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Untersuchung der WACKENRODERSCheII Reaktion mit Hilfe der radiopapierchromatographisohen Methode. Ill) Von E. BLASIUS und W. BURMEISTER Mit 3 Abbildungen Iiihaltsubcrsicht Durcli Gegenuberstellung der Vorgange in der WAalil3NaooEsschen Fliissigkeit und in einer Lasung von Polythionaten neben Thiosulfat und Sulfit wird nachgewiesen, daB der Aufbau hoherer Polythionsiiuren durch eine kontinuierliche Abnahme der schwefligen Saure erfolgt. Dabei handelt es sich hei diesen Polythionat-Thiosulfat-Sulfit-Systemen urn Gleichgewichte, die durch h d e r u n g der Reaktionsbedingungen beliebig somohl in die eine als als auch in die andere R'ichtung verschoben werden khncn. Summary Paper-chromatographic results show, that the formation of higher plythionic acids in WACKENRODERS liquid and in S,O: and HSO,;-containing solutions of lower polyhhio- naks is accompanied by a continuous decrease of the concentration of sulphurous acid. The polythionate formation and degradation are equilibrium reactions which can he shifted into either direction. Die WACKENRoDERsChe Flussigkeit bildat sich beim Einleiteil von Schwefelwasserstoff in eine wafirige Losung von Schwefeldioxyd. Dabei entstehen vornehmlich Schwefel und Polythionsiuren, und zwar nebeu Spuren von Trithionsaure hauptsiichlich Tetra- und Pcntathionsaure. eventuell auch geringe Mengen von Hexathionsaure. Der Bildungsmechariismus dieser Polythionsauren ist iiicht geklart. Urn die Losung dieses klassischen Problems der anorganischen Chemie ist man seit iiber 100 Jahren hernuht. Rs existieren zahlreiche Versuche, die Vorgange in der WACKENRODERsChen Flussigkeit zu deutenz). Die Schwierigkeit besteht in der iinzureichenden Miiglichkeit, die jeweilige Zusammensetzung wiihrend der Umsetzung zu ermitteln, ohne dabei den eigentlichen Verlauf der Reaktion zu storen. l) I. Mittdung: E. BLASII;F u. \V. BURMEISTER, Z. analyt. Chem. 168, 1 (1.959). 2, H. BASSET u. R. G. DURRAXT, J. cheni. SOC. [London] 1947, 1401; H. STAMM 11. M. GOEHRING, Angew. Chem. 60, 147 (1.948); M. SCHMIDT u. H. HEINRICH, Angew. Chew. 70, 572 (1968); R. ABEGG u. Fr. AIJERBACH, Handbuch d. Anorgan. ('hem. 4, 1. Iht. 513; W RURJIEISTER, Dissertation, TU Berlin, 7 961.

Untersuchung der Wackenroderschen Reaktion mit Hilfe der radiopapierchromatographischen Methode. II

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Page 1: Untersuchung der Wackenroderschen Reaktion mit Hilfe der radiopapierchromatographischen Methode. II

Untersuchung der WACKENRODERSCheII Reaktion mit Hilfe der radiopapierchromatographisohen

Methode. I l l )

Von E. BLASIUS und W. BURMEISTER

Mit 3 Abbildungen

Iiihaltsubcrsicht Durcli Gegenuberstellung der Vorgange in der WAalil3NaooEsschen Fliissigkeit und

in einer Lasung von Polythionaten neben Thiosulfat und Sulfit wird nachgewiesen, daB der Aufbau hoherer Polythionsiiuren durch eine kontinuierliche Abnahme der schwefligen Saure erfolgt. Dabei handelt es sich hei diesen Polythionat-Thiosulfat-Sulfit-Systemen urn Gleichgewichte, die durch h d e r u n g der Reaktionsbedingungen beliebig somohl in die eine als als auch in die andere R'ichtung verschoben werden khncn .

Summary Paper-chromatographic results show, that the formation of higher plythionic acids

in WACKENRODERS liquid and in S,O: and HSO,;-containing solutions of lower polyhhio- n a k s is accompanied by a continuous decrease of the concentration of sulphurous acid. The polythionate formation and degradation are equilibrium reactions which can he shifted into either direction.

Die WACKENRoDERsChe Flussigkeit bildat sich beim Einleiteil von Schwefelwasserstoff in eine wafirige Losung von Schwefeldioxyd. Dabei entstehen vornehmlich Schwefel und Polythionsiuren, und zwar nebeu Spuren von Trithionsaure hauptsiichlich Tetra- und Pcntathionsaure. eventuell auch geringe Mengen von Hexathionsaure.

