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Untersuchung des geomagnetischen Feldes rnit kiinstlichen Satelliten und Raketenl) VQ~ N. V. PUSKOV und S. S. DOLGINOV Das Programm des Internationalen Geophysikalischen Jahres (IG J) sieht die Durchfuhrung von geomagnetischen Messungen mit kiinstlichen Satelliten und Raketen vor. Dadurch sollen experimentelle Daten uber die raumliche Verteilung des geomagnetischen Feldes in grol3en Hohen ermittelt werden. Im vorliegenden Artikel werden einige geophysikalische und technische Aspekte derartiger Messungen betrachtet. Die Grundaufgaben der geomagnetischen Messungen mit kiinstlichen Satelliten und Raketen a) Das geomagnetische Feld und seine Eigenschaften Um die Erde behdet sich ein naturliches Magnetfeld, dessen Natur und Ent- stehung bis jetzt noch nicht aufgeklart sind. Es wurden viele Theorien oder besser Hypothesen aufgestellt, die versuchten, diese oder jene Eigenschaft des geomagnetischen Feldes zu erklaren, aber keine von ihnen ist vollig sicher. Das geomagnetische Feld beeinflul3t die Bewegung der geladenen Teilchen, die sich in den oberen ionisierten Schichten der Erdatmosphare befinden und von der Sonne und aus dem Weltraum zu uns gekommen sind. Das fuhrt zur Ent- stehung geomagnetischer Effekte wie der Polarisation von Radiowellen,die an der Ionosphlire reflektiert werden, dem Breiteneffekt der kosmischen Strahlung und dem Polarlicht, der Orientierung der Polarlichter nach den Kraftlinien des magnetischen Feldes usw. Es wurde auch festgestellt, dal3 die groaen, unregelmal3igen hderungen des geomagnetischen Feldes, die unter dem Namen ,,magnetische Stiirme" bekannt sind, mit Bnderungen der Intensitat der kosmischen Strahlung, der Hohen und der kritischen Frequenzen der Ionospharenschichten, mit dem Auftreten von Polarlichtern in niederen Breiten, sowie mit einigen anderen helio- und geophysi- kalischen Erscheinungen deutlich korrelieren. Alles das weist darauf hin, dal3 sich die Wirkung des geomagnetischen Feldes auf geladene Teilchen in sehr grol3en Abstanden von der Erde erstrecken kann. Das Magnetfeld der Erde liil3t sich in. einen konstanten und einen verander- lichen Anteil aufspalten. Zu dem konstanten Anteil werden auch die sehr lang- samen, sogenannten Sdkularvariationen des geomagnetischen Feldes hinzu- l) Uspechi fiz. Nauk 63, 645-656 (1957).

Untersuchung des geomagnetischen Feldes mit künstlichen Satelliten und Raketen

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Page 1: Untersuchung des geomagnetischen Feldes mit künstlichen Satelliten und Raketen

Untersuchung des geomagnetischen Feldes rnit kiinstlichen Satelliten und Raketenl)

V Q ~ N. V. PUSKOV und S. S. DOLGINOV

Das Programm des Internationalen Geophysikalischen Jahres (IG J) sieht die Durchfuhrung von geomagnetischen Messungen mit kiinstlichen Satelliten und Raketen vor. Dadurch sollen experimentelle Daten uber die raumliche Verteilung des geomagnetischen Feldes in grol3en Hohen ermittelt werden. Im vorliegenden Artikel werden einige geophysikalische und technische Aspekte derartiger Messungen betrachtet.

Die Grundaufgaben der geomagnetischen Messungen mit kiinstlichen Satelliten und Raketen

a ) Das geomagnetische Feld und seine Eigenschaften Um die Erde behdet sich ein naturliches Magnetfeld, dessen Natur und Ent-

stehung bis jetzt noch nicht aufgeklart sind. Es wurden viele Theorien oder besser Hypothesen aufgestellt, die versuchten, diese oder jene Eigenschaft des geomagnetischen Feldes zu erklaren, aber keine von ihnen ist vollig sicher.

Das geomagnetische Feld beeinflul3t die Bewegung der geladenen Teilchen, die sich in den oberen ionisierten Schichten der Erdatmosphare befinden und von der Sonne und aus dem Weltraum zu uns gekommen sind. Das fuhrt zur Ent- stehung geomagnetischer Effekte wie der Polarisation von Radiowellen, die an der Ionosphlire reflektiert werden, dem Breiteneffekt der kosmischen Strahlung und dem Polarlicht, der Orientierung der Polarlichter nach den Kraftlinien des magnetischen Feldes usw.

Es wurde auch festgestellt, dal3 die groaen, unregelmal3igen hderungen des geomagnetischen Feldes, die unter dem Namen ,,magnetische Stiirme" bekannt sind, mit Bnderungen der Intensitat der kosmischen Strahlung, der Hohen und der kritischen Frequenzen der Ionospharenschichten, mit dem Auftreten von Polarlichtern in niederen Breiten, sowie mit einigen anderen helio- und geophysi- kalischen Erscheinungen deutlich korrelieren. Alles das weist darauf hin, dal3 sich die Wirkung des geomagnetischen Feldes auf geladene Teilchen in sehr grol3en Abstanden von der Erde erstrecken kann.

Das Magnetfeld der Erde liil3t sich in. einen konstanten und einen verander- lichen Anteil aufspalten. Zu dem konstanten Anteil werden auch die sehr lang- samen, sogenannten Sdkularvariationen des geomagnetischen Feldes hinzu-

l) Uspechi fiz. Nauk 63, 645-656 (1957).

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gerechnet. Zum verBnderlichenAntei1 gehoren alle ubrigen schnellen Lnderungen, darunter die magnetischen Sturme, Pulsationen, taglichen Variationen usw. Bis jetzt wurden die Ortsabhangigkeit des Magnetfeldes und seine zeitlichen Bnde- rungen nur auf der Erdoberflache und auch dort nur in unvollkommenem MaBe untersucht. VerhaltnismaBig wenig Messungen liegen uber die Polargebiete vor. Die auf den Meeren gemachten Messungen sind relativ ungenau.

