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Immuntherapien Neuer Ansatz bei der Behandlung von Krebs IT im Spital Digitale Lösungen für eine effiziente Zukunft Die Wettermacher Enge Zusammenarbeit mit der universitären Forschung Campus UNTERNEHMENSMAGAZIN NOVARTIS | 1/2018

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ImmuntherapienNeuer Ansatz bei der Behandlung von Krebs

IT im SpitalDigitale Lösungen für eine effiziente Zukunft

Die WettermacherEnge Zusammenarbeit mit der universitären Forschung

CampusUNTERNEHMENSMAGAZIN NOVARTIS | 1/2018

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Liebe Leserin, lieber Leser

Lag die durchschnittliche Lebenserwartung zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch bei rund 40 Jahren, ist diese heute in vielen Industrieländern fast doppelt so hoch. In der Schweiz beträgt sie rund 83 Jahre – Tendenz steigend.

Diese gesellschaftliche Leistung ist beeindruckend. Bessere Ernährung und Hygiene und allem voran medizinische und pharmazeutische Innovationen haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Heute gilt es, diese Errungenschaften zu verteidigen und gleichzeitig weiterzuentwickeln.

Zum einen müssen wir dafür sorgen, dass die Forschung ein freies Feld bleibt, in dem Wissenschaftler und Kliniker Neues wagen können. Wir müssen aber auch nach Lösungen suchen, wie wir die Gesundheitskosten in Zukunft besser in den Griff bekommen, die in der Schweiz und anderen Industrieländern heute über 10 Prozent der Wirtschaftsleistung entsprechen.

Eine Möglichkeit, um Kosten zu sparen, ist der verstärkte Einsatz digitaler Technolo-gien. Diese können uns beispielsweise dabei helfen, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren zu optimieren und unnötige Fehler und Doppelspurig-keiten zu vermeiden. Doch um hier weitere Fortschritte zu erzielen, muss nicht zuletzt in die Ausbildung von Fachkräften investiert werden.

Dies gilt auch für die Forschung. Dabei reicht es nicht, bloss hohe Summen in die Entwicklung neuer Therapien zu stecken. Wir brauchen auch den Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen, um echten medizinischen Fortschritt zu erzielen.

Als führendes Gesundheitsunternehmen wollen wir bei Novartis auf allen Ebenen zum gesellschaftlichen Fortschritt beitragen. Mit unserer Forschung im Bereich der Immunkrebstherapien oder der induzierten pluripotenten Stammzellen versuchen wir beispielsweise, bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse in die pharmazeuti-sche Praxis zu übersetzen.

Diese Anstrengungen nehmen in der Regel Jahre in Anspruch. Doch Mut und Durchhaltevermögen lohnen sich. Innovationen wie die CAR-T-Gentherapie, mit der heute gewisse Krebsformen gezielt behandelt werden können, wären ohne diesen Willen nicht möglich gewesen.

Doch Innovationen müssen auch in anderen Bereichen des Gesundheitssektors umgesetzt werden. So arbeiten wir daran, vermehrt digitale Lösungen zu entwickeln, um Patienten während der Therapie oder bei klinischen Studien besser zu beglei - ten, und wir setzen uns in der Schweiz auch dafür ein, Fachkräfte im IT-Bereich auszubilden.

Die Herausforderungen im Gesundheitssektor sind hoch. Um weitere Fortschritte zu erzielen, braucht es deshalb die Anstrengung und den Mut aller Akteure!

Ohne Mut kein Fortschritt

44Neuer Ansatz

für klinische StudienPatienten für klinische Studien zu rekrutieren und zu über-wachen, ist schwierig. Digitale Technologien könnten dies vereinfachen.

46Informatik mit

menschlichem AntlitzAn der Berner Fachhochschu-le in Biel wird an der Zukunft des Spitals gearbeitet. Ziel ist es, ein lückenloses digitales System aufzubauen.

DIGITALE ZUKUNFT

32MigräneprophylaxeNoch gibt es keine vorbeu-gende Behandlung für Migränepatienten in Europa, aber in den Spitälern laufen bereits Versuchsreihen.

33Kontinuierliche Fertigung Die Synthese und Formulie-rung von Medikamenten in einem einzigen Prozess herzustellen, war lange Zeit nur eine vage Vision.

3422 Tage Hoffnung Die CAR-T-Therapie bringt die personalisierte Medizin weiter voran.

38Fokus auf die PatientenWenn die Medikamentenent-wicklung konsequent auf die Patientenbedürfnisse ausge-richtet wird, kann die medizini-sche Praxis verbessert werden.

INNOVATIONSTANDORT SCHWEIZ

20«Wir geben mehr fürs

Telefonieren aus als für

Medikamente»Ein Gespräch mit Monika Jänicke, der Vorsitzenden der Geschäftsleitung von NovartisPharma Schweiz, über die Besonderheiten des hiesigen Pharmamarktes, die Rolle innovativer Medikamente und die Freuden des Arbeits-alltags im Allgemeinen.

24 Der letzte Tag30 Jahre lang wurde im Bau 640 im Klybeck das Epilepsiemedikament Tegretol® hergestellt. Im Sommer 2017 war Schluss. Ein Blick zurück – mit Wehmut und Stolz.

FORSCHUNG

6Erfahrung und GefühlDie Entwicklung pluripotenter Stammzellen erlaubt es, Krankheiten auf völlig neue Art zu erforschen. Für Matthias Müller war von Anfang an klar, dass er mit dieser bahnbrechenden Technologie arbeiten möchte.

10Antrieb für das ImmunsystemImmuntherapien bieten einen neuen Ansatz bei der Behand-lung von Krebs. Dabei will Novartis Immunzellen so trainieren, dass diese den Krebs bekämpfen können.

12Die WettermacherDer Erfolg des slowenischen Generikaherstellers Lek, der seit 2002 zu Sandoz gehört, hängt auch mit dessen Fähigkeit zusammen, eng mit der universitären Forschung zusammenzuarbeiten.

Matthias LeuenbergerLänderpräsident Novartis Schweiz

39Hautnah Am Genfer Universitätsspital (HUG) werden Erkenntnisse über die Psoriasis gewonnen, die auch in den Allgemeinpra-xen genutzt werden können.

40Kein KinderspielBei Novartis laufen welt - weit rund 500 klinische Studien. Davon fallen rund 60 Studien auf den Bereich der Pädiatrie.

41HerzensangelegenheitDie Herzinsuffizienz-Erkran-kungen nehmen in der Schweiz ständig zu. Mit der Beteiligung an klinischen Studien trägt die Schweiz dazu bei, neue Behandlungs-optionen zu finden.

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Pharmazeutische Spitzen-forschung verlangt von den Unternehmen Mut, Durchhaltevermögen und ein klares Bekenntnis zur Innovation. Die Anwendung neuer Technologien – sei es im Bereich der Biologika, der induzierten pluripoten-ten Stammzellen oder bei Krebsimmuntherapien – muss über Jahre getestet und ausgewertet werden.

Forschung

Eingefärbte Nervenzellen, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen hergestellt wurden.

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Erfahrung und GefühlAls Matthias Müller von der Entdeckung induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS) erfuhr, war ihm sofort klar, dass er das auch machen wollte. Heute, knapp zehn Jahre später, hat der Biochemiker entscheidend dazu beigetragen, die Methode weiterzuentwickeln und innerhalb von NIBR zu etablieren. von Annette Ryser

Ein Wunder der Natur: Eine winzige, be-fruchtete Eizelle trägt das Potenzial in sich, aus sich heraus einen ganzen Menschen zu bilden – eine Fähigkeit, die Wissenschaftler als Totipotenz bezeich-nen. Schon nach drei Zellteilungen haben sich die Tochterzellen jedoch so weit dif-ferenziert, dass sie diese Fähigkeit verlo-ren haben.

Doch diese embryonalen Stammzel-len können immer noch sehr viel, nämlich zu jedem beliebigen Zelltyp im menschli-chen Körper heranreifen. Deshalb nennt man sie auch pluripotent. Erst die fertigen Muskel-, Nerven- oder Blutzellen sind so spezifisch ihren Aufgaben angepasst, dass sie diese Fähigkeit verloren haben.

Die Entwicklung unserer Zellen ist al-so eine Einbahnstrasse – zumindest im lebenden Organismus. Für Zellen im La-bor wurde dieses Prinzip jedoch ausser Kraft gesetzt. Dieser Durchbruch, der zahlreichen Therapien Tür und Tor öffne-te, ist hauptsächlich zwei Forschern zu verdanken: den beiden Nobelpreisträgern John B. Gurdon und Shinya Yamanaka.

Die Uhren zurückstellenBereits in den 1950er- und 1960er-Jahren gelang es dem englischen Entwicklungs-biologen Sir John B. Gurdon an der Ox-ford University, den Frosch Xenopus zu klonen. Dazu transplantierte er den Zell-

kern aus einer erwachsenen Darmzelle in ein Froschei. Dieses entwickelte sich in der Folge zu einem Embryo, der gene-tisch mit dem Spender des Zellkerns identisch war. Gurdon konnte damit zei-gen, dass es möglich ist, noch einmal von vorne zu beginnen und die Uhren quasi auf null zu stellen.

40 Jahre später fand der japanische Mediziner Shinya Yamanaka heraus, dass es nicht nötig ist, einen Klon herzustellen, sondern dass sich fast jede adulte Zelle in eine Stammzelle zurückverwandeln lässt. Diese künstlich reprogrammierten Zellen nannte der Forscher «induzierte pluripotente Stammzellen» (iPS).

Die Ergebnisse von Gurdon und Yamanaka stellten das Wissen über die Entwicklung von Zellen komplett auf den Kopf. Für ihre grundlegenden Erkenntnis-se erhielten beide 2012 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie.

«Als Yamanaka 2006 seine Ergebnis-se publizierte, war das Echo in Wissen-schaft und Medien riesig», erinnert sich Matthias Müller, iPS-Spezialist im Depart-ment Chemical Biology & Therapeutics (CBT) der Novartis Institutes for BioMedi-cal Research (NIBR). «Uns war sofort klar, welch faszinierende Entdeckung das war», so der Biochemiker. Aufmerksam auf die Methode wurde er durch die E-Mail eines Kollegen: «Zusammen mit

meinem Laboranten studierten wir da-nach den Artikel in der Zeitschrift Cell. Und wir haben beide sofort zueinander gesagt: Das machen wir auch.»

Moralisch überlegen2006 war Müller bereits Lab Head bei NIBR und auf die Herstellung von trans-genen Mäusen spezialisiert. Die Herstel-lung von iPS musste sich jedoch wie die meisten neuen Technologien zuerst etab-lieren. Als NIBR Basel vor rund vier Jah-ren auf den Zug aufsprang, war Matthias Müller der Mann der Stunde und wurde mit der Aufgabe betraut. Seither hat der Wissenschaftler die Methode wesentlich weiterentwickelt. Inzwischen gehört sie innerhalb von NIBR zum Standard.

«An iPS interessant ist für Forscher vor allem, dass sie die umstrittenen emb-ryonalen Stammzellen meist überflüssig machen», erklärt Müller.

Um die Zellentwicklung zu studieren, hatten Forscher bisher auf Stammzellen aus menschlichen Embryonen zurück-greifen müssen, die bei In-vitro-Fertilisa-tionen übrig geblieben waren. Dies wurde aus ethischen Gründen immer wieder in-frage gestellt. Auch ist die Forschung streng reguliert.

In den vergangenen Jahren haben sich iPS daher gegenüber den embryona-len Stammzellen längst etabliert. Den

Forschern von NIBR dienen sie heute vor allem dazu, Zellkulturen zu züchten, die genetisch von einzelnen Patienten ab-stammen und deren krankmachende Ge-ne in sich tragen.

«Aus den iPS lassen sich dann theo-retisch alle möglichen Zelltypen herstel-len, viele Krankheitsaspekte nachstellen und diese auf zellulärer Ebene untersu-chen», erläutert Müller. An den so verän-derten Zellen lassen sich daraufhin Sub-stanzen testen, die für die Entwicklung eines Wirkstoffs in Frage kommen.

Künftig soll es zudem möglich sein, iPS für die Gen- und Zelltherapie zu ver-wenden. So ist es denkbar, aus Patienten-zellen via iPS genetisch korrigierte Trans-plantate zu generieren, die beim Patienten keine Abstossung auslösen sollten.

Der Biochemiker Matthias Müller leistet Pionierarbeit im Bereich der induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS).

«Man muss bereit sein, Zeit zu investieren und mit einer gewissen Unsicherheit zu leben – dann eröffnet sich einem das riesige Poten­zial von iPS.» Matthias Müller

Die eigentliche Herausforderung sei jedoch die nachfolgende Differenzierung der iPS zum gewünschten Zelltyp. Müller: «Das ist ein wenig wie kochen: Für den Erfolg braucht es eine gewisse Erfah-rung, Talent und Gefühl.»

Manchmal dauert es Monate bis zum gewünschten Zelltyp. Monate, in denen die Zellen in Brutkästen gelagert und re-gelmässig auf ihre Qualität geprüft wer-den. Täglich müssen die Forscher das Nährmedium wechseln und bestimmte Substanzen zugeben, die einem strengen Protokoll folgen. «Dazu kommen noch Va-rianzen, die auf die genetischen Unter-schiede im Patientenmaterial oder in der Reprogrammierung zurückzuführen sind», ergänzt Müller. Dank seinem Enga-gement konnten die Methoden in den

Ein wenig wie kochen«Interessanterweise ist die Methode zur Herstellung von iPS seit den Studien von Yamanaka praktisch die gleiche geblie-ben», erklärt Matthias Müller.

