. v. Below, Die parteiamtliche neue Geschichtsauffassung (H. v. Srbik) 247.— Derselbe, Probleme der Wirtschaftsgeschichte (Th. Mayer) 387. — E. Bern-heim, Einleitung in die Geschichtswissenschaft (W. Bauer") 301. — H. Bresslau,Handbuch der Urkundenlehre. 2. Aufl. (E. Ottenthai) 128. — Derselbe, Ge-schichte der Monumenta Germaniae historica (E. Ottenthai) 253. — ClaudiusRutilius Namantianus gegen Stilicho von 0. Schissel-Fleschenburg (L. Rader-macher) 124. — Concilium Tridentinum ed. St. Ehses (S. Steinherz) 146. —H. Glitsch, Der alamannische Zentenar und sein Gericht (H. Voltelini) 380.— R. Goette, Kulturgeschichte der Urgermanen (A. Dopsch) 377. — W. Goet-z,Die deutsche Geschichtsschreibung des letzten Jahrhunderts (H. v. Srbik) 247.— Alfr. Goetze, Familiennamen im badischen Oberland (Grienberger) 138. —Adolf Helbok, Die Bevölkerung der Stadt Bregenz am Bodensee (0. Stolz1) 143.— H. Hirsch, Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter (A. Dopsch)377. — B. Hóman, Magyar penztörtenet (F. Eckhart) 296. — H. JenkisonPalaeography (E. Ottenthai) 304. — F. Keutgen, Der deutsche Staat des Mittel-

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alters (A. Dopseh) 256. — F. Kidriß, Die protestantische Kirchenordnung derSlowenen im 16. Jahrhundert (K. Völker) 390. — Kjellen, Die Großmächte derGegenwart (W. Bauer) 301. — E. Klebel, Eine neuaufgefundene SalzburgerGeschichtsquelle (Th. Mayer) 305. — W. Köhler, Die Denkmäler der Karolingi-schen Kunst in Belgien (E. Ottenthai) 398. — R. Kötzschke, Grundzüge derdeutschen Wirtschaftsgeschichte (Th. Mayer) 281. — J. Kromayer undG. Veith, Schlachtenatlas zur antiken Kriegsgeschichte (W. Kubitschek) 372.— M. Laubert, Die preußische Polenpolitik (A. Kunkel") 161. — Derselbe,Eduard Flottwell (A. Kunkel) 161. — P. Lehmann, Aufgaben und Anregungender lateinischen Philologie des Mittelalters (E. Ottenthal) 374. — W. M.Lindsay, Notae latinae (E. Ottenthai) 302. — J. Luntz, Die allgemeine Ent-wicklung der Wiener Privaturkunde (R. Heuberger) 267. — Derselbe, Beiträgezur Geschichte der Wiener Ratsurkunde (R. Heuberger) 267. — B. Nani, Einvenetianischer Gesandtschaftsbericht (0. Redlich) 398. — E. Pereis, PapstNikolaus I. und Anastasius Bibliothecarius (W. Erben) 135. — F. Philippi,Einführung in die Urkundenlehre des deutschen Mittelalters (W. Erben) 304.— F. Rachfahl, Die deutsche Politik König Friedrich Wilhelms IV. (H. vonSrbik) 394. — M. Rapp, Das österreichische Problem in den Plänen der Kaiser-partei von 1848 (H. v. Srbik) 394. — Jos. Redlich, Das österreichische Staats-und Reichsproblem (Th. Mayer") 289. — Osw. Redlich, Geschichte Österreichs(M. Vancsa) 283. — Mor. Ritter, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft(H. v. Srbik) 247. — A. Sahrmann, Pfalz oder Salzburg (H. v. Srbik) 294. —L. Schiaparelli, Note paleografiche (E. Ottenthai) 302. — H. Sieveking, Grund-züge der neueren Wirtschaftsgeschichte (Th. Mayer) 281. — R. Sohm, Dasaltkatholische Kirchenrecht (Köstler) 259. — H. v. Srbik, Wallensteins Ende(B. Bretholz) 391. — H. Swoboda, Das Siebenjahr (H. Ankwicz-Klechoven) 244.— Testamente, Politische, der Hohenzollern (H. v. Srbik) 306. — Urkunden-buch, Salzburger, bearbeitet von W. Hauthaler (R. Heuberger) 274. — Ur-kunden und Akten zur Geschichte der Juden in Wien, herausgegeben vonA. Pribram (H. v. Srbik) 158. — K. Wessely, Studien zur Paläographie undPapyruskunde (H. Hirsch) 127. — G. Wolf, Dietrich Schäfer und Hans Delbrück(H. v. Srbik) 247. — Zimmermann, Kazimierz, Fryderyk Wielki i jego koloni-zacya cima na ziemiach polskich (A. Kunkel) 399.