Benutzt man die auf der Erde beobachteten Daten, so kann man mittels einer Kugelfunktionsanalyse das konstante und das veriinderliche Feld in Teile zer- legen, deren Quellen sich innerhalb oder auBerhalb der Erde befinden. Zahlreiche bis heute durchgefuhrte Analysen des konstanten Feldes zeigen, daB der groDte Teil von Quellen innerhalb der Erde erzeugt wird, und nur ein kleiner Teil des Feldes (etwa 1 %) seine Quellen auBerhalb der Erde hat. Die Existenz des iiuDe- ren Teils des konstanten Feldes ist recht zweifelhaft, da seine GroBe bei der heutigen Kenntnis der Feldverteilung innerhalb der Fehlergrenzen der Ent- wicklung liegt.

Die Zerlegung der FeIder der tiiglichen Variationen und der magnetischen Sturme weist darauf hin, daB ein groDer Teil, etwa 2/3, durch Quellen auaerhalb der Erdoberflache erzeugt wird, und nur ein kleiner Teil, etwa 1/3, durch Quellen innerhalb der Erde. Letztere konnen elektrische Strome sein, die durch Bnde- rungen des iiuaeren Feldes in leitenden Erdschichten induziert werden.

Der auaere Teil des Feldes der tiiglichenvariationen und magnetischen Sturme kann auch in Form eines aquivalenten Systems von elektrischen Stromen dar- gestellt werden, die in irgendeiner Hohe flieDen. Das Problem, den Ort der Quellen des Feldes aus einer gegebenen Feldverteilung an der Oberflache zu be- stimmen, ist vieldeutig. Man kann viele Stromsysteme angeben, die dieselbe Verteilung der Feldvariationen an der Oberflache der Erde sowie die gleichen in der Erde induzierten Strome liefern. Bei der Berechnung eines iiquivalenten Stromsystems, das in einer beliebigen Hohe flieBt, mu13 man eher aufein gunsti- ges Verfahren zur Darstellung des Feldes achten als auf die physikalische Realitat.

Bquivalente Stromsysteme fur die sonnentagigen Variationen wurden zuerst von BARTELS auf Grund der Daten einer von CHAPMAN durchgefiihrten AnaIyse der sonnentagigen Variationen konstruiert. Sie wurden von ihm auf eine dunne spharische Schicht in 100 km Hohe bezogen. Weitere Stromsysteme der tag- lichen Variationen wurden nach den Beobachtungen des 2. InternationalenPolar- Jahres von BEN'KOVA [ I ] berechnet. Idealisierte Systeme von elektrischen Stro- men der magnetischen Storungen, die auf gemittelten Daten beruhen und auf 100 bis 150 km Hohe bezogen sind, wurden erstmalig von CHAPMAN aufgestellt und spater von ihm zusammen mit VESTINE verbessert. Von den letzten Arbeiten, die sich mit der Berechnung von Stromsystemen fur die magnetischen Stiirme beschiiftigen, muD man diejenigen von VESTINE und BEN'KOVA erwahnen [2,3]. In ihnen werden erstmalig Stromsysteme fur einzelne magnetische Stiirme und Storungen angegeben.

Die charakteristische Besonderheit der Strome der magnetischen Stiirme ist ihre groRe Konzentration in dem Gebiet des haufigsten Auftretens von Polar- lichtern. Sie konnen hier als linearer oder zylindrischer Strom (Strahl elektri- schen Stromes) aufgefaBt werden, der in eine Stromschicht geringerer Dichte eingeschlossen ist. Auf der abendlichen Seite der Erde flieBt dieser Strom nach 22 Eunstliche Ecdsatelliten

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Westen, auf der morgendlichen nach Osten. CHAPMAN [4] nimmt an, da8 der anomal hohe Wert der taglichen Variationen des Feldes in der Nahe des geoma- gnetischenAquators mit dem linearen Strom zusammenhangen kann, der hier am Tage von Westen nach Osten flieBt. Die von diesem Strom in der Entfernung R erzeugte GroBe des Feldes betragt AF = 0,2 IIR, wobei AP in Gamma, die Stromstarke I in A und R in km ausgedriickt sind.

Die Entdeckung der Ionosphare und die Feststellung des engen Zusammen- hanges der Variationen des geomagnetischen Feldes mit denen der Ionosphare erlaubten die sehr wa hrscheinliche Annahme, da13 die taglichen Variationen und die magnetischen Stiirme durch elekt,rische Strome in der Ionosphare hervor- gerufen werden. Gleichzeitig schlieBen einige Forscher die Moglichkeit nicht aus, daB der Sturm in seiner Endphase (Effekte nach der Storung) durch ein System elektrischer Strome hervorgerufen wird, die als geschlossener Ring die Erde in der Aquatorebene im Abstand einiger Erdradien vom Erdmittelpunkt um- geben [5 ] .

b) P r o b l e m e , d i e d u r c h m a g n e t i s c h e Messungen m i t R a k e t e n u n d S a t e l l i t e n ge los t werden so l len

Magnetische Messungen mit Satelliten und Raketen erlauben, die Strom- systeme in der Ionosphare zu entdecken, ihre Dichte abzuschatzen und Schlusse uber die Existenz elektrischer Strome auBerhalb der Ionosphare zu ziehen.