Die japanischen Forscher hatten damals vier Transkriptionsfaktoren identifiziert, die – exprimiert in jeder beliebigen Zelle – diese in eine Stammzelle zurückverwandeln kön-nen. Das Prozedere wurde in den darauffol-genden Jahren zwar weiter perfektioniert, jedoch nicht grundsätzlich verändert.

«Schwierig ist das eigentlich nicht – und wird von Forschungsunternehmen daher auch schon teilweise ausgelagert», so Müller. Muss es schnell gehen oder sind es ungewöhnliche Zellen, die repro-grammiert werden müssen, stellt er sie mit seinem Team aber noch selber her.

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Zuckungen in der PetrischaleGerade weil noch so viel Potenzial be-steht, die Entwicklung rasant vorwärts geht und viel Hoffnung auf dieser neuen Technologie ruht, ist die Arbeit für Müller noch immer eine Herausforderung – und ein Traumjob. «Es gibt keine Routine, es ist immer wieder spannend. Und es ist faszinierend zu verfolgen, wie sich unsere Zellen entwickeln.»

rund sechs Jahren, seit sich Müller und sein Team um die iPS kümmern, jedoch stetig verbessert und innerhalb von NIBR verankert werden. Besonders im Depart-ment CBT arbeitete er schon seit vielen Jahren mit vielen Forschungsgruppen eng zusammen, die inzwischen lieber auf Zellkulturen aus iPS statt auf klassische Zelllinien oder Primärzellen zurückgrei-fen. «Durch die offene Laborstruktur im Chipperfield-Gebäude werden diese In-teraktionen noch begünstigt. Die Wege sind bei uns kurz.»

Umfangreiche ScreeningsBeispielsweise arbeitete Müller 2014 mit Forschern der Disease Area Musculo-skeletal (MSD), um aus einer Hautzelle eines Patienten mit amyotropher Lateral-sklerose (ALS) Motoneuronen herzu- stellen. Ein Teil der ALS-Patienten haben einen Gendefekt, der dazu führt, dass sich in den Motoneuronen Aggregate aus RNA bilden. Da diese möglicherweise bei der Entstehung der Krankheit eine Rolle spielen, suchen die Forscher einen Wirk-stoff, um die Aggregate aufzulösen. Dank diesen Zellen konnten bereits mehrere Substanzen darauf getestet werden, ob sie diese Eigenschaft aufweisen.

Man fand einige vielversprechende Kandidaten, die derzeit weiter untersucht werden. «Bisher liegt unser Rekord beim Screening-Umfang bei fast 100 000 Sub-stanzen», sagt Müller stolz. Solche Men-gen sind nur möglich, wenn die Zellen eine hervorragende Qualität aufweisen und die Interaktion mit den Screening-Spezialisten reibungslos läuft.

Der Erfolg gibt Müller recht. Die iPS-Technologie ist heute von grosser Bedeu-tung für NIBR und kommt etwa auch bei der Weiterentwicklung der CRISPR-Tech-nologie zum Einsatz.

Dennoch waren iPS lange Zeit um-stritten. «Wir hatten einige Herausforde-rungen zu meistern», sagt Müller rückbli-ckend. Die Methode ist noch immer recht teuer, was hauptsächlich daran liegt, dass die Differenzierungsphase viel Zeit und Aufwand benötigt. Zudem gibt es Unter-schiede bei den Zelltypen: Einfacher her-zustellen sind Neuronen und Herzmuskel-zellen, da man sehr viel über deren

Wahrscheinlichkeit lebensfähig ist. Die-se Selektionsprozesse lassen sich im Labor bis jetzt kaum imitieren. «Doch um solche Zellen therapeutisch einzu-setzen, muss ihr Genom absolut sauber sein. Wir können keinem Patienten Zel-len oder Organe transplantieren, von denen wir nicht sicher sind, dass sie kein Risiko darstellen.»

In Zukunft will er mit seinem Team die bestehenden Verfahren verfeinern sowie komplexere Systeme entwickeln, die aus verschiedenen Zelltypen in drei Dimensio-nen bestehen. «Wir konnten bereits Misch-kulturen von Motoneuronen und Muskel-zellen herstellen: Wenn die Zell typen interagieren, sehen wir in der Petrischale die Kontraktionen – wie sonst im lebenden Skelettmuskel. Das ist toll anzusehen.»

Matthias Müller bei der Arbeit an induzierten pluripoten-ten Stammzellen im Labor auf dem Novartis Campus in Basel.

Entwicklung weiss. «Bei anderen Zellen, wie etwa Leberzellen, müssen wir manch-mal improvisieren und die Methode in kleinen Schritten weiterentwickeln», so Müller.

Notwendige RisikenProbleme können auch auftreten, weil die differenzierten Zellen zu jung sind. Denn nach drei Monaten in der Petrischale ent-spricht der Entwicklungsstand einer menschlichen Zelle noch immer jenem im Fötus. «Bei einigen Zelltypen ist dies ein Problem. So reagieren zum Beispiel die Leberzellen eines Fötus in vielen Dingen anders als die eines Erwachsenen», er-klärt Müller.

Gerade für das Testen von toxischen Medikamentenwirkungen sei das rele-vant. Innerhalb der Leberforschung von NIBR will das Team um Müller daher Me-thoden etablieren, die den Alterungspro-zess künstlich beschleunigen.

Überhaupt zeigt sich die Gruppe inno-vativ in der Weiterentwicklung der Metho-de. Matthias Müller: «Manchmal sind die bestehenden Protokolle zu kompliziert und zu schwierig in der Anwendung. Wir sind stets auf der Suche nach Vereinfa-chungen und Abkürzungen.»

Letztlich gebe es aber noch immer viele Unsicherheiten und damit auch ein gewisses Risiko, dass die finalen Zell-typen den Anforderungen nicht genügen. «Dieses Risiko muss man eingehen, da führt kein Weg dran vorbei. Man muss be-reit sein, Zeit zu investieren und mit einer gewissen Unsicherheit zu leben – dann eröffnet sich einem das riesige Potenzial von iPS.»

Transplantate aus iPSAnders als in der pharmazeutischen For-schung ist die Verwendung von iPS für Stammzelltransplantate dagegen noch Zukunftsmusik. Doch die Hoffnungen sind gross. Der erste klinische Versuch mit ei-nem solchen Transplantat startete im Herbst 2014 am RIKEN-Institut im japani-schen Kobe. Eine an der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) erkrankte Pa-tientin erhielt dabei ein Stück retinales Pigmentepithel transplantiert, das aus ih-ren Hautzellen hergestellt worden war.

«Das grösste Problem ist die Si-cherheit», so Müller. «Insbesondere die Methode zur Herstellung von iPS birgt ein gewisses Risiko, dass diese Zellen früher oder später Krebs entwickeln. «Im Mutterleib unterliegt die Embryo-nalentwicklung einer strengen Selek-tion», erklärt Müller weiter. Diese Prozesse führen dazu, dass das entste-hende Leben mit einer sehr hohen  C

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Antrieb für das ImmunsystemKrebsimmuntherapien entwickeln sich zu einem der aussichts-reichsten Ansätze im Kampf gegen Krebs. von Eric Bender

Schritt 1 – TrainingDie dendritischen Zellen des Immunsys-

tems erkennen Tumore zwar als Fremdkörper,

können aber so manipuliert werden, dass

sie den Krebs nicht zerstören. Die Forscher

versuchen sie so zu trainieren, dass sie Krebs-

zellen gezielt ins Visier nehmen.

Schritt 2 – AktivierungSobald sie trainiert sind, sollen dendritische

Zellen andere Bestandteile des Immunsystems

in den Abwehrmodus versetzen. Dazu über-

mitteln sie in den Lymphknoten Informationen

an T- und B-Zellen, damit diese sich vermehren.

Schritt 3 – AusbreitungTrainierte T- und B-Zellen patrouillieren in

bestimmten Tumorumgebungen und

spüren Unterschiede zwischen gesunden

und bösartigen Zellen auf.

Dendritische Zellen

T-Zelle

Immunabwehr In drei Schritten

Tumorzellen

Krebsimmuntherapien haben den Kampf gegen Krebs für einige Patien-ten revolutioniert. Die Betonung liegt dabei auf «einige». Für die meisten Pati-enten kommen Medikamente, die den Tu-mor mithilfe des Immunsystems angrei-fen, aufgrund der raffinierten Strategien, mit denen Krebszellen das Immunsystem austricksen, nicht infrage.

Dies könnte sich jedoch bald ändern. Durch das immer bessere Verständnis der Immunreaktion auf Krebs laufen der-zeit weltweit über 800 klinische Studien mit Wirkstoffkandidaten gegen verschie-denste Krebsformen, die für die Krebsim-muntherapie in Betracht kommen.

«Es liegt eine spannende Zeit vor uns», so Gordon Freeman, Forscher am Dana-Farber-Krebszentrum. «Unter den Grundlagenforschern, klinischen For-schern und Pharmaunternehmen ist viel Energie und Enthusiasmus zu spüren. Die Tür steht offen, und die Zuversicht ist gross, dass sich einige der Wirkstoffe durchsetzen.»

Doch dies war nicht immer so. Der ak-tuelle Hype um die Immuntherapie ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung an den komplexen Feinheiten des menschli-chen Immunsystems. Die Idee, das Im-munsystem als Waffe gegen Krebs einzu-setzen, ist bereits über 100 Jahre alt.

Bedeutende Fortschritte liessen aber bis in die 1990er-Jahre auf sich warten, als Forscher die Interaktion zwischen Krebszellen und den T-Zellen des Immun-

Zellen die T-Zellen darauf, sich zu ver-mehren und den Tumor anzugreifen. Im dritten Schritt, der Ausbreitung, verlassen die T- und B-Zellen die Lymphknoten und wandern durch den Körper, um Tumorzel-len aufzuspüren und zu vernichten.

Leider erfinden Tumore verschie-denste molekulare Tricks, um der Immun-abwehr gegen Krebs im Prozess vom Training bis zur Ausbreitung der Immun-zellen zu entgehen.

Mit seiner Arbeit trug Freeman mass-geblich zur Entdeckung jenes Mechanis-mus bei, den die Krebszellen benutzen, um das Immunsystem auszutricksen und die wichtige Immunabwehr-Aktivierung zu verhindern. So fand er heraus, dass ein Protein der Zelloberfläche, PD-1 genannt, Tumorzellen darin unterstützt, die Immu-nabwehr mithilfe eines an die Immunzel-len gerichteten Abschaltsignals (auch Off-Signal) zu umgehen.

Als Vertreter der sogenannten Check-point-Proteine hindert PD-1 das Immun-system im Normalfall daran, gesunde Zel-len anzugreifen. Weitere Proteine, die als Kontrollpunkte fungieren, sind CTLA-4, TIM-3 und LAG-3.

Krebszellen nutzen diese Signale, die eigentlich nur bei gesunden Zellen zu fin-den sind, um sich als freundlich zu tarnen und das Immunsystem zu überlisten.

Obwohl PD-1 und andere Checkpoint-Inhibitoren auch als Monotherapie wirk-sam sind, zeichnet sich für die Kombinati-on zweier Checkpoint-Inhibitoren eine noch grössere Wirksamkeit ab. So zeigte eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom mit der Kom-bination aus PD-1 und CTLA-4 höhere Ansprechraten als mit dem CTLA-4-Inhi-bitor allein. Im Oktober 2015 erteilte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung für die Kombinations-therapie bei tödlichem Hautkrebs.

«Die Zulassung ist ein wichtiger Mei-lenstein. Sie bestätigt, dass wir mit den Therapien, die auf verschiedene Weise die Blockade des Immunsystems durch-brechen, bessere klinische Ergebnisse erzielen», so Dranoff.

Laufende Studien kombinieren unter-schiedliche Checkpoint-Inhibitoren, darun-ter auch gegen TIM-3 und PD-1 gerichtete Substanzen, um zu untersuchen, wie gut sie Off-Signale an die Immunabwehr blockie-ren. Die Kombination verschiedener Inhibi-toren könnte deren Wirksamkeit erhöhen.

Während Off-Signale das Tumor-wachstum eher fördern, sind viele der On-Signale, welche die Immunreaktion auf Tumorzellen verbessern könnten, bei Krebspatienten schwach ausgeprägt. «Es ist wichtig, die On-Signale zu verstärken», so Freeman. «Ein Thema, an dem derzeit intensiv geforscht wird.»

Aussichtsreicher STING-SignalwegEin aussichtsreiches immunaktivieren-des On-Signal über den sogenannten STING-Signalweg geht von dendriti-schen Zellen aus, die im ersten Trai-ningsschritt der Anti-Tumor-Immunant-wort aktiviert werden.

In Tiermodellen zerstörte eine poten-zielle Substanz, die den STING-Rezeptor aktiviert, nicht nur Tumorzellen, sondern trainierte und aktivierte darüber hinaus Armeen von T-Zellen, um den Krebs auch in anderen Körperregionen anzugreifen.

«Die Idee ist, durch eine zielgerichtete und kontrollierte Aktivierung des STING-Rezeptors in den dendritischen Zellen deren Fähigkeit zu steigern, den Trai-ningsvorgang einzuleiten», so Dranoff.

