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Untersuchungen uber Phosphorverbindungen, VIIIl) Das RAMAN-Spektrum des Diphosphins? T7on M. BAUDLER und L. SCHMIDT3) Mit 4 Abbildungen Inhaltsiibersicht Trotz der Lichtempfindlichkeit des Diphosphins, die schon im diffusen Tageslicht nach kurzer Zeit zu einem betrachtlichen Zerfall in PH, und feste, gelbe Produkte mit niedrigerem Wasserstoffgehalt fiihrt, konnten kraftig belichtete und untergrundfreie RAMAN-Spektren aufgenommen werden. Es wurden folgende Frequenzen beobachtet: 161(3), 412(4), 437(10), 456(3), 653(2), S56(0), 1070(2), ZZSS(6) crn-l. Die Zuordnung der beobachteten Linien zu den verschiedenen Molekelschwingungen wird im einzelnen diskutiert. Als bevorzugte raumliche Konfiguration des P,H, ist eine Anordnung, bei der die beiden PH,-Gruppen urn einen Winkel von 90-100" gegenein- ander verdreht sind (Symmetrie Cz), am wahrscheinlichsten. Die Federkonstante der P-P,.Bindung und der Atornabstand ergeben sich zu 1,85. lo5 Dyn/crn bzw. 2,11 A. Es wird eine apparative Anordnung zur Darstellung von groReren Mengen sehr reinen Diphosphins aus Calciumphosphid beschrieben. Im Zusanimenhang init unseren llntersuchungen uber die Unter- pho~phorsaure~) und die Diphosphorige Saure von BLASER~), die nach Aussage des RAwAN-Spektrums beide eine direkte Phosphor-Phosphor- Bindung enthalten, haben wir uns etwas naher mit dem Diphosphin, der Stammsubstanz derartiger Verbindungen, beschaftigt. Das Diphosphin ist bisher verhaltnismafiig wenig bearbeitet worden, vermutlich wegen seiner Selbstentzundlichkeit und leichten Zersetz- lichkeit, die eine praparative Handhabung erschweren. I) VII. Mittlg.: M. BAUDLER, Z. anorg. allg. Chem. 288, 171 (1956). 2) Vorgetragen auf dern Chemikertreffen Salzburg 1956, vgl. Angew. Chem. 68, 3, L. SCHMIDT, Diplomarbeit Koln 1956. *) M. BAUDLER, Z. anorg. allg. Chem. 279, 115 (1955); Z. Naturforschg. 8b, 326 (1953); 2. anorg. allg. Chem. 288, 171 (1956). 5) B. BLASER, Chem. Ber. 86, 563 (1953). 378 (1956).

Untersuchungen über Phosphorverbindungen. VIII. Das RAMAN-Spektrum des Diphosphins

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Untersuchungen uber Phosphorverbindungen, VIII l )

Das RAMAN-Spektrum des Diphosphins?

T7on M. BAUDLER und L. SCHMIDT3)

Mit 4 Abbildungen

Inhaltsiibersicht Trotz der Lichtempfindlichkeit des Diphosphins, die schon im diffusen Tageslicht

nach kurzer Zeit zu einem betrachtlichen Zerfall in PH, und feste, gelbe Produkte mit niedrigerem Wasserstoffgehalt fiihrt, konnten kraftig belichtete und untergrundfreie RAMAN-Spektren aufgenommen werden. Es wurden folgende Frequenzen beobachtet: 161(3), 412(4), 437(10), 456(3), 653(2), S56(0), 1070(2), ZZSS(6) crn-l.

Die Zuordnung der beobachteten Linien zu den verschiedenen Molekelschwingungen wird im einzelnen diskutiert. Als bevorzugte raumliche Konfiguration des P,H, ist eine Anordnung, bei der die beiden PH,-Gruppen urn einen Winkel von 90-100" gegenein- ander verdreht sind (Symmetrie Cz), am wahrscheinlichsten. Die Federkonstante der P-P,.Bindung und der Atornabstand ergeben sich zu 1,85. lo5 Dyn/crn bzw. 2,11 A.

Es wird eine apparative Anordnung zur Darstellung von groReren Mengen sehr reinen Diphosphins aus Calciumphosphid beschrieben.

