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Glasbau 2013. 1. Auflage. Herausgegeben von Bernhard Weller, Silke Tasche. © 2013 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2013 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung Jonas Hilcken 1 , Kaja Boxheimer 1 , Jens Schneider 1 , Johann-Dietrich Wörner 1,2 1 Technische Universität Darmstadt, Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, Petersen- str. 12, 64287 Darmstadt, Deutschland 2 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Linder Höhe, 51147 Köln, Deutschland Bauteile, die zeitlich veränderlichen und periodisch wiederkehrenden Lasten ausgesetzt sind, müs- sen häufig auch hinsichtlich ihres Ermüdungsverhaltens eingestuft und bemessen werden. Im Glas- bau fehlen hierzu noch Grundlagen auf der Widerstandsseite, denn das zyklische Ermüdungsver- halten von Glas für Anwendungen und Einwirkungen im Bauwesen ist im Unterschied zum stati- schen und dynamischen Ermüdungsverhalten bisher wenig untersucht. Der vorliegende Beitrag zeigt die Ergebnisse mehrerer Versuchsserien mit zyklischen Biegeversuchen von planmäßig vor- geschädigten Floatgläsern aus handelsüblichem Kalk-Natron-Silikatglas im Doppelring- Biegeversuch und bei verschiedenen Frequenzen. Die Ergebnisse werden mit gängigen theoreti- schen Modellen zum Risswachstumsverhalten von Glas aus der Bruchmechanik verglichen. Investigation of the fatigue behavior of systematically pre-damaged soda-lime float glass under cyclic loading. Structural components subjected to fluctuating and cyclic loading frequently have to be classified and designed considering cyclic fatigue. For the design of glass elements in structural engineering, fundamental knowledge about the resistance of glasses exposed to cyclic loading is limited. This article subsumes the results of several tests series with commercial an- nealed float glass (soda-lime-silica glass) that was specifically impaired and then tested cyclically with different frequencies using the double-ring bending test. The results are compared to common theoretical models from fracture mechanics for the crack propagation in glass. Schlagwörter: Floatglas, zyklische Ermüdung, definiert vorgeschädigtes Glas Keywords: annealed float glass, cyclic fatigue, systematically pre-damaged glass 1 Einleitung Glasscheiben unterliegen einer Vielzahl von periodisch wiederkehrenden Belastungen. Hierzu gehören die Lastfälle Schnee bei Überkopfverglasungen, der Lastfall Verkehrs- last bei begeh- und betretbaren Verglasungen und die Lastfälle Klimalast und Tempera- tur bei Isolierglaselementen. Fassadenscheiben und konstruktive Glaselemente werden aber auch durch eine Belastung aus Wind periodisch belastet [1]. Bei der Bemessung von Glas werden die Windlasten (50-Jahres-Wind) nach DIN EN 1991-1-4 [2] als quasi-statische Last angesetzt und die Periodizität der Belastung nicht berücksichtigt.

Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

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Page 1: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

Glasbau 2013. 1. Auflage.Herausgegeben von Bernhard Weller, Silke Tasche.© 2013 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2013 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.

Glasscheiben mit photokatalytischen Eigenschaften und erhöhter Transmission

[10] Software TFCalc Simulationsprogramm, Optocon GmbH, www.optocon.de.

[11] Heft, A., Tölke, T., Pfuch, A., Erbe, C.: „Photocatalytically active thin films on float glass with enhanced hydrophilicity and transmission for photovoltaic appli-cations. Solar Energy Materials & Solar Cells 90 (2006), p.2846-2854.

[12] Tölke T., Heft, A., Pfuch, A.: Photocatalytically active multi-layer systems with improved transmission. Thin Solid Films 516 (2008), p. 4578-4580.

[13] Innovent Technologieentwicklung e.V., Patent DE 102004029911B4.

Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

Jonas Hilcken1, Kaja Boxheimer1, Jens Schneider1, Johann-Dietrich Wörner1,2

1 Technische Universität Darmstadt, Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, Petersen-

str. 12, 64287 Darmstadt, Deutschland

2 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Linder Höhe, 51147 Köln, Deutschland

Bauteile, die zeitlich veränderlichen und periodisch wiederkehrenden Lasten ausgesetzt sind, müs-sen häufig auch hinsichtlich ihres Ermüdungsverhaltens eingestuft und bemessen werden. Im Glas-bau fehlen hierzu noch Grundlagen auf der Widerstandsseite, denn das zyklische Ermüdungsver-halten von Glas für Anwendungen und Einwirkungen im Bauwesen ist im Unterschied zum stati-schen und dynamischen Ermüdungsverhalten bisher wenig untersucht. Der vorliegende Beitrag zeigt die Ergebnisse mehrerer Versuchsserien mit zyklischen Biegeversuchen von planmäßig vor-geschädigten Floatgläsern aus handelsüblichem Kalk-Natron-Silikatglas im Doppelring-Biegeversuch und bei verschiedenen Frequenzen. Die Ergebnisse werden mit gängigen theoreti-schen Modellen zum Risswachstumsverhalten von Glas aus der Bruchmechanik verglichen.

Investigation of the fatigue behavior of systematically pre-damaged soda-lime float glass under cyclic loading. Structural components subjected to fluctuating and cyclic loading frequently have to be classified and designed considering cyclic fatigue. For the design of glass elements in structural engineering, fundamental knowledge about the resistance of glasses exposed to cyclic loading is limited. This article subsumes the results of several tests series with commercial an-nealed float glass (soda-lime-silica glass) that was specifically impaired and then tested cyclically with different frequencies using the double-ring bending test. The results are compared to common theoretical models from fracture mechanics for the crack propagation in glass.

Schlagwörter: Floatglas, zyklische Ermüdung, definiert vorgeschädigtes Glas

Keywords: annealed float glass, cyclic fatigue, systematically pre-damaged glass

1 Einleitung

Glasscheiben unterliegen einer Vielzahl von periodisch wiederkehrenden Belastungen. Hierzu gehören die Lastfälle Schnee bei Überkopfverglasungen, der Lastfall Verkehrs-last bei begeh- und betretbaren Verglasungen und die Lastfälle Klimalast und Tempera-tur bei Isolierglaselementen. Fassadenscheiben und konstruktive Glaselemente werden aber auch durch eine Belastung aus Wind periodisch belastet [1]. Bei der Bemessung von Glas werden die Windlasten (50-Jahres-Wind) nach DIN EN 1991-1-4 [2] als quasi-statische Last angesetzt und die Periodizität der Belastung nicht berücksichtigt.

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248 Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

Periodisch wiederkehrende Belastungen und die Lastgeschichte können allerdings einen großen Einfluss auf die Lebensdauer und die maximal aufnehmbare Biege. Bzw. Zug-spannung haben. In den Bemessungsnormen für Glas (DIN 18008 [3]) wird zur Zeit nur die statische Ermüdung pauschal mit einem Abminderungsfaktor kmod berücksichtigt.

Das Phänomen der statischen Ermüdung ist weitgehend bekannt. Die zyklische Ermü-dung von Bauteilen aus Kalk-Natron-Silikatglas, die zeitlich veränderlichen und perio-disch wiederkehrenden Lasten ausgesetzt sind, hingegen ist noch weitgehend uner-forscht. Um sowohl die im Bauwesen üblichen Anforderung an die Zuverlässigkeit tragender Elemente aus Glas dauerhaft gewährleisten zu können, als auch den ökonomi-schen Anforderungen möglichst präziser Lebensdauerprognosen gerecht zu werden, ist es notwendig die Ermüdungsfestigkeit von im Bauwesen eingesetzten Gläsern zu quan-tifizieren und die wesentlichen Einflussparameter und Effekte zu bestimmen. In einem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsvorhaben wurden hierzu verschiedene Versuchsreihen mit verschiedenen Baugläsern und Ver-suchsparametern durchgeführt. Die Ergebnisse werden mit den gängigen theoretischen Modellen zum Risswachstumsverhalten von Glas aus der Bruchmechanik und der Mate-rialwissenschaft verglichen. Ziel ist es, Wöhlerlinien und Modelle für präzisere Lebens-dauerprognosen abzuleiten. Zudem wird überprüft, ob Glas und thermisch vorgespann-tes Glas „wahre“ zyklische Ermüdungseffekte aufweist oder sich die zyklische Ermü-dung nur aus einer Schadenakkumulation analog des Risswachstums unter statischer Belastung ergibt.

2 Ermüdung von Glas

Aufgrund des spröden Materialverhaltens des Werkstoffes Glas und der daraus resultie-renden Kerbempfindlichkeit, wird die Zug- und Biegefestigkeit hauptsächlich durch Oberflächendefekte bestimmt. Diese Defekte entstehen bei der Herstellung, der Verar-beitung, dem Gebrauch und der Reinigung. Dies führt wiederum dazu, dass ingenieur-mäßige Untersuchungen der Festigkeit von üblichen Baugläsern nur den Momentanzu-stand feststellen. Die Spannungskonzentration, die sich unterhalb eines Defekts einstellt und über einen Spannungsintensitätsfaktor K ausgedrückt werden kann, lässt sich mit Gl. 2.1 berechnen. Hierbei ist σ die anliegende Spannung, a die Risstiefe und Y der Geometriefaktor, der sich aus der Geometrie des Risses und der Spannungsverteilung am Riss ergibt. �� � ��√�� (2.1)

Überschreitet die Spannungsintensität den kritischen Spannungsintensitätsfaktor KIc, kommt es zum Versagen durch instabiles Risswachstum. Die Bruchspannung wird σf und die Risstiefe beim Bruch af genannt. Wird Glas in normaler Luft bei Raumtempe-ratur einer Dauerlast ausgesetzt, dann tritt das Versagen oft erst auf, wenn einige Zeit vergangen ist. Die mittlere Bruchspannung liegt dann weit unterhalb der mittleren Bruchspannung von schnell belasteten Proben. Dieses Phänomen wird als statische

2 Ermüdung von Glas

Ermüdung bezeichnet [4]. Noch länger bekannt ist das Phänomen der dynamischen Ermüdung. Bereits 1899 stellte Grenet [5] fest, dass die mittlere Bruchspannung von Glas bei Prüfungen mit stetig gesteigerter Belastung von der Höhe der Belastungsrate (Spannung/Zeit) abhängen. Versuche bei denen die Last langsamer gesteigert wird, erreichen einen höheren Mittelwert, als Versuche bei denen die Last schnell gesteigert wird. Die Ursache der statischen und dynamischen Ermüdung, die nicht mit der Ermü-dung unter zyklischer Belastung verwechselt werden sollten, ist dieselbe. Eine chemi-sche Reaktion der H2O-Moleküle aus der Umgebung mit unter Spannung stehenden Si-O-Si-Verbindungen an der Rissspitze des Glases führt zum subkritischen Risswachstum [6].