In Zusammenarbeit mit Aduro Biotech plant Novartis die klinische Prüfung meh-rerer auf STING gerichteter Substanzen und hofft, mit diesen Immunreaktionen gegen Krebs auszulösen. Der Ansatz soll letztlich auch Patienten helfen, die nicht auf bestehende Behandlungsoptionen und andere Immuntherapien ansprechen.

«Indem wir die drei Schritte der Immun- antwort besser steuern, können wir die Wirksamkeit von Immuntherapien für im-mer mehr Patienten steigern», so Dranoff.

«Es liegt eine spannende Zeit

vor uns.»Gordon Freeman

Training, Aktivierung und Ausbreitung Die Arbeiten von Freeman, von denen die bedeutendsten um die Jahrtausendwen-de publiziert wurden, trugen massgeblich zum Forschungs- und Entwicklungsboom in der Immun-Onkologie bei. So konnte er darstellen, wie Krebszellen mit molekula-ren Signalen Angriffe von T-Zellen ab-wehren.

Die gegenwärtige Begeisterung der Forscher liegt dabei vor allem an der Tat-sache, dass heute unterschiedliche im-muntherapeutische Strategien zur Verfü-gung stehen, die von Freemans und anderen Arbeiten inspiriert wurden.

Diese neuen Immuntherapien machen sich dabei molekulare Mechanismen zu-nutze, die den Immunangriff auf Krebs entweder hemmen oder stimulieren. Fachleute ordnen diese Mechanismen den drei Schritten Training, Aktivierung und Ausbreitung zu.

Im ersten Schritt, dem Training, lernen dendritische Zellen, die Wächter des Im-munsystems, anhand abgestorbener Tumorzellen die spezifischen Merkmale des Krebses kennen. In den Lymphkno-ten präsentieren sie anschliessend B- und T-Zellen, den Soldaten des Im-munsystems, Fragmente des Tumors, um sie auf den Feind zu «hetzen», wie Glenn Dranoff, Global Head of Immuno-Oncolo-gy der Novartis Institutes for BioMedical Research, erläutert. Im Aktivierungs-schritt programmieren die dendritischen

systems immer besser verstanden. Ob-wohl bekannt war, dass T-Zellen Krebs-zellen identifizieren können, indem sie sich an Antigene auf der Zelloberfläche heften, enthüllten erst weitergehende Un-tersuchungen ein viel komplexeres Sys-tem. Mit diesem Wissen wurden neue Wirkstoffziele formuliert.

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Die WettermacherIn den 70er-Jahren machten sich Forscher des Pharmaunternehmens Lek in Mengeš und Wissenschaftler der nahegelegenen Universität Ljubljana, die bereits seit 1946 eng zusammengearbeitet hatten, gemeinsam daran, ein neues Verfahren zur Alkaloidproduktion zu entwickeln. Ihr Projekt erwies sich als Erfolg und machte Novartis zu einem Biosimilars-Pionier. von Goran Mijuk und Michael Mildner

Zlatko Pflaum, Projektmanager in der Biopharmazeutika-Abteilung in Mengeš, erinnert sich gern an seine Studentenzeit in den späten 70er-Jahren; vor allem an die Zusammenarbeit mit seinen Kollegen vom Nationalen Institut für Chemie der Univer-sität Ljubljana und Lek, dem bereits damals wichtigsten Generi-ka-Unternehmen der Region.

«Es war eine sehr ambitionierte Kooperation. Die Forscher der Universität und von Lek wollten quasi ‹Wettermacher› wer-den», erklärt Pflaum schmunzelnd. «Das ist natürlich nicht wört-lich gemeint. Ziel der Zusammenarbeit war es, die Produktion von Ergotalkaloiden zur Arzneimittelherstellung besser zu kont-rollieren.»

In der Vergangenheit hatte sich Lek diese natürlich vorkom-menden chemischen Verbindungen mithilfe von Mutterkornpil-zen beschafft, die in einem nahegelegenen Roggenfeld geerntet wurden. Da das Pilzwachstum allerdings sehr wetterabhängig ist, suchte das Team nach einer Möglichkeit, die Ergotalkaloide unter künstlichen Bedingungen herzustellen. Zu diesem Zweck sollten Fermenter – eine Art Bioreaktoren – entwickelt werden.

Der spätere Erfolg des Mutterkornprojekts sollte nicht nur Leks Position als führendes Generika- und Biotech-Unterneh-men festigen, sondern auch die Bedeutung enger Allianzen für den Aufstieg des Unternehmens belegen.

Tief verwurzelter Sinn für ZusammenarbeitDie intensive Partnerschaft zwischen Lek und der Universität war für die damalige Zeit in der Pharmabranche ungewöhnlich. Während Akademiker und Unternehmen anderswo oft getrenn-te Wege gingen und sich teilweise als Konkurrenten sahen, galt die Zusammenarbeit zwischen kommerziellen und akademi-schen Einrichtungen in Slowenien als durchaus erstrebenswert.

Diese aussergewöhnliche Einstellung ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Lek. Sie hängt auch mit der besonde-ren Geschichte des Unternehmens zusammen, das nach dem Zweiten Weltkrieg mithilfe zahlreicher Universitätsforscher auf-gebaut wurde, die die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen an der Uni von Beginn an weiterpflegten.

«Durch diese Unvoreingenommenheit sicherte sich Lek in Rekordzeit eine Spitzenposition im Bereich der Fermentations-technologie», sagt Pflaum. «Die Zusammenarbeit, die ja seit der Gründung fest verankert war, machte Lek zu einem führenden

Blick auf ein Feld in der Nähe des Lek-Standorts im slowenischen Mengeš.

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Unternehmen für kleinmolekulare Produkte und ge-wann im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts immer stärker an Bedeutung, besonders mit dem Aufkommen genetischer Verfahren.»

Während die «genetische Chirurgie», wie sie in den 70er-Jahren noch genannt wurde, zunächst ein obskures Forschungsfeld darstellte, für das sich nur wenige Wissenschaftler interessierten, begann mit den ersten rekombinanten DNA-Experimenten in den 80er-Jahren ein neues Zeitalter, das auch die Herstellung proteinbasierter Medikamente wie Insu-lin oder Erythropoietin (kurz EPO) ermöglichte. Unter der Leitung interner Forscher wie Miha Kremser und später Viktor Menart und Anton Štalc erkannte Lek als eines der ersten Unternehmen die Zeichen der Zeit und den sich anbahnenden revolutionären Wan-del in der Pharmabranche und begab sich auf dieses neue Feld.

Innovation am laufenden Band Die kontinuierliche Kooperation mit dem Nationalen Institut für Chemie bot dabei klare Vorteile, da es Lek zu dieser Zeit noch an geeigneten Instrumenten für die Arbeit mit rekombinanter DNA mangelte. In diesem Forschungsfeld werden durch die Änderung des Ge-noms bestimmter Zellen spezifische Proteine erzeugt.

«Es waren aufregende Zeiten. Zu Beginn wuss-ten wir nicht, ob unsere Arbeit wirklich handfeste

Biologika sind

grossmolekulare

Medikamente, die

mithilfe lebender

Zellen hergestellt

werden.

Da die Fertigung

dieser Medikamen-

te besondere Fähig-

keiten, Geräte und

Erfahrung erfordert,

hat Novartis

Technical Opera-

tions den Bereich

Biologics Technical

Development &

Manufacturing

(BTDM) als eine

ihrer sechs

globalen Technolo-

gie-Plattformen

positioniert. BTDM

umfasst Biologika

(Pharma) und

Biosimilars

(Sandoz) und

betreibt ein Dutzend

Standorte mit mehr

als 5000 Beschäf-

tigten weltweit.

BTDM­ NetzwerkErfahrungen mit Biologika

Zlatko Pflaum

Oben: In isolierten Kammern der Cell & Molecular Biology Labs werden Zellen vorbereitet. Mitte links: Eine Forscherin zieht sich für die Arbeit im Entwicklungslabor um.Unten und rechts: In der Produktentwicklung werden Medikamente unter anderem auf ihre Stabilität und andere wichtige Eigenschaften geprüft.

Ergebnisse liefern würde», erinnert sich Pflaum. «Wir entwickelten aber nach und nach ein besseres Ge-spür für das Verfahren und widmeten uns bald der Fertigung von Biosimilars.»

Zur Jahrtausendwende war man fast für die Pro-duktion von EPO bereit, als Novartis auf Lek zutrat und Interesse an der Übernahme des slowenischen Unternehmens bekundete, um das Generikageschäft auszubauen.

Die Übernahme wurde 2002 abgeschlossen und sollte sich nachhaltig auf die Zukunft von Novartis auswirken. Im Jahr 2009 hatte Lek wesentlichen An-teil an der erfolgreichen Einführung des ersten Bio-similars von Novartis: Filgrastim.

ProteinherstellungDas Biotechteam aus anfänglich etwa einem halben Dutzend Wissenschaftlern ist inzwischen auf rund 400 Fachkräfte angewachsen, die heute einen Teil des Bereichs Biologics Technical Development & Manufacturing (BTDM) ausmachen und für die Zell-linien- und Prozessentwicklung verantwortlich sind, die als Grundlage für die gesamte Biosimilars-Pro-duktion des Unternehmens dient.

Trotz der langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet ist der Prozess zur Erzeugung von proteinbasierten Medikamenten alles andere als ein Kinderspiel. Er umfasst eine Vielzahl an hochkomplexen Verfahren, die stets auf ihre Qualität geprüft werden müssen, bevor die Zellen für die Produktion eingesetzt wer-den können.

Der Prozess beginnt in den Cell & Molecular Biology Labs. Dort leitet Dominik Gaser ein Team aus Wissenschaftlern, die Säugerzelllinien entwi-ckeln, um ein später als Therapeutikum nutzbares Protein herzustellen. Dieses Verfahren ist kompli-ziert und ähnelt einem riesigen Puzzle, denn die Forscher müssen dasjenige Protein nachbilden, das dem im Referenzmedikament enthaltenen mög-lichst ähnlich ist.

Die Biosimilars-Fertigung ist aber nicht nur des-halb so komplex, weil die Wissenschaftler hochmo-derne Gentechnologien beherrschen müssen. Laut Mateja Salobir, Leiterin der Wirkstoffentwicklung in Mengeš, gilt es auch zu bedenken, dass die Proteine

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FORSCHUNG

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FORSCHUNG

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Über 100 Mitarbeitende kümmern sich am Standort

Mengeš um die Qualitätssicherung. Und ihre Zahl

wächst immer weiter. Christophe Royer, Qualitätslei-

ter von DS Bioproduction Mengeš, muss daher nicht

nur die Qualität von Produkten, sondern auch die

Qualifikationen neuer Fachkräfte prüfen. Besonders

wichtig ist die Qualität bei Biosimilars, da diese

Produkte sowohl die Standardanforderungen an

Pharmazeutika erfüllen als auch eine hohe Ähnlichkeit

mit den Referenzbiologika aufweisen müssen.

Makellose ProdukteQualität als Schlüssel zum Erfolg

Mateja Salobir

Vatroslav SpudićOben: Im Upstreamlabor werden die Bioprozesse entwickelt.Rechts: Im POMP-Werk in Mengeš werden Biosimilars hergestellt.

in lebenden Zellen erzeugt werden, die wie alle Le-bensformen auf äussere Umstände wie Temperatur oder Verfügbarkeit von Nahrung reagieren. Je nach Nährstoffmenge oder Temperatur entstehen also un-terschiedliche Proteine.

«Dies ist ein normales Phänomen», erklärt Vat-roslav Spudić, Leiter der nachgelagerten Pro-zessentwicklung, bei der die Proteine nach ihrer Er-zeugung in ausreichender Menge isoliert werden. «Abhängig von unserer Körpertemperatur, der auf-genommenen Nahrung und der aktuellen Stressbe-lastung ändert sich ja auch die Proteinproduktion in unserem Körper.»

Sobald eine geeignete Möglichkeit zur Reproduk-tion des Proteins entwickelt ist, wird dieses an das Entwicklungsteam übergeben, das unter der Füh-rung von Darko Zadravec stabile Medikamente ent-wickelt, die in klinischen Studien getestet und schliesslich an Patienten verschrieben werden. Hier wird beispielsweise die Proteinlösung gefrier- getrocknet, wodurch sich die Stabilität des Medi-kaments verbessert. Unterstützend kommen hoch-moderne Analyseverfahren zum Einsatz.

«Insgesamt ist die galenische Entwicklung ein anspruchsvoller Schritt in der Biosimilars-Produkti-on, der bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen kann und die Qualität des Endprodukts entscheidend be-einflusst», so Zadravec.

Dies erklärt auch, warum Reproduktionen von Biopharmazeutika als Biosimilars oder «Nachahmer-Biologika» bezeichnet werden, denn im Gegensatz zu Generika handelt es sich nicht um exakte Kopien kleinmolekularer Arzneimittel. Biosimilars sind nicht nur viel schwieriger zu erzeugen als Generika, son-dern erfordern auch Studien am Menschen, bevor die behördliche Zulassung genehmigt werden kann. «Die Qualität darf daher zu keinem Zeitpunkt der Produktion vernachlässigt werden», ergänzt Spudić.

Hohe Nachfrage Ausgerüstet mit modernster Technik und unterstützt durch digitale Modellierungsverfahren bereiten die Forscher von Lek ihre Zellen Schritt für Schritt vor, bevor sie dann in Bioreaktoren übertragen und zur Produktion des Arzneimittelwirkstoffs in grossen Mengen genutzt werden.

