Untersuchungen iiber die Beeinflussung der Avitaminosen durch ultraviolette Strahlen.

I . M i t t e i l u n g :

Versuche bei Taubenberiberi.

(Aus dem M~hrisehen zooteehnisehen Landes-Forschungsinstitut in Briinn [C. S. R.] Sektion ffir Ztiehtungsbiologie. Publ. Nr. 27.)

Von

Jaroslav K}i~eneck~.

(Eingegangen am 28. April 1924.)

D u t c h zah l re i che V e r s u c h e w u r d e in der l e t z t e n Ze i t i m a l l g e m e i n e n

i i b e r e i n s t i m m e n d geze ig t , dab der M a n g e l a m A - F a k t o r , wo dieser

r a c h i t i s e r r e g e n d wi rk t , d u t c h das na t / i r l i che S o n n e n l i c h t sowie auch

d u t c h das k f in s t l i che u l t r a v i o l e t t e L i c h t de r Q u a r z l a m p e gewisser-

mal3en e r se t z t w e r d e n k a n n .

In erster Reihe sind bier die klinisehen Erfahrungen yon R. Huldschinsl~y 1) zu erw~hnen, welchem es gelang Rachitis bei Kindern dutch Bestrahlung mit der Quarzlampe zu heilen. Systematisehe Untersuchungen ~iihrte A. F. Hess mit seinen Mitarbeitern L. J. Unger and A. M. Pappenheimer an l~atten aus. Zuerst wurde die sehtitzende Wirkung des Sonnenlichtes iestgestellt2), danach dieselbe Wirkung aueh bei den Quarzlaml0en- und Bogenlampenstrahlena). Weitere im grol3e~ angelegte Versuche ftihrten an denselben Versuchstieren G. F. Powers, E. A. Parle und N. Simmondsa) aus und konnten gleieh feststellen, dab das Aui- treten yon Rachitis infolge yon A-Vitamin-freier Nahrung dutch Quarzlampcn bestrahlung bedeutend gchemmt wird; naeh Sonnenlichtbestrahlung blieb dann die t~aehitis vollkommen aus. Zu demselben Resul ta t kamen auch O. Sheets und C. FunlcS). EbenfMls hat aueh Ishido 6) gefunden, dag bei bestrahlten Rat ten die

1) tL Huldschinsky, Zeitschr. f. orthop~d. Chirurg. 39. 1920. 2) A. F. Hess, L. J. Unger und A. W. Pappenheimer, 1)roe. of the soe. f. exp.

biol. a. reed. 19. 1921 und Journ. of biol. chem. 50, 1. 1922. a) A. F. Hess, L. J. Unger and A. W. Pappenheimer, Proc. od the soc. f. exp.

biol. a. reed. 19, Nr. 5. 1922 und A. F. Hess, Journ. of biol. chem. 50, Nr. 2:1922. Eine iibersiehtliche Darstellung aller Versuche dieser tPorscher finder man in A. .F. Hess, Lancet 203. 1922 und in A. t'. Hess, L. J. Unger and A. J1I. Pappen- heimer, Journ. of exp. med. 36. '1922.

4) G. F. Powers, E. A. Parle and N. Simmonds, Proc. of the soc. f. exp. biol. a. reed. 20. 1922 und Journ. of biol. chem. 55. 1923.

5) O. Sheets and C. Funk, Proe. of the soe. f. exp. biol. a. reed. 20. 1922. 6) Ishido, Biochem. Zeitschr. 137. 1923.

~68 J. K~.i~eaeck2: Untersuchungen ~lber die Beeinflussung der Avitaminosen

Veranderungen an den Knochen im Verhgltnis zu den mlbestrahlten Tieren viel kleiner waren und sich mehr dem normalen Zustande ngherten. Auch H. Goldblatt und K. M. Soamesl), welehe neuerdings die ErsatzmSgliehkeit des A-Vitamins dureh ultraviolette Strahlen quantitativ zu 16sen versuchten, stellten lest, dab die U- S~rahlen den iKangel am antirachitischen Faktor in der Kos~ weitgehend ausgleichen, wenn aueh nicht vol]kommen ersetzen kSnnen.

Parallel dazu stellte W. Kneschke ~) lest, dad der bei Raehitis verminderte Biutkalk unter Bestrahlung bei Kindern zunimmt. Dasselbe stellte auch P. Woringer 3) fes~, der eine vollkommene Regeneration des Blutkalkes aueh bei Fallen schwerster Form unter Quarzliehtbestrahlung gefunden hat.

Ira Gegenteil treten die KnoehenstSrungen under Ca-l~angel bei Liehtabsehlu/~ frtiher auf, wie ~u Paton and A. Watson ~) an ~iindchen gefunden haben.