Im Zusanimenhang init unseren llntersuchungen uber die Unter- pho~phorsaure~) und die Diphosphorige Saure von BLASER~), die nach Aussage des RAwAN-Spektrums beide eine direkte Phosphor-Phosphor- Bindung enthalten, haben wir uns etwas naher mit dem Diphosphin, der Stammsubstanz derartiger Verbindungen, beschaftigt.

Das Diphosphin ist bisher verhaltnismafiig wenig bearbeitet worden, vermutlich wegen seiner Selbstentzundlichkeit und leichten Zersetz- lichkeit, die eine praparative Handhabung erschweren.

I) VII. Mittlg.: M. BAUDLER, Z. anorg. allg. Chem. 288, 171 (1956). 2) Vorgetragen auf dern Chemikertreffen Salzburg 1956, vgl. Angew. Chem. 68,

3, L. SCHMIDT, Diplomarbeit Koln 1956. *) M. BAUDLER, Z. anorg. allg. Chem. 279, 115 (1955); Z. Naturforschg. 8b, 326

(1953); 2. anorg. allg. Chem. 288, 171 (1956). 5) B. BLASER, Chem. Ber. 86, 563 (1953).

378 (1956).

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220 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 289. 1957

Die ersten Untersuchungen von THE NARD^) sowie GATTERMANN und HAUSSPNECHT') beschrankten sich im wesentlichen auf die Darstellung der Verbindung und die Fest- legung der wichtigsten Eigenschaften, vor allem der analytischen Zusammensetzung und der Molekularformel. In neuerer Zeit habeu ROYEN und HILL*) im Rahmen einer Arbeit uber den sogenannten festen Phosphorwasserstoff die frdheren Kenntuisse iiber die Eigenschaften des P,H, bestatigen und wesentlich erweitern konnen. Durch Messung der Dampfdruckkurve wurde der Siedepunkt zu 51,7" C extrapoliert; der Schmelzpunkt ergab sich nach der SToCKschen Methode zu -99" C. AuBerdem wurde das chemische Verhalten gegenuber Chlorwasserstoff untersucht und die schon friiher beobachtete Disproportionierung in PH, und feste, phosphorreichere Produkte unter verschiedenen Bedingungen verfolgt.

Trotzdem fehlten bisher alle Untersuchungen, die irgendeinen naheren Einblick in den raumlichen Bau der P,TI,-Molekel und die Bindefestigkeit einzelner Atome gestatten kiinnten. Ebenso waren die chemischen Eigenschaften der Verbindung nur sehr mangelhaft bekannt. Als erster Beitrag wird deshalb in der voriiegeriden Arbeit uber das RA$IAN-Spektrum des Diphosphins berichtet. Weitere Versuche uber das chemische Verhalten der Substanz gegeniiber verschiedenen Reak- tionspartnern sind zur Zeit im Gange.

Zur Darstellung des Iliphosphins Voraussetzung fur unsere Arbeiten war die Darstellung des Di-

phosphins in groBeren Mengen bei gleichzeitig moglichst hohem Rein- heitsgrad. Die, Hauptschwierigkeit, dabei liegt weniger in der Selbst- entziindlichkeit der Verbindung als in der schon erwahnten leicht ein- tretenden Zersetzung in PH, und feste, gelbe Produkte mit niedrigerem Wassers toffgehalt .

Diese Disproportionierung erfolgt bei Zimmertemperatur schon allein durch etwa halbstundige Einwirkung von diffusem Tageslicht in erheblichem AusmaB. Der Zerfall verlauft weiterhin spontan bei Beriihrung mit rauhen Oberflachen und in Gegenwart von kleiusten Mengen Saure, wie sie bereits bei Zutritt geringer Sauerstoff-Spuren entstehen. Die Operationen zur Darstellung und Handhabung der Verbindung miissen deshalb unter moglichst weitgehendem AusschluB von Tageslicht durchgefiihrt werden. AuBerdem sind alle Glasgerate nach der ublichen Reinigung durch mehrmaliges Spiilen mit halb- konzentriertern reinem Ammoniak und dest. Wasser entsprechend vorzubehandelu.

Vorversuche zeigten, daB zur Gewinnung von griifieren Mengen Diphosphin die klassische Darstellungsmethode6) der Zersetzung von Calciumphosphid mit Wasser gunstiger ist als die relativ langsam ver- laufende Disproportionierung von farblosem Phosphor mit Kalilauge.