Da Behörden und Versicherer immer auf der Su-che nach wirkungsvollen und gleichzeitig kosten-günstigen Therapien sind und die weltweite Nach-frage nach Biosimilars somit steigt, sind auch die entsprechenden Fachkenntnisse sehr gefragt.

Nicht zuletzt dank der Übernahme von Lek spielt Sandoz heute eine Führungsrolle in der Biosimilars-Produktion. Im Jahr 2016 erhielt Sandoz für Zarxio® im Rahmen des neuen Zulassungsverfahrens für derartige Produkte als erstes Unternehmen über-haupt die FDA-Zulassung für ein Biosimilar.

Während die Nachfrage nach komplexen Biologika voraussichtlich steigen wird, besteht weiterhin Bedarf an herkömmlichen Biosimilars wie EPO. Auch deswe-gen erhöht Mengeš seine Produktionskapazität. Eine der beiden Biosimilars-Anlagen soll demnächst um eine dritte Fertigungslinie erweitert werden.

Lek wurde 1946 in

Ljubljana gegründet

und 2002 von

Novartis übernom-

men. Lek betreibt

sieben Standorte

in vier Regionen von

Slowenien und

beschäftigt rund

4000 Fachkräfte.

Der Standort

Mengeš befindet

sich nahe Ljubljana.

Er umfasst etwa

1000 Fachkräfte

und die Bereiche

Chemical Opera-

tions und BTDM.

Mehr als zwanzig

komplexe Arzneimit-

telwirkstoffe werden

hier entwickelt.

Biotech­JuwelLek

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Standort SchweizAlles muss sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist, lautet ein berühmtes Bonmot des italienischen Schriftstel-lers Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Für den Unternehmens- und Industriestandort Schweiz bedeutet dies, nicht nur nach vorne zu schauen. Es gilt auch, bewusst von liebgewon-nenen Traditionen Abschied zu nehmen.

Wiederaufbau eines stillgelegten Hafenkrans in der Nähe des Klybeck-Areals in Basel. Der Kran soll künftig als Touristenattraktion dienen.

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Wir geben mehr fürs Telefonieren aus als für Medikamente

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Ein Gespräch mit Monika Jänicke, Vorsitzende der Geschäftsleitung von Novartis Pharma Schweiz, über die Besonderheiten des hiesigen Pharmamarktes, die Rolle innovati-ver Medikamente und die Freuden des Arbeitsalltags. Das Interview führte Susanne Sailer

Frau Jänicke, wie steht es Ihrer Meinung und Erfahrung nach um die Gesundheitsversorgung der Schwei-zerinnen und Schweizer?Das Schweizer Gesundheitssystem ist sehr gut. Unsere Grundversicherung und Zusatzversicherung bieten ein breites Spektrum an Leistungen, die jeder in Anspruch nehmen kann. Aber natürlich sehen wir uns auch grossen Herausfor-derungen gegenüber, die unter anderem mit der demografischen Entwicklung zusammenhängen. Unsere Gesellschaft verändert sich; wir werden immer älter. Damit nehmen zum Beispiel chronische Erkrankungen wie Diabetes und Herz-insuffizienz zu, die dann eben zu Lasten der Sozialversicherungen gehen.Schweizer Zulassungsprozesse gelten im internationalen Vergleich als eher langsam. Warten Patienten hierzulan-de länger als nötig auf therapeuti-schen Fortschritt und dessen Bezah-lung durch die Kassen? Schweizer Patientinnen und Patienten haben in aller Regel raschen Zugang

Monika Jänicke stammt aus dem badischen

Konstanz. Nach ihrem Chemiestudium in

Konstanz promovierte sie an der Universität

Zürich. Ihren beruflichen Werdegang startete

sie bei Merck Sharp & Dohme-Chibret, bevor

sie 2003 zu Novartis Pharma Schweiz

wechselte, um dort zunächst den Bereich

Ophthalmologie zu leiten. Seit Januar 2009

ist Monika Jänicke Vorsitzende der Ge-

schäftsleitung. In ihrer Freizeit kocht sie gern

für Familie und Freunde, macht Sport und

bringt ihren Garten zum Blühen.

Monika Jänicke In der Schweiz zuhause

zum medizinischen Fortschritt. So sind wir zum Beispiel, wenn es um beschleu-nigte Zulassungsverfahren für schwere oder lebensbedrohliche Krankheiten geht, sehr schnell. Das hat eine Ver-gleichsstudie der Interpharma und Swissmedic ergeben, die die Zulas-

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sungszeiten europäischer und amerika-nischer Behörden denen der Schweiz gegenüberstellt. In anderen Bereichen gibt es allerdings Nachholbedarf, wie bei seltenen Erkrankungen oder für Indikati-onserweiterungen schon zugelassener Medikamente. Während die EU hierfür vereinfachte Prozesse vorsieht, durch-laufen wir in der Schweiz normale Verfahren. Die Behörden sind sich der Probleme aber sehr bewusst und arbeiten an Lösungen. Wir können doch nicht hinnehmen, dass wir eines der bes-ten Gesundheitssysteme weltweit haben und Patienten nicht den Zugang zur Innovation erhalten. Noch dazu, wo wir Innovationsstandort sind.Wenn Sie auf das im Jahr 2017 Erreichte zurückschauen, gab es ein Highlight, an das Sie sich beson-ders gerne erinnern?Da sind vor allem die Begegnungen mit Betroffenen. Wenn, wie kürzlich an einem Kardiologentreffen geschehen, Ärzte auf mich zukommen und erzählen, dass es ihren Patienten mit einem unserer Medikamente deutlich besser geht. Oder ein Mann schreibt uns, dass ein anderes unserer Medikamente seiner Frau merklich Linderung ge-bracht hat. Es ist sehr berührend, wenn so etwas an uns herangetragen wird. Und zu sehen, wie jeder Einzelne aus unserem Team zu diesem Erfolg und zu

mens für Medikamente auf. Fürs Telefonieren sind es 2,7 Prozent. Ausserdem neigen wir dazu, die Kosten isoliert zu betrachten und verlieren dabei den Blick für das Gesamte. Wenn eine Patientin oder ein Patient früher ins Arbeitsleben zurückkehrt, dann entlastet das die Volkswirtschaft. Wenn Patienten mit Herzinsuffizienz stabil sind und dank medikamentöser Therapie nicht ins Spital müssen, dann spart es dem System enorme Kosten. Wünschenswert wäre für uns ein Preisbildungssystem, das wie eingangs erwähnt die Innovation und den therapeutischen Nutzen eines Medikaments wertschätzt sowie dessen Wert fürs Gesamtsystem ausreichend berücksichtigt. In den USA entstehen den Patienten mit einem neuen Novartis-Medikament nur Kosten, wenn die Therapie Wirkung zeigt. Ist das ein Ansatz, um Gesundheitskosten im Zaum zu halten?Medikamentenpreise machen laut Erhebungen des Bundesamts für Statistik nur 13 Prozent der gesamten Gesundheitskosten aus. Da gibt es noch viele weitere Stellschrauben. Es wird aber auch bei uns immer mehr auf sogenannte Pay-for-Performance-Kon-zepte hinauslaufen, das heisst, im Einzelfall wird nur bezahlt, wenn ein Medikament tatsächlich wirkt. In der

Schweiz läuft seit einem Jahr ein Pilotprogramm im Zusammenhang mit schwerem allergischem Asthma. Sieht man nach 16 Wochen, dass ein Patient nicht anspricht, übernehmen wir die Kosten. Spricht er an, dann geht es zu Lasten der Krankenkasse. Der administ-rative Aufwand, um ein solches Projekt anzustossen und auszuwerten, ist enorm hoch. Unsere Systeme und vor allem die Abläufe bei den Krankenkassen sind darauf noch nicht ausgelegt. Aber wir wollen solche Modelle möglich machen und unseren Beitrag zu ihrer Umsetzung leisten. In welchen Bereichen will Novartis stärker vorwärtskommen?Ich glaube, dass Novartis vor allem im Bereich der personalisierten Medizin gefordert ist. Nehmen sie zum Beispiel die CANTOS-Studie zu Patienten mit Arteriosklerose. In dieser Studie wurde festgestellt, dass ein bestimmter Entzündungsparameter einen Einfluss auf den Therapieerfolg hat, so dass dieser bei der Entscheidung über die weitere Therapie berücksichtigt werden kann. Oder denken sie an die CAR-T-Therapie, bei der eigene Zellen so verändert werden, dass sie Krebs bekämpfen. Diese personalisierten Vorgehensweisen tragen dazu bei, die Patientenpopulationen immer genauer zu definieren und dadurch die Behand-lungspfade gezielter, effektiver und effizienter zu gestalten.2006 wurden laut Angaben der Swissmedic in der Schweiz 360 klini-sche Studien durchgeführt, 2016 waren es nur noch 185. Wie erklären Sie sich das? In der Tat haben sich viele Firmen aus der klinischen Forschung in der Schweiz zurückgezogen. Wir hatten bis vor einigen Jahren noch 26 Ethikkommissio-nen in der Schweiz. Wenn man für jeden einzelnen Kanton die Zustimmung einer Ethikkommission braucht, bevor Patien-ten eingeschlossen werden können, dann ist man natürlich im internationalen Vergleich langsam. Der Gesetzgeber hat

dieser Tatsache Rechnung getragen, eine Leitethikkommission eingerichtet und die Prozesse dadurch erheblich beschleunigt. Entgegen dem Branchen-trend führt Novartis in der Schweiz übrigens immer mehr klinische Studien durch. Hatten wir 2006 noch 80 For-schungszentren, waren es im vergange-nen Jahr 237, an denen insgesamt 81 Studien liefen. Novartis ist ein Schweizer Unternehmen. Es ist uns besonders wichtig, eine gute Zusammenarbeit mit hiesigen Forschungszentren zu pflegen und sie in unsere Arbeit mit einzubezie-hen, um so die Innovation in der Schweiz zu fördern.Gibt es weitere Bereiche, in denen Novartis die Innovation vorantreibt?Da zählt ganz sicher die Digitalisierung dazu. Wir haben beispielsweise zusam-men mit einer Krankenkasse und einem Gesundheitsanbieter das Projekt Care4Cardio lanciert, bei dem Herzin-suffizienzpatienten zu Hause begleitet werden. Jeder Patient kontrolliert täglich sein Gewicht und beantwortet mehrere vordefinierte Fragen zum Befinden. Diese Daten werden elektronisch erfasst und übermittelt. So werden Patienten besser betreut und wir haben damit eine Art Frühwarnsystem. Denn steigt das Gewicht sprunghaft an, kann das ein Zeichen für Wassereinlagerungen und damit für eine Dekompensation sein. Durch solch eine enge Betreuung können Hospitalisierungen verhindert werden – das ist gut fürs Gesundheits-system, vor allem aber auch für die Patienten.Hat Novartis Schweiz mit Rotkreuz die richtige Wahl getroffen? Der Entscheid, nach Rotkreuz zu gehen, war richtig. Im Kanton Zug sind heute 250 Firmen aus dem Life-Science-Be-reich ansässig, die rund 6900 Menschen beschäftigen. Nimmt man Zürich mit der ETH und der Universität dazu, dann haben wir hier beste Möglichkeiten, hervorragende Talente für uns zu gewinnen. Wenn ich an die Berner Zeit zurückdenke, dann benötigten wir im

Schnitt sechs bis acht Monate länger für das Rekrutieren neuer Mitarbeitender als Mitbewerber an anderen Standorten. Wir tun aber auch hier einiges, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Beispielsweise arbeiten fast 50 Prozent unserer Mitarbeiter inzwi-schen in flexiblen Arbeitszeitmodellen.Wenn Sie an Ihre zukünftigen Aufga-ben denken, worauf freuen Sie sich am meisten?Wir erwarten in den nächsten 24 Mona-ten neun wichtige Zulassungen, etwa für Medikamente gegen Migräne, altersbe-dingte Makuladegeneration und multiple Sklerose, um nur einige Indikationen zu nennen. All diese Produkte bringen den Patienten erhebliche Verbesserungen oder haben das Potenzial, die Behand-lungsrichtlinien stark zu beeinflussen. Das gibt natürlich viel Energie und motiviert. Dazu gehört auch, dass wir uns als Organisation hinterfragen, neu aufstellen und weiterentwickeln. Deshalb haben wir verschiedene Fortbildungsprojekte lanciert. Auch darauf freue ich mich.

«Es ist uns besonders wichtig, eine gute Zusammenarbeit mit hiesigen Forschungszentren zu pflegen und sie in unsere Arbeit mit einzubeziehen.»Monika Jänicke

Novartis Pharma Schweiz ist verantwort-

lich für die Vermarktung der über hundert

verschreibungspflichtigen Novartis-

Medikamente in der Schweiz. Die rund

270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

sind beispielsweise in Marketing und

Vertrieb tätig, betreuen Projekte in der

klinischen Forschung, der wissenschaft-

lichen Dokumentation oder Registrierung

von neuen Medikamenten. Etwa

100 Mitarbeitende sind im Aussendienst

unterwegs. In Rotkreuz im Kanton Zug

teilt sich das Unternehmen ein Büroge-

bäude mit Alcon Switzerland SA und

Sandoz Pharmaceuticals AG.