Das Magnetfeld des Stromsystems erhalt man aus den gemessenen Feld- werten unter Abzug eines Anteils, der sich aus der Annahme der Wirkung eines konstanten Feldes berechnen 1aBt. Wir vernachlassigen dabei das Magnetfeld der in der Erde induzierten Strome. Zur Berechnung des konstanten Feldes als Funktion der Hohe kann man eine empirische Formel benutzen, die das Poten- tial des geomagnetischen Feldes als Reihe nach Kugelfunktionen ausdriickt :

m n

n = i m=o V = a 2 2 {g: cos ml f hr sin ml 1 P;(cos 0) (a/r)"+l, (1 )

wobei r, 0 , 1 die Kugelkoordinaten des Punktes sind; a ist der mittlere Erd- radius, P; (cos 0) sind die zugeordneten Funktionen von SCHMIDT, gr und h r sind Koeffizienten. Diese Koeffizienten werden so bestimmt, da13 die nach Formel (1) fur r = a berechneten Feldkomponenten moglichst gut mit der auf der Erdoberflache gemessenen Feldverteilung iibereinstimmen. . Die berechneten Werte fiir die Nord- (x), Ost- (y) und Vertikalkomponente ( 2 ) des Feldes der Epoche 1945 fur die Hohen 100, 300, 500, 1000 und 5000 km und ein Punktnetz von 10 zu 10' Breite und 30 zu 30" Lange sind von VESTINE [2] angegeben. Bei der Berechnung wurden Reihen verwendet, die 48 Glieder ent- hielten. Dabei wurden Kugelfunktionen bis zur 6. Ordnung einschlie8lich beriicksichtigt.

I n vielen Fallen beschrilnkt man sich bei der Berechnung des Feldes in Ab- hiingigkeit von der Hohe nur auf die Glieder der Funktion erster Ordnung. Das Potential des Feldes der Funktion erster Ordnung (n = 1) ist

V, = g y c o s 0 fg :s in0cos1+h:s in0s inA. (2)

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Untersuchung des geomagnetischen Feldes mit bunstlichen Satelliten und Raketen 339

Das Potential des Feldes einer gleichmkl3ig magnetisierten Kugel oder auch das eines zentralen Dipols ist durch analoge Ausdriicke gegeben. Indem man sich auf diese formale Analogie beruft, betrachtet man das Feld der drei Glieder der Funktion erster Ordnung als Feld einer gleichm8;Big magnetisierten Erde. x ist die Nordkomponente, y die Ostkomponente des berechneten Erdfeldes.

Die Achse der gleichmaBigen Magnetisierung geht durch den Erdmittelpunkt und durchstoBt die Erdoberflache an den geomagnetischen Polen. Der geomagne- tische Nordpol befand sich 1945 nach den Angaben von AFANAS'EVA [6] am Punkt y = 79,4"N und L = 292,6"0 und nach den Angaben von VESTINE [Z] am Punkt y = 78,6"N und L = 289,9"0.

Zuweilen benutzt man statt des zentralen Dipols, der also irn geometrischen Mittelpunkt der Erde liegt, einen exzentrischen Dipol, der sich im sogenannten magnetischen Mittelpunkt der Erde befindet. Der Nordpol des exzentrischen Dipols befindet sich am Punkt y = 80,l"N; L = 277,3"0.

Der exzentrische Dipol beschreibt die Verteilung des an der Erdoberflache ge- messenen Feldes etwas besser. Das Feld der Funktionen hoherer Ordnung gibt den Unterschied zwischen dem beobachteten Feld und dem Feld der gleich- m6Bigen Magnetisierung an. Dieses ,,Restfeld" hat klar ausgepragten regionalen Charakter und wird als Feld der magnetischen Anomalien betrachtet.

Aus dem Ausdruck (1) folgt, daB die Felder der Funktionen hoherer Ordnun- gen rnit der Entfernung von der Erde bedeutend schneller abnehmen miissen als das Feld der gleichmaBigen Magnetisierung .

Beachtet man diesen Umstand und die geringe GroRe des Restfeldes, so kann man das Feld der Erde in groDer Entfernung als Feld der gleichmaaigen Magneti- sierung annehmen. Die Berechnung der geomagnetischen Effekte unter alleiniger Beriicksichtigung der gleichmaSigen Magnetisierung fiihrt jedoch zuweilen zu einem Abweichen der theoretischen Werte von den wirklich beobachteten Effekten. So wurde insbesondere schon friihzeitig festgestellt, daB das Gebiet der minimalen Intensitat der kosmischen Strahlung nicht mit dem geomagneti- schen Aquator zusammenfallt. Bei der Auswertung der Daten iiber die Inten- sitat der Neutronen- und Mesonenkomponente der kosmischen Strahlung in Aquatomahe stellte SIMPSON [7, 81 fest, daB man eine bessere Ubereinstim- mung erreicht, wenn man den Schnittpunkt des geomagnetischen Aquators rnit dem geographischen um 45" nach Westen verschiebt und den Nordpol des exzentrischen Dipols an den Punkt Q) = 80,2" N ; L = 246,8"0 verlegt. Die Unter- schiede in der aus magnetischen Daten und aus Angaben uber die Intensitaten der kosmischen Strahlung bestimmten Lage der geomagnetischen Pole zeigen, daB man auch den EinfluS des anomalen Feldes und des Feldes des aul3er- ionospharischen Ringstromes beriicksichtigen muB [9].

Die magnetischen Messungen mit Satelliten und Raketen konnen experimen- telle Daten iiber die Abnahme der magnetischen Anomalien und anderer Be- sonderheiten des Feldes mit der Entfernung von der Erde liefern. Diese Daten konnen zur Priifung der verschiedenen Annahmen iiber die Tiefe der Quellen der regionalen magnetischen Anomalien dienen. Genauere Angaben uber die Tiefe der Quellen der regionalen magnetischen Anomalien haben fiir die Unter- suchung des inneren Aufbaus der Erde groBe Bedeutung. Ein Vergleich der mit Satelliten durchgefiihrten magnetischen Messungen mit der aus den Beob- achtungen der Bahnstorungen des Satelliten bestimmten Massenverteilung im 22 *

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Frdinneren kann auch verwendet werden, urn cinen Zusammenhang zwischen den magnetischen und Gravitationsanomalien festzustellen, die durch ungleich- niaSige Massenverteilung in groIjen Tiefen hervorgerufen werden.

