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Untersuchungen zum Polymerisationsmechanismus der Gilch-Reaktion Vom Fachbereich Chemie der Technischen Universit¨ at Darmstadt zur Erlangung des akademischen Grades eines Doctor rerum naturalium (Dr. rer. nat.) genehmigte Dissertation vorgelegt von Dipl.-Chem. Jens Wiesecke aus Karlsruhe Berichterstatter: Prof. Dr. M. Rehahn Mitberichterstatter: Prof. Dr. M. Reggelin Tag der Einreichung: 15.12.2003 Tag der m¨ undlichen Pr¨ ufung: 09.02.2004 Darmstadt 2004 D17

Untersuchungen zum Polymerisationsmechanismus der ...tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/epda/000490/Dissertation...Untersuchungen zum Polymerisationsmechanismus der Gilch-Reaktion Vom Fachbereich

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  • Untersuchungen zum Polymerisationsmechanismus der Gilch-Reaktion

    Vom Fachbereich Chemie

    der Technischen Universität Darmstadt

    zur Erlangung des akademischen Grades eines

    Doctor rerum naturalium (Dr. rer. nat.)

    genehmigte

    Dissertation

    vorgelegt von

    Dipl.-Chem. Jens Wiesecke

    aus Karlsruhe

    Berichterstatter: Prof. Dr. M. Rehahn

    Mitberichterstatter: Prof. Dr. M. Reggelin

    Tag der Einreichung: 15.12.2003

    Tag der mündlichen Prüfung: 09.02.2004

    Darmstadt 2004

    D17

  • Der praktische Teil der vorliegenden Arbeit wurde im Zeitraum von Oktober 1999 bis Juli2003 im Arbeitskreis von Prof. Dr. M. Rehahn am Institut für Makromolekulare Chemie derTechnischen Universität Darmstadt durchgeführt.

    An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Prof. Dr. M. Rehahn für dass interessan-te und spannende Themengebiet bedanken, sowie für die vielen Anregungen und fachlichenHilfestellungen während der gesamten Arbeit.

    An die beiden Labornachbarinnen Julia Kubasch und Bettina Laube geht ein Dankeschönfür die kleine “Karlsruher Ecke“, die so manche unkonventionelle Lösung für die vielen klei-nen Probleme nach dem Umzug des Arbeitskreises von Karlsruhe nach Darmstadt gefundenhat. Julia Kubasch möchte ich besonders für die geduldige und kritische Durchsicht meinesManuskriptes in der letzten Phase vor der Abgabe danken.

    Bei Gabi Wittmann, Roland Klein und Jens Schierholz bedanke ich mich für den freundli-chen Empfang nach dem Umzug nach Darmstadt und für die Unterstützung bei den erstenSchritten im neuen Arbeitsumfeld.

    An die bei den beiden “Skilehrer“ Gabi Wittmann und Patrick Wittmeyer geht ein Dank fürdie schönen Skiurlaube im Zetterhäus’l in Tux.

    Bei Roland Klein möchte ich mich für die Unterstützung beim gemeinsamen Aufbau, derWartung und Instandhaltung des Computernetzwerks im Arbeitskreis bedanken.

    An Ingo Almeroth geht ein Dankeschön für die frühmorgendlichen Kreuzworträtsel und denstetigen Nachschub an frischem, absolutem THF.

  • Ulf Schroer gilt mein Dank für die Unterstützung bei der Inbetriebnahme der HPLC und denersten Messungen.

    Bei Michael Roth möchte ich mich für die vielen fachlichen Diskussionen zum Thema Orga-nische Leuchtdioden bedanken.

    An alle Mitglieder des Arbeitskreises an der Lichtwiese, sowie an die Kollegen in den Abtei-lungen Chemie und Analytik des DKI geht ein Dankeschön für die vielen heiteren Momentewährend meiner gesamten Zeit in Darmstadt.

    Bei Holger Heil möchte ich mich für die Erklärungen zum Thema Organische Leuchtdiodenund die Herstellung mehrerer Leuchtdioden aus “meinen“ Polymeren bedanken.

    Zum Schluss möchte ich noch ganz besonders Viviane danken, die mich über die ganze Promo-tionszeit nach besten Kräften unterstützt hat und mich vor allem in der hektischen Endphaseso manches Mal wieder aufgerichtet hat.

  • Inhaltsverzeichnis I

    Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 1

    1.1 Organische Leuchtdioden - OLEDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Kleine Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3 Polymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.4 Poly(p-phenylen-vinylen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    1.4.1 Veränderung der Emissionswellenlänge durch chemische Modifikation . 61.4.2 PPV-Synthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    1.4.2.1 Precursor-Routen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.4.2.2 Übergangsmetall-katalysierte Synthesen . . . . . . . . . . . . 111.4.2.3 Klassische Polykondensationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 151.4.2.4 Chemical Vapor Deposition (CVD) zur Herstellung von PPV 171.4.2.5 Elektropolymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

    2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 21

    2.1 Wessling-Route . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.2 Sulfinyl- und Sulfonyl-Route . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.3 Halogen-Precursor- bzw. Gilch-Route . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

    3 Aufgabenstellung 37

    4 Orientierende Studien zur Gilch-Polymerisation 39

    4.1 Monomersynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394.2 Allgemeine Vorgehensweise bei der Gilch-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . 414.3 Einfluss von Benzylhalogeniden als Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.4 Wirkung von halogenfreien Benzylverbindungen als Regler . . . . . . . . . . . 464.5 Zugabe von n-Butyllithium zur Polymerisationslösung . . . . . . . . . . . . . 484.6 Auswirkung von tert.-Butanol auf die Gilch-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . 504.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

    5 Verifizierung des radikalischen Charakters der Gilch-Reaktion 54

    5.1 Analyse der Produktzusammensetzung bei Variation der Menge an TEMPO . 595.2 Analyse der Gilch-Reaktion durch online-UV/Vis-Spektroskopie . . . . . . . . 635.3 Direkter Nachweis der Radikale durch ESR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

    6 Analyse der Nebenprodukte der Gilch-Reaktion 67

    6.1 Nachweis eines 1,2-Dichlor[2.2]paracyclophans . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676.2 Nachweis eines 1-Chlor[2.2]paracyclophan-1-ens . . . . . . . . . . . . . . . . . 786.3 Trennung der niedermolekularen Produkte der Gilch-Reaktion mit HPLC . . 79

  • Inhaltsverzeichnis II

    6.4 Isomere der [2.2]Paracyclophane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 846.5 Rückschlüsse auf den Polymerisationsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . 85

    7 Direkter Nachweis des α-Chlor-p-chinodimethans als Zwischenstufe der Gilch-

    Reaktion 88

    7.1 Abfangversuch mit 1,3-Diphenylisobenzofuran . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887.2 Die Gilch-Reaktion bei tiefen Temperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 897.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

    8 Zusammenfassung 99

    9 Präparativer Teil 103

    9.1 Monomersynthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1049.1.1 1-(2-Ethylhexoxy)-4-methoxybenzol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1049.1.2 2,5-Bis(chlormethyl)-1-(2’-ethylhexoxy)-4-methoxybenzol . . . . . . . 1059.1.3 1,4-Bis(hexoxy)benzol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1069.1.4 1,4-Bis(hexoxy)-2,5-bis(chlormethyl)benzol . . . . . . . . . . . . . . . 107

    9.2 Standardverfahren für die Gilch-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1079.2.1 Gilch-Reaktion unter Zugabe von Benzylhalogeniden als Regler . . . . 1089.2.2 Gilch-Reaktion unter Zugabe von halogenfreien Benzylverbindungen

    als Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1089.3 Trennung der Nebenprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

    9.3.1 1,2-Dichlor-7,12-bis(2’-ethylhexoxy)-4,15-dimethoxy-[2.2]paracyclophan 1109.3.2 1,2-Dichlor-4,15-bis(2’-ethylhexoxy)-7,12-dimethoxy-[2.2]paracyclophan 1119.3.3 1,2-Dichlor-4,12-bis(2’-ethylhexoxy)-7,15-dimethoxy-[2.2]paracyclophan 1129.3.4 1-Chlor-7,12-bis(2’-ethylhexoxy)-4,15-dimethoxy-[2.2]paracyclophan-1-

    en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1129.3.5 1-Chlor-4,12-bis(2’-ethylhexoxy)-7,15-dimethoxy-[2.2]paracyclophan-1-

    en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1139.4 Tieftemperatur NMR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

    9.4.1 α-Chlor-5-(2’-ethylhexoxy)-2-methoxy-p-chinodimethan . . . . . . . . 1149.4.2 α-Chlor-2-(2’-ethylhexoxy)-5-methoxy-p-chinodimethan . . . . . . . . 1149.4.3 α-Chlor-2,5-bis(hexoxy)-p-chinodimethan . . . . . . . . . . . . . . . . 114

    10 Literaturverzeichnis 116

  • 1 Einleitung 1

    1 Einleitung

    1.1 Organische Leuchtdioden - OLEDs

    Bereits 1977 konnten Heeger, MacDiamid und Shirakawa[1, 2] am Beispiel von Poly-acetylen zeigen, dass sich Polymere mit konjugiertem π-Elektronen-System durch Dotierungvon Isolatoren über Halbleiter in elektrische Leiter umwandeln lassen. Unter Dotierung ver-steht man dabei, dass dem konjugierten π-System des Polyacetylens durch partielle Reduktionbzw. Oxidation Elektronen zugefügt bzw. entnommen werden. Die dabei auf der Polymerket-te entstehenden Ladungen sind aufgrund der Konjugation nicht an einem bestimmtem Atomlokalisiert, sondern über mehrere Atome bzw. Atomgruppen hinweg delokalisiert. Beim Poly-acetylen sind dies im Mittel 15 CH-Einheiten. Das Ergebnis sind Materialien mit Leitfähig-keiten von bis zu 105 S cm−1, die als “organische Metalle“ bezeichnet werden.[3] Für ihrebahnbrechenden Arbeiten erhielten die Forscher im Jahr 2000 den Chemie-Nobelpreis.[3, 4, 5]

    Elektronen und Löcher können des Weiteren auch durch Anlegen einer Spannung in dasπ-System eines konjugierten organischen Materials injiziert werden. Unter dem Einfluss desanliegenden elektrischen Feldes wandern diese positiven bzw. negativen Ladungsträger dannin das Material hinein und somit aufeinander zu. Treffen sich ein Elektron und ein Lochauf einem Molekül, so rekombinieren sie dort unter Bildung eines elektronisch angeregtenZustandes. Dieser kann unter Emission von Licht in den Grundzustand relaxieren.

    Tang und VanSlyke konnten 1987 zeigen, dass sich kleine organische und metallorgani-sche Moleküle[6] als Emitter, in auf diese Weise arbeitenden Leuchtdioden (LEDs), eignen.Kurz darauf wurde von den Arbeitsgruppen um Friend und Holmes[7] (1990) gezeigt, dassauch Polymere mit konjugiertem π-Elektronen-System für den Einsatz als Elektronen- undLochleiter sowie als Emitter geeignet sind. Die so hergestellten LEDs werden als Organi-sche Leuchtdioden (OLEDs) bezeichnet. Abbildung 1 zeigt den schematischen Aufbau einereinfachen Organischen Leuchtdiode.

    durchsichtiges Substrat

    Anode (meist ITO - Indium-Zinn-Oxid)

    Kathode (z.B. Ca, Ba, Al)

    EmitterschichtU

    Lochleiterschicht

    Elektronen

    Löcher

    U

    Abbildung 1: Schematischer Aufbau und Funktionsweise einer OLED.

  • 1 Einleitung 2

    Die Herstellung einer OLED erfolgt, indem auf einem durchsichtigen Substrat wie z. B. Glaszunächst eine durchsichtige Elektrode - in der Regel Indium-Zinn-Oxid (ITO) - aufgebrachtwird. Als nächstes folgt eine Lochleiter-Schicht, die zum einen dazu dient, die Oberflächen-rauigkeit der ITO-Schicht auszugleichen und zum anderen, um die Injektion von Löchernaus dem ITO in die emittierende Schicht zu erleichtern. Anschließend bringt man die eigent-liche Emitter-Schicht auf. Im Falle von niedermolekularen Verbindungen geschieht dies durchein Aufdampfverfahren. Bei Polymeren finden lösungsgebundene Verfahren wie z. B. Spin-coating, Inkjet-printing oder Dip-coating Verwendung. Da die Emitterschichten meistens übereine ausreichende Elektronenleitfähigkeit verfügen, kann auf die Verwendung einer speziellenElektronenleiterschicht verzichtet werden. Abschließend wird die Kathode aufgedampft. Da-bei muss ein Metall verwendet werden, das über eine niedrige Austrittsarbeit verfügt (z. B.Calcium oder Barium), um in die Emitter-Schicht gut Elektronen injizieren zu können. Dadiese Metalle sehr empfindlich gegenüber Sauerstoff und Feuchtigkeit sind, werden die sohergestellten OLEDs entweder unter Inertgas-Atmosphäre gelagert und betrieben, oder siemüssen verkapselt werden. Da als Emitter sowohl “kleine Moleküle“ als auch Polymere zumEinsatz kommen, teilt man die Organischen Leuchtdioden in zwei Klassen ein: Small mole-cules organic light emitting diodes (SM-OLEDs) und Polymer organic light emitting diodes(POLEDs).