Novartis Pharma Schweiz Sitz in Rotkreuz

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dieser Wertschätzung durch unsere Kunden beiträgt, macht Freude.Wo liegen speziell für Novartis Pharma Schweiz die Herausforderungen?Sicher in Bezug auf die Preisbildung. Es wäre aus unserer Sicht wünschenswert, dass Innovation seitens der Behörden mehr wertgeschätzt, gefördert und gestützt würde. Auch der therapeuti-sche Nutzen für den Patienten gerät bei Preisverhandlungen oft in den Hinter-grund. Zudem beobachten wir, dass der Patentschutz von verschiedenen Seiten angegriffen wird. So bedeutet zum Beispiel die Entwicklung von Kinderarz-neimitteln einen erheblichen zusätzli-chen Aufwand. Deshalb wird in der Euro-päischen Union eine Verlängerung im Patentschutz für in der Pädiatrie zugelassene Medikamente gewährt. Das gibt es im Moment in der Schweiz noch nicht. Mit der zweiten Etappe der Revision des Heilmittelgesetzes soll sich dies 2019 aber ändern. Das bringt uns zum nächsten Thema. Ist Innovation für Patienten und Versicherer überhaupt noch bezahlbar? Die Frage ist doch, was uns etwas wert ist. In der Schweiz geben wir fürs Telefonieren mehr Geld aus als für Medikamente. Laut Landesindex der Konsumentenpreise von 2016 bringen die Schweizer Haushalte im Schnitt 2,3 Prozent ihres verfügbaren Einkom-

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Der letzte TagEnde Mai 2017 wurde die Produktion im Bau 640 im Klybeck eingestellt – 30 Jahre nach der Betriebsaufnahme 1987. Für Novartis endet so ein Kapitel der langen Geschichte des ehemaligen Ciba-Geigy-Werkareals, das in den nächsten Jahren teilweise der Stadt Basel übergeben und neu bebaut wird. Für die Chemie-fachleute – viele von ihnen hatten mehr als zwei Jahrzehnte im Bau 640 gearbeitet – war es ein emotionaler Abschied. von Goran Mijuk

Philipp Gesinger bei seiner letzten Schicht im Bau 640, in dem er seit seiner Lehre gearbeitet hat.

«Aufregung im Werk Klybeck heute früh», erklärte Radio-sprecher Anton Kohler im Regionaljournal Basel von Radio DRS. «Diesmal aber nicht wegen eines Zwischenfalls im Werk. Es war hoher Besuch angesagt.»Es war sicherlich einer der aussergewöhnlichsten Tage in der langen Geschichte des Klybeck-Areals, als am 21. September 1990 die britische Premierministerin im Rahmen ihres Staatsbesuchs in der Schweiz nach Basel kam, um die Labors und Werkhallen von Ciba-Geigy zu besuchen.

Die Visite von Margaret Thatcher weckte landesweit die Neugier der Journalisten. Wurde hier Industriespionage auf höchstem Niveau betrieben? Oder hatte sie nach dem Besuch in Bern keine Lust mehr auf Small Talk mit den Bundespolitikern?Es war jedoch kein Zufall, dass die «Eiserne Lady» ans Rhein-knie kam. Die Premierministerin, die zwischen 1979 und 1990 das Vereinigte Königreich mit harter Hand führte, war aus persönlichem Interesse hier. Als studierte Chemikerin wollte sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mehr über die moderne Medikamentenforschung und -produktion zu erfahren.

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Hervé Renger

Gerard Kleindienst

Jean-Marie Kornacker

Faruk Becic

Die Gastgeber waren sichtlich erstaunt über ihr Wissen. Der Schweizer Vizedirektor und spätere Forschungsleiter von Ciba-Geigy Rudolf Andreatta sprach gegenüber Radio Basilisk voller Bewunderung über die Premierministerin. «Man konnte sie ansprechen auf eine Art, wie nur Chemiker untereinander sprechen. Und sie hat auch viele interessante Fragen gestellt.»

TopmodernMargaret Thatcher besuchte auch den Bau 640. Das 1987 in Betrieb genommene Gebäude galt zu dieser Zeit als einer der modernsten Produktionsbetriebe der Welt.Als die damalige Geschäftsleitung von Ciba-Geigy Anfang der 80er-Jahre beschloss, die technisch überholten Produktions-anlagen auf dem Klybeck-Areal zu ersetzen, hatte man Grosses vor: Die Pharmaindustrie war im Aufwind – ganz im Gegensatz zur Chemie, die immer stärker unter Druck geriet.Die neue Anlage war so konzipiert, dass ihre Kapazitäten stetig

ausgebaut und so der wachsenden Nachfrage nach Pharma-produkten gerecht werden sollten.Das Produktionsgebäude war ein technologischer und architektonischer Meilenstein. Für den rund 80 auf 40 Meter grossen Bau mit einer Höhe von 24 Metern wurden rund 1200 Tonnen Profilstahl verbaut und rund 6000 Tonnen Betonstahl. Dies hätte für den Bau von mehr als 100 Einfamili-enhäusern gereicht.Die Produktion war so ausgelegt, dass jährlich mindestens 2400 Tonnen an Wirkstoffen produziert werden konnten. In Spitzenjahren wurden dann bis über 3000 Tonnen produziert.Während der langen Betriebszeit wurden auf den Produktions-linien zahlreiche Wirkstoffe hergestellt, darunter Diclofenac für den Entzündungshemmer Voltaren® und Valsartan für den Blutdrucksenker Diovan®.Allein für das Antiepileptikum Tegretol® wurden seit den 90er-Jahren 12 000 Tonnen des Wirkstoffs Carbamazepin

produziert. Bei einer mittleren Dosierung von 400 Milligramm pro Pille entspricht dies über 30 Milliarden Tabletten. Diese Menge würde 15 Olympiaschwimmbecken von 50 Meter Länge, 25 Meter Breite und 2 Meter Tiefe füllen!

StolzAngesichts dieses Leistungsausweises erstaunt es nicht, dass die Chemiefachleute im Bau 640 stets mit Stolz von ihrer Arbeit sprechen – auch heute, am letzten Tag der Produktion.Faruk Becic, der die Morgenschicht geleitet hat, läuft noch einmal die Produktionshalle ab, bevor der nächste Schichtleiter die Produktion übernimmt. In der Werkhalle ist es immer noch richtig laut, auch wenn nur noch eine der einst vier Produktionslinien in Betrieb ist.Faruk Becic führt uns zunächst an den stillgelegten Produkti-onslinien vorbei, die sich rechts von uns in die Länge ziehen. Ein beeindruckendes Gewirr aus Röhren und Kesseln erstreckt

sich über eine Länge von über 15 Metern und hängt mehr als 10 Meter über unseren Köpfen. Im ersten Kessel wurde früher das Granulat für die Produktion von Diclofenac eingeführt. Im Röhrensystem durchlief der sogenannte Batch einen komple-xen chemischen Prozess, um schliesslich in jenes weisse Pulver umgewandelt zu werden, das später als Voltaren auf den Markt kam.Am Ende der Halle steht die letzte Linie, die noch in Betrieb ist. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter arbeiten an der Linie, in der das Epilepsiemittel Tegretol produziert wird. Wie Becic tragen sie alle grüne Overalls und grüne Helme. Beim kurzen Durchgang erklärt uns Faruk Becic auch das Prozessleitsys-tem, an dem die Mitarbeiter die Produktion per Bildschirm überwachen. «Als das Prozessleitsystem damals eingeführt wurde, war es das Nonplusultra. Im Moment ist es immer noch top  … Es ist deshalb schade, dass es nicht mehr weiter-laufen wird.»

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Rechte Seite: Obwohl sich Traurigkeit und Erschöpfung breitmachen, bleiben die Chemiefachleute auch während der letzten Schicht im Bau 640 konzentriert wie am ersten Tag und sorgen für die reibungslose Produktion von Tegretol®.

Philipp Gesinger füllt zum letzten Mal den Kessel für die Produktion.

Philipp Gesinger

Letzter SchichtwechselEine halbe Stunde später bespricht er mit seinem Kollegen Jean-Marie Kornacker den Schichtwechsel.Während die Arbeiter der Nachmittagsschicht die Werkhalle betreten, gehen Becic und Kornacker Schritt für Schritt die wichtigsten Ereignisse der Frühschicht vor der Tafel mit dem Einsatzplan durch und besprechen, worauf zu achten ist. Nach zehn Minuten ist die Übergabe beinahe abgeschlossen. Zu Kornacker und Becic gesellen sich nun auch die anderen Schichtarbeiter und gehen in der Halle die einzelnen Prozesse ebenfalls noch einmal durch. Alles läuft professionell und reibungslos ab, auch wenn jeder von ihnen weiss, dass die Maschinen, an denen viele über 20 Jahre lang gearbeitet haben, in den nächsten Stunden abgeschaltet werden.Die Teammitglieder lachen und sind heiter. Der eine oder andere kämpft aber bei der letzten Übergabe trotzdem einen Moment lang mit Tränen. «Alles klar», tönt es zum letzten Schichtwechsel.

Starkes TeamBevor er seine letzte Schicht beginnt, setzt sich Jean-Marie Kornacker noch kurz zu uns und lässt die lange Zeit, die er hier im Bau 640 verbracht hat, Revue passieren.Der hochgewachsene Schichtleiter wirkt nachdenklich und etwas traurig. Doch zum Bau 640 findet er immer noch begeisternde Worte. «Es ist ein richtiges Wunder. Wenn man das Ganze anschaut, ist es eine Firma für sich: Energie erzeugen, Wasser, Regeneration. Die ganze Anlage ist voll automatisiert. Für mich ist es ein wahres Wunder.»

Die Arbeit, auch wenn sie hart war, hat stets Spass gemacht. Ein starkes Team seien sie gewesen, erklärt der gebürtige Elsässer, auch weil sie oft länger zusammen waren als mit der eigenen Familie. «An Weihnachten zu arbeiten, das ist etwas ganz Besonderes. Das bringt irgendwo schon einen Zusam-menhalt, wenn man mit den Kollegen 20 Jahre oder noch länger zusammengearbeitet hat. Und jetzt heisst es den Bau verlassen. Jetzt wird das getrennt. Das macht schon was. Man hat auf jeden Fall eine Träne in den Augen.»

Neugierig auf die ZukunftAuch seine Kollegen Hervé Renger, der sich im nächsten Jahr mit dem Rückbau der Anlage befasst, bevor das Gebäude abgebrochen wird, und Gerard Kleindienst, der in Frühpension geht, schauen mit Wehmut zurück, genauso wie Faruk Becic. Der 33-Jährige ist hier nach der Lehre in den Beruf eingestie-gen. «Man ist hin- und hergerissen. Mein ganzes Berufsleben war ich hier. Der erste Tag in der chemischen Produktion hat hier stattgefunden. Ich war gerne hier und habe gerne meinen Teil zu diesem Erfolg beitragen.»Becic, der seine Arbeit wie einige seiner Kollegen in Schweizer-halle fortsetzen wird, schaut aber auch mit Neugier in die Zukunft: «Es wird sicher interessant, wie sich das Klybeck-Areal weiterentwickeln wird. Ich bin schon neugierig, wie das rauskommt. Nach all den Jahren Chemie kommen vielleicht Einfamilienhäuser oder Blöcke im Grünen.»  C

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InnovationNovartis investiert rund 16 Prozent ihres Umsatzes in die Forschung und Ent-wicklung. 2017 waren dies insgesamt 9 Milliarden Franken. Der hohe Einsatz lohnt sich. Das Unterneh-men gehört zu den drei einzigen weltweit, die seit Gründung der US-Gesund-heitsbehörde FDA mehr als 100 Medikamentenzu-lassungen erhalten haben.

Wissenschaftler im Labor auf dem Novartis Campus.

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INNOVATION

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Kontinuierliche FertigungParadigmenwechsel

Migräne hat mit dem klassischen Kopfweh wenig

gemein. Der Migräneschmerz ist wesentlich

intensiver, er kommt schlagartig und wird oft von

Übelkeit, Erbrechen oder Licht- und Lärmemp-

findlichkeit begleitet. Die Attacken können sich

mehrmals im Monat wiederholen und bis zu drei

Tage lang anhalten.

MigräneprophylaxeSuche nach neuen Therapien

«Wenn diese Attacken häufig vorkommen,

können sich die Patienten vom sozialen Leben

und von der Arbeit ausgeschlossen fühlen», sagt

Philippe Ryvlin, der eine Abteilung am Neurologie-

zentrum des Centre Hospitalier Universitaire

Vaudoise (CHUV) in Lausanne leitet und sich

intensiv mit dem Thema Migräne beschäftigt.

Philippe Ryvlin behandelt auch selbst Migränepa-

tienten und engagiert sich in klinischen Studien,

um neue Medikamente gegen diese Erkrankung

zu finden.

Da es alleine in der Schweiz rund eine Million

Menschen gibt, die an Migräne leiden, sind die

volkswirtschaftlichen Kosten ausserordentlich

hoch; man rechnet mit rund 500 Millionen

Franken pro Jahr. Davon machen die Arzt- und

Medikamentenkosten nur etwa einen Zehntel der

gesamten Kosten aus.

Philippe Ryvlin weist darauf hin, dass die

Schmerzen nur eines der Probleme sind, gegen

die Migränepatienten kämpfen müssen. «Dazu

kommen die Nebenwirkungen der Medikamente.

Migräne patienten fühlen sich auch sehr oft von

der Gesellschaft missverstanden. Da gibt es

schon mal Sprüche wie ‹Du willst dich ja nur vor

der Arbeit drücken. Ich habe auch immer wieder

mal Kopfweh, so schlimm ist das nicht›.»