NEKROLOGESeite

Josef Dernjaö (H. Tietze) 307August Fournier (E. Molden) 308Heinrich Friedjung (H. Kretschmayr) 311Max Dvorak (W. Köhler) 314Michael Tangl (O. Redlich) 321Michael Mayr (R. Heuberger) 325

EINGELAUFENE BÜCHER 188, 335, 399

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Papst Nikolaus I. und die Register Johanns VIII. und Gregors VII.erscheinen konnten. Er selbst aber hat uns eine willkommene undvortreffliche Neuausgabe der Briefe des hl. Bonifatius und desLullus in der von ihm begründeten Serie der Epistolae selectae ge-schenkt (1916) und dazu eindringende, namentlich die kompliziertenüberlieferungs- und Datierungsfragen klärende Abhandlungen ver-

. öffentlicht (N. Archiv 40, 41, 1916/17, und Sitzungsber. d. BerlinerAkad. 1919). Schon 1912 hatte Tangl, der auch die Leitung der„Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit" übernommen hatte,eine Auswahl von Bonifatiusbriefen in Übersetzung herausgegebenund noch 1920 eine Sammlung der alten Lebensbeschreibungen inÜbersetzung neu bearbeitet.

Wenn wir noch der verdienstvollen Neuauflagen und Er-gänzungen der bekannten Schrifttafeln von Arndt gedenken, dieTangl in 3. und 4. Auflage, seit 1903 durch ein schönes 3. Heft mitProben der Urkundenschriften vervollständigt, herausgab, so werdenwir hingeführt zu seinem Wirken als Lehrer. Das frische, offene,humorvolle Wesen, eine glückliche Mitgift seiner österreichisch-kärntnerischen Heimat, hat Tangl von jeher allenthalben Sympathienerworben, und da er es auch in Berlins „schneidender Luft" be-wahrte, konnte es nicht fehlen, daß er damit die Herzen seinerSchüler gewann. Wie in seinen Schriften nicht selten ein behaglicherHumor erfrischt, so wußte er auch als Lehrer die oft etwastrockenen Gefilde der Hilfswissenschaften zu beleben, ohne dem Ernstund der Gediegenheit der Forschung Abbruch zu tun. Tangl hat diemoderne Diplomatik im Sinne der Wiener Schule, in ihrer zentralenStellung als Hauptlehrmittel der kritischen Quellenforschung inBerlin erfolgreich vertreten, er zog eine Reihe tüchtiger Schülerheran, von denen einzelne selber schon lehrend an Hochschulenwirken, er hat das „Archiv für Urkundenforschung" mitbegründet.Tangls Bedeutung als Forscher beruht wohl einmal auf seinenLeistungen für die Ausgestaltung der Papstdiplomatik als Teil dergroßen Fragen kurialer Finanz- und Verwaltungsgeschichte, dannin seiner singulären Beherrschung der mittelalterlichen Tachy-graphie, in seiner Editionstätigkeit, der namentlich die Ausgabeder Bonifatiusbriefe als Leistung von bleibendem Werte zu ver-danken ist, und in einer vielseitigen Forschertätigkeit, die besondersglücklich war in der mit meisterhafter kritisch-diplomatischerMethode durchgeführten Aufdeckung von Fälschungen. Auch reiztees Tangl sichtlich, mit seiner scharfen gesunden Kritik und großenSachkenntnis in vielerörterte Fragen einzugreifen, was er in kleinen

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Aufsätzen und zahlreichen Besprechungen (im N. Archiv) getan hat.Vielleicht zersplitterte er dadurch allzusehr seine Kraft, so daßwir leider vergeblich auf eine Papsturkundenlehre, eine Chronologieaus seiner Feder warteten.

Tangls Leben und Wirken erfüllte die Mission, di© Verbindungund Arbeitsgemeinschaft zwischen österreichischer und deutscherForschung noch enger zu knüpfen. Er besaß das volle Verständnisfür diese Zusammengehörigkeit und so hat es ihn gedrängt, in denletzten Jahren einzelne Vorlesungen über österreichische Geschichtean der Berliner Universität zu halten, um den deutschen Studentendie Kenntnis der komplizierten Entwicklungsgeschichte der Mon-archie zu vermitteln. Wir dürfen in diesem Wirken unseres Freundesein schönes Verdienst und ein Vermächtnis seines arbeitsreichenLebens erblicken. O s w a l d R e d l i c h .