6 , P, THENARD, Ann. Chim. Physique [3] 14, 5 (1845); Liebigs Ann. Chem. 65,

') L. GATTERMANN u. W. HAUSSKNECHT, Ber. dtsch. chem. Ges. 23, 1174 (1890). *) P. ROYEN u. K. HILL, Z. anorg. allg. Chem. 229, 97 (1936).

27 (1845).

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Die bei 60" C pro Zeiteinheit entwickelte Gasmenge (hauptsachlich PH,, daneben P2H4, etwas H,, eventuell.noch ASH,, SiH,) ist groBer, so daQ das Diphosphin auch ohne Anwendung eines Tragergases rasch genug aus dem Reaktionskolben in kaltere Teile der Apparatur gebracht wird. Dies ist bei Iangerer Versuchsdauer von Vorteil, da selbst durch sorg- faltig vorgereinigte Gase im Laufe der Zeit genugend Sauerstoff einge- schleppt werden kann, um eine Zersetzung des Produktes durch die gebildeten Saure-Spuren einzuleiten. Ferner haben wir in Uberein- stimmung mit THENARD sowie GATTERMANN und HAUSSKNECHT fest- gestellt, dalj die nach dieser Methode erhaltenen Reaktionsprodukte einen hoheren Gehalt an P2H, aufweisen, sofern das verwendete Calcium phosphid geeignete Qualitat besitzt (siehe weiter unten). Eventueli mitkondensierte geringe Verunreinigungen werden ohne Schwierigkeiten bei der nachfolgenden Fraktionierung entfernt.

Abb. 1 zeigt die verwendete Apparatur, mit der pro Umsatz 7--8g reinstes P2H, gewonnen werden konnen. Zur Darstellung von groljeren Mengen der Substanz werden mehrere Ansatze Phosphid unmittelbar hintereinander zersetzt und dana die vereinigten Rohkondensate ge- meinsam destilliert.

Abb. 1. Apparatur zur Darstellung von Diphosphin aus Calciumphosphid

Die A p p a r a t u r enthalt in der rechten Halfte bis Hahn 4 die eigentliche Entwick- lungs- und Kondensationsanlage fur das Diphosphin. Der vordere Teil I1 ist bei Schliff S mit der nach hinten fuhrenden Abzweigung oberhalb von Falle A fest verbunden. Die linke Halfte dient der destillativen Reinigung und der Abfullung in die Untersuchungs- gefal3e. Diese sind am Schliff R entweder direkt oder uber eine Verteiler-Spinne ange-

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222 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 289. 1957

schlossen. Sie besitzen in jedem Fall gleichzeitig eine Abschmelzstelle und ein Queck- silber -Uberdruckventil, das durch einen Hahn abgeschlossen werden kann, damit wahrend der Hochvakuum-Destillation kein Quecksilber in das GefaB hineindestilliert. Der mit 111 bezeichnete Teil ist eine Sicherheits-Vorrichtung zur Vernichtung der Reaktions-Abgase. Sie besteht aus einer Glasglocke, die mit einem Bunsenbrenner verbunden ist nnd in ein GefaB mit Wasser eintaucht. Die Gase, die an verschiedenen Stellen der Apparatur aus- treten, werden in getrennten Leitungen unter die Glocke gefuhrt, hier mit einem in gleicher Weise zugefiihrten Leuchtgasstrom vermischt und anschlieIjend verbrannt.

Das Calc iumphosphid ist von wesentlicher Bedeutung fur die P,H,-Ausbeute. Das kaufliche Produkt (Firma Riedel de Haen, moglichst ,,fabrikfrisch") wird durch Aus- sieben von pulverformigen Anteilen befreit und durch Zerkleinerung auf nahezu einheit- liche KorngroBe (Erbsen- bis Bohnen-GroBe) gebracht. Staubformig zerfallene Produkte sind weitgehend unbrauchbar.