Neue und bessere Behandlungs- und Vorbeuge-

optionen sind deshalb dringend nötig. Auch weil

die Prophylaxe der Migräne sich bisher vor allem

auf Substanzen stützt, die für andere Therapiege-

biete entwickelt wurden und zahlreiche Neben-

wirkungen haben, wie Betablocker, Antiepileptika

oder Antidepressiva.

«In Europa ist bis heute leider noch kein Medika-

ment auf dem Markt, das eigens für die Migräne-

prophylaxe entwickelt wurde», unterstreicht

Philippe Ryvlin. «Doch es gibt bereits klinische

Studien, bei denen eine neue Medikamentenklas-

se zur Migräneprophylaxe geprüft wird. Wir

nehmen am CHUV an einer Phase-III-Studie teil,

bei der die Wirkung und Sicherheit eines solchen

Medikamentenkandidaten getestet wird.»

Dabei handelt es sich um einen vollständig

humanen monoklonalen Antikörper und die erste

Migräneprophylaxe, die auf einen Peptid-Rezep-

tor abzielt.

Die Synthese von Medikamenten ist ein äusserst

aufwendiger Prozess und erfordert oft eine

komplizierte Abfolge chemischer Verfahren zur

Herstellung des jeweiligen Moleküls. Nicht selten

sind mehr als ein Dutzend einzelner Verfahrens-

schritte von umfassend geschulten Fachkräften

an verschiedenen Standorten auszuführen.

Die Idee, diese komplexen und zeitintensiven

Abläufe zu straffen, ist daher wahrscheinlich so

alt wie die Medikamentenentwicklung selbst.

Den Ausschlag für den Übergang zum heute als

«kontinuierliche Fertigung» (Continuous

Manufacturing) bezeichneten Ansatz lieferte

Novartis vor etwa einem Jahrzehnt, als man sich

erstmals näher mit dieser Thematik auseinan-

dersetzte.

Wie so häufig bei Innovationen war das Konzept

simpel – die Umsetzung in der Praxis hingegen

schwierig. Das Team von Markus Krumme, der

den Bereich Continuous Manufacturing von

Global Drug Development (GDD) in Basel leitet,

hat aber inzwischen geschafft, was viele für

unmöglich hielten.

Im Juni 2017 erhielten die Basler von Swissme-

dic ihre Produktionslizenz. Dadurch lässt sich

das in diesem Bereich hergestellte Material für

klinische Studien benutzen. Ein nächstes Ziel ist

der Transfer der Prozesse zu den Novartis

Technical Operations, um damit die kommer-

zielle Produktion zu unterstützen.

Matthias Leuenberger, Länderpräsident

Novartis Schweiz, sieht in diesem Erfolg auch

einen Beleg für das unternehmensweite Streben

nach Innovation.

«Ich bin von unseren Leistungen in diesem

Bereich beeindruckt und überzeugt, dass wir

damit unsere derzeitigen und zukünftigen

Produktionskapazitäten entscheidend stärken»,

sagt Leuenberger.

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INNOVATION

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INNOVATION

Die Patientenzellen treffen in gefrorenem Zustand in Morris Plains ein.

Die Zellen erhalten eine zusätzliche Dosis des viralen Vektors.

Die Zellen werden aufgetaut und gewaschen. Danach wird der virale Vektor mit den neuen genetischen Informationen in die Zellen transferiert.

22 TAGE HOFFNUNG

Die CAR-T-Therapie ist ein Meilenstein der Onkolo-gie. Im Rahmen der Thera-pie werden die T-Zellen ei-nes Patienten genetisch so verändert, dass sie Krebs-zellen erkennen und elimi-nieren können. In einem ers-ten Schritt werden dem Patienten dabei Blutzellen entnommen und in das Novartis-Zentrum nach Morris Plains (USA) ge-schickt. Dort werden diese in einem hochkomplexen Verfahren, das 22 Tage dauert, entsprechend modi-fiziert, bevor sie dem Patien-ten wieder injiziert werden.

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An der «Wand der Hoffnung» wird ein Licht angezündet.

Die Zellen werden entnommen und für die notwendigen Tests vorbereitet.

Es werden Stichproben durchgeführt, und die Zellen werden mit neuen Nährstoffen versorgt.

Das Zellwachstum wird überprüft. 5

2211

6-10

Wenn genügend Zellen bereitstehen, werden diese gewaschen, gesäubert und bewegt, während sie weiterwachsen.

4 Die Zellen werden verpackt und für den Versand vorbereitet.

Die Zahl, Stärke und Sicherheit der Zellen wird geprüft sowie ihre Fähigkeit getestet, den Tumor zu erkennen.

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Die Zellen werden zum Patienten transportiert.

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und Glivec® geführt, die dazu beigetragen haben,

die medizinische Praxis zu verändern.

Zudem führt Novartis regelmässig Studien zum

Einsatz von Therapien bei Kindern durch und

setzt alles daran, bei der Entwicklung von

Medikamenten auch Patienten-Feedback zu

berücksichtigen. In der Onkologie zum Beispiel

hat das Brustkrebsteam einen Patientenvertreter

in den Lenkungsausschuss berufen. Für das

Sjögren-Syndrom, eine Autoimmunerkrankung,

hat Novartis Patienten befragt, um für einen

experimentellen Wirkstoff sinnvolle und messbare

Endpunkte definieren zu können. Im Bereich

Asthma und COPD bietet Sandoz dank Rückmel-

dungen von Patienten heute einen besonders

benutzerfreundlichen Inhalator an.

Mit dem Aufkommen neuer digitaler Technologi-

en und der Möglichkeit, mit Patientengruppen

weltweit einfacher in Kontakt zu treten und sich

auszutauschen, hat Novartis das langjährige

Versprechen, Patienten mehr Mitspracherechte

zu geben und sie stärker in den Entwicklungspro-

zess einzubinden, nochmals verstärkt, um so das

Therapieangebot zu verbessern.

Nach der Einführung der sogenannten Patient

Declaration (Patientenerklärung) im Jahr 2015

ging das Unternehmen letztes Jahr unter der

Führung von Vas Narasimhan einen Schritt weiter

und entwickelte in Zusammenarbeit mit

Patienten organisationen das Novartis Commit-

ment to Patients and Caregivers (Das Verspre-

chen von Novartis an Patienten und Betreuungs-

personen).

Das Commitment gründet auf vier Säulen: dem

Respekt und Verständnis für die Sichtweise der

Patienten; einem breiteren Zugang zu den

Medikamenten von Novartis; der verantwortungs-

vollen Durchführung klinischer Studien und dem

Bewusstsein für die Bedeutung von Transparenz

und Berichterstattung.

Fokus auf die PatientenEchtes Empowerment

Von aussen kann das Genfer Universitätsspital,

die Hôpitaux universitaires de Genève, kurz HUG,

schon etwas chaotisch wirken, erklärt Prof.

Wolf-Henning Boehncke, Chefarzt für Derma-

tologie und Venerologie am HUG, als wir uns zum

Interview treffen. «Aber es zeigt auch die

Dynamik, die in diesem Spital herrscht.»

Am HUG werden nicht nur jährlich Zehntausende

Patienten behandelt. Es wird auch Spitzenfor-

schung betrieben. Das Spital ist unter anderem

führend im Bereich der Onkologie, der Neurowis-

senschaften und bei seltenen Kinderkrankheiten

und wurde von der WHO zum globalen Referenz-

krankenhaus beim Umgang mit Spitalinfektionen

ausgewählt.

«Innovation wird hier am HUG grossgeschrie-

ben», erklärt Boehncke, der selbst in der

Psoriasisforschung tätig ist. Diese hat sich

allerdings in den vergangenen Jahrzehnten als

sehr schwierig gestaltet. «Während meiner

Studienzeit fragte mich mein Professor immer

wieder, weshalb ich in der Dermatologie arbeiten

möchte. Zufriedene Patienten würde ich selten

haben. Am wenigsten bei der Psoriasis.»

Doch die Situation hat sich geändert. Auch

aufgrund neuer biologischer Therapieformen

lässt sich Psoriasis, eine chronisch entzündliche

Hautkrankheit, heute besser behandeln als noch

vor wenigen Jahren.

In vielen Fällen lässt sich so die Schuppenflechte

sogar so weit behandeln, dass sie für Aussenste-

hende nicht mehr sichtbar ist.

«Vielen Patienten ist das nicht klar», so Boehncke.

Gemäss einer von Novartis unterstützten

Umfrage mit über 8000 Patienten in 31 Ländern

fühlen sich über 80 Prozent der Psoriasispatien-

ten diskriminiert. Nicht wenige werden in der

Öffentlichkeit angestarrt und manchmal gefragt,

ob die Krankheit ansteckend sei. Das drückt auch

auf die Psyche. Viele Patienten beklagen sich

denn auch über ein geringes Selbstwertgefühl.

Nur wenige wagen zu hoffen, eines Tages wieder

eine glatte Haut zu haben.

«Die Umfragewerte zeigen, wie stark die

Krankheit die Betroffenen in Mitleidenschaft zieht.

Als Forscher und Ärzte sind wir hier manchmal

nicht hellhörig genug. Das muss sich ändern, und

der Fokus muss sich auch auf die psychischen

Bedürfnisse der Patienten richten», so Boehncke.

HautnahDas Wissen in die Praxis tragen

«Vor allem die Tatsache, dass viele nicht daran

glauben, je wieder ein normales Leben zu führen

oder wieder eine erscheinungsfreie Haut zu

haben, ist erschütternd.»

Die Umfrage zeigte auch, wie schwierig es für

Patienten ist, die geeignete Therapieform zu

finden. In der Regel konsultieren Patienten drei

Ärzte und testen vier verschiedene Therapien

aus, bevor sie eine geeignete Lösung finden.

«Es ist deshalb wichtig, dass das Wissen, das in

speziellen Klinken erarbeitet wird, auch in die

allgemeinen Praxen gelangt und der behandeln-

de Arzt die Entwicklung der Psoriasis seines

Patienten aufmerksam verfolgt und bei Bedarf die

Therapie rechtzeitig anpasst oder wechselt. So

können wir mehr Menschen helfen, die an dieser

sehr belastenden Krankheit leiden.»

Die Schriftsteller D.H. Lawrence (im Bild) und H.G. Wells trugen 1934 zur Gründung der Diabetes- Gesellschaft im Vereinigten Königreich bei, die weltweit zu den ersten Patientenorganisationen überhaupt zählte. Beide waren Diabetiker und wollten, dass die Organisation «die Diabetesforschung, die Verbreitung von Wissen über die Krankheit und deren fachgerechte Behandlung in diesem Land fördert».

Von jeher steht bei Novartis der Patient im

Zentrum der Aufmerksamkeit. Deshalb hat das

Unternehmen seine Medikamentenentwicklung

bereits vor langer Zeit auf die Erfüllung unbefrie-

digter Patientenbedürfnisse ausgerichtet. Dies

hat zur Entwicklung von Therapien wie Diovan®

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Mit über 500 laufenden klinischen Studien zählt

Novartis zu den weltweit führenden Unternehmen

in der pharmazeutischen Entwicklung. Als Teil

dieser Anstrengungen sind zurzeit auch rund

60 pädiatrische Studien zum Teil im Gang oder

geplant.

Diese sehr anspruchsvollen Studien gewinnen

zunehmend an Bedeutung. So müssen Unterneh-

men ihre geplanten oder durchgeführten

pädiatrischen Studien bei der Beantragung der

Zulassung neuer Medikamente ausführlich

dokumentieren. Ärzte sind ebenfalls vermehrt auf

Medikamente angewiesen, die zur Behandlung

von Kindern und Jugendlichen zugelassen sind.

Fehlen derartige Arzneimittel, sind sie oft

gezwungen, für Erwachsene vorgesehene

Medikamente zu verschreiben, was bei der

Dosierung zu Problemen führen kann.

Um pädiatrische Studien zu beschleunigen und

das eigene Know-how auf diesem Fachgebiet zu

nutzen, hat Novartis ein Kompetenzzentrum für

Pädiatrie eingerichtet. Diese Einheit unter der

Leitung von Brian Tseng, Ron Portman, Renaud

Capdeville und Christina Bucci-Rechtweg dient

als Schnittstelle für Pädiatrieexperten und bietet

die nötige Struktur für die optimierte Entwicklung

von Medikamenten für Kinder. Das Kompetenz-

zentrum konzentriert sich dabei auf Innovationen

und Standardisierung, um die Effizienz innerhalb

von Global Drug Development zu erhöhen, und

arbeitet auch mit andern Gruppen innerhalb des

Konzerns zusammen.

«Wir empfehlen unseren Teams, klinische Studien

frühzeitig zu planen und pädiatrische Anforde-

rungen in ihrer Strategie zu berücksichtigen», so

Tseng. «Spätestens bei der Auswertung des

Wirksamkeitsnachweises (PoC) sollte die

Verabreichung des Medikaments an Kinder

genauer erwogen werden. Erfahrungsgemäss

gewährleisten rechtzeitige Überlegungen eine

erfolgreichere Vorbereitung und Durchführung

von Studien sowie eine effiziente Entwicklung.»

Um technische Aspekte kümmert sich das TRD

(Technical Research and Development) Pediatric

Kein KinderspielPädiatrische Studien

Herzensangelegenheit Studien zur Herzinsuffizienz in der Schweiz «Die Zahl der Herzinsuffizienz-Fälle steigt stetig

an – auch in der Schweiz», sagt Tra-Mi Phan,

Chief Scientific Officer bei Novartis Pharma

Schweiz in Rotkreuz, «und sie verursacht enorme

Kosten durch häufige Spitaleinweisungen der

Patienten.»