Den größten Einfluss auf das subkritische Risswachstum hat die relative Luftfeuchte der Umgebung. Dieser und weitere Einflussparameter auf die so genannte Spannungskorro-sion wurden von Wiederhorn [7] bei direkten Rissfortschrittsmessungen bereits 1967 beobachtet (siehe Bild 2-1).

Bild 2-1 v-K-Messkurve für verschiedene relative Luftfeuchten nach [7] (Daten aus [8])

Bild 2-2 Schematische Darstellung der Berei-che der v-K-Kurve von Kalk-Natron-Silikatglas

In Bild 2-2 ist der schematische Verlauf der Risswachstumsgeschwindigkeit in Abhän-gigkeit des anliegenden Spannungsintensitätsfaktors (v-K-Messkurve, v logarithmisch aufgetragen) dargestellt. Die Messkurve lässt sich in vier Bereiche einteilen. Im Bereich I steigt die v-K-Messkurve zunächst nahezu linear an. In diesem Bereich findet für die meisten Beanspruchungen der größte Teil des subkritischen Risswachstums statt. Für Lebensdauerprognosen und die Ermüdungsfestigkeit hat dieser Bereich genau wie die Ermüdungsschwelle (Bereich 0) eine große Bedeutung. Die Bereiche II und III spielen im Wesentlichen nur bei hochdynamischen Belastungen unter großen Verzerrungsraten

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249Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

Periodisch wiederkehrende Belastungen und die Lastgeschichte können allerdings einen großen Einfluss auf die Lebensdauer und die maximal aufnehmbare Biege. Bzw. Zug-spannung haben. In den Bemessungsnormen für Glas (DIN 18008 [3]) wird zur Zeit nur die statische Ermüdung pauschal mit einem Abminderungsfaktor kmod berücksichtigt.

Das Phänomen der statischen Ermüdung ist weitgehend bekannt. Die zyklische Ermü-dung von Bauteilen aus Kalk-Natron-Silikatglas, die zeitlich veränderlichen und perio-disch wiederkehrenden Lasten ausgesetzt sind, hingegen ist noch weitgehend uner-forscht. Um sowohl die im Bauwesen üblichen Anforderung an die Zuverlässigkeit tragender Elemente aus Glas dauerhaft gewährleisten zu können, als auch den ökonomi-schen Anforderungen möglichst präziser Lebensdauerprognosen gerecht zu werden, ist es notwendig die Ermüdungsfestigkeit von im Bauwesen eingesetzten Gläsern zu quan-tifizieren und die wesentlichen Einflussparameter und Effekte zu bestimmen. In einem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsvorhaben wurden hierzu verschiedene Versuchsreihen mit verschiedenen Baugläsern und Ver-suchsparametern durchgeführt. Die Ergebnisse werden mit den gängigen theoretischen Modellen zum Risswachstumsverhalten von Glas aus der Bruchmechanik und der Mate-rialwissenschaft verglichen. Ziel ist es, Wöhlerlinien und Modelle für präzisere Lebens-dauerprognosen abzuleiten. Zudem wird überprüft, ob Glas und thermisch vorgespann-tes Glas „wahre“ zyklische Ermüdungseffekte aufweist oder sich die zyklische Ermü-dung nur aus einer Schadenakkumulation analog des Risswachstums unter statischer Belastung ergibt.

2 Ermüdung von Glas

Aufgrund des spröden Materialverhaltens des Werkstoffes Glas und der daraus resultie-renden Kerbempfindlichkeit, wird die Zug- und Biegefestigkeit hauptsächlich durch Oberflächendefekte bestimmt. Diese Defekte entstehen bei der Herstellung, der Verar-beitung, dem Gebrauch und der Reinigung. Dies führt wiederum dazu, dass ingenieur-mäßige Untersuchungen der Festigkeit von üblichen Baugläsern nur den Momentanzu-stand feststellen. Die Spannungskonzentration, die sich unterhalb eines Defekts einstellt und über einen Spannungsintensitätsfaktor K ausgedrückt werden kann, lässt sich mit Gl. 2.1 berechnen. Hierbei ist σ die anliegende Spannung, a die Risstiefe und Y der Geometriefaktor, der sich aus der Geometrie des Risses und der Spannungsverteilung am Riss ergibt. �� � ��√�� (2.1)

Überschreitet die Spannungsintensität den kritischen Spannungsintensitätsfaktor KIc, kommt es zum Versagen durch instabiles Risswachstum. Die Bruchspannung wird σf und die Risstiefe beim Bruch af genannt. Wird Glas in normaler Luft bei Raumtempe-ratur einer Dauerlast ausgesetzt, dann tritt das Versagen oft erst auf, wenn einige Zeit vergangen ist. Die mittlere Bruchspannung liegt dann weit unterhalb der mittleren Bruchspannung von schnell belasteten Proben. Dieses Phänomen wird als statische

2 Ermüdung von Glas

Ermüdung bezeichnet [4]. Noch länger bekannt ist das Phänomen der dynamischen Ermüdung. Bereits 1899 stellte Grenet [5] fest, dass die mittlere Bruchspannung von Glas bei Prüfungen mit stetig gesteigerter Belastung von der Höhe der Belastungsrate (Spannung/Zeit) abhängen. Versuche bei denen die Last langsamer gesteigert wird, erreichen einen höheren Mittelwert, als Versuche bei denen die Last schnell gesteigert wird. Die Ursache der statischen und dynamischen Ermüdung, die nicht mit der Ermü-dung unter zyklischer Belastung verwechselt werden sollten, ist dieselbe. Eine chemi-sche Reaktion der H2O-Moleküle aus der Umgebung mit unter Spannung stehenden Si-O-Si-Verbindungen an der Rissspitze des Glases führt zum subkritischen Risswachstum [6].

Den größten Einfluss auf das subkritische Risswachstum hat die relative Luftfeuchte der Umgebung. Dieser und weitere Einflussparameter auf die so genannte Spannungskorro-sion wurden von Wiederhorn [7] bei direkten Rissfortschrittsmessungen bereits 1967 beobachtet (siehe Bild 2-1).

Bild 2-1 v-K-Messkurve für verschiedene relative Luftfeuchten nach [7] (Daten aus [8])

Bild 2-2 Schematische Darstellung der Berei-che der v-K-Kurve von Kalk-Natron-Silikatglas

In Bild 2-2 ist der schematische Verlauf der Risswachstumsgeschwindigkeit in Abhän-gigkeit des anliegenden Spannungsintensitätsfaktors (v-K-Messkurve, v logarithmisch aufgetragen) dargestellt. Die Messkurve lässt sich in vier Bereiche einteilen. Im Bereich I steigt die v-K-Messkurve zunächst nahezu linear an. In diesem Bereich findet für die meisten Beanspruchungen der größte Teil des subkritischen Risswachstums statt. Für Lebensdauerprognosen und die Ermüdungsfestigkeit hat dieser Bereich genau wie die Ermüdungsschwelle (Bereich 0) eine große Bedeutung. Die Bereiche II und III spielen im Wesentlichen nur bei hochdynamischen Belastungen unter großen Verzerrungsraten

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250 Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

eine Rolle. Die Zunahme der Risswachstumsgeschwindigkeit sinkt hier zunächst ab, da der Riss schneller wächst, als Wasser an die Rissspitze gelangen kann. Danach passt sich die Messkurve der v-K-Messkurve im Vakuum an.

Die Gerade im Bereich I kann aufgrund ihrer starken Steigung und dem kleinen Bereich der Spannungsintensität durch ein empirisch hergeleitetes Potenzgesetz (Gl. 2.2, [9]), das von den Risswachstumsparametern v0 und N abhängt, angepasst werden:

(2.2)

Durch einsetzen von (Gl. 2.1) in (Gl. 2.2) und anschließender Integration kann die Bruchspannung σf,s für eine konstante Belastung (Gl. 2.3) und σf,d für eine konstante Spannungsrate β (Gl. 2.4) in Abhängigkeit der Lebensdauer tf unter Vernachlässigung der Ermüdungsschwelle K0 hergeleitet werden:

(2.3)

(2.4)

Bild 2-3 Übersicht der verwendeten Belastungsverläufe und Bezeichnungen von links nach rechts: schwingende Beanspruchung; pulsierende Beanspruchung; trapezförmige Schwingbeanspruchung; dreiecksförmige Schwingbeanspruchung; dreiecksförmige Schwingbeanspruchung mit Belastungspause

σ

t

σ max

T

σ amp

σ amp

σ

t

σ max

T

σ min

σ amp

σ amp

σ

t

σ max

T T/2 T/2

σ

t

σ max

T T/2 T/2σ

t

σ max

T Tr T Schwingungsdauer: [s]

Frequenz: [Hz]

Oberspannung: Unterspannung: Spannungsamplitude:

Mittelspannung:

Spannungsverhältnis:

Belastungspause: [s]

2 Ermüdung von Glas

Die Ermüdung von Kalk-Natron-Silikatglas unter zyklischer Beanspruchung (siehe Bild 2-3) ist bisher nur ansatzweise untersucht worden [10], [11]. Nimmt man an, dass es zwischen dem subkritischen Risswachstum unter statischer und zyklischer Belastung keinen Unterschied gibt [11], [12], ergibt sich die Dauerschwingfestigkeit aus einer Akkumulation des Rissfortschritts während der Schwingspiele. Damit würde die Bruch-spannung unter zyklischer Belastung abnehmen, aber keine „wahren“ zyklischen Ermü-dungseffekte auftreten.

Unter dieser Annahme kann die Lebensdauer unter zyklischer Belastung durch die In-tegration der effektiven Spannungsfunktion prognostiziert werden. Durch Gleichsetzen von (Gl. 2.3) und der Integration von (Gl. 2.2) über die Belastungsdauer einer zykli-schen Belastung, kann durch Einführung eines Flächenfaktors ζ die Lebensdauerprog-nose unter zyklischer Belastung unter Vernachlässigung der Ermüdungsschwelle K0 bestimmt werden:

(2.5)

Der Flächenfaktor ζ beschreibt das Verhältnis (Gl. 2.6) zwischen konstanter Belastung σf,s und zyklischer Belastung σmax, für das der gleiche Rissfortschritt resultiert (siehe Bild 2-4).