Offensichtlieh konnen die Ergebnisse der magnetischen Messungen durch Satelliten und Raketen zur Losung etlicher Probleme herangezogen werden. Im gegenwartigen Anfangsstadium der Entwicklung, wo nur der Betrag des Ge- samtvektors der Feldstarke gemessen wird, werden die Messungen hauptsach- lich zur Untersuchung der allgemeinen Verteilung des Feldes in grol3en Hohen verwendet, sowie zur Auffindung und Abschatzung der elektrischen Strom- systeme der sonnentagigen Variationen und der magnetischen Xtiirme. Auf die Bedeutung der Moglichkeit, Stromsysteme durch magnetische Messungen mit Raketen aufzufinden, hat erstmalig VESTINE [2] hingewiesen. VESTINE zeigte, daB beim senkreehten Durchfliegen der Stromschicht am Magnetometer ein Sprung der Horizontalkomponente des magnetischen Feldes der Strome an den Randern der Schicht bemerkbar sein miiI3te.

Die ersten Beobachtungen von Stromen in der E-Schicht der Ionosphare wurden von SINGER und Mitarbeitern [lo, 113 in der Nahe des geomagnetischen Aquators gefunden.

Es wurden zwei Aufstiege bis 105 km Hohe durchgefiihrt. Der eine wurde nach Mittag ausgefuhrt, als auf der Erde kleine dnderungen der Horizontal- komponente beobachtet wurden, der andere einige Tage spater mittags. Bei dem ersten Aufstieg wurde die ubliche Abnahme des Feldes mit der Hohe beobachtet, der sich der EinfluS der Lokalanomalie am Ort des Aufstiegs uberlagerte. Beim zweiten Aufstieg dagegen fand man in Hohen von 93-105 km einen Sprung der Feldstarke von etwa 400 y , Es wird angenommen, daB diese Bnderung einem Sprung AF der Horizontalkomponente des Feldes beim Durchgang durch eine dunne Stromschicht aquivalent ist, wobei AF = A H = 0,4 z I ist und der Sprung AF in Gamma und die Intensitat I der Strome in A pro km ausgedruckt sind. Der bei den Messungen beobachtete Sprung der Feldstarke entsprach dem, was man beim Durchgang eines Magnetometers durch das Stromsystem der taglichen Variationen im Aquatorgebiet erwarten konnte. Seine GroIje ubertraf jedoch die Erwartungen.

Die Moglichkeit einer Feststellung von Stromsystemen durch magnetische Messungen mit Raketen bei deren Durchgang durch die Schicht wird ausfuhr- lich in einer Arbeit von CHAPMAN [I21 betrachtet, wo folgendes Programm fur Raketenforschungen empfohlen wird :

a ) Untersuchung des linearen Stromes, der in der Zeit magnetischer Storungen entlang der Polarlichtzone fliel3t.

b) Untersuchung von Abzweigungen dieses Stromes, die in den Bogen der Polarlichter flieflen konnen.

c) Prufung der Hypothese iiber die Entstehung eines auBerionospharischen Ringstromes in der dquatorebene wahrend magnetischer Sturme.

d) Untersuchung der Hohe, Dicbe und Dichte der Stromschicht in der Polar- kappe.

e ) Untersuchung der Strome der taglichen Variationen wahrend magnetisch ruhiger Tage in niederen und mittleren Breiten.

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Magnetische Messungen rnit Raketen werden wahrend des I G J in mehreren Landern in hohen und niederen Breiten durchgefuhrt. Die ionospharischen Schichten befinden sich in verschiedenen Hohen zwischen den Grenzen 90 und 300 km. Die F2-Schicht der Ionosphare liegt wahrend der magnetischen Storun- gen noch hoher. Um die Rolle der verschiedenen Ionospharenschichten bei der Erzeugung von Stromsystemen zu klaren, mu13 man wenigstens einen Teil der Messungen mit groRen Raketen durchfiihren, um die Magnetometer uber die Ionosphare hinweg heben zu konnen.

Nachteile der Raketenmessungen sind, da13 sie nur kurze Zeit dauern und nur fiir die nahe Umgebung des Aufstiegs der Rakete Aussagen liefern. Um die raumliche Verteilung des Feldes und seine zeitlichen Bnderungen untersuchen zu konnen, mu13 man an verschiedenen Stellen eine grol3e Zahl wiederholter Messungen durchfiihren ; dies ist aber mit gro13en Kosten verbunden. Sicherlich werden daher magnetische Messungen mit Raketen nur an den interessantesten Stellen und zu den interessantesten Zeitpunkten vorgenommen.

Die interessantesten Stellen zur Messung des magnetischen Feldes rnit Raketen sind offenbar Gegenden in der Arktis und Antarktis, in denen besonders haufig Nordlichter auftreten ; dort kann man die wahrend der magnetischen Storungen entstehenden linearen Strome auffinden und ihre Intensitat abschltzen. Die ge- eignetste Zeit fiir den Aufstieg einer Rakete kann auf Grund von Prognosen magnetischer Storungen und von Registrierungen der Bnderungen des magneti- schen Feldes an Observatorien ausgewahlt werden. Das I G J wird wahrend eines Maximums der Sonnentatigkeit durchgefiihrt. Es ist daher eine sehr ge- eignete Periode, Stromsysteme der taglichen Variationen in gemaBigten Breiten aufzufinden. Die magnetischen Messungen mit Raketen sollten hier im Sommer durchgefiihrt werden, wenn die taglichen Variationen am groBten sind.

c ) Mogl ichkei ten , S a t e l l i t e n z u r U n t e r s u c h u n g d e s geomagne t i schen Fe ldes zu ve rwenden

Die magnetischen Messungen mit Sat,elliten werden wahrscheinlich weniger genau sein als die mit Raketen. Die kleineren AusmaBe des Satelliten erlauben nicht, empfindliche Elemente in den Satelliten einzubauen, die das Feld in gro13er Entfernung von den magnetischenMassen und anderen StijrqueUen messen konnen. Der nichtorientierte Satellit wird auBerdem weniger stabil sein als eine Rakete. Wesentlich schwerer wird auch ein Vergleich der von einem Satelliten gemessenen Werte mit irdischen Messungen sein. Ein groBer Vorzug des Satel- liten ist aber, da13 Messungen rnit ihm wahrend langer Zeiten durchgefiihrt werden konnen. Kiinstliche Satelliten konnen daher nicht nur zur Unter- suchung der raumlichen Feldverteilung verwendet werden, sondern auch, da man mehrmals uber ein und demselben Ort messen kann, zur Bestimmung der zeitlichen Variation des Feldes.