Michael Mayr.Fast jeden Schaffenden treibt bewußt oder unbewußt der Ehr-

geiz. Den zu bestimmter Tätigkeit Geborenen nötigt er zur Entfal-tung seines ganzen Könnens in seinem Fache. Andere Naturen abervon weniger ausgesprochener Neigung und Anlage suchen den er-sehnten Erfolg auf jedem Wege, der zum Ziele zu führen verspricht.Oft regen sich dann in ihnen beim Wechsel des Betätigungsfeldesbisher ungeahnte und ungenutzte Kräfte und Fähigkeiten. Zu denMännern dieses Schlages zählt manche Gestalt der Geschichte. Zuihnen gehört auch Michael Mayr, der am 22. Mai 1922 in seineroberösterreichischen Heimat in Waldneukirchen einem Schlaganfallerlag. Er war nicht nur Gelehrter, er stand auch führend im öffent-lichen Leben. Daher hat er ein Recht darauf, als Gesamtpersön-lichkeit genommen und mit dem Maßstab der Geschichte gemessenzu werden. Dies kann nur geschehen, wenn man versucht, ihn wieeine Gestalt der ferneren Vergangenheit mit allen Licht- undSchattenseiten aus einem gewissen Abstand zu betrachten. Gewissen-haftes Streben nach Gerechtigkeit im Urteil ist dabei Pflicht, einsubjektiver Einschlag aber unvermeidlich. Leichter, bequemer undangenehmer ist es freilich, einen Nachruf nach dem Spruch „Demortuis nil nisi bene" zu schreiben. Ein nur in hellen Farben ge-haltenes Bild ist jedoch immer matt, unvollkommen, wenig haltbarund für die Erkenntnis dessen wertlos, was wir geschichtlicheWahrheit nennen, und wer es mit der Wissenschaft ernst meint,hat nach nichts zu fragen als nach ihr.

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Geboren als Bauernsohn zu Adlwang im Traunkreis am 10. April1864, besuchte Mayr das Gymnasium zu Kremsmünster und bezogdarauf die Universität Wien. Den später ganz politisch gerichtetenMann fesselte das der Politik aufs engste verschwisterte Fach, dieGeschichte. Ihr wandte er sich zu. 1889 bis 1891 gehörte er als ordent-liches Mitglied dem Institut für österreichische Geschichtsforschungan, ein weiteres Jahr arbeitete er am Istituto austriaco di studistorici zu Rom. 1892 wurde er Beamter an dem damals noch kleinerenvon David v. Schönherr geleiteten Statthaltereiarchiv in Innsbruck.Damit hatte er eine neue Heimat gewonnen und es begann derzweite, bis 1907 reichende Abschnitt seines Lebens, die Zeit seinesWirkens im Dienste der Geschichte.

1896 wurde er der Nachfolger seines väterlichen Freundes Schön-herr, dessen gesammelte Schriften er später in zwei Bänden (1900,1902) herausgab. Der neue Archivvorstand wußte aus seinem Amteetwas zu machen und zeigte dabei seine nachmals im öffentlichen Lebenallgemein anerkannte Rührigkeit, Leistungsfähigkeit und Begabungfür praktische Arbeit. Er machte sein Archiv durch verschiedeneVeröffentlichungen — siehe darüber im folgenden — in weiterenKreisen bekannt. Gefördert durch den ihm gewogenen StatthalterGraf Merveldt erweiterte er die Räumlichkeiten seines Amtes — be-sonders wichtig wurde die Vergrößerung des Benützerzimmers —und setzte die Ablieferung der meisten Akten der politischen Ver-waltung bis 1868 sowie der älteren Archivalien der Finanz- undJustizstellen Tirols und Vorarlbergs an das von ihm geleiteteArchiv durch. Die Erhebung desselben zum Staatsarchiv und seineUnterbringung in einem eigenen Gebäude vermochte er leider nichtzu erreichen. Durch jene großzügige Archivalieneinziehung aberwurde das Statthaltereiarchiv zu einem der größten Archive des da-maligen Österreich und zu einer der bedeutendsten Anstalten dieserArt im ganzen deutschen Sprachgebiet. Man mag urteilen, daßmancher Schritt Mayrs in dieser Angelegenheit nicht ganz zweck-mäßig und bewußt oder unbewußt mehr durch die Rücksicht auf denäußeren Eindruck als durch sachliche Erwägungen bestimmt war.Angesichts der geringen geschichtlichen Beziehungen Tirols zu Vor-arlberg war die — tatsächlich nicht voll durchgeführte und heutewieder aufgegebene — Vereinigung der Archivalien beider Ländervielleicht nicht ganz gerechtfertigt. Die Gerichtsarchive wurden ein-gezogen, ehe der nötige Raum zu ihrer Aufbewahrung beschafft war,so daß die eingelieferten Verfachbücher und Akten zum Teil in un-geeigneten Räumlichkeiten aufgestapelt und hier den schädlichen