. (2.6)

Bild 2-4 Schematische Darstellung der Integration der effektiven Spannungsfunktion zur Ermittlung des Flächenfaktors ζ

Der Flächenfaktor nimmt mit steigendem Flächenverhältnis zu. Hieraus folgt, dass pulsierende Belastungen im Vergleich mit schwellenden Belastungen gleicher Ober-spannung eine geringere mittlere Lebensdauer hervorrufen. Zudem sollte die Lebens-dauer von der Frequenz unabhängig sein. Dies steht im direkten Gegensatz zum Gesetz

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251Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

eine Rolle. Die Zunahme der Risswachstumsgeschwindigkeit sinkt hier zunächst ab, da der Riss schneller wächst, als Wasser an die Rissspitze gelangen kann. Danach passt sich die Messkurve der v-K-Messkurve im Vakuum an.

Die Gerade im Bereich I kann aufgrund ihrer starken Steigung und dem kleinen Bereich der Spannungsintensität durch ein empirisch hergeleitetes Potenzgesetz (Gl. 2.2, [9]), das von den Risswachstumsparametern v0 und N abhängt, angepasst werden:

(2.2)

Durch einsetzen von (Gl. 2.1) in (Gl. 2.2) und anschließender Integration kann die Bruchspannung σf,s für eine konstante Belastung (Gl. 2.3) und σf,d für eine konstante Spannungsrate β (Gl. 2.4) in Abhängigkeit der Lebensdauer tf unter Vernachlässigung der Ermüdungsschwelle K0 hergeleitet werden:

(2.3)

(2.4)

Bild 2-3 Übersicht der verwendeten Belastungsverläufe und Bezeichnungen von links nach rechts: schwingende Beanspruchung; pulsierende Beanspruchung; trapezförmige Schwingbeanspruchung; dreiecksförmige Schwingbeanspruchung; dreiecksförmige Schwingbeanspruchung mit Belastungspause

σ

t

σ max

T

σ amp

σ amp

σ

t

σ max

T

σ min

σ amp

σ amp

σ

t

σ max

T T/2 T/2

σ

t

σ max

T T/2 T/2σ

t

σ max

T Tr T Schwingungsdauer: [s]

Frequenz: [Hz]

Oberspannung: Unterspannung: Spannungsamplitude:

Mittelspannung:

Spannungsverhältnis:

Belastungspause: [s]

2 Ermüdung von Glas

Die Ermüdung von Kalk-Natron-Silikatglas unter zyklischer Beanspruchung (siehe Bild 2-3) ist bisher nur ansatzweise untersucht worden [10], [11]. Nimmt man an, dass es zwischen dem subkritischen Risswachstum unter statischer und zyklischer Belastung keinen Unterschied gibt [11], [12], ergibt sich die Dauerschwingfestigkeit aus einer Akkumulation des Rissfortschritts während der Schwingspiele. Damit würde die Bruch-spannung unter zyklischer Belastung abnehmen, aber keine „wahren“ zyklischen Ermü-dungseffekte auftreten.

Unter dieser Annahme kann die Lebensdauer unter zyklischer Belastung durch die In-tegration der effektiven Spannungsfunktion prognostiziert werden. Durch Gleichsetzen von (Gl. 2.3) und der Integration von (Gl. 2.2) über die Belastungsdauer einer zykli-schen Belastung, kann durch Einführung eines Flächenfaktors ζ die Lebensdauerprog-nose unter zyklischer Belastung unter Vernachlässigung der Ermüdungsschwelle K0 bestimmt werden:

(2.5)

Der Flächenfaktor ζ beschreibt das Verhältnis (Gl. 2.6) zwischen konstanter Belastung σf,s und zyklischer Belastung σmax, für das der gleiche Rissfortschritt resultiert (siehe Bild 2-4).

. (2.6)

Bild 2-4 Schematische Darstellung der Integration der effektiven Spannungsfunktion zur Ermittlung des Flächenfaktors ζ

Der Flächenfaktor nimmt mit steigendem Flächenverhältnis zu. Hieraus folgt, dass pulsierende Belastungen im Vergleich mit schwellenden Belastungen gleicher Ober-spannung eine geringere mittlere Lebensdauer hervorrufen. Zudem sollte die Lebens-dauer von der Frequenz unabhängig sein. Dies steht im direkten Gegensatz zum Gesetz

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252 Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

von Paris (Gl. 2.7) [13]. Mit diesem wird unter anderem die Ermüdung von Metallen und Keramiken beschrieben. Hier hängt der Rissfortschritt von der Schwingspielanzahl n und der Differenz zwischen Oberspannung und Unterspannung ab; die Lebensdauer nimmt mit sinkender Frequenz zu und ist für schwellende Belastungen größer als für pulsierende Belastungen.

(2.7)

3 Experimentelle Untersuchungen

3.1 Versuchskonzept

Mit den Versuchen sollen folgende Ziele verfolgt werden:

– Quantifizierung der Festigkeit von Floatglas unter zyklischer Belastung – Untersuchung des Einflusses verschiedener Parameter auf die Ermüdungsfestigkeit – Überprüfung der Risswachstumsgesetzte für statische und dynamische (quasi-

statische) Beanspruchungen hinsichtlich der Prognose der Lebensdauer unter schwingender Beanspruchung

– Überprüfung, ob „wahre“ zyklische Ermüdungseffekte auftreten

Die Anzahl, die Tiefe, die Größe, die Lage und die Orientierung der festigkeitsbestim-menden Oberflächendefekte sind eine stark streuende Größe. Hierdurch treten beson-ders bei Versuchen mit konstanten Belastungen große Differenzen in der Lebensdauer auf. Im Dauerschwingversuch kann eine Scheibe bereits nach einigen Sekunden (5%-Fraktil) oder auch erst nach vielen Monaten (95%-Fraktil) versagen. Um diesen Effekt zu begegnen und dennoch eine aussagekräftige Untersuchung der Ermüdungsfestigkeit und deren Einflussparameter vornehmen zu können, wurden folgende Versuchsprinzi-pien zur Reduktion der Streuung angewandt:

– Jeder Probekörper wurde definiert vorgeschädigt, um eine Biegefestigkeit zu erhal-ten, die in etwa dem 5%-Fraktilwert der Biegefestigkeit von Floatglas nach DIN EN 572-1 [14] entspricht (siehe Abschnitt 3.4).

– Für jeden zyklisch belasteten Probekörper wurde ein Vergleichsprobekörper mit einer konstanten Spannungsrate (dynamisch) von 2 MPa/s belastet (siehe Abschnitt 3.5).

– Die Versuche wurden in verschiedenen Serien aufgeteilt, wobei jeweils nur ein Pa-rameter gegenüber einer eingangs durchgeführten Referenzserie variiert wurde (sie-he Abschnitt 3.2).

3 Experimentelle Untersuchungen

Um einen Einfluss aus der Lage und der Orientierung der eingebrachten Risse auszu-schließen, wurden alle zyklischen und dynamischen Versuche in einem Doppelring-Biegeversuchsaufbau durchgeführt.

3.2 Versuchsprogramm

Um den prinzipiellen Zusammenhang zwischen Oberspannung σmax und der Lebensdau-er zu untersuchen, wurde eine Referenzserie definiert. Um verschiedene Einflussgrößen auf die Dauerschwingfestigkeit zu untersuchen, wurden danach Versuchsreihen zum Einfluss der Belastung, der Umgebungsbedingungen, der Risseinbringung und der Riss-heilung durchgeführt. Hierbei wurde jeweils ein Parameter gegenüber der Referenzserie verändert. Zudem wurde aus einer Versuchsserie mit verschiedenen Spannungsraten der Risswachstumsparameter N unter dynamischer Belastung bestimmt. Eine Übersicht der durchgeführten Serien und der Versuchsparameter sind in Tabelle 3-1 aufgeführt.

Tabelle 3-1 Übersicht des Versuchsprogramms und der Versuchsparameter der einzelnen Serien

3.3 Probekörper

Für die Versuche wurden 270 Probeköper aus Floatglas, thermisch entspanntem Kalk-Natron-Silikatglas, mit den Abmessungen von 250 x 250 mm2 und einer mittleren Dicke von 5,925 mm (Nenndicke 6 mm) verwendet. Die Eigenspannungen der Gläser wurden mit einem Scattered Light Polariscope (SCALP-03) der Firma Glasstress bestimmt. Der Mittelwert der Eigenspannungen betrug 3,7 MPa. An allen Probekörpern wurden die Zinnbad- und die Luftseite bestimmt. Als Prüfseite wurde die Luftseite gewählt. Diese liegt bei den Prüfungen in der Zugzone und besitzt in der Mitte eine definiert einge-brachte Vorschädigung. Die Zinnbadseite, die bei den Prüfungen in der Druckzone liegt,

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253Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

von Paris (Gl. 2.7) [13]. Mit diesem wird unter anderem die Ermüdung von Metallen und Keramiken beschrieben. Hier hängt der Rissfortschritt von der Schwingspielanzahl n und der Differenz zwischen Oberspannung und Unterspannung ab; die Lebensdauer nimmt mit sinkender Frequenz zu und ist für schwellende Belastungen größer als für pulsierende Belastungen.

(2.7)

3 Experimentelle Untersuchungen

3.1 Versuchskonzept

Mit den Versuchen sollen folgende Ziele verfolgt werden:

– Quantifizierung der Festigkeit von Floatglas unter zyklischer Belastung – Untersuchung des Einflusses verschiedener Parameter auf die Ermüdungsfestigkeit – Überprüfung der Risswachstumsgesetzte für statische und dynamische (quasi-

statische) Beanspruchungen hinsichtlich der Prognose der Lebensdauer unter schwingender Beanspruchung

– Überprüfung, ob „wahre“ zyklische Ermüdungseffekte auftreten

Die Anzahl, die Tiefe, die Größe, die Lage und die Orientierung der festigkeitsbestim-menden Oberflächendefekte sind eine stark streuende Größe. Hierdurch treten beson-ders bei Versuchen mit konstanten Belastungen große Differenzen in der Lebensdauer auf. Im Dauerschwingversuch kann eine Scheibe bereits nach einigen Sekunden (5%-Fraktil) oder auch erst nach vielen Monaten (95%-Fraktil) versagen. Um diesen Effekt zu begegnen und dennoch eine aussagekräftige Untersuchung der Ermüdungsfestigkeit und deren Einflussparameter vornehmen zu können, wurden folgende Versuchsprinzi-pien zur Reduktion der Streuung angewandt:

– Jeder Probekörper wurde definiert vorgeschädigt, um eine Biegefestigkeit zu erhal-ten, die in etwa dem 5%-Fraktilwert der Biegefestigkeit von Floatglas nach DIN EN 572-1 [14] entspricht (siehe Abschnitt 3.4).