    1.2 Kleine Moleküle

    Als kleine Moleküle für organische Leuchtdioden werden unter anderem verdampfbare metall-organische Verbindungen verwendet (siehe Tabelle 1). Der erste Vertreter dieser Klasse, dasTris-8-hydroxychinolin-aluminium(III) (Alq3) 1, wurde in den späten achziger Jahren beiEastman Kodak entdeckt.[6] Bei der Verwendung von Alq3 als Emitter in SM-OLEDs findetdie Rekombination der Ladungsträger und somit auch die Lichtemission auf den Ligandendes Metallkomplexes statt. Eine weitere Klasse von Chelat-Verbindungen sind die Seltenerd-Komplexe. Im Gegensatz zu der zuvor genannten Verbindung geht bei den Seltenerd-Kom-plexen, wie dem Tris-(4,4,4,-trifluoro-1-(2-thienyl)-1,3-butandion)-1,10-phenanthrolin-europi-um(III) (Eu(TTFA)3Phen) 2, die Emission nicht vom Liganden aus, sondern vom Metall-zentrum.[8, 9, 10] Besonders interessant sind diese Verbindungen, da sie durch den d-f-Über-gang der Zentralionen relativ enge Emissionslinien zeigen. Des Weiteren kennt man bei denkleinen Molekülen die Klasse der Distyrylarylene. Diese wurden vor allem von der Firma Ide-mitsu Kosan untersucht. 4,4́-Bis(2,2-diphenylvinyl)biphenyl (DPVBi) 3 ist ein Beispiel fürdiese Verbindungen und kann auch als niedermolekulares Analogon zu den später vorgestell-ten Poly(p-phenylen-vinylen)en (PPVs) angesehen werden.[11] Da die Konjugationslänge imDPVBi relativ kurz ist, neigen diese Emitter dazu, im blauen Spektralbereich zu fluoreszieren.[12]

    Neuere Entwicklungen gehen von der Elektrolumineszenz, wie sie bei den bisherigen Ver-

  • 1 Einleitung 3

    bindungen vorherrscht, über zur Elektrophosphoreszenz. Der Unterschied zwischen beidenEmissionsformen ist der, dass bei der Lumineszenz nur die angeregten Singulettzustände un-ter Emission von Licht in den Grundzustand relaxieren können. Bei der Elektrophosphores-zenz kommt es jedoch durch das sog. intersystem crossing (ISC) sowohl zur lichtemittierendenRelaxation der angeregten Singulettzustände als auch der Triplettzustände. Dadurch kann dieQuantenausbeute bei den sog. Triplett-Emittern deutlich verbessert werden. Das erste Bei-spiel für einen solchen Emitter war das Platin-Porphyrin-Derivat PtOEP 4,[13] mit dem biszu 5,6 % externe Quantenausbeuten möglich sind.[14] Jüngste Entwicklungen auf dem Ge-biet der Triplett-Emitter basieren schließlich auf dem Fac-tris-2-phenylpyridin-iridium(III)(Ir(ppy)3) 5, das die Herstellung von SM-OLEDs mit einer externen Quantenausbeute vonbis zu 7,5 % ermöglicht.[15, 16]

  • 1 Einleitung 4

    Tabelle 1: Beispiele für kleine Moleküle, die in SM-OLEDs verwendet werden.

    Abkürzung und chemischer Name Strukturformel

    Alq3Tris-8-hydroxychinolin-aluminium(III)

    Al

    O N

    O

    N

    N

    O

    1

    Eu(TTFA)3PhenTris-(4,4,4,-trifluoro-1-(2-thienyl)-1,3-butandion)-1,10-phenanthrolin-europium(III) CF3

    O

    O

    S

    N

    N

    Eu

    3

    2

    DPVBi4,4́-Bis-(2,2-diphenylvinyl)biphenyl

    3

    PtOEP2,3,7,8,12,13,17,18-Octaethyl-21H,23H-porphyrin-platin(II) N

    N N

    N

    Pt

    4

    Ir(ppy)3Fac-tris-2-phenylpyridin-iridium(III)

    3

    N

    Ir

    5

  • 1 Einleitung 5

    1.3 Polymere

    Nach Entdeckung der Elektrolumineszenz in Poly(p-phenylen-vinylen) Anfang der neunzigerJahre in Cambridge[7] wurde eine ganze Reihe von Polymeren mit konjugiertem π-Elektronen-System auf ihre Eignung für den Einsatz in OLEDs untersucht. Dabei können die verschie-denen Polymere überwiegend den folgenden vier Gruppen zugeordnet werden: Poly(arylen-vinylen)e, Poly(phenylen-ethinylen)e, Poly(3-alkylthiophen)e und Poly(9,9-dialkylfluoren)e(Tabelle 2).

    Tabelle 2: Einige Beispiele für Polymere, die als Emitter in OLEDs verwendet werden.

    Polymer-Gruppe Beispiel

    Poly(arylen-vinylen)en

    PPVPoly(p-phenylen-vinylen)

    N

    n

    PPyVPoly(p-pyridyl-vinylen)

    S

    n

    PTVPoly(p-thienyl-vinylen)

    Poly(phenylen-ethinylen)en

    PPEPoly(p-phenylen-ethinylen)

    Poly(3-alkylthiophen)eS

    n-Hex

    n

    P3HTPoly(3-hexylthiophen)

    Poly(9,9-dialkylfluoren)e

    n-Hex n-Hex

    n

    PDHFPoly(9,9-dihexylfluoren)

    Im Gegensatz zu den meisten kleinen Molekülen zeigen Polymere gute filmbildende Eigen-schaften. Dünne Filme bzw. Schichten aus diesen Materialien können daher direkt aus Lösunghergestellt werden. Somit kann auf den aufwendigen Aufdampfprozess der Emittermateriali-en wie bei den SM-OLEDs verzichtet werden. Des Weiteren lassen sich so z. B. durch Spin-Coating grossflächige Leuchtdioden einfach herstellen. Der Nachteil ist jedoch, dass durch

  • 1 Einleitung 6

    den eingesparten Aufdampfprozess ein Reinigungsschritt wegfällt und daher erheblich höhereAnforderungen an die Reinheit der Polymere gestellt werden.

    Durch Veränderung der chemischen Struktur des Polymers kann die Emissionswellenlängein weiten Bereichen variiert werden. Die Möglichkeiten, die sich hieraus ergeben, sollen amBeispiel des Poly(p-phenylen-vinylen)s dargestellt werden.

    1.4 Poly(p-phenylen-vinylen)

    1.4.1 Veränderung der Emissionswellenlänge durch chemische Modifikation

    In welchem Bereich das Maximum der Emissionswellenlänge λmax von PPV-Derivaten durchEinfügen von Substituenten an der Polymerkette verändert werden kann, ist in Tabelle 3dargestellt. Geht man vom unsubstituierten PPV 8 aus, so kann man durch das Anbringenvon elektronenreichen Substituenten am Aromaten die Emissionswellenlänge in den rotenSpektralbereich verschieben (PPV → MEH-PPV). Werden zusätzlich noch elektronenziehen-de Cyano-Gruppen an der Doppelbindung eingeführt, so wird die Emissionswellenlänge nochgrößer (MEH-PPV → CN-PPV). Der Grund für die Veränderung der Emissionswellenlängeist die Verschiebung der Lage der Grenzorbitale (engl. highest occupied molecular orbital= HOMO; engl. lowest unoccupied molecular orbital = LUMO) und somit die Verände-rung des HOMO-LUMO-Abstands. In Abbildung 2 sind die Ergebnisse einer Berechnung derHOMO-LUMO-Lagen für unsubstituiertes PPV 8, Dimethoxy-PPV 11 und Tetramethoxy-dicyano-PPV 12 dargestellt.[17] Das Dimethoxy-PPV 11 kann dabei als Vertreter der elek-tronenreichen Dialkoxy-PPVs und das Tetramethoxy-dicyano-PPV 12 als Vertreter der elek-tronenarmen CN-PPVs angesehen werden.

    Das Anbringen von elektronenreichen Methoxy-Seitengruppen am PPV sorgt dafür, dassdas Energieniveau des HOMOs deutlich stärker angehoben wird als das des LUMOs. Dieshat eine Verkleinerung der Bandlücke von 2,3 eV im unsubstituierten PPV 8 auf 2,07 eV imDimethoxy-PPV 11 zur Folge (engl. push system). Bindet man nun zwei elektronenziehendeCyano-Gruppen an jede zweite Doppelbindung an, so wird das LUMO um rund 0,7 eVgegenüber dem des Dimethoxy-PPV 11 abgesenkt (engl. pull system). Gleichzeitig sinktdas Energieniveau des HOMO um lediglich 0,36 eV ab, sodass die Bandlücke nochmals um0,35 eV kleiner wird und somit die Emissionswellenlänge weiter ins Rote verschoben wird.Man spricht im Fall vom cyanosubstituierten Dialkoxy-PPVs von push-pull-Systemen. Eineweitere Verringerung der Bandlücke kann erreicht werden, indem der Benzolring durch einThiophen ersetzt wird. Da es sich beim Thiophen um einen elektronenreichen Heteroaromatenhandelt, wird die Emissionswellenlänge der Poly(p-thienyl-vinylen)e bis in den Infrarotbereichverschoben.[28]

    Möchte man die Emissionswellenlänge hingegen in den blauen Spektralbereich verschie-ben, so fügt man sterisch anspruchsvolle Substituenten in das PPV ein. Dadurch werden

  • 1 Einleitung 7

    Tabelle 3: Änderung von λmax durch Variation der chemischen Struktur

    Name und gebräuchliche Abkürzung Struktur λmax [nm]

    CN-PPV[18]

    Poly[2,5-bis(hexoxy)-p-phenylen-vinylen-(1-cyanovinylen)]

    CN

    NC

    OHex

    HexO

    OHex

    HexOn

    6

    710∗

    MEH-PPV[19, 20, 21]

    Poly[5-methoxy-2-(2’-ethylhexoxy)-p-phenylen-vinylen]

    MeO

    O

    CH3CH3

    n

    7

    565 (600)†

    580 (620)∗

    PPV[22, 23]

    Poly(p-phenylen-vinylen) n8

    551 (520)∗

    DP-PPV[24]

    Poly(2,5-bis(biphenyl)-p-phenylen-vinylen) n

    9

    488† / 504∗

    HP-PPV[25]

    OC8H17

    OC8H17

    H17C8O

    n

    10

    452† / 476∗

    ∗ Photolumineszenz gemessen im Film† Photolumineszenz gemessen in Lösung

  • 1 Einleitung 8

    Vakuum

    -2,65 eV-2,73 eV

    -5,05 eV -4,72 eV-5,08 eV

    -3,34 eVCa: -2,87 eV

    HOMO-LUMO-Abstand [eV]

    2,072,321,74

    bis

    ITO: -4,7 eV

    n

    OMe

    MeOn

    OMe

    MeO

    OMe

    MeO

    CN

    NCn

    ITO: -3,9 eV

    E

    12

    8 11

    Abbildung 2: Veränderung der HOMO-LUMO-Lagen des PPVs durch Änderung der Sub-stituenten. Die Austrittsarbeiten von Calcium und Aluminium sind [26] ent-nommen, die Austrittsarbeiten von ITO [27].

  • 1 Einleitung 9

    die Benzolringe aus der gemeinsamen Ebene mit den Vinylengruppen herausgedreht, waseine Verringerung der effektiven Überlappung des π-Elektronen-Systems zur Folge hat. Diesverkleinert die Konjugationslänge und verkürzt somit die Emissionswellenlänge (PPV → DP-PPV). Substituiert man die Phenyleneinheiten des PPV weiter mit Phenylsubstituenten, wiez. B. im HP-PPV, so wird die Konjugation entlang der Kette soweit reduziert, dass man dieeinzelnen Monomereinheiten – analog zu den kleinen Molekülen – als den eigentlichen Emitterauffassen kann. Die Folge ist, dass die Emissionswellenlänge des Polymers im Wesentlichenvon der Emissionswellenlänge des “Einzelemitters“ bestimmt wird.

    Der Spektralbereich, der mit den PPV-Derivaten abgedeckt werden kann, umfasst dengesamten sichtbaren Bereich. Die Poly(p-phenylen vinylen)e sind daher eine der am univer-sellsten einsetzbaren Polymere für OLEDs und daher auch wirtschaftlich in zunehmendenMaße von Interesse für die Verwendung in der kommerziellen Produktion von POLEDs fürz. B. Displays.