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Einflüssen der Feuchtigkeit preisgegeben werden mußten. Keingroßes Werk ist jedoch ganz untadelhaft und niemand vermag zuleugnen, daß die Ausgestaltung des Innsbrucker Statthalterei- (jetztLandesregierungs-) Archives eine große und verdienstliche Leistungwar, die nicht jeder hätte vollbringen können. In dieser Anstalt wirdallezeit mit Recht der Name des Verewigten ehrenvoll genanntwerden als des Mannes, der sie auf ihre heutige Höhe gebracht hat.Auch jene Archive, deren Ausbau im Anschluß an das von Mayr ge-schaffene Vorbild erfolgte, werden ihn nicht vergessen dürfen.

Seit 1904 gab Mayr namens der Archivdirektion die „For-schungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs"heraus, die außer größeren und kleineren Aufsätzen besonders wert-volle Berichte über die Neuerscheinungen geschichtlichen undheimatkundlichen Inhalts brachten und erst 1920 mit Jahrgang 16/17infolge der schwierigen Zeitverhältnisse eingingen. Der Betrieb derGeschichtswissenschaft in Vorarlberg war damals noch wenig ent-wickelt, die Ausgestaltung der Ferdinandeumszeitschrift kaum mög-lich. Ohne das durch die Leo-Gesellschaft gesicherte Bestehen der„Forschungen und Mitteilungen" wäre zweifellos mancher wichtigeBeitrag zur Landesgeschichte ungedruckt, vielleicht sogar unge-schrieben geblieben. So muß man die Gründung der neuen Zeitschriftals berechtigt und verdienstlich anerkennen, mag auch mancheminderwertige Abhandlung in diesen Blättern Platz gefunden haben,die seit Mayrs Eintreten in das öffentliche Leben (1907) zwar nochseinen Namen auf dem Titelblatte nannten, tatsächlich aber durcheine andere allzumilde Hand geleitet wurden. Die heimische Ge-schichtsforschung wird Mayr die Herausgabe der „Forschungen undMitteilungen" immer danken.

In all diesen Dingen erwies sich Mayr als Mann der Tat. SeineWirksamkeit als Forscher und Geschichtsschreiber trat dem gegen-über zurück. Er verfaßte allerdings mehr Arbeiten als mancher Fach-genosse, der sich sein Leben lang nur auf seine Forschertätigkeitbeschränkt. Hier muß es genügen, unter Erwähnung der HauptwerkeMayrs die Gebiete zu nennen, denen er sich vorzugsweise zuwendete.Ein auch kurze Mitteilungen sowie halb- oder ganzpolitische Auf-sätze erwähnendes Verzeichnis seiner Werke und Abhandlungen von1893 bis 1915 hat K. Klaar dem 3. Heft des 12. Jahrganges (1915)der „Forschungen und Mitteilungen" als Beilage angefügt.

Mayrs erste Veröffentlichungen ließen zum Teil noch den Schülerder Institute zu Wien und Rom erkennen: so die den Abdruck einigerAktenstücke einleitenden Bemerkungen über Kardinal Commendones