Messungen des Magnetfeldes rnit kunstlichen Satelliten werden in [ 13, 14, 15, I S ] betrachtet. Fur diese Messungen stellte man sich folgende Aufgaben [ 1 3 ] :

a) Untersuchung der raumlichen Verteilung des konstanten Feldes um die Erde herum.

b) Abschatzung der raumlichen Verteilung und der Hohen der elektrischen Stromsysteme innerhalb und aul3erhalb der Ionosphare.

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e) Untersuchung der inhomogenen Struktur der Ionosphare. Zur Auffindung und Abschatzung der Stromsysteme konnen verschiedene Verfahren angewendet werden, je nachdem ob der Satellit, die Stromschicht durchkreuzt, iiber ihr, unter ihr oder in ihr fliegt. Da13 sich der Satellit innerhalb der Schicht bewegt, kann man feststellen, wenn die Ionisierung in ihr in horizontaler und vertikaler Richtung inhomogen ist. Beobachtungen an Winden in der Ionosphare zeigen, daB solche inhomogenen Verteilungen der Ionisation tatsachlich vbrkommen. Sind Inhomogenitaten in der Ionosphare und die damit verbundenen lokalen Verstarkungen oder Abschwachungen der Strome vorhanden, so wird das Signal des Magnetometers stark schwanken. Separiert man von diesen Schwankungen die langsameren Fluktuationen, die durch Inhomogenitaten in der Verteilung des konstanten Feldes hervorgerufen werden, so kann man auf die AusmaBe der ionosphairischen Inhomogenitaten und ihre Intensitaten schliel3en. Mit Ausnahme der Zeiten des Aufstiegs und des Fallens kommt ein langlebiger Satellit nur dann durch die Ionosphare, wenn er sich auf einer elliptischen Bahn bewegt, und auch dann nur wahrend des Perigaums.

Die durch die Ionospharenstrome hervorgerufenen magnetischen Variationen haben auf der Erde und oberhalb der Ionosphare verschiedenes Vorzeichen. Diese Tatsache kann bei der Bewegung des Satelliten auoerhalb der Ionosphare als Kriterium fur eine Ortsbestimmung der linearen Strome und der Stromschicht ausgenutzt werden. Das Feld eines Ringstromes aul3erhalb der Erde wird durch den Satelliten iiberall mit dem gleichen Vorzeichen gemessen.

Da das Feld des Stromes sich als Differenz aus gemessenen und berechneten Peldwerten ergibt, mu13 besondere Aufmerksamkeit auf die Genauigkeit in der Bestimmung der Lage des Satelliten bei der Messung gerichtet werden. Ein Fehler von 1 km in der Hohenmessung des Satelliten fiihrt zu einem Fehler von 18-20 Gamma beim Feld. Derselbe Fehler in der Breitenfestlegung des Satel- liten fiihrt zu einem Fehler von etwa 4 Gamma bei dem Feld. Exaktere Werte fur das konstante Feld in einer bestimmten Hohe kann man wahrscheinlich durch Mittelung iiber mehrmalige Messungen in dieser Hohe an magnetisch ruhigen Tagen erhalten.

Zur Untersuchung der allgemeinen Verteilung des Magnetfeldes und der polaren Stromsysteme ist eine durch die geographischen Pole der Erde gehende Satellitenbahn die geeignetste. Der Satellit weicht bei seiner Bewegung um die Erde wegen der Erddrehung nach Westen ab. Die im Satelliten montierten Gerate fiihren dabei eine magnetische Aufnahme der Erde durch. Wenn der Satellit unter einem gewissen Winkel gegen die Erdachse abgeschossen wird, so sollte dieser Winkel 10' nicht uberschreiten, damit Messungen auch nahe bei den Polen der gleichmaBigen Magnetisierung der Erde durchgefuhrt werden konnen.

Polare und ihnen nahe Bahnen erfordern jedoch eine grooere Zahl an irdischen Stationen als eine aquatoriale oder dieser benachbarte Bahn. Mit einer aqua- torialen Bahn kann wiederum nur eine geringere Zahl von Problemen gelost werden. Ihr Hauptzweck wird eine Priifung der Hypothese iiber die aquatorialen Kreisstrome aul3erhalb der Ionosphare sein.

Zur Interpretation der Ergebnisse der magnetischen Messungen mit Satel- liten und Raketen sind Angaben iiber Polarlichter und uber die Anderungen des Magnetfeldes und der Ionosphare an einer moglichst grol3en Zahl von Orten

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wichtig. Das I G J bietet dafiir die grooten Chancen. GroBen Wert konnen gleich- zeitige Messungen der ultravioletten und korpuskularen Strahlung der Sonne mit Satelliten auoerhalb der Ionosphare haben.

Die Auswertung von magnetischen Messungen mit Satelliten ist mit grol3er numerischer Rechenarbeit verbunden. Dafiir kann sie aber auch sehr wertvolle Ergebnisse geben. Die Verwendbarkeit dieser Messungen nimmt bedeutend zu, wenn es gelingt, ihre Genauigkeit zu erhohen und von der Messung des Absolutwertes der Feldstarke zur Messung der Feldkomponenten iiberzugehen. Insbesondere konnen sie dann zur Bestimmung des Normalfeldes und fur eine genauere Feststellung der Lage der Quellen der Sakularvariationen benutzt werden. Es ist nicht ausgeschlossen, da13 diese Messungen nicht nur zu einer Ver- besserung der gegenwartigen Vorstellungen fiihren, sondern auch zur Bildung neuer Ideen und Anschauungen.