    1.4.2 PPV-Synthesen

    1.4.2.1 Precursor-Routen

    Da das unsubstituierte PPV weder löslich noch schmelzbar ist, kann es in seiner endgülti-gen Form auch nicht verarbeitet werden. Dieses Problem kann dadurch umgangen werden,dass das Monomer zunächst in ein noch lösliches Precursor-Polymer überführt wird. Die-ses Precursor-Polymer kann dann formgebend (z. B. zum Film) verarbeitet und anschlie-ßend durch z. B. thermische Eliminierung der Precursorfunktionen in die konjugierte Formüberführt werden. Schema 1 zeigt die unterschiedlichen Ansätze, die zur Herstellung vonPPV-Derivaten über Precursor-Routen verfolgt werden.

    Die Wessling-Route[29, 30, 31] (Route a) ist der Weg, der bei der Herstellung der Materia-lien für die ersten POLEDs verwendet wurde. Hierbei wird zuerst das Tetrahydrothiophen-sulfonium-Derivat 13 hergestellt und dieses in Wasser/Methanol in Gegenwart von Alkali-Hydroxiden polymerisiert. Das dabei entstehende Polymer 14 ist ein Polyelektrolyt und somitin polaren Lösungsmitteln wie Wasser oder Methanol löslich. Es wird anschließend durch Dia-lyse von Nebenprodukten befreit und aus Lösung auf das Substrat aufgetragen. Der letzteSchritt ist die thermische Eliminierung von Tetrahydrothiophen und HCl bei ca. 250 ◦Cim Vakuum.[7] Das Problem bei dieser Route ist, dass Reste der niedermolekularen Elimi-nierungsprodukte wie z. B. HCl oder Tetrahydrothiophen in der Polymerschicht verbleibenkönnen und sowohl die Effizienz als auch die Lebensdauer der daraus hergestellten OLEDsherabsetzen. Ein weiteres Problem ist die oft unvollständige Eliminierungsreaktion, sodassnicht konjugierte Einheiten im Polymer verbleiben. Auch das wirkt sich überaus negativ aufdie Effizienz und Lebensdauer der daraus hergestellten Bauteile aus.

    Bei den anderen Precursor-Routen entsteht im Gegensatz zur Wessling-Route kein Poly-

  • 1 Einleitung 10

    S+

    S+

    Cl-

    Cl-

    S

    Cl

    R

    O

    S

    Cl

    RO

    O

    S

    Cl

    S

    OR

    Cl

    Cl

    a

    b

    c

    d

    e

    S+

    n

    n

    Cl

    n

    S O

    R

    n

    S

    S

    OR

    n

    n

    R

    SO

    O

    Cl-

    13 14

    15 16

    8

    Schema 1: Precursor-Routen, die zur Herstellung von PPV-Derivaten benutzt werden. a)Wessling-Route; b) Sulfinyl-Route; c) Sulfonyl-Route; d) Xanthat-Route; e)Halogen-Precursor-Route (Gilch-Route)

  • 1 Einleitung 11

    elektrolyt als Precursor-Polymer. Die Polymere sind daher auch in organischen Lösungsmit-teln gut löslich und lassen sich somit gut charakterisieren. Ein wichtiger Vorteil z. B. derSulfinyl-Route[32, 33, 34] ist, dass das Polymer bei Raumtemperatur stabil ist und sich dem-zufolge durch Fällen isolieren und säubern lässt (Schema 1, Route b). Allerdings verläuft beidieser Route die abschließende Eliminierung oft nicht vollständig. Es verbleiben ca. 7 % annicht eliminierten Gruppen im Polymer. Gelan konnte jedoch durch 13C-Isotopenmarkierungan löslichen PPVs zeigen, dass sich durch Wiederholung des Eliminierungsschritts der Anteilan nicht eliminierten Gruppen nahezu vollständig beseitigen lässt.[35]

    Von der Sulfonyl-Precursor-Route (Schema 1, Route c) wurde berichtet, dass die hierdurchhergestellten Polymere Photolumineszenz-Ausbeuten von bis zu 12 % erreichen können.[36]

    Allerdings werden bei der Eliminierungsreaktion neben den Doppelbindungen auch gesättigteC2-Brücken zwischen den Benzolringen gebildet. Ab initio Rechnungen haben ergeben, dassder Grund hierfür das Auftreten von radikalischen Zwischenstufen während der Eliminierungsein könnte.[37] Des Weiteren konnten über Xanthat-Precursor-Polymere (Schema 1, Routed) PPV-POLEDs erhalten werden, die ebenfalls verbesserte Quantenausbeuten liefern.[38, 39]

    Der Grund für die Verbesserung der Effizienz ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedochdavon ausgegangen, dass die effektive Konjugationslänge eine entscheidende Rolle spielt.[36]

    Die letzte in Schema 1 dargestellte Variante der Precursor-Routen ist die sog. Halogen-Precursor- oder Gilch-Route. Dabei wird das 1,4-Bis-(chlormethyl)benzol-Derivat 15 als Mo-nomer eingesetzt. Dieses wird in Lösung bei Temperaturen von ca. 0 ◦C mit 0,7 – 0,9 eqBase zur Reaktion gebracht und anschließend ausgefällt.[40, 41, 42] Da die so im Polymer 16verbleibenden [-CHCl-CH2-]-Gruppen leicht zu [-CH=CH-]-Gruppen eliminieren, enthält dasisolierte Precursor-Polymer 16 immer auch schon einen kleinen Anteil an konjugierten Seg-menten. Will man diese zunächst unerwünschte Reaktion unterdrücken, muss das noch nichtkonjugierte Polymer in einem weiteren Schritt, z. B. durch Substitution der Chlor-Atomedurch Methoxy-Gruppen, stabilisiert werden (siehe Schema 2). Gibt man andererseits be-wußt einen Überschuss an Base zur Reaktionsmischung, so kann man mit der Gilch-Routedirekt PPV-Derivate herstellen.

    1.4.2.2 Übergangsmetall-katalysierte Synthesen

    1.4.2.2.1 Heck-Reaktion

    Außer auf den bisher beschriebenen Syntheserouten können PPVs auch durch Übergangs-metall-katalysierte Reaktionen hergestellt werden. Dazu zählen insbesondere die Heck- unddie Suzuki-Kupplung mit Palladium als Katalysator. Wie in Schema 3 dargestellt, werdenzur Herstellung von PPVs durch die Heck-Reaktion p-Divinylbenzol- 17 und p-Diiodbenzol-Derivate 18 eingesetzt. Setzt man diese Comonomere mit jeweils anderem Substitutionsmus-ter ein, so erhält man alternierende Copolymere 19.[43]

    Neben diesem Verfahren, das zu alternierenden Copolymeren führt, kann man auch durch

  • 1 Einleitung 12

    Cl

    Cl Cl

    n15 16

    OMe

    n

    Cl

    n-x

    x

    - x HCl

    n- n MeOH

    8

    0,9 eq

    Basen

    Schema 2: Halogen-Precursor-Route zur Herstellung von PPV-Derivaten und Stabilisierungder PPVs durch Substitution des Chlors.

    CH2

    CH2

    I I

    R

    R

    CH2 CH2

    CH2

    Br

    Br Br

    +

    +

    Pd

    n

    R

    Rn

    Pd

    17 1819

    20

    21 22

    8

    CH2

    1,1-Substitution

    23

    Pd

    n n

    n

    n n

    n/2

    Schema 3: Verschiedene Möglichkeiten der Heck-Reaktion, die zu PPVs führen, sowie Bil-dung 1,1-substituierter Einheiten in der Polymerkette, die als Defekte wirken.

  • 1 Einleitung 13

    Verwendung von p-Bromstyrol 20 sowie von 1,4-Dibrombenzol 21 und Ethylen 22 zu PPVgelangen.[44, 45] Sind keine löslichkeitsvermittelnden Seitenketten am Monomer vorhanden,so wird das entstehende Polymer bereits nach Verknüpfung weniger Wiederholungseinheitenunlöslich und fällt aus der Reaktionslösung aus. Somit lassen sich keine hohen Polymeri-sationsgrade erreichen. Des Weiteren ist die Heck-Reaktion nicht vollständig regioselektiv,sodass in Abhängigkeit vom Substituenten bis zu 20 % 1,1-Substitution der Ethyleneinheitenbeobachtet werden kann (vergleiche Abbildung 3).[46, 47] Diese führt zu einer Unterbrechungder Konjugation entlang der Kette und evtl. auch zu einem beschleunigten Versagen von ausdiesem Material hergestellten POLEDs.

    1.4.2.2.2 Suzuki-Kupplung

    Neben der Heck-Reaktion steht mit der Suzuki-Kupplung eine weitere palladiumkatalysierteReaktion zur Verfügung, mit der man substituierte PPV-Derivate herstellen kann. Dabeiwerden als Reaktanden z. B. 1,4-Aryldiboronsäuren 24 und 1,2-trans-Dibromethylen 25 inTHF/Wasser als Lösungsmittel umgesetzt (Schema 4).

    (HO)2B B(OH)2

    R1

    R2

    Br

    Br

    +Pd

    R1

    R2n

    24 25

    n n

    Schema 4: Suzuki-Kupplung zur Herstellung von PPV-Derivaten.

    Der Hauptvorteil der Suzuki-Kupplung gegenüber der Heck-Kupplung liegt in dem deutlichgeringeren Anteil an 1,1-Disubstitutionsprodukten.[48] Allerdings lassen sich durch die Heck-Kupplung deutlich einfacher alternierende Copolymere herstellen.

    1.4.2.2.3 McMurry-Reaktion

    Eine weitere Möglichkeit, um durch Übergangsmetall-Katalyse zu PPVs zu gelangen, istdie McMurry-Kupplung. Hierbei wird ein Terephthaldialdehyd-Derivat 26 an niedervalentemTitan umgesetzt.

    O

    OH

    H

    n-Hex

    n-Hex

    n-Hex

    n-Hexn

    Ti

    26 27

    n

    Schema 5: Umsetzung von Terephthaldialdehyden zu PPV.

  • 1 Einleitung 14

    Im vorliegenden Beispiel wurden als löslichkeitsvermittelnde Seitenketten zwei n-Hexyl-Substituenten pro Wiederholungseinheit angebracht. Dadurch ist sichergestellt, dass dasentstehende Polymer 27 während des gesamten Reaktionsverlaufes löslich bleibt. Trotzdemwurden mit dieser Methode lediglich Polymerisationsgrade von Pn = 30 erreicht.[49] Da dieMcMurry-Reaktion in heterogenen Systemen durchgeführt wird, verbleiben größere Mengenan Metallionen im Polymer und verunreinigen dieses massiv.

    1.4.2.2.4 Lebende Polymerisationen: Ring Öffnende Metathese Polymerisation

    (ROMP) und Acyclische Dien Metathese (ADMET)

    Die ROMP ermöglicht als lebende Polymerisation im Idealfall die Kontrolle über die Mol-masse der mit ihr hergestellten Produkte und führt gleichzeitig zu einer geringeren Polydis-persität. Grubbs nutzte diese Möglichkeiten und stellte aus dem Bis(carbonsäureester) desBicyclo[2.2.2]octa-4,7-dien-1,2-diols 28 zunächst das Precursor-Polymer 29 her. Dieses wirdanschließend durch thermische Eliminierung in das PPV 8 überführt (Schema 6).[50]

    OCOR

    OCOR

    ROMP

    ROCO OCORn n

    OTBDMS

    n

    n

    TBDMSO

    n

    ROMP

    2n

    28 29

    30 31

    8

    8

    Schema 6: Verschiedene Wege, um per ROMP zu PPVs zu gelangen.

    Später nutzten Bazan et al. das siloxysubstituierte [2.2]Paracyclophan-1-en 30, um zu-nächst per ROMP zu dem noch nicht vollständig konjugierten Polymer 31 zu gelangen.Dieses wurde anschließend thermisch unter gleichzeitiger cis/trans-Isomerisierung der bereitsbestehenden Doppelbindungen in das PPV 8 überführt.[51]

    Eine andere Methode, wie man unter Verwendung einer lebenden Polymerisation zum PPVgelangen kann, ist die Acyclische Dien-Metathese, kurz ADMET genannt. Bei ihr wird aus1,4-Divinylbenzol-Derivaten 32 unter Abspaltung von Ethylen direkt das PPV-Derivat 33hergestellt (Schema 7). Die treibende Kraft bei dieser Polymerisation ist die Abspaltungvon Ethylen, das aus dem Reaktionsgemisch entweichen kann. So wird es dem Gleichgewichtentzogen und damit sukzessive der Polymerisationsgrad erhöht. Je nach Seitenkette erreicht

  • 1 Einleitung 15

    CH2

    CH2

    R

    R

    ADMETn

    R

    Rn

    -n Ethylen

    R = C7H15 und OC7H15

    32 33

    Schema 7: Acyclische Dien-Metathese zur Herstellung von PPV-Derivaten.

    man so jedoch lediglich Polymerisationsgrade von Pn ≈ 12 (R = Alkyl) und Pn ≈ 4 (R =Alkoxy).[52, 53] Besonders sauerstoffhaltige Seitenketten behindern die Polyreaktion, da sieoffenbar als Donor den katalytisch aktiven Molybdän-Komplex stabilisieren und somit seineReaktivität vermindern. Wie bei allen Übergangsmetall-katalysierten Polymerisationen istauch bei der ROMP und der ADMET das im Polymer verbleibende Katalysator-Metall einProblem, da es die Lebensdauer der POLEDs herabsetzen kann.