Die D a r s te l lung des Diphosphins wird im einzelnen folgendermaaen durchgefuhrt: Nachdem die Einwurfbirne M (300-ml-Kolben) rnit 375 g Phosphid beschickt ist, wird die Apparatur in allen Teilen durch mehrmaliges Evakuieren und Fiillen mit reinstem Stick- stoff sorgfaltig von Sauerstoff befreit. Bei geschlossenem Hahn 2 1aBt man dann aus dem Trichter T etwa 500 ml sauerstofffreies Wasser in den Reaktionskolben U (1 L) einflieaen. Bei einer Badtemperatur von 60-65°C wird das Phosphid durch Drehen von M all- mahlich in kleinen Portionen innerhalb von 3 Stunden eingetragen. Um ein Hochdestil- lieren von Wasserdampf in das EinwurfgefaB zu verhindern, wird der Kolbenschliff L durch Anblasen mit PreIjluft gekiihlt. Die ersten Anteile an gasformigen Reaktions- produkten leitet man iiber Hahn 1 bei a unmittelbar unter die Sicherheitsglocke zur Ver- brennung in der Flamme. Nachdem die Hahne 4 und 8 geschlossen sind, wird Hahn 2 geoffnet. Das Gasgemisch passiert dann den RuckfluBkiihler und ein mit hitzkali gefiilltes Trockenrohr Tr,, wodurch es vom Hauptteil des mitgerissenen Wasserdampfes befreit wird. In der anschlieRenden Falle A, die auf -78" C gekiihlt ist, kondensiert sich das Diphosphin zusammen mit restlichem Wasser. Die iibriggebliebenen Gase entweichen uber die Sicherheitsfalle A, entweder bei Hahn 10 aus der Apparatur, oder sie werden noch durch die mit fliissigem Stickstoff gekiihlte Falle G geleitet, falls gleichzeitig Phosphin gewonnen werden soll. Bei zu langsamem Eintragen des Calciumphosphids wird das Diphosphin nicht schnell genug aus dem warmen Reaktionskolben entfernt : bei zu rascher Entwicklungsgeschwindigkeit der Gase treten St,orungen durch einen zu hohen Wasser- gehalt auf. Sobald das Eintragen beendet ist und die Umsetzung nachgelassen hat, wird Hahn 2 geschlossen und der Gasrest wieder durch Hahn 1 iiber a direkt abgeleitet.

Sol1 mehr als 7-8 g reinstes PzHa gewonnen werden, so wird der Entwicklungskolben mit dem EinwurfgefiiB unter kraftigem Spiilen mit Stickstoff von a und b aua abge- nommen und durch ein entsprechendes zweites Aggregat, das schon fertig beschickt und von Sauerstoff hefreit ist, ersetzt. Durcli verhaltnismaBig einfache Operationen ist es aber auch moglich, den bereits verwendeten Kolben U rasch zu reinigen und die Birne Ril unter Sauerstoff-AusschluR mit vorentgastem Phosphid neu zu fiillen.

Wenn in A eine genugende Menge von rohem Diphosphin kondensiert ist, werden die noch vorhandenen gasformigen Reaktionsprodnkte mit Stickstoff vollstandig aus der Apparatur in die Verbrennungsanlage gespiilt. Dann schlieBt man die Hahne 3 und 9 und verbindet die Fallen A, und G niit ihren Uberdruckventilen. Znr anschlieoenden Reinigung des Rohproduktes wird die Kondensationsfalle zunachst uber d mit der Wasser- strahlpumpe evakuiert, um gelostes PH, abzuziehen. Dann wird durch Offnen von Hahn 4 die Verbindung zum Hochvakuum-Teil hergestellt und bei 5 Torr ein geringer ,,Vorlauf" in die mit fliissigem Stickstoff gekuhlte Falle E abgesaugt. Bei dem gleichen Druck de-

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stilliert man den Hauptteil der Substanz von A (-35' C) durch das Atzkali-Trockenrohr Tr, sehr langsam nach B (-196' C). Diese Operation hat sich als zweckmaBig erwiesen, um letzte, hartnackig festgehaltene Feuchtigkeits-Spuren moglichst weitgehend zu ent- fernen; sie dauert bei einem einfachen Ansatz 2-3 Stunden. Nach SchlieBen von Hahn 4 wird das Diphosphin bei Torr von B ( - S O O C ) nach C (-196OC) und schlieBlich unter den gleichen Bedingungen nochmals nach D destilliert, wobei man jedesmal eine geeignete Mittelfraktion herausnimmt. Die Reinsubstanz wird durch die Heber-Vor- richtung bei geschlossenem Hahn 5 von f aus mit Stickstoff rasch in die bei R angeschlosse- nen UntersuchungsgefaBe (-78" C ) hiniibergedriickt. Zum SchluB wird nochmals auf 2-5 Torr - bei anfanglich geschlossenem Hahn 5 - evakuiert, damit der Heber entleert wird und P,H,-Reste aus den warmeren Teilen der GefaBe herausdestillieren konnen, die sich sonst innerhalb kurzer Zeit zersetzen wiirden. Nachdem man erneut Stickstoff bis auf einen Unterdruck von wenigen Torr eingelassen hat, werden die GefaBe mit der Sub- stanz abgeschmolzen und bei -78" C aufbewahrt.