Magnetometer fiir Messungen rnit Satelliten und Raketen Die wertvollsten Ergebnisse bei der Messung des magnetischen Feldes durch

Satelliten und Raketen sind mit Hilfe von Magnetometern zu erhalten, die ent- weder die Feldkomponenten messen oder den absoluten Betrag des Feldvektors und seine Richtung. Anwendungsmoglichkeiten solcher Magnetometer werden im folgenden untersucht. In nachster Zeit werden wahrscheinlich Magnetometer auf der Grundlage der Kerninduktion sowie der magnetischen Sattigung be- nutzt, die den Absolutbetrag der Gesamtfeldstarke messen.

a ) P r o t o n e n - M a g n e t o m e t e r (Auf e iner F requenzmessung d e r f r e i en P razess ion v o n P r o t o n e n

b e r u h endes Magneto me te r ) Die Kerninduktionsmethode zur Messung der Feldstarke beruht auf der

freien Prazession von Protonen im BuSeren Magnetfeld. Die Prazessionsfrequenz der Protonen, die ein magnetisches und ein mechanisches Moment besitzen, er- gibt sich bekanntlich aua der Beziehung (Lamorfrequenz) OJ = y H , wobei y das gyromagnetische Verhaltnis und H die magnetische Feldstarke sind.

Mit Hilfe dieser Beziehung kann man die Feldstarke messen, wenn man die Prazessionsfrequenz der Protonen und das gyromagnetische Verhaltnis kennt. Die Prazessionsfrequenz bestimmt man gewohnlich in Fliissigkeiten, die rnit Protonen angereichert sind. Das gyromagnetische Verhaltnis der Protonen ist genau bekannt : y p = 2,67528 & 0,00006 . 104sec-l Oerstedt-l.

1954 beschrieben PACKARD und VARIAN [17, 181 ein bequemes Verfahren zur Beobachtung der freien Prazession von Protonen in einem schwachen Ma- gnetfeld, das es zulaBt, dieses Feld mit grol3er Genauigkeit zu messen. Das Ver- fahren besteht in folgendem : Die Probe - eine Fliissigkeit mit hohem Protonen- gehalt, die sich im Feld H,, befindet - wird kurzzeitig in ein starkes Feld H (etwa I00 Oerstedt) gebracht, das dann plotzlich ausgeschaltet wird. Das Feld H wird in einer Erregerspule erzeugt, die die Probe umschlieBt und deren A c h e etwas senkrecht zum Feld H,, liegt. Unter der Einwirkung des Feldes H wird die Probe makroskopisch magnetisiert mit einer Intensitat I k = X k H , wobei x k

die Kernsuszeptibilitat ist. Das nach dem Abschalten des Feldes H in der Probe vorhandene makroskopische magnetische Moment beginnt um das Feld H , rnit

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der Frequenz u) = ypHo frei zu prazessieren. Die GroBe des makroskopischen magnetischen Momentes der Probe nimmt allmahlich ab. Die Relaxationszeit betriigt etwa 3 sec. Sie reicht aus, urn die Frequenz der Spannung zu messen, die an der Signalspule (der friiheren Erregerspule) durch das prazessierende Moment der Probe hervorgerufen wird. Die Signalspule ist dabei jetzt mit einem Ver- starker verbunden. Die in der Spule induzierte veranderliche EMK ist E = K 4 x k . ypHoH. sin2 Oe-t lT¶, wobei K eine lionstante ist, die von den Spulenparametern, dem Fiillfaktor und der Gute des Kreises abhangt. 0 ist der Winkel zwischen den Feldern H und H,, t die Zeit seit dem Ausschalten des Feldes H und T, die Relaxationszeit .

Verglichen mit anderen Verfahren hat die auf der Kerninduktion beruhende Methode zur Messung des Feldes wesentliche Vorziige. 1. Die Messung des Feldes wird auf eine Frequenzmessung zuruckgefiihrt. 2 . Die MeBgenauigkeit hangt nicht von den konstruktiven Daten des MeBorgans und der Signal-Kanale ab. 3. Das beschriebene Magnetometer miBt in absoluten Einheiten. 4. Das MeB- organ und die Signal-Kanhle sind prinzipiell frei von Nullpunktsverschiebungen. Die MeBgenauigkeit wird ausschliel3lich durch die Eichgenauigkeit bestimmt. 5. Die MeBergebnisse hangen bei unbewegtem MeSorgan nicht von seiner Orientierlmg im zu messenden Felde ab. 6. Das durch einen Niederfrequenz- verstarker verstarkte Signal des MeSorgans kann mit Hilfe eines TelemeB- systems iiber grolje Entfernnngen hinweg genau gemessen werden. (Das Signal kann direkt zur Modulation des Senders benutzt werden.) Die MeBgenauigkeit der Protonen-Magnetometer wurde in Observatorien auf 1 Gamma abgeschatzt und wird nur durch die Kenntnis des Wertes von yp beschrankt.

Verwendet man diese Methode in bewegten Objekten, so konnen einige Komplikationen auftreten, die die Messungen erschweren und die MeBfehler vergrooern : 1. Wenn auch die Prazessionsfrequenz nicht von der Orientierung der Erregerspule im zu messenden Feld abhangf, so ist doch die Signalstirke proportional sin2 0, verschwindet also fur kleine 0. 2 . Bei einer Drehung der Spule - zusammen mit dem sich bewegenden Objekt - mit einer Winkelge- schwindigkeit cp um eine senkrecht zur Spulenachse liegende Achse betragt der Fehler der Feldmessung A H = 3,7 cp gemessen, wobei H in Gamma und y in Rad/sec angegeben sind [19]. 3. Inhomogenitaten des Magnetfeldes in der Um- gebung des MeBorgans des Magnetometers, setzen die Relaxationszeit T, stark herab. Bei grol3en Feldgradienten kann man das Signal praktisch uberhaupt nicht messen.

Das Protonen-Magnetometer ist sehr zweckmaBig fiir Raketenmessungen, denn die Messungen beschranken sich auf einen verhiiltnism5iBig kleinen Vari- ationsbereich des Feldes, und die 'Ubertragung der Signale erfolgt innerhalb des direkten Sichtbarkeitsgebietes. Messungen mit einem Frotonen-Magnetometer an Bord eines Satelliten sind wesentlich komplizierter.