    1.4.2.3 Klassische Polykondensationen

    1.4.2.3.1 Wittig- und Wittig-Horner-Reaktion

    O

    O

    R

    R

    H

    H P

    P

    R

    R

    (OEt)2

    O

    O

    (EtO)2

    +

    R

    Rn

    O

    O

    R

    R

    H

    H P

    P

    R

    R

    (C6H5)3

    (H5C6)3

    +Wittig

    Wittig-Horner

    R

    R R

    R

    R

    R

    n

    n n

    n n

    Schema 8: Wittig- und Wittig-Horner-Reaktion zur Herstellung von PPV-Derivaten.

    Die Wittig-Reaktion wurde schon in den 60er Jahren[54] zur Synthese von unsubstitu-iertem PPV durch Polykondensation verwendet. Da das entstehende gelbe Pulver erwar-tungsgemäß weder löslich noch schmelzbar war, waren weitergehende Untersuchungen des

  • 1 Einleitung 16

    Materials damals nahezu unmöglich. Ende der 60er Jahre stellte Höhrhold mit der Wittig-bzw. Wittig-Horner-Reaktion sowohl unsubstituiertes als auch mit Methyl- und Methoxy-Seitengruppen versehenes PPV her. Diese ersten Versuche, mittels Wittig-Reaktion zu lösli-chen PPV-Derivaten zu gelangen, ergaben allerdings lediglich PPVs, die einen erheblichen An-teil an cis-Doppelbindungen aufwiesen.[55] Erst die Verwendung der Wittig-Horner-Reaktionerlaubte es, lösliche PPV-Derivate mit all-trans-Konfiguration der Doppelbindungen her-zustellen (Schema 8).[56] Ein Vorteil bei dieser Reaktionsvariante ist des Weiteren, dasssich durch die Verwendung von unterschiedlich substituierten Terephthaldialdehyden undPhosphor-Verbindungen leicht streng alternierende Copolymere aufbauen lassen.

    1.4.2.3.2 Knoevenagel-Polykondensation

    Bei der Knoevenagel-Polykondensation wird ein Terephthaldialdehyd-Derivat 34 mit einerBis-(cyanomethyl)benzol-Verbindung 35 umgesetzt (Schema 9). Dabei entsteht das sog. CN-PPV 6.[18] Ähnlich wie bei der Wittig-(Horner-)Reaktion lassen sich so PPVs aufbauen, andenen verschiedene Substituenten streng alternierend angebracht sind. Ein weiterer Vorteildieser Reaktion ist, dass sich in einem einzigen Reaktionsschritt PPV-Derivate herstellenlassen, die an der Doppelbindung substituiert sind. Dies ist mit anderen Reaktionen wiez. B. den Precursor-Routen nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich. Die Knoevenagel-Polykondensation eignet sich daher besonders gut für die Synthese der elektronenarmen CN-PPV-Derivate wie z. B. 6.

    O

    O

    R1

    R1

    H

    H NC

    CN

    R2

    R2

    +

    R1

    R1

    R2

    R2

    NC

    CN

    n

    6

    34 35

    n n

    Schema 9: Knoevenagel-Polykondensation zur Herstellung von CN-PPVs.

  • 1 Einleitung 17

    1.4.2.4 Chemical Vapor Deposition (CVD) zur Herstellung von PPV

    1.4.2.4.1 CVD mit 1,9-Dichlor[2.2]paracyclophan

    Nachdem zur Herstellung des unsubstituierten PPVs zunächst nur lösungsgebundene Routenbekannt waren, benutzten Iwatsuki et al.[57] die Möglichkeiten der CVD (engl. chemicalvapor deposition), um aus 1,9-Dichlor[2.2]paracyclophan 36 zunächst das PPX-Derivat 16 alsFilm herzustellen. Bei Erwärmung auf 300 ◦C unter Schutzgas geht dieses unter Eliminierungvon HCl in das PPV 8 über (Schema 10).

    Cl

    Cl

    nPyrolyse

    2n

    580 °C

    Cl

    2n

    300 °C / N2

    - 2n HCl

    Cl

    < 90 °C

    2n

    1636 37

    8

    Schema 10: Herstellung von PPV-Filmen aus 1,9-Dichlor[2.2]paracylophan durch CVD.

    Mit dieser Technik konnten Filme mit einer Dicke von 10 bis 100 µm in guter Qualitäthergestellt werden. Der Nachteil bei dieser Route ist, dass zur Herstellung des Monomers1,9-Dichlor[2.2]paracyclophan 36 eine mehrstufige Synthese ausgehend von 1,9-Dihydroxy-[2.2]paracyclophan notwendig ist. Daher ist die Gesamtausbeute an PPV sehr gering. Einweiterer negativer Aspekt ist der Verbleib von Resten des niedermolekularen Eliminierungs-produkts (HCl) im Film. Dies kann zu einer Reduzierung der Lebensdauer derart hergestellterBauteile führen.

    1.4.2.4.2 CVD mit Bis(halogenmethyl)benzol

    Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung von PPV-Filmen mittels der CVD ist die Ver-wendung von 1,4-Bis(halogenmethyl)benzol-Derivaten, wie dem 1,4-Bis(chlormethyl)benzol15. Da diese Substanz kommerziell erhältlich ist, entfällt die aufwendige [2.2]Paracyclophan-synthese. Bei der PPV-Synthese wird zunächst durch Pyrolyse bei ca. 700 ◦C das Benzol-Derivat 15 in das α-Chlor-p-chinodimethan 37 überführt. Diese Verbindung polymerisiertbei Temperaturen von über 90 ◦C nicht, scheidet sich jedoch unter spontaner Polymerisationzum PPX-Derivat 16 an kalten Stellen ab (Schema 11).

    Diese Route wurde zuerst von Gorman[58] angewandt und später von Staring et al.[59] wieder aufgegriffen. Das Problem war anfänglich, dass neben HCl-Einschlüssen im Film

  • 1 Einleitung 18

    nPyrolyse

    700 °C / - n HCl

    200 - 250°CVakuum

    - n HCl

    Cl

    Cl

    Cl

    Polymerisation

    60 °C

    Cl

    n

    n

    15 37

    16

    n

    Schema 11: Herstellung von PPV-Filmen aus 1,4-Bis(chlormethyl)benzol 15 durch CVD.

    auch Carbonyl-Fehlstellen im Polymer vorhanden waren. 1997 berichtete Jensen, dass sichdas Problem der teilweisen Oxidation während der Filmpräparation durch ein sorgfältigesAusheizen der Reaktionskammer umgehen lässt.[60] Bei ihren Untersuchungen konnten Jen-sen et al. auch zeigen, dass sich das Aufwachsen des PPV-Films durch eine Behandlung derSubstratoberfläche mit Eisen verhindern lässt.[61] Der Grund für die Inhibierung der Poly-merisation durch Eisen ist noch nicht vollständig verstanden. Als mögliche Ursache gebendie Autoren eine “Passivierung“ des α-Chlor-p-Chinodimethans durch das Eisen an. UnterVerwendung von photolitographischen Techniken ließen sich so bereits PPV-Strukturen her-stellen, die lediglich 5 µm breit waren. Es handelt sich hierbei somit um einen interessantenAnsatz, PPV als Funktionsschicht in komplex aufgebaute Schaltkreise zu integrieren.

    Des Weiteren lässt sich das Elektrolumineszenz-Spektrum (EL-Spektrum) der PPV-Filmedurch Copolymerisation von 1-Chlor-p-chinodimethan 37 mit p-Chinodimethan 38 verän-dern. Dabei wird zunächst 1,4-Bis(chlormethyl)benzol 15 zusammen mit [2.2]Paracyclophan39 pyrolisiert und der gemeinsame Gasstrom auf einem kalten Substratträger copolymerisiert.Dabei wird durch den Einbau von p-Chinodimethan 38 in die Polymerkette die Konjugati-onslänge verkürzt und somit das EL-Spektrum zu kleineren Wellenlängen hin verschoben(siehe Schema 12).[62]

    1.4.2.5 Elektropolymerisation

    Neben den bisher vorgestellten chemisch-präparativen Methoden zur Herstellung von PPVund seinen Derivaten gibt es noch die Möglichkeit, PPV-Derivate per Elektropolymerisa-tion herzustellen. Eine gute Übersicht liefern Utley et al. in einem Artikel von 1992.[63]

    Bei der Herstellung von PPV durch Elektropolymerisation kann z. B. von dem α,α, α′, α′-Tetrahalogen-p-xylol-Derivat 40 ausgegangen werden (Schema 13).

    Die Ausgangsverbindung 40 wird zunächst durch Aufnahme eines Elektrons zum Radikal-Anion 41 reduziert. Dieses Anion reagiert durch Bromid-Abspaltung zum Radikal 41 weiter.

  • 1 Einleitung 19

    n

    600 - 700 °C

    2n

    2n

    39

    38

    Cl

    Cl

    Clm

    37

    15

    m

    600 - 700 °C

    - m HCl

    Cl

    m

    2n

    m

    - m HCl250 °C

    Schema 12: Herstellung von PPV-PPX-Copolymer-Filmen aus 15 und 39.

    n

    BrBr

    Br Br

    + 2n e

    40

    + e

    BrBr

    Br Br

    -

    .

    - Br -

    Br

    Br Br

    .

    + e

    - Br -

    Br

    Br

    41 42 43

    Br

    Br n

    8 44

    -- 2n Br

    - -

    -

    + n 43

    Schema 13: Mechanismus der Elektropolymerisation von 40 zum PPV 8.

  • 1 Einleitung 20

    Diese Zwischenstufe kann dann durch eine weitere Reduktion und die anschließende Bromid-Eliminierung zum p-Chinodimethan 43 weiterreagieren. Das 1,8-Dibrom-p-chinodimethanpolymerisiert dann auf der Quecksilber-Kathode zum Dibrom-PPX 44, das wiederum durchAufnahme von insgesamt zwei Elektronen und Abspaltung zweier Bromidionen pro Wiederho-lungseinheit zum PPV 8 weiterreagiert. Durch in situ-UV/Vis- und -ESR-Messungen konntevon Damlin et al. gezeigt werden, dass sowohl p-Chinodimethan-Spezies als auch Radikalewährend der Polymerisation entstehen.[64]

    Der besondere Vorteil dieser Route besteht darin, dass sich auch Monomere polymerisierenlassen, die unter den oftmals stark basischen Bedingungen der chemisch-präparativen Syn-theseverfahren zum PPV nicht stabil sind. Andererseits dürfen bei der Elektropolymerisationkeine leicht reduzierbaren Gruppen im Monomer vorhanden sein, da sonst keine Polymerisati-on einsetzt, sondern stattdessen lediglich die reduzierbare Gruppe des Monomers abreagiert.

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 21

    2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen

    zum PPV

    Bei der Diskussion der Eigenschaften, die ein PPV-Derivat aufweisen muss, damit es sicherfolgreich in POLEDs einsetzen lässt, spielen immer wieder molekulare Eigenschaften wiedie Konjugationslänge, das Molekulargewicht, dessen Verteilung und die Art und Anzahl vonDefekten am konjugierten π-System des Polymers eine wichtige Rolle. Um diese Polymer-eigenschaften in Zukunft gezielter einstellen zu können, bedarf es allerdings eines detail-lierten Verständnisses der Polymerisationsmechanismen, sowie evtl. vorgelagerter Prozesse.Unter den bisher vorgestellten Synthesewegen haben sich die Precursor-Routen und bei derkommerziellen Herstellung von löslichen PPV-Derivaten insbesondere die Gilch-Reaktion alsein sehr vielversprechender Reaktionsweg herausgestellt. Bei der Gilch-Reaktion wird ein 1,4-Bis(halogenmethyl)benzol-Derivat 45 als Monomer eingesetzt und mit einem großen Über-schuss an Base wie z. B. Kalium-tert.-butanolat in einem einzigen Schritt zum konjugiertenPPV-Derivat umgesetzt (Schema 14). Der besondere Vorteil bei der Gilch-Reaktion ist, dasssie zum einen als Precursor-Route geführt werden kann, wenn Basenunterschuss verwendetwird, andererseits - ist genug Base vorhanden - auch ohne weiteren Reaktionsschritt zurSynthese des konjugierten PPV führt.