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Kloster- und Kirchenvisitation von 1569 in den Diözesen Passau undSalzburg (Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- undZisterzienserorden 1893), die Arbeiten über Wolfgang Lazius alsGeschichtsschreiber Österreichs (Innsbruck 1894) und über den Ge-nerallandtag der österreichischen Erbländer zu Augsburg 1525 und1526 (Zeitschrift des Ferdinandeums, III. Folge, 38. Heft, 1894) sowieseine Aufsätze über Expensenrechnungen für päpstliche Provisions-bullen des 15. Jahrhunderts (diese Zeitschrift 17, 1896) und übereinen Vorschlag zur Ermordung Wallensteins vom Jahre 1628(ebenda 5. Ergänzungsband, 1896). Nur noch ein einzigesmal hat erspäter eine Frage der frühneuzeitlichen Geschichte behandelt, inseinem Beitrag zur Festschrift für Georg von Hertling (Kempten1913) „Zur Kritik zeitgenössischer Quellen über die Schlacht vonPavia 1525". Denn sofort nach seiner Anstellung am InnsbruckerStatthaltereiarchiv hatte er sich mit dem ihm eigenen Sinn für dasdurch die Sachlage Geforderte entschlossen jenen Gegenständen zu-gekehrt, die ihn bis zuletzt beschäftigen sollten: dem Archivwesenund der tirolischen Geschichte. In einer Reihe von Aufsätzen suchteer sein Archiv in weiteren Kreisen bekannt zu machen, so in seinen1893 als Manuskript gedruckten statistischen Ausweisen über dieBenützung des Statthaltereiarchivs in Innsbruck, in der Abhandlungüber das k. k. Statthaltereiarchiv zu Innsbruck (Mitteilungen derIII. [Archiv-]Sektion der k. k. Zentralkommission zur Erforschungund Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, 2. Band, 1894)und in seinem Gedenkwort zum vierzigjährigen Bestand des Inns-brucker Statthaltereiarchivs (Forschungen und Mitteilungen, 3. Jahr-gang 1906). Ähnlichen Zwecken diente auch die Veröffentlichung der(in Fortführung der Bestrebungen Schönherrs gesammelten) Re-gesten zur tirolischen Kunstgeschichte von der ältesten Zeit bis zumJahre 1364 (Zeitschrift des Ferdinandeums, III. Folge, 42. Heft, 1898)sowie der Urkunden und Regesten aus dem k. k. Statthaltereiarchivin Innsbruck 1364—1490 (Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungendes Allerhöchsten Kaiserhauses 1899 und 1900). In seiner späterenEigenschaft als ordentliches Mitglied und Konservator des k. k.Archivrates suchte Mayr auch Geistliche und Gemeindebeamte überWert und richtige Behandlung der ihrer Obhut anvertrauten Denk-mäler der Vergangenheit aufzuklären. Diesem Zwecke diente unteranderem sein Aufsatz zur Pflege der Pfarr- und Gemeindearchive(Forschungen und Mitteilungen, 10. Jahrgang 1913). AllgemeinereAusführungen über das Archivwesen unseres Staates veröffentlichteer in der Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung

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Nekrologe. 329

XX. Band 1903 (Über staatlichesArchivwesen inÖsterreich) und in denDeutschen Geschichtsblättern, Band 5, 1904 (Zum österreichischenArchivwesen). Erinnerungsfeiern Kufsteins veranlaßten Mayr, sichüber die Freiheiten der Stadt Kufstein (S. M. Prems Festschrift, Kuf-stein 1893) und zur Stadterhebung Kufsteins (Zeitschrift des Ferdinan-deums, III. Folge, 42. Heft, 1898) zu äußern. Aus seiner Beschäfti-gung mit der jeden Tiroler besonders anziehenden ältesten Ge-schichte des Schlosses und Grafenhauses von Tirol erwuchsenmehrere Arbeiten: Die Erbauung des Stammschlosses Tirol und dieGründung des Klosters Steinach (Zeitschrift des Ferdinandeums,III. Folge, 43. Heft, 1899), Zur Abstammung der Grafen von Tirol(ebenda) und Zur ältesten Geschichte des Schlosses Tirol (For-schungen und Mitteilungen, 9. Jahrgang, 1914). Andern allgemeinfesselnden Gegenständen galten die Mitteilungen über die HeimatWalters von der Vogelweide (Forschungen und Mitteilungen, 1. Jahr-gang 1904) und über die geschichtliche Grundlage der Sage vonKaiser Max auf der Martinswand (ebenda). Einige Male beschäftigteer sich auch mit der Geschichte des Jahres 1809, so in seinen Er-innerungen an Andreas Hofer (Innsbruck 1899) und in seinenKleinen Beiträgen zur Lebensgeschichte J. Speckbachers (For-schungen und Mitteilungen, 12. Jahrgang, 1915). Ein glücklicher GriffMayrs war die Herausgabe des Jagd- und des Fischereibuches KaiserMaximilians I. (Innsbruck 1901). Der Kampf um die Selbstverwal-tung des italienischen Landesteiles und das immer schärfere Ringender Deutschen und Italiener in Tirol drängten ferner Mayr dazu, diestaatlich-völkische Vergangenheit Südtirols immer aufs neue zu be-leuchten. So entstanden besonders die Arbeiten: Die politischen Be-ziehungen Deutschtirols zum italienischen Landesteile (Innsbruck1901), Welschtirol in seiner geschichtlichen Entwicklung (Zeit-schrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines, 38. Jahr-gang, 1907), Die Entwicklung des italienischen Irredentismus inTirol (Innsbruck 1915, 2. Auflage 1917) und Die Entwicklung dernationalen Verhältnisse in Welschtirol (Zeitschrift des Deutschenund Österreichischen Alpenvereines, 48. Band, 1917). Damit Vorarl-berg auch in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift vertreten sei,verfaßte er weiters eine Mitteilung über den Gebrauch des Laster-steines in der ältesten Strafrechtspflege Vorarlbergs (Forschungenund Mitteilungen, 1. Jahrgang, 1904) und seine Beiträge zur älterenGeschichte der Stadt Dornbürn (Forschungen und Mitteilungen,3. Jahrgang, 1906). Seinen durch das Wiener Institut und durchSchönherr geweckten Sinn für Geschichte der Kunst und einzelner