1. Der Verstarker dea Magnetometers sol1 im Frequenzbereich 1200-2800 Hz ein hinreichend hohes Verhaltnis Signal/Rauschen gewahrleisten.

2. Bei der beschrankten Zahl von Erdstationen wird es notwendig, einen Speicher und einen Eichmarkengenerator an Bord einzubauen, dessen Eich- marken zusammen mit den Magnetometersignalen gespeichert werden miissen.

3. Der Satellit mu13 mit drei senkrecht aufeinander stehenden Spulen und einer Kommutierungseinrichtung versehen sein, damit das Feld bei beliebiger

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Untersuchung des geomagnetischen Feldes rnit kiinstlichen Satelliten und Raketen 345

Lage und Rotation des Satelliten beziiglich des Feldes gemessen werden kann [15] .

4. In direkter Nahe der Spulen diirfen sich keine Quellen fur storende Magnet- felder mit Gradienten groBer als 5 Gamma/cm befinden.

b) S el b s t o r i e n t i e r end e s Magnet om e t e r z u r vol l s t a n d ig en Me s su ng des F e l d v e k t o r s

Die ersten Raketenmessungen des geomagnetischen Feldes [ 101 wurden mit Hilfe von dreikomponentigen Magnetometern mit magnetischen Siittigungs- Sonden ausgefiihrt. Die Sonden waren starr rnit dem Raketenrumpf verbunden und mit einer Quadriereinrichtung zur Bestimmung des Absolutwertes des Feld- vektors versehen. Diese einfache Konstruktion arbeitete deswegen so erfolg- reich, weil die Sonden in der Rakete in bestimmter Weise orientiert waren und der Variationsbereich der zu messenden GroBen verhaltnismafiig klein war.

Fur Feldmessungen mit Satelliten durfte diese Konstruktion nicht ausreichend sein. Hier mu8 man fur den Gesamtvektor eine sich selbst orientierende Appa- ratur benutzen. Die Verwendung einer solchen Apparatur ist wegen folgender Umstande zweckmaDig :

1. Wenn es gelingen sollte, ein selbstorientierendes Magnetom-eter mit magnetischen Sattigungs- Sonden geringer AusmaBe, kleinen Gewichts und niedrigen Energieverbrauchs zu konstruieren, das eine hohe Empfindlichkeit und eine groBe zeitliche Konstanz aufweist, so kann man mit diesem Magneto- meter nicht nur den Absolutwert des magnetischen Feldes, sondern auch die Orientierung des Satelliten bestimmen.

2. Magnetometer mit magnetischen Sattigungs-Sonden sind gegenuber Inhomogenitaten des Magnetfeldes weniger empfindlich. Die Feldinhomogeni- taten beeinflussen nur die Stabilitat und die Genauigkeit ihrer Funktion, be- hindern aber nicht die Erzeugung von Signalen.

3. Die Magnetometer mit magnetischen Sattigungs-Sonden bilden keine wesentlichen Hindernisse fiir den Betrieb der anderen Gerate im Satelliten, ein Umstand, der fur Protonen-Magnetometer nicht zutrifft.

Ein Magnetometer fiir den Gesamtvektor mit magnetischen Sattigungs- Sonden besteht aus drei wesentlichen Bestandteilen : dem MeBkanal, einer mechanischen Orientierungseinrichtung und zwei Orientierungskanalen. Der MeBkanal und die Orientierungskanale enthalten eine Reihe von analogen Elementen : Sonden, Selektivverstarker, phasenempfindliche Gleichrichter. Diese Elemente dienen zur Umformung des Signals des konstanten geomagneti- schen Feldes in ein elektrisches Gleichstromsignal ausreichender Leistung.

Eine magnetische Sattigungs-Sonde besteht im einfachsten Fall aus Permalloy- Platten, auf denen eine Primar- und Sekundarwicklung aufgebracht ist. Werden diese Platten durch ein Feld H = H , + H , sin cot magnetisiert, so entsteht in der Sekundarwicklung eine nicht sinusformige Spannung, die sowohl gerade als auch ungerade Harmonische enthalt. Dabei ist H , das zu messende Magnetfeld ; H , sin co t ist ein Hilfserregerfeld, das den Kern der Sonde bis zur Sattigung magnetisiert. Die geraden Harmonischen sind ungerade Funktionen des zu messenden Feldes H,, und gerade Funktionen des Hilfserregerfeldes. Die ungeraden Harmonischen hangen ungerade von der Phase des Erregerfeldes und gerade vom Vorzeichen des konstanten Feldes H , ab.

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Als empfindliche Elemente verwendet man zweckmdBig Sonden fur gerade Harmonische [20]. Die gro5te Stabilitat besitzen die Magnetometer, in denen nicht alle geraden Harmonischen verwendet werden, sondern nur die zweite. Sonden fur die zweite Harmonische bestehen aus zwei parallel angeordneten Permalloy-Platten, auf denen sich zwei Primarwicklungen befinden, die zu- sammengeschlossen und gegeneinander geschaltet sind, sowie einer gemein- sarnen Sekundarwicklung, die beide Platten umschlieDt. Mit dieser Schaltung kompensieren sich die ungeraden Harmonischen in der Sekundarspule und die geraden Harmonischen werden addiert.

Der Kern der Sonden wird aus diinnen Streifen oder Drahtchen hergestellt. Die Entmagnetisierungsfaktoren solcher Kerne sind in Querrichtung etwa tausendmal groBer als in Langsrichtung. Die Kerne werden daher praktisch clurch die Projektion des Feldes auf die Langsachse der Sonde magnetisiert. Daher ist auch die von der zweiten Harmonischen herruhrende Spannung an einer senkrecht zum Feld stehenden Sondenspule gleich Null. Bei irgendeiner Abweichung der Sonde von der Richtung senkrecht zum Feld entsteht in der Sondenspule eine zweite Harmonische entsprechender Phase und einer Ampli- tude, die in weiten Grenzen proportional dem Ablenkwinkel ist. Sonden der be- schriebenen Art haben zwei wesentliche Eigenschaften : Unmittelbare Emp- findlichkeit gegeniiber dem Vorzeichen des zu messenden konstanten Feldes und Wahlvermogen bezuglich der Peldrichtung.