    Cl

    Cl

    R1

    R2

    4 - 12 eq Basen

    - 2n HCl

    R1

    R2n

    45

    Schema 14: Gilch-Reaktion zur Herstellung von PPV-Derivaten.

    Der Kenntnisstand zum Polymerisationsmechanismus ist allerdings gerade für die Gilch-Reaktion und die verwandten Precursor-Routen wie die Wessling-, Sulfinyl- und Sulfonyl-Route noch sehr unterschiedlich. Daher wird im folgenden Kapitel zunächst dargelegt, waszum Polymerisationsmechanismus der einzelnen Syntheserouten bereits bekannt ist.

    2.1 Wessling-Route

    In einem 1968 von Kanbe und Okawara veröffentlichten Artikel[65] sowie in dem eben-falls 1968 zugeteilten Patent von Wessling[29] werden keine näheren Angaben über denPolymerisationsmechanismus dieses PPV-Syntheseverfahrens gemacht. Auch in dem 1972veröffentlichten Nachfolgepatent[30] sind keinerlei Aussagen zum Polymerisationsmechanis-mus der Wessling-Route zu finden. Erst Hörhold unterbreitete 1978 einen Mechanismus-vorschlag für die Polymerisation zum Precursorpolymer (vergleiche Schema 15).[66] Dabei

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 22

    wurde zunächst angenommen, dass das Monomer 46 durch die Base deprotoniert und in dasYlid 47 umgewandelt wird (Schema 15). Das Ylid spaltet Dimethylsulfid ab und wandelt sichzum p-Chinodimethan-Derivat 48 um. Dieses reagiert schließlich zum Precursor-Polymer 49.Hörhold konnte nachweisen, dass bereits bei einer Zugabe von nur 0,5 eq Base pro MolMonomer hochmolekulares Precursor-Polymer 49 gebildet wird. Sollte es sich bei der Poly-merisation um eine Stufenwachstumsreaktion handeln, so wäre bei der Menge von nur 0,5 eqBase pro Mol Monomer lediglich mit dem Dimer 50 zu rechnen (Schema 16). Weiter konn-te durch in-situ-UV/Vis-Messungen gezeigt werden, dass die postulierte p-Chinodimethan-Spezies 48 tatsächlich während der Reaktion auftritt. Die Existenz des Ylids 47 - Vorstufe zurp-Chinodimethan-Spezies 48 - wurde von ihm allerdings nicht direkt nachgewiesen (Schema15).

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    CH3

    CH3 HH OH-

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    CH3

    CH3-

    CH2

    S+

    CH3

    CH3

    Cl -

    Cl - Cl -

    Cl -

    S+

    CH3

    CH3

    n

    Cl -

    46 47

    4849

    - SMe2

    + n 48

    Schema 15: Der von Hörhold vorgeschlagene Polymerisationsmechanismus bei derWessling-Route.

    Andererseits konnte Hatch bereits 1969 zeigen, dass die monofunktionelle VerbindungBenzyldimethylsulfoniumchlorid 51 in wässriger Lösung unter Einwirkung von Hydroxid-Ionen deprotoniert wird und anschließend sowohl mit Benzaldehyd als auch mit Formalde-hyd zu Epoxiden abreagiert (Schema 17).[67] Das erlaubt den Schluss, dass auch bei derWessling-Route intermediär ein Ylid entsteht. Damit waren bereits 1978 durch die Arbeitenvon Hatch und Hörhold sämtliche Intermediate der Wessling-Route nachgewiesen. Diesich anschließende Frage, ob es sich bei der Polymerisation um einen anionischen oder einenradikalischen Wachstumsmechanismus handelt, wurde dann allerdings nicht weiter diskutiert.Erst 1985 griff Wessling diese Frage auf und postulierte einen radikalischen Mechanismus.Dabei nahm er ein in-situ entstehendes diradikalisches Dimer 52 als Initiator an (Schema18).[31] Für die selektive Kopf-Kopf-Kupplung der p-Chinodimethan-Spezies 48 gibt Wess-ling keine Begründung. Er weist allerdings darauf hin, dass dieses Dimer nicht cyclisierenkann, da sich die beiden kationischen Enden abstoßen.

    Als Nächster griff Lahti 1988 die Untersuchung des Polymerisationsmechanismus der

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 23

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    CH3

    CH3

    - SMe2

    Cl -

    Cl -

    S+

    CH3

    CH3

    n

    Cl -

    46

    49

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    CH3

    CH3

    Cl -

    Cl -

    CH2

    S+

    CH3

    CH3 Cl-

    4846

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    S+

    CH3

    CH3

    CH3

    CH3

    Cl -

    Cl -

    Cl -

    50

    Stufenwachstum

    1,6-Polymerisation

    - SMe2

    + Base

    + Base

    - Cl-

    - Cl-

    + n 48

    Schema 16: Von Hörhold diskutierte Möglichkeiten zur Bildung von 49.

    S+

    CH3

    CH3

    HHOH

    S+

    CH3

    CH3

    -

    Cl -

    O

    H S+

    O

    CH3

    CH3

    O51-SMe2

    -

    -

    Schema 17: Reaktion des Benzyldimethylsulfonium-Ylids 51 mit Benzaldehyd zum Epoxid.

    CH2

    S+

    CH3

    CH3 Cl-

    2

    S+

    S+

    CH3

    CH3

    CH3

    CH3

    H

    H

    Cl -

    Cl -

    48 52

    Schema 18: Von Wessling als Initiator der Wessling-Route angenommenes radikalischesDimer 52.

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 24

    Wessling-Route auf.[68] In dieser Arbeit wurde durch in-situ-UV/Vis-Messungen erneut dieEntstehung der p-Chinodimethan-Spezies 48 nachgewiesen. Weiter konnte durch in-situ-NMR-Messungen gezeigt werden, dass bei Temperaturen von -50 ◦C in CD3OD/NaOCD3als Lösungsmittel lediglich ein Wasserstoff-Deuterium-Austausch über das Ylid stattfindet,jedoch keine Reaktion zum p-Chinodimethan 48 und keine Polymerisation (vergleiche Sche-ma 19). Erst das Anheben der Temperatur auf Werte von T > -40 ◦C führt zum Einsetzen derPolymerisation des p-Chinodimethans. Sollten während der Polymerisation Radikale entste-hen, so müssten diese mit persistenten Radikalen wie dem 2,2,6,6-Tetramethylpiperidin-N -oxyl (TEMPO) rekombinieren. Daher untersuchte Lahti, ob TEMPO während der Reaktionverbraucht wird. Dazu wurde eine Lösung von 46 in ein ESR-Röhrchen gegeben und dasESR-Signal des TEMPOs während des sich anschließenden Reaktionsverlaufs beobachtet.[68]

    Da keine Verringerung der Signalintensität während der Reaktion festgestellt werden konnte,obwohl Polymer gebildet wurde, wurde von Lahti et al. der radikalische Polymerisationsme-chanismus ausgeschlossen. Dafür schlugen sie einen alternativen Reaktionsmechanismus vor,der über ein anionisches Kettenwachstum verlaufen sollte (Schema 20).

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    CH3

    CH3-

    Cl -

    Cl - Cl -

    46 47

    CD3O-

    S+

    CH3

    CH3

    S+

    CH3

    CH3 H D

    Cl -

    Cl -

    46'

    CD3OD

    - 50 °C CH2

    S+

    CH3

    CH3

    48

    Schema 19: Der bei -50 ◦C stattfindende Wasserstoff-Deuterium-Austausch.

    Hall untersuchte 1988 die spontane Polymerisation des 7,8-Bis(ethoxycarbonyl)-7,8-di-cyano-p-chinodimethans 53.[69] Dabei konnte beobachtet werden, dass die Polymerisationauch in saurer Lösung stattfindet. Dies schließt einen anionischen Polymerisationsmechanis-mus definitiv aus. Die Zugabe von TEMPO zur angesäuerten Reaktionslösung konnte diePolymerisation jedoch komplett unterdrücken. Daher gehen die Autoren in diesem Artikeldavon aus, dass es sich bei der Polymerisation um einen radikalischen Mechanisums handelt.Des Weiteren folgerten sie, dass es sich bei der initiierenden Spezies um das dimere Diradikal54 handelt (Schema 21). Der Beweis für einen dimeren Initiator konnte jedoch nicht erbrachtwerden. Obwohl es sich bei der Publikation um keinen direkten Beitrag zur Wessling-Route

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 25

    Nuc-

    CH2

    S+

    CH3

    CH3

    CS+

    CS

    + CH3

    CH3

    CH3

    CH3

    H

    H

    Cl -

    Cl -

    Cl -

    Wessling-Mechanismus

    S+

    CH3

    CH3

    Nuc

    -

    S+

    CH3

    CH3

    n

    nucleophiles Anion

    + n 48 + n 48

    52

    48

    Schema 20: Von Lahti vorgeschlagener anionischer Mechanismus der Wessling-Route.

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 26

    handelt, so zeigt er doch, dass zumindest bestimmte p-Chinodimethan-Derivate wie z. B. 53nicht anionisch polymerisieren.

    COOEtNC

    EtOOC CN

    COOEtNC

    EtOOC CN

    C

    NC

    C

    COOEt

    EtOOC

    CN

    CNEtOOC

    EtOOC CNn

    53 54

    2

    EtOOC

    NC COOEt

    CN

    Schema 21: Von Hall vorgeschlagener Mechanismus der spontanen Polymerisation von 7,8-Bis(ethoxycarbonyl)-7,8-dicyano-p-chinodimethan 53.

    Die nächste Publikation, die sich direkt mit der Wessling-Route befasste, erschien 1989 vonLenz et al.[70] Hier wurde beschrieben, dass die Zugabe eines nicht mit Wasser mischbarenorganischen Extraktionsmittels die Reaktionsgeschwindigkeit und die Ausbeute an Polymererhöht. Die Autoren geben als Grund für diese Beobachtung an, dass durch das organischeExtraktionsmittel das Reaktionsprodukt SMe2 aus dem wässrigen Polymerisationsmediumentfernt und somit die Eliminierungsreaktion vom Ylid zum p-Chinodimethan beschleunigtwird. Dies hat zur Folge, dass die Konzentration an reaktivem p-Chinodimethan erhöht wird.Es werden jedoch keine weiteren Argumente für einen anionischen Wachstumsmechanismusaufgeführt, obwohl auch in diesem Artikel von einem anionischen Polymerisationsmechanis-mus ausgegangen wird.

    Als Nächster befasste sich Hsieh mit dem Mechanismus der Wessling-Route.[71] Er konntewiederum durch online-UV/Vis-Spektroskopie die Entstehung der p-Chinodimethan-Speziesverfolgen. Weitergehende Untersuchungen zum Mechanismus der Polymerisation wurden vonihm nicht beschrieben. Allerdings vertrat Hsieh prinzipiell die Auffassung, dass es sich beider Reaktion um eine anionische Polymerisation handelt.

    1992 veröffentlichte Lahti einen Artikel, in dem die Vielseitigkeit der in-situ-UV/Vis-Spektroskopie bei der Untersuchung der Wessling-Route dargestellt wird.[72] Dabei konntegezeigt werden, dass auch bei der Verwendung von Ausgangsverbindungen wie 55 oder 57entsprechende chinoide Zwischenstufen wie 56 und 58 auftreten (Schema 22).

    Über den Mechanismus zur Bildung der Precursor-Polymere selbst, findet sich in diesemArtikel keine Aussage. Zeitgleich erschien jedoch ein weiterer Artikel von Lahti, in dem de-tailliert auf den Mechanismus der Polymerisation eingegangen wird.[73] Die Autoren untersu-chen in diesem Artikel, welche Auswirkungen auf das Precursor-Polymer zu beobachten sind,wenn man der Reaktionslösung von Beginn an klassische Inhibitoren bzw. Regler für radi-

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 27

    SCH2

    S+

    S

    CH2

    S+

    S

    S+

    S+

    S

    S+

    S+

    OH-

    OH-

    Cl-

    Cl-

    Cl-

    Cl-

    Cl-

    Cl-

    55 56

    57 58

    Schema 22: Beispiele für chinoide Zwischenstufen, die sich mittels UV/Vis-Spektroskopiebei der Wessling-Route nachweisen lassen.

    kalische Polymerisationen zugibt. Anschließend wurde auch die Auswirkung von persistentenRadikalen wie dem TEMPO oder dem 2,2-Di(4-tert-octylphenyl)-1-picrylhydrazyl (DPPH)auf die erhaltenen Polymere untersucht. Dazu wurden verschiedene Polymerisationen mit derAusgangsverbindung 46 in Wasser bzw. Wasser/Methanol-Gemischen bei 0 ◦C mit Natrium-hydroxid als Base durchgeführt. Dabei wurden der Reaktionslösung jeweils unterschiedlicheMengen der in Tabelle 4 aufgeführten Verbindungen zugesetzt. Nachdem die Reaktion danndurch Zugabe von HCl abgebrochen war, wurde der Einfluss der unterschiedlichen Zusätzeauf das Polymer mittels GPC untersucht. Eine Übersicht über die Zusätze und die dabeierhaltenen Beobachtungen ist in Tabelle 4 dargestellt.