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Baudenkmäler endlich bekundete Mayr durch seinen anläßlich desinternationalen kunsthistorischen Kongresses in Innsbruck verfaßtenAufsatz über die Arbeiten des Matthäus Gindter in Tirol (Kleine Bei-träge zur Kunstgeschichte und Heraldik Tirols, 1902) und durchseine gelegentlich der Erwerbung und Wiederherstellung des salz-burgischen Schlosses Hohenwerfen durch Erzherzog Franz Ferdinanderschienenen Arbeit über diese Feste (Innsbruck 1903). In ähnlichenGedankengängen wie die bisher genannten Arbeiten bewegten sichauch die zahlreichen kleinen Aufsätze Mayrs in Fachblättern undTageszeitungen. Sehr viele galten später selbstverständlich politi-schen Gegenständen, streiften aber dann und wann doch wieder dasgeschichtswissenschaftliche Gebiet, wie die Beiträge zur Geschichteder Entstehung und der Reform der Tiroler Landesverfassung vomJahre 1861 (Innsbruck 1913). Zu Herders Konversationslexikon(1907) steuerte Mayr die Artikel „Spanien seit 1479" und „Ungarn(Geschichte)" bei.

Diese Arbeiten sind also zahlreich. Sie beweisen auch, daß Mayraußer Vielseitigkeit, Fleiß und Kraft im Vollbringen nicht wenigvon jenen Gaben besaß, die zu guten wissenschaftlichen Leistungenbefähigen. Namentlich sein letztes größeres Werk, das in einerpolitischen Ruhepause entstandene Buch über den italienischenIrredentismus in Tirol zeigt seine Begabung für Bewältigung großerStoffmassen. Aber kein Leser seiner Schriften wird den Eindruckhaben, daß der Verfasser in ihnen seine volle Kraft eingesetzt undsein Letztes hergegeben hat. Mayr war sehr begabt, aber eigentlichkeine Gelehrtennatur. Die Mittel der Forschung zu vervollkommnen,neue Gedanken zu verfechten, nach den tiefsten Gründen undZusammenhängen zu forschen, schwierige Fragen aufzurollen undin immer erneuter Untersuchung sich unter Abweisung aller ober-flächlichen Antworten zu einer ihn selbst befriedigenden Lösungdurchzuringen, war nicht seine Sache. Ihn fesselte kein Gegenstanddauernd, der nicht irgendwie mit der Gegenwart und mit seinenarchivalischen oder politischen Bestrebungen zusammenhing und ihmwar es offenbar — dies zeigt die Wahl seiner Stoffe — vielfach darumzu tun, auch außerhalb des engeren Fachkreises mit seinen ArbeitenErfolg zu haben. Die meisten seiner Werke waren mehr oder wenigerGelegenheitsschriften. Wer jedes Heraustreten aus der Gelehrtenweltmißbilligt und nur den rein wissenschaftlichen Beruf gelten läßt, wirdbedauern, daß sich Mayr durch außerfachliche Gesichtspunkte beein-flussen ließ und nicht sein ganzes Können der Geschichtsschreibunggeweiht hat. Wer dagegen den Menschen nicht nach starren Grund-

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Nekrologe. 331

Sätzen beurteilt und ihn in seiner Gesamtheit nimmt, muß auch dieseArt des Schaffens anerkennen und sich freuen, daß es diesem ander-wärtig tätigen Manne gelungen ist, gewissermaßen im Nebenamteund ohne sich zu zersplittern, auch ersprießliche gelehrte Arbeit zuleisten. Daß es Mayr gelegentlich, so besonders in seinen Aufsätzenzur Geschichte Italienischtirols, nicht vermochte, unbefangen undunparteiisch zu schreiben, wird man bedauern, aber dem inmittendes politischen Kampfes stehenden Manne nicht allzusehr verübelndürfen.