Sehr reines Diphosphin, wie es nach dem angegebenen Verfahren bei sorgfaltiger Ausschaltung aller die Zersetzung fordernden Einfliisseg) erhalten wird, ist nach unseren Beobachtungen bei -78" C unter Licht- AbschluB monatelang unverandert haltbar.

Zur Aufnahme des RAMAN-Spektrums Bei der groBen Lichtempfindlichkeit des Diphosphins bereitete

die Aufnahme von gut durchbelichteten, untergrundfreien RAMAN- Spektren erwartungsgemafl betrachtliche Schwierigkeiten. Eine Re- lichtung mit der blauen Hg-Linie 4358 d verursachte eine spontane Zersetzung der Substanz unter heftiger PH,-Entwicklung und Ab- scheidung des bekannten, gelben Produkts. Man kann zwar die einmal eingeleitete Zerfallsreaktion durch Abkuhlen in flussigem Stickstoff weitgehend zum Stillstand bringen; sie setzt dann aber beim Erwarmen schon kurz oberhalb des Schmelzpunktes von -99" C wieder lebhaft ein und fuhrt in kurzester Zeit 'zur vollstandigen Umwandlung des Diphosphins. Zur Anregung wurde deshalb der blaue Teil des Queck- silberspektrums mit einer salzsauren %en( 111)-chlorid-losung geeig- neter Konzentration vollstandig ausgefiltert und die grune Hg-Linie 5461 d verwendet lo). Allerdings ist das Diphosphin auch gegenuber grunem Licht noch so empfindlich, daIj die Belichtung von insgesamt 3-15 Minuten nur in kleinen Anteilen von jeweils 20-30 Sekunden bei einer Kuvetten-Temperatur von etwa 0 " C vorgenommen werden konnte. Da sich auch unter diesen Bedingungen wahrend der Aufnahme laufend PH, entwickelt, wurde ein senkrecht stehendes Substanzrohr von der .~ ~ ~~~~~~

9, Die Apparatur darf an keiner Stelle einen gelben Beschlag zeigen. I") Die Filterlosung enthielt gleichzeitig Neodymchlorid zur Absorption der gelben

Quecksilberlinien 5770 und 5791 f i .

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in Abb. 2 gezeigten Form verwendet. Das PH, entweicht dann - uber- einstimmend mit fruheren Beobachtungen von GATTERMANN und HAUSSKNECHT - vorzugsweise an der Oberflache, ohne in der Flussig- keit Gasblasen zu bilden, die einen storenden XJntergrund verursachen.

In den gebrauchlichen R A M A N - K U ~ ~ t t e n mit aufgekittetem oder aufgeschmolzenem planparallelen Fenster bildet das Diphosphin beim Belichten bevorzugt Gasblasen an den geringfiigigen Unebenheiten der Kitt- oder Schmelzstelle. Es wurden deshalb Kii-

Abb. 2. RAMAN- Kiivette fur Di-

phosphin

vetten aus einem Stuck folgendermaden hergestellt : Ein Jenaer-Glas- rohr (auderer Durchmesser 9,2 mm; Wandstarkc 1 mm) wird an einem Ende zugeschmolzen und die Schmelzst,elle in geeigneter Weise flach gedruckt, so daB sich die Innenwand moglichst plan bildet und der Rohr-Innendurchmesser dabei nicht verandert wird. Dann schleift man auden bis auf eine Fensterstarke von etwa 1,5 mm ab, schleift plan und poliert. SchlieBlich wird durch sehr vorsichtige Nachbehand- lung in der Flamme eine vollkommen einwandfreie Oberflache erzielt.

Als u b e r d r u c k v e n t i l e haben sich bei RAMAN-Kiivettcn be- sonders G 4-Fritten, die mit Quecksilber iiberschichtet und mit einem Spritzfanger versehen sind, bewahrt. Das von der Substanz abgegebene PH, brennt oberhalb der Fritte ab. Durch mitgerissenen P,H,-Dampf, der an der rauhen Oberflache unter Bildung der bekannten gelben Be- schlage zerfallt, werden diese Ventile allerdings im Laufe der Zeit zunehmend undurchlassiger. Man verwendet deshalb zweckmaliig Fritten mit einem Durchmesser von etwa 30 mm.