– Für jeden zyklisch belasteten Probekörper wurde ein Vergleichsprobekörper mit einer konstanten Spannungsrate (dynamisch) von 2 MPa/s belastet (siehe Abschnitt 3.5).

– Die Versuche wurden in verschiedenen Serien aufgeteilt, wobei jeweils nur ein Pa-rameter gegenüber einer eingangs durchgeführten Referenzserie variiert wurde (sie-he Abschnitt 3.2).

3 Experimentelle Untersuchungen

Um einen Einfluss aus der Lage und der Orientierung der eingebrachten Risse auszu-schließen, wurden alle zyklischen und dynamischen Versuche in einem Doppelring-Biegeversuchsaufbau durchgeführt.

3.2 Versuchsprogramm

Um den prinzipiellen Zusammenhang zwischen Oberspannung σmax und der Lebensdau-er zu untersuchen, wurde eine Referenzserie definiert. Um verschiedene Einflussgrößen auf die Dauerschwingfestigkeit zu untersuchen, wurden danach Versuchsreihen zum Einfluss der Belastung, der Umgebungsbedingungen, der Risseinbringung und der Riss-heilung durchgeführt. Hierbei wurde jeweils ein Parameter gegenüber der Referenzserie verändert. Zudem wurde aus einer Versuchsserie mit verschiedenen Spannungsraten der Risswachstumsparameter N unter dynamischer Belastung bestimmt. Eine Übersicht der durchgeführten Serien und der Versuchsparameter sind in Tabelle 3-1 aufgeführt.

Tabelle 3-1 Übersicht des Versuchsprogramms und der Versuchsparameter der einzelnen Serien

3.3 Probekörper

Für die Versuche wurden 270 Probeköper aus Floatglas, thermisch entspanntem Kalk-Natron-Silikatglas, mit den Abmessungen von 250 x 250 mm2 und einer mittleren Dicke von 5,925 mm (Nenndicke 6 mm) verwendet. Die Eigenspannungen der Gläser wurden mit einem Scattered Light Polariscope (SCALP-03) der Firma Glasstress bestimmt. Der Mittelwert der Eigenspannungen betrug 3,7 MPa. An allen Probekörpern wurden die Zinnbad- und die Luftseite bestimmt. Als Prüfseite wurde die Luftseite gewählt. Diese liegt bei den Prüfungen in der Zugzone und besitzt in der Mitte eine definiert einge-brachte Vorschädigung. Die Zinnbadseite, die bei den Prüfungen in der Druckzone liegt,

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254 Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

wurde im Bereich des Lastrings mit einer selbstklebenden Folie abgeklebt, um nach der Prüfung den Bruchursprung feststellen zu können.

3.4 Schädigung

Zur Minimierung der Streuung wurden die Probekörper definiert vorgeschädigt. Hierzu wurde mit einem Universal Surface Tester (UST-1000) der Firma Innowep ein Riss in den Probekörper initiiert. Mit dem UST-1000 kann die Oberflächen mit verschiedenen Tastern in einem Kraftbereich von 10-1000 mN entlang einer Geraden mechanisch abgetastet werden. Zur Risseinbringung in die Probekörper wurde ein konischer Dia-mant mit einem Öffnungswinkel von 120° verwendet, der mit einer Kraft von 500 mN (Eindringkraft) in die Oberfläche eingedrückt wurde. Hierbei entsteht eine Kratzfurche unter der weitaus tiefere, sehr spitze, mechanisch nicht messbare Tiefenrisse und Late-ralrisse entstehen [15]. Bei Vergleichen mit realen Oberflächenschäden von verwende-ten Fassadenscheiben hatte sich gezeigt, dass die mit einem 120°-Diamant eingebrach-ten Kratzer mit realen Kratzern vergleichbar sind [15]. Zudem hatte sich gezeigt, dass diese gut reproduzierbar sind (siehe Bild 3-1). Die Länge der Kratzer wurde auf 2 mm festgelegt, da bei Voruntersuchungen festgestellt wurde, dass der Zusammenhang zwi-schen Bruchspannung und Kratzerlänge oberhalb dieses Werts nicht mehr signifikant steigt. In Bild 3-2 ist der Zusammenhang zwischen der Eindringkraft und der resultie-renden Bruchspannung dargestellt. Der Zusammenhang ist im überprüften Kraftbereich annähernd linear. Die Kraft, mit der die Rissinitiierung vorgenommen wurde, wurde so festgelegt, dass die Bruchspannung etwa dem 5%-Fraktilwert der Bruchspannung von Floatglas (45 MPa) entspricht. Hierdurch wird gewährleistet, dass die Risstiefe der eingebrachten Kratzer der Risstiefe von im Bauwesen üblichen Schädigungen ent-spricht.

Bild 3-1 Streuung der Bruchspannung ver-schiedener Schädigungsmethoden

Bild 3-2 Zusammenhang zwischen Eindring-kraft und resultierender Bruchspannung

0.0

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Eindringkraft [mN]

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3 Experimentelle Untersuchungen

3.5 Vergleichsprobekörper

Zu jedem Probekörper, der im Dauerschwingversuch geprüft wurde, wurde ein Ver-gleichsprobekörper unter gleichen Versuchsbedingungen mit einer konstanten Span-nungsrate (dynamisch) belastet. Die Probekörper und die zugehörigen Vergleichsprobe-körper wurden jeweils im Wechsel geschädigt und im Wechsel geprüft. Hierdurch wur-de sichergestellt, dass eine Veränderung der eingebrachten Schädigung anhand der Vergleichsprobekörper erkennbar wird und sich diese dann durch den direkten Ver-gleich der einzelnen Probekörper mit ihren Vergleichsprobekörpern eliminiert. Eine Veränderung der eingebrachten Risse kann zum Beispiel durch die Abnutzung (Vergrö-ßerung der Spitzenausrundung) des verwendeten Diamanten hervorgerufen werden.

3.6 Versuchsaufbau und -durchführung

Die Dauerschwingversuche wurden in einem Doppelring-Biegeversuchsaufbau in einer Allround-Line Tisch-Prüfmaschine (Z050 THW) der Firma Zwick durchgeführt. Der Durchmesser des Lastrings betrug 80 mm; der Durchmesser des Stützrings 160 mm. Die Probekörper wurden zentrisch auf den Stützring gelegt. Der Lastring ist mit einer Aus-sparung versehen, um die Last über eine Kugel in den Lastring einzuleiten. Hierdurch ist der Lastring stets zentrisch ausgerichtet und ein gelenkiger Anschluss an den Last-ring ist garantiert.

Alle Prüfungen, die Rissinitiierung und die Lagerung bis zur Prüfung wurden in einem voll klimatisierten Laborraum in konstanten Umgebungsbedingungen durchgeführt. Die relative Luftfeuchte betrug 50 ± 3%; die Temperatur 22 ± 2 °C. Die exakten Umge-bungsbedingungen wurden für jeden Probekörper protokolliert.

Für die zyklischen Prüfungen wurde ein Skript verwendet, das eine Wegsteuerung der Maschine ermöglicht und gleichzeitig die maximalen Kräfte überprüft, um die auftre-tenden zeitabhängigen Verformungen der selbstklebenden Folie, des Versuchsaufbaus und der Kraftmessdose über eine Anpassung der maximalen Auslenkungen (Amplitu-den) auszugleichen. Als maximale Versuchsdauer wurde eine Zeit <100000 s gewählt. Um möglichst den gesamten Bereich der Ermüdungskurve mit einer möglichst kleinen Anzahl an Probekörpern und einer möglichst geringen Anzahl an Durchläufern (Probe-körper, die den Dauerschwingversuch überstehen) abzubilden, wurden die Versuche in Anlehnung an das interaktive Verfahren [16] zur Dauerschwingfestigkeitsprüfung durchgeführt. Anhand der Schätzfunktion nach Gl. 2.5, die im Laufe der Versuche an-gepasst wurde, wurde jeweils die Oberspannung des nächsten Probekörpers festgelegt. Zur Ermittlung des Einflusses der Belastung wurden in den einzelnen Serien unter-schiedliche Belastungsverläufe gefahren. Eine Übersicht der untersuchten Belastungs-verläufe ist in Bild 2-3 dargestellt.

Page 9: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

255Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

wurde im Bereich des Lastrings mit einer selbstklebenden Folie abgeklebt, um nach der Prüfung den Bruchursprung feststellen zu können.

3.4 Schädigung

Zur Minimierung der Streuung wurden die Probekörper definiert vorgeschädigt. Hierzu wurde mit einem Universal Surface Tester (UST-1000) der Firma Innowep ein Riss in den Probekörper initiiert. Mit dem UST-1000 kann die Oberflächen mit verschiedenen Tastern in einem Kraftbereich von 10-1000 mN entlang einer Geraden mechanisch abgetastet werden. Zur Risseinbringung in die Probekörper wurde ein konischer Dia-mant mit einem Öffnungswinkel von 120° verwendet, der mit einer Kraft von 500 mN (Eindringkraft) in die Oberfläche eingedrückt wurde. Hierbei entsteht eine Kratzfurche unter der weitaus tiefere, sehr spitze, mechanisch nicht messbare Tiefenrisse und Late-ralrisse entstehen [15]. Bei Vergleichen mit realen Oberflächenschäden von verwende-ten Fassadenscheiben hatte sich gezeigt, dass die mit einem 120°-Diamant eingebrach-ten Kratzer mit realen Kratzern vergleichbar sind [15]. Zudem hatte sich gezeigt, dass diese gut reproduzierbar sind (siehe Bild 3-1). Die Länge der Kratzer wurde auf 2 mm festgelegt, da bei Voruntersuchungen festgestellt wurde, dass der Zusammenhang zwi-schen Bruchspannung und Kratzerlänge oberhalb dieses Werts nicht mehr signifikant steigt. In Bild 3-2 ist der Zusammenhang zwischen der Eindringkraft und der resultie-renden Bruchspannung dargestellt. Der Zusammenhang ist im überprüften Kraftbereich annähernd linear. Die Kraft, mit der die Rissinitiierung vorgenommen wurde, wurde so festgelegt, dass die Bruchspannung etwa dem 5%-Fraktilwert der Bruchspannung von Floatglas (45 MPa) entspricht. Hierdurch wird gewährleistet, dass die Risstiefe der eingebrachten Kratzer der Risstiefe von im Bauwesen üblichen Schädigungen ent-spricht.