Mayr habilitierte sich 1896 für österreichische und allgemeineGeschichte und wurde 1900 außerordentlicher Professor für neuereGeschichte mit dem besondern Lehrauftrag für tirolische Geschichte.Seine Vorlesungen zeichneten sich weniger durch Tiefe oder Eigen-art der Auffassung als durch klare und verständige Gedanken-führung und durch die lebendige fließende Art der Darstellung aus.Die wissenschaftliche Richtung seiner Hörer zu beeinflussen, lagkaum in seiner Absicht.

Dieser Überblick über Mayrs wissenschaftliche Tätigkeit greiftaber bereits in den letzten Lebensabschnitt des Geschiedenen vor.Die Änderung von Mayrs anscheinend so fest vorgezeichnetemLebensweg trat 1907 ein. Damals wendete sich der junge Professor,der 1901 seine (kinderlos gebliebene) Ehe mit Sophie von Gsteu-Glendheim geschlossen hatte, der Politik zu. Die Fühlung mit seinemFache verlor er aber doch nicht ganz. Unterbrechungen derpolitischen Tätigkeit nutzte er für wissenschaftliche Arbeiten und zurAbhaltung von Vorlesungen aus. Die Leitung seines Archives gingzwar tatsächlich in andere Hände über, der Form nach behielt er sieaber bis zu seiner Ernennung zum Leiter des von ihm verwirklichtenneuen Archivamtes (August 1921) bei, durch die er an die Spitze desArchivrates trat. Vor allem war er aber, trotzdem ihn sein politischerWerdegang und namentlich seine Haltung in der Wahrmund-Angelegenheit (1908) mit den meisten seiner Fachgenossen entzweithatte, bis zuletzt immer bereit, die Sache der Hochschulen undnamentlich die der Universität Innsbruck bei den maßgebendenStellen zu vertreten.

Mayr hatte sich wohl schon früh zur Politik hingezogen ge-fühlt. Ursprünglich war er freiheitlich gesinnt. Auf der Hochschulegehörte er der nationalen Studentenschaft, in seiner erstenInnsbrucker Zeit dem liberalen Kreise an. Gleich dem alterndenSchönherr näherte er sich dann der konservativen Partei. Er schloß

sich ihr bald vollständig an und ließ sich 1907 als Kompromiß-

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kandidat dieser und der christlichsozialen Gruppe ins Abgeordneten-haus wählen. Nach dem Siege der letztgenannten Partei ging er ganzzu ihr über. Seit 1908 war er auch Landtagsabgeordneter. DieGegnerschaft der Altkonservativen kostete ihn 1911 seinen Sitz imReichsrat. Im Herbst 1918 knüpfte er im Auftrage des TirolerNationalrates wichtige Beziehungen zu leitenden Kreisen derSchweiz an. Im März 1919 wurde er in die Nationalversammlung ent-sendet, am 17. Oktober desselben Jahres übernahm er das Staats-sekretariat für Ausarbeitung einer Verfassung und vom 8. Mai 1920bis zum August 1921 das Bundeskanzleramt. Er wurde eben wiederals Anwärter für diese hohe Würde genannt, als ihn der Tod hin-wegraffte.

Mayr verdankte seinen Aufstieg im öffentlichen Leben seinerBiegsamkeit, seinem Geschick bei Verhandlungen, seiner unermüd-lichen Arbeitskraft und seiner Gabe, rasch eine Aufgabe oder Lagezu erfassen und demgemäß zu handeln. In der Folge trat seineEignung zu einem tüchtigen Minister an den Tag. Er bewies sein

/ Verständnis für die Bedürfnisse unseres durch Feindeshand ge-schaffenen, nicht lebensfähigen Staates sowie eine üngewöhnlicheFähigkeit, den Parteimann zu vergessen und bei Ausarbeitung derGesetzesvorschläge unter Zurückstellung der eigenen Meinung demFachmanne das Wort zu lassen. Um das Zustandekommen unsererder Selbständigkeit der Länder nicht allzugünstigen Verfassung unddie Anbahnung besserer Beziehungen Österreichs zum Ausland hater sich große Verdienste erworben. Ob ein wirklicher Staatsmann inihm steckte, ob er imstande gewesen wäre, mit Erfolg eine ziel-bewußte, nicht nur den Forderungen des Augenblicks dienendePolitik zu treiben, hätte sich erst zeigen können, wenn es ihm ver-gönnt gewesen wäre, nach Klärung der gegenwärtigen Verhältnisselängere Zeit an leitender Stelle zu stehen. Gedanken, die nur ihmeigen waren und seiner Zeit vorauseilten, hat er nicht geäußert.