    Wie man sieht, zeigen klassische Radikalüberträger wie Thiole und Phenole keine Wirkungauf die Molmasse. Sie werden vermutlich deprotoniert und können daher nicht in die Reaktioneingreifen. Weiter zeigt sich, dass Styrol nicht in wachsende Ketten einpolymerisiert. Anthra-cen und DPE haben dagegen einen deutlichen Einfluss auf das entstehende Polymer. Durch siewird das Molekulargewicht um den Faktor 10 herabgesetzt. Mit online-UV/Vis-Spektroskopielässt sich zeigen, dass bei Zugabe von Anthracen und 1,1-Diphenylethylen (DPE) die Absorp-tionsbande der p-Chinodimethan-Zwischenstufe deutlich schneller abklingt als ohne Additiv.Offenbar können Anthracen und DPE bereits auf der Stufe des p-Chinodimethans 48 indie Reaktion eingreifen. Anhand dieser Beobachtungen kann deswegen nicht direkt auf denPolymerisationsmechanismus geschlossen werden. Auffällig ist jedoch, dass durch die Zugabevon 0,1 eq TEMPO bzw. DPPH die Polymerisation komplett inhibiert wird. Da gleichzeitiggezeigt werden konnte, dass die Zugabe dieser persistenten Radikale keinen Einfluss auf dieBildungs- und Abnahmegeschwindigkeit der p-Chinodimethan-Zwischenstufe 48 hat, kann

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 28

    Tabelle 4: Auswirkungen verschiedener Zusätze bei der Wessling-Route.

    zugegebenes Additiv Wirkung

    Thiole und Phenole keine Veränderung der Molmasse

    0,1 eq Styrol keine Veränderung der Molmasse

    0,1 eq Anthracen Mw um Faktor 10 verringert

    0,1 eq 1,1-Diphenyl-ethylen (DPE) Mw um Faktor 10 verringert

    0,1 eq TEMPO komplette Inhibierung der Polymerisation

    0,01 eq TEMPO Mw um Faktor 2 verringert

    0,001 eq TEMPO Mw um Faktor 2 verringert

    0,1 eq DPPH komplette Inhibierung der Polymerisation

    ausgeschlossen werden, dass die persistenten Radikale bereits auf dieser Stufe bzw. auf derStufe des Ylids 47 in die Reaktion eingreifen. Daher kann davon ausgegangen werden, dassnach der Bildung der p-Chinodimethan-Spezies eine weitere Reaktion stattfindet, bei der eineradikalische Zwischenstufe gebildet wird. Diese müsste dann von den persistenten Radikalenabgefangen werden.

    Während Lahti mit seiner Arbeit überzeugende Argumente für einen radikalischen Me-chanismus liefert, veröffentlichte 1993 die Gruppe um Cho Ergebnisse, die über die Analyseder kinetischen Daten der Polymerisation den Schluss zulassen, dass es sich doch um ei-ne anionische Polymerisation handeln müsste.[74] Die gleiche Gruppe veröffentlichte dannjedoch 1998 eine weitere Arbeit, bei der sie aufgrund weitergehender Untersuchungen ih-re ursprüngliche Annahme, dass es sich um einen anionischen Polymerisationsmechanismushandelt, widerrief. Vielmehr kamen die Autoren dort zu dem Schluss, dass die kinetischenDaten durch ein radikalisches Kettenwachstum erklärt werden müssen.[75] Von Cho wurdedann anhand kinetischer Untersuchungen gezeigt, dass die Polymerisation von 2,5-Bis(tetra-hydrothiophenylmethyl)thiophen und -furan ebenfalls nach einem radikalischen Mechanismusverläuft.[76, 77]

    Zusammenfassend kann man feststellen, dass für die Wessling-Route die ZwischenstufenYlid 47 und p-Chinodimethan 48 nachgewiesen werden konnten. Ferner hat sich gezeigt, dassdie Reaktion sehr wahrscheinlich über einen radikalischen Wachstumsmechanismus verläuft.Die Annahme von Wessling, dass die Reaktion durch ein diradikalisches Dimer 52 initiiertwird, ist jedoch bisher nicht bewiesen worden. Allerdings konnte gezeigt werden, dass die p-Chinodimethan-Zwischenstufe 48 keinen ausgeprägten radikalischen Charakter hat und dieReaktion nicht initiiert, da sie von persistenten Radikalen wie TEMPO nicht abgefangenwerden kann.

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 29

    2.2 Sulfinyl- und Sulfonyl-Route

    Der Unterschied zwischen der Wessling-Route und der Sulfinyl- bzw. Sulfonyl-Route bestehtdarin, dass bei letzteren Reaktionen keine ionischen Ausgangsverbindungen verwendet wer-den. Daneben handelt es sich bei dem zunächst gebildeten Presursor-Polymer nicht um einenPolyelektrolyt, sondern um ein ungeladenes, neutrales Polymer. Dies ist in gängigen organi-schen Lösungsmitteln löslich und kann darin umfassend untersucht werden (siehe Schema 1auf Seite 10). Über den Polymerisationsmechanismus gab es 1997 von Vanderzande et al.erste Untersuchungen.[78, 79] Die Autoren beschreiben, dass durch Zugabe von persistentenRadikalen wie TEMPO und DPPH die Ausbeute an Polymer drastisch reduziert werden kannund gleichzeitig die Molmasse der Polymerketten deutlich abnimmt. Weiter wurden die Ne-benprodukte 63 und 64 gefunden, die Aufschluss über den Reaktionsmechanismus zulassen(Schema 23).

    P

    Cl

    P = "polarisierende" Gruppe = SO-n-Bu oder SO2-n-Bu

    Base

    P

    Cl

    -

    - Cl

    P CP

    CH

    H

    P

    Polymerisation-

    60 61

    62

    59

    Schema 23: Allgemeines Schema zur Initiierung der Polymerisation bei der Sulfinyl-Routenach Vanderzande.

    Die als Monomer eingesetzten p-Xylol-Derivate 59 sind in α- und α′-Position unterschied-lich substituiert. Dabei dient ein Chlor-Substituent als Abgangsgruppe und eine Sulfinyl-oder Sulfonyl-Gruppe (P) zur Polarisierung der benzylischen C-H-Bindung (siehe Schema23). Vanderzande geht davon aus, dass analog zur Wessling-Route zunächst ein Deproto-nierungsgleichgewicht die Ausgangsverbindung 59 in das Anion 60 überführt. Dieses gehtdann unter 1,6-Eliminierung der Abgangsgruppe in die p-Chinodimethan-Zwischenstufe 61über. Diese Zwischenstufe dimerisiert zu 62 und initiiert die Polymerisation. Die Existenzdieses dimeren Diradikals 62 wurde durch ein Abfangexperiment mit TEMPO und demanschließenden Fund des Dialdehyds 63 nachgewiesen. Die Existenz des Anions 60 wur-de jedoch nicht wie bei der Wessling-Route durch die Reaktion mit Aldehyden bzw. durcheinen Wasserstoff-Deuterium-Austausch an der benzylischen Position belegt. Ob dieses Anionwährend der Reaktion tatsächlich auftritt, oder ob es sich bei der Eliminierung um einen kon-zertierten Schritt handelt, konnte daher nicht endgültig geklärt werden. Ein weiteres wichtiges

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 30

    N

    O

    H CH3

    S+

    R

    O-

    O

    H

    H

    O

    63

    64

    O

    S+

    S+

    ON

    N

    CH3

    CH3

    CH3CH3

    CH3

    CH3

    CH3CH3O

    R

    R

    O

    -

    -

    CH2

    S+

    R

    O-

    N

    CH3

    O

    H

    -+

    S+

    R

    O

    Cl

    -

    N

    CH3

    O

    H

    -+

    Schema 24: Wichtige Nebenprodukte und deren Entstehung nach Vanderzande bei derSulfinyl-Route.

    Nebenprodukt ist das durch nukleophile Substitution des Chlorids durch ein deprotonier-tes Lösungsmittelmolekül (N -Methylformamid) entstandene Nebenprodukt 64 (Schema 24).Vanderzande geht davon aus, dass dieses Molekül durch Reaktion eines deprotoniertenLösungsmittels mit der p-Chinodimethan-Zwischenstufe 61 entsteht. Allerdings ist ebensodenkbar, dass es durch normale nukleophile Substitution an der benzylischen Gruppe desMonomers entsteht (Schema 24). Leider wurden keine in-situ-Untersuchungen mit UV/Vis-oder NMR-Spektroskopie durchgeführt. Daher ist nicht klar, wie sich die Konzentration derp-Chinodimethan-Zwischenstufe 61 über die Zeit verändert und ob es hier Unterschiede zurWessling-Route gibt.

    In einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1998 befaßt sich Vanderzande mit der interme-diären Entstehung des Anions 60.[80] In dieser Arbeit wurde versucht, analog zu den Experi-menten bei der Wessling-Route, durch Umsetzung des Monomers in N -Methylformamid-d5bei tiefen Temperaturen (-45 ◦C, -40 ◦C und -35 ◦C) einen Wasserstoff-Deuterium-Austauschnachzuweisen. Doch obwohl die Polymerisation bei -35 ◦C bereits einsetzt, lässt sich im NMR-Spektrum kein Deuterium-Einbau nachweisen. Es ist daher stark anzuzweifeln, dass der Eli-minierungsreaktion, die die Ausgangsverbindung 59 in die p-Chinodimethan-Zwischenstufe61 überführt, tatsächlich ein Deprotonierungsgleichgewicht vorgelagert ist.

    Die nächste Veröffentlichung zum Polymerisationsmechanismus der Sulfinyl-Precursor-Rou-te erschien 1999.[81] Darin konnte Vanderzande zeigen, dass im polar-protischen Lösungs-mittel N -Methylformamid hochmolekulares Polymer gebildet wird. Verwendet man jedoch

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 31

    N -Methylpyrrolidon als Lösungsmittel, so tritt eine bimodale Molmassenverteilung mit ei-nem nieder- und einem hochmolekularen Anteil auf. Hier lag die Vermutung nahe, dass indiesem Lösungsmittel sowohl ein anionischer als auch ein radikalischer Mechanismus parallelablaufen. Kontrollexperimente in N -Methylpyrrolidon unter Zugabe von Wasser bzw. TEM-PO ergaben, dass bei Wasserzugabe der niedermolekulare Anteil des Precursor-Polymersverschwindet, während bei TEMPO-Zugabe der hochmolekulare Anteil nicht mehr nach-weisbar ist. Dieses Verhalten legt die Schlussfolgerung nahe, dass durch die Zugabe vonWasser bzw. TEMPO zur Reaktionslösung jeweils einer der beiden sonst parallel wirksamenPolymerisationsmechanismen selektiv inhibiert werden kann - sofern man als LösungmittelN -Methylpyrrolidon verwendet.

    Vanderzande et al. beschreiben in der gleichen Arbeit, dass sie bei Verwendung der Bi-phenyl-Ausgangsverbindung 65 mit online-UV/Vis-Spektroskopie bei λmax = 445 nm eineBande beobachten konnten, die mit der Reaktionszeit schnell abklingt. Diese Bande wird mitdem Entstehen der p-Chinodimethan-Zwischenstufe 66 korreliert (Schema 25).

    Cl

    Sn-Bu

    O

    + Base

    - HCl

    Sn-Bu

    O

    65 66

    Schema 25: Entstehung der chinoiden Zwischenstufe 66 aus 65.

    Das Absorptionsmaximum von 66 liegt nach Vanderzande mit λmax = 445 nm rund130 nm langwelliger als bei der p-Chinodimethan-Zwischenstufe bei der Wessling-Route. DieReaktion wurde jedoch in N -Methylpyrrolidon durchgeführt. In diesem Lösungsmittel laufenaber - wie oben schon diskutiert - offenbar sowohl ein anionischer als auch ein radikalischerPolymerisationsmechanismus parallel ab. Es ist somit nicht vollständig auszuschließen, dasses sich bei der Absorption bei λmax = 455 nm um das anionische Intermediat handelt. Leiderwurden keine Messungen in Lösungsmitteln durchgeführt, von denen bekannt ist, dass beideren Verwendung ausschließlich ein radikalischer Mechanismus vorliegt. Dies würde eine ein-deutigere Aussage darüber zulassen, ob tatsächlich das Anion oder die chinoide Zwischenstufe66 nachgewiesen wurde.