Bild 3-1 Streuung der Bruchspannung ver-schiedener Schädigungsmethoden

Bild 3-2 Zusammenhang zwischen Eindring-kraft und resultierender Bruchspannung

0.0

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Eindringkraft [mN]

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Pa]

3 Experimentelle Untersuchungen

3.5 Vergleichsprobekörper

Zu jedem Probekörper, der im Dauerschwingversuch geprüft wurde, wurde ein Ver-gleichsprobekörper unter gleichen Versuchsbedingungen mit einer konstanten Span-nungsrate (dynamisch) belastet. Die Probekörper und die zugehörigen Vergleichsprobe-körper wurden jeweils im Wechsel geschädigt und im Wechsel geprüft. Hierdurch wur-de sichergestellt, dass eine Veränderung der eingebrachten Schädigung anhand der Vergleichsprobekörper erkennbar wird und sich diese dann durch den direkten Ver-gleich der einzelnen Probekörper mit ihren Vergleichsprobekörpern eliminiert. Eine Veränderung der eingebrachten Risse kann zum Beispiel durch die Abnutzung (Vergrö-ßerung der Spitzenausrundung) des verwendeten Diamanten hervorgerufen werden.

3.6 Versuchsaufbau und -durchführung

Die Dauerschwingversuche wurden in einem Doppelring-Biegeversuchsaufbau in einer Allround-Line Tisch-Prüfmaschine (Z050 THW) der Firma Zwick durchgeführt. Der Durchmesser des Lastrings betrug 80 mm; der Durchmesser des Stützrings 160 mm. Die Probekörper wurden zentrisch auf den Stützring gelegt. Der Lastring ist mit einer Aus-sparung versehen, um die Last über eine Kugel in den Lastring einzuleiten. Hierdurch ist der Lastring stets zentrisch ausgerichtet und ein gelenkiger Anschluss an den Last-ring ist garantiert.

Alle Prüfungen, die Rissinitiierung und die Lagerung bis zur Prüfung wurden in einem voll klimatisierten Laborraum in konstanten Umgebungsbedingungen durchgeführt. Die relative Luftfeuchte betrug 50 ± 3%; die Temperatur 22 ± 2 °C. Die exakten Umge-bungsbedingungen wurden für jeden Probekörper protokolliert.

Für die zyklischen Prüfungen wurde ein Skript verwendet, das eine Wegsteuerung der Maschine ermöglicht und gleichzeitig die maximalen Kräfte überprüft, um die auftre-tenden zeitabhängigen Verformungen der selbstklebenden Folie, des Versuchsaufbaus und der Kraftmessdose über eine Anpassung der maximalen Auslenkungen (Amplitu-den) auszugleichen. Als maximale Versuchsdauer wurde eine Zeit <100000 s gewählt. Um möglichst den gesamten Bereich der Ermüdungskurve mit einer möglichst kleinen Anzahl an Probekörpern und einer möglichst geringen Anzahl an Durchläufern (Probe-körper, die den Dauerschwingversuch überstehen) abzubilden, wurden die Versuche in Anlehnung an das interaktive Verfahren [16] zur Dauerschwingfestigkeitsprüfung durchgeführt. Anhand der Schätzfunktion nach Gl. 2.5, die im Laufe der Versuche an-gepasst wurde, wurde jeweils die Oberspannung des nächsten Probekörpers festgelegt. Zur Ermittlung des Einflusses der Belastung wurden in den einzelnen Serien unter-schiedliche Belastungsverläufe gefahren. Eine Übersicht der untersuchten Belastungs-verläufe ist in Bild 2-3 dargestellt.

Page 10: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

256 Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

Die dynamischen Vergleichsprüfungen wurden mit einer kraftgesteuerten Prüfvorschrift mit einer konstanten Lastrate von 148,15 N/s, die einer Spannungsrate von 2 MPa/s entspricht, belastet.

Sowohl bei den zyklischen Prüfungen, als auch bei den dynamischen Prüfungen wurde nach Ende der Prüfung der Bruchursprung bestimmt. Probekörper deren Bruchursprung nicht der eingebrachten Schädigung entsprach, wurden aussortiert.

4 Ergebnisse und Auswertung

Die Ergebnisse der einzelnen Versuchsserien sind in Bild 4-2 bis 4-8 dargestellt. Ent-sprechend des Versuchskonzepts ist jeweils die Lebensdauer tf gegen das Verhältnis aus der Oberspannung σmax und der Bruchspannung der Vergleichsprobekörper σf,d semilo-garithmisch aufgetragen. Anhand der Ergebnisse ist der große Einfluss der zyklischen Belastungen auf die Festigkeit zu erkennen. Bei einer Belastung mit etwa 70% der mitt-leren dynamischen Bruchspannung tritt ein Bruch schon nach etwa 1000 s auf (Bild 4-2 bis 4-6). Bei einer Lebensdauer von 100000 s sinkt die Festigkeit auf etwa 50-60%; in Wasser sind es nur noch 40% (Bild 4-7).

Die mittlere Bruchspannung aller Vergleichsprobekörper (siehe Tabelle 4-1) beträgt 44,9 MPa (Serienmittel: 41,5 bis 47,4 MPa). Damit konnte das Ziel, Schädigungen einzubringen, die dem 5%-Fraktilwert von 45 MPa von Floatglas nach den Produkt-normen entsprechen, erreicht werden.

Zum Vergleich des Rissfortschritts unter dynamischer und zyklischer Beanspruchung und zur Prognose der Lebensdauer unter zyklischer Belastung wurden die Messwerte der Dauerschwingversuche mit folgenden iterativen Schritten angepasst:

1. Ermittlung des Risswachstumsparameters N unter dynamischer Belastung (siehe Bild 4-1)

2. Berechnung des Risstiefe a0 der Vergleichsprobekörper mit N und σf,d

3. Vorgeben eines (zyklischen) Risswachstumsparameters Nzyk

4. Berechnung des Flächenfaktors ζ durch Integration von Gl. 2.2 für die vorgegebene Spannungsfunktion

5. Prognose der Lebensdauer für jeden Probekörper

6. Regressionsanalyse mittels der Methode der kleinsten Quadrate (OLS) aus der Dif-ferenz zwischen Prognose des Lebensdauer und der Messung (iterative Durchfüh-rung der Punkte 3. bis 6.)

4 Ergebnisse und Auswertung

Der Risswachstumsparameter N wurde in einer Versuchsreihe mit Prüfungen mit ver-schiedenen Spannungsraten ermittelt. Aus den Mittelwerten der Bruchspannungen wur-de mittels Regression nach [17] ein Risswachstumsparameter von N = 14,2 abgeleitet. Üblicherweise liegt N für Kalk-Natron-Silikatglas zwischen 12 und 20. Der ermittelte Parameter liegt damit im erwarteten Bereich. Die Variation hängt unter anderem von der genauen chemischen Zusammensetzung des verwendeten Glases ab.

Neben den Messwerten ist den Diagrammen in Bild 4-2 bis 4-8 auch die Anpassung an Gl. 2.5 zu entnehmen. Es zeigt sich, dass die Funktion die Messwerte gut beschreiben kann. Für die Referenzserie in Bild 4-2 sind zusätzlich zur Ausgleichskurve prognosti-zierte Streubänder anhand der 5%- und 95%-Fraktile der Bruchspannungen der Ver-gleichsprobekörper dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Werte fast ausschließlich innerhalb dieses Intervalls liegen.

Anhand der Messwerte und der Ausgleichskurven lassen sich die in den Versuchsserien variierten Parameter vergleichen:

– Wie nach Gl. 2.2 zu erwarten, nimmt die Lebensdauer bei gleicher Oberspannung mit zunehmender Fläche unter der effektiven Spannungsfunktion ab. Zwischen der Referenzserie (schwingende Belastung; σmin = 0) und der Versuche (siehe Bild 4-5) mit einer Unterspannung von σmin = 0,5σmax zeigt sich zwar noch kein signifikanter Unterschied; bei einer Unterspannung von σmin = 0,8σmax wird die Differenz aber deutlich. Auch im Vergleich mit der dreiecksförmigen Schwingung (siehe Bild 4-4) zeigt sich, dass kein großer Unterschied zur Referenzserie auftritt. Die Messwerte der Bruchzeitpunkte unter trapezförmiger Schwingbelastung liegen allerdings deut-lich darunter.

– Die Messwerte mit verschiedenen Frequenzen (siehe Bild 4-3) zeigen keinen ein-deutigen Zusammenhang zwischen Lebensdauer und Frequenz. Die Lebensdauer fällt für f = 0,25 Hz am geringsten aus; für f = 0,1 Hz am höchsten. Dazwischen ord-nen sich die Ausgleichskurven für f = 0,01 Hz und der Referenzserie (f = 0,5 Hz) an. Dies deutet daraufhin, dass die Frequenz zumindest im untersuchten Frequenzbe-reich und darunter keinen Einfluss auf die Lebensdauer hat.

– Der größte Einfluss auf die Ermüdungsfestigkeit ergab sich bei der Durchführung der Versuche in destilliertem Wasser (siehe Bild 4-7). Entsprechend der Abhängig-keit der Risswachstumsgeschwindigkeit v von der relativen Luftfeuchte (siehe Bild 2-1) war dieser Effekt zu erwarten. Bezieht man die Oberspannung auf die Bruch-spannung von in destilliertem Wasser geprüften Vergleichsprobekörpern, zeigt sich keine große Abweichung zur Ausgleichskurve der Referenzserie.