Rein menschlich genommen zählte Mayr nicht zu den unterden Männern bäuerlicher Herkunft häufigen Charakterköpfen, die,scharf ausgeprägt und unveränderlich, mit zwingender Gewaltanziehen oder abstoßen. Dies ließ schon die äußere Erscheinungdes untersetzt gebauten Mannes erraten. Er war schmiegsam,anpassungsfähig und vorsichtig, und besaß — in jungen Jahrenscheinbar in ungewöhnlichem Maße — die Gabe, auf Menschen zuwirken und sie zu gewinnen. Anders wäre es ihm nie gelungen, sichals Landfremder und früherer politischer Gegner in Tirol und in einerPartei durchzusetzen, die damals fast nur aus Angehörigen der boden-

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ständigen Bevölkerung bestand. Strebte er auch mit heißer Leiden-schaft nach dem Erfolg, im Grunde genommen war sein Wesen wohleher kühl überlegend. Daher wußte er sich zu beherrschen. Niemand,der seinen verbindlichen Worten lauschte und in seine dunkelnAugen blickte, vermochte volle Gewißheit über seine innerstenGedanken und Absichten zu gewinnen. Man kann daher auch kaumentscheiden, ob die harten Urteile berechtigt sind, die — wie überalle Politiker, die ihre Farbe gewechselt haben — so auch über Mayrgefällt worden sind. Zum mindesten darf eine gerechte Würdigungdie ansprechenden Züge in Mayrs Wesenseigenart nicht vergessen.Allzeit blieb ihm aus den Tagen seines Verkehrs in der WienerBurschenschaft Bruno-Sudetia ein lebhaftes deutschvölkischesEmpfinden treu. Er betätigte es auch, soweit es sich mit der vonihm vertretenen Österreichischen Staatsgesinnung im Geiste Erz-herzog Franz Ferdinands irgendwie vertrug und dürfte daher in denletzten Jahren in Wahrheit ein Anhänger des Anschlußgedankensgewesen sein, wie er wiederholt versicherte. Er suchte die Ver-bindung mit Hof- und Regierungskreisen. Aber sein rascher Auf-stieg machte ihn nicht schwindlig und es war ihm nicht darum zu tun,seine politische Stellung durch die Art seines Auftretens äußer-lich zu unterstreichen. Er blieb stets jedem gegenüber unbe-fangen und anspruchslos, liebenswürdig und hilfsbereit. Das warnicht nur der Ausfluß kluger Berechnung. Mayr war höchst ehr-geizig und hat — unter Anwendung dieser oder jener Mittel —gewiß manchen beiseite geschoben, der ihm im Wege stand. Aberdurch sein ganzes Wesen ging ein Zug des Wohlwollens. AuchMenschen, die ihm weder schaden noch nützen konnten, durftenseiner Unterstützung gewiß sein. Was aber noch mehr bedeutet: ervermochte, wo nicht gerade seine eigenen Absichten durchkreuztwurden, persönliche Empfindlichkeiten wie parteipolitische Er-wägungen zu vergessen und sachlich zu denken. In persönlichenDingen ist er wiederholt für politische Gegner eingetreten. Vorandern Politikern zeichnete ihn seine Uneigennützigkeit aus. Ihmgenügte der Besitz von Einfluß und Macht, niemals nützte er, so vielman weiß, seine amtliche Stellung aus, um persönliche Vorteile fürsich herauszuschlagen.

Das Bild eines erfolgreichen, vielgefeierten, vielgehaßten undvielbeneideten Mannes kann von einem Zeitgenossen nur in bedingtrichtigen Umrissen gezeichnet werden. Andere mögen auf Grundihrer eigenen Erfahrung anders über ihn denken. Wer aber, wie ich,dem Verblichenen als Schüler, Untergebener und jüngerer Kollege

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gegenübergetreten ist, und von ihm trotz abweichender politischerGesinnung nur Förderung erfahren hat, wird ihm ein gutes unddankbares Andenken bewahren und jeder billig Denkende, auch derpolitische oder persönliche Gegner, wird den tatsächlichen Ertragvon Mayrs Leben anerkennen und seinen frühen Tod beklagen.Überragte auch der Verstorbene den Durchschnitt wahrscheinlichnach keiner Richtung hin um vieles, so wußte er doch tüchtig zuarbeiten und die Aufgaben, die er sich gestellt hatte, geschicktzu lösen. Wir haben nicht allzuviele Männer dieses Schlages.

Innsbruck. R i c h a r d H e u b e r g e r .

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