Die Fi i l lung der Kiivetten wurde in der angegebenen Weise bis zu einer Hohe vorgenommen, da13 1,5-2 cm der obersten Fliissigkcits- saule bei der Aufnahme nicht mehr mit Quecksilber-Licht bestrahlt wurden. Da bei der oberflachlichen €'Ha-Abgabe gleichzeitig eine geringe Schlieren-Bildung auftritt, die aber weitgehend ortlich be- grenzt ist, vermeidet man auf diese Weise einen storenden Unter- grund infolge von Dichte-Unterschieden in der Flussigkeit.

Zur Aufnahme der S p e k t r e n wurde eine besonders lichtstarke RAMAN-hard. nung der Firma Hilger mit einer Dispersion des Spektrographen von etwa 22d/mm bei 5600 d benutzt. Als Negativmaterial verwendeten wir hochstempfindliche pan- chromatische Ilford HPS-Platten.

In der angegebenen Weise gelang es, trotz der Lichtempfindlichkeit des Diphosphins von mehreren Praparaten verschiedener Herstellung eine Reihe von vollkommen untergrundfreien und zum Teil kraftig belich- teten RAMAN-Spektren aufzunehmen.

Ergebnisse und Diskussiori Die erhaltenen RAMAN- Spektren des Diphosphins zeigten insgesamt

8 Linien rnit folgenden Frequenzwertenll) und Intensitaten: 161(3),

11) Mittelwerte von mehreren Platten bei Ausmessung durch zwei unabhangige Beo bachter.

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412(4) , 437(10), 456(3), 653(2), 856(0), 1070(2), 2286(6) cm-l. In Abb. 3 ist, das P2f14- Spektrum schematisch wiedergegeben, zusammen mit den bekannten RAMAN- Spektren des flussigen Phosphins 12) und des elemen- taren Phosphors13).

Die Zusammenstellung laBt erkennen, daB die drei Spektren in ihren Frequenzwerten erwartungsgemiiB gewisse Ahnlichkeiten zeigen. Trotzdem ist deutlich er- sichtlich, daB die starksten RAMAN-Linien des Phos- phins und des elementaren Phosphors in dem beob- achteten P2H,- Spektrum nicht an gleicher Stelle und mit entsprechender Inten-

ZOO NO 600 800 7000 f200 800 DOOm-'

4 I I I .-.- . ,...-

Abb. 3. Die RAMAN-Spektren yon PH,,,,, P,H4 und P4

sitat auftreten, obgleich diese beiden Produkte durch den ZersetzungsprozeB wahrend der Auf- nahme sicher in merklichen Konzentrationen gebildet wekden. Daraus folgt, da13 alle 8 Frequenzen sehr wahrscheinlich dem Diphosphin selbst angehoren .

Ein System von 6 Massenpunkten, wie es im P2H4 vorliegt, besitzt insgesamt 12 Grundschwingungen. Diese sollten im RAMAN-Effekt alle beobachtbar sein, falls die beiden PH,-Gruppen in Cis-Stellung zu- einander stehen oder die Molekel eine weniger symmetrische raumliche Konfiguration einnimmt. Liegen die PH,-Gruppen dagegen in einer Ebene (Athylen-Struktur) oder sind sie in Trans-Stellung orientiert, so sind nur 6 der Frequenzen ramanaktiv, da in beiden Fallen ein Symme- triezentrum vorhanden ist. Die beobachtete Zahl von 8 RAMAN-Linien und vor allem die Tatsache, da13 einige davon sicher noch mehrfach zu zahlen sind (siehe weiter unten), lafit die Annahme einer ebenen Molekel- form oder einer reinen Transkonfiguration beim Diphosphin sehr weit- gehend ausschliel3en. Die Cisform durfte andererseits aus sterischen Grunden keine groBe W-ahrscheinlichkeit besitzen. Es ist deshalb nach den bisherigen Ergebnissen am naheliegendsten, fur die P,H4-MolekeI hevorzugt eine weniger symmetrische Zwischenform anzunehmen, wie PENNEY und SUTHRRLAND 14) sie fur das IIydrazin zuerst auf Grund von

12) K. W. I?. KOHLRAUSCH, RAMAN-Spektren, Hand- und Jahrbuch d. chem. Physik, Bd. 9, VI, S. 133; D. M. YOST u . T. F. ANDERSON, J. chern. Physics 2,624 (1934).