– In der Praxis treten die periodisch wiederkehrenden Belastungen mit variierenden Oberspannungen auf und zwischen den Belastungen sind kleine bis große unbelaste-te Zeitspannen vorhanden. Um vom Ermüdungsverhalten auf die Betriebsfestigkeit schließen zu können und Rissheilungseffekte zu berücksichtigen, wurde eine Serie mit unterschiedlichen Belastungspausen Tr zwischen den einzelnen Schwingungen durchgeführt. Ein klarer Trend hinsichtlich der Lebensdauer ist nicht zu erkennen

Page 11: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

257Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

Die dynamischen Vergleichsprüfungen wurden mit einer kraftgesteuerten Prüfvorschrift mit einer konstanten Lastrate von 148,15 N/s, die einer Spannungsrate von 2 MPa/s entspricht, belastet.

Sowohl bei den zyklischen Prüfungen, als auch bei den dynamischen Prüfungen wurde nach Ende der Prüfung der Bruchursprung bestimmt. Probekörper deren Bruchursprung nicht der eingebrachten Schädigung entsprach, wurden aussortiert.

4 Ergebnisse und Auswertung

Die Ergebnisse der einzelnen Versuchsserien sind in Bild 4-2 bis 4-8 dargestellt. Ent-sprechend des Versuchskonzepts ist jeweils die Lebensdauer tf gegen das Verhältnis aus der Oberspannung σmax und der Bruchspannung der Vergleichsprobekörper σf,d semilo-garithmisch aufgetragen. Anhand der Ergebnisse ist der große Einfluss der zyklischen Belastungen auf die Festigkeit zu erkennen. Bei einer Belastung mit etwa 70% der mitt-leren dynamischen Bruchspannung tritt ein Bruch schon nach etwa 1000 s auf (Bild 4-2 bis 4-6). Bei einer Lebensdauer von 100000 s sinkt die Festigkeit auf etwa 50-60%; in Wasser sind es nur noch 40% (Bild 4-7).

Die mittlere Bruchspannung aller Vergleichsprobekörper (siehe Tabelle 4-1) beträgt 44,9 MPa (Serienmittel: 41,5 bis 47,4 MPa). Damit konnte das Ziel, Schädigungen einzubringen, die dem 5%-Fraktilwert von 45 MPa von Floatglas nach den Produkt-normen entsprechen, erreicht werden.

Zum Vergleich des Rissfortschritts unter dynamischer und zyklischer Beanspruchung und zur Prognose der Lebensdauer unter zyklischer Belastung wurden die Messwerte der Dauerschwingversuche mit folgenden iterativen Schritten angepasst:

1. Ermittlung des Risswachstumsparameters N unter dynamischer Belastung (siehe Bild 4-1)

2. Berechnung des Risstiefe a0 der Vergleichsprobekörper mit N und σf,d

3. Vorgeben eines (zyklischen) Risswachstumsparameters Nzyk

4. Berechnung des Flächenfaktors ζ durch Integration von Gl. 2.2 für die vorgegebene Spannungsfunktion

5. Prognose der Lebensdauer für jeden Probekörper

6. Regressionsanalyse mittels der Methode der kleinsten Quadrate (OLS) aus der Dif-ferenz zwischen Prognose des Lebensdauer und der Messung (iterative Durchfüh-rung der Punkte 3. bis 6.)

4 Ergebnisse und Auswertung

Der Risswachstumsparameter N wurde in einer Versuchsreihe mit Prüfungen mit ver-schiedenen Spannungsraten ermittelt. Aus den Mittelwerten der Bruchspannungen wur-de mittels Regression nach [17] ein Risswachstumsparameter von N = 14,2 abgeleitet. Üblicherweise liegt N für Kalk-Natron-Silikatglas zwischen 12 und 20. Der ermittelte Parameter liegt damit im erwarteten Bereich. Die Variation hängt unter anderem von der genauen chemischen Zusammensetzung des verwendeten Glases ab.

Neben den Messwerten ist den Diagrammen in Bild 4-2 bis 4-8 auch die Anpassung an Gl. 2.5 zu entnehmen. Es zeigt sich, dass die Funktion die Messwerte gut beschreiben kann. Für die Referenzserie in Bild 4-2 sind zusätzlich zur Ausgleichskurve prognosti-zierte Streubänder anhand der 5%- und 95%-Fraktile der Bruchspannungen der Ver-gleichsprobekörper dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Werte fast ausschließlich innerhalb dieses Intervalls liegen.

Anhand der Messwerte und der Ausgleichskurven lassen sich die in den Versuchsserien variierten Parameter vergleichen:

– Wie nach Gl. 2.2 zu erwarten, nimmt die Lebensdauer bei gleicher Oberspannung mit zunehmender Fläche unter der effektiven Spannungsfunktion ab. Zwischen der Referenzserie (schwingende Belastung; σmin = 0) und der Versuche (siehe Bild 4-5) mit einer Unterspannung von σmin = 0,5σmax zeigt sich zwar noch kein signifikanter Unterschied; bei einer Unterspannung von σmin = 0,8σmax wird die Differenz aber deutlich. Auch im Vergleich mit der dreiecksförmigen Schwingung (siehe Bild 4-4) zeigt sich, dass kein großer Unterschied zur Referenzserie auftritt. Die Messwerte der Bruchzeitpunkte unter trapezförmiger Schwingbelastung liegen allerdings deut-lich darunter.

– Die Messwerte mit verschiedenen Frequenzen (siehe Bild 4-3) zeigen keinen ein-deutigen Zusammenhang zwischen Lebensdauer und Frequenz. Die Lebensdauer fällt für f = 0,25 Hz am geringsten aus; für f = 0,1 Hz am höchsten. Dazwischen ord-nen sich die Ausgleichskurven für f = 0,01 Hz und der Referenzserie (f = 0,5 Hz) an. Dies deutet daraufhin, dass die Frequenz zumindest im untersuchten Frequenzbe-reich und darunter keinen Einfluss auf die Lebensdauer hat.

– Der größte Einfluss auf die Ermüdungsfestigkeit ergab sich bei der Durchführung der Versuche in destilliertem Wasser (siehe Bild 4-7). Entsprechend der Abhängig-keit der Risswachstumsgeschwindigkeit v von der relativen Luftfeuchte (siehe Bild 2-1) war dieser Effekt zu erwarten. Bezieht man die Oberspannung auf die Bruch-spannung von in destilliertem Wasser geprüften Vergleichsprobekörpern, zeigt sich keine große Abweichung zur Ausgleichskurve der Referenzserie.

– In der Praxis treten die periodisch wiederkehrenden Belastungen mit variierenden Oberspannungen auf und zwischen den Belastungen sind kleine bis große unbelaste-te Zeitspannen vorhanden. Um vom Ermüdungsverhalten auf die Betriebsfestigkeit schließen zu können und Rissheilungseffekte zu berücksichtigen, wurde eine Serie mit unterschiedlichen Belastungspausen Tr zwischen den einzelnen Schwingungen durchgeführt. Ein klarer Trend hinsichtlich der Lebensdauer ist nicht zu erkennen

Page 12: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

258 Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

(siehe Bild 4-6): Die Ausgleichskurve für Tr = 4 s liegt etwas oberhalb der Referenz-serie; die Ausgleichskurve für Tr = 15 min etwas darunter. Die Messwerte für eine Belastungspause von Tr = 24 Stunden ordnen sich allerdings alle leicht oberhalb der anderen Ausgleichskurven an, was auf Rissheilungseffekte hinweisen könnte.

– Zum Vergleich der Schädigungsmethode wurde eine Serie, bei der die Probekörper durch Vickerseindrücke geschädigt wurden, durchgeführt. Hierbei ist zu erkennen, dass sich die Messwerte auch für diese Schädigungen mit Gl. 2.5 prognostizieren lassen (siehe Bild 4-8). Die Ausgleichsgerade weicht etwas von der Referenzserie ab. Die Streuung der Bruchspannungen ist allerdings auch viel größer.

Die bei der Anpassung mittels Regressionsanalyse ermittelten zyklischen Risswachs-tumsparameter Nzyk und die resultierenden Flächenfaktoren ζ sind in Tabelle 4-1 zu-sammengestellt. Der Risswachstumsparameter variiert zwischen 12,7 und 14,7. Prinzi-piell liegen die ermittelten Werte damit im Bereich der üblichen Werte für statische und dynamische Belastungen und stimmen mit dem dynamisch ermittelten Wert von N = 14,2 überein. Dies deutet daraufhin, dass sich die Lebensdauer aufgrund einer Schadensakkumulation des dynamischen Risswachstums (Gl. 2.2) berechnen lässt und keine „wahren“ zyklischen Effekte auftreten. Tendenziell liegen die ermittelten Werte Nzyk aber geringfügig unterhalb von N = 14,2, was wiederum auf Einflüsse aus der zyk-lischen Belastung hindeuten könnte. In Bild 4-9 und 4-10 ist zum Vergleich eine An-passung mit dem Gesetz von Paris (Gl. 2.5) vorgenommen worden. Wie in Abschnitt 2 beschrieben zeigt sich, dass die Funktion aufgrund der Ähnlichkeit zu Gl. 2.2 zwar die Messwerte der Referenzserie gut annähern kann, eine Extrapolation auf pulsierende Belastungen oder variierende Frequenzen nicht möglich ist.