Auch f/it andere, der Rachitis parallel gehende Symptome, welche ebenfalls yore l~angel am A-Faktor abgeleitet werden, wirk~ die Quarzliehtbestrahlung giinstig. E. Wollman und M. Vagliano ~) haben gefunden, dab Ratten, welehe an ein synthebisehes IqahrungsgemisQh unter ungeniigender Butterzugabe (1%) gesetzt, dabei aber bestrahlt warden, besser wuchsen als in gleicher Weise ge- fiitterte aber unbestrahl~e Tiere, trotzdem, dab diese eine grSl~ere Butterzugabe (5%) erhiel~en. Ebenfalls stellten auch H. Steenboek und E. M. Nelson s) lest, dal] die Wachs~umshemmung infolge Mangel am A-Faktor durch Bestrahlung aufgehoben werden kann.

Zum Unterschied yon der Waehstnmshemmung wirkt die Bestrahlung mit~ der Quarzlampe auf die Xerophthalmie nicht, wie dies iibereins~immend Powers mit Park and Simmonds (1. c.), welter Wollmau mit Fagliani (1. c.), H. Steenbock mit E. M. Nelson (1. c.) und Sheet mit Funk (1. c.) festgestell~ haben; auf dem nat/lr- lichen Sonnenlichte wird aber auch die Xerophthalmie nach Versuchen yon Powers mit Park und Simmonds (l. c.) gehemmt oder auch geheilt resp. verhiitet.

Diese Er fah rungen veranlaBten uns, die W i r k u n g des u l t r a v i o l e t t e n Lich tes auch bez/iglich der / ibr igen Vi tamine zu pr/ifen. I ch bin mi r wohl gu t bewul]t , da~ es n ich t mOglich ist, die Rach t i t i s e igent l ich als eine sog. eohte Av i t aminose aufzufassen, sondern da/] an ihrer ~ t i o - logie neben M a n g e / a m A - V i t a m i n auch noch andere Momente be te i l ig t sind, welche sie evt l . auch un te r normale r Zufuhr yon A - V i t a m i n hervor- rufen kOnnen, und dab sich also. aus der W i r k u n g der u l t r av io l e t t en S t rah len bei Rach i t i s - - wenn auch diese durch A - V i t a m i n m a n g e l hervorgerufen wurde - - eine d i rek te Para l l e l i t~ t der W i r k u n g dieser S t rah len bei anderen Av i t aminosen n ich t supponie ren l~Bt. Doch mu$ m a n auf der anderen Seite wieder in Erw~tgung ziehen, dab auch b ei den anderen Av i t aminosen der Mechanismus des Vi taminmange l s n ich t als eine , ,d i rek te" W i r k u n g fes tges te l l t wurde. ) E s is t auch hier m i t einer viel le icht ziemlich langen K e t t e yon Zwischenwirkungen zu rech-

1) H. Goldblatt and K. M. Soames, Bioehem. Journ. 17. 1923. 2) W. Kneschke, Klin. Wochenschr. 2. 1923. 3) p. Woringer, CpV. rend. d. s~anees de la soc. de biol. 88. 1923. 4) 2~. Paton and A. Watson, Brit. journ, f. exp. pathol. 4. 1923. 5) E. Wollmann et M. Vagliano, Cp$. rend. hebdom, des s6ances de l'acad.

des sciences 17G. 1923. 6) H. Steenbock and E. M. Nelson, Journ. of biol. chem. 56. 1923.

dutch ultraviolette Strahlen. I. 469

nen. Diese Ket te l~l~t nun immer die MSglichkeit fiir das Eingreifen in irgendwelches Glied aueh fiir die ultravioletten Strahlen often1).

Selbstverst~ndlieh kann dabei weder an eine ,,ersetzende" Wirkung (wie bei Rachitis) noch an eine ffir die betreffende Avitaminose stimu- ]ante Wirkung im vorhinein geschlossen werden.

Mit diesen Uberlegungen unternahm ieh Versuche, welche sich zun~chst auf den B-Vitamin bzw. auf die Taubenberiberi bezogen.

Es wurden die his daher normal gefiitterten Tauben auf die gel~ufige Reisdi~t gesetzt und dabei entweder vom Anfang an oder ab eines gewissen Stadiums der sieh entwickelnden Krankhei t mi t der Bachschen HShensonne beledehtet. Die Beleuehtung geschah t~glich und wurde bei st~ndig gleiehbleibender Entfernung vom Brenner (120 em) in ver- sehiedener Dauer dosiert.

])as Resultat dieser Versuche war, dab keine Beein]lussung des typischen Bildes der Taubenavitaminose ]estgestellt werden ~onnte.