K. W. F. KOHLRAUSCH, RAMAN-Spektren, Hand- u. Jahrbuch d. chem. Physik, Bd. 9, VI, S. 394; S. VENKATESWARAN, Proc. Indian Acad. Sci. 2,260 (1935); 4,414 (1936).

1 4 ) W. G . PENNEY u. G. B. B. M. SUTHERLAND, Trans. Faraday SOC. 30, 898 (1934); J. chem. Physics 2, 492 (1934).

Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 289. 15

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quantenmechanischen Uberlegungen vorgeschlagen haben. Abb. 4 laBt erkennen, da13 bei dieser Konfiguration die beiden PH,-Gruppen um einen Winkel von 90-100" gegeneinander verdreht sind. Als Folge der vorhanderien 2ziihligen Symmetrieachse (Punktgruppe C,) ist die Exist~enz von zwei riiumlich-isomeren (spiegelbildlichen) Molekelarten

zu erwarten, die bei Zimmertempe- ratur niiteinander im Gleichgewicht stehen. AuBerdem spalten die 12 ramenaktiven Grundschwingungen

Abb. 4. Model1 der P,H,-Molekel trische Schwingungen auf. Durch erganzende Untersuchungen (Bestim-

mung des Dipolmomentes, Polarisationsmessungen, Ultrarotspektrum) sol1 diese raumliche Konfiguration beim Diphosphin weiter experimentell gestu tz t werden.

Unabhangig von der Annahme einer spezielleri raumlichen Molekel- form lassen sich die 12 Normalschwingungen des P,H, mit Hilfe des Valenzkraft- Systems in weitgehender Naherung folgendermaflen be- schreiben :

Zeitschrift fur anorganische und allgemeine (:heinie. Band 289. 1957

/ in 7 syinmetrische und 5 antisymme-

@ I @

4 P-H=Valenzschwingungen ; 6 P-H= Deformationsschwingungen ( 2 Knickschwingimgen der

Winkel H-P-H ; 2 Schaukelschwingungen der Winkel H--P-P, bei denen sich die H- Atome jeder PH,- Gruppe parallel zur P--P-Bindung in entgegengesetzter Richtung bewegen ; 2 Wedelschwingungen der Winkel H-P-P, bei denen sich die H-Atome jeder PH,-Gruppe parallel zur P-P-Bindung in gleicher Richtung bewegen) ;

1 P-P-Valenzschwingung ; 1 Torsions- bzw. Drillschwingung.

Die 8 beobachteten RAMAN-Frequenzen kijnnen diesen Schwingungen im einzelnen wie folgt zugeordnet werden: Die intensive Linie bei 437 em-1 gehort zweifellos zu der P-P-Valenzschwingung. Weiterhin durfte die niedrigste Frequenz 161 cm-l der Torsions- bzw. Drillschwingung der beiden PH,- Gruppen um die P-P-Rindung entsprechen. Im. Gebiet der P-H-Valenzfrequenzen, das erfahrungsgemai3 zwischen 2270 und 2500 em-1 liegtls), ist im Diphosphin-Spektrum iiur die eine Linie bei 2286 em-1 beobachtbar. Es mu13 deshalb angenommen werden, da13 an dieser Stelle die 4 zu erwartenden Frequenzen infolge von zufalliger

1 5 ) D. M. YOST u. T. F. ANDERSON, J. chem. Physics 2, 624 (1934); M. BAUDLER, Naturwissenschaften 42, 152 (1955); A. SIMON u. F. FEH~R, Z. anorg. allg. Chem. 230, 289 (1937); M. BAUDLER, Z. Elektrochem., Ber. Bunsenges. physik. Chem. 69, 173 (1955).

_____

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M. BAUDLER u. L. SCHMIDT, Das RAMAN-Spektrum des Diphosphins 227

Entartung zusammenfallen. Die restlichen 5 HAMAN-Frequenzen (412, 456, 653, 856, 1070 em-l) sind zweifellos in erster Linie P-H-Defor- mationsschwingungen zuzuordnen, wobei auch hier einzelne Falle von zufalliger Entartung vorhanden sein durften. In ifbereinstimmung mit den allgemeinen Erfahrungen kann dabei angenommen werden, da13 die hochsten Linien sehr wahrscheinlich den PH,-Knickschwingungen ent- sprechen, wahrend die Frequenzwerte der Schaukelschwingungen und insbesondere der Wedelschwingungen merklich tiefer liegen l 6 ) .