    Fasst man die Ergebnisse zum Polymerisationsmechanismus bei der Sulfinyl- bzw. Sulfonyl-Route in N -Methylformamid als Lösungsmittel zusammen, so ergibt sich folgendes Bild.Aufgrund des nicht vorhandenen Wasserstoff-Deuterium-Austauschs bei der Bildung der p-Chinodimethan-Zwischenstufe 61 kann ein vorgelagertes Deprotonierungsgleichgewicht nahe-zu ausgeschlossen werden. Die Eliminierung der Abgangsgruppe erfolgt bei der Sulfinyl- bzw.Sulfonyl-Route konzertiert. Anschließend dimerisieren zwei p-Chinodimethan-Moleküle 61 inKopf-Kopf-Anordnung und bilden das dimere Diradikal 62, das dann die Polymerisation in-

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 32

    itiiert. Verwendet man dagegen N -Methylpyrrolidon als Lösungsmittel, so laufen offenbar einanionischer und ein radikalischer Mechanismus parallel ab. Die beiden Reaktionswege könnendurch die Zugabe von Wasser bzw. persistenten Radikalen wie z. B. TEMPO selektiv undgetrennt voneinander beeinflusst werden.

    2.3 Halogen-Precursor- bzw. Gilch-Route

    Die Halogen-Precursor-Route und die Gilch-Route unterschieden sich lediglich in der Mengean zugegebener Base zur Initiierung der Reaktion. Während man bei der Halogen-Precursor-Route mit einem Unterschuss an Base (ca. 0,9 eq pro Mol Monomer) die weitere Eliminierungdes Precursor Polymers 70 zum konjugierten PPV-Derivat 71 verhindern möchte, benutztman bei der Gilch-Reaktion einen großen Überschuss an Base (4 - 12 eq pro Mol Monomer),damit die Eliminierungsreaktion in situ vollständig ablaufen kann und man direkt das PPV-Derivat 71 erhält (siehe Schema 26).

    R1

    Cl

    Cl

    R2

    R1

    R2

    Cl

    n

    R1

    R2n

    45

    7071

    a) 0,9 eq Base

    b) 4 - 12 eq Base

    R1

    R2n

    71

    n

    Schema 26: a) Halogen-Precursor-Route zur Synthese des Precursor-Polymers 70; b) Gilch-Route zur direkten Herstellung des PPV-Derivats 71.

    Insbesondere bei der Gilch-Reaktion ist es wichtig, dass das Monomer 45 mit löslichkeits-vermittelnden Seitengruppen versehen ist, da sonst bei der Eliminierungsreaktion das entste-hende PPV-Derivat unlöslich würde und somit nicht mehr in lösungsgebundenen Verfahrenweiterverarbeitet werden kann.

    Obwohl diese Route zur Herstellung von PPV-Derivaten bereits 1966 von Gilch publi-ziert wurde,[40] stand die Aufklärung des Polymerisationsmechanismus lange Zeit nicht imMittelpunkt des Interesses. Erst nachdem sich herausstellte, dass über die Gilch-Route lösli-che PPV-Derivate mit guter Eignung als Emittermaterial in POLEDs hergestellt werdenkönnen, wurde das Interesse an der Aufklärung des Mechanismus geweckt. Allerdings gibtes in der Literatur immer noch kontroverse Diskussionsansätze zum Mechanismus der Gilch-Polymerisation. Die wichtigsten Vorschläge sind in Schema 27 kurz zusammengefasst:

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 33

    R1

    Cl

    Cl

    R2

    Cl

    Cl

    R1

    R2

    R2

    R1

    Cl

    R1

    R2

    Nuc-

    R1

    R2

    Cl

    n

    R1

    R2n

    - n HClanionisches Kettenwachstum radikalisches Kettenwachstum

    Nuc- Radikalrekombination

    45

    Nucleophil

    68 70 69

    71

    Cl

    R1

    R2

    Cl

    R1

    R2

    67 67a

    ?

    R1

    Cl

    Cl

    R2

    - H+

    -

    - Cl-

    - HCl

    Anion Carben

    R1

    Cl

    R2

    ••

    H-shift

    + n 67 + n 67

    + n 69

    oder

    Schema 27: Mögliche Reaktionswege der Gilch-Reaktion zum PPV-Derivat 71.

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 34

    Es besteht weitgehendes Einvernehmen darüber, dass nach der ersten HCl-Eliminierungaus 45 die p-Chinodimethan-Zwischenstufe 67 entsteht – wenngleich sie bisher nicht direktnachgewiesen werden konnte. Diese Zwischenstufe kann von einem Nucleophil unter Rearo-matisierung angegriffen werden. Es bildet sich dann 68. Dabei entsteht erneut ein anionischesKettenende, welches dann im Sinne einer anionischen Polymerisation wieder nucleophil einep-Chinodimethan-Zwischenstufe 67 angreifen kann und somit die Polymerkette nach einemanionischen Mechanismus aufbaut. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Zwischen-stufe 67 bzw. 67a zunächst eine Radikalrekombination zu dem diradikalischen Dimer 69 ein-geht. Dieses Dimer kann nun wiederum mit der Zwischenstufe 67 reagieren und die Ketteüber einen radikalischen Wachstumsmechanismus aufbauen. Eine weitere Möglichkeit wäreeine direkte Radikalkombination des Dimers 69. Auch bei dieser Variante würde der Aufbauder Polymerkette über einen radikalischen Mechanismus verlaufen. Allerdings würden dannviele gesättigte C2-Einheiten im Polymer gebildet werden.

    Einen vollständig anderen Aspekt zur Initiierung der Gilch-Reaktion greifen Pan et al.[82]

    auf. Von ihnen wird vorgeschlagen, dass sich zu nächst durch HCl-Eliminierung einer derbeiden CH2Cl-Gruppen des Monomers 45 das Carben 75 bildet. Dieses soll dann durch eineGerüstumlagerung zum Diradikal 76a weiterreagieren, welches dann wiederum durch einenradikalischen Mechanismus zum PPV-Derivat polymerisieren sollte.

    Sollten Carbene im Reaktionsverlauf entstehen, so könnten diese leicht mit aromatischenVerbindungen unter Ringerweiterung oder mit Ethylen-Einheiten unter Cyclopropanbildungreagieren. Bereits in der ersten Arbeit von Gilch[40] wurde jedoch gezeigt, dass bei der Zu-gabe von großen Mengen an Cyclohexen und Tetramethylethylen als Abfangreagenzien keineCyclopropan-Derivate entstehen. Da auch von Pan weder die Isolierung dieser Abfangpro-dukte erfolgte noch spektroskopische Messungen zu deren Nachweis durchgeführt wurden,kann die Entstehung von Carbenen im Reaktionsverlauf doch sehr stark bezweifelt werden.

    Ein häufiges Problem bei der Herstellung von löslichen PPV-Derivaten über die Gilch-Route ist die Vergelung des Ansatzes. Da die so erhaltenen Polymere nicht mehr vollständiglöslich sind, können sie in lösungsgebundenen Verfahren wie dem Spin-Coating oder Dip-Coating nicht mehr zur Herstellung von POLEDs verwendet werden. Hsieh fand nun heraus,dass die Zugabe von monofunktionellen Verbindungen wie dem 4-tert.-Butylbenzylchlorid 72zur Reaktionslösung zum einen die Vergelung verhindert und zum anderen die Molmasse dersynthetisierten PPV-Derivate senkt.[83, 84] Er ging nach diesen Beobachtungen davon aus,dass die monofunktionellen Verbindungen als Kettenstarter und somit als Molmassen-Reglerin einer anionischen Polymerisation fungieren. Dabei legte er die in Schema 28 dargestellteWirkungsweise der monofunktionellen Regler zugrunde.

    Der entscheidende Schritt ist hierbei, dass durch den nucleophilen Angriff des Benzylanions72 zu Beginn der Reaktion viele Dimere 73 entstehen, die an einer Seite ein Anion tragenund wiederum mit 67 weiterreagieren können. Da somit bei Initiierung der Reaktion viele

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 35

    Cl

    Cl

    R1

    R2

    Cl

    R1

    R2

    - HCl

    CH3

    CH3

    CH3

    Cl

    -

    Cl

    R1

    R2

    CH3

    CH3

    CH3

    Cl

    -

    +

    45 67

    72

    73

    Schema 28: Mögliche Wirkungsweise der von Hsieh verwendeten monofunktionellen Ben-zylhalogenide 72.

    Ketten gleichzeitig gestartet werden, sollte sich die mittlere Kettenlänge und somit auch dieMolmasse des entstehenden Polymers deutlich absenken lassen. Diese Überlegungen stehen imEinklang mit den Beobachtungen von Hsieh, dass sich durch Zugabe der monofunktionellenRegler das Molekulargewicht senken und eine Vergelung der Ansätze verhindern lässt. Daherwurde in dem Artikel von Hsieh die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Gilch-Route umeine anionische Polymerisation handeln muss.

    Diese Ergebnisse wurden durch Arbeiten von Ferraris und Yin[85, 86] unterstützt. Siefügten der Polymerisationslösung anstelle von 4-tert.-Butylbenzylchlorid 72 4-Methoxyphenolzu. Dies wird zunächst von der Base Kalium-tert.-butanolat deprotoniert. In der deprotonier-ten Form sollte es dann als in situ gebildetes Nucleophil durch nucleophilen Angriff auf dieZwischenstufe 67 weitere Polymerketten starten. Da Ferraris und Yin bei Erhöhung derPhenolkonzentration eine Abnahme des Molekulargewichts des PPV-Derivats feststellten,bekräftigten sie die Aussage von Hsieh, dass es sich bei der Gilch-Route um eine anioni-sche Polymerisation handelt. Allerdings berücksichtigten sie nicht, dass durch die Initiierungder Polymerisation mittels Kalium-tert.-butanolat bereits eine sehr große Anzahl an Alkoxy-Nucleophilen im Reaktionsgemisch vorhanden sind. Sollten Alkoxide die Zwischenstufe 67tatsächlich nucleophil angreifen, so sollte überhaupt keine Polymerisation einsetzen. Des Wei-teren sind Phenole gute Inhibitoren für radikalische Polymerisationen und werden daher zurStabilisierung von Monomeren wie z. B. Styrol eingesetzt. Daher ist es ebenso denkbar, dassdie von Ferraris zugegebenen Phenole sich auf einen eventuell ablaufenden radikalischenMechanisums “bremsend“ ausgewirkt haben.

    Die nächste Arbeit zum Polymerisationsmechanismus bei der Gilch-Reaktion erschien 2001von Yin. Er setzte bei seinen Untersuchungen dem Reaktionsgemisch Polyethylenglykol zu.

  • 2 Aktueller Wissensstand zum Mechanismus der Precursor-Routen zum PPV 36

    Dadurch wurde die Polymerisation so beeinflusst, dass daraus eine multimodale Verteilungder Molmassen der Produkte resultierte. Diese Beobachtung wurde von Yin so interpre-tiert, dass das Polyethylenglykol mehrere Typen von reaktionsfähigen Zentren generiert. Davon Polyethylenglykol bekannt ist, dass es Kationen wie Kalium komplexieren kann, gingYin davon aus, dass neben carbanionischen Kettenenden, die mit dem Kalium-Kation einKontaktionen-Paar bilden, auch freie, dissoziierte carbanionische Kettenenden im Reaktions-medium vorhanden sind. Weil diese verschiedenen Kettenenden eine unterschiedliche Reak-tivität besitzen, würde dies in Einklang mit der multimodalen Verteilung der Molmassenstehen. Da eine multimodale Molmassenverteilung durch unterschiedlich solvatisierte anioni-sche Kettenenden bei der konventionellen anionischen Polymerisation ein bereits bekanntesPhänomen ist, schloß Yin daraus, dass seine Ergebnisse die Annahme bestätigen, dass es sichbei der Gilch-Reaktion um eine anionische Polymerisation handelt.

    Neben den Arbeiten, die einen anionischen Mechanismus unterstützten, gibt es auch Veröf-fentlichungen, in denen sowohl ein anionischer als auch ein radikalischer Mechanismus für diePolymerisation angenommen wurden.[87, 82] In Veröffentlichung von Huang et al. wurde demReaktionsgemisch sukzessive größere Menge an unterschiedlichen Benzyl-Verbindungen alsMolmassen-Reglern zugegeben. Hierbei wurde festgestellt, dass sowohl die Ausbeute als auchdie Molmasse des erhaltenen Polymers mit steigender Konzentration an Regler abnimmt. Daaber gleichzeitig beobachtet wurde, dass konventionelle Inhibitoren für radikalische Polyme-risationen wie 2,6-Di-tert.-butyl-4-methylphenol ebenfalls eine Senkung der Molmasse undder Ausbeute des PPV-Polymers hervorrufen, wurde ein parallel ablaufender anionischer undradikalischer Mechanismus vorgeschlagen.

    Neuere Untersuchungen von Vanderzande et al.[88] weisen darauf hin, dass es sich beider Gilch-Reaktion um ein rein radikalisches Kettenwachstum handelt. In der genanntenVeröffentlichung wird davon berichtet, dass klassische Molassen-Regler für radikalische Poly-merisationen wie z. B. das CBr4 ein Verringerung des Polymerisationsgrades und der Aus-beute an PPV-Derivaten bewirken.