In Magnetometern fur den Gesamtvektor werden drei aufeinander senkrechfe Sonden verwendet, die auf der Flache der Orientierungseinrichtung befestigt sind. Die senkrecht auf dieser Ebene stehende Sonde dient zur Messung, die beiden in der Ebene liegenden orientieren sie senkrecht zum Feldvektor. Die Speisung der Sonden wird durch einen besonderen 2000 Hz- Generator vor- genommen. Seine Spannung ist frei von geraden Harmonischen. Die Signale jeder Sonde werden durch Selektivverstarker fur 4000 Hz verstiirkt. Danach gelangen sie in einen phasenempfindlichen Gleichrichter. GroBe und Vorzeichen der gleichgerichteten Strome aus jedem der drei phasenempfindlichen Gleich- richter hangen von der GroBe und dem Vorzeichen des auf die entsprechenden Sonden wirkenden magnetischen Feldes ah.

Im weiteren Verlauf unterscheiden sich der MeBkanal und die Orientierungs- kanale wesentlich. Die von den phasenempfindlichen Gleichrichtern gelieferten Signale werden bei den Orientierungskanalen an den Eingang der magnetischen Verstarker des Servo-Systems der Orientierungskande gelegt. In den Servo- Systemen werden die Signale in 400 Hz-Signale umgeformt und leistungs- miiBig verstarkt. Die Ausgangsklemmen der Servo-Systeme der Orientierungs- kanale sind mit den Steuerwicklungen von phasenempfindlichen Motoren ge- ringer Tragheit verbunden, die die mechanische Orientierung besorgen. Diese Motoren werden von einem besonderen 400 Hz- Generator gespeist, der auch die Spannung zur Erregung der magnetischen Verstarker liefert.

Die Kanale, die das Signal des magnetischen Feldes in ein elektrisches Signal transformieren und das Servo-System arbeiten also mit verschiedenen Fre- quenzen. Das erhoht die Stabilitat der Schaltung gegen Storungen. Das Servo- System enthiilt keine selektiven Elemente, und seine Arbeitsweise hangt in weiten Grenzen nicht von Spannungsdnderungen der Stromversorgung ab. Die Motoren des Servo-Systems drehen die Ebene mit den darauf befestigten

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Sonden durch ein mechanisches Getriebe solange, bis die Spannung an den Steuerwicklungen gleich Null ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Sonde des MeBkanals in Richtung des Gesamtvektors steht.

Wenn die Normale dieser Ebene vom Gesamtvektor urn einen Winkel a ab- weicht, so entsteht in den Orientierungssonden ein Koordinierungssignal, das proportional sin a ist. Der damit verbundene Fehler der MeBsonde ist propor- tional sin2 4 2 . Weicht die Lage der Ebene um 1' ab, so ist der Fehler der Me& sonde nicht grol3er als 4 Gamma. Die Orientierungseinrichtung des Magneto- meters im Satelliten mu13 eine beliebige Umdrehungszahl um beide Achsen zulassen. Daher miissen an ihr Schleifer mit zuverlassigen Kontakten ange- bracht sein.

Auf den Achsen, iiber die die Motoren die Ebene der Orientierungseinrichtung steuern, konnen die beweglichen Kontakte von zwei Potentiometern befestigt werden, deren Lage durch die Orientierung des Satellitenkorpers im geomagneti- schen Feld gegeben wird. Die Lage der beweglichen Kontakte kann durch zwei Kaniile des TelemeBsystems iibertragen werden.

Im MeBkanal des Magnetometers wird eine Kompensationsmethode zur Messung verwendet. Das Feld kann innerhalb f 2500 y durch Einfiihrung einer starken negativen Ruckkopplung automatisch kompensiert werden. Anderungen innerhalb dieser Grenzen konnen rnit zwei Kanalen des TelemeBsystems uber- tragen werden. Ein dariiber hinausgehender Feldanteil kann in einer Kompen- sationsspule durch den Strom einer stabilisierten Stromquelle kompensiert werden. Der Kompensationsstrom andert sich, wenn das Feld mehr als & 2500 y von einem vorgegebenem Wert abweicht, automatisch. Die Stellung des Bereichumschalters mu13 durch einen fiinften Kana1 des TelemeBsystems uber- mittelt werden.

Wenn alle elektronischen Teile dieses sehr komplizierten Systems aus Halb- leiterelementen hergestellt werden, so wird das Gewicht des Magnetometers zusammen mit der Orientierungseinrichtung nicht hoher als 12-13 kg. Die benotigte Magnetometerleistung betragt etwa 20 Watt. Offensichtlich ist eine solche Apparatur nur dann moglich, wenn die Temperatur innerhalb des Satel- liten die Verwendung von Halbleiterbauelementen zulaBt. Zu erwarten ist, daB die Temperatur im Satelliten bei schwachen inneren Energiequellen zwischen 0 und 10' C schwankt.

Jedoch auch in diesem Falle taucht die Frage nach der Stabilitat des Null- punkts des Magnetometers auf. Eine Untersuchung der verschiedenen Schalt- elemente und eine experimentelle Priifung der zeitlichen Stabilitat des Null- punkts ahnlicher Magnetometer, die mit Hilfe von Germaniumtrioden, Dioden und magnetischen Verstarkern hergestellt wurden, zeigen, daB die Nullpunkts- wanderungen der Magnetometer bei Zimmertemperatur unterhalb 60 Gamma taglich bleibt. Im Temperaturbereich 0-20" ist der Temperaturkoeffizient solcher Magnetometer etwa 10 Gamma/Grad. Das ist vie1 mehr als der Tem- peraturkoeffizient gewohnlicher Magnetometer. Die Temperaturen im Satel- liten konnen jedoch gemessen und durch das TelemeBsystem ubermittelt werden. Bei der Auswertung kann man dann Temperaturkorrekturen an- bringen.

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