Eesonderes Interesse beanspruchen die beiden Linien in der Nahe der P-P-Valenzfrequenz bei 412 und 456 em-l. Das Auftreten dieser beiden Trabanten darf uberhaupt als die uberraschendste und interessan- teste Aussage des P,H,-RAMAN-Spektrums betrachtet werden. Einmal kann es sich dabei - wie oben angedeutet - um zwei sehr tiefe Wedel- schwingungen der H-P-P-Winkel handeln. Andererseits besteht aber auch die Moglichkeit, da13 die P-P-Valenzfreyuenz aufspaltet, und zwar dadurch, da13 mehrere raumliche Molekelformen im Gleichgewicht nebeneinander vorliegen, z. B. neben der unsymmetrischen Form noch die Cis- und die Transform. Der Isotopie-Effekt scheidet zur Deutung aus, da Phosphor ein Reinelement ist. Aber unter Umstanden mulj beim P,H, noch die Moglichkeit in Betracht gezogen werden, da13 einzelne Freyuenzen durch den Tunneleffekt - ahnlich wie im NH, und N,H, - aufspalten konnen ; allerdings ist schon im RAMAN-Spektrum des PH, keine entsprechende Linienverdopplung oder -verbreiterung zu beob- achten. Durch weitere experimentelle Untersuchungen, die zur Zeit im Gange sind, sol1 die Herkunft der beiden Linien 412 und 456 em-1 geklart und damit zwischen den verschiedenen in Betracht kommenden Deutungsmoglichkeiten entschieden werden. Wir haben in erster Linie dazu die Darstellung von Deutero-Diphosphin und die Aufnahme seines RAMAN- Spektrums in Angriff genommen, da hieraus eine unmittelbare Antwort auf die Frage nach der Beteiligung von Wasserstoff-Atomen an den betreffenden Schwingungen zu erwarten ist.

Aus den Werten der P-H- und P-P-Valenzfrequenzen ergeben sich die Kraftkonstanten der beiden Bindungen zu 2,99 . lo6 bzw. 1,85.106 Dyn/cm. Nach der B ~ ~ ~ ~ ~ - B e z i e h u n g l ’ ) erhalt man damit die Atom- abstande 1,44 bzw. 2,11 8.

Aus Tab. 1 ist zu ersehen, da13 die beiden Werte fur die Phosphor- Phosphor-Bindung sich sehr sinnvoll zwischen die entsprechenden

16) Siehe die analogen Verhaltnisse im Hydrazin-Spektrum: P. A. GIGU&RE u. I. D.

9 R. M. BADGER, J. chem. Physics 2, 128 (1934); 3, 710 (1935). LIU, J. chem. Physics 20, 136 (1952).

16*

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228 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 289. 1957

Kraftkonstanten in l o 5 Dyn/cm

GroBen der Schwefel- Schwefel- und Silicium- Silicium- Bindungen in den analogen Molekeln S,H, und Si,H, einordnen.

Atomabst5..de in AE

Tabelle 1 K r a f t k o n s t a n t e n u n d A t o m a b s t a n d e der P h o s - phor-Phosphor-Bindung i m Vergleich zu a n a -

logen Bindungen

f,. , in S,H, 2,52 fp.p in P2H4 1,85 f,,.,, in Si,H, 1,7

in S,H, 2,03 rp.p in P,H4 2,11 rsi.si in Si,H, 2,32

Herrn Professor Dr. F. FEHI~R machten wir fur fordernde Diskussionen und vielfache Unterstiitzung dieser Untersuchung sehr danken.

Koln, Abteilung f i i r Anorganische und Anulytische Chemie des Chenzi- schen Tnstituts der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 21. August 1956.

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Verantwortlich fdr die Schriftleitung: Professor Dr. Gi in ther R i e n f ~ c k e r , Berlin N 4, Ressische Str. 1-2; fiir den Anzeigenteil: VEB Georg Thieme. Anzeigenahteilung, Leipzig C 1, Thomaskirchhof 20, Rut 21005. Z . Z. gilt Anzeigenpreisliste Nr. 3; Verlag: Johann Amhrosius Barth, Leipzig C 1 SalomonstraDe 18 B; Fernruf: 63 105 und 63 781. Veroffentlicht unter der Limnznummer 285/126i

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