    Zusammenfassend kann man sagen, dass sich in der Literatur noch keine einheitliche An-sicht zum Polymerisationsmechanismus bei der Gilch-Reaktion herausgebildet hat. Es istdaher notwendig, die einzelnen Möglichkeiten genauer zu untersuchen.

  • 3 Aufgabenstellung 37

    3 Aufgabenstellung

    Organische Leuchtdioden weisen gegenüber eingeführten Technologien wie Flüssigkristall-Anzeigen (LCDs) einige charakteristische Vorteile auf. Dies sind geringerer Stromverbrauch,Blickwinkelunabhängigkeit von Kontrast und Farbe, kürzere Schaltzeiten und die Möglichkeit,flexible Anzeigen herzustellen. Daher hat sich die Technologie der Herstellung von Organi-schen Leuchtdioden seit den ersten Berichten von Tang und VanSlyke über die Verwen-dung von “kleinen Molekülen“ sowie der Veröffentlichung der Arbeitsgruppen um Holmesund Friend über die Verwendung von Polymeren als Emitterschicht rasant entwickelt.

    Bei der kommerziellen Entwicklung der POLEDs haben sich vor allem die Derivate desPoly(p-phenylen-vinylen) als interessante Materialien herausgestellt. Die vielseitigen Synthe-semöglichkeiten, kombiniert mit einfacher Reaktionsführung, leicht zugänglichen Monomerenund die variabel einstellbaren Emissionswellenlängen sind wichtige Argumente für die Ver-wendung dieser Polymere als Funktionsschicht in Organischen Leuchtdioden.

    Unter den Syntheserouten für PPVs hat sich insbesondere die sog. Gilch-Route als vorteil-haft erwiesen, da auf diesem Wege in einem einzigen Reaktionsschritt lösliche PPV-Derivatehergestellt werden können. Dies hat den Vorteil, dass sich die so hergestellten Derivate imweiteren Verlauf der Herstellung einer Leuchtdiode direkt aus Lösung verarbeiten lassenund keine zusätzlichen Umwandlungsschritte notwendig sind. Dadurch wird das Problemvermieden, dass niedermolekulare Reaktionsprodukte nach der Umwandlung zum PPV imFilm verbleiben und die Haltbarkeit sowie die Effizienz der daraus hergestellten OrganischenLeuchtdioden negativ beeinflussen.

    Von der PPV-Synthese nach Gilch ist jedoch bereits bekannt, dass charakteristische Defek-te in die Polymerkette eingebaut werden.[89, 35] Dies sind vor allem gesättige C2H4-Brückenund [-C≡C-]-Einheiten zwischen zwei Phenylringen. Während die gesättigten Brücken daskonjugierte π-System unterbrechen und somit die effektive Konjugationslänge limitieren,können die Ethinylen-Brücken durch lokale Veränderung der HOMO-LUMO-Lagen als sog.Ladungsträgerfallen wirken. Diese in der Literatur als Tolan-Bisbenzyl-Fehlstellen (TBB-Fehlstellen) bezeichneten Defekte haben einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensdauerder POLED.[90] Es ist daher für zukünftige Anwendungen von besonderer Bedeutung, dieAnzahl der Fehlstellen auf ein Minimum zu reduzieren. Um dies gewährleisten zu können,ist es jedoch notwendig, den Mechanismus, nach dem sich diese TBB-Einheiten während derPolymerisation bilden, im Detail zu kennen. Dafür wiederum ist die Kenntnis des zugrun-deliegenden Polymerisationsmechanismus und der aktiven Monomere essentiell. Ein weiteresProblem bei der Herstellung von löslichen PPV-Derivaten über die Gilch-Route ist die häufigauftretende Vergelung der Reaktionsansätze. Die so hergestellten Polymere sind nach ihrerAufarbeitung nicht mehr löslich und können somit nicht mehr zu OLEDs weiterverarbeitetwerden. Um dieses Problem zu lösen und die Molmasse des PPV-Derivats gezielt einstellen

  • 3 Aufgabenstellung 38

    zu können, ist es ebenso von entscheidender Bedeutung, dass der Polymerisationsmechanis-mus im Detail verstanden ist. Wie in Kapitel 2 eingehend dargestellt wurde, existieren zwarfür viele PPV-Syntheseverfahren schon umfangreiche Studien zum Polymerisationsmechanis-mus, nicht aber für die Gilch-Route. Hier hat sich daher auch noch kein einheitliches Bildherausgebildet.

    Zielsetzung dieser Arbeit war es daher zu untersuchen, welcher der in der Literautur kon-trovers diskutierten Polymerisationsmechanismen der Gilch-Reaktion wirklich zugrunde liegt.Sobald sich hier ein eindeutiges Bild ergibt, sollten die einzelnen Teilschritte näher untersuchtwerden. Ziel war es, sämtliche an der Polymerisation beteiligten Zwischenstufen nachzuwei-sen.

  • 4 Orientierende Studien zur Gilch-Polymerisation 39

    4 Orientierende Studien zur Gilch-Polymerisation

    Da sich in der Literatur zum Mechanismus der Gilch-Reaktion noch keine einheitliche Mei-nung gebildet hat, war es das erste Ziel, die zum Teil widersprüchlichen Angaben in derLiteratur zu überprüfen. Dazu sollten zunächst die Experimente von Hsieh nachgestellt wer-den. Als Monomer wurde dazu das 5-Methoxy-2-(2’-ethylhexoxy)-1,4-bis(chlormethyl)benzol(MEH-Monomer) gewählt, da dies bei den meisten Untersuchungen in der Literatur ebenfallsverwendet wurde und somit die Ergebnisse direkt miteinander vergleichbar waren.

    4.1 Monomersynthese

    Zur Synthese 76 wurde zunächst Natrium-Methanolat in Methanol gelöst und eine Lösungvon 4-Methoxyphenol 77 in Methanol langsam zugetropft. Um die Deprotonierung des Phe-nols zu vervollständigen, wurde die Reaktionslösung über Nacht bei Raumtemperatur wei-tergerührt. 1-Brom-2-ethylhexan 78 wurde dann als Lösung in Methanol langsam zum Reak-tionsgemisch zugetropft. Nach ca. 30 h Erhitzen unter Rückfluss wurde die Reaktionslösungbis zur Trockne eingeengt und in einer 1:1-Mischung aus Diethylether/Wasser wieder aufge-nommen. Die organische Phase wurde durch mehrmalige Extraktion mit 0,2 M NaOH-Lösungund Wasser gewaschen. Nachdem das Lösungsmittel vollständig entfernt war, wurde das Roh-produkt über Silica-Gel mit Toluol als Laufmittel gereinigt. Die Verbindung 79 wurde alsfarbloses Öl in einer Ausbeute von 72 % erhalten.

    Zur Chlormethylierung wurde zunächst 79 und Paraformaldehyd im Reaktionsgefäß vor-gelegt und dann in wässriger HCl (37 %) unter starkem Rühren suspendiert. Anschließendwurde Essigsäureanhydrid so zugetropft, dass die Temperatur der Reaktionslösung 70 ◦Cnicht überstieg. Nachdem die Zugabe des Anhydrids abgeschlossen war, wurde die Reakti-onslösung für weitere 3,5 h auf 70 ◦C erhitzt. Beim Abkühlen schied sich das Rohproduktals weißer, wachsartiger Niederschlag auf der Reaktionslösung ab. Danach wurde die Reak-tionslösung mit gesättigter Natriumacetat-Lösung und Natronlauge neutralisiert, der weißeNiederschlag abfiltriert und mit Wasser gewaschen. Das Rohprodukt wurde durch dreimaligesUmkristallisieren aus n-Hexan gereinigt.

    Abbildung 3 zeigt ein 1H-NMR-Spektrum des MEH-Monomers 76. Bei δ = 6.92 ppmist das Signal der beiden aromatischen Protonen H-2 und H-5 zu erkennen. Weiter findetsich bei δ = 4.63 ppm die Absorption der benzylischen CH2Cl-Gruppe (H-7) und bei etwashöherem Feld - δ = 3.88 und 3.83 ppm - die Signale der OCH2-Gruppe des 2-Ethylhexoxy-Restes (H-a) und der OCH3-Gruppe. Bei δ = 1.74 ppm findet man das Signal des Protonsder Verzweigungsstelle (H-b). Im Bereich von δ = 1.6 bis 1.2 ppm sind zwei Multipletts zuerkennen, die den Protonen der CH2-Gruppen in der Seitenkette zugeordnet werden können(H-c,d,e und c’). Schließlich sind die Signale der beiden endständigen CH3-Gruppen zwischenδ = 1.0 und 0.8 ppm wiederum als Multipletts zu erkennen.

  • 4 Orientierende Studien zur Gilch-Polymerisation 40

    OMe

    OH

    77

    NaOMe / MeOH

    CH3

    Br CH3

    +

    78

    OMe

    O

    CH3

    CH3

    79

    HCl

    O

    H H

    OMe

    O

    CH3

    CH3

    Cl

    Cl

    76

    Schema 29: Syntheseweg zur Herstellung des MEH-Monomers 76.

    8 7 6 5 4 3 2 1 0Chemical Shift (ppm)

    TMS*

    1

    6

    5

    3

    4

    7

    2

    7

    a b

    c d

    ef

    c'd'

    Cl

    OMe

    Cl

    O

    CH3

    CH3 H-7

    H-2,5 H-a

    OCH3

    H-b

    H-c,d,e,c'

    H-f,d'

    76

    Abbildung 3: 1H-NMR-Spektrum des MEH-Monomers 76 mit Signalzuordnung; aufgenom-men in CDCl3 (∗).

  • 4 Orientierende Studien zur Gilch-Polymerisation 41

    4.2 Allgemeine Vorgehensweise bei der Gilch-Reaktion

    Für die anschließende Polymerisation wird eine Lösung von 1,5 mmol MEH-Monomer 76 in100 mL absolutem THF hergestellt und für mind. 30 min mit Eis gekühlt. Danach wurdenzur Initiierung der Polymerisation 4 eq Kalium-tert.-butanolat als 1,0 M-Lösung in THF zurReaktionslösung gegeben. Durch diese Menge an Base war gewährleistet, dass auch für dieEliminierung zum konjugierten MEH-PPV genügend Base zur Verfügung stand, und dasskeine Verfälschungen der Ergebnisse z. B. durch verzögertes Lösen der Base im THF her-vorgerufen werden konnten. Die Reaktionslösung wurde noch 20 h weitergerührt und ließ sielangsam von 0 ◦C auf Raumtemperatur kommen. Nach Ablauf der Reaktionszeit waren man-che Ansätze vergelt. Das Vergelen war jedoch nicht reproduzierbar. Anschließend wird dasReaktionsgemisch durch Zugabe von konzentrierter Essigsäure neutralisiert. Das Lösungsmit-tel wurde auf ca. die Hälfte eingeengt und das Polymer in Methanol ausgefällt. Anschließendwurde das Polymer abfiltriert und mit ca. 50 mL Methanol gewaschen und unter Vakuumbei 40 ◦C getrocknet.

    9 8 7 6 5 4 3 2 1 0Chemical Shift (ppm)

    OMe

    O

    CH3

    CH3

    1

    6 5

    3

    4

    8

    2

    7

    a b

    c d

    ef

    c'd'

    n*

    TMS

    H-3,6 H-7,8

    OCH3, H-a

    H-b

    H-c,d,e,c'

    H-f,d'

    Abbildung 4: 1H-NMR-Spektrum des MEH-PPVs mit Signalzuordnung; aufgenommen inCDCl3 (∗).

    Abbildung 4 zeigt ein charakteristisches 1H-NMR-Spektrum eines so erhaltenen MEH-PPVs mit Signalzuordnung. Bei einer chemischen Verschiebung von δ ≈ 7.5 ppm ist das breiteSingulett der aromatischen Protonen (H-3 und H-6) zu erkennen, bei δ = 7.2 ppm das ver-breiterte Signal der vinylischen Protonen H-7 und H-8. Anhand der chemischen Verschiebunglässt sich auch erkennen, dass das PPV zum überwiegenden Teil in all-trans-Konfigurationvorliegt, da sonst die vinylischen Protonen bei höherem Feld - bei ca. δ = 6.9 ppm - absorbie-ren sollten. Im Bereich zwischen δ = 4.2 und 3.7 ppm folgen die stark verbreiterten Signale

  • 4 Orientierende Studien zur Gilch-Polymerisation 42

    der OCH3- bzw. OCH2-Gruppen. Das Signal der Protonen an der Verzweigungsstelle (H-b) istbei δ = 1.85 ppm noch gut zu erkennen und hinreichend von den Signalen der CH2-Gruppender Seitenkette (δ = 1.7 bis 1.2) ge