I m ganzen wurden Versuehe an 15 Tauben von einem Anfangs- gewichte yon 300--450 g ausgefiihrt. Jede der Tauben wurde immer etwa 1 Woehe vor Anfang des Versuches im Versuchsk~fig aber unter normaler gemischter Iqahrung gehalten. Bei allen Tieren zeigte sieh gleich nach Einsetzen der Reisdi~t der typisehe Gewichtsabfall (a l l ment~re Dystrophic), weleher wohl bei einem Tiere ein mehr, beim anderen ein weniger schneller war, aber immer ein fortdauernder bis zum Tode bzw. bis zum Abschlul~ des Versuches blieb. Auch in F~llen, wo mit der Bestrahlung sp~ter angefangen wurde, blieb der Gewichts- abfall dadurch unbeeinfluBt.

Bei 7 yon den Versuehstauben erschienen nach einer gewissen Zeit (17--61 Tagen) die typisehen spastischen resp. paralytisehen b z w . kombinierten Kr~mpfe, in denen die Tiere dann in wenigen Stunden zugrunde gingen. Bei 4 Tauben t ra t der Tod ohne Erscheinen der Krampfe auf und in 10--42 Tagen der Versuchsfiihrung (atrophisehe Form). Die fibrigen 4 Tauben wurden je 42 Tage gehalten, wonaeh aber der Versuch aus ~ul~eren Grfinden unterbrochen werden mu~te. ' Die fortsehreitende Gewichtsabnahme (aliment~re Dystrophic) zeugte aber davon, da~ auch hier die Entwieklung des avitaminSsen Zustandes typisch und ungestSrt vor sich gegangen ist.

Ohne - - zweeks Platzersparnis - - auf eine genauere Schilderung jedes einzelnen Falles einzugehen (aueh eine Wiedergabe der Gewichts- kurven halte ich nicht ffir nStig), stelle ich im weiteren eine tabellarische ]~bersicht der Versuehe zusammen:

1) Dabei isis' zu beriicksichtigen, da{3 auch die Wirkung der ul~ravioletten Strahlen keine ein~ache sein wird. Ich weise auf die Versuche yon E. M. Hume und H. H. Schmith (Biochem. Journ. 17. 1923), welche festgestellt haben, da~ die giinstige Wirkung der Bestrahlung nicht durch direkten Einflul~ der Strahlen selbst, sondern dutch die Ionisierung der Luft hervorgerufen wird.

Pflfigers Arctfiv f. d. ges. Physiol. Bd. 204. 31

470 J. K~/~eneck3~ : Untersuchungen iiber d. Beeinflussung der Avitaminosen usw. I.

(Enffernung des Tieres '~ .~ 0 ~ ~ vomBrenner immer I ~ ~ : ~o ~ ~ I '~ ~

= ~ ~ 120 cm) I. S ~ ~ ~ ,~ ~ , ~ ~

54

55 58

59

61

63 64

52

62

65

67

5t

53 56 57

vom 3. Versuchs- )I tage an titglich ~1

20 Minuten )t ~(~ dass. ]

dass. yore 45.Versuchs-

Q ~ rage an taglich !( 20 Minuten

yore Anfang des Versuches an

tag1. 20 Minuten dass. dass. ]

yore 3. Versuchs- ~1 rage an taglich [[

20 Minuten )1 yore Anfang des ~1

Versuches an ~[ ti~gl. 20 Minuten )1 vom Anfang des

Versuches an t~tgl. 30 Minuten

yore 3. Versuehs- Q rage an ti~glich

20 Minuten dass. dass. d~ss.

23

27 34

W~hrend tier

= ~ nahmen o die Tlere ab

g g

- - 370 245

-- 370 235 - - 440 380

61

38

17 21

42

30

10

10

42

42 42 42

350 255

310 210

325 240 365 305

355 170

350 205

385 270

300 200

385 i10

450 300 400 225 365 240

-- 33,78

- - 36,48 - - 36,36

-- 27,14

-- 32,25

-- 26,15 -- 16~43

- - 52,11

-- 41,42

-- 29,87

- - 33,33

- - 45,45

- - 33,33 -- 43,75 -- 34,24

I c h g l a u b e aus den R e s u l t a t e n d ieser Ve r suche den SchluB z i e h e n

.zu kSnnen , dug au/ die Entstehung der Taubenavitaminose (Beri-beri) die ultravioletten Strahlen zum Untemchiede yon der Rachitis (bzw. a u c h de r

W a o h s t u m s h e m m u n g ) ohne Wirkung 8ind, u n d z w a r wie au/ die all- mentdire Dystrophie so a u c h au] die neuritischen Symptome.

In bezug au] das ~-Vitamin kommt also den uItravioletten Strahlen keine ,,ersetzende Wirkung" zu.