Der Bildungsmechariismus dieser Polythionsauren ist iiicht geklart. Urn die Losung dieses klassischen Problems der anorganischen Chemie ist man seit iiber 100 Jahren hernuht. Rs existieren zahlreiche Versuche, die Vorgange in der WACKENRODERsChen Flussigkeit zu deutenz). Die Schwierigkeit besteht in der iinzureichenden Miiglichkeit, die jeweilige Zusammensetzung wiihrend der Umsetzung zu ermitteln, ohne dabei den eigentlichen Verlauf der Reaktion zu storen.

l) I. Mittdung: E. BLASII;F u. \V. BURMEISTER, Z. analyt. Chem. 168, 1 (1.959). 2, H. BASSET u. R. G. DURRAXT, J . cheni. SOC. [London] 1947, 1401; H. STAMM 11.

M. GOEHRING, Angew. Chem. 60, 147 (1.948); M. SCHMIDT u. H. HEINRICH, Angew. Chew. 70, 572 (1968); R . ABEGG u. Fr. AIJERBACH, Handbuch d. Anorgan. ('hem. 4, 1. Iht. 513; W RURJIEISTER, Dissertation, TU Berlin, 7 961.

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E. BLASIUS U . \Ir. RKRMEISTER, untersuchung der ~tkCXENRODERSChel1 Rraktion 249

Durch die Entwicklung der Papierchromatographie in Verbindung niit radioaktiv markierten Ausgangssubstanzen steht eine analytische Me- thode zur Verfiigung, die es gestattet, den zeitlichen Auf- und Abbau dcr entstehenden Polythionsauren zu verfolgen. BLASIUS ixnd RURMEISTER gehng es, auf diese Weise den Verlauf der ~rAcKeNRoDERschen Reaktion durch folgendes Schema wahrscheinlich zu machen :

Danuch tritt als Primarpolythionshre Trithionsaure auf, iiber deren Rildung sich lediglich Vermutungen aussprechen lassen. We Trithionsiiure unterliegt teilweise durcli H,S der Thiolyse. Es bildet sich Thioschwefelsgure. Bei Erreichung bestimmter Kon- zentrationsverhiilt,nisse setzt sich Trithionsaure mit Thioschwefelslure um unter Ril- dung von Tetrathionsaure:

H+ + S,Oi + S,Oi + 8,O: + HSO,.

Analog reagiert Trtruthionsiiure mit Thioschwefelsilure zn Pentathionsaure :

H+ + S,Oi + S2O; + S5O; + HSO,.

Unter bestimmten Reaktionsbedingungen enhtehen auf diem Weisc auch gnitige Mengen von Hexa,thions&ure ;

H+ + S,O: + S,Oi + S,Oi + HSO,.

Die vorliegende Arbeit befaat sich mit deli Gleichgewichten Polythioiiat- Thiosulfat-Sulfit, die als Teilvorga,nge bei der WACKENRoDERsChen Reak- tion eine Rolle spielen. Die hier verwendeten Apparaturen und die radio- yapierchromatographische Methode wurden schon friiher beschrieben l ) .

Die Ausgangssulnstanzeri ~~ wurden mit, 5-35 markiert.

Beeinflussung V O J ~ Gieichgewiehten in der ~rACIiENK.ODEXseheii Ylussigkeit

Die einzelnen Polythionat-Thiosulfat-Sulfit-~leichgewichtssysteme sind bekannt 3). In den folgenden Untersuchungen wird gezeigt, dal3 lediglich Gleichgewichtsverschicbungen fur die Entstehung hiiherer Poly- thionsauren in der TjlTACKENRODERschen E’liissigkeit verantwortlich sind. Sie bilden sich durch den allmalilichen Verbrauch der schwefligen Saure.

Sls Ausgangssubstanz dient aktive schweflige Saure. Durch einen Vorversuch wurde beini Einleiten von inaktivem Schwefelwasserstoff derjenige Zeitpuiikt ermithelt, zu den1 schweflige Siiure und Trithioii- saure aniiahernd in gleicher Konzentration vorliegen. Bei gleichen Reak- tioiisbedingungen koiinte d a m zu diesern Zeitpunkt, die H,S-Einleituny unterbrocheii werden (dht). 1 a). Durch einen Stickstoffstrom wwde das iiberschiissige SO, ausgetrieben. Auf den Aktivitatsverteilungskurven er- acheinen mjt ehnehmender Konzcntration an schwefliger Saiwe nacheiii- ander Tetra- und Pentatliionsdure (Abb. la-k).

,) H. RTAMM, 0. SEIPOLD u. N. GOEKRING, Z. anorg. nllg. Chem. 447, 277 (1941).

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k

Ahb. la-k. Reaktion von H,SO, mit H,S. Versnchsdaten: Arbeitsvolumen: 10 ml; Ausgangskonzentration: 1,6 m H,SO,; Aus- gangsaktivittit! 3 mC H,SO,; Einleitungsgeschwindigkeit des H,S: 1 Bl./sek; hufzeit

auf dem Papjer: 28 Stunden

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E. B ~ ~ s m s u. W. BURMEISTER, Untersuchung der WAcKExRODERschen Reaktion 251

d

I . . A

27rnin k ~

4bb. 2a-k. Cxleichgewichte zwischen den Polythionsiiuren.