So ist die chronische Herzinsuffizienz, die auch

als Herzschwäche bezeichnet wird, mittlerweile

der häufigste Grund für eine Spitaleinweisung

bei Patienten über 65 Jahre. Schätzungen gehen

von landesweit 150 000 Herzinsuffizienz-Patien-

ten in der Schweiz und jährlich 18 000 Todesfällen

aufgrund von Herzinsuffizienz aus.

Auch aus globaler Sicht ist die Zahl der Herzinsuf-

fizienz-Erkrankungen mit rund 22 Millionen Fällen

bereits heute alarmierend hoch; jährlich werden

zwei Millionen Patienten neu diagnostiziert.

Für die Behandlung der Herzinsuffizienz mit einer

reduzierten Auswurffraktion stehen bereits

Therapien zur Verfügung. «Wir möchten aber

auch Patienten mit einer konstanten Auswurffrak-

tion helfen, die rund die Hälfte aller Herzinsuffizi-

enz-Fälle darstellen», erklärt Kashan Ahmed,

Medical Advisor Cardio-Metabolic. Für diese

gibt es bislang keine evidenzbasierte Therapie,

die die Sterblichkeit senkt. «Deshalb führen wir

momentan eine neue Phase-III-Studie, PARA-

GON-HF, mit Beteiligung von fünf Schweizer

Studienzentren durch.»

Eine weitere Phase-III-Studie von Novartis trägt

den Titel PARADISE-MI und zielt auf ein anderes

Therapiegebiet ab: Sie untersucht die Wirksam-

keit und Sicherheit des Wirkstoffs bei Patienten,

die einen akuten Herzinfarkt erlitten haben. «Bei

den Überlebenden eines Herzinfarkts besteht ein

hohes Risiko für weitere kardiovaskuläre

Probleme, und die Entwicklung einer Herzinsuffi-

zienz ist eine oft vorkommende Komplikation. Hier

Network unter der Leitung von Sibylle Reidemeis-

ter. Ziel ist es, die Dosierungsformen zu standardi-

sieren, die reibungslose kommerzielle Einführung

zu gewährleisten und die internen Ressourcen

von Novartis Technical Operations zur Fertigung

von pädiatrischen Dosierungsformen zu

maximieren.

suchen wir nach neuen Behandlungen, die

helfen, die Sterblichkeitsrate zu senken», erklärt

Kashan Ahmed.

In der Schweiz sind momentan rund 280 Patien-

ten an insgesamt acht klinischen Versuchs -

reihen von Novartis zur Herzinsuffizienz beteiligt,

womit das Land einen wichtigen Beitrag im

Rahmen der globalen Studienreihen leistet.

Einige dieser Untersuchungen werden bereits

2018 beendet sein, andere, wie PARAGON-HF

und PARADISE-MI, laufen noch bis 2019

respektive 2020.

«Die klinischen Studien in der Schweiz haben

eine ganz spezielle Bedeutung», sagt Tra-Mi

Phan, «da hier Kardiologen tätig sind, die bei der

Ausarbeitung europäischer Leitlinien und

Therapieempfehlungen entscheidend beteiligt

sind.»

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Digitale ZukunftWas vor wenigen Jahren im Bereich der digitalen Medizin noch als Science-Fiction betrach-tet wurde, ist heute in vielen Spitälern und Arzt-praxen Realität. Doch die Entwicklung hat gerade erst begonnen. Neben den vielen Versprechen der digitalen Medizin gilt es aber auch, Aufbau-arbeit zu leisten und neue Fachkräfte auszubilden.

Ein digitaler Gürtel erfasst wichtige Patientendaten und sendet sie an den Arzt.

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Terrain laufen kann», erklärt Hariry. «Die-se sechs Minuten können einem schwer kranken Patienten wie eine Ewigkeit er-scheinen.» In solchen Situationen kom-men Probanden schnell ins Grübeln, ob sich die Teilnahme an der Studie und die vielen kräftezehrenden Stunden jede Wo-che über einen so langen Zeitraum hin-weg wirklich lohnen.

Novartis setzt hier ein digitales Gerät ein, das wie ein normaler Gürtel an der Hose getragen wir. «Es funktioniert ähn-lich wie ein Fitnessarmband, ist aber technisch viel ausgereifter», sagt Hariry. Probanden tragen das Gerät rund um die Uhr ohne Beeinträchtigung ihres Alltags, und die erfassten Daten werden an das Forschungsteam übertragen. «So können wir die körperliche Aktivität des Proban-den über den ganzen Tag hinweg verfol-

Versuche spezialisiert hat. Bei einer nor-malen Studie würde das CS&I-Team im ganzen Land – meist in dicht besiedel-ten Gebieten und Grossstädten – Studien standorte einrichten, die von Probanden zur Durchführung der Tests aufgesucht werden müssten. «Wenn man bei jedem Termin eine zweistündi-ge Anfahrt auf sich nehmen muss, und das jede Woche, verliert man schnell die Motivation oder ist nach der Ankunft nicht mehr konzentriert genug für kom-plexe Tests», sagt Hariry.

Das Modell von Science 37 beruht je-doch auf einem virtuellen Standort und ermöglicht Probanden aus dem ganzen Land die Teilnahme dank telemedizini-schen Lösungen. Nach der Freischaltung können Probanden die Tests bei sich zu Hause durchführen, die Daten mithilfe di-gitaler Geräte erfassen und übermitteln und bei Bedarf mobile Pflegekräfte um Unterstützung bitten oder Laboruntersu-chungen in einer Klinik vor Ort durchfüh-ren lassen.

«So können noch mehr Patienten un-abhängig von ihrem Standort an klini-schen Studien teilnehmen und damit zu repräsentativen Ergebnissen beitragen», erläutert Hariry. «Ausserdem sind wir be-müht, die klinischen Studien einfacher zu gestalten, damit in Zukunft quasi jeder überall an Studien teilnehmen kann.»

Neuer Ansatz für klinische Studien Die Komplexität und die Kosten klinischer Studien haben sich in den letzten Jahren drastisch erhöht. Novartis nutzt neue Technologien und innovative Ansätze, um dieser Herausforde-rung zu begegnen und gleichzeitig die Patienten zu entlasten. Die Möglichkeit zur Teilnahme an klinischen Studien von zu Hause aus ist dabei eine Schlüsselstrategie. von Michael Mildner

«In zehn Jahren werden die meisten kli-nischen Studien ausserhalb von Spitä-lern stattfinden», erwartet Rachel Mor-gan, Global Head des Bereichs Clinical Science & Innovation (CS&I) bei Novartis. «Die Teilnahme an Studien wird dann ganz einfach von zu Hause aus erfolgen.»

Morgan und ihr 200-köpfiges Team arbeiten in der NIBR-Abteilung für trans-lationale Medizin. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, die Kosten klinischer Studi-en zu senken und die Teilnahme für die Probanden einfacher zu gestalten. Zu diesem Zweck wollen sie die Studie zum Patienten und nicht mehr den Patienten zur Studie bringen. «Unser Vorhaben ist sicher sehr ambitioniert», erklärt Morgan. «Aber wir haben bereits wichtige Schritte in diese Richtung gemacht.»

Dass Morgans Ziele nicht zu hoch gesteckt sind, zeigt auch der Fortschritt bei den digitalen Technologien. Schon jetzt können Probanden bei einigen klini-schen Studien ihrem normalen Alltagsle-ben zu Hause und unterwegs nachge-hen, während speziell entwickelte digitale Geräte die Daten an das For-schungslabor senden.

Auch für andere Aspekte klinischer Studien werden neue Lösungen entwi-ckelt, sei es für die Suche nach Patienten oder die Dezentralisierung der Studien.

Trotz all dieser Erfolgserlebnisse sind sich Rachel Morgan und ihr Team be-wusst, dass es immer noch viele Heraus-forderungen zu überwinden gilt.

Zunehmende KomplexitätAbgesehen von den grossen Entfernun-gen, die manche Probanden für die Teil-nahme an Studien zurücklegen müssen, stellt vor allem die seit zehn Jahren stetig zunehmende Komplexität klinischer Stu-dien ein Problem dar.

Eine aktuelle Analyse der Fachzeit-schrift Nature1 belegt, dass sich die Anzahl der pro Prüfplan durchgeführten Tests und die Häufigkeit jedes einzelnen Tests drastisch erhöht haben. Somit werden bei jedem Termin mit einem Probanden mehr und mehr Tests durchgeführt, und die Be-lastung für den Patienten steigt.

Auch die Gesamtkosten pro Proband haben sich als Folge dieser Entwicklung signifikant erhöht. Mit einem Anstieg um über 61 Prozent weisen Phase-II-Studien die höchste Kostenzunahme pro Proband in den letzten zehn Jahren auf.

«Für Novartis bestand dringender Handlungsbedarf – sowohl wegen der Kosten als auch im Interesse der Patien-ten», erklärt Morgan. Wenn klinische Stu-dien den Probanden zu viel abverlangen, sind zwingend neue Ansätze erforderlich.

Ein intelligenter GürtelDoch es gibt auch Hoffnung auf Verbes-serungen. «Klinische Studien müssen kei-ne leidige oder schmerzhafte Angelegen-heit sein», sagt Sam Hariry, Mitglied in Morgans Team und verantwortlich für klinische Strategien und Abläufe. «Ver-schiedene Beispiele beweisen, wie sich digitale Technologien auf unserem Gebiet vorteilhaft einsetzen lassen.»

Eines dieser Beispiele ist der soge-nannte Sechs-Minuten-Gehtest. Dieser Test wurde 1963 entwickelt, um die Be-lastungsfähigkeit von Patienten mit chro-nischen Atemwegserkrankungen und Herzinsuffizienz zu prüfen, und er wird heute auch zur Bewertung der Mobilität von Patienten genutzt. Die Probanden müssen bei diesen Studien regelmässig das Spital aufsuchen – meist sehr früh am Morgen – und diverse Formulare und Fragebögen ausfüllen. Ausserdem wird ihnen Blut abgenommen, und sie müssen oft stundenlang auf unbequemen Stüh-len warten, bis sie endlich zum eigentli-chen Test gebeten werden. Im ungüns-tigsten Fall gibt es dann nicht einmal angemessene Räumlichkeiten im über-füllten Spital.

«Bei diesem Gehtest wird geprüft, wie weit der Proband innerhalb einer be-stimmten Zeit auf einem harten, flachen

«Wir sind bemüht, die klinischen Studien einfacher zu gestalten, damit in Zukunft quasi jeder überall an Studien teilnehmen kann.» Sam Hariry

gen, nicht nur für sechs kurze Minuten. Die Daten sind viel aussagekräftiger und erlauben ausführlichere Analysen bei gleichzeitig geringerem Aufwand für den Patienten.»

Ortsunabhängige TeilnahmeWährend digitale Geräte dafür sorgen sollen, dass die Anzahl der Tests und Ver-fahren innerhalb des Spitals reduziert werden kann, besteht der nächste Schritt darin, die Notwendigkeit des Spitalbe-suchs möglichst ganz zu eliminieren. Aus diesem Grund hat das CS&I-Team bei Novartis bereits mit den ersten dezentra-lisierten Studien begonnen.

Das Konzept wird in den USA in Zu-sammenarbeit mit Science 37 erprobt, einem kalifornischen Unternehmen, das sich auf Mobiltechnologie und klinische  C

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Informatik mit menschlichem AntlitzJürgen Holm und Michael Lehmann waren jahrelang Konkurrenten im Medizininformatik-Markt . Heute bilden sie in Biel gemeinsam über 100 Nachwuchskräfte aus, die IT-Lösungen entwickeln, um das Gesund-heitssystem nachhaltig zu stärken. von Goran Mijuk

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ten und gute Software entwickeln konn-ten, gab es kaum.

«Ich sprach mit Michael oft darüber, wie lange es dauert, jemanden einzuar-beiten – in der Regel sechs Monate. Und auch dann konnte man nicht immer sicher sein, dass diese Person die Anforderun-gen erfüllt», erklärt Jürgen Holm.

Die Idee, Leute selbst auszubilden, wurde ebenfalls diskutiert, auch an der Berner Fachhochschule, wo Holm ab und zu Vorlesungen hielt.

2009 fragte ihn dann die Fachhoch-schule an, ob er nicht Interesse hätte, ei-nen Studiengang für Medizininformatik aufzubauen. «Ich liess mich nicht zweimal bitten», erinnert sich Holm.

Sorgfalt und EmpathieIn einem alten Produktionsgebäude des Uhrenherstellers Rolex, das an ein Fin-de-Siècle-Schlösschen erinnert, ging es nach dem Erhalt der Lehrgangsbewilligung dann

los. Hoch über der Stadt Biel, mit Blick auf die Alpen und den See, fingen Holm und Lehmann an, einen Lehrplan zu erstellen, um 2011 die ersten Studenten auszubilden.

«Es war eine ziemlich intensive Zeit», erinnert sich Holm. «Aber der Start war wichtig, denn wir konnten uns dabei auch klare Ziele setzen und die Ausbildung ex-trem praxisnah aufbauen.»

Die Herausforderungen, die Holm und Lehmann aus dem Alltag kannten, wollten sie auch den Studenten vermitteln. Man habe keine Hacker ausbilden wollen, son-dern Entwickler, die sich hautnah mit den Gegebenheiten in einem Spital, beim Arzt und vor allem beim Patienten auskennen, erklärt Lehmann.