Tabelle 4-1 Zusammenstellung der Mittelwerte der Bruchspannungen der Vergleichsprobekörper der einzelnen Versuchsreihen und der bei der Anpassung mittels Regressionsanalyse ermittelten Risswachstumsparameter und Flächenfaktoren

Versuchsreihe

Dyn

amis

ch

Ref

eren

zser

ie

Freq

uenz

Bel

astu

ngs-

fu

nktio

n

Bel

astu

ngst

yp

Ris

shei

lung

Um

gebu

ngs-

bedi

ngun

gen

Schä

digu

ng

β = 2MPa/s - 0.25Hz 0.1Hz 0.01Hz Dreieck Trapez 0.5σmax 0.8σmax 4s 15min H2O Vickers

Rißwachstums-parameter

N/Nzyk 14,2 13,7 13,5 14,7 13,9 13,0 13,9 14,1 13,6 13,8 12,7 Nzyk=13,4

A=10 14,7

Flächenfaktor ζ - 0,871 0,870 0,877 0,872 0,816 0,956 0,897 0,931 0,823 0,814 0,820 0,829

Mittlere Bruch-spannung der

Vergleichsprobe-körper

σf,d [MPa]

- 46,4 47,4 41,5 45,3 43,1 44,1 44,7 44,7 45,6 45,9

37,1 (H2O) 45,9

(RH=50%)

48,9

4 Ergebnisse und Auswertung

Bild 4-1 Ermittlung des Risswachstumspara-meters N aus dynamischen Versuchen

Bild 4-2 Ergebnisse der Referenzserie: Sinus; schwellende Belastung; f = 0,5 Hz; RH = 50%

Bild 4-3 Ergebnisse der Frequenzserie mit f =0,25 Hz, f =0,1 Hz und f = 0,01 Hz

Bild 4-4 Ergebnisse einer Serie mit verschie-denen Belastungsfunktionen: Dreieck, Trapez

10

100

0.01 0.1 1 10 100

Mitt

lere

Bru

chsp

annu

ng [M

Pa]

Spannungsrate [MPa/s]

N = 14,2

1E+00

1E+01

1E+02

1E+03

1E+04

1E+05

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lebe

nsda

uer t

f

σmax/σf,d

0,25 Hz / Sinus / RH=50%0,25 Hz / Sinus / RH=50%95%-Fraktil5%-Fraktil

1E+00

1E+01

1E+02

1E+03

1E+04

1E+05

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0Le

bens

daue

r tf

σmax/σff,d

0.25Hz 0.25Hz0.1Hz 0.1Hz0.01Hz 0.01HzReferenz

1E+00

1E+01

1E+02

1E+03

1E+04

1E+05

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lebe

nsda

uer t

f

σmax/σf,d

Dreieck DreieckTrapez TrapezReferenz

Page 13: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

259Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

(siehe Bild 4-6): Die Ausgleichskurve für Tr = 4 s liegt etwas oberhalb der Referenz-serie; die Ausgleichskurve für Tr = 15 min etwas darunter. Die Messwerte für eine Belastungspause von Tr = 24 Stunden ordnen sich allerdings alle leicht oberhalb der anderen Ausgleichskurven an, was auf Rissheilungseffekte hinweisen könnte.

– Zum Vergleich der Schädigungsmethode wurde eine Serie, bei der die Probekörper durch Vickerseindrücke geschädigt wurden, durchgeführt. Hierbei ist zu erkennen, dass sich die Messwerte auch für diese Schädigungen mit Gl. 2.5 prognostizieren lassen (siehe Bild 4-8). Die Ausgleichsgerade weicht etwas von der Referenzserie ab. Die Streuung der Bruchspannungen ist allerdings auch viel größer.

Die bei der Anpassung mittels Regressionsanalyse ermittelten zyklischen Risswachs-tumsparameter Nzyk und die resultierenden Flächenfaktoren ζ sind in Tabelle 4-1 zu-sammengestellt. Der Risswachstumsparameter variiert zwischen 12,7 und 14,7. Prinzi-piell liegen die ermittelten Werte damit im Bereich der üblichen Werte für statische und dynamische Belastungen und stimmen mit dem dynamisch ermittelten Wert von N = 14,2 überein. Dies deutet daraufhin, dass sich die Lebensdauer aufgrund einer Schadensakkumulation des dynamischen Risswachstums (Gl. 2.2) berechnen lässt und keine „wahren“ zyklischen Effekte auftreten. Tendenziell liegen die ermittelten Werte Nzyk aber geringfügig unterhalb von N = 14,2, was wiederum auf Einflüsse aus der zyk-lischen Belastung hindeuten könnte. In Bild 4-9 und 4-10 ist zum Vergleich eine An-passung mit dem Gesetz von Paris (Gl. 2.5) vorgenommen worden. Wie in Abschnitt 2 beschrieben zeigt sich, dass die Funktion aufgrund der Ähnlichkeit zu Gl. 2.2 zwar die Messwerte der Referenzserie gut annähern kann, eine Extrapolation auf pulsierende Belastungen oder variierende Frequenzen nicht möglich ist.

Tabelle 4-1 Zusammenstellung der Mittelwerte der Bruchspannungen der Vergleichsprobekörper der einzelnen Versuchsreihen und der bei der Anpassung mittels Regressionsanalyse ermittelten Risswachstumsparameter und Flächenfaktoren

Versuchsreihe

Dyn

amis

ch

Ref

eren

zser

ie

Freq

uenz

Bel

astu

ngs-

fu

nktio

n

Bel

astu

ngst

yp

Ris

shei

lung

Um

gebu

ngs-

bedi

ngun

gen

Schä

digu

ng

β = 2MPa/s - 0.25Hz 0.1Hz 0.01Hz Dreieck Trapez 0.5σmax 0.8σmax 4s 15min H2O Vickers

Rißwachstums-parameter

N/Nzyk 14,2 13,7 13,5 14,7 13,9 13,0 13,9 14,1 13,6 13,8 12,7 Nzyk=13,4

A=10 14,7

Flächenfaktor ζ - 0,871 0,870 0,877 0,872 0,816 0,956 0,897 0,931 0,823 0,814 0,820 0,829

Mittlere Bruch-spannung der

Vergleichsprobe-körper

σf,d [MPa]

- 46,4 47,4 41,5 45,3 43,1 44,1 44,7 44,7 45,6 45,9

37,1 (H2O) 45,9

(RH=50%)

48,9

4 Ergebnisse und Auswertung

Bild 4-1 Ermittlung des Risswachstumspara-meters N aus dynamischen Versuchen

Bild 4-2 Ergebnisse der Referenzserie: Sinus; schwellende Belastung; f = 0,5 Hz; RH = 50%

Bild 4-3 Ergebnisse der Frequenzserie mit f =0,25 Hz, f =0,1 Hz und f = 0,01 Hz

Bild 4-4 Ergebnisse einer Serie mit verschie-denen Belastungsfunktionen: Dreieck, Trapez

10

100

0.01 0.1 1 10 100

Mitt

lere

Bru

chsp

annu

ng [M

Pa]

Spannungsrate [MPa/s]

N = 14,2

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1E+01

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1E+05

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lebe

nsda

uer t

f

σmax/σf,d

0,25 Hz / Sinus / RH=50%0,25 Hz / Sinus / RH=50%95%-Fraktil5%-Fraktil

1E+00

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0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lebe

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f

σmax/σff,d

0.25Hz 0.25Hz0.1Hz 0.1Hz0.01Hz 0.01HzReferenz

1E+00

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0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lebe

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f

σmax/σf,d

Dreieck DreieckTrapez TrapezReferenz

Page 14: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

260 Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

Bild 4-5 Ergebnisse der Versuche zum Belas-tungstyp: σmin = 0,5σmax, σmin = 0,8σmax

Bild 4-6 Ergebnisse der Serie Rissheilung mit verschieden Belastungspause: Tr = 4s, TR = 15 min, Tr = 24 h;

Bild 4-7 Ergebnisse einer Serie mit veränder-ten Umgebungsbedingungen (in dest. Wasser)

Bild 4-8 Ergebnisse einer Serie mit anderer Vorschädigungsmethode (Vickerseindruck)

1E+00

1E+01

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1E+05

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lebe

nsda

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f

σmax/σf,d

0.5σmax 0.5σmax 0.8σmax 0.8σmax Referenz

1E+00

1E+01

1E+02

1E+03

1E+04

1E+05

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lebe

nsda

uer t

f

σmax/σf,d

4s 4s15min 15min24h Referenz

1E+00

1E+01

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1E+04

1E+05

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lebe

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f

σmax/σdyn

H2OH2OH2O (H2O)H2O (RH=50%)Referenz

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0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

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f

σmax/σf,d

Vickers VickersReferenz

5 Fazit

Bild 4-9 Anpassung der Ergebnisse der Refe-renzserie mit dem Gesetz von Paris

Bild 4-10 Anpassung der Ergebnisse der Serie Belastungstyp mit dem Gesetz von Paris

5 Fazit

Die vorgestellten Ergebnisse der Dauerschwingversuche mit definiert vorgeschädigten Glasscheiben aus thermisch entspannten Floatgläsern aus Kalk-Natron-Glas zeigen, dass die Festigkeit unter zyklischer Belastung stark abnimmt. Periodisch wiederkehren-de Belastungen und die Lastgeschichte, die derzeit bei der Bemessung von Bauteilen aus Glas nur eingeschränkt erfasst werden, können damit einen großen Einfluss auf die Lebensdauer und die maximal aufnehmbare Zugspannung haben.

Die Versuche zeigen, dass die Ermüdungsfestigkeit im direkten Verhältnis zur stati-schen Festigkeit steht. Die ermittelten Risswachstumsparameter unter zyklischer Belas-tung zeigen nur geringfügige Abweichungen zu den unter dynamischer Belastung ermit-telten Risswachstumsparametern. Dies deutet daraufhin, dass im untersuchten Fre-quenzbereich keine oder nur geringe „wahre“ zyklische Ermüdungseffekte auftreten. Die Festigkeit kann daher im untersuchten Lastbereich anhand einer Schadensakkumu-lation mit den gängigen Risswachstumsgesetzen prognostiziert werden. Des Weiteren wird der Rissfortschritt unter zyklischer Belastung vorwiegend von zeitabhängigen Prozessen dominiert und kann nicht mit dem Gesetz von Paris (Rissfortschritt pro Last-wechsel) beschrieben werden.

1E+00

1E+01

1E+02

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0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Schw

ings

piel

e [n

]

σmax/σf,d

0,25 Hz / Sinus / RH = 50%Gesetz von Paris

1E+00

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0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Schw

ings

piel

e [n

]

σmax/σf,d

0,5σmax

0,8σmax

Paris (0,5σmax) Paris (0,8σmax)

Page 15: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

261Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

Bild 4-5 Ergebnisse der Versuche zum Belas-tungstyp: σmin = 0,5σmax, σmin = 0,8σmax

Bild 4-6 Ergebnisse der Serie Rissheilung mit verschieden Belastungspause: Tr = 4s, TR = 15 min, Tr = 24 h;

Bild 4-7 Ergebnisse einer Serie mit veränder-ten Umgebungsbedingungen (in dest. Wasser)

Bild 4-8 Ergebnisse einer Serie mit anderer Vorschädigungsmethode (Vickerseindruck)

1E+00

1E+01

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f

σmax/σf,d

0.5σmax 0.5σmax 0.8σmax 0.8σmax Referenz

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f

σmax/σf,d

4s 4s15min 15min24h Referenz

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0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

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σmax/σdyn

H2OH2OH2O (H2O)H2O (RH=50%)Referenz

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0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

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f

σmax/σf,d

Vickers VickersReferenz

5 Fazit

Bild 4-9 Anpassung der Ergebnisse der Refe-renzserie mit dem Gesetz von Paris

Bild 4-10 Anpassung der Ergebnisse der Serie Belastungstyp mit dem Gesetz von Paris

5 Fazit

Die vorgestellten Ergebnisse der Dauerschwingversuche mit definiert vorgeschädigten Glasscheiben aus thermisch entspannten Floatgläsern aus Kalk-Natron-Glas zeigen, dass die Festigkeit unter zyklischer Belastung stark abnimmt. Periodisch wiederkehren-de Belastungen und die Lastgeschichte, die derzeit bei der Bemessung von Bauteilen aus Glas nur eingeschränkt erfasst werden, können damit einen großen Einfluss auf die Lebensdauer und die maximal aufnehmbare Zugspannung haben.