V e r s u c h s tX a t e n :

Arbeitsvolumen: 1 i d ; Ausgangskonzentration: 0,l m Penrathionatliisung; Ausgangs- aktivitiit: 1 mC Thiosulfat (spezifische Aktivitat: 66,l mC/g); Einleitungsgeschwindig-

keit des SO2: 1 Bl/sek; Laufzeit auf dem Papier: 28 Stunden

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252 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 313. 1961

Ab- und Aufbau eines Polpthionatsysteins Die leichte Verschiebbarkeit der Gleichgewichtssystenie Polythionat -

Thiosulfat-Sulfit wird durch folgenden Versuch anschaulich gezeigt . Leitet man in eine aktive Pentathjonatliisung kontinuierlich SO, ein, so erfolgt Sulfitabbau. Es entsteheii nacheinander Tetra- und Trithionat . Gleichzeitig w i d die ciitsprechende Menge Thiosulfat gebildet (Abb . 2 a-d). Entfernt man jetzt wieder durch eineii Xtickstoffstroni dae iiberschussige SO,, so werden iiacheinander unter Verbraiich des Thiosul- fates hohere Polythionsiiiiren aiifgebaut (Abb. 2 e-k). Zurn SchliiB stellt sich 5hnlich wie in der \~.4CIiEKRoDERscheri Flussigkeit ein Gleichgewicht zwischen den einzelnen Polythionsauren ein (Abb. 2 k).

Urn die sehr schwierige und eugleich kostspielig? Darstellung dcs akti5 en Pentathio- nates zu umgehen, wurde das inaktivc Pentathionat durch Zugabe von 1 mC Thiosulfat in eine aktive Verbindung uberfuhrt (FAvAsCher Isotopenaustausch4)). Gleichzeitig be- wirkt das Thiosulfat jedoch eine katalytische Zersetzung des Pentathionates. Daher findet man auf dcr Aktivitatvverteilungskurve (Abb. 2a) neben Penta- auch Tetrathionat . Infolge der Konzeiitrationsunterschicde zwischen Pentathionat und Thiowlfat tritt der groBte Teil der aktiven Thiosulfat-Gruppen beim Isotopeiiaustausch in die Pentathionat- molekel ein, so daf3 dic Thiosulfat-Spitze nur sehr klein iF i t (Ahh. 2a).

Aiifbau Yon Polythioiisiiuren durch Anderung der Thiosulfat- uird der H' - Konzenration

Unter Eiiihaltuiig bestimmter Reaktionsbedingungen kann mail sogar auf analoge Weise eine Gleichgewichtsverschiebung zugunsten der Bil- dung geringer Mengen von Heptathionsaure erzwingen :

HT S,O: + S,O + S70; I HSOJ

Abb. 3. Bildung von Heptathionat.

Ve r s ii c h s d a t e n : Arbeitsvolumen: 10 i d ; ilusgangskonzentration : 0,3 g Tetrathionat, die dreifache aqui- vdente F/lenge Thiosulfat; fur die Losung wurde e k e alte aktive T\'ACKENRoDmchC Fliissigkeit verwendet; Ausgangsaktivitat: 2 mC Thiosulfat; Laufzeit auf dem Papiei :

28 Stunden

4, A. FATA, G a ~ z . chirn. Ital. &3, 87 (19.53).

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E. R ~ a s ~ u s 11. M’. RURMEISTER, Untersuchung der ~~rACKENRODERschen Reaktion 253

Dabei wurde von der Tatsache ausgegangen, dal3 die hoheren Polythion- sh ren bei geringerem p,-Wert wesentlich bestandiger sind 6 ) .

Wird die Losung beim Durchperlen eines Stickstoffstromes mit wenig l’erchlorsaure angesauert, entsteht eine Zusarnmensetzung, die durch die _Iktivitatsverteilungskurve wiedergegeben wird (Abb. 3 ) .

Die vorliegende Arbeit wurde im dnorganisch-Chemischen Institut der Teohnischen Universit6t Berlin durchgefiihrt . Wir danken dem Direktor des Institutes, Herrn Professor Dr. Q. JANDER, fur Unterstutzung und Diskussion sowie der ERP-Verwaltung und dem Rundesatomministerium fiir die Bereitstellung von Mitteln und Appraturen. Die hbciten vierden fortgesetzt.

3) A. KURTENACKER, A. A. MTJTSCIIIN u. F. RTISTNY, X. anorg. allg. Chern. 824, 399 (1935).

Berlin-Charlottenburg, Anorganisch-chem~sches Institut der Tech& achen Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 16. Mai 1961.