Die Methode, auf die sich Holm und die heute rund ein Dutzend Lehrkräfte stützen, ist das sogenannte User Cen-tered Design. Dieses geht von den Nutz-erbedürfnissen aus und hat zum Ziel, eine einfach zu handhabende Benutzerober-

Jürgen Holm

Michael Lehmann

Thomas Bürkle

«Es war Mitte Juli 2010», erinnert sich Michael Lehmann, «als mich Jürgen Holm anrief und mich um Unterstützung beim Aufbau eines Lehrgangs für Medi-zininformatiker an der Berner Fachhoch-schule bat. Ich war überrascht und etwas überrumpelt. Wir waren jahrelang Kon-kurrenten gewesen.»

Für Lehmann, der gerade eine neue Stelle als Medizininformatiker angetreten hatte, klang das Angebot aber dennoch verlockend. Er und Holm hatten sich in der Vergangenheit immer wieder darüber be-klagt, wie schwierig es sei, die richtigen Leute für die Entwicklung von Software zum Einsatz in Schweizer Spitälern und Arztpraxen zu finden.

Lehmann, ursprünglich Arzt, und Holm, ausgebildeter Biologe, hatten sich das Rüstzeug selbst erarbeitet und auch eigene Medizininformatikfirmen gegrün-det. Spezialisten, die sich sowohl in der Medizin als auch im Spitalalltag auskann-

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fläche zu gestalten, die sich intuitiv ge-brauchen lässt. «Für uns ist es vor allem wichtig, dass unsere Studenten mit gros-ser Sorgfalt und Empathie an die Aufgabe herangehen», erklärt Holm. «Denn was wir entwickeln, wird von Fachkräften ge-braucht, die dies für die Arbeit mit Patien-ten benötigen.»

RealitätsbezogenUm diesen Ansatz von der Pike auf zu lernen, entschied man sich relativ rasch dafür, im Gebäude einen typischen Be-handlungsablauf nachzubilden.

In einer 20 Meter langen, von beiden Seiten lichtdurchfluteten Halle, wo früher die Uhrmacher über die Gehäuse ge-beugt die präzisesten Uhren der Schweiz herstellten, stehen heute Spitalbetten, Operationsgeräte, Bildschirme, ja selbst eine kleine Apotheke und eine Arztpraxis, oft einfach durch Stellwände abgetrennt.

In einem separaten Seitenzimmer, gegenüber der Arztpraxis am Ende der Halle, befindet sich überdies eine kleine Küche. An der Wand hängen Schwarz- Weiss-Fotografien von Frau Brönnimann, einer fiktiven Patientin, an die die Studen-ten täglich denken, wenn sie sich daran-machen, Softwareprogramme zu entwi-ckeln, die den Menschen dienen sollen.

«Als damit begonnen wurde, eine rea-listische Spitalsituation nachzubilden, wa-ren hier zunächst nur Klebstreifen am Boden, die zeigen sollten, was wo liegt», erklärt Thomas Bürkle, der 2014 zur Fachhochschule stiess. «Dann fing man an, echte Geräte zu installieren, die wir von Partnern und Sponsoren erhielten, um den Studenten einen praxisnahen Eindruck zu vermitteln.»

Dass diese Idee alles andere als skur-ril ist, zeigt Bürkle, der früher ebenfalls als Arzt tätig war, im Operationsraum, der mit einem Endoskopiegerät ausgerüstet ist und über einen 4-K-Bildschirm verfügt, wie er heute in Operationssälen üblich ist.

«Wenn Sie als Arzt im Operations-raum stehen und den Operationsverlauf über einen Bildschirm verfolgen wollen, haben Sie verschiedene Probleme, für die es heute in der Regel noch keine effizien-ten Lösungen gibt», erklärt Bürkle.

«Einerseits besteht die Schwierigkeit, dass der Informationsfluss von einem Ge-rät zum anderen nicht gewährleistet ist. Anderseits hat der Operateur in der Re-gel keine Möglichkeit, Bildschirme oder andere Elektronik zu berühren, ohne dass er sich danach neue Handschuhe über-streifen muss und so Zeit verliert, die er vielleicht nicht hat.»

Liebe zum DetailMit einer realistischen und detailgetreuen Situation konfrontiert, lernen die Studen-ten, nach Lösungen zu suchen, die dem Arzt helfen können, den Operationsver-lauf zu optimieren.

Eine der Ideen, die dabei entstand, ist der Einsatz einer bereits auf dem Markt erhältlichen Maus, die der Chirurg mit dem Fuss steuern kann. So ist er in der Lage, den Bildschirm zu bedienen und beispielsweise Bilder miteinander zu vergleichen.

Als es darum ging, eine Bleibe für Frau Brönnimann einzurichten und dafür die ehemalige Hausmeisterwohnung im Turmtrakt des Rolex-Gebäudes zu reno-vieren, packten die Studenten selbst mit an. Sie verlegten die Böden, kauften Möbel und richteten gemeinsam mit den Dozenten die Wohnung ein – samt tech-nologischen Neuerungen wie einem inter-aktiven Schrank, der leicht dementen Menschen helfen soll, je nach Wetter die passende Kleidung auszusuchen. Die Wohnung verfügt auch über Bodensen-soren, die sofort registrieren, ob die Per-son in ihren vier Wänden ist, wie üblich herumgeht oder am Boden liegt.

Auch in anderen Bereichen haben die Studenten gemeinsam mit den Professo-ren neue und zum Teil markttaugliche Produkte entwickelt, beispielsweise das Programm «Kurve 4.0». Das im Rahmen einer Bachelorarbeit entstandene Pro-dukt hatte zum Ziel, das Kurvenblatt, in dem die Vitalwerte sowie die Medika-menteneinnahme des Patienten ver-zeichnet sind, in ein digitales System zu überführen.

Keine leichte Aufgabe. Denn nicht nur stand die Frage im Raum, wie man ein Blatt mit Format A3 auf ein digitales Gerät wie ein iPad überführt. Die Studenten mussten zunächst herausfinden, wie Ärzte und Krankenschwestern das Kurvenblatt überhaupt gebrauchen. Zu diesem Zweck beobachteten die Studierenden den Alltag im Spital, bevor sie damit begannen, eine Benutzeroberfläche zu entwerfen und die Softwarearchitektur zu bauen.

Dabei entstanden auch überraschen-de Lösungen. Während auf dem traditio-nellen Kurvenblatt der Blutdruck neben Puls und Temperatur nur unübersichtlich dargestellt werden kann, konnte man in der digitalen Version einfach durch eine leicht transparente Schraffierung den Blutdruck perfekt einfügen – ein Plus für Arzt und Patienten. Dabei achteten die Entwickler auch darauf, dass das Pflege-personal die Werte auf dem iPad einfach eintippen kann. Die Zahlenangaben für die Vitalwerte werden oben rechts auf dem Bildschirm platziert, sodass sie im Stehen mit dem Daumen eingegeben werden können. Zudem muss man mit dem Programm bei der Temperaturerfas-sung nicht jedes Mal ein Komma setzen, genauso wenig wie einen Schrägstrich bei der Blutdruckerfassung.

«Alle diese kleinen Details sind aus der genauen Beobachtung geboren und sind entscheidend, ob ein Produkt tatsächlich vom Personal gebraucht wird und einen Mehrwert schafft», erklärt Bürkle.

Spital der ZukunftDie Studierenden – heute sind es rund 140, die an der Fachhochschule ausgebil-det werden – sind von der praxisnahen Ausbildungsart ebenfalls begeistert.

«Als ich 2009 startete,

hätte ich mir nicht vorstellen

können, dass ich heute Abtei­

lungsleiter Medizininformatik

an der Berner Fachhochschule

sein würde.» Jürgen Holm

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Blick in einen «Operationssaal» an der Fachhochschule für angehende Medizininformatiker in Biel.

Was spielerisch tönt, ist aber keines-wegs bloss Spass. Genau wie die nach-gebaute Spitaleinrichtung ist die Woh-nung eine Art Experimentierlabor – ein sogenanntes Living Lab – für das «Spital der Zukunft live». Unterstützt wird dieses Projekt von zahlreichen Partnern aus der Gesundheitsindustrie, darunter Spitäler und private Unternehmen, sowie dem Wirtschaftsverband economiesuisse und der GS1, die sich auf die Standardisierung im Bereich der Logistik fokussiert.

Novartis ist mit von der Partie. «Wir wollen auch im Zeitalter der Digitalisie-rung eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Spitälern», erklärt Nicola Yuste,

die das Projekt seitens Novartis betreut. «Deshalb ist es wichtig, die neuen digita-len Prozesse und Herausforderungen zu kennen und sich als Firma an der Lösung zu beteiligen.»

Das bereits 2012 lancierte Projekt hat zum Ziel, die Wertschöpfungskette im Spital zu analysieren und herauszufinden, wie die verschiedenen Prozesse – von der Anlieferung der Medikamente bis zum Austritt des Patienten und zur Übergabe des Patientendossiers an den Hausarzt – künftig gehandhabt werden sollen.

Holm und seine Kollegen haben dabei mit dem IXPRA-System eine neue Metho-de entwickelt, die es erlauben soll, den

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ImpressumDeutschsprachige Ausgabe: 01/2018

Herausgeber: Novartis International AG, Redaktion Campus, Fabrikstrasse 6, CH-4002 Basel

Redaktion: Goran Mijuk, Novartis International AG, Telefon +41 61 696 57 54

Gestaltung und Produktion: Reinhardt Verlag, Basel

Druck: Vogt-Schild Druck AG, Derendingen

Für alle wissenschaftlichen Informationen im Zusammenhang mit erwähnten Medikamenten verweist Novartis auf www.swissmedicinfo.ch.

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung einschliesslich Speicherung und Nutzung auf optischen und elektronischen Datenträgern nur mit Zustimmung der Redaktion. Kopien der Publikation können angefordert werden.

Im Fall von Abweichungen zwischen der deutschen und der französischen Version gilt die deutsche Version.

Die Wohnung von Frau Brönnimann haben die Studierenden und Lehrer gemeinsam renoviert und eingerichtet. Dazu gehören auch Bodensensoren und ein intelligenter Schrank.

In einer ehemaligen Rolex-Produktionshalle wurden die wichtigsten Gesundheitsstationen aufgebaut, die ein Patient durchläuft, inklusive Intensivstation und Arztpraxis.

Informationsfluss zwischen wichtigen Schnittstellen genau zu analysieren und schliesslich so zu verbessern, dass sich die wesentlichen oder nahezu alle Ar-beitsschritte im Spital digital durchgängig abbilden und gestalten lassen.

Konkret getestet wurde dies bereits im Spitalzentrum Biel. Dabei wurden pro-blematische Schnittstellen identifiziert und behoben, indem man zum Beispiel auf einer 2014 neu geschaffenen Betten-station eine abgetrennte Medikamenten-rüstzone schuf und die Aufgaben zwi-schen Pflege und Spitalapotheke neu zuordnete.

VertrauensraumIn Zukunft dürfte noch viel mehr passie-ren. Denn auch wenn das Schweizer Gesundheits- und Spitalwesen zu den besten der Welt gehört, gibt es grosse Herausforderungen hinsichtlich der Kosten, der effizienten Handhabung der Patienten- und Medikamenteninfor-F

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ReferenzenSeite 44:«Neuer Ansatz für klinische Studien»1 Nature Reviews, Ausgabe 16, Mai 2017, S. 307

ve 4.0» entwickelt, die Ärzten und Pflege-personal die Arbeit erleichtern und die Patientensicherheit erhöhen. Angesichts der steigenden Zahl an Studierenden – rund ein Drittel sind heute junge Frauen – dürften es in absehbarer Zeit weitaus mehr werden, was die Digitalisierung des Gesundheitssystems, das bis vor weni-gen Jahren noch fast ausschliesslich analog strukturiert war, weiter beschleu-nigen wird.

Für Holm ist dies auch ein persönli-cher Erfolg: «Als ich 2009 startete, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich heute Abteilungsleiter Medizininformatik an der Berner Fachhochschule sein wür-de, mit super engagierten Professorenkol-legen und Studierenden sowie dem ein-zigartigen Living Lab, mit dem wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, das Schweizer Gesundheitssystem nach-haltiger aufzustellen und die Patientensi-cherheit zuhause wie auch im Spital zu verbessern. Es ist einfach grossartig.»

mationen, aber vor allem auch der Patien-tensicherheit.

Je nach Schätzung sterben in der Schweiz aufgrund falsch verabreichter Medikamente jährlich zwischen 700 und 1700 Menschen. Gleichzeitig steigen auch die Kosten. Mit neuen, durchgängi-gen IT-Applikationen, die den Patienten auf seinem Weg von zuhause ins Spital und wieder zurück begleiten, lassen sich nicht nur Prozesse bereinigen und Kosten sparen. Ziel ist vor allem auch, die Sicher-heit des Patienten zu verbessern.

Genau daran wird im Lehrgang für Medizininformatiker gearbeitet. «Wir wol-len nicht einfach IT-Lösungen bauen, die in sich logisch und schlüssig sind. Wir wollen immer ganz nah bei den Bedürf-nissen der Patienten sein. Wir wissen, dass das Gesundheitssystem ein Ver-trauensraum ist, der durch die IT nicht gestört werden soll», erklärt Holm.

Bislang wurden an der Schule bereits mehrere Softwareprodukte wie die «Kur-  C

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