Die Versuche zeigen, dass die Ermüdungsfestigkeit im direkten Verhältnis zur stati-schen Festigkeit steht. Die ermittelten Risswachstumsparameter unter zyklischer Belas-tung zeigen nur geringfügige Abweichungen zu den unter dynamischer Belastung ermit-telten Risswachstumsparametern. Dies deutet daraufhin, dass im untersuchten Fre-quenzbereich keine oder nur geringe „wahre“ zyklische Ermüdungseffekte auftreten. Die Festigkeit kann daher im untersuchten Lastbereich anhand einer Schadensakkumu-lation mit den gängigen Risswachstumsgesetzen prognostiziert werden. Des Weiteren wird der Rissfortschritt unter zyklischer Belastung vorwiegend von zeitabhängigen Prozessen dominiert und kann nicht mit dem Gesetz von Paris (Rissfortschritt pro Last-wechsel) beschrieben werden.

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]

σmax/σf,d

0,5σmax

0,8σmax

Paris (0,5σmax) Paris (0,8σmax)

Page 16: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

262 Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

Um präzisere Aussage hinsichtlich der zyklischen Ermüdungseffekte und präzisere Lebensdauerprognosen besonders für geringere Oberspannungen vornehmen zu können, sollte die Ermüdungsschwelle und die Eigenspannungen sowohl bei der Anpassung der Ergebnisse, als auch bei der Lebensdauerprognose durch numerische Integration be-rücksichtigt werden. Da anhand der Versuche keine eindeutige Aussage hinsichtlich des Einflusses von Belastungspausen auf die Ermüdungsfestigkeit getroffen werden konnte, diese aber in der Realität in variabler Dauer auftreten, soll der Einfluss aus Risshei-lungseffekten in einer weiteren Versuchsreihe geprüft werden. Zudem sollen die Ermü-dungsversuche auch auf thermisch vorgespannte Gläser (ESG, TVG) ausgedehnt wer-den und mit den Ergebnissen von Floatglas verglichen werden. Um den tatsächlichen Einfluss periodischer Belastungen auf die Versagenswahrscheinlichkeit von Bauteilen aus Glas durch probabilistische Modelle besser quantifizieren zu können, ist in weiteren Forschungsarbeiten neben der Widerstandsseite auch die Einwirkungsseite genauer zu untersuchen.

6 Literatur

[1] Y. Nakagami: “Probabilistic Dynamics of Wind Excitation on Glass Facade,” Technische Universität Darmstadt, 2003.

[2] “DIN EN 1991-1-4 Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen - Windlasten Ausgabe 2010-12.” Beuth Verlag, Berlin, 2010.

[3] “DIN 18008-1: Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln- Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen Ausgabe 2010-12.” Beuth Verlag, Berlin, 2010.

[4] T. C. Baker and F. W. Preston: “Fatigue of Glass under Static Loads,” Journal of Applied Physics, vol. 17, no. 3, pp. 170–178, 1946.

[5] L. Grenet, “Mechanical strength of glass,” Bull. Soc. Enc. Nat., Paris, vol. 5, no. 4, pp. 838–848, 1899.

[6] T. A. Michalske and S. W. Freiman: “A Molecular Mechanism for Stress Corrosion in Vitreous Silica,” Journal of the American Ceramic Society, vol. 66, no. 4, pp. 284–288, 1983.

[7] S. M. Wiederhorn: “Influence of Water Vapor on Crack Propagation in Soda-Lime Glass,” Journal of the American Ceramic Society, vol. 50, no. 8, pp. 407–414, 1967.

[8] M. Ciccotti: “Stress-corrosion mechanisms in silicate glasses,” Journal of Physics D: Applied Physics, 2009.

6 Literatur

[9] D. Maugis: “Review Subcritical crack growth, surface energy, fracture toughness, stick-slip and embrittlement,” Journal of Materials Science, vol. 20, pp. 3041–3073, 1985.

[10] C. Gurney and S. Pearson: “Fatigue of Mineral Glass under Static and Cyclic Loading,” Proceedings of the Royal Society of London. Series A, vol. 192, pp. 537–544, Mar. 1948.

[11] B.-T. Lü: “Fatigue strength prediction of soda-lime glass,” Theoretical and Applied Fracture Mechanics, vol. 27, pp. 107–114, 1997.

[12] J. R. Varner: “Fatigue and Fracture Behavior of Glasses,” Fatigue and Fracture of Composites, Ceramics, and Glasses, vol. 19, pp. 955–960, 1996.

[13] P. C. Paris and F. Erdogan: “A critical analysis of crack propagation laws,” J. Basic Engng. (ASME), vol. 85, pp. 528–539, 1963.

[14] “DIN EN 572-1 Glas im Bauwesen - Basis-Erzeugnisse aus Kalk-Natronsilicatglas Teil 1: Definitionen und allgemeine physikalische und mechanische Eigenschaften; Deutsche Fassung EN 572-1:2012.” Beuth Verlag, Berlin, 2012.

[15] J. Schneider, S. Schula, and W. P. Weinhold: “Characterisation of the scratch resistance of annealed and tempered architectural glass,” Thin Solid Films, vol. 520, no. 12, pp. 4190–4198, Apr. 2012.

[16] D. Radaj and M. Vormwald: "Ermüdungsfestigkeit," Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York, 2007.

[17] R. J. Charles: “Dynamic Fatigue of Glass,” Journal of Applied Physics, vol. 29, no. 12, p. 1657, 1958.

Page 17: Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Belastung

263Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas bei zyklischer Belastung

Um präzisere Aussage hinsichtlich der zyklischen Ermüdungseffekte und präzisere Lebensdauerprognosen besonders für geringere Oberspannungen vornehmen zu können, sollte die Ermüdungsschwelle und die Eigenspannungen sowohl bei der Anpassung der Ergebnisse, als auch bei der Lebensdauerprognose durch numerische Integration be-rücksichtigt werden. Da anhand der Versuche keine eindeutige Aussage hinsichtlich des Einflusses von Belastungspausen auf die Ermüdungsfestigkeit getroffen werden konnte, diese aber in der Realität in variabler Dauer auftreten, soll der Einfluss aus Risshei-lungseffekten in einer weiteren Versuchsreihe geprüft werden. Zudem sollen die Ermü-dungsversuche auch auf thermisch vorgespannte Gläser (ESG, TVG) ausgedehnt wer-den und mit den Ergebnissen von Floatglas verglichen werden. Um den tatsächlichen Einfluss periodischer Belastungen auf die Versagenswahrscheinlichkeit von Bauteilen aus Glas durch probabilistische Modelle besser quantifizieren zu können, ist in weiteren Forschungsarbeiten neben der Widerstandsseite auch die Einwirkungsseite genauer zu untersuchen.

6 Literatur

[1] Y. Nakagami: “Probabilistic Dynamics of Wind Excitation on Glass Facade,” Technische Universität Darmstadt, 2003.

[2] “DIN EN 1991-1-4 Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen - Windlasten Ausgabe 2010-12.” Beuth Verlag, Berlin, 2010.

[3] “DIN 18008-1: Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln- Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen Ausgabe 2010-12.” Beuth Verlag, Berlin, 2010.

[4] T. C. Baker and F. W. Preston: “Fatigue of Glass under Static Loads,” Journal of Applied Physics, vol. 17, no. 3, pp. 170–178, 1946.

[5] L. Grenet, “Mechanical strength of glass,” Bull. Soc. Enc. Nat., Paris, vol. 5, no. 4, pp. 838–848, 1899.

[6] T. A. Michalske and S. W. Freiman: “A Molecular Mechanism for Stress Corrosion in Vitreous Silica,” Journal of the American Ceramic Society, vol. 66, no. 4, pp. 284–288, 1983.

[7] S. M. Wiederhorn: “Influence of Water Vapor on Crack Propagation in Soda-Lime Glass,” Journal of the American Ceramic Society, vol. 50, no. 8, pp. 407–414, 1967.

[8] M. Ciccotti: “Stress-corrosion mechanisms in silicate glasses,” Journal of Physics D: Applied Physics, 2009.

6 Literatur

[9] D. Maugis: “Review Subcritical crack growth, surface energy, fracture toughness, stick-slip and embrittlement,” Journal of Materials Science, vol. 20, pp. 3041–3073, 1985.

[10] C. Gurney and S. Pearson: “Fatigue of Mineral Glass under Static and Cyclic Loading,” Proceedings of the Royal Society of London. Series A, vol. 192, pp. 537–544, Mar. 1948.

[11] B.-T. Lü: “Fatigue strength prediction of soda-lime glass,” Theoretical and Applied Fracture Mechanics, vol. 27, pp. 107–114, 1997.

[12] J. R. Varner: “Fatigue and Fracture Behavior of Glasses,” Fatigue and Fracture of Composites, Ceramics, and Glasses, vol. 19, pp. 955–960, 1996.

[13] P. C. Paris and F. Erdogan: “A critical analysis of crack propagation laws,” J. Basic Engng. (ASME), vol. 85, pp. 528–539, 1963.

[14] “DIN EN 572-1 Glas im Bauwesen - Basis-Erzeugnisse aus Kalk-Natronsilicatglas Teil 1: Definitionen und allgemeine physikalische und mechanische Eigenschaften; Deutsche Fassung EN 572-1:2012.” Beuth Verlag, Berlin, 2012.

[15] J. Schneider, S. Schula, and W. P. Weinhold: “Characterisation of the scratch resistance of annealed and tempered architectural glass,” Thin Solid Films, vol. 520, no. 12, pp. 4190–4198, Apr. 2012.

[16] D. Radaj and M. Vormwald: "Ermüdungsfestigkeit," Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York, 2007.

[17] R. J. Charles: “Dynamic Fatigue of Glass,” Journal of Applied Physics, vol. 29, no. 12, p. 1657, 1958.